Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten
EINLEITUNG
I. Von den Gesetzen überhaupt
II. Allgemeine Grundsätze des Rechts
ERSTER THEIL
Erster Titel: Von Personen und deren Rechten überhaupt
Zweyter Titel: Von Sachen und deren Rechten überhaupt
Dritter Titel: Von Handlungen und den daraus entstehenden
Rechten
Viertel Titel: Von Willenserklärungen
Fünfter Titel: Von Verträgen
Sechster Titel: Von den Pflichten und Rechten, die aus
unerlaubten Handlungen entstehen
Siebenter Titel: Von Gewahrsam und Besitz
Achter Titel: Vom Eigenthum
Neunter Titel: Von der Erwerbung des Eigenthums überhaupt,
und den unmittelbaren Arten derselben insonderheit
Erster Abschnitt: Von der ursprünglichen Besitznehmung
Zweyter Abschnitt: Von der Besitznehmung verlassener und verlohrner Sachen
Dritter Abschnitt: Von gefundenen Schätzen
Vierter Abschnitt: Vom Thierfange
Fünfter Abschnitt: Von der Beute
Sechster Abschnitt: Von der Erwerbung der An- und Zuwüchse
Siebenter Abschnitt: Von Preißgegebenen Sachen und Geldern
Achter Abschnitt: Von Erwerbung der Erbschaften
Neunter Abschnitt: Von der Verjährung
Zehnter Titel: Von der mittelbaren Erwerbung des Eigenthums
Eilfter Titel: Von den Titeln zur Erwerbung des Eigenthums
unter Lebendigen
Erster Abschnitt: Von Kaufs- und Verkaufsgeschäften
Zweyter Abschnitt: Vom Tauschvertrage
Dritter Abschnitt: Von Abtretung der Rechte
Vierter Abschnitt: Vom Erbschaftskaufe
Fünfter Abschnitt: Vom Trödelvertrage
Sechster Abschnitt: Von gewagten Geschäften und ungewissen
Erwartungen
Siebenter Abschnitt: Vom Darlehensvertrage
Achter Abschnitt: Von Vertragen; wodurch Sachen gegen
Handlungen, oder Handlungen gegen Handlungen versprochen wurden
Neunter Abschnitt: Von Schenkungen
Zwölfter Titel: Von den Titeln zur Erwerbung des Eigenthums
von Todeswegen
Erster Abschnitt: Von Testamenten und Codicilen
Zweyter Abschnitt: Von Erbverträgen
Dreyzehnter Titel: Von Erwerbung des Eigenthums der Sachen,
und Rechte durch einen Dritten
Erster Abschnitt: Von Vollmachtsaufträgen
Zweyter Abschnitt: Von Uebernehmung fremder Geschäfte ohne
vorhergegangenen Auftrag
Dritter Abschnitt: Von nützlichen Verwendungen
Vierzehnter Titel: Von Erhaltung des Eigenthums der Rechte
Erster Abschnitt: Vom Verwahrungsvertrage
Zweyter Abschnitt: Von Verwaltung fremder Sachen und Güter
Dritter Abschnitt: Von Caution und Bürgschaften
Vierter Abschnitt: Von Prüfungen
Fünfter Abschnitt: Von Protestationen
Fünfzehnter Titel: Von Verfolgung des Eigenthums
Sechszehnter Titel: Von den Arten, wie Rechte und
Verbindlichkeiten aufhören
Erster Abschnitt: Von Erfüllung der Verbindlichkeiten
überhaupt
Zweyter Abschnitt: Von der Zahlung
Dritter Abschnitt: Von der Deposition
Vierter Abschnitt: Von der Angabe an Zahlungsstatt
Fünfter Abschnitt: Von Anweisungen
Sechster Abschnitt: Von der Compensation
Siebenter Abschnitt: Von Entsagung der Rechte
Achter Abschnitt: Von Vergleichen
Neunter Abschnitt: Von Aufhebung der Rechte und
Verbindlichkeiten durch deren Umschaffung
Zehnter Abschnitt: Von Aufhebung der Rechte und
Verbindlichkeiten durch deren Vereinigung
Siebzehnter Titel: Vom gemeinschaftlichen Eigenthume
Erster Abschnitt: Vom gemeinschaftlichen Eigenthume überhaupt
Zweyter Abschnitt: Vom gemainschaftlichen(!) Eigenthume der
Miterben
Dritter Abschnitt: Von Gemeinschaften, welche durch Vertrag
entstehn
Vierter Abschnitt: Von Gemeinheitstheilungen
Fünfter Abschnitt: Von Gränzscheidungen
Achtzehnter Titel: Vom getheilten Eigenthume
Erster Abschnitt: Vom Lehne
Zweyter Abschnitt: Von Erbzinsgütern
Neunzenhter Titel: Von dinglichen und persönlichen Rechten
auf fremdes Eigenthum überhaupt
Zwanzigster(!) Titel: Von den Rechten auf die Substanz einer
fremden Sache
Erster Abschnitt: Vom Rechte des Unterpfandes
Zweyter Abschnitt: Vom Zurückbehaltungsrechte
Dritter Abschnitt: Vom Vorkaufs- Näher- und Wiederkaufsrechte
Ein und Zwanzigster Titel: Von dem Rechte zum Gebrauche oder
Nutzung fremden Eigenthums
Erster Abschnitt: Vom Nießbrauche
Zweyter Abschnitt: Von der Erbpacht
Dritter Abschnitt: Von dem eingeschränkten Gebrauchs- und
Nutzungs-Rechte fremder Sachen
Vierter Abschnitt: Von den zur Cultur ausgesetzten Gütern
und Grundstücken
Zwey und Zwanzigster Titel: Von Gerechtigkeiten der
Grundstücke gegen einander
Drey und Zwanzigster Titel: Von Zwangs- und
Banngerechtigkeiten
ZWEYTER THEIL
Erster Titel: Von der Ehe
Erster Abschnitt: Von den Erfordernissen einer gültigen Ehe
Zweyter Abschnitt: Von Ehegelöbnissen
Dritter Abschnitt: Von der Vollziehung einer vollgültigen
Ehe
Vierter Abschnitt: Von den Rechten und Pflichten der
Eheleute, in Beziehung auf ihre Personen
Fünfter Abschnitt: Von den Rechten und Pflichten der
Eheleute in Beziehung auf ihr Vermögen
Sechster Abschnitt: Von der Gemeinschaft der Güter unter
Eheleuten
Siebenter Abschnitt: Von Trennung der Ehe durch den Tod
Achter Abschnitt: Von Trennung der Ehe durch richterlichen
Ausspruch
Neunter Abschnitt: Von der Ehe zur linken Hand
Zehnter Abschnitt: Von den rechtlichen Folgen gesetzwidrig
geschlossener Ehe
Eilfter Abschnitt: Von den rechtlichen Folgen des
unehelichen Beyschlafes
Zweyter Titel: Von den wechselseitigen Rechten und Pflichten
der Aeltern und Kinder
Erster Abschnitt: Von ehelichen Kindern
Zweyter Abschnitt: Von den Rechten und Pflichten der
Aeltern, und des aus einer Ehe zur rechten Hand erzeugten Kinder
Dritter Abschnitt: Von dem eingenthümlichen Gewalt
Vierter Abschnitt: Von Aufhebung der väterlichen Vermögen
der Kinder
FünfterAbschnitt: Von de Erbfolge der Kinder und andrer
Verwandten in absteigender Linie
Sechster Abschnitt: Von der Erbfolge der Aeltern und andrer
Verwandten in aufsteigender Linie
Siebenter Abschnitt: Von der Pupilar-Substitution
Achter Abschnitt: Von den Kindern aus einer Ehe zur linken
Hand
Neunter Abschnitt: Von den aus unehelichem Beyschlafe
erzeugten Kinder
Zehnter Abschnitt: Von der Annahme an Kindesstatt
Eilfter Abschnitt: Von der Einkindschaft
Zwölfter Abschnitt: Von Pflegekindern
Dritter Titel: Von den Rechten und Pflichten der übrigen
Mitglieder einer Familie
Vierter Titel: Von gemeinschaftlichen Familienrechten
Erster Abschnitt: Von gemeinschaftlichen Familienrechten
überhaupt
Zweyter Abschnitt: Von Familienstiftungen
Dritter Abschnitt: Von beständigen Familien-Fideicomissen
Vierter Abschnitt: Von der Successionsordnung in
Familien-Fideicomissen
Fünfter Abschnitt: Von der Auseinandersetzung zwischen dem
Fideicomißfolger und den Erben des letzten Besitzers
Sechster Abschnitt: Von dem Näherrechte auf Familiengüter
Fünfter Titel: Von den Rechten und Pflichten der Herrschaften
und des Gesindes
Sechster Titel: Von Gesellschaften überhaupt, und von
Corporationen und Gemeinen insonderheit
Siebenter Titel: Vom Bauerstande
Erster Abschnitt: Vom Bauerstande überhaupt
Zweyter Abschnitt: Von Dorfgemeinen
Dritter Abschnitt: Von unterthänigen Landbewohnern und ihrem
Verhältnisse gegen ihre Herrschaften
Vierter Abschnitt: Von den persönlichen Pflichten und
Rechten der Unterthanen
Fünfter Abschnitt: Von den Rechten und Pflichten der
Unterthanen in Ansehung ihres Vermögens
Sechster Abschnitt: Von den Diensten der Unterthanen
Siebenter Abschnitt: Von den Zinsen und Abgaben der
Unterthanen
Achter Abschnitt: Von der Entlassung aus der Unterthänigkeit
Achter Titel: Vom Bürgerstande
Erster Abschnitt: Vom Bürgerstande überhaupt
Zweyter Abschnitt: Von Städten und Stadtgemeinen
Dritter Abschnitt: Von Handwerkern und Zünften
Vierter Abschnitt: Von Künstlern und Fabrikanten
Fünfter Abschnitt: Von Brauern, Gastwirthen, Garköchen und
andern
Sechster Abschnitt: Von Apothekern
Siebenter Abschnitt: Von Kaufleuten
Achter Abschnitt: Von Wechseln
Neunter Abschnitt: Von Handelsbillets und Assignationen
Zehnter Abschnitt: Von Mäklern
Eilfter Abschnitt: Von Rhedern, Schiffern und Befrachtern
Zwölfter Abschnitt: Von Haverey und Seeschäden
Dreyzehnter Abschnitt: Von Versicherungen
Vierzehnter Abschnitt: Von der Bodmerey
Fünfzehnter Abschnitt: Von Fuhrleuten
Neunter Titel: Von den Pflichten und Rechten des Adelstandes
(!)
Zehnter Titel: Von den Rechten und Pflichten der Diener des
Staats
Eilfter Titel: Von den Rechten und Pflichten der Kirchen und
geistlichen Gesellschaften
Erster Abschnitt: Von Kirchengesellschaften überhaupt
Zweyter Abschnitt: Von den Mitgliedern der
Kircheugesellschaften
Dritter Abschnitt: Von den Obern und Vorgesetzten der
Kirchengesellschaften
Vierter Abschnitt: Von den Gütern und dem Vermögen
derKirchengesellschaften
Fünfter Abschnitt: Von Parochien
Sechster Abschnitt: Von dem Pfarrer und dessen Rechten
Siebenter Abschnitt: Von weltlichen KirchenbedientenAchter
Abschnitt: Von Kirchenpatronen
Neunter Abschnitt: Von der Verwaltung der Güter und des
Vermögens der Pfarrkirchen
Zehnter Abschnitt: Von Pfarrgütern und Einkünften
Eilfter Abschnitt: Von Zehnten und andern Pfarrabgaben
Zwölfter Abschnitt: Von geistlichen Gesellschaften überhaupt
Dreyzehnter Abschnitt: Von catholischen Domstiftern und
Capiteln
Vierzehnter Abschnitt: Von Collegiatstiftern
Fünfzehnter Abschnitt: Von Klostergesellschaften
Sechszehnter Abschnitt: Von geistlichen Ritterorden
Siebzenter Abschnitt: Von weltgeistlichen Canonicis
Achtzehnter Abschnitt: Von Mönchen und Ordensleuten
Neunzehnter Abschnitt: Von den Mitgliedern der geistlichen
Ritterorden
Zwanzigster Abschnitt: Von protestantischen Stiftern,
Klöstern, Ritterorden, und deren Mitgliedern
Zwölfter Titel: Von niedern und höhern Schulen
Dreyzehnter Titel: Von den Rechten und Pflichten des Staats
überhaupt
Vierzehnter Titel: Von den Staats-Einkünften und
fiskalischen Rechten
Fünfzehnter Titel: Von den Rechten und Regalien des Staats
in Ansehung der Landstraßen, Ströhme, Hafen, und Meeresufer
Erster Abschnitt:Von Land- und Heerstraßen
Zweyter Abschnitt: Von Ströhmen, Hafen und Meeresufern
Dritter Abschnitt: Von der Zollgerechtigkeit
Vierter Abschnitt: Vom Postregal
Fünfter Abschnitt: Von der Mühlengerechtigkeit
Sechszehnter Titel: Von den Rechten des Staats, auf
herrnlose Güter und Sachen
Erster Abschnitt: Von den Rechten des Staats auf herrnlose
Grundstücke
Zweyter Abschnitt: Von den Rechten des Staats auf erblose
Verlassenschaften
Dritter Abschnitt: Vom Jagdregal
Vierter Abschnitt: Vom Bergwerksregal
Siebzehnter Titel: Von den Rechten und Pflichten des Staats
zum besonderen Schutze seiner Unterthanen
Erster Abschnitt: Von der Gerichtsbarkeit
Zweyter Abschnitt: Von Auswanderungen, Abfahrts- und Abschoßgeldern
Achtzehnter Titel: Von Vormundschaften und Curatelen
Erster Abschnitt: Von den Personen, welchen Vormünder oder
Curatoren bestellt werden müssen
Zweyter Abschnitt: Von denjenigen, welchen die Bestellung
der Vermünder und Curatoren zukommt und obliegt
Dritter Abschnitt: Von den Personen, welche das Amt eines
Vormundes zu übernehmen schuldig, und dazu fähig sind
Vierter Abschnitt: Von Verpflichtung und Bestätigung der
Vormünder
Fünfter Abschnitt: Von den Rechten und Pflichten der
Vormünder überhaupt
Sechster Abschnitt: Von der Sorge für den Unterhalt, und die
Erziehung der Pflegebefohlnen
Siebenter Abschnitt: Von der Vorsorge für das Vermögen der
Pflegebefohlnen
Achter Abschnitt: Von Aufhebung der Vormundschaften
Neunter Abschnitt: Von den Rechten und Pflichten der
Curatoren
Neunzehnter Titel: Von Armenanstalten, und andern milden
Stiftungen
Zwanzigster Titel: Von den Verbrechen und deren Strafen
Erster Abschnitt: Von Verbrechen und Strafen überhaupt
Zweyter Abschnitt: Von Staatsverbrechen überhaupt und vom
Hochverrathe insbesondere
Dritter Abschnitt: Von Verbrechen gegen die äußere
Sicherheit des Staats
Vierter Abschnitt: Von Verbrechen gegen die innere Ruhe und
Sicherheit des Staats
Fünfter Abschnitt: Von Verletzungen der Ehrfurcht gegen den
Staat
Sechster Abschnitt: Von Beleidigungen der
Religionsgesellschaften
Siebenter Abschnitt: Von Anmassungen und Beeinträchtigungen
der vorbehaltenen Rechte des Staats
Achter Abschnitt: Von den Verbrechen der Diener des Staats
Neunter Abschnitt: Von Privatverbrechen
Zehnter Abschnitt: Von Beleidigungen der Ehre
Eilfter Abschnitt: Von körperlichen Verletzungen
Zwölfter Abschnitt: Von fleischlischen Verbrechen
Dreyzehnter Abschnitt: Von Beleydigungen der Freyheit
Vierzehnter Abschnitt: Von Beschädigung des Vermögens
überhaupt, und von Entwendung insonderheit
Fünfzehnter Abschnitt: Von Beschädigungen des Vermögens
durch strafbaren Eigennutz und Betrug
Sechszehnter Abschnitt: Von Beschädigungen des Vermögens aus
Rache, Bosheit und Muthwillen
Siebzehnter Abschnitt: Von Beschädigungen mit gemeiner
Gefahr
EINLEITUNG
1. Von den Gesetzen überhaupt.
§. 1. Das allgemeine Gesetzbuch enthält die Vorschriften,
nach welchen die Rechte und Verbindlichkeiten der Einwohner des Staats, so weit
dieselben nicht durch besondre Gesetze bestimmt worden, zu beurtheilen sind.
§. 2. Besondre Provinzialverordnungen, und Statuten
einzelner Gemeinheiten und Gesellschaften erhalten nur durch die
Landesherrliche Bestätigung die Kraft der Gesetze.
§. 3. Gewohnheitsrechte und Observanzen, welche in den
Provinzen und einzelnen Gemeinheiten gesetzliche Kraft haben sollen, müssen den
Provinzial-Gesetzbüchern einverleibt seyn.
§. 4. In so fern aber durch Observanzen etwas bestimmt wird,
was die Gesetze unentschieden gelassen haben, hat es, bis zum Erfolge einer
gesetzlichen Bestimmung, dabey sein Bewenden.
§. 5. Die von dem Landesherrn in einzelnen Fällen, oder in
Ansehung einzelner Gegenstände, getroffenen Verordnungen können in andern
Fällen, oder bey andern Gegenständen, als Gesetze nicht angesehen werden.
§. 6. Auf Meinungen der Rechtslehrer, oder ältere Aussprüche
der Richter, soll, bey künftigen Entscheidungen, keine Rücksicht genommen
werden.
Abfassung der Gesetze.
§. 7. Ein jeder Entwurf zu einer neuen Verordnung, durch
welche die besondern Rechte und Pflichten der Bürger bestimmt, oder die
gemeinen Rechte abgeändert, ergänzt, oder erklärt werden sollen, muß, vor der
Vollziehung, der Gesetzcommißion zur Prüfung vorgelegt werden.
§. 8. Die Gesetzcommißion muß, ausser der Rücksicht auf die
bereits vorhandenen Gesetze und Rechte, ihr Gutachten zugleich auf die
Billigkeit und Nutzbarkeit der vorgeschlagnen neuen Verordnung richten, und
eine deutliche bestimmte Fassung des zu gebenden Gesetzes in Vorschlag bringen.
§. 9. Die Vorgesetzten eines jeden Departements im
Staatsrathe müssen dafür haften, daß dieser Anordnung in keinem Falle entgegen
gehandelt werde.
Publication.
§. 10. Das Gesetz erhält seine rechtliche Verbindlichkeit
erst von der Zeit an, da es gehörig bekannt gemacht worden.
§. 11. Es müssen daher alle gesetzliche Verordnungen, ihrem
völligen Inhalte nach, an den gewöhnlichen Orten öffentlich angeschlagen, und
im Auszuge in den Intelligenzblättern der Provinz, für welche sie gegeben sind,
bekannt gemacht werden.
§. 12. Es ist aber auch ein jeder Einwohner des Staats, sich
um die Gesetze, welche ihn oder sein Gewerbe und seine Handlungen betreffen,
genau zu
erkundigen gehalten; und es kann sich niemand mit der Unwissenheit
eines gehörig publizirten Gesetzes entschuldigen.
§. 13. Nur in dem Falle, wo vorhin erlaubte, oder als
gleichgültig angesehene Handlungen durch Strafgesetze eingeschränkt, oder
verboten worden, soll der Uebertreter mit dem Einwande:
daß er, ohne Vernachläßigung seiner Pflichten, vor der
vollbrachten That, von dem Verbote nicht unterrichtet gewesen, annoch gehört
werden.
Anwendung der Gesetze.
§. 14. Neue Gesetze können auf schon vorhin vorgefallene
Handlungen und Begebenheiten nicht angewendet werden.
§. 15. Die von Seiten des Gesetzgebers nöthig befundene und
gehörig publizirte Erklärung eines ältern Gesetzes aber giebt, in allen noch zu
entscheidenden Rechtsfällen, den Ausschlag.
§. 16. Soll nur die äußere Form einer Handlung geändert, und
diese Vorschrift bey allen noch abzuändern möglichen Handlungen beobachtet
werden, so muß das Gesetz hierzu eine hinlängliche Frist bestimmt haben.
§. 17. Frühere Handlungen, welche, wegen eines Mangels der
Förmlichkeit, nach den alten Gesetzen ungültig seyn würden, sind gültig, in so
fern nur die nach den neuern Gesetzen erforderlichen Förmlichkeiten, zur Zeit
des darüber entstandnen Streits, dabey angetroffen werden.
§. 18. Die Minderung der in einer ältern Verordnung
festgesetzten Strafe kommt auch demjenigen Uebertreter zu statten, an welchem
diese Strafe, zur Zeit der Publication des neuem Gesetzes, noch nicht vollzogen
war.
§. 19. In so fern aber aus einer verbotenen Handlung
Privatrechte entspringen, muß auf die Gesetze, welche zur Zeit der Handlung
gültig waren, Rücksicht genommen werden.
§. 20. Ist es zweifelhaft: ob das Verbrechen vor oder nach
der Publication des neuen Gesetzes vorgefallen sey, so muß, bey Bestimmung der
Strafe, das mildere Gesetz zum Grunde der Entscheidung genommen werden.
§. 21. Uebrigens stehen, bey Beurtheilung einzelner
Streitfragen, die allgemeinen Gesetze den Provinzialgesetzen, diese den
besondern Statuten, und diese endlich den auf andre Art wohlerworbnen Rechten
nach.
Wen die Gesetze verbinden.
§. 22. Die Gesetze des Staats verbinden alle Mitglieder
desselben, ohne Unterschied des Standes, Ranges und Geschlechts.
Ueberhaupt.
§. 23. Die persönlichen Eigenschaften und Befugnisse eines
Menschen werden nach den Gesetzen der Gerichtsbarkeit beurtheilt, unter welcher
derselbe seinen eigentlichen Wohnsitz hat.
§. 24. Eine bloße Entfernung aus seiner Gerichtsbarkeit, bey
welcher die Absicht, einen andern Wohnsitz zu wählen, noch nicht mit
Zuverlässigkeit erhellet, verändert die persönlichen Rechte und Pflichten
dieses Menschen nicht.
§. 25. So lange jemand noch keinen bestimmten Wohnsitz hat,
werden seine persönlichen Rechte und Verbindlichkeiten nach dem Orte seiner
Herkunft beurtheilt.
§. 26. Ist der Ort seiner Herkunft unbekannt, oder außerhalb
der Königlichen Lande, so gelten die Vorschriften des allgemeinen Gesetzbuchs,
oder die besondern Gesetze seines jedesmaligen Aufenthalts, so wie nach den
einen, oder den andern, eine von ihm unternommene Handlung am füglichsten
bestehen kann.
§. 27. Hat jemand einen doppelten Wohnsitz, so wird seine
Fähigkeit zu handeln, nach den Gesetzen derjenigen von beyden Gerichtsbarkeiten
beurtheilt, welche die Gültigkeit des Geschäfts am meisten begünstigen.
Bey beweglichen Sachen.
§. 28. Das bewegliche Vermögen eines Menschen wird, ohne
Rücksicht seines gegenwärtigen Aufenthalts, nach den Gesetzen der ordentlichen
Gerichtsbarkeit desselben beurtheilt. (§. 23. sqq.)
§. 29. Bey einer doppelten Gerichtsbarkeit haben die Rechte
des Ortes, wo sich die Sache befindet, den Vorzug.
§. 30. Ist aber in einem solchen Falle (§. 29.) das
Mobiliarvermögen, zur Zeit der sich darauf beziehenden Handlung, an einem
dritten Orte, so finden die Gesetze desjenigen Orts Anwendung, welche dem
gemeinen Rechte der Preußischen Staaten am nächsten kommen.
§. 31. Das bewegliche Vermögen eines Menschen, der keinen
bestimmten Wohnsitz hat, wird nach den Gesetzen seines jedesmaligen
Aufenthalts, jedoch mit Rücksicht auf seinen persönlichen Stand, beurtheilt.
Bey unbeweglichen Sachen.
§. 32. In Ansehung des unbeweglichen Vermögens gelten, ohne
Rücksicht auf die Person des Eigenthümers, die Gesetze der Gerichtsbarkeit,
unter welcher sich dasselbe befindet.
Bey der Form der Handlungen.
§. 33. Provinzialgesetze und Statuten, welche die äußerliche
Feyerlichkeit einer Handlung bestimmen, gelten nur bey Handlungen, die unter
der Gerichtsbarkeit, für welche das Gesetz gegeben ist, von den ihr
unterworfenen Personen vorgenommen werden.
In Ansehung der Fremden.
§. 34. Auch Unterthanen fremder Staaten-welche in hiesigen
Landen leben, oder Geschäfte treiben, müssen nach obigen Bestimmungen
beurtheilt werden.
§. 35. Doch wird ein Fremder, der in hiesigen Landen
Verträge über daselbst befindliche Sachen schließt, in Ansehung seiner
Fähigkeit zu handeln, nach denjenigen Gesetzen beurtheilt, nach welchen die
Handlung am besten bestehen kann.
§. 36. Den Gesandten und Residenten auswärtiger Mächte, so
wie den in ihren Diensten stehenden Personen, bleiben ihre Befreyungen, nach
dem Völkerrechte, und den mit den verschiedenen Höfen obwaltenden Verträgen,
vorbehalten.
§. 37. Eingeborne Vasallen und Unterthanen, welche mit
Erlaubniß des Landesherrn von einem fremden Hofe beglaubigt worden, bleiben in
ihren Privathandlungen den Landesgesetzen unterworfen.
§. 38. Die vom Staate an fremde Höfe beglaubigten Gesandten
werden nach den Gesetzen der einländischen Gerichtsbarkeit, unter welcher sie
zuletzt, vor dem Antritte der Gesandschaft, ihren Wohnsitz gehabt haben,
beurtheilt.
§. 39. Sind aber dieselben Ausländer, so gelten, in Ansehung
ihrer, wenn sie in hiesigen Landen belangt werden, die Vorschriften des
hiesigen gemeinen Rechts.
§. 40. Wem die Gesetze auf der einen Seite Verbindlichkeiten
auflegen, dem kommen sie auf der andern Seite durch ihren Schutz auch wieder zu
statten.
§. 41. Fremde Unterthanen haben also, bey dem Betriebe
erlaubter Geschäfte in hiesigen Landen, sich aller Rechte der Einwohner zu
erfreuen, so lange sie sich des Schutzes der Gesetze nicht unwürdig machen.
§. 42. Die Verschiedenheit der Rechte auswärtiger Staaten macht
von dieser Regel noch keine Ausnahme.
Vom Retorsionsrechte.
§. 43. Wenn aber der fremde Staat, zum Nachtheil der Fremden
überhaupt, oder der hiesigen Unterthanen insbesondere, beschwerende
Verordnungen macht, oder dergleichen Mißbräuche wissentlich gegen diesseitige
Unterthanen duldet, so findet das Wiedervergeltungs-Recht statt.
§. 44. Unterrichter sollen, ohne Genehmigung ihrer
Vorgesetzten, gegen Fremde niemals auf Retorsion erkennen.
§. 45. Dagegen können aber auch Fremde durch Abtretung ihrer
Rechte an hiesige oder andere mehr begünstigte Unterthanen, sich dem
Retorsionsrechte nicht entziehn.
Auslegung der Gesetze.
§. 46. Bey Entscheidungen streitiger Rechtsfälle darf der
Richter den Gesetzen keinen andern Sinn beylegen, als welcher aus den Worten,
und dem Zusammenhange derselben, in Beziehung auf den streitigen Gegenstand,
oder aus dem nächsten unzweifelhaften Grunde des Gesetzes, deutlich erhellet.
§. 47. Findet der Richter den eigentlichen Sinn des Gesetzes
zweifelhaft, so muß er, ohne die prozeßführenden Parteyen zu benennen, seine
Zweifel der Gesetzcommißion anzeigen, und auf deren Beurtheilung antragen.
§. 48. Der anfragende Richter ist zwar schuldig, den
Beschluß der Gesetzcommißion bey seinem folgenden Erkenntniß in dieser Sache
zum Grunde zu legen; den Parteyen bleiben aber die gewöhnlichen Rechtsmittel
dagegen unbenommen.
§. 49. Findet der Richter kein Gesetz, welches zur
Entscheidung des streitigen Falles dienen könnte, so muß er zwar nach den in
dem Gesetzbuche angenommenen allgemeinen Grundsätzen, und nach den wegen
ähnlicher Fälle vorhandnen Verordnungen, seiner besten Einsicht gemäß,
erkennen.
§. 50. Er muß aber zugleich diesen vermeintlichen Mangel der
Gesetze dem Chef der Justitz so fort anzeigen.
§. 51. Sollte durch dergleichen Anzeige in der Folge ein
neues Gesetz veranlaßt werden, so kann dasselbe doch auf die vorher schon
gültig vollzognen Handlungen keinen Einfluß haben.
§. 52. Betrifft die Frage ein Provinzialgesetz, Statut, oder
Privilegium, so muß, ehe die Sache der Gesetzcommission vorgelegt wird, das
Gutachten der Provinzial-Landescollegien von dem Justizdepartement darüber
erfordert werden.
§. 53. Wo kein Provinzial-Landesgesetz, oder andre
dergleichen besondre Bestimmung vorhanden ist, hat es allemal bey den
Vorschriften des allgemeinen Gesetzbuchs sein Bewenden.
§. 54. Privilegien und verliehene Freyheiten müssen, in
zweifelhaften Fällen, so erklärt werden, wie sie am wenigsten zum Nachtheile
des Dritten gereichen.
§. 55. Im übrigen sind die verliehenen Privilegien und
Freyheiten so zu deuten, daß die wohlthätige Absicht des Gebers dabey nicht
verfehlt oder vereitelt werde.
§. 56. Privilegien und Freyheiten, welche durch einen
lästigen Vertrag erworben worden, sind nach den Regeln der Verträge zu erklären
und zu beurtheilen.
§. 57. Außerdem sind alle dergleichen besondre Gesetze und
Verordnungen so zu erklären, wie sie mit den Vorschriften des gemeinen Rechts,
und dem Hauptendzwecke des Staats am nächsten übereinstimmen.
§. 58. Uebrigens ist auf den eigentlichen Inhalt des
Privilegii, im zweifelhaften Falle, mehr, als auf die darin angeführten
Bewegungsgründe der ersten Verleihung, Rücksicht zu nehmen.
Aufhebung der Gesetze.
§. 59. Gesetze behalten so lange ihre Kraft, bis sie von dem
Gesetzgeber ausdrücklich wieder aufgehoben werden.
§. 60. So wenig durch Gewohnheiten, Meinungen der
Rechtslehrer, Erkenntnisse der Richter, oder durch die in einzelnen Fällen
ergangenen Verordnungen neue Gesetze eingeführt werden können; eben so wenig
können schon vorhandne Gesetze auf dergleichen Art wieder aufgehoben werden.
§. 61. Statuten und Provinzialgesetze werden durch neuere
allgemeine Gesetze nicht aufgehoben, wenn nicht in letztern die Aufhebung der
erstern deutlich verordnet ist.
§. 62. Bey Aufhebung besondrer Statuten, Provinzialgesetze,
und Privilegien, müssen diejenigen, die es zunächst angehet, mit ihrer
Nothdurft gehört werden.
§. 63. Privilegien, welche einer bestimmten Person verliehen
worden, erlöschen mit dem Abgange des Privilegirten.
§. 64. Dagegen gehen Rechte und Privilegien, welche der
Sache ankleben, auf einen jeden Besitzer über, in so fern die Gesetze, oder die
Verleihungsurkunden, nicht ausdrücklich ein Anderes besagen.
§. 65. Ist ein oder anderer Besitzer zur Ausübung des der
Sache anklebenden Rechts unfähig, so ruhet dieses Recht so lange, bis die
rechtlichen Hindernisse wieder gehoben sind.
§. 66. Ist das Privilegium, oder Recht, auf die Person, in
Verbindung mit der Sache, gerichtet, so erlöscht (!)dasselbe durch die Trennung
des Besitzers und der Sache.
§. 67. Privilegien, welche nur auf eine bestimmte Zeit
verliehen worden, erlöschen mit derselben Ablauf.
§. 68. Ist das Privilegium ausdrücklich nur unter einer
festgesetzten Bedingung verliehen, so kann dasselbe, ohne Erfüllung dieser
Bedingung nicht ausgeübt werden.
§. 69. Auch Privilegien, welche zu einem bestimmten Endzweck
gegeben sind, hören auf, wenn der Zweck gar nicht, oder doch ferner nicht mehr,
erreicht werden kann.
§. 70. Privilegia, auch solche, die durch einen lästigen
Vertrag erworben worden, kann der Staat, jedoch nur aus überwiegenden Gründen
des gemeinen Wohls, und nur gegen hinlängliche Entschädigung des Privilegirten,
wieder aufheben.
§. 71. Die Entschädigung selbst kann nicht anders, als durch
Vertrag, oder rechtliches Erkenntniß festgesetzt werden.
§. 72. Wer eines groben Mißbrauchs seines Privilegii, zum
Schaden des Staats, oder seiner Mitbürger, durch richterliches Erkenntniß
schuldig befunden wird, der hat sein Recht verwirkt, und kann keine
Entschädigung dafür fordern.
//. Allgemeine Grundsätze des Rechts.
§. 73. Ein jedes Mitglied des Staats ist, das Wohl und die
Sicherheit des gemeinen Wesens, nach dem Verhältniß seines Standes und
Vermögens, zu unterstützen verpflichtet.
Verhältniß des Staats gegen seine Bürger.
§. 74. Einzelne Rechte und Vortheile der Mitglieder des
Staats müssen den Rechten und Pflichten zur Beförderung des gemeinschaftlichen
Wohls, wenn zwischen beyden ein wirklicher Widerspruch (Collision) eintritt,
nachstehn.
§. 75. Dagegen ist der Staat denjenigen, welcher seine
besondern Rechte und Vortheile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern
genöthigt wird, zu entschädigen gehalten.
§. 76. Jeder Einwohner des Staats ist den Schutz desselben
für seine Person und sein Vermögen zu fordern berechtigt.
§. 77. Dagegen ist niemand sich durch eigne Gewalt Recht zu
verschaffen befugt.
§. 78. Die Selbsthülfe kann nur in dem Falle entschuldigt
werden, wenn die Hülfe des Staats zur Abwendung eines unwiederbringlichen
Schadens zu spät kommen würde.
§. 79. Die Entscheidung der vorfallenden Streitigkeiten, so
wie die Bestimmung der zu verhängenden Strafen, muß den einem jeden Einwohner
des Staats durch die Gesetze angewiesenen Gerichten überlassen werden.
§. 80. Auch Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Oberhaupte des
Staats, und seinen Unterthanen, sollen bey den ordentlichen Gerichten, nach den
Vorschriften der Gesetze erörtert und entschieden werden.
§. 81. Den Schutz gegen auswärtige Feinde erwartet der Staat
lediglich von der Anordnung seines Oberhaupts.
Quelle des Rechts.
§. 82. Die Rechte des Menschen entstehn durch seine Geburt,
durch seinen Stand, und durch Handlungen oder Begebenheiten, mit welchen die
Gesetze eine bestimmte Wirkung verbunden haben.
§. 83. Die allgemeinen Rechte des Menschen gründen sich auf
die natürliche Freyheit, sein eignes Wohl, ohne Kränkung der Rechte eines
Andern, suchen und befördern zu können.
§. 84. Die besondern Rechte und Pflichten der Mitglieder des
Staats beruhen auf dem persönlichen Verhältnisse, in welchem ein jeder gegen
den andern, und gegen den Staat selbst, sich befindet.
§. 85. Rechte und Pflichten, welche aus Handlungen oder
Begebenheiten entspringen, werden allein durch die Gesetze bestimmt.
§. 86. Rechte, welche durch die Gesetze nicht unterstützt
werden, heissen unvollkommen, und begründen keine gerichtliche Klage oder
Einrede.
§. 87. Handlungen, welche weder durch natürliche, noch durch
positive Gesetze verboten worden, werden erlaubt genannt.
Ausübung der Rechte.
§. 88. So weit jemand ein Recht hat, ist er, dasselbe in den
gesetzmäßigen Schranken auszuüben, befugt.
§. 89. Wem die Gesetze ein Recht geben, dem bewilligen sie
auch die Mittel, ohne welche dasselbe nicht ausgeübt werden kann.
§. 90. Wer ein Recht hat, ist zu allen Vortheilen, die er
sich durch dessen gesetzmäßigen Gebrauch verschaffen kann, wohl befugt.
§. 91. Das Recht zum Größern oder Mehrern, schließt das
Recht zum Geringem oder Wenigem gleicher Art in sich.
§. 92. Aus dem Rechte des Einen folgt die Pflicht des
Andern, zur Leistung oder Duldung dessen, was die Ausübung des Rechts
erfordert.
§. 93. Werden andern in der Ausübung seines Rechts hindert,
beleidigt denselben, und wird ihm, für allen daraus erwachsenen Schaden und
Nachtheil, verantwortlich.
§. 94. Wer aber sein Recht nach den Gesetzen ausübt, ist zum
Ersatze eines bey dieser Gelegenheit entstandnen Schadens nicht verbunden. (Th.
L Tit. VI. §. 36. 37. 38.)
Collision
§. 95. Wenn das Recht des Einen der Ausübung des Rechts
eines Andern entgegen steht, so muß das mindere Recht dem stärkern weichen.
§. 96. In Ermangelung besondrer gesetzlicher Vorschriften
muß der, welcher durch Ausübung seines Rechts einen Vortheil sucht, dem
nachstehen, der nur einen Schaden abzuwenden bedacht ist.
§. 97. Sind die in Collision kommenden Rechte von gleicher
Beschaffenheit, so muß jeder der Berechtigten von dem seinen so viel nachgeben,
als erforderlich ist, damit die Ausübung beyder zugleich bestehen könne.
§. 98. Bis zur erfolgenden richterlichen Bestimmung des
entstandnen Collisionsfalles, muß die Sache zwischen den Berechtigten in dem
Stande bleiben, in welchem sie bis dahin gewesen ist.
Uebertragung der Rechte.
§. 99. Rechte, welche an eine bestimmte Person, oder an
gewisse Eigenschaften derselben, nicht gebunden sind, können von dem Einen auf
den Andern übertragen werden.
§. 100. Wer einem Andern sein Recht überträgt, von dem wird
vermuthet, daß er demselben zugleich alle damit verbundenen Vortheile habe
übertragen wollen.
§. 101. Niemand aber kann dem Andern mehrere Rechte
übertragen, als er selbst besitzt.
Verlust der Rechte.
§. 102. Rechte, welche nur der Person ankleben, verschwinden
durch derselben Tod.
§. 103. Rechte aber, welche zum freyen Eigenthum gerechnet
werden, gehen mit dem Tode des Besitzers auf Andre, nach näherer Bestimmung der
Gesetze, über.
§. 104. Die bloß an den Stand gebundnen Rechte können von
dem Besitzer, aus eigner Macht, auf Andere nicht übertragen werden, und gehen
mit dem Stande verloren.
§. 105. Daß jemand sich seines Rechts habe begeben wollen,
wird nicht vermuthet.
§. 106. Die Willensäußerung zur Entsagung oder Uebertragung
eines Rechts muß also deutlich und zuverläßig seyn.
§. 107. Doch kann, nach näherer Bestimmung der Gesetze, ein
Recht auch durch den unterlaßnen Gebrauch, oder durch den Mißbrauch desselben,
verloren gehn.
§. 108. Das Recht, welches von dem Daseyn oder der Dauer
eines andern Rechts, oder einer Sache abhängt, geht mit dem Recht oder der
Sache, worauf es beruhet, zugleich verloren.
ERSTER THEIL
Erster Titel
Von Personen und deren Rechten überhaupt
Person.
§. 1. Der Mensch wird, in so fern er gewisse Rechte in der
bürgerlichen Gesellschaft genießt, eine Person genannt.
Personenrechte.
§. 2. Die bürgerliche Gesellschaft besteht aus mehrern
kleinern, durch Natur oder Gesetz, oder durch beyde zugleich, verbundnen
Gesellschaften und Ständen.
§. 3. Die Verbindung zwischen Ehegatten, ingleichen zwischen
Aeltern und Kindern, macht eigentlich die häusliche Gesellschaft aus.
§. 4. Doch wird auch das Gesinde mit zur häuslichen
Gesellschaft gerechnet.
§. 5. Durch die Abkunft von gemeinschaftlichen Stammältern
werden Familienverhältnisse begründet.
§. 6. Personen, welchen, vermöge ihrer Geburt, Bestimmung,
oder Hauptbeschäftigung, gleiche Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft
beygelegt sind, machen zusammen Einen Stand des Staats aus.
§. 7. Die Mitglieder eines jeden Standes haben, als solche,
einzeln betrachtet, gewisse Rechte und Pflichten.
§. 8. Andre kommen ihnen nur in so fern zu, als mehrere
derselben zusammen eine besondre Gesellschaft ausmachen.
§. 9. Die Rechte und Pflichten der verschiednen
Gesellschaften im Staat werden durch ihr Verhältniß unter sich, und gegen das Oberhaupt
des Staats, näher bestimmt.
Rechte der Ungebornen.
§. 10. Die allgemeinen Rechte der Menschheit gebühren auch
den noch ungebornen Kindern, schon von der Zeit ihrer Empfängniß.
§. 11. Wer für schon geborne Kinder zu sorgen schuldig ist,
der hat gleiche Pflichten in Ansehung der noch in Mutter Leibe befindlichen.
§. 12. Bürgerliche Rechte, welche einem noch ungebornen
Kinde zukommen würden, wenn es zur Zeit der Empfängniß schon wirklich geboren
wäre, bleiben demselben auf den Fall, daß es lebendig zur Welt kommt,
vorbehalten.
§. 13. Daß ein Kind lebendig zur Welt gekommen sey, ist in
dieser Beziehung schon für ausgemittelt anzunehmen, wenn unverdächtige, bey der
Geburt gegenwärtig gewesene Zeugen, die Stimme desselben deutlich vernommen
haben.
der Zwillinge.
§. 14. Wenn aus Einer Geburt zwey oder mehrere lebendige
Kinder zur Welt kommen, so haben dieselben, in der Regel, völlig gleiche
Rechte.
§. 15. Kommt es aber dabey auf besondre Vorrechte der
Erstgeburt an, so muß der Zeitpunkt, wenn die Mutter von dem einen oder dem
andern Kinde entbunden worden, genau ausgemittelt werden.
§. 16. Kann diese Ausmittelung mit der erforderlichen
Gewißheit nicht geschehen, so entscheidet das Loos über die Rechte der
Erstgeburt.
der Mißgeburten.
§. 17. Geburten ohne menschliche Form und Bildung haben auf
Familien- und bürgerliche Rechte keinen Anspruch.
§. 18. In so fern aber dergleichen Mißgeburten leben, müssen
sie, nach §. 11., ernährt, und so viel als möglich erhalten werden.
der Zwitter.
§. 19. Wenn Zwitter geboren werden, so bestimmen die
Aeltern, zu welchem Geschlechte sie erzogen werden sollen.
§. 20. Jedoch steht einem solchen Menschen, nach
zurückgelegtem achtzehnten Jahre, die Wahl frey, zu welchem Geschlecht er sich
halten wolle.
§. 21. Nach dieser Wahl werden seine Rechte künftig
beurtheilt.
§. 22. Sind aber Rechte eines Dritten von dem Geschlecht
eines vermeintlichen Zwitters abhängig, so kann ersterer auf Untersuchung durch
Sachverständige antragen.
§. 23. Der Befund der Sachverständigen entscheidet, auch
gegen die Wahl des Zwitters, und seiner Aeltern.
Unterschied der Geschlechter.
§. 24. Die Rechte beyder Geschlechter sind einander gleich,
so weit nicht durch besondre Gesetze, oder rechtsgültige Willenserklärungen,
Ausnahmen bestimmt worden.
Unterschied des Alters.
§. 25. Wenn von den Rechten der Menschen, in Beziehung auf
ihr Alter, die Rede ist, so heißen Kinder diejenigen, welche das siebente, und
Unmündige, welche das vierzehnte Jahr noch nicht zurückgelegt haben.
§. 26. Die Minderjährigkeit aber dauert, ohne Unterschied
des Orts der Herkunft und des Standes, bis das vier und zwanzigste Jahr
zurückgelegt ist.
Unterschied der Seelenkräfte.
§. 27. Rasende und Wahnsinnige heißen diejenigen, welche des
Gebrauchs ihrer Vernunft gänzlich beraubt sind.
§. 28. Menschen, welchen das Vermögen, die Folgen ihrer
Handlungen zu überlegen, ermangelt, werden blödsinnig genannt.
§. 29. Rasende und Wahnsinnige werden, in Ansehung der von
dem Unterschied des Alters abhangenden Rechte, den Kindern; Blödsinnige aber
den Unmündigen gleich geachtet.
§. 30. Verschwender sind, welche durch unbesonnene und
unnütze Ausgaben, oder durch muthwillige Vernachläßigung, ihr Vermögen
beträchtlich vermindern, oder sich in Schulden stecken.
§. 31. Diejenigen, welche als Verschwender gerichtlich
erklärt sind, werden den Minderjährigen gleich geachtet.
Vormünder und Pflegbefohlne.
§. 32. Diejenigen, welche wegen noch nicht erlangter
Volljährigkeit, oder wegen eines Mangels an Seelenkräften, ihre Angelegenheiten
nicht selbst gehörig wahrnehmen können (§. 25-31.), stehen unter der besondern
Aufsicht und Vorsorge des Staats.
§. 33. Der, welchem der Staat die Sorge für die
Angelegenheiten solcher Personen aufgetragen hat, wird Vormund genennt.
Leben und Tod.
§. 34. Wer einmal gelebt hat, dessen Tod muß bewiesen
werden, wenn über schon erworbne Sachen und Rechte desselben, als eines
Verstorbnen, verfügt werden soll.
§. 35. Zum Beweise des Todes ist hinreichend, wenn jemand im
Kriege eine schwere Wunde erhalten hat, und innerhalb eines Jahres, nach
geschloßnem Frieden, von seinem Leben und Aufenthalte keine Nachricht
eingegangen ist.
§. 36. Ein gleiches findet statt, wenn das Schiff, auf
welchem ein Mensch sich befand, untergegangen ist, und drey Jahre nachher
verflossen sind, ohne daß etwas von seinem Leben und Aufenthalte bekannt worden
wäre.
§. 37. Außer diesen Fällen kann ein Mensch, der einmal
gelebt hat, und dessen Tod nicht erwiesen werden kann, nur nach Ablauf der im
Gesetz näher bestimmten Fristen, durch richterlichen Ausspruch für todt erklärt
werden (Th. II. Tit. XVIII. Abschn. VIII.)
§. 38. Kommt es aber darauf an, ob jemand einen gewissen
Erb- oder andern Anfall noch erlebt habe, so wird vermuthet, daß ein Mensch von
dessen Leben oder Tode keine Nachricht zu erhalten ist, nur siebenzig Jahr alt
geworden sey.
§. 39. Wenn zwey oder mehrere Menschen ihr Leben in einem
gemeinsamen Unglück, oder sonst dergestalt zu gleicher Zeit verloren haben, daß
nicht ausgemittelt werden kann, welcher zuerst verstorben sey, so soll
angenommen werden, daß keiner den andern überlebt habe.
Aeltern und Kinder.
§. 40. Wenn von Familienverhältnissen die Rede ist, so
werden unter Aeltern und Kindern die Verwandten in auf- oder absteigender
Linie, ohne Unterschied des Grads, verstanden.
§. 41. So lange Aeltern oder Kinder des ersten Grads leben,
werden, in der Regel, unter dergleichen Benennung die Großältern und Enkel
nicht mit begriffen.
Blutsverwandtschaft.
§. 42. Personen, welche gemeinschaftliche Stammältern haben,
heißen Blutsverwandte.
Schwägerschaft.
§. 43. Die Verbindung, welche durch Heyrath zwischen dem
einen Ehegatten, und den Blutsverwandten des andern entsteht, heißt
Schwägerschaft.
Stiefverbindungen.
§. 44. Stiefverbindungen bestehen, im Sinne des Gesetzes,
nur zwischen einem Ehegatten, und den aus einer sonstigen Ehe erzeugten Kindern
des andern.
§. 45. Die Grade der Verwandschaft werden durch die Zahl der
Geburten bestimmt, mittelst welcher zwey verwandte Personen auf einen
gemeinschaftlichen Ursprung sich beziehen.
Zweyter Titel Von Sachen und deren Rechten überhaupt
Was Sache sey.
§. 1. Sache überhaupt heißt im Sinne des Gesetzes alles, was
der Gegenstand eines Rechts oder einer Verbindlichkeit seyn kann.
§. 2. Auch die Handlungen der Menschen, ingleichen ihre
Rechte, in so fern dieselben den Gegenstand eines andern Rechts ausmachen, sind
unter der allgemeinen Benennung von Sachen begriffen.
§. 3. Im engern Sinne wird Sache nur dasjenige genannt, was
entweder von Natur, oder durch die Uebereinkunft der Menschen, eine
Selbstständigkeit hat, vermöge deren es der Gegenstand eines dauernden Rechts
seyn kann.
Substanz der Sache.
§. 4. Alle Theile und Eigenschaften einer Sache, ohne welche
dieselbe nicht das seyn kann, was sie vorstellen soll, oder wozu sie bestimmt
ist, gehören zur Substanz.
§. 5. So lange also durch die Aenderung oder Verwechselung
einzelner Theile die Sache weder vernichtet, noch die Hauptbestimmung derselben
geändert worden ist, so lange ist noch keine Veränderung in der Substanz
vorgefallen.
Bewegliche und unbewegliche Sachen.
§. 6. Je nachdem eine Sache, ihrer Substanz unbeschadet, von
einer Stelle zur andern gebracht werden kann, oder nicht, wird sie für
beweglich oder unbeweglich angesehn.
§. 7. Rechte werden als bewegliche Sachen betrachtet.
§. 8. Wenn aber die Befugniß zur Ausübung eines Rechts mit
dem Besitz einer unbeweglichen Sache verbunden ist, so ist das Recht selbst als
eine unbewegliche Sache anzusehen.
§. 9. Außerdem hat ein Recht die Eigenschaft einer
unbeweglichen Sache nur alsdenn (!), wenn ihm dieselbe durch besondre Gesetze
ausdrücklich beygelegt worden.
Mobiliarvermögen.
§. 10. Unter dem Ausdruck: Mobiliar- oder bewegliches
Vermögen, sind alle bewegliche Sachen zu verstehen, in so fern sie nicht als
Pertinenzstücke zu einer unbeweglichen Sache gehören. (§. 42.)
Baares Vermögen.
§. 11. Unter baarem Vermögen wird nur geprägtes Geld, außer
seltnen Münzen und Medaillen, ingleichen gemünztes Papier, verstanden.
§. 12. Die auf jeden Inhaber lautende Papiere, z. B.
Banknoten, Pfandbriefe, Aktien u. s. w., sie mögen Zinsen tragen, oder nicht,
werden, gleich andern Schuldinstrumenten, zum Kapitalsvermögen gerechnet.
Effekten.
§. 13. Der Ausdruck: Effekten, begreift alle bewegliche
Sachen, außer dem baaren Gelde, und dem Kapitalsvermögen, unter sich.
Möbeln.
§. 14. Bewegliche Sachen, welche zum bequemen Gebrauch, oder
Verzierung einer Wohnung, oder eines andern Aufenthalts, bestimmt sind, werden
Möbeln genannt.
§. 15. Hausrath heißen alle bewegliche Sachen, welche in
dergleichen Orten zum gemeinen Dienste der Einwohner bestimmt sind.
Geräthschaften.
§. 16. Bewegliche Sachen, welche zum Betrieb eines gewissen
Geschäftes oder Gewerbes, in oder außer der Wohnung, bestimmt sind, werden
unter dem Namen der Geräthschaften begriffen.
Moventien.
§. 17. Unter Moventien werden nutzbare lebendige Geschöpfe
verstanden.
Mobilien.
§. 18. Der allgemeine Ausdruck: Mobilien, begreift Möbeln,
Hausrath und Geräthschaften unter sich.
Edle Metalle.
§. 19. Durch den Ausdruck: edle Metalle, wird nur
unverarbeitetes Gold und Silber angedeutet.
Gold und Silber.
§. 20. Die Worte: Gold und Silber, begreifen verarbeitetes
und unverarbeitetes, nicht aber geprägtes. Gold und Silber unter sich.
Juwelen.
§. 21. Unter Juwelen sind auch Perlen und andre kostbare
Steine, welche zur Pracht getragen werden, mit begriffen.
Schmuck und Geschmeide.
§. 22. Unter Schmuck und Geschmeide werden ächte und unächte
Juwelen, auch die aus Gold und Silber verfertigten, oder damit überzognen
Zierrathen verstanden.
Putz.
§. 23. Putz ist, was außer Schmuck und Geschmeide» zur
Verzierung der Person getragen wird, und nicht selbst einen Theil eines
Kleidungsstücks ausmacht.
Garderobe.
§. 24. Zur Kleidung oder Garderobe gehören alle Arten von
Kleidungsstücken, mit Inbegriff der zum persönlichen Gebrauch bestimmten
Leibwäsche, bereits zugeschnittnen Zeuge, und Leinwanden.
Weißzeug und Wäsche.
§. 25. Weißzeug oder Wäsche begreift alles leinene Geräthe,
insonderheit aber Leib-, Bett- und Tischwäsche unter sich.
§. 26. Spitzen und Kanten gehören nicht zur Wäsche, oder zum
Weißzeug, wohl aber zum Putz.
Equipage.
§. 27. Equipage bedeutet Wagen und Pferde, sammt dazu
gehörigem Geschirre, die zur Bequemlichkeit des Eigenthümers bestimmt sind.
§. 28. Reitpferde und Reitzeug werden gewöhnlich unter dem
Ausdruck: Equipage, nicht mit verstanden.
§. 29. Wird aber dieser Ausdruck von Militairpersonen
gebraucht, so gehört zur Equipage alles, was zur Ausrüstung einer solchen
Person, sowohl im Standquartier, als im Felde, nach der Verfassung in der
Armee, erfordert wird.
§. 30. In Ansehung der Personen, welche zwar nicht zum
Militair gehören, aber doch ihres Amts, oder ihrer Verrichtung wegen, sich der
Reitpferde bedienen müssen, werden auch diese, nebst den dazu gehörigen
Geräthschaften, unter Equipage begriffen.
Besondre Sachen.
§. 31. In so fern eine Sache für sich selbst den Gegenstand
eines Rechts ausmacht, wird sie als eine besondre oder für sich bestehende
Sache beurtheilt.
Inbegriff von Sachen und Rechten.
§. 32. Mehrere besondere Sachen, die mit einem
gemeinschaftlichen Namen bezeichnet zu werden pflegen, machen einen Inbegriff
von Sachen aus, und werden, zusammen genommen, als ein einzelnes Ganzes
betrachtet.
§. 33. Auch der Inbegriff aller einzelnen Sachen und Rechte,
die einem Menschen zugehören, kann als ein einzelnes Ganzes angesehen werden.
§. 34. Der Inbegriff der Sachen und Rechte eines
Verstorbenen heißt dessen Verlassenschaft.
§. 35. In Beziehung auf denjenigen, welcher dergleichen
Inbegriff überkommt, wird solcher Erbschaft genannt.
§. 36. An den Befugnissen und Lasten eines Inbegriffs nehmen
alle einzelne darunter begriffne, und demselben in der Folge zuwachsende oder
einverleibte Stücke Theil.
§. 37. Wenn aber ein einzelnes Stück im ordentlichen Laufe
der Natur, oder der Geschäfte, von dem Ganzen abgesondert worden, so hört die
Theilnehmung desselben an den Rechten und Lasten des Inbegriffs auf.
§. 38. Durch den Zutritt oder Abgang einzelner Stücke werden
die Rechte und Verbindlichkeiten in Ansehung des Ganzen nicht geändert.
§. 39. Auch gehen die besondern Rechte und Lasten einer
einzelnen Sache bloß durch die einseitige Handlung, vermöge welcher die Sache
einem Inbegriff einverleibt worden ist, noch nicht verloren.
§. 40. Rechte, die bloß an den Stand gebunden sind, werden
einem Inbegriff von Sachen und Rechten, im gesetzlichen Sinne, nicht
beygezählt.
§. 41. Eine Sache heißt untheilbar, wenn entweder Natur oder
Gesetz der Absonderung ihrer Theile von einander entgegen stehn.
Theilbare und untheilbare Sachen. Pertinenzstücke.
§. 42. Eine Sache, welche zwar für sich selbst bestehen
kann, die aber mit einer andern Sache in eine fortwährende Verbindung gesetzt
worden, wird ein Zubehör oder Pertinenzstück derselben genannt.
§. 43. Unbewegliche Sachen, die mit einer andern
unbeweglichen Sache durch die Natur verbunden worden, machen mit ihr nur Eine
(!) Substanz aus.
§. 44. Dagegen haben sowohl bewegliche als unbewegliche
Sachen, die einem andern Ganzen durch die Handlung oder Bestimmung eines
Menschen zugeschlagen werden, die Eigenschaft eines Pertinenzstücks.
§. 45. Auch bewegliche natürliche Zuwüchse einer Sache sind
nur so lange, als sie davon noch nicht, vermöge des gewöhnlichen
Nutzungsrechts, abgesondert worden, für ein Zubehör derselben anzusehn.
§. 46. Die Nebensache, ohne welche die Hauptsache zu ihrer
Bestimmung nicht gebraucht werden kann, wird, auch ohne ausdrückliche
Erklärung, als Zubehör angesehn.
§. 47. Was zum Pertinenzstück gehört, das gehört auch zur
Hauptsache.
Pertinenzstücke eines Landguts,
§. 48. Als Pertinenzstücke eines Landguts werden, in der
Regel, alle darauf befindliche Sachen angesehen, welche zum Betrieb des
Ackerbaues und der Viehzucht gebraucht werden.
§. 49. Auch Vorräthe von Gutserzeugnissen, welche
erforderlich sind, um die Wirtschaft so lange fortzusetzen, bis dergleichen
Erzeugnisse aus dem Gute selbst, nach dem gewöhnlichen Laufe der Natur wieder
genommen werden können, werden zum Zubehör desselben gerechnet.
§. 50. Auch das Feldinventarium, an Düngung, Pflugarten, und
Aussaat, gehört zu den Pertinenzstücken eines Landguts.
§. 51. Desgleichen aller Vorrath an natürlicher und
künstlicher Düngung.
§. 52. Alles auf dem Gute befindliche, zu dessen
Bewirthschaftung bestimmte Zug- und Lastvieh, ingleichen alles vorhandne
nutzbare Vieh, nebst den zu beyden gehörigen Geräthschaften, sind
Pertinenzstücke dieses Landguts.
§. 53. An jungem Vieh wird so viel zum Zubehör des Guts
gerechnet, als zur Unterhaltung des Bestandes erforderlich ist.
§. 54. Vieh, welches bloß zum Verkauf oder Hausgebrauch auf
die Mast gestellt worden, ist kein Pertinenzstück eines Landguts.
§. 55. Die in den Teichen zur Besaamung oder zum Wachsthum
ausgesetzten Fische werden als Zubehör des Teiches angesehn.
§. 56. Dagegen werden Fische in den Behältern dazu nicht
gerechnet.
§. 57. Ueberhaupt sind Thiere, welche bloß zum Haus- oder
persönlichen Gebrauch, oder zum Vergnügen des Besitzers, gehalten werden, unter
den Pertinenzstücken eines Landgutes nicht mit begriffen.
§. 58. Gemeine Hüner, Gänse, Enten, Tauben, und Truthüner,
werden zu den Pertinenzstücken eines Landguts gerechnet.
§. 59. Seltne Arten von Federvieh gehören nur in so weit zu
den Pertinenzstücken, als nicht gemeine Arten derselben Gattung in einer
verhältnißmäßigen Anzahl vorhanden sind.
§. 60. In so fern alle vorstehend benannte Stücke bey einem
Gute zwar befindlich, aber nicht dem Eigenthümer desselben, sondern einem Dritten,
zuständig sind, haben sie nicht die Eigenschaft der Pertinenzstücke.
§. 61. Was von Pertinenzstücken eines Landguts verordnet
ist, gilt auch von dem Zubehör der bey einem städtischen Grundstück
befindlichen Vieh- und Ackerwirthschaft.
§. 62. Risse, Karten, Urkunden, und andre Schriften, welche
zur nähern Kenntniß eines Grundstücks, oder zur Begründung der Gerechtsame
desselben dienen, sind als Pertinenzstücke davon anzusehn.
§. 63. Betreffen dergleichen Urkunden zugleich andre
Gegenstände, so muß der Uebernehmer der Hauptsache mit beglaubten Auszügen oder
Abschriften davon sich begnügen.
eines Waldes.
§. 64. Forstgeräthschaften sind Pertinenzstücke eines
Waldes.
§. 65. Geschlagnes Holz wird zu den Pertinenzstücken eines
für sich allein betrachteten Waldes nicht mit gerechnet.
§. 66. Ist aber von einem Gute die Rede, bey welchem sich
ein Wald befindet, so wird von dem vorhandnen geschlagnen Holze so viel, als
zur Fortsetzung der Wirtschaft bis zum nächsten gewöhnlichen Holzschlage
erforderlich ist, zum Zubehör dieses Guts gerechnet. (§. 49.)
einer Jagdgerechtigkeit.
§. 67. Zur Jagdgerechtigkeit gehören alle vorräthige Netze,
Lappen, und andre dergleichen Jagdgeräthschaften; nicht aber das Schießgewehr,
die Jagdhunde und Pferde, oder andre zum persönlichen Gebrauch des Jagenden
bestimmte Stücke.
einer Brau- u. Branntweinbrennerey-Gerechtigkeit.
§. 68. Zur Brau- oder Branntweinbrennerey-Gerechtigkeit
gehören die im Brau- oder Branntweinhause und Keller befindlichen Pfannen,
Töpfe, Kessel, Fässer und andre Geräthschaften.
§. 69. Wird aber eine solche Gerechtigkeit selbst als
Zubehör eines Hauses oder Landguts angesehn, so haben alle zum Gebrauch dabey
bestimmte Geräthschaften, welche sich an dem Orte befinden, die Eigenschaft der
Pertinenzstücke.
eines Weinbergs.
§. 70. Alle zum Behuf eines Weinbergs angelegte Geländer und
Pressen, ingleichen die dazu gehörigen Geräthschaften, wie auch die zur
Bearbeitung des Weinbergs, Einsammlung der Trauben und Verwahrung des Mostes,
nicht aber zur fernern Aufbewahrung des Weins, vorhandene Geräthschaften und
Gefäße, sind für Pertinenzstücke dieses Weinbergs zu achten.
einer Schankgerechtigkeit.
§. 71. Alle in der Schenkstube und in dem Keller vorräthige
Schankgeräthschaften gehören zu der Schankgerechtigkeit, wenn diese mit dem
Grundstück, worauf sie haftet, zugleich übergeben werden soll.
eines Kellers.
§. 72. Fässer und Gefäße, welche in einem Keller zum
beständigen Gebrauch bestimmt sind, werden, in allen Fällen, als
Pertinenzstücke des Kellers betrachtet.
eines Gartens.
§. 73. Zu einem Garten gehören alle zu dessen Anbau,
Gebrauch und Auszierung dienende Geräthschaften, Gefäße, Rüstungen und Gebäude.
§. 74. Besonders werden dazu Orangerie und Blumen, nebst den
Bildsäulen und Gemälden, die in freyer Luft aufgerichtet sind, gerechnet.
eines Gebäudes.
§. 75. Die Pertinenzstücke der Gebäude müssen nach den
verschiednen Bestimmungen derselben beurtheilt werden.
§. 76. Zu einem Wohnhause gehört alles, ohne welches
dasselbe weder bezogen, noch vollständig bewohnt werden kann.
§. 77. Möbeln, Hausrath und Geräthschaften gehören nicht
nothwendig zum Hause.
§. 78. Sie werden aber dazu gerechnet, wenn sie, ohne Beschädigung
des Baues, nicht weggenommen werden können.
§. 79. Dagegen sind Geräthschaften, welche, nach der
Bestimmung eines Gebäudes, zum Betrieb eines gewissen Gewerbes gewidmet sind,
für ein Zubehör des Gebäudes anzusehn.
§. 80. Es wird vermuthet, daß eine bewegliche Sache zum
Pertinenzstück eines Gebäudes bestimmt sey, wenn dieselbe eingegraben,
eingegossen, eingemauert, oder durch Zimmerarbeit damit verbunden ist.
§. 81. Diese Vermuthung fällt aber weg, wenn aus der
eigenthümlichen Beschaffenheit eines solchen Stücks erhellet, daß dasselbe
nicht zum Gebrauch des Hauses, sondern der Person des bisherigen Besitzers,
oder einer andern beweglichen Sache, die selbst kein Pertinenzstück ist,
bestimmt gewesen.
§. 82. Befestigte Schlösser, und die dazu gehörenden
Schlüssel, nicht aber die Vorlegeschlösser, sind Pertinenzstücke eines
Gebäudes.
§. 83. Angeschlagene Wandtapeten, ingleichen die in der Wand
befestigten Jalousien und Fensterladen, dergleichen Hausglocken und
Bratenwender, so wie alle Kaminbretter, sind für Pertinenzstücke zu achten.
§. 84. Eben diese Eigenschaften haben selbst bewegliche
Oefen und Ofenthüren, ingleichen Haus- und Bodenleitern und
Feuerlöschinstrumente.
§. 85. Dagegen werden Kleider- und Bücherschränke, wenn sie
auch in oder an der Wand befestigt worden, dafür, im zweifelhaften Falle, nicht
geachtet.
§. 86. Schränke und Bettstellen aber, die in der Mauer
selbst befestigt sind, werden für Pertinenzstücke angesehn.
§. 87. Buden und Kramladen, welche an ein Haus angebaut
sind, und mit diesem bisher einerley Eigenthümer gehabt haben, werden als ein
Theil des Hauses betrachtet.
§. 88. Materialien, welche zur Ausbesserung, Verschönerung,
oder Vergrößerung eines Gebäudes bestimmt, und schon auf dem Bauplatze
befindlich sind, gehören zu den Pertinenzstücken desselben.
§. 89. Desgleichen diejenigen Materialien, welche von einem
eingefallenen oder eingerissenen Gebäude noch vorhanden sind.
eines Gasthofs.
§. 90. Zu einem Gasthof gehören Betten und alle
Geräthschaften, die eigentlich zur Aufnahme und Bewirthung der Reisenden und
ihres Gespannes bestimmt sind.
eines Schiffs.
§. 91. Als Zubehör eines Schiffs sind alle dabey
befindlichen, und zu dessen Gebrauch bestimmten, Anker, Masten, Taue, und
andere Schiffsgeräthschaften, ingleichen Kanonen, nicht aber andres Gewehr, und
noch weniger Munition oder Kriegsbedürfnisse, anzusehn.
einer Mühle.
§. 92. Zu einer Mühle gehört, außer den Geräthschaften,
welche zum Betrieb des Werks dienen, auch das vorräthige, zur Ausbesserung
bestimmte, Schirrholz und Eisengeräthe.
einer Fabrike.
§. 93. Zu den Pertinenzstücken einer Fabrike werden nur die
zu deren Betrieb bestimmte Geräthschaften, nicht aber die vorräthigen
Materialen, oder in der Arbeit befindlichen, und noch weniger die bereits
verarbeiteten Sachen gerechnet.
einer Apotheke.
§. 94. Dagegen gehören zu einer Apotheke, außer den
vorhandenen Geräthschaften und Gefäßen, auch die darin befindlichen
Apothekerwaaren.
eines Kramladens.
§. 95. Bey einem Kramladen werden zwar Tische und
Waarenbehältnisse, aber nicht die vorräthigen Waaren selbst, als
Pertinenzstücke angesehen.
einer Bibliothek und eines Naturalienkabinets.
§. 96. Zu einer Bibliothek werden auch die Repositorien und
Schränke gerechnet, in welchen die Bücher sich befinden.
§. 97. Auch zu Naturalien und Kunstsammlungen gehören die zu
deren Aufstellung gewidmeten Behältnisse.
§. 98. Bildsäulen und andre Sachen, die außer den
Behältnissen, bloß zur Auszierung des Zimmers bestimmt waren, sind keine
Pertinenzstücke der Bibliothek, oder des Naturalienkabinets.
§. 99. Dagegen werden Erd- und Himmelskugeln, Landkarten,
Zeichnungen und Kupferstiche, sie mögen gebunden oder ungebunden seyn, zur
Bibliothek gerechnet.
§. 100. Kupferstiche hingegen, die in Rahmen gefaßt sind,
gehören nicht zur Bibliothek.
einzelner Thiere.
§. 101. Zu einzelnen Thieren gehören bloß die zu ihrer
Bewahrung nöthigen Geräthschaften nicht aber, was sonst zum Gebrauch oder zur
Auszierung derselben bestimmt ist.
Von Schmuck und Geschmeide.
§. 102. Zum Schmuck und Geschmeide gehören auch die bloß zu
ihrer Verwahrung bestimmten Futterale.
Inventarium.
§. 103. Der Inbegriff der zu einer Sache gehörenden
beweglichen Pertinenzstücke wird das Inventarium derselben genannt.
§. 104. Inventarium überhaupt ist das Verzeichniß aller zu
einem Inbegriff gehörigen Stücke.
Grundsätze von Pertinenzstücken.
§. 105. Pertinenzstücke nehmen, so lange sie bey der
Hauptsache sind, an allen Rechten derselben Theil.
§. 106. Sie verlieren diese Eigenschaft nicht, wenn sie
gleich einer vorübergehenden Ursach wegen auf eine Zeit lang von der Hauptsache
getrennt worden.
§. 107. Mit der Hauptsache gehet das Recht auf die
Pertinenzstücke, auch auf solche, die nur für einige Zeit von der Sache
getrennt worden, auf den neuen Besitzer über.
§. 108. Was sonst, seiner Natur nach, ein Pertinenzstück
ist, hat diese Eigenschaft nicht, so bald es einem andern, als dem Eigenthümer
der Hauptsache gehört. (§. 60.)
Nutzen.
§. 109. Unter dem Nutzen einer Sache wird aller Gebrauch
verstanden, welchen jemand von derselben zu machen berechtigt ist.
Nutzung.
§. 110. Nutzungen heißen die Vortheile, welche eine Sache
ihrem Inhaber, unbeschadet ihrer Substanz, gewähren kann.
Gemeiner Werth.
§. 111. Der Nutzen, welchen eine Sache ihrem Besitzer
leisten kann, bestimmt den Werth derselben.
§. 112. Der Nutzen, welchen die Sache einem jeden Besitzer
gewähren kann, ist ihr gemeiner Werth.
§. 113. Annehmlichkeiten oder Bequemlichkeiten, welche einem
jeden Besitzer schätzbar sind, und deswegen gewöhnlich in Anschlag kommen, werden
dem gemeinen Werth beygerechnet.
Außerordentlicher Werth.
§. 114. Der außerordentliche Werth einer Sache erwächst aus
der Berechnung des Nutzens, welchen dieselbe nur unter gewissen Bestimmungen
oder Verhältnissen leisten kann.
Werth der besondern Vorliebe.
§. 115. Der Werth der besondern Vorliebe entsteht aus bloß
zufälligen Eigenschaften oder Verhältnissen einer Sache, die derselben in der
Meinung ihres Besitzers einen Vorzug vor allen andern Sachen gleicher Art
beylegen.
Bestimmung des Werths oder Abschätzung.
§. 116. In allen Fällen, wo nicht die Gesetze ein Anderes
ausdrücklich vorschreiben, wird der Werth einer Sache bey entstehendem Streit
durch die Abschätzung vereydeter Sachverständiger bestimmt.
§. 117. Bey dergleichen Abschätzungen wird in der Regel nur
auf dem gemeinen Werth der Sache Rücksicht genommen.
§. 118. Der außerordentliche Werth, so wie der Werth der
besondern Vorliebe, werden nur in Fällen, wo es die Gesetze ausdrücklich
billigen, in Anschlag gebracht.
Unschätzbare Sachen.
§. 119. Sachen, deren Werth durch kein Verhältniß mit andern
im Verkehr befindlichen Sachen bestimmt werden kann, heißen unschätzbar.
Verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen.
§. 120. Sachen, welche ohne ihre Zerstörung oder gänzlichen Verlust
den gewöhnlichen Nutzen nicht gewähren können, werden verbrauchbar genannt.
§. 121. Wenn verbrauchbare Sachen jemanden zum Verbrauch
vergönnt worden, so geschieht die Wiedererstattung in Sachen von gleicher
Gattung und Güte.
Persönliche Rechte.
§. 122. Persönliche Rechte und Verbindlichkeiten heißen
diejenigen, wozu nur gewisse Personen, ohne Rücksicht auf den Besitz einer
Sache, befugt, oder verpflichtet sind.
§. 123. Ein persönliches Recht enthält die Befugniß, von dem
Verpflichteten zu fordern, daß er etwas geben, leisten, verstatten, oder
unterlassen solle.
§. 124. In so fern dergleichen persönliches Recht das Geben,
oder die Gewährung einer bestimmten Sache, zum Gegenstande hat, wird es ein
Recht zur Sache genannt.
Dingliche Rechte.
§. 125. Ein Recht ist dinglich, wenn die Befugniß zur
Ausübung desselben mit einer Sache, ohne Rücksicht auf eine gewisse Person,
verbunden ist.
§. 126. Auch solche Rechte heißen dinglich, deren Gegenstand
eine Sache ist, ohne Rücksicht auf die Person, bey welcher diese Sache sich
befindet.
§. 127. Dergleichen Rechte, die ihrem Gegenstande nach
dinglich sind, heißen Rechte auf die Sache.
§. 128. Rechte, welche in Beziehung auf das Subjekt, dem sie
zukommen, dinglich sind, können in Rücksicht auf ihren Gegenstand bloß persönlich,
oder zugleich Rechte auf die Sache seyn.
§. 129. Eben so können Rechte, die in Ansehung ihres
Gegenstandes dinglich sind, in Ansehung des Subjekts, welchem sie zukommen, zu
den bloß persönlichen, oder auch zu den dinglichen Rechten gehören.
§. 130. Wenn die Gesetze von dinglichen Rechten ohne weitern
Beysatz reden, so werden darunter solche, die in Ansehung ihres Gegenstandes
dinglich, oder Rechte auf die Sache sind, verstanden.
Erwerbungsart und Titel.
§. 131. Die Handlung oder Begebenheit, wodurch jemand ein
Recht auf eine Sache erlangt, heißt die Erwerbungsart.
§. 132. Der gesetzliche Grund, vermöge dessen diese Handlung
oder Begebenheit die Kraft hat, daß dadurch das Recht erworben werden kann,
wird der Titel genannt.
§. 133. Die Erwerbung eines Rechts auf fremde Sachen setzt
bey dem Erwerbenden ein vorhergehendes Recht zur Sache voraus.
§. 134. Dieses persönliche Recht, aus welchem durch die
hinzukommende Erwerbungsart ein Recht auf die Sache entsteht, heißt der Titel
dieses dinglichen Rechts.
Grundsätze vom dinglichen Rechte.
§. 135. Wenn demjenigen, der ein persönliches Recht zu einer
Sache hat, der Besitz derselben auf den Grund dieses Rechts eingeräumt wird, so
entsteht dadurch ein dingliches Recht auf die Sache.
§. 136. Rechte, welche mit dem Besitz der Sache, die ihren
Gegenstand ausmacht, nicht verbunden sind, haben die Eigenschaft eines
dinglichen Rechts nur alsdann, wenn ihnen dieselbe durch ein besonderes Gesetz
beygelegt ist. (Tit. XX. §. 8.)
§. 137. Dingliche Rechte auf die Sache können von dem
Berechtigten gegen jeden, in dessen Gewahrsam, Besitz oder Eigenthum die Sache
kommt, so lange das Recht selbst dauert, ausgeübt werden.
§. 138. Nur bey beweglichen Sachen können Veränderungen in
der Person des Besitzers der verpflichteten Sache unter den in den Gesetzen
näher bestimmten Umständen das Recht auf die Sache verändern. (Tit. XV. §. 42.
sqq.)
§. 139. Auch Veränderungen in der Person des Berechtigten
wirken nur dann eine Veränderung in dem dinglichen Rechte, wenn dadurch das
Recht zur Sache verändert oder aufgehoben wird.
§. 140. Wenn ein dingliches Recht auf die Sache bloß zur
Verstärkung eines persönlichen Rechts bestellt worden, so geht mit der
Erlöschung des letztern auch das erstere verloren.
§. 141. Dagegen kann ein solches dingliches Recht aufgehoben
werden, ohne daß deswegen das persönliche Recht erlöscht.
Dritter Titel
Von Handlungen und den daraus entstehenden Rechten
Von Handlungen und deren Folgen überhaupt.
§. 1. Sollen aus Handlungen Rechte entstehn, so müssen die
Handlungen frey seyn.
§. 2. Nur äußere freye Handlungen können durch Gesetze
bestimmt werden.
§. 3. Wo das Vermögen, frey zu handeln, ganz mangelt, da
findet keine Verbindlichkeit aus den Gesetzen statt.
§. 4. Folgen, die aus einer Handlung, an und für sich
betrachtet, nach dem natürlichen und gewöhnlichen Laufe der Dinge zu entstehen
pflegen, heißen unmittelbar.
§. 5. Mittelbar heißen diejenigen Folgen, die nur aus der
Verbindung der Handlung mit einem andern von derselben verschiedenen Ereigniß,
oder mit einer nicht gewöhnlichen Beschaffenheit, entstanden sind.
§. 6. Mittelbare Folgen, welche nicht vorausgesehen werden
konnten, werden für zufällig gehalten.
Zurechnung der Handlungen.
§. 7. Soweit eine Handlung frey ist, werden die
unmittelbaren Folgen derselben dem Handelnden allemal zugerechnet.
§. 8. Auch die mittelbaren Folgen muß der Handelnde, so weit
er sie vorausgesehen hat, vertreten.
§. 9. Je größer die Pflicht ist, mit Aufmerksamkeit und
Sachkenntniß zu handeln, desto größer ist auch die Verbindlichkeit, sich um die
möglichen Folgen der Handlung zu bekümmern.
§. 10. Mittelbare Folgen also, welche der Handelnde bey
Anwendung der schuldigen Aufmerksamkeit und Sachkenntniß voraussehen konnte,
müssen von ihm vertreten werden.
§. 11. Dagegen werden bloß zufällige Folgen einer Handlung
dem Handelnden nicht zugerechnet.
§. 12. Doch haftet der Handelnde für alle Folgen ohne
Unterschied, die nach seiner Absicht aus der Handlung entstehen sollten, ob sie
gleich nur zufällig entstanden sind.
§. 13. Auch müssen die bloß zufälligen Folgen einer in den
Gesetzen gemißbilligten Handlung in so fern vertreten werden, als der Zufall
nur durch diese Handlung schädlich geworden ist.
§. 14. Der Grad der Zurechnung bey den unmittelbaren sowohl,
als mittelbaren Folgen einer Handlung richtet sich nach dem Grade der Freyheit
bey dem Handelnden.
§. 15. Daß jemand gegen die Gesetze habe handeln wollen,
wird nicht vermuthet.
§. 16. Ein jeder ist aber auch schuldig, in den Geschäften
des bürgerlichen Lebens Aufmerksamkeit anzuwenden, daß er den Gesetzen gemäß
handele.
§. 17. Wer aus Mangel dieser Aufmerksamkeit wider die
Gesetze handelt, der begeht ein Versehen.
§. 18. Ein Versehen, welches bey gewöhnlichen Fähigkeiten,
ohne Anstrengung der Aufmerksamkeit, vermieden werden konnte, heißt ein grobes
Versehen.
§. 19. Die Folgen eines groben Versehens werden, in so fern
es auf den Schadenersatz ankommt, eben so zugerechnet, wie die Folgen des
Vorsatzes.
§. 20. Ein mäßiges Versehen heißt dasjenige, welches bey
einem gewöhnlichen Grade von Aufmerksamkeit vermieden werden konnte.
§. 21. Auch ein mäßiges Versehen muß verantwortet werden.
§. 22. Ein geringes Versehen ist dasjenige, welches nur bey
vorzüglichen Fähigkeiten, oder bey einer besondern Kenntniß der Sache, oder des
Geschäfts, oder durch eine ungewöhnliche Anstrengung der Aufmerksamkeit
vermieden werden konnte.
§. 23. Ein geringes Versehen darf nur derjenige vertreten,
welchen die Gesetze besonders verpflichten, vorzügliche Fähigkeiten oder
Kenntnisse, oder eine mehr als gewöhnliche Aufmerksamkeit bey einer Handlung
anzuwenden.
§. 24. Bey der Zurechnung der freyen Handlungen nehmen die
Gesetze auf die eigenthümliche Beschaffenheit oder Geisteskräfte dieser oder
jener bestimmten Person keine Rücksicht.
§. 25. Nur bey Verbrechen, und bey Verträgen welche ein
besonderes Vertrauen unter den Handelnden voraussetzen, wird der Grad der
Zurechnung nach solchen bestimmten persönlichen Eigenschaften des Handelnden
abgemessen.
Allgemeine Grundsätze von den Rechten der Handlungen.
§. 26. Niemand darf den Andern etwas zu thun zwingen, oder
sonst dessen Freyheit zu handeln einschränken, dem nicht ein besonderes Recht
dazu gebührt.
§. 27. Niemand darf den Andern, etwas zu unterlassen, blos
aus dem Grunde zwingen, weil der Handelnde dadurch sich selbst schaden würde.
§. 28. Nur alsdann findet eine Ausnahme statt, wenn jemand
einer durch Gesetze vorgeschriebenen Pflicht gegen sich selbst zuwider handelt,
und die Zwischenkunft des Staats nicht schnell genug erfolgen kann.
§. 29. Wer durch Natur, Gesetz, oder durch einen Auftrag des
Staats, ein besonderes Recht hat, die Handlungen eines Andern zu leiten, der
kann denselben auch mit Gewalt hindern, sich selbst zu schaden.
Wirkungen rechtlicher Handlungen.
§. 30. Durch freye Handlungen können Rechte erworben, an
Andere übertragen, und aufgehoben werden.
§. 31. Vorzüglich geschiehet dieses durch rechtsgültige
Willenserklärungen. (Tit. IV.)
§. 32. Aus Handlungen, welche keine Willenserklärungen sind,
ingleichen aus Unterlassungen entstehen bürgerliche Rechte und Pflichten nur in
so fern, als ein Gesetz sie damit verbindet.
§. 33. Wer eine Handlung begeht, der übernimmt auch alle
daraus folgende Pflichten.
§. 34. Er ist also verpflichtet, alles zu thun, durch dessen
Unterlassung die Handlung selbst unerlaubt werden würde. (Tit. XIII. Sect. II.
III.)
§. 35. Aus unerlaubten Handlungen überkommt der Handelnde
zwar Verbindlichkeiten, aber keine Rechte.
§. 36. Unter den Theilnehmem an einer gesetzwidrigen
Handlung entstehen daraus weder Rechte, noch Pflichten.
§. 37. Ausnahmen, wo ein Theilnehmer den andern zu
entschädigen verbunden ist, müssen in den Gesetzen ausdrücklich bestimmt seyn.
(Th. II. Tit. I. Sect. XI.)
§. 38. Ein jeder ist schuldig, seine im Gesetz
vorgeschriebenen oder einmal freywillig übernommenen Verbindlichkeiten zu
erfüllen.
§. 39. Wer seiner Verbindlichkeit kein gehöriges Gnüge
leistet, wird dem Berechtigten in der Regel zum Ersatz alles daraus
entstandenen Schadens verantwortlich. (Tit. VI. §. 9.)
Form der Handlungen.
§. 40. Aus Verabsäumung der gesetzlichen Form einer Handlung
folgt die Nichtigkeit derselben nur alsdann, wenn das Gesetz die Beobachtung
dieser Form zur Gültigkeit der Handlung ausdrücklich erfordert.
§. 41. Im zweifelhaften Falle wird vermuthet, daß die Form
einer Handlung nur zur mehrern Gewißheit und Beglaubigung derselben
vorgeschrieben worden.
§. 42. Die Rechtmäßigkeit und Gültigkeit einer Handlung muß
nach der Zeit, da sie vollzogen worden, beurtheilt werden.
§. 43. Eine Handlung, die wegen Verabsäumung der
gesetzmäßigen Form von Anfang an nichtig war, kann in der Folge niemals gültig
werden.
§. 44. Wird die Handlung in der gesetzmäßigen Form
wiederholt, so gilt sie nur von dem Zeitpunkt dieser Wiederholung an.
Zeitbestimmungen bey Handlungen.
§. 45. Bey gesetzlichen Zeitbestimmungen wird der Tag von
Mitternacht bis zu Mitternacht gerechnet.
§. 46. Ist die Erwerbung eines Rechts an einen gewissen Tag
gebunden, so wird dasselbe, so bald der Tag angefangen ist, für erworben
geachtet.
§. 47. Soll aber eine Pflicht an einem bestimmten Tage
geleistet werden, so kommt dem Verpflichteten der ganze Tag zu statten.
§. 48. Trift die Erfüllung einer Pflicht auf einen Tag, an
welchem nach allgemeinen Polizeyverordnungen oder nach den Religionsgrundsätzen
des Verpflichteten dergleichen Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen, so
ist der Verpflichtete in der Regel an dem nächstfolgenden Tage zur Leistung
verbunden. (Th. II. Tit. VIII. Sect. VIII.)
§. 49. Ist die Zeit durch den Ausdruck: Jahr und Tag,
bezeichnet, so werden darunter Ein Jahr und Dreyßig Tage verstanden.
Vierter Titel Von Willenserklärungen
Erfordernisse rechtsgültiger Willenserklärungen.
§. 1. Die Willenserklärung ist eine Aeußerung dessen, was
nach der Absicht des Erklärenden geschehen, oder nicht geschehen soll.
§. 2. Wenn eine Willenserklärung rechtliche Wirkungen
hervorbringen soll, so muß der Erklärende über den Gegenstand, nach dem Inhalt
seiner Erklärung, zu verfügen berechtigt seyn.
§. 3. Er muß das Vermögen besitzen, mit Vernunft und
Ueberlegung zu handeln.
§. 4. Die Willenserklärung muß frey, ernstlich, und gewiß,
oder zuverläßig seyn.
Gegenstände.
§. 5. Alle Sachen und Handlungen, auf welche ein Recht
erworben, oder Andern übertragen werden kann, können Gegenstände der
Willenserklärungen seyn.
§. 6. Zu Handlungen, welche die Gesetze verbieten, kann
durch Willenserklärungen niemand verpflichtet oder berechtigt werden;
§. 7. Auch nicht zu Handlungen, welche die Ehrbarkeit
beleidigen.
§. 8. Willenserklärungen, welche zur Verheimlichung einer
durch die Gesetze gemißbilligten Handlung, oder auf Entschädigung oder
Belohnung des Uebertreters abzielen, sind nichtig.
§. 9. Gewissensfreyheit kann durch keine Willenserklärung
eingeschränkt werden.
§. 10. Zusagen, wodurch eine Mannsperson bis über das
dreyßigste, und eine Frauensperson bis über das fünf und zwanzigste Jahr
hinaus, zum ehelosen Stande verpflichtet werden soll, sind ungültig.
§. 11. Auch ist niemand an eine Willenserklärung gebunden,
wodurch er seinen Wittwenstand nicht zu ändern angelobt hat.
§. 12. Ist aber die Ehelosigkeit das nothwendige Erforderniß
eines gewissen Standes, so dauert die Verpflichtung dazu so lange, als jemand
in diesem Stande sich befindet.
§. 13. Zur Sklaverey oder Privatgefangenschaft kann niemand
durch Willenserklärungen verpflichtet werden.
§. 14. So weit eine Sache dem Privatverkehr entzogen ist; so
weit kann sie kein Gegenstand einer Willenserklärung seyn.
§. 15. Nicht nur durch Natur oder Gesetz, sondern auch durch
rechtliche Privatverfügungen können Sachen dem Verkehr entzogen werden.
§. 16. Dergleichen Privatverfügung bindet einen jeden,
welchen der Verfügende zu verpflichten berechtigt war.
§. 17. Doch darf auch ein Dritter, welchem dergleichen
Privatverfügung bekannt geworden ist, derselben nicht entgegen handeln.
§. 18. Die bloße öffentliche Bekanntmachung ist zum Beweise,
daß der Dritte die Verfügung gewußt habe, noch nicht hinreichend.
§. 19. Dagegen kann sich niemand mit der Unwissenheit einer
in das Hypothekenbuch eingetragenen Verfügung entschuldigen.
Persönliche Fähigkeit.
§. 20. Alle Willensäußerungen der Kinder, welche das
siebente Jahr noch nicht zurückgelegt haben, sind nichtig.
§. 21. Willenserklärungen der Unmündigen, welche das
vierzehnte Jahr noch nicht zurückgelegt haben, sind nur in so fern gültig, als
sie sich dadurch einen Vortheil erwerben.
§. 22. Sind mit dem Vortheil, den ein solcher Unmündiger
durch seine Willensäußerung erwerben soll, zugleich Pflichten und Lasten
verbunden, so erlangt die Willenserklärung ohne Einwilligung seines
Vorgesetzten keine rechtliche Wirkung. (Tit. V. §. 11. 12. 13.)
§. 23. Rasende und Wahnsinnige sind den Kindern unter sieben
Jahren gleich zu achten. (§. 20.)
§. 24. So lange den Personen, welche mit Anfällen einer
solchen Krankheit behaftet sind, noch kein Vormund bestellt ist, gilt die
Vermuthung, daß sie ihren Willen bey völliger Verstandskraft, und nicht während
eines Anfalls ihrer Krankheit, geäußert haben.
§. 25. Sind aber dieselben unter Vormundschaft gesetzt, so
kann, so lange diese dauert, auf das Vorgeben, daß die Erklärung in einem
lichten Zwischenraum erfolgt sey, keine Rücksicht genommen werden.
§. 26. Von Willenserklärungen der Blödsinnigen, die unter
Vormundschaft genommen worden, gilt das, was von Unmündigen verordnet ist. (§.
21. 22.)
§. 27. Wenn auch der Blödsinnige noch nicht unter
Vormundschaft gesetzt ist, so gilt doch die Vermuthung, daß derjenige
betrügerisch gehandelt habe, welcher durch die Willenserklärung, mit dem
Schaden desselben, sich zu bereichern sucht.
§. 28. Personen, welche durch den Trunk des Gebrauchs ihrer
Vernunft beraubt worden, sind, so lange diese Trunkenheit dauert, den
Wahnsinnigen gleich zu achten. (§. 23.)
§. 29. Ein gleiches gilt von denjenigen, welche durch
Schrecken, Furcht, Zorn, oder andere heftige Leidenschaft, in einen Zustand
versetzt worden, worin sie ihrer Vernunft nicht mächtig waren.
§. 30. Daß Trunkenheit oder Leidenschaft bis zu einem
solchen Grade gestiegen sind, wird nicht vermuthet. (§. 91.)
Freyheit des Willens.
§. 31. Aeußerungen des Willens, wozu jemand durch physische
Gewalt genöthigt worden, haben keine verbindliche Kraft.
§. 32. Ein Gleiches gilt von solchen Willenserklärungen,
wozu jemand durch Entziehung der Nahrungs- und Heilmittel, oder durch Zufügung
körperlicher Schmerzen vermocht worden.
§. 33. Auch gefährliche Bedrohungen des Lebens, der
Gesundheit, der Freyheit und Ehre, machen jede darauf erfolgende
Willensäußerung unkräftig.
§. 34. Drohungen sind gefährlich, wenn die Ausführungen
derselben entweder an sich, oder auch nur nach der Meinung des Bedrohten in der
Gewalt des Drohenden steht.
§. 35. Die Drohung, jemanden eines Verbrechens wegen, mit
oder ohne Grund, gerichtlich angeben .zu wollen, vereitelt in der Regel jede
darauf erfolgte Willenserklärung des Bedroheten.
§. 36. Bey Drohungen, welche nicht unmittelbar Leben,
Gesundheit, Freyheit oder Ehre betreffen, muß, nach der Beschaffenheit des
angedroheten Uebels an sich, und nach dem Verhältnisse desselben zu dem
Gegenstande der Erklärung, von dem Richter vernünftig beurtheilt werden: ob
dadurch die Willensäußerung wirklich erzwungen worden sey?
§. 37. Auch ist, bey Bestimmung des Einflusses der Drohung
in den Willen des Bedroheten, zugleich auf desselben Leibes- und
Gemüthsbeschaffenheit Rücksicht zu nehmen.
§. 38. Die Drohung, sich seines Rechts gesetzmäßig zu bedienen,
kann niemals als Zwang angesehen werden.
§. 39. Eine Willenserklärung also, wozu jemand durch die
Aeußerung des Andern, sein Recht gerichtlich verfolgen zu wollen, bewogen
worden, ist keinesweges für erzwungen zu achten.
§. 40. Die gedrohete Entziehung eines Vortheils, welchen der
Drohende dem andern zwar zugedacht, aber noch nicht eingeräumt hatte, macht die
Willenserklärung des Bedroheten niemals unkräftig.
§. 41. Der Vorwand, daß Scheu oder Ehrfurcht die
Willenserklärung veranlaßt habe, verdient keine Rücksicht.
§. 42. Erzwungene Willenserklärungen sind auch alsdann
ungültig, wenn die Gewalt oder der Zwang nicht von dem, zu dessen Vortheil die
Erklärung gereichen soll, sondern von einem Dritten, verübt worden.
§. 43. Dadurch aber, daß eine drohende Gefahr zu der
Willenserklärung bloß Anlaß gegeben hat, wird diese noch nicht entkräftet.
§. 44. Hat jedoch Furcht vor der Gefahr das Vermögen des
Erklärenden, mit Freyheit und Ueberlegung zu handeln, gänzlich ausgeschlossen,
so findet die Vorschrift des §. 28. sqq. Anwendung.
§. 45. Wer eine sonst rechtsbeständige Willenserklärung
wegen erlittenen Zwanges anfechten will, muß dieses, sobald als er einen
Richter hat antreten können, spätestens aber binnen Acht (!) Tagen nach diesem
Zeitpunkte gerichtlich anzeigen.
§. 46. Dergleichen vorläufige Anzeige kann bey einem jeden
Gericht gültig geschehen; sie muß aber die zur Sache gehörigen Umstände unter
Anführung der Beweismittel enthalten.
§. 47. Uebrigens hängt es von dem Anzeigenden ab, die
Ungültigkeit der Willenserklärung gegen den, welcher sich des Zwanges oder der
Gewalt schuldig gemacht hat, gerichtlich auszuführen; oder den Anspruch aus der
Willenserklärung abzuwarten; oder sich der in der Prozeßordnung
vorgeschriebenen Wege zur Erhaltung seiner Beweismittel zu bedienen.
§. 48. Ist jedoch die angezeigte Gewalt so beschaffen, daß
dadurch eine peinliche Untersuchung begründet werden kann, so muß der Richter,
bey welchem die Anzeige geschehen ist, demjenigen inländischen Richter, vor
welchen die Untersuchung gehört, davon sofort zur weitern Verfügung Nachricht
geben.
§. 49. Ist die vorläufige Anzeige nach §. 45. nicht
geschehen, so verliert der angeblich Gezwungene dadurch das Recht, sich des
Eydesantrages zum Beweise zu bedienen, und muß den Einwand auf andere Art
vollständig darthun.
§. 50. Auch wird durch die Unterlassung der Anzeige die dem
Einwand entgegenstehende rechtliche Vermuthung dergestalt verstärkt, daß zur
Ergänzung eines gegen diese Vermuthung nicht vollständig geführten Beweises
kein Erfüllungseyd statt finden kann.
§. 51. Ist der Erklärende gestorben, ehe er nach §. 45. die
vorläufige Anzeige hat machen können, so steht seinem Erben frey, noch
innerhalb dreyer Monathe, nach erhaltener Kenntniß von dem Daseyn der
Willenserklärung, den Zwang mit der vorgedachten Wirkung anzuzeigen.
Ernster Wille.
§. 52. Eine Willenserklärung, woraus Rechte und
Verbindlichkeiten entstehen sollen, muß ernstlich seyn.
§. 53. Wer über Angelegenheiten seines Berufs oder Gewerbes
sich geäußert hat, dem steht die rechtliche Vermuthung, daß die Aeußerung nicht
bloß zum Schein, oder nur aus Scherz, geschehen sey, entgegen.
§. 54. Eben das gilt, wenn die Erklärung in einer besondern
durch die Gesetze bestimmten Form abgegeben worden.
§. 55. Ueberhaupt muß die Richtigkeit des Vorgebens, daß eine
Erklärung nur zum Schein, oder nur scherzweise geschehen sey, aus den Umständen
klar erhellen.
§. 56. Hat jemand einen Andern durch ungebührlichen Scherz
zu Anstalten und Handlungen, die diesem lästig sind, wissentlich verleitet, so
muß er ihn deshalb schadlos halten.
Gewisser Wille.
§. 57. Willenserklärungen werden für zuverläßig oder gewiß
angesehen, wenn die Absicht des Erklärenden, ein Recht erwerben, übertragen,
oder aufheben zu wollen, durch Worte oder andere deutliche Zeichen ausgedruckt
wird.
Stillschweigende Willenserklärungen.
§. 58. Handlungen, aus denen die Absicht des Handelnden mit
Zuverläßigkeit geschlossen werden kann, werden für stillschweigende
Willensäußerungen angesehn.
§. 59. Stillschweigende Willensäußerungen haben mit den
ausdrücklichen gleiche Kraft.
§. 60. Wo die Gesetze eine ausdrückliche Erklärung zu der
rechtsgültigen Form des Geschäfts erfordern, ist eine stillschweigende
Willenserklärung unkräftig.
§. 61. Bloßes Stillschweigen wird nur alsdann für
Einwilligung geachtet, wenn der Schweigende sich erklären konnte, und vermöge
der Gesetze dazu verbunden war.
§. 62. Wer also durch einen auf die Gesetze gegründeten
richterlichen Befehl zu einer Erklärung aufgefordert wird, und sie beharrlich
verweigert, dessen Erklärung wird von dem Richter der dem Befehl beygefügten
Warnung gemäß ergänzt.
Vermuthete Willenserklärungen.
§. 63. Soll die Absicht des Handelnden aus den Umständen
bloß vermuthet werden, so ist keine rechtsgültige Willenserklärung vorhanden.
§. 64. Haben jedoch die Gesetze selbst bestimmt, was aus
solchen Handlungen geschlossen werden soll, so ist die Absicht des Handelnden
nach dieser gesetzlichen Vermuthung so lange zu beurtheilen, bis eine andre
Willensmeinung desselben klar ausgemittelt worden.
Auslegung der Willenserklärungen.
§. 65. Der Sinn jeder ausdrücklichen Willenserklärung muß
nach der gewöhnlichen Bedeutung der Worte und Zeichen verstanden werden.
§. 66. Die gewöhnliche Bedeutung ist nach der Zeit, wenn die
Erklärung abgegeben worden, zu beurtheilen.
§. 67. Ist der Sprachgebrauch nach Beschaffenheit der Person
verschieden, so muß auf die Person des Erklärenden gesehen werden.
§. 68. Hat jemand seinen Willen durch einen Andern erklärt,
so kommt es auf den Sprachgebrauch des Letztern an, in so fern derselbe nicht solcher
Ausdrücke, die von dem Machtgeber bestimmt vorgeschrieben worden, sich bedient
hat.
§. 69. Sind, nach Beschaffenheit des Gegenstandes, besondre
Ausdrücke oder Redensarten im Gebrauch, so muß der Sinn der Willensäußerung,
diesem Gebrauch gemäß, erklärt werden.
§. 70. Ist in der Erklärung die Absicht deutlich
ausgedrückt, so sind zweifelhafte Stellen dieser Absicht gemäß auszulegen.
§. 71. Hat der Erklärende seinen Willen bey andrer
Gelegenheit deutlich geäußert, so muß das Dunkle einer streitigen Erklärung
dieser deutlichen Aeußerung gemäß verstanden werden.
§. 72. Ausgenommen ist der Fall, wo die Absicht, eine
frühere Willenserklärung durch eine spätere zu ändern, deutlich erhellet.
§. 73. Unbestimmte Willensäußerungen sind nach den in den
Gesetzen enthaltenen Bestimmungen zu erklären.
§. 74. Doch ist jede Willensäußerung im zweifelhaften Falle
so zu deuten, daß sie nicht ohne alle Wirkung bleibe.
Irrthum.
§. 75. Irrthum in dem Wesentlichen des Geschäfts, oder in
dem Hauptgegenstande der Willenserklärung macht dieselbe ungültig.
§. 76. Ein Gleiches gilt von einem Irrthum in der Person
desjenigen, für welchen aus der Willenserklärung ein Recht entstehen soll, so
bald aus den Umständen erhellet, daß ohne diesen Irrthum die Erklärung
solchergestalt nicht erfolgt seyn würde.
§. 77. Auch Irrthum in ausdrücklich vorausgesetzten
Eigenschaften der Person oder Sache vereitelt die Willenserklärung.
§. 78. In allen diesen Fällen (§. 75. 76. 77.) bleibt die
Willenserklärung ungültig, auch wenn der Erklärende den Irrthum hätte vermeiden
können.
§. 79. Ist jedoch derselbe durch eignes grobes oder mäßiges
Versehen in den Irrthum gerathen, und der Andre hat nicht gewußt, daß der
Erklärende sich irre, so ist der Erklärende zum Ersatz des durch seine Schuld
entstandnen Schadens verpflichtet.
§. 80. Ist von beyden Seiten ein vermeidlicher Irrthum
vorgefallen, so findet von keiner Seite eine Entschädigung statt.
§. 81. Irrthum in solchen Eigenschaften der Person oder
Sache, welche dabey gewöhnlich vorausgesetzt werden, entkräftet ebenfalls die
Willenserklärung.
§. 82. Doch besteht dieselbe, wenn der Irrende durch eignes
grobes oder mäßiges Versehen seinen Irrthum veranlaßt hat.
§. 83. Durch Irrthum in andern Eigenschaften oder Umständen
wird die Willenserklärung niemals vereitelt.
Betrug.
§. 84. In keinem Falle aber kann derjenige, welcher einen
Irrthum wissentlich und vorsetzlich veranlaßt hat, daraus ein Recht erwerben.
§. 85. Vielmehr ist jede durch Betrug veranlaßte
Willenserklärung für den Betrogenen unverbindlich.
§. 86. Nicht nur den Betrogenen, sondern auch Andere, die
bey einem solchen Irrthum Schaden leiden(,) muß der Betrüger entschädigen.
§. 87. Ist die Willenserklärung zwar nicht durch Betrug
veranlaßt, aber doch der Erklärende zu einem Irrthum bey derselben vorsetzlich
verleitet worden, so hängt es von der Beschaffenheit dieses Irrthums, an und
für sich betrachtet, ab: ob und wie weit die dadurch veranlaßte Erklärung nach
obigen Grundsätzen bestehen könne, oder nicht. (§. 75-83).
§. 88. Wenn aber auch hiernach die Willenserklärung in
Ansehung des Hauptgeschäfts besteht, so muß dennoch der Erklärende, wegen des
aus dem Irrthum entstandenen Nachtheils, von dem Betrüger entschädigt werden.
§. 89. Hat ein Dritter den Erklärenden ohne Zuthun des
Andern, zu dessen Gunsten die Erklärung geschieht, hintergangen, so entscheidet
ebenfalls die Beschaffenheit des Irrthums, zu welchem der Erklärende verleitet
worden: ob derselbe an seine Willenserklärung, in Ansehung des Hauptgeschäfts,
gebunden sey, oder nicht. (§. 75-83).
§. 90. Wegen der von dem Betrüger beyden Theilen zu
leistenden Entschädigung hat es bey der Vorschrift des §. 86. 88. sein
Bewenden.
§. 91. Wer, auch ohne die Absicht, den Andern zu hintergehen,
ihn durch Trunk, oder Erregung heftiger Leidenschaften, in einen solchen
Zustand versetzt, wo er seine Handlungen und deren Folgen nicht mehr richtig zu
beurtheilen vermag, der kann aus den in solchem Zustand abgegebnen Erklärungen
desselben kein Recht erlangen.
§. 92. Doch muß der, welcher aus diesem Grunde (§. 91).(!)
seine sonst rechtsbeständige Willenserklärung anfechten will, solches binnen
Acht Tagen nach Abgebung derselben der Vorschrift §. 46. gemäß gerichtlich
anzeigen.
§. 93. Ist diese Anzeige unterblieben, so kann in der Folge
auf den Einwand keine Rücksicht mehr genommen werden.
Form der Willenserklärungen.
§. 94. In so fern die Gesetze einer Art von Willenserklärung
keine bestimmte Form vorgeschrieben haben, ist jede Aeußerung derselben, bey welcher
die Erfordernisse §. 2. 3. 4. anzutreffen sind, gültig.
§. 95. Ist aber dergleichen Form in den Gesetzen
ausdrücklich bestimmt, so gilt davon alles das, was wegen der Form der
rechtlichen Handlungen überhaupt festgesetzt ist. (Tit. III. §. 40. sqq.)
Wirkung derselben.
§. 96. Bloße auch an sich gültige Willenserklärungen sind
für sich allein, die Erwerbung, Uebertragung, oder Aufhebung eines Rechts zu
bewirken, in der Regel noch nicht hinreichend.
§. 97. Was hinzukommen müsse, um einer Willenserklärung die
volle rechtliche Wirkung zu verschaffen, ist nach den verschiednen Arten
derselben in den Gesetzen besonders bestimmt.
§. 98. Willenserklärungen, zu welchen jemand in den Gesetzen
selbst, oder von dem Richter, vermöge gesetzlicher Vorschriften, aufgefordert
worden, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit keines weitern Zusatzes.
Bedingung.
§. 99. So weit jemand über eine Sache verfügen kann, so weit
kann er auch seiner Willenserklärung darüber Bedingungen beyfügen.
§. 100. Eine Willenserklärung ist bedingt, wenn das daraus
entstehende Recht von einem Ereigniß, welches eintreffen oder nicht eintreffen
soll, abhängig gemacht worden.
a) Aufschiebende.
§. 101. Ist die Bedingung in der Art beygefügt, daß durch
den Eintritt derselben die Erwerbung des Rechts erst vollendet werden soll, so
heißt sie eine aufschiebende Bedingung.
§. 102. Der unter einer aufschiebenden Bedingung Berechtigte
muß, ehe er das Recht ausüben kann, die Wirklichkeit des Ereignisses abwarten.
§. 103. Inzwischen darf der bedingungsweise Verpflichtete
zum Nachtheil des dem Andern zugedachten Rechts nichts vornehmen.
§. 104. Hängt die Bedingung von einem bloßen Zufall ab, so
dürfen weder der Berechtigte, noch der Verpflichtete, ein jeder bey Verlust
seines Rechts, etwas vornehmen, wodurch das Eintreten des Zufalls
hervorgebracht oder verhindert wird.
§. 105. Hängt die Bedingung von einer freyen Handlung des
Berechtigten oder eines Dritten ab, und hindert der Verpflichtete vorsetzlich,
daß die Bedingung nicht zur Wirklichkeit gelangt, so ist dieselbe in Ansehung
seiner für erfüllt zu achten.
§. 106. Ein gleiches findet statt, wenn der Verpflichtete
durch Betrug oder andere unerlaubte Mittel den Entschluß bewirkt, nach welchem
die Bedingung fehlschlägt.
§. 107. Wenn aber der Verpflichtete sich erlaubter Mittel
zur Bewirkung dieses Entschlusses bedient hat, so ist er dem Berechtigten dafür
nicht verantwortlich.
§. 108. Ist die aufschiebende Bedingung so beschaffen, daß
sie von einer ganz unbestimmten Willkühr des Erklärenden oder dessen, welcher
durch die Erklärung verpflichtet werden soll, abhängt, so hat die Erklärung
selbst gar keine rechtliche Wirkung.
§. 109. Ist zwar ein bestimmtes Ereigniß, aber nur ein
solches, dessen Eintreffen oder Nichteintreffen an sich von dem freyen Willen
des Erklärenden oder Verpflichteten abhängt, zur Bedingung gesetzt, so kann der
Begünstigte den Verpflichteten nicht hindern, über den Gegenstand der
Erklärung, so lange dies Ereigniß noch nicht eingetroffen ist, nach Gutfinden
zu verfügen.
§. 110. Setzt durch dergleichen Verfügung der
bedingungsweise Verpflichtete sich selbst außer Stand, bey künftig eintretendem
Ereigniß der Erklärung zu genügen, so kann der Berechtigte, welcher in
Rücksicht dessen bereits etwas gegeben oder geleistet hat, vollständige
Schadloshaltung dafür fordern.
§. 111. Kann zur Zeit des wirklich eintretenden Ereignisses
der Erklärung noch genügt werden, so hat der Berechtigte ein unbedingtes Recht
darauf erworben.
§. 112. Ist ein Vortheil, der einem Dritten verschafft
werden soll, zur Bedingung gemacht worden, so muß auch diese schlechterdings
erfüllt werden.
§. 113. Es kommt also dem bedingungsweise Berechtigten nicht
zu statten, wenn gleich der Dritte den Vortheil ausschlägt, oder sich selbst an
dessen Erlangung hindert.
b) Auflösende.
§. 114. Ist eine Bedingung in der Art beygefügt, daß durch
den Eintritt derselben die Wirkung der Willenserklärung wieder aufhören soll,
so heißt solches eine auflösende Bedingung.
§. 115. Der unter einer auflösenden Bedingung Berechtigte
verliert sein Recht mit dem Augenblick, wo die Bedingung zur Wirklichkeit
gelangt.
§. 116. Erhellet aber aus den Umständen, daß das Recht, beym
Eintritt der Bedingung, als ungültig, von der Zeit der Einräumung an, habe
angesehen werden sollen, so müssen auch die bisher gezogene Nutzungen wieder
herausgegeben werden.
§. 117. Soll die auflösende Bedingung von einem bloßen
Zufall abhangen, so findet die Vorschrift §. 104. Anwendung.
§. 118. Ist die Bedingung von dem freyen Willen desjenigen,
dem bey ihrem Eintritt der Vortheil zufallen soll, abhängig gemacht, so
verliert der andere das unter einer auflösenden Bedingung erhaltene Recht von
der Zeit an, da sich jener seiner Befugniß bedient.
§. 119. Beruht die Bedingung auf einer freyen Handlung
dessen, der bey ihrem Eintritt das Recht verlieren soll, oder eines Dritten;
und hat der, welchem alsdann das Recht zufallen soll, durch Betrug oder andere
unerlaubte Mittel den Entschluß, durch welchen die auflösende Bedingung
wirklich wird, veranlaßt; so wird in Ansehung seiner angenommen, daß die
Bedingung nicht eingetreten sey.
§. 120. Ist jemanden ein Recht oder Vortheil unter der
Bedingung, daß er seinen verwittweten Stand nicht andre, eingeräumt worden, so
kann derselbe, wenn er sich wieder verheyrathet, die gezogenen Nutzungen
herauszugeben, niemals angehalten werden.
§. 121. Es hängt von dem Erklärenden ab, für das unter einer
auflösenden Bedingung einzuräumende Recht, gleich bey der Einräumung desselben,
Cautionsleistung zu fordern.
§. 122. Ist dieses nicht geschehen, so kann der Berechtigte
nur in dem Falle zur Sicherheitsbestellung angehalten werden, wenn eine
erhebliche Besorgniß entsteht, daß er sich selbst außer Stand setzen werde, bey
eintretender auflösenden Bedingung seiner Verbindlichkeit wegen Zurückgabe der
Sache oder des Rechts ein Gnüge zu leisten.
§. 123. Die Caution dauert alsdann so lange, als die
auflösende Bedingung noch eintreffen kann.
§. 124. Sind unschätzbare Rechte oder Vortheile unter einer
auflösenden Bedingung eingeräumt worden, so tritt in Fällen, wo sonst Caution
geleistet werden muß, die Verbindlichkeit zur Uebernehmung einer
Conventionalstrafe an deren Stelle.
§. 125. Diese muß von dem Richter nach den Umständen
bestimmt, und von dem Berechtigten auf so lange, als die auflösende Bedingung
noch eintreten kann, sicher gestellt werden.
c) Mögliche und unmögliche.
§. 126. Durch Beziehung auf Ereignisse, welche nach dem
natürlichen Lauf der Dinge nothwendig eintreffen müssen, wird eine
Willenserklärung nicht bedingt.
§. 127. Wird das eingeräumte Recht daran gebunden, daß ein
dergleichen Ereigniß eintreten soll, so ist dieses für eine Zeitbestimmung zu
achten.
§. 128. Wird aber das Recht von dem Nichteintreffen eines
solchen nothwendigen Ereignisses abhängig gemacht, so ist die Willenserklärung
nichtig.
§. 129. Kann ein Ereigniß entweder nach dem natürlichen
Laufe der Dinge überhaupt, oder nach den besondern Beschaffenheiten und Verhältnissen
desjenigen, dem die Bedingung gemacht worden, nicht eintreffen, so wird die
Bedingung selbst unmöglich genannt.
§. 130. Ist eine unmögliche Bedingung in der Art, daß solche
nicht eintreffen solle, beygefügt, so wird die Erklärung für unbedingt geachtet.
§. 131. Wird aber das Recht von dem Eintreffen der
unmöglichen Bedingung abhängig gemacht, so wird dadurch die ganze
Willenserklärung entkräftet.
§. 132. Ein Gleiches geschiehet, wenn Bedingungen beygefügt
worden, deren Sinn, und wie sie erfüllt werden sollen, ganz unverständlich ist.
d) Unnütze.
§. 133. Bedingungen, von deren Erfüllung kein Nutzen
abzusehen ist, müssen, so lange der Erklärende lebt, und darauf besteht,
dennoch erfüllt werden.
§. 134. Ist aber der Erklärende, ohne sich über den bey der
Bedingung gehabten Zweck näher zu äußern, verstorben, so kann der bedingt
Berechtigte auf deren Erlassung bey dem Richter antragen.
§. 135. Der Richter muß diejenigen, welche ein Interesse bey
der Sache haben, rechtlich darüber hören, und darf nur nach befundener ganz
offenbaren Unnützlichkeit der Bedingung, die Erfüllung derselben erlassen.
e) Unerlaubte.
§. 136. Was selbst kein Gegenstand einer Willenserklärung
seyn kann (§. 6-14.), das kann auch niemanden als eine Bedingung aufgelegt
werden.
§. 137. Ob dergleichen Bedingungen die Erklärung entkräften,
oder für nicht beygefügt zu achten sind, ist nach den verschiedenen Arten der
Willenserklärungen in den Gesetzen besonders bestimmt. (Tit. V. §. 227. sqq.
Tit. XII. §. 63).
§. 138. Was in Fällen, wo die Beybehaltung des verwittweten
Standes zur Bedingung gemacht worden, Rechtens sey, ist oben verordnet. (§.
120.)
f) Von mehrern
beygefügten Bedingungen.
§. 139. Sind mehrere erlaubte Bedingungen, von welchen eine
oder die andre erfüllt werden soll, festgesetzt, so hat in der Regel derjenige,
welcher damit belastet worden, die Wahl, welche derselben er erfüllen wolle.
g) Von
Bedingungen, die auf vergangne Begebenheiten sich beziehen.
§. 140. Auch vergangene Begebenheiten können zur Bedingung
gemacht werden.
§. 141. In diesem Falle kann der Besitz des unter einer
solchen Bedingung eingeräumten Rechts nicht eher gefordert werden, als bis die
zur Bedingung gemachte vergangene Begebenheit klar erwiesen ist.
§. 142. Doch erstreckt sich, wenn die Willenserklärung nicht
ein Andres besagt, die rechtliche Wirkung derselben auf diejenige Zeit zurück,
in welcher sie sich geäußert haben würde, wenn die Willenserklärung unbedingt
gewesen wäre.
§. 143. Ist eine vergangene Begebenheit zu einer auflösenden
Bedingung gemacht worden, so wird, bey erwiesener Wirklichkeit derselben, das
dagegen eingeräumte Recht als von Anfang an ungültig angesehen.
§. 144. Doch kann derjenige, welcher den Erklärenden zu
einem Irrthum über die Wirklichkeit oder Beschaffenheit des Ereignisses
verleitet hat, aus der Erklärung keinen Vortheil ziehen.
Bewegungsgrund.
§. 145. Wird bey einer Erklärung eine gewisse Begebenheit
oder Thatsache, als eine solche, die entweder schon geschehen ist, oder noch
geschehen soll, blos vorausgesetzt, so ist sie nur als ein Bewegungsgrund
anzusehen.
§. 146. Der angeführte Bewegungsgrund dient hauptsächlich
nur zur Erklärung einer zweifelhaften Absicht.
§. 147. Ist also die Absicht klar, so wird durch die
Unrichtigkeit des angeführten Bewegungsgrundes die Willenserklärung selbst noch
nicht entkräftet.
§. 148. Hat der Erklärende den falschen Bewegungsgrund aus
Irrthum für richtig angenommen, so kann der, welcher diesen Irrthum vorsetzlich
veranlaßt hat, daraus keinen Vortheil ziehen.
§. 149. Außer diesem Falle giebt bey Willenserklärungen,
woraus gegenseitige Rechte und Verbindlichkeiten entstehen, ein Irrthum im
Bewegungsgrunde dem Irrenden niemals das Recht, von seiner Erklärung wieder
abzugehn.
§. 150. Hingegen sind Willenserklärungen, woraus nur der, zu
dessen Gunsten sie geschehen, allein den Vortheil ziehen würde, unkräftig, so
bald erhellet, daß der ausdrücklich angeführte irrige Bewegungsgrund die einzige
Ursach der Willensäußerung selbst gewesen sey.
Beschreibung.
§. 151. Was von falschen Bewegungsgründen verordnet ist, das
gilt auch von falschen Beschreibungen.
Zweck.
§. 152. Wenn aus dem Inhalt der Willenserklärung, oder aus
den Umständen erhellet, daß der Erklärende bey demjenigen, was er dem Andern zu
thun oder zu unterlassen auferlegt; den eignen Vortheil desselben zur Absicht
gehabt habe, so ist eine solche Bestimmung eher für einen Endzweck, als für
eine Bedingung zu achten.
§. 153. Ist etwas ausdrücklich zu einem gewissen Endzweck
bewilligt worden, so tritt, wenn die Erklärung nicht das Gegentheil klar
besagt, der Berechtigte sofort in die Ausübung und den Genuß des ihm
bewilligten Rechts.
§. 154. Er verliert aber dieses Recht wieder, wenn der Zweck
nicht erfüllt wird.
§. 155. Es findet also bey dem Zweck alles das statt, was in
Ansehung der auflösenden Bedingungen §. 114. sqq. verordnet ist.
§. 156. Ist zur Erfüllung des Zwecks keine gewisse Zeit
bestimmt, so kann das dazu bewilligte Recht, so lange die Erfüllung noch
möglich bleibt, nicht zurück genommen werden.
§. 157. Bey Willenserklärungen unter Lebendigen muß der
bestimmte Zweck schlechterdings nach der Erklärung erfüllt werden.
§. 158. Kann oder will der Begünstigte diese Erfüllung nicht
leisten, so ist die Erklärung unverbindlich.
§. 159. Ist jedoch der Zweck durch etwas Aehnliches nach der
Erklärung erfüllt worden, und der Erklärende hat sich dabey wissentlich ein
Jahr hindurch beruhigt, so können dessen Erben die Art der Erfüllung nicht anfechten.
§. 160. In wie fern bey Erklärungen von Todes wegen der
bestimmte Zweck schlechterdings oder durch etwas Aehnliches, und vor oder nach
dem Ableben des Erklärenden zu erfüllen sey, ist durch besondre Gesetze
bestimmt. (Tit. XII. §. 508. sqq.)
§. 161. In allen Fällen, wo das Recht selbst, welches den
Gegenstand der Willenserklärung ausmacht, auf die Erben übergehen kann, treten
diese auch in Ansehung der Befugniß die Bedingung oder den Zweck zu erfüllen,
in die Rechte des Erblassers.
§. 162. Ist aber die Bedingung oder der Zweck an die Person
des Berechtigten gebunden, und stirbt dieser vor der Erfüllung, so verliert die
Erklärung selbst ihre Wirksamkeit.
Zeit.
§. 163. Eine der Willenserklärung beygefügte ungewisse Zeit,
wo das Recht aus derselben entweder entstehen, oder aufhören soll, wird einer
aufschiebenden oder auflösenden Bedingung gleich geachtet.
§. 164. Ist eine gewisse Zeit dergestalt beygefügt. daß mit
dem Ablauf derselben die Ausübung des Rechts ihren Anfang nehmen soll, so muß
zwar der Berechtigte den Eintritt dieses Zeitpunkts abwarten.
§. 165. Doch ist das Recht selbst für vollständig erworben
zu achten, und geht daher, wenn es nicht an die Person des Berechtigten
gebunden ist, auf die Erben desselben über.
§. 166. Der Verpflichtete darf in der Zwischenzeit nichts
vornehmen, wodurch das Recht des andern geschmälert, oder gar vereitelt werden
könnte.
§. 167. Ist eine gewisse Zeit dergestalt beygefügt, daß
dadurch die Dauer des durch die Willenserklärung übertragnen Rechts bestimmt
werden soll, so hört mit dem Ablauf dieser Zeit das Recht von selbst wieder
auf.
§. 168. Derjenige, dem solchergestalt ein Recht nur auf eine
gewisse Zeit eingeräumt worden, darf, während derselben, zum Nachtheil
desjenigen, an welchen das Recht, nach Ablauf dieser Zeit gelangen soll, nichts
vornehmen.
§. 169. In beyden Fällen (§. 164. 167.) behält derjenige,
welcher mit dem Ablauf der bestimmten Zeit die Sache herausgeben muß, die
inzwischen gezognen Nutzungen.
Fünfter Titel
Von Verträgen
Begriffe.
§. 1. Wechselseitige Einwilligung zur Erwerbung oder
Veräußerung eines Rechts, wird Vertrag genannt.
§. 2. Die Erklärung, einem Andern ein Recht übertragen, oder
eine Verbindlichkeit gegen denselben übernehmen zu wollen, heißt Versprechen.
§. 3. Dagegen ist die bloße Aeußerung, etwas thun zu wollen,
noch für kein Versprechen anzusehen.
§. 4. Zur Wirklichkeit eines Vertrages wird wesentlich
erfordert, daß das Versprechen gültig angenommen worden. (§. 78. sqq.)
§. 5. Bloße Gelübde haben, als bloß einseitige Versprechen,
nach bürgerlichen Gesetzen keine Verbindlichkeit.
§. 6. Hat der Erblasser ein Gelübde zu erfüllen angefangen,
so wird vermuthet, daß er den Erben zu dessen Vollendung habe verpflichten
wollen.
Eintheilung.
§. 7. Wenn beyde Theile gegenseitige Verbindlichkeiten
übernehmen, so wird solches ein lästiger Vertrag genannt.
§. 8. Wohlthätig heißt ein Vertrag, durch welchen nur Ein
Theil etwas zu Gunsten des andern zu geben, zu leisten, zu dulden, oder zu
unterlassen verpflichtet wird.
/. Persönliche Fähigkeit, Verträge zu schließen.
§. 9. So weit jemand zu rechtsgültigen Willenserklärungen
fähig ist, so weit kann er auch durch Verträge sich verpflichten.
§. 10. Verträge, wodurch unfähige Personen verpflichtet
werden sollen, müssen durch die im Gesetz oder vom Richter ihnen bestellten
Vormünder geschlossen werden. (Tit. IV. §. 20-26.)
§. 11. Soll eine Person, welche durch Willenserklärungen nur
Vortheile zu erwerben fähig ist, durch einen von ihr geschloßenen Vertrag
zugleich Lasten übernehmen, so hängt die Gültigkeit des ganzen Vertrags von der
vormundschaftlichen Genehmigung ab.
§. 12. So lange der Vormund sich noch nicht erklärt hat,
kann der andre Theil von dem Vertrage nicht zurücktreten.
§. 13. Doch steht demselben zu allen Zeiten frey, dem
Vormund eine Frist zu bestimmen, binnen welcher er sich über die Ertheilung
oder Versagung seiner Genehmigung erklären müsse.
§. 14. Minderjährige und Verschwender werden in Ansehung der
Fähigkeit, Verträge zu schließen, den Unmündigen gleich geachtet.
§. 15. Die Unfähigkeit eines Verschwenders, sich durch
Verträge zu verpflichten, nimmt mit der Mittagsstunde desjenigen Tages ihren
Anfang, an welchem das Blatt der öffentlichen Anzeigen, dem die gerichtliche
Bekanntmachung zuerst einverleibt ist, ausgegeben worden.
§. 16. Doch kann derjenige, welcher weiß, daß ein Mensch
wegen Verschwendung bereits gerichtlich angeklagt sey, aus einem mit demselben
auch noch vor der öffentlichen Bekanntmachung geschloßenen Vertrage kein Recht
erlangen.
§. 17. Die Unfähigkeit des Verschwenders, sich durch
Verträge zu verpflichten, dauert bis zur Mittagsstunde desjenigen Tages, an
welchem die Wiederaufhebung der Vormundschaft verfügt wird.
§. 18. Bey Minderjährigen endigt sich die Unfähigkeit,
lästige Verträge zu schließen, mit dem Anfange desjenigen Tages, an welchen sie
die Volljährigkeit erreichen.
§. 19. Die Fähigkeit solcher Personen, die zwar das in den
Gesetzen für sie bestimmte volljährige Alter poch nicht erreicht, aber doch das
Zwanzigste Jahr bereits zurückgelegt haben, ingleichen derer, welche für
volljährig erklärt sind, ist gehörigen Orts näher bestimmt. (Th. II. Tit.
XVI11. Sect. VIII.)
§. 20. Pflegebefohlne, welche unter vormundschaftlicher
Genehmigung eine eigne Wirtschaft angestellt haben, werden, auch ohne Beytritt
des Vormunds, durch solche Verträge verpflichtet, welche zur Führung dieser
eignen Wirtschaft unmittelbar gehören.
§. 21. Pflegebefohlne, welche unter vormundschaftlicher
Genehmigung sich zu einem gewissen Zweck oder Geschäfte bestimmt haben, sind
fähig alle Verträge zu schließen, ohne welche sie diese Bestimmung nicht
erfüllen könnten.
§. 22. Von den Verträgen der Kinder, die noch in väterlicher
Gewalt sind, ingleichen der verheyratheten Frauenspersonen, sind nähere
Bestimmungen gehörigen Orts festgesetzt (Th. IT. Tit. I. Tit. II.)
§. 23. Unverheyrathete Frauenspersonen werden, dafern die
Provinzialgesetze keine Ausnahme machen, bey Schließung der Verträge den
Mannspersonen gleich geachtet.
§. 24. Blinde, Taube, und Stumme, können in so weit Verträge
schließen, als sie ihren Willen deutlich und mit Zuverläßigkeit zu äußern
vermögen.
§. 25. Sind ihnen aber Vormünder bestellt, so haben sie
wegen der Fähigkeit, Verträge zu schliessen, die Rechte der Blödsinnigen.
§. 26. In wie fern, und unter was für Erfordernissen
Corporationen und Gemeinen durch Verträge verpflichtet werden können, ist nach
ihren vom Staat genehmigten Grundverträgen zu beurtheilen.
§. 27. Wo diese nichts bestimmen, ist auf die wegen der
verschiednen Arten der Corporationen ergangnen Gesetze Rücksicht zu nehmen.
§. 28. Wo auch diese nichts besonderes verordnen, da bleibt
es bey den von Verpflichtung der Corporationen überhaupt vorgeschriebnen
allgemeinen Grundsätzen. (Th. II. Tit. VI.)
§. 29. Oeffentliche Cassen können nur unter Genehmigung des
vorgesetzten Departements durch Verträge verpflichtet werden.
§. 30. Ist nach der Verfassung der Casse die unmittelbare
Genehmigung des Landesherrn nothwendig, so muß das vorgesetzte Departement
denjenigen, der mit der Casse sich einlassen will, vor oder doch gleich bey
Abschließung des Vertrags, bey eigner Vertretung, davon benachrichtigen.
§. 31. Jeder Contrahent ist schuldig, nach den Eigenschaften
des Andern, welche auf dessen Fähigkeit, Verträge zu schließen, Einfluß haben
können, sich gehörig zu erkundigen.
§. 32. Der bloße Mangel der Wissenschaft von der Unfähigkeit
des einen Theils soll also dem andern niemals zu statten kommen.
§. 33. Wer aber, nach gehörig angestellter Erkundigung,
dennoch von einem Unfähigen zur Schließung eines Vertrags verleitet worden,
kann aus dem Vermögen desselben Schadloshaltung fordern.
§. 34. Wer mit einer Person unter achtzehn Jahren Verträge
schließt, kann sich mit der Unwissenheit ihres minderjährigen Alters niemals
entschuldigen.
§. 35. Ein Gleiches gilt gegen den, welcher einen Unfähigen
blos auf dessen Versicherung, auch wenn dieselbe eydlich bestärkt würde, für
fähig angenommen hat.
§. 36. Wer, seiner Unfähigkeit sich bewußt, einen andern zur
Schließung eines Vertrages verleitet hat, soll als ein Betrüger gestraft
werden. (Th. II. Tit. XX. Abschn. XV.)
§. 37. Ein Vertrag, welcher wegen der Unfähigkeit des einen
Theils unverbindlich ist, erlangt durch ein nach gehobner Unfähigkeit
erfolgendes Anerkenntniß nur in so fern verbindliche Kraft, als dies
Anerkenntniß selbst für einen neuen rechtsgültigen Vertrag angesehen werden
kann.
§. 38. Ein solcher neuer Vertrag erstreckt sich nur alsdann
auf den Anfang des Geschäftes zurück, wenn dieses zugleich ausdrücklich
verabredet worden.
//. Gegenstände.
§. 39 Ueber alles, was der Gegenstand einer rechtsgültigen
Willenserklärung seyn kann, können auch Verträge geschlossen werden (Tit. IV.
§. 5-19.)
a) Verträge über die Handlungen, oder.
§. 40. Verträge, durch welche jemand die Handlung eines
Dritten verspricht, verpflichten denselben in der Regel nur, seine Bemühungen
zur Bewirkung der versprochnen Handlung anzuwenden.
§. 41. Kann er dadurch die Handlung nicht bewirken, so ist
auch für den andern Theil keine Verbindlichkeit, den Vertrag von seiner Seite
zu erfüllen, vorhanden.
§. 42. Vielmehr muß ihm dasjenige, was er auf Rechnung eines
solchen Vertrags bereits gegeben oder geleistet hat, zurückgegeben, oder wenn
dies nicht geschehen kann, vergütet werden.
§. 43. Hat der Versprechende keine Mühe angewendet, die
versprochne Handlung zu bewirken, so muß er dem Andern den aus deren
Unterbleibung entstehenden Schaden ersetzen.
§. 44. Ein Gleiches findet statt, wenn der Versprechende
durch sein eignes grobes oder mäßiges Versehen Schuld daran ist, daß die
versprochne Handlung nicht erfolgt.
§. 45. Erhellet aus dem Vertrage, daß der Versprechende
nicht blos seine Bemühungen anzuwenden, sondern wirklich für den Erfolg zu
stehen übernommen habe, so muß er bey nicht bewirkter Handlung dem Andern vollständige
Gnugthuung leisten.
b) über die Sache eines Dritten.
§. 46. Haben beyde Theile ausdrücklich über fremde Sachen
oder Rechte einen Vertrag geschlossen, so ist anzunehmen, daß der eine sich nur
verpflichten wollen, den Dritten zum Besten des Andern zu einer dem Vertrage
gemäßen Handlung zu vermögen.
§. 47. Kann diese Absicht der Contrahenten nach dem Inhalt
des Vertrages oder nach den Umständen nicht angenommen werden, so hat
dergleichen Vertrag keine rechtliche Wirkung.
§. 48. Doch muß jeder dem Andern dasjenige, was in Rücksicht
auf einen solchen Vertrag wirklich gegeben, oder geleistet worden, vergüten.
§. 49. Hat derjenige, welcher die fremde Sache verspricht,
für den Erfolg zu stehen, sich ausdrücklich verpflichtet, so findet die
Vorschrift des §. 45. Anwendung.
§. 50. Lag bey dem Vertrage um die Sache oder das Recht
eines Dritten eine unerlaubte Handlung von Seiten beyder Theile zum Grunde, so
fällt der von einem oder dem andern daraus schon gezogne Gewinn dem Fiskus
anheim.
c) über unmögliche Handlungen.
§. 51. Verträge, wodurch jemand zu absolut unmöglichen
Handlungen oder Leistungen verpflichtet werden soll, sind nichtig.
§. 52. Gleiche Bewandniß hat es mit der bedingten
(hypothetischen) Unmöglichkeit, wenn sie zur Zeit des geschlossenen Vertrages
beyden Theilen bekannt, oder beyden unbekannt war.
§. 53. War die bedingte Unmöglichkeit nur demjenigen
bekannt, der zu der unmöglichen Handlung oder Leistung sich verpflichtete, so
muß er den andern Theil vollständig entschädigen.
§. 54. Wußte nur derjenige, welcher eine Handlung oder
Leistung sich versprechen ließ, daß dieselbe dem Versprechenden unmöglich sey,
so hat zwar der Vertrag selbst keine verbindliche Kraft.
§. 55. Hat jedoch der, welcher sich das Unmögliche
versprechen ließ, dem Versprechenden in Rücksicht auf den Vertrag, bereits
etwas gegeben, oder geleistet, so ist das Geschäfte für eine Schenkung
anzusehen.
§. 56. In allen Fällen besteht der Vertrag, wenn darin einem
oder dem andern Theile die Wahl gelassen worden, statt des Unmöglichen etwas
anders zu fordern, oder zu leisten.
§. 57. Gleiche Bewandniß hat es alsdann, wenn die bey
Schließung des Vertrags obwaltende bedingte Unmöglichkeit bis zu der zur
Erfüllung bestimmten Zeit aufhört.
d) über Sachen, welche dem Verkehr entzogen sind.
§. 58. Verträge über Sachen, welche dem Verkehr entzogen
worden, sind in so fern gültig, ab das Hinderniß gehoben werden kann.
§. 59. Doch kann die Erfüllung erst nach wirklich erfolgter
Hebung des Hindernisses gefordert werden.
§. 60. Ist dazu eine gewisse Zeit bestimmt, so verliert,
nach fruchtlosem Ablauf derselben, der Vertrag von selbst seine Kraft.
§. 61. Ist keine Zeit bestimmt, so muß dieselbe, auf
Verlangen des einen oder andern Theils, von dem Richter, nach Bewandniß der
Umstände, festgesetzt werden.
§. 62. Hängt die Hebung des Hindernisses von der Handlung
eines Dritten ab, zu deren Bewirkung sich einer der Contrahenten verpflichtet
hat, so finden die Vorschriften §. 40-45. Anwendung.
§. 63. Hat keiner von beyden Theilen sich zur Hebung des
Hindernisses besonders verpflichtet, so liegt die Verbindlichkeit dazu
demjenigen ob, dem allein nur das Daseyn desselben bekannt war.
§. 64. War das Daseyn des Hindernisses beyden Theilen
bekannt, so muß derjenige, welcher wegen eines Mangels in seiner Person, über
eine solche Sache den Vertrag nicht schließen kann, für die Hebung des
Hindernisses sorgen.
§. 65. Kann auch hiernach die Frage nicht entschieden
werden, so ist bey bloß wohlthätigen Verträgen derjenige, welcher den Vortheil
genießen will, für die Hebung des Hindernisses zu sorgen verpflichtet.
§. 66. Bey lästigen Verträgen aber haben beyde Theile dazu
gleiche Verbindlichkeit.
§. 67. Kann, der gehörig angewandten Mühe ungeachtet, das
Hinderniß nicht gehoben werden, so findet alles dasjenige statt, was für den
Fall, wenn über eine bedingt unmögliche Handlung oder Leistung ein Vertrag
geschlossen worden §. 52-57. verordnet ist.
e) über unerlaubte
Handlungen.
§. 68. Verträge über unerlaubte Handlungen gelten eben so
wenig, als über unmögliche.
§. 69. Kann jedoch von dem entgegen stehenden Verbotsgesetze
Dispensation statt finden, so gilt von solchen Verträgen eben das, was von
Verträgen über Sachen, die dem Verkehr entzogen sind §. 58-67. vorgeschrieben
ist.
f) von
nutzlosen.
§. 70. Verträge, deren Erfüllung niemanden einen Vortheil
oder Nutzen gewähren kann, müssen auf den Antrag desjenigen, welcher dadurch
belastet ist, von dem Richter aufgehoben werden.
g) von
unbestimmten Verträgen.
§. 71. Verträge, deren Gegenstand sich gar nicht bestimmen
läßt, oder deren Bestimmung oder Erfüllung der Willkühr des Verpflichteten
lediglich überlassen ist, sind unverbindlich. (§. 235-240.)
§. 72. Ist die nähere Bestimmung einer unbestimmt
übernommenen Verbindlichkeit dem Ausspruch eines Dritten überlassen worden, so
ist der Vertrag gültig, wenn der Dritte den Ausspruch thut.
§. 73. Er kann aber, denselben zu thun, wider seinen Willen
nicht angehalten werden.
h) Verträge über den Vortheil eines Dritten.
§. 74. Auch die Vortheile eines Dritten können der
Gegenstand eines Vertrages seyn.
§. 75. Der Dritte selbst aber erlangt aus einem solchen
Vertrage, an dessen Schließung er weder mittelbar noch unmittelbar Theil
genommen hat, erst alsdann ein Recht, wenn er demselben mit Bcwlligung der
Hauptparteyen beygetreten ist.
§. 76. Bis dieser Beytritt erfolgt, kann der zu seinem
Vortheile geschlossene Vertrag nach dem Einverständniß der Contrahenten
geändert, oder gar aufgehoben werden.
§. 77. Ist aber dem Dritten der Antrag zum Beytritt einmal
geschehen, so müssen die Contrahenten seine Erklärung über die Annahme
abwarten.
JIL. Von der Acceptation.
§. 78. Alles, was zur Rechtsgültigkeit einer
Willenserklärung überhaupt gehört, wird auch zur Gültigkeit «er Annahme eines
Versprechens erfordert.
§. 79. Durch die Annahme eines gültigen Versprechens wird
der Vertrag geschlossen.
§. 80. Der Augenblick, in welchem die Annahme gehörig
erklärt worden, bestimmt also auch den Zeitpunkt des geschloßnen Vertrags.
§. 81. Handlungen, welche die Annahme des Versprechens
voraussetzen, werden einer ausdrücklichen Annahme gleich geachtet.
§. 82. Wenn das, was der eine Theil fordert, oder verlangt,
von dem andern bewilligt worden, so bedarf «s von Seiten des erstern keiner
besondern Annahme.
§ 83. Durch die Annahme kann niemand mehr
Recht erwerben, als von dem Andern angetragen worden.
§. 84. Die Annahme muß unbedingt und uneingeschränkt seyn,
wenn dadurch der Abschluß des Vertrags erfolgen soll.
§. 85. Geschieht die Annahme nur unter Bedingungen oder
Einschränkungen, so kann der Versprechende seinen Antrag zurücknehmen.
§. 86. Verträge können nicht nur persönlich oder durch
Bevollmächtigte, sondern auch durch Briefwechsel errichtet werden.
§. 87. So weit Personen auf den Grund einer wirklich
aufgetragnen, oder einer zu vermuthenden Vollmacht, die Geschäfte eines Andern
zu besorgen berechtigt sind, so weit können sie auch Anträge, die ihm
geschehen, in seinem Namen annehmen. (Tit. XIII. §. 119. sqq.)
§. 88. Außer diesem Fall erlangt durch die Annahme eines
Dritten derjenige, welchem das Versprechen geschehen ist, in der Regel noch
kein Recht. (Tit. XI. §. 1060.)
§. 89. Ist aber durch die erklärte Annahme ein wirklicher
Vertrag zwischen dem Versprechenden und dem Annehmenden zu Gunsten des Dritten
geschlossen worden, so finden die Vorschriften §. 74-77. Anwendung.
Bestimmung der Zeit der Annahme.
§. 90. Die Annahme eines Versprechens muß, wenn sie gegen
den Versprechenden verbindliche Kraft haben soll, zur gehörigen Zeit geschehen.
§. 91. Hat der Antragende einen gewissen Zeitraum zur
Erklärung über den Antrag bestimmt, so ist der Andre bis zum völligen Ablauf
dieses Zeitraums zur Annahme berechtigt.
§. 92. Hat der Antragende die Zeit zur Erklärung über den
Antrag dem Gutfinden des Andern überlassen, so kann er dennoch, wenn der Andre
zögert demselben eine Frist zur Annahme bestimmen.
§. 93. Ist jedoch die Bedenkzeit ausdrücklich zu einem
gewissen Zweck verstattet worden, so muß die zu bestimmende Frist so beschaffen
seyn, daß innerhalb derselben der Zweck erreicht werden könne.
§. 94. Ist bey dem Antrage wegen der Zeit zur Annahme gar
nichts bestimmt worden, so muß die Erklärung über einen mündlichen Antrag
sogleich, als derselbe geschehen ist, abgegeben werden.
§. 95. Ist unter Personen, die an Einem Orte sich aufhalten,
der Antrag schriftlich geschehen, so muß die Erklärung darüber binnen vier und
zwanzig Stunden erfolgen.
§. 96. Ist der Antrag unter Abwesenden schriftlich
geschehen, so kommt es auf den Zeitpunkt an, da der Brief an dem Orte, wo der
Andre sich aufhält, nach dem gewöhnlichen Laufe der Posten hat eingehen können.
§. 97. Mit der nächsten fahrenden oder reitenden Post,
welche nach diesem Zeitpunkte abgeht, muß der Antrag beantwortet werden.
§. 98. Doch ist, wenn mit der ersten Post keine Antwort
erfolgt, der Antragende schuldig, noch den nächstfolgenden Posttag, wegen
möglicher Zwischenfälle, abzuwarten.
§. 99. Ist der schriftliche Antrag durch einen eignen Boten
geschehen, so muß der Antragende den längsten Zeitraum, binnen welchem ein
solcher Bote ohne ungewöhnliche Zwischenfälle zurückkommen kann, abwarten.
§. 100. Kommt der Bote in diesem Zeiträume nicht zurück, so
muß der Antragende den Andern davon benachrichtigen, und ihm zugleich eröfnen,
ob er noch ferner an den Antrag gebunden seyn wolle.
§. 101. Geschieht der Antrag einer Corporation oder Gemeine,
so muß der Antragende auf die Erklärung derselben so lange Zeit warten, als
erforderlich ist, daß über den Antrag ein verfassungsmäßiger Entschluß genommen
und ihm bekannt gemacht werden könne.
§. 102. In allen Fällen, wo nicht ein Andres ausdrücklich
bestimmt ist, wird dafür gehalten, daß die Annahme in dem Zeitpunkte geschehen
sey, wo der Annehmende alles gethan hatte, was von seiner Seite zur
Bekanntmachung seiner Erklärung an den Antragenden erforderlich war.
§. 103. So bald aber die vorstehend §. 90. sqq. bestimmten
Fristen zur Erklärung über den Antrag fruchtlos verlaufen sind, kann der
Antragende zurücktreten.
§. 104. Er muß jedoch demjenigen, welchem der Antrag
geschehen ist, unter Gegenwärtigen sofort, unter Abwesenden aber mit der
nächsten Post Nachricht geben, daß er den Antrag zurücknehme.
§. 105. Hat er dieses unterlassen, und es findet sich in der
Folge, daß der Andre seine Annahme wirklich zu rechter Zeit erklärt habe, so
muß er demselben für den Schaden, welcher aus den zur Erfüllung des Vertrags
gemachten Anstalten in der Zwischenzeit erwachsen ist, gerecht werden.
§. 106. Wenn nach geschehenem Antrage, und vor dem Ablaufe
der vorstehend bestimmten Fristen, der eine oder andre Theil verstirbt, so wird
durch diesen Tod in den Rechten und Pflichten wegen der Annahme nichts
geändert.
§. 107. Zielte jedoch der Antrag ausdrücklich nur zur
persönlichen Begünstigung desjenigen ab, welchem derselbe gemacht wurde, so
sind seine Erben zu der von dem Erblasser noch nicht geschehenen Annahme nicht
berechtigt.
§. 108. In Fällen, wo wegen des Absterbens eines oder des
andern Theils, von einem schon wirklich geschlossenen Vertrage vor der
Erfüllung wieder abgegangen werden kann, geht durch den Tod auch das Recht zur
Annahme verloren. (§. 415. sqq.)
IV. Form der Verträge.
§. 109. Zur Gültigkeit eines Vertrags gehört, außer der
wechselseitigen Einwilligung, auch die Beobachtung der in den Gesetzen
vorgeschriebenen Form.
§. 110. Ist aber die Beobachtung einer Formalität im Gesetz
nur unter Androhung einer Strafe verordnet, so bleibt der Vertrag gültig, wenn
gleich die Formalität verabsäumt worden.
1) Nach welchen Gesetzen die Form zu beurtheilen sey.
§. 111. Die Form eines Vertrags ist nach den Gesetzen des
Orts, wo er geschlossen worden, zu beurtheilen.
§. 112. Ist unter Abwesenden ein förmlicher Vertrag
errichtet worden, so wird die Form desselben nach den Gesetzen desjenigen Orts
beurtheilt, von welchem das Instrument datirt ist.
§. 113. Ist aber der Vertrag unter Abwesenden bloß durch
Briefwechsel ohne Errichtung eines förmlichen Instruments geschlossen worden,
und waltet in den Wohnörtern der Contrahenten eine Verschiedenheit der
gesetzlichen Formen ob, so ist die Gültigkeit der Form nach den Gesetzen desjenigen
Orts zu beurtheilen, nach welchen das Geschäfte am besten bestehen kann.
§. 114. Eben dieses findet statt, wenn der Vertrag von
mehrern Orten, welche in Ansehung der Form verschiedene Rechte haben, datirt
ist.
§. 115. In allen Fällen, wo unbewegliche Sachen, deren
Eigenthum, Besitz, oder Nutzung, der Gegenstand eines Vertrags sind, müssen
wegen der Form die Gesetze des Orts, wo die Sache liegt, beobachtet werden.
2) Von
schriftlichen Verträgen.
§. 116. Verträge, welche vermöge des Gesetzes oder einer
Abrede der Parteyen, schriftlich geschlossen werden sollen, erhalten ihre
Gültigkeit erst durch die Unterschrift.
§. 117. In allen Fällen, wo die Parteyen den Vertrag
schriftlich zu schließen verabredet haben, wird vermuthet, daß nicht bloß der
Beweis, sondern selbst die verbindliche Kraft des Vertrages von der
schriftlichen Abfassung desselben abhängen solle.
§. 118. Auch eigenhändig geschriebne Aufsätze sind, vor
hinzugekommener Unterschrift, nicht für vollendete Verträge zu achten.
§. 119. Die Besiegelung eines unterschriebenen und
ausgehändigten Instruments aber ist nicht nothwendig, wenn gleich darin der
Siegel gedacht wird.
3) Von
Punctationen.
§. 120. Eine von beyden Theilen unterschriebene Punctation,
aus welcher die gegenseitige Einwilligung derselben in alle wesentliche
Bedingungen des Geschäfts erhellet, ist mit einem förmlichen Contract von
gleicher Gültigkeit.
§. 121. Es kann also auf Erfüllung derselben geklagt werden.
§. 122. Ist zur gerichtlichen Verlautbarung, Bestätigung,
oder Eintragung eine förmliche Ausfertigung des Vertrages nothwendig, so kann
diese nach dem Inhalt der Punctation von dem Richter verfügt werden.
§. 123. Weigert ein Theil seine Unterschrift beharrlich, so
kann der Richter dieselbe ergänzen.
§. 124. Ist der Gegenstand ein auswärtiges Grundstück, und
nach den Gesetzen des Orts ein von beyden Theilen unterschriebener förmlicher
Contract nothwendig; so kann der die Unterschrift beharrlich verweigernde Theil
durch Execution dazu angehalten werden.
§. 125. Fehlen aber in der Punctation wesentliche
Bestimmungen; oder haben die Parteyen die Verabredung gewisser Nebenbedingungen
sich darin ausdrücklich vorbehalten, so sind dergleichen Punctationen nur als
Tractaten anzusehen.
§. 126. Das von Gerichten oder von einem Justizcommissario
aufgenommene Protocoll über einen zu errichtenden Vertrag hat mit einer
Punctation gleiche Wirkung.
4) Von
mündlichen Nebenabreden.
§. 127. Ist ein Vertrag schriftlich geschlossen worden, so
muß alles, was auf die Verabredung der Parteyen ankommt, bloß nach dem
schriftlichen Contracte beurtheilt werden.
§. 128. Auf vorgeschützte mündliche Nebenabreden wird, ohne
Unterschied des Gegenstandes, keine Rücksicht genommen.
§. 129. Vielmehr müssen Nebenbestimmungen, welche die Art,
den Ort, oder die Zeit der Erfüllung, oder andre dabey vorkommende Maaßgaben
betreffen, so weit sie im Contracte nicht festgesetzt worden, von dem Richter
lediglich nach den Vorschriften der Gesetze ergänzt werden.
§. 130. Was im Contract unleserlich geschrieben, oder
undeutlich ausgedrückt worden, und nicht aus dem Zusammenhange klar erhellet,
muß auf andre zuverläßige Art ausgemittelt werden.
5) Gesetzliche Notwendigkeit schriftlicher Verträge.
§. 131. Ein jeder Vertrag, dessen Gegenstand sich über
Fünfzig Thaler in Silber Courant beläuft, muß schriftlich errichtet werden.
§. 132. Ist der Vertrag auf Gold geschlossen, so werden Drey
Thaler Silber-Courant einem Dukaten, und Fünf und ein Viertel-Thaler einer
Goldmünze von Fünf Thalern gleich gerechnet.
In wiefern die schriftliche Abfassung bey andern
Willenserklärungen nothwendig sey.
§. 133. Auch andre bloß einseitige Willenserklärungen müssen
bey Gegenständen über Fünfzig Thaler, so bald ihre Folgen sich auf die Zukunft
hinaus erstrecken sollen, schriftlich abgefaßt werden.
§. 134. Zu Entsagungen und Verzichtleistungen, nicht aber
zum Beweise der erfolgten Zahlung, oder sonstigen Erfüllung einer
Verbindlichkeit, sind schriftliche Urkunden erforderlich.
Nähere Bestimmungen
a) bey Gerechtigkeiten.
§. 135. Verträge und Erklärungen über Grundgerechtigkeiten,
ingleichen über beständige persönliche Lasten und Pflichten, erfordern allemal
eine schriftliche Abfassung.
b) bey terminlichen Leistungen.
§. 136. Bey terminlichen Leistungen, wo entweder die Zahl
der Termine unbestimmt ist, oder sämmtliche Termine zusammen die Summe von
Fünfzig Thalern übersteigen, sind schriftliche Contrakte nothwendig.
§. 137. Doch bedarf es bey den Miethen des gemeinen Gesindes
keines schriftlichen Vertrags. (Th. II. Tit. V.)
c) bey gewagten Verträgen.
§. 138. BeyVerträgen wird nicht auf die des ungewissen
Gewinns, sondern nur auf das gesehen, was dagegen gesetzt oder versprochen
worden.
§. 139. Ist aber von beyden Seiten ein gewagtes Geschäft
vorhanden, so muß der Vertrag allemal schriftlich abgefaßt werden.
d) bey Conventionalstrafen.
§. 140. Conventionalstrafen werden nicht zu der Summe oder
dem Werthe der Sache gerechnet, worüber die Hauptverbindlichkeit eingegangen
worden.
§. 141. Uebersteigt aber die Conventionalstrafe selbst die
Summe von Fünfzig Thalern, so ist ein schriftlicher Vertrag nothwendig.
Schliessung schriftlicher Verträge durch Briefwechsel.
§. 142. Zwischen Abwesenden vertritt die geführte
Correspondenz die Stelle des schriftlichen Vertrags, in so fern die Bedingungen
und die wechselseitige Einwilligung der Contrahenten daraus zu entnehmen sind.
§. 143. Ist zu dem Geschäfte, worüber der Vertrag
geschlossen worden, die Ausfertigung eines förmlichen Instruments erforderlich,
so vertritt der Briefwechsel die Stelle einer Punctation. (§. 120. sqq.)
Fälle, in denen es keines schriftlichen Vertrages bedarf.
§. 144. Es bedarf keines schriftlichen Vertrags, wenn
jemanden Sachen in Verwahrung gegeben werden. (Tit. XIV. Abschn. I.)
§. 145. Ingleichen wenn Gastwirthen, Fuhrleuten, oder
Schiffern Habseligkeiten von Reisenden anvertraut werden.
§. 146. Wenn ein Vertrag über bewegliche Sachen von beyden
Theilen sogleich erfüllt wird, so kann zur Anfechtung des solchergestalt
abgemachten Geschäfts, der Mangel eines schriftlichen Vertrages nicht
vorgeschützt werden.
§. 147. Auch kann keiner von beyden Theilen wegen eines
solchen abgemachten Geschäfts, auf den Grund vorgeblicher mündlicher
Nebenabreden, den andern in Anspruch nehmen.
§. 148. Wenn über bewegliche körperliche Sachen außerhalb
Landes an einem Orte, wo mündliche Verträge ohne Unterschied gültig sind,
dergleichen Verträge geschlossen worden, so kann der Mangel der schriftlichen
Abfassung auch in den hiesigen Gerichten nicht vorgeschützt werden.
§. 149. Kaufhandlungen über Meß- und Marktwaaren, die von
Kaufleuten mit andern Personen während der Messe oder des Markts geschlossen,
und sogleich erfüllt, oder in kaufmännisch geführte Bücher eingetragen worden,
erfordern keinen schriftlichen Contract.
§. 150. Außerdem müssen auch solche Kaufhandlungen
schriftlich abgefaßt, oder von beyden Theilen dem, nach Vorschrift der
Prozeßordnung, anzuordnenden Meß- oder Marktgerichte mündlich angezeigt werden.
§. 151. Was wegen der schriftlichen Verträge bey
kaufmännischen Geschäften, unter Kaufleuten, in und außer den Messen und
Märkten Rechtens sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. VIII. Sect.
VII.)
§. 152. Die von dem Schuldner geschehene Unterschrift einer
Rechnung über gelieferte Waaren, oder Arbeiten, vertritt in allen Fällen die
Stelle eines schriftlichen Vertrags.
§. 153. Wenn ein Dritter einem zwischen andern Contrahenten
geschlossenen Vertrage, welcher nach den Gesetzen schriftlich verfaßt werden
mußte, beytreten will, so muß dieser Beytritt ebenfalls schriftlich erklärt
werden.
Von Verlängerungen.
§. 154. Mündliche Verlängerungen eines nach den Gesetzen in
Schriften abgefaßten Vertrages gelten nur so weit, als die Gesetze die
Zuläßigkeit einer stillschweigenden Verlängerung, und deren Fristen,
ausdrücklich bestimmen. (Tit. XXI. Abschn. III.)
Rechtliche Folgen, wenn die schriftliche Abfassung
unterblieben ist.
§. 155. Ist in Fällen, wo die Gesetze einen schriftlichen
Vertrag erfordern, derselbe bloß mündlich geschlossen, und noch von keinem
Theil erfüllt worden, so findet daraus keine Klage statt.
§. 156. Hat aber ein Contrahent von dem andern die Erfüllung
bereits ganz oder zum Theil angenommen, so ist er verpflichtet, entweder den
Vertrag auch von seiner Seite zu erfüllen, oder das Erhaltene zurückzugeben
oder zu vergüten.
§. 157. Wählt er letzteres, so muß er die auf Rechnung des
Vertrages erhaltene Sache in dem Stande, wie er sie empfangen hat, zurückgeben.
§. 158. Wegen der Nutzungen, ingleichen wegen der in der
Zwischenzeit vorgefallenen Verbesserungen, ist er einem unrechtfertigen
Besitzer gleich zu achten. (Tit. VII. §. 223. sqq.)
§. 159. Kann er die empfangene Sache, in dem Stande, in
welchem sie sich zur Zeit der Uebergabe befunden hat, nicht zurückgeben, und
will dennoch den mündlichen Vertrag nicht erfüllen, so muß er den mündlich
verabredeten Werth ersetzen.
§. 160. Ist kein Werth verabredet worden, so muß derjenige,
welchen die Sache zur Zeit der Uebergabe gehabt hat, ausgemittelt und ersetzt
werden.
§. 161. Hat der, welcher den mündlichen Vertrag nicht
erfüllen will, dem andern Contrahenten auf Rechnung desselben etwas gegeben, so
kann er dasselbe zwar ebenfalls zurückfordern,
§. 162. Er muß aber die gegebene Sache in dem Stande wieder
annehmen, in welchem sie sich zu der Zeit, da seine Weigerung zur Wissenschaft
des Andern gelangt ist, befunden hat.
§. 163. Ueberhaupt hat derjenige Contrahent, welcher den
mündlichen Vertrag zu erfüllen bereit war, in Ansehung der an den andern,
welcher zurücktritt, zu leistenden Rückgabe durchgehends die Rechte eines
redlichen Besitzers. (Tit. VII. §. 188. sqq.)
§. 164. Ist einem oder dem andern Theile auf Abschlag des
mündlichen Vertrags etwas bezahlt worden, so muß der, welcher zurücktritt, vom
Tage der empfangenen Zahlung, der andre aber, welcher den Contrakt zu erfüllen
bereit war, vom Tage des ihm angekündigten gegenseitigen Rücktritts,
landübliche Zinsen entrichten.
§. 165. Hat der mündliche Vertrag Handlungen zum
Hauptgegenstande gehabt, und sind diese sämmtlich geleistet worden, so muß die
Vergütung nach der mündlichen Abrede erfolgen.
§. 166. Sind die Handlungen nur zum Theil geleistet worden,
und der Verpflichtete will durch Leistung der übrigen den Vertrag nicht
vollständig erfüllen, so kann der Berechtigte von der mündlich verabredeten
Vergütung so viel abziehen, als erforderlich ist, sich die noch rückständigen
Leistungen zu verschaffen.
§. 167. Will hingegen der Berechtigte die Leistung der noch
rückständigen Handlungen nicht annehmen, so muß der Werth der schon wirklich
geleisteten nach den Gesetzen ausgemittelt und vergütet werden.
§. 168. Uebrigens finden aus einem bloß mündlichen Vertrage,
wegen der von dem einen oder dem andern Theile verweigerten Erfüllung, keine
Forderungen von Entschädigungen oder Interesse statt.
Was Rechtens sey, wenn der schriftliche Vertrag nicht mehr
vorhanden ist.
§. 169. Ist ein schriftlich abgefaßter Vertrag verloren
gegangen, so sind zur Ausmittelung seines Inhalts alle in den Gesetzen
gebilligten Beweismittel zuläßig.
§. 170. Hat einer der Contrahenten den Verlust oder die
Vernichtung des Instruments vorsetzlich veranlaßt, so wird die Angabe des
andern von dem Inhalt so lange für richtig angenommen, bis das Gegentheil klar
erwiesen ist.
6. Von gerichtlichen Verträgen.
§. 171. Blinde und Taubstumme müssen ihre schriftlichen
Verträge gerichtlich aufnehmen lassen.
§. 172. Personen, die des Schreibens und Lesens unkundig
oder durch einen Zufall am Schreiben verhindert sind, müssen in Fällen, wo es
eines schriftlichen Contracts bedarf, solchen gerichtlich oder vor einem
Justizcommissario errichten.
§. 173. Bey gemeinen Landleuten dieser Art ist die
Aufnehmung vor den Dorfgerichten mit Zuziehung eines vereydeten
Gerichtsschreibers hinreichend.
§. 174. Außergerichtliche auch schriftliche Verträge solcher
Personen, bey welchen die §. 171. 172. 173. vorgeschriebne Form nicht
beobachtet worden, werden den bloß mündlich geschloßnen gleich geachtet.
§. 175. Kann ein solcher Contrahent dem Protocoll oder
Contract auch seine Namensunterschrift nicht eigenhändig beyfügen, so muß er
das Instrument an der zur Unterschrift bestimmten Stelle mit Kreutzen oder
einem andern gewöhnlichen Handzeichen bemerken.
§. 176. Unter diesen Zeichen muß der Richter oder
Justizcommissarius gehörig attestiren, daß und warum sie von dem Contrahenten
statt der Unterschrift gebraucht worden.
§. 177. Kann der Contrahent auch keine solche Zeichen
beyfügen, so muß ein von ihm gewählter Beystand die Unterschrift in seinem
Namen leisten; und daß dieses geschehen sey, von dem Richter oder
Justizcommissario attestirt werden.
§. 178. Die unterlassene Beobachtung dieser Vorschriften (§.
175. 176. 177.) benimmt zwar für sich allein dem Vertrage noch nichts an seiner
verbindlichen Kraft; der Richter oder Justizcommissarius aber wird wegen der
daraus entstehenden Weitläufigkeiten und Kosten verantwortlich.
§. 179. Wer der Sprache, worin das Instrument abgefaßt
werden soll, unkundig ist, wird einem, der nicht schreiben kann, gleich
geachtet. (§. 172).
§. 180. Ist der Richter oder Justizcommissarius der Sprache
eines solchen Contrahenten nicht kundig, so muß ein vereydeter Dollmetscher
zugezogen werden.
§. 181. Vereinigen sich die Parteyen über einen unvereideten
Dollmetscher, so muß dieses im Protocoll ausdrücklich bemerkt werden.
§. 182. Mit dem Hauptinstrument zugleich muß der Richter
oder Justizcommissarius dem der Sprache unkundigen Contrahenten eine
Uebersetzung desselben zur Unterschrift vorlegen. (§. 178.)
§. 183. Stimmt die Uebersetzung mit dem Original nicht
überein, so gilt erstere zum Vortheil des Unkundigen.
§. 184. Die Unterlassung dieser Vorschriften (§. 180. 182.)
macht zwar den Vertrag, wenn dessen Richtigkeit sonst nachgewiesen werden kann,
nicht ungültig, wohl aber den Richter wegen Weitläufigkeiten und Kosten verantwortlich.
V. Von Verstärkung der Vertrage. 1.) durch Anerkenntniß.
§. 185. Derjenige, welcher sich schriftlich oder zum
Protokoll zu einem mündlich geschlossenen Vertrage bekannt hat, kann, so weit
als die Verabredungen aus diesem Anerkenntnisse erhellen, den Mangel der
schriftlichen Abfassung nicht vorschützen.
§. 186. Durch das Anerkenntniß eines seiner Form nach
rechtsbeständigen Vertrages werden diejenigen Einwendungen gehoben, welche sich
auf den Mangel einer freyen oder ernstlichen Einwilligung beziehen.
§. 187. Doch muß das Anerkenntniß zu einer Zeit erfolgt
seyn, wo das bey der ersten Schliessung des Vertrags entgegengestandene
Hinderniß gehoben war.
§. 188. Alsdann erstreckt sich aber auch die Wirkung eines
ohne Einschränkung erfolgten Anerkenntnisses bis auf die Zeit des geschlossenen
Vertrags zurück.
§. 189. Solche Handlungen, woraus eine vollständige Kenntniß
des Vertrags und zugleich die wiederholte Genehmigung des ganzen Inhalts
deutlich erhellet, begründen ein stillschweigendes Anerkenntniß.
§. 190. Fehlt es an einer hinreichenden Kenntniß des
Vertrages, so ist kein verbindliches Anerkenntniß vorhanden.
§. 191. Liegt in der Handlung nicht die Genehmigung des
Vertrags nach seinem ganzen Inhalt, sordem nur eines Theils desselben, so kann
die Wirkung des Anerkenntnisses auf die dadurch nicht genehmigten Theile
keinesweges ausgedehnt werden.
§. 192. In wie fern ein wegen persönlicher Unfähigkeit eines
Contrahenten ungültiger Vertrag durch desselben nachheriges Anerkenntniß zur
Gültigkeit gelange, ist §. 37. 38. festgesetzt.
2.) durch Entsagung der Einwendungen.
§. 193. Eine im Contract nur in allgemeinen Ausdrücken
geschehene Entsagung der Einwendungen hat keine rechtliche Wirkung.
§. 194. Auch solchen Einwendungen, welche den Vertrag von
Anfang an ungültig machen, kann darin nicht entsagt werden.
§. 195. Ein Gleiches findet von Einwendungen statt, die sich
auf ein Verbotsgesetz gründen.
§. 196. Solchen Einwendungen, die einem Dritten zu statten
kommen, kann ein Contrahent zu dessen Nachtheil nicht entsagen.
§. 197. Andre Einwendungen, welchen im Contrakt ausdrücklich
entsagt worden, können in der Folge nicht mehr vorgeschützt werden.
§. 198. Doch muß der Sinn und Inhalt der Einwendungen in dem
Vertrage dergestalt ausgedrückt seyn, daß der Entsagende deutlich hat einsehen
können, worauf er eigentlich Verzicht leiste.
§. 199. Durch eydliche Bestärkung erhält kein Vertrag
mehrere Kraft, als ihm die Gesetze schon an sich beylegen. (Th. II. Tit. XX.
Abschn XV.)
3.) durch gerichtliche Bestätigung.
§. 200. Gerichtliche Bestätigung ist bey Verträgen, nach
gemeinen Rechten nicht nothwendig.
§. 201. Wo sie hinzukommt, begründet sie die Vermuthung, daß
der Vertrag gesetzmäßig abgeschlossen worden.
§. 202. Gerichtliche Bestätigung setzt allemal ein
gerichtliches Anerkenntniß der Contrahenten voraus.
§. 203. Die Erfüllung eines gerichtlich bestätigten Vertrags
kann durch Einwendungen gegen die Gültigkeit und den Inhalt desselben, welche
nicht sogleich klar gemacht worden, nicht aufgehalten werden.
§. 204. Die gerichtliche Bestätigung versteht sich jederzeit
ohne Nachtheil der Rechte eines Dritten.
4.) durch Draufgabe.
§. 205. Draufgabe (Arrha) ist das, was als Zeichen des
geschlossenen Vertrages entrichtet wird.
§. 206. Was auf Abrechnung der übernommenen Verbindlichkeit
vorausgegeben worden, wird Angeld genannt.
§. 207. Wo die Gesetze oder der Vertrag selbst nicht
ausdrücklich ein Andres bestimmen, ist die Draufgabe zugleich als Angeld
anzusehen.
§. 208. Ist aber die Draufgabe von andrer Art als dasjenige,
was der Gebende vermöge des Contrakts zu leisten hat, so hat dieselbe nicht die
Eigenschaft eines Angeldes.
§. 209. Was wegen der Brautgeschenke, und bey dem Miethgeld
des Gesindes Rechtens sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. I.
Abschn. II. Tit. V.)
§. 210. Der Empfänger der Draufgabe kann sich, durch
Zurückstellung derselben von der übernommenen Verbindlichkeit nicht befreyen.
§. 211. Auch der Geber kann sich durch Aufopferung der
Draufgabe von der Erfüllung des Vertrags nicht losmachen.
Was Rechtens sey
a) wenn die Draufgabe zugleich eine Wandelpön, oder
§. 212. Ist das Gegentheil, und daß gegen Verlust oder
Ersatz der Draufgabe der Rücktritt von dem Vertrage statt finden solle,
ausdrücklich verabredet, so vertritt die Draufgabe die Stelle einer Wandelpön.
(§. 312. sqq.)
§. 213. Tritt in einem solchen Falle der Geber zurück, so
behält der Empfänger die Draufgabe, kann aber keine weitere Entschädigung
fordern.
§. 214. Tritt der Empfänger zurück, so muß der Geber mit
Erstattung der Draufgabe statt der Entschädigung sich begnügen.
§. 215. Hat aber einer von beyden Theilen mit Erfüllung des
Vertrags bereits den Anfang gemacht, so kann, wenn auch die Draufgabe wirklich
als Wandelpön gegeben worden, dennoch weder der, welcher schon zum Theil
erfüllt, noch der, welcher diese Erfüllung angenommen hat, wider den Willen des
andern zurücktreten.
§. 216. In allen Fällen geht das Eigenthum der Draufgabe,
mit allen seinen Wirkungen, sogleich auf den Empfänger über.
b) wenn sie keine Wandelpön ist.
§. 217. Ist von einer eigentlichen Draufgabe, die nicht als
Wandelpön gegeben worden, die Rede, und der Vertrag geht durch die Schuld des
Empfängers zurück, so hat der Geber die Wahl: ob er, außer der übrigen ihm
zukommenden Entschädigung, die Draufgabe in Natur, so wie sie ist,
zurücknehmen, oder den Werth, welchen sie zur Zeit der Uebergabe hatte, fordern
wolle.
§. 218. Geht der Vertrag durch die Schuld des Gebers zurück,
so verliert derselbe die Draufgabe.
§. 219. Doch muß ihm deren Werth auf die dem Empfänger noch
etwa außerdem zu leistende Entschädigung zu gute gerechnet werden.
§. 220. Wird der Vertrag ohne besondres Verschulden eines
oder des andern Theils rückgängig, so muß die Draufgabe, so wie sie alsdann
ist, zurückgegeben und genommen werden.
§. 221. Ein Gleiches findet statt, wenn der Vertrag durch
wechselseitige Einwilligung beyder Theile wieder aufgehoben wird, oder wegen
Mangels der rechtlichen Erfordernisse nicht bestehen kann.
§. 222. Ist in diesen Fällen (§. 220. 221.) die Draufgabe
nicht mehr vorhanden, so muß der Werth derselben, wie er zur Zeit des Empfangs
gewesen ist, erstattet werden.
§. 223. Liegt der Mangel bloß in der Unterlassung der
schriftlichen Abfassung, so hat es bey den Vorschriften §. 156. sqq. sein
Bewenden.
§. 224. Hat jemand von einer Person, welcher die Gesetze die
Fähigkeit, einen solchen Vertrag zu schließen, versagen, eine Draufgabe
angenommen, so findet, zum Vortheil des Gebers, die Vorschrift des §. 217.
Anwendung.
§. 225. In allen Fällen, wo von Erstattung einer Draufgabe,
die in Gelde oder andern verbrauchbaren Sachen besteht, die Rede ist, muß statt
der Rückgabe in Natur, eben so viel von derselben Art zurückgegeben werden.
VI. Nebenbestimmungen bey Verträgen
1.) Bedingung, Zweck, Bewegungsgrund.
§. 226. Die Contrahenten können die Rechte, welche sie
einander einräumen, durch Beyfügung von Bedingungen, Zwecken, Bewegungsgründen,
oder sonst, sowohl in dem Haupt- als in Nebenverträgen, nach Gutfinden
bestimmen, erweitern, oder einschränken. (Tit. IV. §. 99. sqq.)
§. 227. Unerlaubte Bedingungen, welche nach den Gesetzen bey
Willenserklärungen überhaupt nicht statt finden, entkräften einen jeden
Vertrag, welchem sie beygefügt worden. (Tit. IV. §. 137.)
§. 228. Ist nicht der Hauptvertrag selbst, sondern nur eine
gewisse Nebenbestimmung oder Abrede an eine solche unerlaubte Bedingung
gebunden, so wird auch nur diese dadurch entkräftet.
§. 229. Daß ein Vertrag unter besondern Bedingungen
geschlossen worden, wird, auch bey mündlichen gültigen Verträgen, nicht
vermuthet.
2.) Zeit.
§. 230. Ist die Zeit der Erfüllung in dem Vertrage nicht
bestimmt, so tritt, bey entstehendem Zweifel, die richterliche Bestimmung ein.
§. 23l. Dabey muß der Richter auf die wahrscheinliche
Absicht der Parteyen bey dem Geschäfte; auf den Zweck, wozu der, dem etwas
geleistet werden soll, sich solches vorbedungen hat; und auf die übrigen bey
Schliessung des Vertrags vorgewalteten Umstände Rücksicht nehmen.
§. 232. Niemand kann die Erfüllung eines ohne nähere
Zeitbestimmung geschloßnen lästigen Vertrages eher fordern, als bis er selbst,
den Vertrag von seiner Seite zu erfüllen, bereit und im Stande ist.
§. 233. Bey einem bloßen wohlthätigen Vertrage hängt die
unbestimmt gebliebene Zeit der Erfüllung von dem Verpflichteten ab, so weit nur
durch den Verzug das dem andern eingeräumte Recht nicht wieder vereitelt wird.
§. 234. Bey einem Vertrage, zu dessen Erfüllung besondre
Kunst- oder Sachkenntniß gehört, muß die ermangelnde Zeitbestimmung von dem
Richter nach dem Gutachten der Sachverständigen ergänzt werden.
§. 235. Ist durch unbestimmte Ausdrücke eine nahe Zeit der
Erfüllung angedeutet worden, so kann letztere zu jeder Zeit gefordert werden.
§. 236. Ist die Erfüllung in unbestimmten Ausdrücken, nach
Möglichkeit, oder nach Gelegenheit versprochen worden, und die Verbindlichkeit
entsteht an sich nicht aus dem Vertrage allein, sondern es war schon vor dem
Vertrage ein rechtlicher Grund dazu vorhanden, so tritt, der zweifelhaften
Ausdrücke ungeachtet, dennoch die richterliche Bestimmung nach obigen Vorschriften
(§. 230-234.) ein.
§. 237. Ist aber die Verbindlichkeit an sich bloß durch den
Vertrag erst begründet worden, und in diesem die Erfüllung in dergleichen
unbestimmten Ausdrücken versprochen, so hängt die Zeit derselben von der
Bestimmung des Verpflichteten lediglich ab.
§. 238. In diesem letztern Falle, ingleichen, wenn die Zeit
der Erfüllung der Willkühr des Verpflichteten ausdrücklich überlassen ist,
findet die Anstellung einer Klage darauf erst nach dem Tode des Verpflichteten
statt.
§. 239. Inzwischen darf der Verpflichtete nichts vornehmen,
was dahin abzielt, die Erfüllung des Vertrages unmöglich zu machen.
§. 240. Kann der Vertrag, vermöge der Natur des
Gegenstandes, nach dem Tode des Verpflichteten nicht mehr erfüllt werden, so
verliert derselbe durch das vor der Erfüllung erfolgende Absterben des
Verpflichteten seine Kraft.
§. 241. Vor Ablauf des im Vertrage bestimmten Zeitraums
kann, wider den Willen eines oder des andern Theils, die Erfüllung weder
gefordert, noch geleistet werden.
§. 242. Werden Vertrag, ohne des Andern Genehmigung, vor der
bestimmten Zeit erfüllt, haftet, bis zum Ablauf des Termins, für alle die Sache
treffenden Zufälle.
§. 243. Eine zu früh geleistete Handlung wird für nicht
geleistet angesehen, und muß zur bestimmten Zeit wiederholt, oder wenn dieses
nicht geschehen kann, der Berechtigte schadlos gehalten werden.
§. 244. In so fern jedoch der Berechtigte aus der zu früh
geleisteten Handlung Vortheile gezogen hat, muß er sich dieselben auf die
Erfüllung oder auf die ihm zukommende Entschädigung anrechnen lassen.
§. 245. Ueberhaupt kann der Berechtigte, welcher die
Erfüllung ohne Vorbehalt angenommen hat, sich des Emwands, daß sie zu früh
geleistet worden, in der Folge nicht mehr bedienen.
§. 246. Der Verpflichtete, welcher die Erfüllung vor Ablauf
des bestimmten Termins freywillig geleistet hat, kann dieselbe unter dem
Vorwande, daß sie zu früh geleistet worden, nicht zurücknehmen.
3.) Ort.
§. 247. Die im Vertrage ermangelnde Bestimmung des Orts der
Erfüllung muß bey entstehendem Streite von dem Richter nach der Natur des
Geschäfts, und der deutlich erhellenden Absicht der Contrahenten, ergänzt
werden.
§. 248. Kann der Streit nach dieser Regel nicht entschieden,
und soll nach dem Vertrage etwas gegeben werden, so muß die Ablieferung an dem
Orte, wo der Berechtigte zur Zeit des geschlossenen Vertrags gewohnt hat,
erfolgen.
§. 249. Bey blos wohlthätigen Verträgen aber kann der
Berechtigte die Erfüllung nur da, wo der Verpflichtete sich aufhält, fordern.
§. 250. Ist bloß von einer zu leistenden Handlung die Rede,
so wird im Mangel anderer Bestimmungen der Ort, wo der Verpflichtete zur Zeit
des geschlossenen Vertrags gewohnt hat, für den Ort der Erfüllung angesehn.
§. 251. Wenn mehrere Oerter zur Erfüllung bestimmt sind, so
hat im zweifelhaften Falle der Verpflichtete die Wahl, an welchem derselben er
erfüllen wolle.
VII. Auslegungsregeln.
§. 252. Die bey Willenserklärungen überhaupt vorgeschriebenen
Auslegungsregeln gelten auch bey Verträgen. (Tit. IV. §. 65-74.)
§. 253. Im zweifelhaften Falle ist mehr auf das zu sehen,
was der Verpflichtete versprochen, als was der Berechtigte angenommen hat.
§. 254. Wenn nach gepflogenen Traktaten und verschiedenen
wechselseitig abgegebenen Erklärungen ein Vertrag unter Abwesenden würklich zu
Stande gekommen, gleichwohl aber es zweifelhaft ist, nach welcher der
verschiedenen Erklärungen der Vertrag eigentlich geschlossen sey, so muß auf
diejenige, durch die derselbe seine Vollendung zuerst erhalten hat, Rücksicht
genommen werden (§. 79.)
§. 255. Ist nicht auszumitteln, welches die frühere
Erklärung sey, so ist der Vertrag nach dem mindern Gebot desjenigen, bey dessen
Verbindlichkeit der Zweifel obwaltet, für abgeschlossen zu achten.
§. 256. Ist ein Contrakt nach Maaß und Gewicht geschlossen,
so wird vermuthet, daß dasjenige gemeynt sey, welches an dem Orte, wo die
Uebergabe geschehen soll, eingeführt ist.
§. 257. Ist bey einer Geldsumme die Münzsorte nicht
ausgedrückt, so wird im zweifelhaften Falle die an dem Orte, wo die Zahlung
geschehen soll, gangbare Münzsorte verstanden.
§. 258. Ueberhaupt aber ist anzunehmen, daß dergleichen
Vertrag auf Silbercourant geschlossen worden.
§. 259. Nur in Fällen, wo es keines schriftlichen Contrakts
bedarf, ist der Beweis, daß eine andere Münzsorte verabredet worden, zuläßig.
§. 260. Wenn die Absicht, freygebig zu seyn, nicht klar ist,
so wird vorausgesetzt, daß keiner mehr habe geben, oder leisten wollen, als ihm
von dem andern Theile vergütet worden.
§. 261. Wenn ein Contrahent alle Gefahr und Schäden
übernommen hat, so sind auch die ungewöhnlichsten Zufälle darunter zu
verstehen.
§. 262. Wenn ein jüngerer Vertrag sich auf einen älteren
bezieht, so ist anzunehmen, daß letzterer nur in den durch den Jüngern Vertrag
klar bestimmten Stücken hat abgeändert werden sollen.
§. 263. Undeutliche Stellen eines ausgefertigten Contracts
müssen nach dem deutlichen Inhalte der vorhergegangenen Punctation erklärt
werden.
§. 264. Ist aber eine in der Punctation enthaltene
Verabredung, in dem hiernächst ausgefertigten förmlichen Contracte deutlich
geändert, so gilt nur das, was in dem Contracte enthalten ist.
§. 265. Sind Verabredungen, die in der Punctation enthalten
waren, in dem förmlichen Contracte ganz übergangen worden, so werden sie für
aufgehoben geachtet.
§. 266. Kann ein Vertrag nach vorstehenden Regeln nicht
erklärt werden, so ist derselbe gegen den auszulegen, der in seiner
Willensäußerung zweydeutiger eines verschiedenen Sinnes fähiger Ausdrücke sich
bedient hat.
§. 267. Besonders ist die Auslegung gegen den zu machen,
welcher ungewöhnliche Vortheile begehrt, die in Verträgen dieser Art nicht
eingeräumt zu werden pflegen.
§. 268. Wenn alle übrige Auslegungsregeln nicht zutreffen,
so muß die zweifelhafte Stelle so erklärt werden, wie es dem Verpflichteten am
wenigsten lästig ist.
§. 269. Bloß wohlthätige Verträge sind, im zweifelhaften
Falle, allemal zur Erleichterung des Verpflichteten auszudeuten.
VIII. Erfüllung der Verträge.
§. 270. In der Regel müssen die Verträge nach ihrem ganzen
Inhalt erfüllt werden.
§. 271. Wer die Erfüllung eines Vertrags fordert, muß
nachweisen, daß er demselben von seiner Seite eine Genüge geleistet habe, oder
warum er dazu erst in der Folge verbunden sey.
§. 272. In wie fern der, welcher auf Erfüllung anträgt,
inzwischen für das, was er leisten soll, Sicherheit bestellen, oder das, was er
zu geben hat, gerichtlich niederlegen müsse, ist nach dem Inhalte des Vertrags,
und nach den übrigen Umständen der Sache und Person zu beurtheilen.
§. 273. Ist eine durchaus bestimmte Sache (Individuum)
versprochen worden, so kann, statt derselben, dem, welcher sie zu fordern hat,
keine andere aufgedrungen werden.
§. 274. Ist nur eine aus mehrern bestimmten Sachen
versprochen worden, so hat in der Regel der Verpflichtete die Wahl, welche er
geben wolle.
§. 275. Ist eine bloß nach ihrer allgemeinen Gattung
bezeichnete Sache (Genus) versprochen worden, so muß eine Sache von mittlerer
Art und Güte gegeben werden.
§. 276. Wer eine Handlung zu leisten schuldig ist, kann dazu
durch gerichtliche Zwangsmittel, nach Vorschrift der Prozeßordnung angehalten
werden.
Versehen.
§. 277. Wer bey Erfüllung eines Vertrages ein grobes Versehen
sich zu Schulden kommen läßt, ist in allen Fällen zum Schadensersatz verbunden.
§. 278. Haben beyde Theile unmittelbar aus dem Vertrage
selbst Vortheile zu erwarten, so sind beyde auch aus einem mäßigen Versehen
welchselseitig verpflichtet.
§. 279. Hat nur Ein Theil aus dem Vertrage selbst Vortheil
zu erwarten, so ist er auch für ein geringes Versehen zu haften schuldig.
§. 280. Wer aus dem Vertrage gar keinen unmittelbaren Nutzen
zu hoffen hat, bleibt nur für sein grobes Versehen verantwortlich.
§. 281. Wer eine Handlung übernommen hat, welche besondre
Sach- oder Kunstkenntnisse voraussetzt, muß bey Erfüllung der übernommenen
Verbindlichkeit auch das geringste Versehen vertreten.
§. 282. In wie fern diese Regeln bey einzelnen Verträgen
Ausnahmen leiden, ist gehörigen Orts festgesetzt.
§. 283. Auch steht den Contrahenten frey, die Grade des
Versehens, zu welchem sie sich gegenseitig verpflichten wollen, in dem Vertrage
anders zu bestimmen.
§. 284. Was wegen des bey Erfüllung des Vertrages zu
vertretenden Grades der Schuld Rechtens ist, gilt auch auf den Fall, wenn einer
der Contrahenten bey Abschließung des Vertrags die ihm obliegenden Pflichten
vernachläßigt hat.
Interesse.
§. 285. Wer bey Abschließung oder Erfüllung des Vertrags
seine Pflichten vorsetzlich, oder aus grobem Versehen, verletzt hat, muß dem
Andern sein ganzes Interesse vergüten.
§. 286. Aller Nachtheil, welcher für jemand daraus
entstanden ist, daß der Andere seinen Pflichten gegen ihn nicht nachgekommen,
wird unter dem Interesse begriffen.
§. 287. Es wird also bey Bestimmung des Interesse nicht bloß
auf den wirklichen Schaden, sondern auch auf den durch Nichterfüllung des
Contracts entgangenen Vortheil Rücksicht genommen. (Tit. VI. §. 5. 6.)
§. 288. Im Fall eines mäßigen oder geringen Versehens darf
in der Regel nur der wirkliche Schaden ersetzt werden.
§. 289. Doch müssen Kunst- und Sachverständige auch alsdann
das volle Interesse vergüten.
§. 290. Wer gewarnt worden, daß von seiner übernommenen
Handlung besondere und ungewöhnliche Vortheile für den Andern abhängen, wird in
Ansehung der zu leistenden Vertretung, einem Kunst- und Sachverständigen gleich
geachtet.
§. 291. Wenn jemand eine Handlung, zu deren Unterlassung er
ausdrücklich verpflichtet worden, dennoch begeht, so muß er dem Andern für das
ganze Interesse haften.
Conventionalstrafen.
§. 292. Das Interesse, welches ein Contrahent dem andern bey
nicht gehörig geleisteter Erfüllung des Vertrags zu vergüten hat, kann durch
Verabredung einer Strafe im voraus bestimmt werden.
§. 293. Wo dergleichen Strafe festgesetzt worden, da findet
die Forderung eines höheren Interesse nicht statt.
§. 294. Ist aber die Strafe nur auf eine gewisse Art des
Schadens, welcher aus der Nichterfüllung des Vertrags entsteht, gerichtet, so
bleibt es in Ansehung anderer Arten und Fälle bey den Vorschriften der Gesetze.
§. 295. War die Strafe nur auf die Zögerung in der Erfüllung
gesetzt, so ist der andere Theil bey seinem Anspruch auf dasjenige Interesse,
welches aus der gänzlichen Nichterfüllung entsteht, an diese Bestimmung nicht
gebunden.
§. 296. War hingegen die Strafe auf die gänzliche
Nichterfüllung gesetzt, so darf in Fällen, wo nur ein Theil des Vertrags
unerfüllt geblieben, oder nur in der Art, der Zeit, oder dem Orte der Erfüllung
gefehlt ist, nicht die Strafe, sondern nur das erweisliche Interesse geleistet
werden.
§. 297. Zu körperlichen, die Freyheit, oder die Ehre
verletzenden Strafen kann niemand durch Verträge sich verpflichten.
§. 298. Ist eine Handlung zur Strafe gesetzt, welche selbst
kein Gegenstand eines Vertrags seyn kann, so ist die Verabredung, in so fern
sie die Strafe betrift, nichtig.
§. 299. Wie viel bey Anlehnen Conventionalstrafe vor
bedungen werden dürfe, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. XI. §. 825.)
§. 300. Bey andern Verträgen hängt zwar die Bestimmung der
Strafe von der Verabredung der Parteyen ab.
§. 301. Wird jedoch dadurch der doppelte Betrag des wirklich
auszumittelnden Interesse überstiegen, so muß der Richter die Strafe bis auf
diesen doppelten Betrag ermäßigen.
§. 302. Ist das Interesse gar keiner Schätzung fähig, so hat
es bey dem verabredeten Betrage der Strafe lediglich sein Bewenden.
§. 303. Ein Gleiches findet statt, wenn die Strafe zur
Verhütung eines Verbrechens, woraus dem andern Theile ein besonderer Nachtheil
entstehen könnte, verabredet worden.
§. 304. Auf den Fall der nicht gehörig entrichteten Strafe
darf weder eine fernere Conventionalstrafe festgesetzt, noch Verzinsung
vorbedungen werden.
§. 305. Wenn nicht ein Andres verabredet worden, ist die
Strafe verfallen, so bald der Verpflichtete sich einer Zögerung schuldig macht.
§. 306. Ist die Strafe einmal verwirkt, so kann sie durch
spätere Erfüllung des Vertrags nicht mehr abgewendet werden.
§. 307. Hat jedoch der Andre die nachherige Erfüllung ganz
oder zum Theil ohne Vorbehalt angenommen, so kann er auf die Conventionalstrafe
nicht ferner antragen.
§. 308. Soll die verabredete Conventionalstrafe einem
Dritten zufallen, so hat dieser nicht eher ein Recht, sie zu fordern, als bis
der Contrahent, zu dessen Sicherheit sie bedungen worden, auf deren Entrichtung
anträgt.
§. 309. Der Dritte selbst kann also auf Erlegung der
Conventionalstrafe, auch wenn er sie acceptirt hätte, niemals klagen.
§. 310. In allen Fällen, wo auf Erfüllung des Vertrags nicht
geklagt werden kann, findet auch die Forderung einer Conventionalstrafe nicht
statt.
§. 311. Dagegen befreyt die Erlegung der Strafe keineswegs
von der Erfüllung des Vertrags.
§. 312. Ist aber ausdrücklich verabredet, daß der
Verpflichtete durch Erlegung der Strafe von seiner Verbindlichkeit frey werden
solle, so ist die Strafe für eine Wandelpön zu achten.
§. 313. Auch eine solche Strafe, wodurch das Interesse des
andern Theils, auf den Fall, wenn der Vertrag ganz rückgängig werden sollte, bestimmt
wird, ist, wenn nicht ein andres aus der Verabredung selbst hervorgeht, für
eine Wandelpön anzusehn.
§. 314. Ist eine Wandelpön verabredet, so hat der
Verpflichtete die Wahl: ob er den Vertrag erfüllen oder die Strafe entrichten
wolle.
§. 315. Wer mit der Erfüllung schon den Anfang gemacht hat,
kann wider den Willen des Andern auch gegen Erlegung der Strafe nicht mehr
zurücktreten.
§. 316. Wer sich einmal schriftlich erklärt hat, statt der
Erfüllung des Vertrags, die Wandelpön zu erlegen, kann sich wider den Willen
des Andern zur Erfüllung nicht mehr erbieten.
Gewährsleistung.
§. 317. Auch die Leistung der Gewähr gehört zur Erfüllung
eines Vertrags.
§. 318. Bey allen lästigen Verträgen, wo nicht besondere
Gesetze oder ausdrückliche Verabredungen ein Anderes mit sich bringen, muß ein
Theil dem andern dafür haften, daß sich derselbe der gegebnen Sache, nach der
Natur und dem Inhalt des Vertrags, bedienen könne.
a) wegen
fehlender Eigenschaften überhaupt.
§. 319. Er muß die bey der Sache gewöhnlich vorausgesetzten,
und die im Contract ausdrücklich vorbedungenen Eigenschaften vertreten.
§. 320. Liegt an dem Geber die Schuld, daß sich der
Empfänger der gegebnen Sache, nach der Natur und dem Inhalte des Vertrags,
nicht bedienen kann, so muß er den Empfänger schadlos halten. (§. 285-291)
§. 321. Ist die Unmöglichkeit, sich der Sache solchergestalt
zu bedienen, durch eignes auch nur geringes Versehen des Empfängers entstanden,
so kann derselbe von dem Geber keine Vertretung fordern.
§. 322. Ein Gleiches findet in der Regel auch alsdann statt,
wenn die Unmöglichkeit nach erfolgter Uebergabe durch einen bloßen Zufall, oder
durch unabwendbare Gewalt und Uebermacht entstanden ist. (Tit. XXI.)
b) wegen der
Ansprüche eines Dritten.
§. 323. Auch wegen der Ansprüche eines Dritten auf die
vermöge des Vertrags gegebne Sache muß der Geber nach §. 320. Vertretung
leisten, in so fern der Empfänger dadurch sich der Sache nach der Natur und dem
Inhalte des Vertrags zu bedienen gehindert wird.
§. 324. Nähere Bestimmungen darüber sind bey den
verschiedenen Arten der Verträge festgesetzt.
c) wegen
fehlender vorbedungner Eigenschaften.
§. 325. Fehlen der Sache ausdrücklich vorbedungne
Eigenschaften, so ist der Empfänger auf die Gewährung derselben anzutragen
berechtigt.
§. 326. Kann der Geber die fehlende Eigenschaft nicht
gewähren, so kann der Uebernehmer von dem Contracte wieder abgehn.
§. 327. Er muß aber alsdann die Sache in dem Stande, in
welchem er sie empfangen hat, zurückgeben.
§. 328. Kann oder will er dieses nicht, so hat es bey dem
Contract sein Bewenden, und der Empfänger kann von dem Geber nur so viel an
Vergütung fordern, als die Sache wegen der fehlenden Eigenschaft weniger werth
ist.
d) wegen
fehlender gewöhnlich vorausgesetzter Eigenschaften.
§. 329. Fehlen der Sache solche Eigenschaften, die dabey
gewöhnlich vorausgesetzt werden, so finden die Vorschriften des vierten Titels
§. 81. 82. Anwendung.
§. 330. Ist also der Fehler in die Augen fallend, und der
Empfänger hat die Sache, ohne denselben ausdrücklich zu rügen, übernommen, so
kann er weder vom Vertrage zurücktreten, noch Vergütung fordern.
§. 331. Ist aber der Fehler nicht in die Augen fallend, so
findet alles statt, was von dem Mangel einer solchen Eigenschaft, deren
Gewährung ausdrücklich versprochen worden, §. 325-328. vorgeschrieben ist.
§. 332. Wenn nicht erhellet, daß der Fehler der Sache schon
bey der Uebernehmung derselben vorhanden gewesen, so wird angenommen, daß er
erst nach dieser Zeit entstanden sey.
e) wegen der
Sache anklebender Lasten.
§. 333. Wegen solcher Lasten, die einer Sache derselben Art
gewöhnlich ankleben, findet in der Regel keine Vertretung statt.
§. 334. Ist jedoch die Freyheit von einer gewissen Last
ausdrücklich vorbedungen worden, und es findet sich, daß die Sache dennoch damit
behaftet sey, so gelten alle Vorschriften, welche für den Fall, wenn eine
ausdrücklich zu gewähren versprochne Eigenschaft ermangelt, §. 325-328.
ertheilt worden.
§. 335. Ist die Sache mit einer für Sachen derselben Art
ungewöhnlichen Last behaftet, so finden die wegen des Mangels einer gewöhnlich
vorausgesetzten Eigenschaft §. 329. 330. 331. gegebnen Vorschriften Anwendung.
§. 336. Nähere Bestimmungen deshalb sind bey den
verschiednen Arten der Verträge festgesetzt.
§. 337. In allen Fällen, wo der Uebernehmer einer Sache
dieselbe wegen fehlerhafter Beschaffenheit zurückgiebt, ist er wegen der
genoßnen Früchte, wegen Verbesserungen und Verschlimmerungen, auch sonst
überall, als ein redlicher Besitzer anzusehen. (Tit. VII. §. 188. sqq.)
§. 338. Doch darf auch ein solcher Uebernehmer sich mit dem
Schaden des Andern nicht bereichern.
f) bey einem Inbegrif von Sachen.
§. 339. Ist der Vertrag über einen Inbegriff von Sachen
geschlossen worden, so kann wegen der Fehler einzelner Stücke davon nicht
wieder abgegangen werden.
§. 340. Ist aber ein oder andres einzelnes Stück dergestalt
fehlerhaft, daß dadurch der vertragsmäßige Gebrauch eines solchen Stücks
gänzlich verhindert wird, so kann dafür Schadloshaltung gefordert werden.
§. 341. Sind die Fehler einzelner Stücke so beschaffen, daß
dadurch der vertragsmäßige Gebrauch des ganzen Inbegriffs vereitelt wird, so
kann der Uebernehmer von dem Vertrage wieder abgehn.
§. 342. Ist zwar über mehrere Stücke zusammen, aber nicht
ausdrücklich als über einen Inbegriff contrahirt worden, so finden in Ansehung
jedes einzelnen Stückes die obigen Vorschriften §. 317. sqq. Anwendung.
Zeit, binnen welcher die Gewährleistung gefordert werden
muß.
§. 343. Die Rechte, welche dem Uebernehmer einer Sache wegen
natürlicher die Sache selbst betreffender Fehler zukommen, muß derselbe, bey
Landgütern innerhalb Dreyer Jahre, bey städtischen Grundstücken innerhalb Eines
Jahres, bey beweglichen Sachen aber innerhalb Sechs Monathe, nach dem Empfang
der Sache, ausüben.
§. 344. Wegen solcher Mängel hingegen, welche nicht die
Sache selbst, sondern nur äußere Eigenschaften, Befugnisse oder Lasten
derselben betreffen, muß der Uebernehmer seine Rechte bey Landgütern innerhalb
Eines Jahres, bey städtischen Grundstücken innerhalb Sechs, und bey beweglichen
Sachen innerhalb Dreyer Monathe, nach der von dem Mangel erlangten Kenntniß,
geltend machen.
§. 345. Läßt der Uebernehmer diese Fristen verstreichen,
ohne die Klage wider den Geber gerichtlich anzumelden, so geht sein Recht
verloren.
Gewährsleistung bey gewagten Verträgen.
§. 346. In so weit als ein künftiges Ungewisses Ereigniß der
Gegenstand des Vertrags ist, findet dabey der Einwand der Verletzung wegen
fehlerhafter Beschaffenheit der künftigen Sache nicht statt.
§. 347. Ist aber eine gewisse Beschaffenheit ausdrücklich
vorbedungen worden, so muß dieselbe gewährt oder vertreten werden.
§. 348. Der Gewährsleistung können die Parteyen überhaupt
gültig entsagen.
IX. Aufhebung der Verträge.
§. 349. Jeder Betrug, wodurch jemand zur Errichtung eines
Contrakts verleitet worden, berechtigt den Betrognen, davon wieder abzugehen.
1) Wegen Betrugs.
§. 350. Er kann aber auch bey dem Vertrage stehen bleiben,
und nur den Ersatz des durch den Betrug ihm verursachten Schadens fordern.
§. 351. Will er letzteres, so muß ihm der Betrüger das ganze
Interesse vergüten. (§. 286. 287.)
§. 352. Will er aber von dem Vertrage abgehen, so muß ihm
der Betrüger alles, was ihm auf Rechnung des Vertrags gegeben oder geleistet
worden, ersetzen, und alle davon gezognen Nutzungen herausgeben.
§. 353. Auch wegen Verbesserungen, Verschlimmerungen, und
sonst, wird der Betrüger als ein unredlicher Besitzer angesehen. (Tit. VII. §.
222. sqq.)
§. 354. Der Betrogene hingegen darf das, was ihm auf
Rechnung des Vertrags gegeben worden, nur in dem Stande, in welchem es sich
alsdann befindet, zurückliefern.
§. 355. Bey dieser Rücklieferung hat er alle Rechte und
Pflichten eines redlichen Besitzers. (Tit. VII. §. 188. sqq.)
§. 356. Doch bleibt auch der Betrogne dem Betrüger für das,
was er auf Rechnung des Vertrags erhalten, oder genossen hat, in so weit
verhaftet, als es in seinen Nutzen wirklich verwendet worden. (Tit. XIII. Sect.
III.)
§. 357. Sind von beyden Seiten Betrügereien vorgefallen, so
besteht der Vertrag, und keiner von beyden kann gegen den Andern auf
Entschädigung klagen.
§. 358. Ist der Vertrag zwar nicht durch Betrug veranlaßt,
aber doch der eine Theil dabey von dem andern zu einem solchem Irrthum, welcher
die Willenserklärung gänzlich entkräftet, (Tit. IV. §. 75. sqq.) betrüglich
verleitet worden, so finden die obigen Vorschriften (§. 349-356.) ebenfalls
Anwendung.
§. 359. Ist hingegen der Irrthum, wozu der Betrogne
verleitet worden, nicht so beschaffen, daß dadurch die Willenserklärung wegen
des Hauptgeschäftes entkräftet werden kann, so ist dennoch der Betrüger zur
vollständigen Schadloshaltung verpflichtet. (§. 286. 287.)
2) wegen Unmöglichkeit der Erfüllung.
§. 360. Kann der Versprechende durch eigne Schuld dem Andern
das Versprochene nicht geben oder leisten, so muß er für das Interesse nach
Verhältniß seiner eintretenden Verschuldung haften. (§. 277. sqq.)
§. 361. Hat ihm aber der Andre die Erfüllung seines
Versprechens selbst unmöglich gemacht, so wird er von seiner Verbindlichkeit
frey, und kann seines Orts Entschädigung fordern.
§. 362. Fällt beyden Theilen bey der eingetretnen
Unmöglichkeit ein gleicher Grad der Verschuldung zur Last, so muß jeder dem
Andern den unmittelbar daraus entstehenden Schaden ersetzen.
§. 363. Wegen des mittelbaren Schadens aber findet
gegenseitig kein Anspruch statt.
§. 364. Entsteht die Unmöglichkeit, den geschloßnen Vertrag
zu erfüllen, durch einen Zufall, oder durch unabwendbare Gewalt und Uebermacht,
so wird der Vertrag für aufgehoben angesehn.
§. 365. Alsdann muß jeder Theil dasjenige, was ihm von dem
andern in Erwartung der gegenseitigen Erfüllung gegeben oder geleistet worden,
zurückgeben oder vergüten.
§. 366. Dabey ist der Zurückgebende als ein redlicher
Besitzer anzusehn.
§. 367. Doch kann kein Theil durch einen solchen Zufall mit
dem Schaden des Andern etwas gewinnen.
§. 368. Der also, welcher die Sache zurückgiebt, muß dem
Andern so viel vergüten, als er daraus in seinen Nutzen wirklich verwendet hat.
§. 369. Ist zwar nicht die Erfüllung des Vertrags, aber doch
die darin bestimmte Art der Erfüllung unmöglich, und diese Unmöglichkeit ist
durch die Schuld des Verpflichteten, oder durch einen in dessen Person sich
ereigneten Zufall entstanden; so ist der Berechtigte eine andere Erfüllungsart
zu wählen befugt.
§. 370. Kann die bestimmte Erfüllungsart durch die Schuld
des Berechtigten, oder wegen eines in dessen Person sich ereigneten Zufalls,
nicht statt finden, so steht die Wahl einer anderweitigen Erfüüungsart dem
Verpflichteten zu.
§. 371. In beyden Fällen muß der, an welchem es liegt, daß
die Erfüllung auf die bestimmte Art nicht erfolgen kann, den Andern wegen des
aus der Veränderung entstehenden Nachtheils schadlos halten.
§. 372. Doch kann kein Theil durch diese Veränderung sich mit
dem Schaden des Andern einen Vortheil verschaffen, welchen er, wenn der Vertrag
auf die bestimmte Art erfüllt worden wäre, nicht erhalten haben würde.
§. 373. Entsteht die Unmöglichkeit der im Vertrage
bestimmten Erfüllungsart durch einen bloßen Zufall, so finden die auf den Fall
einer Unmöglichkeit der Erfüllung überhaupt gegebene Vorschriften §. 364- 368.
Anwendung.
§. 374. Ist die Erfüllungsart durch eingetretene Umstände
nicht unmöglich gemacht, sondern bloß erschwert worden, so kann dieses den
Verpflichteten von seiner Schuldigkeit nicht befreyen.
§. 375. Ist aber durch eine zufällige Veränderung der
Umstände die bestimmte Erfüllungsart mit einer unvorhergesehenen Gefahr
verbunden worden, so muß der Berechtigte, wenn er dennoch auf dieser
Erfüllungsart besteht, die Gefahr übernehmen.
§. 376. Doch kann der Verpflichtete zur Erfüllung auf die
bestimmte Art gar nicht angehalten werden, wenn damit eine wahrscheinliche
Gefahr des Lebens, der Gesundheit, oder der Freyheit für ihn verbunden seyn
würde.
3) wegen
veränderter Umstände.
§. 377. Außer dem Fall einer wirklichen Unmöglichkeit, kann
wegen veränderter Umstände, die Erfüllung eines Vertrags in der Regel nicht
verweigert werden.
§. 378. Wird jedoch durch eine solche unvorhergesehene
Veränderung die Erreichung des ausdrücklich erklärten, oder aus der Natur des
Geschäfts sich ergebenden Endzwecks beyder Theile unmöglich gemacht, so kann
jeder derselben von dem noch nicht erfüllten Vertrage wieder abgehn.
§. 379. Ein Theil kann alsdann von dem andern nur in so fern
Entschädigung fordern, als die Veränderung der Umstände durch dessen freye
Handlung bewirkt worden.
§. 380. Wird durch die Veränderung der Umstände nur der
ausdrücklich erklärte oder sich von selbst verstehende Zweck des einen Theils
ganz vereitelt, so kann derselbe zwar von dem Vertrage zurücktreten;
§. 381. Er muß aber, wenn die Veränderung in seiner Person
sich ereignet hat, den Andern vollständig entschädigen.
§. 382. Ist die Veränderung in der Person des Andern
erfolgt, so kann in der Regel keiner von beyden Theilen Entschädigung fordern.
§. 383. Doch muß der Zurücktretende diese Entschädigung
leisten, wenn er selbst den Andern in diese veränderten Umstände gesetzt hat.
§. 384. Dagegen kann der Zurücktretende Schadloshaltung
verlangen, wenn der Andre die in seiner Person sich zugetragene Veränderung
durch seine eigene freye Handlung veranlaßt hat.
4) durch wechselseitige
Einwilligung.
§. 385. Durch wechselseitige Einwilligung kann ein zwar
schon geschlossener, aber noch nicht erfüllter Vertrag wieder aufgehoben
werden.
§. 386. Ist der Vertrag noch von keiner Seite erfüllt, und
erfolgt weiter nichts, als daß beyde Theile ihre Einwilligung, davon wieder
abzugehen, äußern, so ist eine mündliche Erklärung hinreichend.
§. 387. Doch muß die Cassation des über den Vertrag
aufgenommenen schriftlichen Instruments hinzukommen.
§. 388. Ist der Vertrag schon von einer Seite erfüllt, oder
werden der Einwilligung in dessen Aufhebung Bedingungen oder Nebenabreden
hinzugefügt, so muß in so weit, als zur Errichtung des Vertrags die
schriftliche Abfassung nothwendig ist, auch die Aufhebung desselben schriftlich
erklärt werden.
§. 389. In so fern als ein Vertrag gerichtlich geschlossen
werden muß, muß auch dessen Aufhebung gerichtlich erfolgen.
§. 390. War der Vertrag in seinen wesentlichen Theilen von
beyden Seiten schon erfüllt, so ist dessen durch wechselseitigen Consens
erfolgende Wiederaufhebung für einen neuen Vertrag zu achten.
§. 391. So lange einem zum Besten eines Dritten
geschlossenen Vertrage der Dritte selbst noch nicht beygetreten ist, wird zur
Wiederaufhebung des Vertrags die Einwilligung desselben nicht erfordert. (§.
75. sqq.)
§. 392. Hat aber jemand durch seinen für einen Dritten,
vermöge obhabender Pflichten, gültig geschlossenen Vertrag demselben schon ein
wirkliches Recht erworben, so kann er ihm dieses Recht durch seinen Consens in
die Wiederaufhebung des Vertrages nicht entziehn.
5) wegen Mangels der Erfüllung von der andern Seite.
§. 393. Die von der einen Seite geweigerte oder nicht
gehörig geleistete Erfüllung des Vertrags berechtigt den Andern in der Regel
noch nicht, von dem Vertrage selbst wieder abzugehn.
§. 394. Vielmehr steht ihm nur frey, den Gegentheil zu der
versprochenen Erfüllung, und zu der nach den Gesetzen ihm zukommenden
Enschädigung, durch den Richter anzuhalten.
§. 395. Sind die Parteyen über den eigentlichen Sinn und
Umfang der im Contrakt übernommenen Verbindlichkeiten uneins, so muß der Streit
durch den Richter entschieden, und sodann die Erfüllung, dieser Entscheidung
gemäß, geleistet und angenommen werden.
§. 396. Ist der Inhalt des Vertrags klar; der eine Theil
aber weigert die Erfüllung seiner darin übernommenen Verbindlichkeiten, aus dem
Grunde, weil der andre die seinigen nicht gehörig erfüllt habe, oder
solchergestalt nicht erfüllen könne; so muß dieser Weigerungsgrund gerichtlich
untersucht werden.
§. 397. Wird derselbe rechtskräftig verworfen, so hat
derjenige, welcher auf die Erfüllung antrug, die Wahl: ob er nunmehr ferner
darauf bestehn, und mit dem Ersatz des aus der ungegründeten Weigerung
entstandenen Schadens sich begnügen, oder von dem Vertrage ganz zurücktreten
wolle.
§. 398. Tritt er zurück, so muß derjenige, welcher die
Erfüllung seiner contractmäßigen Verbindlichkeit ohne rechtlichen Grund
verweigert hat, außer dem Ersatz des durch seine Weigerung entstandenen
Schadens, auch noch alle Lasten eines unredlichen Besitzers, bey der Rückgabe
der auf Rechnung des Contrakts bereits empfangenen Sache, übernehmen.
§. 399. Wird aber die Weigerung desjenigen, der zur
Erfüllung aufgefordert worden, durch ein rechtskräftiges Urtel für erheblich
geachtet, so hängt es von dem Weigernden ab, die Erfüllung nur so, wie sie von
dem Richter bestimmt worden, zu leisten, oder von dem Vertrage ganz abzugehen.
§. 400. Wählt er den Rücktritt von dem Vertrage, so hat er,
bey Zurückgabe der auf Rechnung desselben bereits erhaltenen Sache, alle Rechte
eines redlichen Besitzers.
§. 401. Uebrigens aber findet gegenseitig kein Anspruch auf
Entschädigung statt.
§. 402. Werden die Ursachen, aus welchen ein Contrahent
seine Verbindlichkeiten, nach dem buchstäblichen Inhalt des Vertrages, zu
erfüllen verweigert hat, zum Theil gegründet, zum Theil aber ungegründet
befunden, so kann in der Regel kein Theil zurücktreten.
§. 403. Doch kann der Richter, wenn er findet, daß bey den
über die Erfüllung des Vertrags entstandenen Weiterungen dem einen Theil ein
Uebergewicht der Schuld zur Last falle, dem andern die Befugniß zum Rücktritt
vorbehalten.
§. 404. Ist bey der Untersuchung über den Grund oder Ungrund
der Weigerung das Erkenntniß erster Instanz zum Nachtheil des Weigernden
ausgefallen, so kann der Andere, wenn er die Erörterung in den folgenden
Instanzen vermeiden will, von dem Vertrage sogleich zurücktreten.
§. 405. Er kann aber alsdann keine besondere Schadloshaltung
fordern, und der Weigernde haftet bey der Rückgabe der auf Rechnung des
Contrakts bereits erhaltenen Sache nur für die Obliegenheiten eines redlichen
Besitzers.
§. 406. Ist das Erkenntniß erster Instanz zum Vortheil des
Weigernden ausgefallen, so kann dieser, wenn er es auf die Erörterung der
folgenden Instanzen nicht ankommen lassen will, von dem Vertrage wieder abgehn.
§. 407. Er muß aber alsdann dem Andern nicht nur die auf
Rechnung des Vertrags bereits erhaltene Sache, sondern auch alle daraus
wirklich gezogenen Nutzungen zurückgeben; und hat bloß wegen der Verbesserungen
und Verschlimmerungen die Befugnisse eines redlichen Besitzers.
§. 408. Bey Verträgen, deren Hauptgegenstand Handlungen
sind, kann derjenige, welcher behauptet, daß der Andre die Erfüllung bisher
nicht contraktmäßig geleistet habe, oder solchergestalt nicht leisten könne,
zwar sofort, auf seine Gefahr, von dem Vertrage wieder abgehen;
§. 409. Er muß aber, wenn sich hiernächst bey der gerichtlichen
Untersuchung findet, daß sein Vorgeben ungegründet gewesen sey, den Gegentheil
vollständig entschädigen.
§. 410. Wird hingegen das Vorgeben gegründet befunden, so
muß der andere, außer der erfolgenden Aufhebung des Vertrags, dem Abgehenden
für allen aus seinem contraktwidrigen Verhalten, bis zum Zeitpunct des
erklärten Rücktritts, wirklich entstandenen Schaden gerecht werden.
§. 411. Wegen Vergütung der auf Rechnung des Vertrages etwa
schon geleisteten Handlungen finden, je nachdem der Leistende zur Aufhebung des
Contrakts Anlaß gegeben hat, oder nicht, die Vorschriften §. 166. 167.
Anwendung.
§. 412. Was bey verdungenen Werken und bey gedungenen
Arbeitern Rechtens sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. XI. Sect. VIII.)
§. 413. In wie fern obige Vorschriften (§. 396. sqq. auch im
kaufmännischen Verkehr statt finden, sol unten näher verordnet werden. (Th. II.
Tit. VIII.)
6) durch Erlaß, Vergleich u. s. w.
§. 414. Durch Erlaß, Vergleich und andere solche allgemeine
Mittel, Verbindlichkeiten zu ändern oder zu tilgen, werden auch diejenigen
aufgehoben, welche aus Verträgen entsprungen sind. (Tit. XVI.)
7) durch den Tod.
§. 415. Die Rechte und Pflichten aus Verträgen werden durch
den Tod des einen oder des andern Contrahenten in der Regel nicht geändert,
sondern gehen auf die Erben über.
§. 416. War jedoch der Gegenstand des Vertrags eine
Handlung, bey welcher es auf besondere Fähigkeiten und Verhältnisse des
Verpflichteten ankam, und dieser ist vor der Erfüllung gestorben, so ist der
Vertrag selbst für aufgehoben zu achten.
§. 417. Hat der Verpflichtete auf Rechnung der übernommenen
Handlung bereits etwas erhalten, so müssen seine Erben solches zurückgeben.
§. 418. Hat der Verpflichtete die Erfüllung durch seine
Schuld verzögert, so kann der Berechtigte, wegen des durch Aufhebung des
Vertrags ihm entstehenden Schadens, an seinen Nachlaß sich halten.
§. 419. Bestand die Verbindlichkeit des Verpflichteten aus
mehrern zusammengesetzten Handlungen, und hat er vor seinem Absterben einen
Theil der Erfüllung wirklich geleistet, so fällt zwar dem ungeachtet die
fernere Erfüllung des Vertrages durch seinen Tod hinweg;
§. 420. Die Erben können aber, für den oereits geleisteten
Theil der Erfüllung, eine billige Vergütung fordern.
§. 421. Diese Vergütung muß in der Regel nach Verhältniß
dessen, was für die ganze Leistung versprochen war, bestimmt werden.
§. 422. Findet sich hingegen, daß bey dieser Bestimmungsart
der Berechtigte einen wirklichen Schaden erleiden würde, so müssen die Erben
des Verpflichteten mit einer Vergütung, nach Verhältniß des dem Berechtigten
aus der Handlung des Erblassers entstandenen Vortheils, sich begnügen.
§. 423. Sind bey den Bedingungen eines lästigen Vertrages
dem Erblasser, in Rücksicht seiner persönlichen Eigenschaften, und eines darauf
gegründeten besonderen Vertrauens, gewisse in Geschäften dieser Art sonst nicht
gewöhnliche Vortheile zugestanden worden, und fällt durch seinen Tod der Grund
dieses persönlichen Vertrauens weg; so müssen die Erben entweder dieser
Vortheile sich begeben, oder dafür, daß sie dem Vertrage eben so, wie es von
dem Erblasser zu erwarten war, ein Gnüge leisten werden, annehmliche Sicherheit
bestellen.
X. Von Correalverträgen.
1) Bey mehrern Verpflichteten.
§. 424. Haben mehrere Personen zugleich sich einem Dritten
in ein und eben demselben Vertrage verpflichtet, so ist, wenn nicht das
Gegentheil ausdrücklich verabredet worden, anzunehmen, daß einer für alle, und
alle für einen, dem Berechtigten für die Erfüllung haften.
§. 425. Wollen die mehrern Verpflichteten aus dem
gemeinschaftlich geschlossenen Vertrage solchergestalt nicht verhaftet seyn, so
müssen sie sich darüber in dem Vertrage selbst deutlich erklären.
§. 426. Ist in dem Vertrage selbst bestimmt: was und wie viel
nur ein jeder der Verpflichteten zu der übernommenen Verbindlichkeit beytragen
solle, so hat es dabey lediglich sein Bewenden.
§. 427. Fehlt diese Bestimmung, und es ist gleichwohl aus
dem Vertrage klar, daß die mehrern Verpflichteten nicht gemeinschaftlich haften
sollen; so ist die Art und das Maaß des von jedem zu leistenden Beytrags, nach
dem Zweck seiner Theilnehmung an der übernommenen Verbindlichkeit, so wie
derselbe aus der Natur des Geschäfts, und seinem persönlichen Stand oder
Gewerbe sich ergiebt, zu beurtheilen.
§. 428. Kann auch hiernach der entstandene Streit nicht
entschieden werden, so ist anzunehmen, daß die sämmtlichen Verpflichteten dem
Berechtigten zu gleichen Theilen verhaftet sind.
§. 429. In allen Fällen, wo mehrere Verpflichtete dem Berechtigten
jeder nur für seinen Antheil haften (§. 425-428.), ist letzterer wegen des
Antheils des einen sich an dem andern zu halten nicht befugt. §. 430. Wenn aber
die mehrern Verpflichteten dem Berechtigten einer für alle, und alle für einen
haften, so kann der Berechtigte, wegen seiner ganzen Forderung, an welchen
unter ihnen er will, sich halten. §. 431. Der in Anspruch genommene kann zwar
seine Mitverpflichteten zur gemeinschaftlichen Vertheidigung, oder Leistung der
übernommenen Verbindlichkeit auffordern;
§. 432. Durch diese Aufforderung aber darf der Berechtigte
in Verfolgung seines Anspruchs nicht aufgehalten werden.
§. 433. Wenn auch der Berechtigte einen oder alle
Mitverpflichtete nur für ihren Antheil in Anspruch genommen hat, so kann er
doch davon wieder abgehn, und Einen unter ihnen auf das Ganze belangen.
§. 434. Auch kann er, wegen der von einem Verpflichteten
ganz oder zum Theil nicht zu erhaltenden Zahlung, jeden der andern, welchen er
will, so lange, bis er vollständig befriedigt worden, in Anspruch nehmen.
§. 435. Was in Ansehung der schuldigen Sache oder Handlung
von dem einen Verpflichteten gethan worden, gereicht allen übrigen zum
Vortheil.
§. 436. Ist dadurch der Anspruch des Berechtigten gegen alle
Mitverpflichtete vermindert, so kommt dieses demjenigen, der die Verminderung
bewirkt hat, auch gegen die andern Mitverpflichteten zu statten.
§. 437. Hat einer der Mitverpflichteten durch Vergleich,
Urtel (!), oder auf andere Art, Befreyung von der Schuld nur für seine Person
erhalten, so können die übrigen davon gegen den Berechtigten keinen Gebrauch
machen.
§. 438. Die Handlung Eines Verpflichteten kann die Rechte
der übrigen nicht schmälern.
§. 439. Ein Verpflichteter kann also auch durch seine
Einwilligung die an eine gewisse Zeit gebundenen Befugnisse des Berechtigten
zwar gegen sich, nicht aber gegen die andern Verpflichteten, zu deren
Nachtheil, über die bestimmte Zeit, in der Regel, verlängern. (Th. II. Tit.
VIII. Sect. VIII.)
§. 440. Sobald jedoch der Berechtigte gegen einen Verpflichteten
geklagt hat, wird sein Recht zur Klage auch gegen die andern erhalten.
§. 441. Wird die Zeit zur Erfüllung des Vertrages auf das
Ansuchen eines Verpflichteten verlängert, so kommt diese Frist allen zu
statten.
§. 442. Bloße Nachsicht aber gegen Einen Verpflichteten
berechtigt die andern nicht, eine gleiche Nachsicht zu fordern.
wegen des Regresses derselben unter einander.
§. 443. Wie weit ein Verpflichteter, der die Verbindlichkeit
gegen den Berechtigten erfüllt hat, sich an die übrigen halten könne, ist nach
dem Inhalte des unter ihnen bestehenden Vertrags zu beurtheilen.
§. 444. Ist kein solcher Vertrag vorhanden, so muß die unter
ihnen bestehende Verbindlichkeit nach ihren, in Ansehung des übernommenen
Geschäfts oder des daraus gezogenen Vortheils, obwaltenden besondern
Verhältnissen beurtheilt werden.
§. 445. Kann auch hiernach die Entscheidung nicht erfolgen,
so haften die Verpflichteten unter sich zu gleichen Theilen.
§. 446. Wenn einer oder mehrere der gemeinschaftlich
Verpflichteten Verträge zu schließen unfähig sind, so müssen die übrigen deren
Antheil unter einander übertragen.
§. 447. Ist einer, oder sind mehrere der Mitverpflichteten
demjenigen, welcher den Berechtigten für das Ganze befriedigt hat, ihre
Antheile zu entrichten unvermögend, so muß ein solcher ausfallender Antheil
gleichergestalt von sämmtlichen Mitverpflichteten, mit Inbegriff desjenigen,
welcher die Zahlung an den Berechtigten geleistet hat, übertragen werden.
§. 448. Außerdem aber kann ein Verpflichteter, wegen
desjenigen, was er von einem seiner Mitverpflichteten zu fordern hat, sich an
die übrigen, im Mangel einer besondern Verabredung, nicht halten.
§. 449. Geräth ein Mitverpflichteter in Umstände, welche
sein künftiges Unvermögen, den Vertrag zu erfüllen, wahrscheinlich machen, so
können die andern wider ihn auf Sicherstellung seines Antheils dringen.
2) Von mehrern Berechtigten.
§. 450. Hat sich jemand in einem Vertrage mehrern Personen
zu einer und eben derselben Sache oder Leistung verpflichtet, so können die
Mitberechtigten das gemeinschaftliche Recht in der Regel nur gemeinschaftlich
ausüben.
§. 451. Doch kann keiner der Mitberechtigten durch seine
Handlungen oder Entsagungen das Recht der übrigen schmälern.
§. 452. Hat, bey einer theilbaren Sache oder Summe, der Verpflichtete
einem der Berechtigten seinen Antheil entrichtet, so tritt er, in Beziehung auf
die übrigen Berechtigten, an dessen Stelle.
§. 453. Die Befugnisse der mehrern Berechtigten unter sich,
sind nach den Grundsätzen vom gemeinschaftlichen Eigenthum zu beurtheilen.
(Tit. XVII.)
Sechster Titel
Von den Pflichten und Rechten, die aus unerlaubten
Handlungen entstehn
Begriffe
§. 1. Schade heißt jede Verschlimmerung des Zustandes eines
Menschen, in Absicht seines Körpers, seiner Freyheit, oder Ehre, oder seines
Vermögens.
§. 2. Wird ein solcher Nachtheil durch eine Handlung oder
Unterlassung unmittelbar und zunächst bewirkt, so wird der Schade selbst
unmittelbar genannt.
§. 3. Entsteht der Nachtheil zwar aus der Handlung oder
Unterlassung, jedoch nur in Verbindung derselben mit einem andern von ihr
verschiedenen Ereignisse, oder mit einer nicht gewöhnlichen Beschaffenheit der
Person oder Sache, so ist ein mittelbarer Schade vorhanden.
§. 4. Ein Schade, dessen Entstehen aus der Handlung oder
Unterlassung gar nicht vorausgesehen werden konnte, wird im rechtlichen Sinne
zufällig genannt.
§. 5. Vortheile, die jemand erlangt haben würde, wenn eine
gewisse Handlung oder Unterlassung nicht vorgefallen wäre, werden zum
entgangnen Gewinn gerechnet.
§. 6. Doch wird bey Bestimmung des entzognen Gewinns nur auf
solche Vortheile, die entweder nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge und der
Geschäfte des bürgerlichen Lebens, oder vermöge gewisser schon getroffener
Anstalten und Vorkehrungen, vernünftiger Weise erwartet werden konnten,
Rücksicht genommen.
§. 7. Zu einer vollständigen Gnugthuung gehört der Ersatz
des gesammten Schadens und des entgangnen Gewinnes.
§. 8. Wer jemanden ohne Recht Schaden zufügt, der kränkt
oder beleidigt denselben.
§. 9. Unterlassung einer Zwangspflicht wird einer Kränkung
oder Beleidigung gleich geachtet.
Grundsätze vom Schadensersatz. Ueberhaupt.
§. 10. Wer einen Andern aus Vorsatz oder grobem Versehen
beleidigt, muß demselben vollständige Gnugthuung leisten. (§. 7.)
§. 11. Eben dazu ist auch der verhaftet, welcher eine dem
Andern schuldige Pflicht aus Vorsatz oder grobem Versehen unterläßt, und
dadurch demselben Schaden verursacht.
§. 12. Wer nur aus mäßigem Versehen den Andern durch eine
Handlung oder Unterlassung beleidigt, der haftet nur für den daraus entstandnen
wirklichen Schaden.
§. 13. Doch muß der Beschädiger auch einen solchen
entgangenen Gewinn ersetzen, den der Beschädigte durch den gewöhnlichen
Gebrauch desjenigen, woran er gekränkt worden, erlangt haben würde, wenn die
Kränkung nicht vorgefallen wäre.
§. 14. In einem solchen Falle muß der entgangne Gewinn
vergütet werden, auch wenn der wirkliche Schade keiner Schätzung fähig wäre.
§. 15. In Fällen, wo auch ein geringes Versehen vertreten
werden muß (Tit. III. §. 22. 23.), haftet der Beschädiger nur für den durch ein
solches Versehen entstandnen unmittelbaren Schaden.
§. 16. Der aus einer Handlung entstandne zufällige Schade
darf nur alsdann vergütet werden, wenn die Handlung selbst wider ein
Verbotsgesetz ist; oder wenn der Handelnde durch ein solches gesetzwidriges
Verhalten in die Umstände, wodurch er zu der Handlung veranlaßt worden, sich
selbst gesetzt hat.
§. 17. Was wegen der bey Verträgen zugefügten Schäden statt
finde, wird im vorhergehenden Titel bestimmt. (Tit. V. §. 277. sqq.)
In wiefern die Schuld des Beschädigten den Beschädiger vom
Ersatz befreye.
§. 18. Von der Vergütung eines aus Vorsatz oder grobem
Versehen zugefügten unmittelbaren Schadens wird der Beleidiger durch die mit
eintretende Verschuldung des Beschädigten nicht befreyt.
§. 19. Hingegen darf der mittelbare Schade und der entgangne
Gewinn nicht ersetzt werden, wenn der Beschädigte bey der Abwendung desselben
sich selbst ein grobes Versehen hat zu Schulden kommen lassen.
§. 20. Ein dergleichen eignes grobes Versehen des
Beschädigten macht denselben aller Schadloshaltung verlustig, wenn der Schade
nur aus einem mäßigen oder geringen Versehen des Beschädigers entstanden ist.
§. 21. Der Ersatz des aus mäßigem oder geringem Versehen
entstandnen mittelbaren Schadens und entzognen Gewinns fällt schon alsdann weg,
wenn der Beschädigte den Nachtheil durch Anwendung der gewöhnlichen
Aufmerksamkeit vermeiden konnte.
Von wechselseitigen Beschädigungen.
§. 22. Haben zwey oder mehrere einander wechselseitig
beschädigt, so haftet jeder dem Andern für den verursachten Schaden nach
Mdasgabe der ihm zur Last fallenden Verschuldung.
§. 23. Haben Theilnehmer an einer unerlaubten Handlung
einander dabey Schaden zugefügt, so muß jeder seinen eignen Schaden tragen.
Rechtliche Vermuthungen bey der Schadenszufügung.
§. 24. Daß jemand durch die Schuld eines Andern beschädigt
worden, wird nicht vermuthet.
§. 25. Wer aber in der Ausübung einer unerlaubten Handlung
sich befunden hat, der hat die Vermuthung wider sich, daß ein bey solcher
Gelegenheit entstandner Schade durch seine Schuld sey verursacht worden.
§. 26. Insonderheit muß der, welcher ein auf
Schadensverhütungen abzielendes Polizeygesetz vernachläßigt, für allen Schaden,
welcher durch die Beobachtung des Gesetzes hätte vermieden werden können, eben
so haften, als wenn derselbe aus seiner Handlung unmittelbar entstanden wäre.
Woher der Ersatz zu leisten.
§. 27. Der Ersatz des Schadens und entgangnen Gewinns muß
aus dem Vermögen desjenigen erfolgen, welcher den Schaden verursacht hat. (§.
42. 56.)
Verbindlichkeit der Erben.
§. 28. Die Verbindlichkeit zum Schadensersatz geht auch auf
die Erben des Beschädigers über.
Von mehrern Beschädigern.
§. 29. Haben mehrere zur Zufügung eines Schadens aus Vorsatz
oder grobem Versehen mitgewirkt, so haften sie einer für alle, und alle für
einen.
§. 30. Der Beschädigte hat alsdann gegen die Beleidiger eben
die Rechte, welche bey Verträgen dem Berechtigten gegen mehrere
gemeinschaftlich Verpflichtete zukommen. (Tit. V. §. 430. sqq.)
§. 31. Haben mehrere bey einer Schadenszufügung nur aus
mäßigem oder geringem Versehen mitgewirkt, so haftet jeder nur für sein eignes
Versehen.
§. 32. Doch haften sie einer für alle, und alle für einen,
wenn nicht ausgemittelt werden kann, welchen Theil des Schadens ein jeder durch
sein besondres Versehen angerichtet habe.
§. 33. In allen Fällen, wo einer von mehrern Mitschuldigen
den ganzen aus Versehen entstandnen Schaden, oder doch mehr, als ihm nach
Verhältniß seines Antheils an der Schadenszufügung oblag, ersetzt hat, kann er
an die übrigen, wegen des von einem jeden zu leistenden Beytrags, sich halten.
§. 34. War aber der Schade von mehrern vorsetzlich veranlaßt
worden, so findet unter ihnen kein Regreß statt.
§. 35. Dagegen muß jeder von ihnen seinen Antheil, welchen
er dem Beschädigten hätte vergüten müssen, wenn dieser sämmtliche Beschädiger
auf ihren Antheil belangt hätte, der Armencasse des Orts zur Strafe entrichten.
In wiefern Beschädigungen nicht ersetzt werden dürfen.
§. 36. Wer sich seines Rechts innerhalb der gehörigen
Schranken bedient, darf den Schaden, welcher einem Andern daraus entstanden
ist, nicht ersetzen.
1) Wenn der
Beschädiger sich nur seines Rechts bedient hat.
§. 37. Er muß aber denselben vergüten, wenn aus den
Umständen klar erhellet, daß er unter mehrern möglichen Arten der Ausübung
seines Rechts diejenige, welche dem Andern nachtheilig wird, in der Absicht,
denselben zu beschädigen, gewählt habe.
§. 38. Wer gefährliche Handlungen an einem dazu unter
öffentlicher Genehmigung bestimmten Orte, und_ zur erlaubten Zeit vornimmt,
haftet nur für die schädlichen Folgen, die aus Vorsatz oder grobem Versehen entstanden
sind.
2) wenn die
schädliche Handlung unwillkürlich war.
§. 39. Ein durch unwillkürliche Handlungen verursachter
Schade kann dem Handelnden nicht zugerechnet werden.
§. 40. Wer sich selbst in einen vorübergehenden Zustand, in
welchem er seiner Vernunft nicht mächtig ist, versetzt hat, muß auch den in
diesem Zustande unwillkürlich verursachten Schaden ersetzen.
3) wenn der Beschädiger wahnoder blödsinnig oder ein Kind
ist.
§. 41. Wenn Wahnund Blödsinnige, oder Kinder unter sieben
Jahren jemanden beschädigen, so kann nur der Ersatz des unmittelbaren Schadens
aus ihrem Vermögen gefordert werden.
§. 42. Doch haftet das Vermögen solcher Personen nur
alsdann, wenn der Beschädigte den Ersatz aus dem Vermögen der Aufseher oder der
Aeltern nicht erhalten kann. (§. 57.)
§. 43. Auch haftet dasselbe nur so weit, als dadurch dem
Beschädiger der nöthige Unterhalt, und wenn er ein Kind ist, die Mittel zu
einer standesmäßigen Erziehung nicht entzogen werden.
§. 44. Hat der Beschädigte dergleichen Personen durch sein
eignes auch nur geringes Versehen zu der schädlichen Handlung veranlaßt, so
kann er sich an das Vermögen derselben nicht halten.
4) wenn er auf Befehl eines Vorgesetzten handelt.
§. 45. Werden Befehl dessen, dem er zu gehorchen schuldig
ist, vollzieht, kann in der Regel zu keinem Schadensersatz angehalten werden.
§. 46. Er muß aber dafür haften, wenn die befohlne Handlung
in den Gesetzen ausdrücklich verboten ist. (§. 48.)
§. 47. Wer vermöge seines Standes oder Amtes die Befehle
seiner Vorgesetzten ohne Einschränkung zu befolgen verpflichtet ist, von dem
kann nicht gefordert werden, daß er einen in Dienstgeschäften ihm geschehenen
Auftrag seiner Obern prüfe.
§. 48. Dem, der aus Unwissenheit einen gesetztwidrigen
Befehl ausgerichtet hat, bleibt der Regreß gegen den Befehlenden vorbehalten.
§. 49. Wer die Gränzen des erhaltenen Befehls überschreitet,
macht sich allemal zum Ersatz des dadurch entstandnen Schadens verantwortlich.
5) wenn der Schade bey Gelegenheit eines Auftrags verursacht
worden.
§. 50. Wer einem Andern einen in den Gesetzen nicht
gemißbilligten Auftrag macht, haftet nicht für den von selbigem bey Ausrichtung
dieses Auftrags verursachten Schaden.
§. 51. War aber der Auftrag unerlaubt, so haften wegen des
Schadensersatzes der Machtgeber und der Bevollmächtigte, beyde für einen und
einer für beyde (§. 30.); selbst, wenn der Bevollmächtigte die Gränzen des
Auftrags überschritten hat.
§. 52. War der Auftrag nur in Ansehung des Machtgebers allein,
oder nur in Ansehung des Bevollmächtigten allein unerlaubt, so haftet jeder von
ihnen nur für seine eigne Schuld.
§. 53. Hat der Machtgeber bey der Auswahl eines untüchtigen
Bevollmächtigten sich ein grobes oder mäßiges Versehen zu Schulden kommen lassen,
so haftet er für den von selbigem auch bey der Ausrichtung eines erlaubten
Auftrags durch seine Untüchtigkeit verursachten Schaden so weit, als der
Beschädiger selbst zum Ersatz unvermögend ist.
Wie lange der Schadensersatz gefordert werden könne.
§. 54. Wer einen außerhalb dem Falle eines Contrakts
erlittenen Schaden innerhalb dreyer Jahre, nachdem das Daseyn und der Urheber
desselben zu seiner Wissenschaft gelangt sind, gerichtlich einzuklagen
vernachläßigt, der hat sein Recht verloren.
§. 55. Sind seit dem Zeitpunkte der Schadenszufügung dreyßig
Jahre verflossen, so kommt es auf den Zeitpunkt der erlangten Wissenschaft
nicht weiter an.
Von Schaden, der durch andere Menschen, besonders
§. 56. Wer eines andern unwillkührliche Handlung, wodurch
derselbe sich selbst, oder einem Dritten schädlich geworden ist, aus Vorsatz,
grobem oder mäßigem Versehen veranlaßt hat, haftet für den dadurch verursachten
Schaden.
§. 57. Gleiche Verbindlichkeit hat der, welcher die über
Wahn- und Blödsinnige oder über Kinder unter sieben Jahren ihm obliegende
Aufsicht gröblich oder auch nur aus einem mäßigen Versehen vernachläßigt. (§.
41-44.)
§. 58. Wer eine unerlaubte Handlung befiehlt, haftet
hauptsächlich für den daraus entstandnen Schaden.
§. 59. Wer wissentlich etwas geschehen läßt, was er zu
verhindern schuldig und vermögend gewesen, hat eben die Verantwortung, als ob
er solches befohlen hätte. (Tit. III. §. 26. sqq.)
durch Dienstboten.
§. 60. Für den von Dienstboten zugefügten Schaden ist die
Herrschaft in der Regel nicht verantwortlich.
§. 61. Wer aber wissentlich geschehen läßt, daß sein
Gefinde(=Gesinde) einem Andern einen Schaden zufüge, der wird als Theilnehmer
an der unerlaubten Handlung des Gesindes angesehn. (§. 59.)
§. 62. Wer Gesinde, das durch einen überwiegenden Hang zu
groben Lastern, durch einen hohen Grad von Blödsinn oder Schwermuth, oder durch
ansteckende Krankheiten, andern gefährlich werden kann, wissentlich in Dienste
nimmt, oder darin behält, der haftet für alle Gefahr.
§. 63. Für den durch Dienstboten angerichteten Feuerschaden
haftet die Herrschaft auch alsdann, wenn ihr die Unvorsichtigkeit des Gesindes
bey dem Gebrauche von Feuer und Licht bekannt gewesen ist, und sie dasselbe
dennoch beybehalten hat.
§. 64. Wenn jemand zu einem Geschäfte ein dazu untüchtiges
Gesinde wissentlich bestellt, so haftet er für den Schaden, welcher einem
Dritten, bey der Ausrichtung des Geschäfts, durch die Untüchtigkeit des
Gesindes zugefügt worden.
durch Handwerksgesellen und Lehrlinge.
§. 65. In Ansehung der Handwerksgesellen und Lehrjungen
haben die Meister die den Dienstherrschaften aufgelegten Pflichten.
durch Miethsleute, oder.
§. 66. Wer wissentlich Miethsleute duldet, die mit Feuer und
Licht, bey dem Auswerfen, oder Ausgießen, oder in Verschließung des Hauses,
unvorsichtig und nachläßig zu verfahren gewohnt sind, der haftet für allen
durch selbige auf dergleichen Art verursachten Schaden.
§. 67. In allen vorstehend bestimmten Fällen (§. 62-66.)
haften jedoch die Herrschaft, der Meister oder Hauswirth nur in so weit, als
der Schadensersatz aus dem Vermögen des Beschädigers nicht erfolgen kann.
§. 68. Sobald erhellet, daß ein Schade durch jemandes
Gesinde, Handwerksgesellen, oder Lehrjungen, oder durch die Bewohner seines
Hauses verursacht worden; und die Herrschaft, der Meister oder Hauswirth kann
die Person des Beschädigers nicht nachweisen, so ist derselbe dem Beschädigten
zur Schadloshaltung hauptsächlich verhaftet.
§. 69. Ob in den Fällen des §. 56-68. wo jemand für den von
andern verursachten Schaden haften muß, derselbe nur den unmittelbaren, oder
auch den mittelbaren Schaden, und den entgangnen Gewinn vertreten müsse, ist nach
dem Grade seiner Verschuldung und den Vorschriften §. 10. bis 21. zu
beurtheilen.
durch Thiere verursacht worden.
§. 70. Wer ohne obrigkeitliche Erlaubniß wilde oder andre
Thiere hält, die vermöge ihrer Natur den Menschen oder den in der Wirthschaft
nützlichen Thieren schädlich sind, und in den Häusern oder auf dem Lande
gewöhnlich nicht gehalten werden, der haftet für allen durch selbige
verursachten Schaden.
§. 71. Eine gleiche Vertretung trift denjenigen, welcher,
auch nach erhaltener Erlaubniß, die gehörigen Maaßregeln zur Abwendung des von
solchen Thieren zu befürchtenden Schadens verabsäumt.
§. 72. Wer Thiere hält, die zwar ihrer Natur nach nicht
schädlich sind, aber auch in der ländlichen oder städtischen Haushaltung nicht
gebraucht werden; der haftet für allen durch selbige, auch ohne seine besondre
Schuld, verursachten unmittelbaren Schaden.
§. 73. Bey andern von Natur unschädlichen Thieren haftet der
Eigenthümer nur für den Schaden, welcher aus der verabsäumten Aufsicht über sie
entspringt.
§. 74. Wer aber weiß, daß ein Thier, wider die Natur seiner
Art, schädlich sey, und dennoch die gehörigen Maaßregeln zur Verhütung
nachtheiliger Folgen verabsäumt; der ist dem Beschädigten zur vollen
Genugthuung verpflichtet.
§. 75. Wer ein von Natur unschädliches, oder ein mit
obrigkeitlicher Erlaubniß gehaltenes schädliches Thier reizt, oder sonst durch
eigne Unvorsichtigkeit zu Schadenszufügungen durch dasselbe Anlaß giebt, kann
für sich selbst keine Schadloshaltung fordern.
§. 76. Wird dadurch ein andrer beschädigt, so ist derjenige,
welcher das Thier gereizt oder die Unvorsichtigkeit begangen hat, zum Ersatz
dafür verpflichtet.
§. 77. Der schuldige Eigenthümer und der, welcher das Thier
gereizt hat, haften dafür als Mitschuldige. (§. 30. sqq.)
§. 78. Wenn die Thiere zweyer Eigenthümer ohne weitere
Anreizung einander beschädigen, so haftet nur der, welcher bey der Aufsicht
über das schädlich gewordene Thier seine Pflicht vernachläßigt hat.
Wie der Schadensersatz zu leisten.
§. 79. Wenn ein Schade geschehen ist, so muß alles, so viel
als möglich, wieder in den Zustand gesetzt werden, welcher vor der Anrichtung
des Schadens vorhanden war.
§. 80. Kann durch diese Wiedererstattung der Beleidigte
nicht hinreichend entschädigt werden, so muß der Beschädiger ihm das daran noch
Fehlende anderweitig vergüten.
§. 81. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die Erstattung
unmöglich ist.
Bey Beschädigungen an Sachen.
§. 82. Ist eine Sache ganz verloren gegangen, vernichtet,
oder unbrauchbar geworden, so muß der Beschädiger deren ganzen durch Gesetze
bestimmten Werth vergüten.
§. 83. Ist der Werth durch Gesetze nicht bestimmt, so muß
bey Sachen, die einen gewöhnlichen Gegenstand des Verkehrs auf Messen oder
Märkten ausmachen, oder worüber Preis-Couranten gehalten werden, derjenige Werth,
welchen Sachen derselben Art zur Zeit des Verlustes gehabt haben, ersetzt
werden.
§. 84. Bey andern Sachen werden die Beschaffenheit und die
Eigenschaften derselben zur Zeit des Verlustes durch Beweis ausgemittelt, und
sodann wird der Werth nach dem Gutachten der Sachverständigen bestimmt.
§. 85. Ist der Schade aus Vorsatz oder grobem Versehen
zugefügt worden, so muß der höchste Werth, welchen die Sache, nach obigen
Bestimmungen, (§. 82. 83. 84.) in dem Zeitraume zwischen der Schadenszufügung
und der dem Beschädiger zugestellten Klage gehabt hat, vergütet werden.
§. 86. Auch haftet in einem solchen Falle der Beschädiger
für den außerordentlichen Werth.
§. 87. Für den Werth der besondern Vorliebe haftet er nur
alsdann, wenn die Beschädigung vorsetzlich zugefügt worden ist.
§. 88. Ist der Schade durch ein mäßiges oder geringes
Versehen entstanden, so darf nur der, zur Zeit der Schadenszufügung vorhanden
gewesene, gemeine Werth ersetzt werden.
§. 89. Ist durch den Schaden der Werth der Sache nur
vermindert worden, so muß derjenige Werth, welchen die Sache vor der
Beschädigung gehabt hat, nach obigen Grundsätzen ausgemittelt, und mit dem
gegenwärtigen Werthe derselben verglichen werden.
§. 90. Die daraus sich ergebende Verminderung des Werths muß
der Beschädiger vergüten.
§. 91. Ist jedoch der Schade an einer beweglichen Sache
zugefügt worden, so hat der Beschädigte die Wahl: ob er mit dieser Vergütung
sich begnügen, oder von dem Beschädiger den ganzen nach §. 89. ausgemittelten
vormaligen Werth, gegen Ueberlassung der Sache, fordern wolle.
§. 92. In allen Fällen, wo der vormalige Werth der Sache
nach Vorschrift §. 83. 84. nicht mit hinlänglicher Zuverläßigkeit ausgemittelt
werden kann, muß derjenige Werth, welchen eine Sache von derselben Art, und von
mittlerer Güte, in dem nach obigen Grundsätzen zu bestimmenden Zeitpunkte
gehabt hat, durch Sachverständige festgesetzt werden.
§. 93. Ist der Schade nur aus mäßigem oder geringem Versehen
zugefügt worden, so muß der Beschädigte mit der Vergütung nach diesem mittleren
Werthe sich begnügen.
§. 94. Ist aber der Schade aus Vorsatz oder grobem Versehen
verursacht worden, so muß der Beschädigte auch zur eydlichen Bestärkung eines
höhern Werths, nach richterlichem Ermessen, zugelassen werden.
§. 95. Doch darf auch dieser höhere Werth den doppelten
Betrag des von den Sachverständigen angegebenen mittleren Werths niemals
übersteigen.
§. 96. Ist aber von dem Werthe der besondern Vorliebe die
Rede, so findet dergleichen Rücksicht auf das Verhältniß zwischen dem von den
Sachverständigen bestimmten, und dem von dem Beschädigten angegebenen Werthe
keine statt.
§. 97. Vielmehr muß alsdann das richterliche Ermessen den
von dem Beschädigten eydlich zu erhärtenden Werth nur nach der besondern
Beschaffenheit der Umstände und Verhältnisse, worauf der Beschädigte diese
Vorliebe gründet, festsetzen und ermäßigen.
An der Person.
1) Durch Tödtung.
§. 98. Wer widerrechtlich einen Menschen ums Leben bringt,
muß in allen Fällen der hinterlassenen Frau, und den Kindern des Entleibten die
Kosten der etwanigen(!) Cur, ingleichen die Begräbniß- und Trauerkosten
ersetzen.
a) Wenn
dieselbe aus Vorsatz oder grobem Versehen.
§. 99. Außerdem ist, wenn die Entleibung and(= aus) Vorsatz
oder grobem Versehen erfolgt, der Beschädiger verbunden, der Wittwe und den
Kindern des Entleibten standesmäßigen Unterhalt, auch deletztern (=denletztern)
dergleichen Erziehung und Ausstattung, als sie von dem Vater nach dessen Stand
und Vermögen erwarten konnten, zu gewähren.
§. 100. Dabey wird auf das von dem Entleibten hinterlaßne Vermögen,
ingleichen auf die Unterstützungen, welche der Wittwe und den Kindern von dem
Staat oder anders wo her angedeihen, keine Rücksicht genommen.
§. 101. Diese Verbindlichkeit des Beschädigers dauert so
lange, als die Familie des Entleibten eine solche Verpflegung und Unterstützung
von demselben, wenn er noch am Leben wäre, fordern könnte.
§. 102. Treten aber Umstände ein, unter welchen die Pflicht
des Entleibten, seine Familie aus eignen Mitteln zu ernähren, aufgehöret haben
würde, so wird auch der Beschädiger von seiner Verbindlichkeit frey.
b) wenn sie aus
mäßigem Versehen.
§. 103. Ist die Entleibung nur durch ein mäßiges Versehen
verursacht worden, so muß der Beschädiger für eine nach Verhältniß des Standes
nothdürftige Verpflegung der Wittwe und Kinder des Entleibten, und für eine
dergleichen Erziehung der letztern in so weit sorgen, als die Kosten dazu aus
den Einkünften des hinterlassenen Vermögens und den Beyträgen des Staats oder
eines Dritten nicht aufgebracht werden können.
§. 104. Auch muß er den noch unversorgten Kindern, bey
Ermangelung eines eignen dazu hinreichenden Vermögens, eine solche Ausstattung
gewähren, als dieselben von dem Entleibten nach den Gesetzen zu fordern
berechtigt wären.
§. 105. Die Verbindlichkeit zur Erziehung und Verpflegung
der Kinder dauert in der Regel so lange, bis entweder dieselben die
Volljährigkeit erreicht haben, oder der Fall des §. 102. noch vorher eintritt.
§. 106. Solche Kinder hingegen, welche wegen körperlicher
oder Geisteschwächen auch nach erlangter Volljährigkeit sich selbst ihren
Unterhalt zu erwerben nicht im Stande sind, muß der Beschädiger bis zu ihrem
Tode, oder ihrer Wiederherstellung verpflegen.
§. 107. In Ansehung der Wittwe des Entleibten dauert die
Verpflegungsverbindlichkeit des Beschädigers so lange, bis dieselbe wieder
heyrathet, oder in Umstände kommt, da sie einer solchen Unterstützung füglich
entbehren kann.
§. 108. Ueberhaupt hören die Pflichten auch eines solchen
Beschädigers unter eben den Umständen auf, unter welchen der Entleibte selbst,
wenn er noch lebte, davon frey werden würde.
§. 109. Was vorstehend zum Besten der Wittwe und Kinder des
Entleibten verordnet ist (§. 99-108.), gilt auch zum Besten anderer Personen,
welche nach den Vorschriften der Gesetze Unterhalt von dem Entleibten zu
fordern berechtigt seyn würden.
c) wenn sie nur aus geringem Versehen erfolgt ist.
§. 110. Ist die Entleibung nur aus geringem Versehen
erfolgt, so muß die Familie des Entleibten mit der §. 98. bestimmten
Entschädigung sich begnügen.
2) Durch andre körperliche Verletzungen.
§. 111. Bey andern körperlichen Verletzungen, wodurch der
Beschädigte nicht entleibt worden, ist derselbe, in allen Fällen, auf den
Ersatz der Cur- und Heilungskosten anzutragen berechtigt.
Wegen erlittner Schmerzen.
§. 112. Wegen erlittener Schmerzen können Personen vom
Bauer- oder gemeinen Bürgerstande, denen dergleichen Verletzung aus Vorsatz
oder groben (!)Versehen zugefügt worden, ein billiges Schmerzengeld fordern.
§. 113. Der Betrag dieses Schmerzengeldes ist nach dem Grade
der ausgestandenen Schmerzen, jedoch nicht unter der Hälfte, und nicht über den
doppelten Betrag der erforderlichen Kurkosten, richterlich zu bestimmen.
§. 114. Bey Personen höhern Standes wird auf die dem
Beleidigten durch die Mißhandlung verursachten Schmerzen nur bey Bestimmung der
gesetzmäßigen Strafe Rücksicht genommen.
Wegen verursachter Unfähigkeit zur Fortsetzung des Amts oder
Gewerbes.
§. 115. Ist durch die zugefügte Verletzung der Beschädigte,
sein Amt oder Gewerbe auf die bisherige Art zu betreiben, gänzlich außer Stand
gesetzt worden, so haftet der Beschädiger für diejenigen Vortheile, deren
fortgesetzter Genuß dem Beschädigten dadurch entzogen wird.
§. 116. Ist die Beschädigung aus Vorsatz oder grobem
Versehen zugefügt worden, so müssen dem Beschädigten auch künftige Vortheile
vergütet werden, deren Erlangung derselbe, nach dem natürlichen und
gewöhnlichen Laufe der Dinge, vernünftiger Weise erwarten konnte.
§. 117. Ist ein mäßiges Versehen begangen worden, so darf
der Beschädiger die Vergütung nur nach derjenigen Lage leisten, in welcher der
Beschädigte zur Zeit der Verletzung sich wirklich befunden hat.
§. 118. Ist nur ein geringes Versehen vorhanden, so findet
bloß die §. 111. bestimmte Schadloshaltung statt.
§. 119. Sobald der Beschädigte, der Verletzung ungeachtet,
durch Anwendung seiner körperlichen oder Geisteskräfte zu einem wirklichen
Erwerbe gelangt, so muß derselbe auf die nach §. 115.116.117. zu leistende
Entschädigung abgerechnet werden.
§. 120. Ist der Beschädigte durch die zugefügte Verletzung
nur auf eine Zeitlang zum Betrieb seines Gewerbes außer Stand gesetzt worden,
so kann er nur Versäumnißkosten fordern.
§. 121. Diese Kosten müssen nach den §. 115. sqq. bestimmten
Grundsätzen, jedoch nur im Verhältniß der Zeit, während welcher die erlittne
Verletzung dem Beschädigten an dem Betriebe seiner Geschäfte verhindert,
festgesetzt werden.
§. 122. Nach eben diesen Grundsätzen und mit billiger
Rücksicht auf den nachtheiligen Einfluß, welchen eine erlittene Verletzung auf
die Glücksumstände des Beschädigten hat, muß der Richter die Vergütung
bestimmten (= bestimmen), wenn der Beschädigte zum Betriebe seines Amtes oder
Gewerbes zwar nicht gänzlich unfähig, wohl aber ihm dieser Betrieb dadurch
schwerer oder kostbarer gemacht worden.
Wegen erlittner Verunstaltung.
§. 123. Wird eine unverheyrathete Frauensperson durch
körperliche Verletzung verunstaltet, und ihr dadurch die Gelegenheit sich zu
verheyrathen erschweret; so kann sie von dem Beschädiger Ausstattung fordern.
§. 124. Diese Ausstattung muß, wenn die Verunstaltung aus
Vorsatz oder grobem Versehen erfolgt ist, nach richterlichem Ermessen so
bestimmt werden, daß die Beschädigte Hofnung erhalte, eine ihrem Stande gemäße
Heyrath zu finden, und unterdessen aus den Einkünften derselben ihren Unterhalt
nehmen könne.
§. 125. Ist die Beschädigung nur aus mäßigem Versehen
zugefügt worden, so muß die Verunstaltete mit einer solchen Ausstattung, als
sie von ihrem Vater nach dessen Stande vermöge der Gesetze, zu fordern haben
würde, sich begnügen.
§. 126. Besitzt der Beschädiger kein Capitalsvermögen, aus
welchem die nach §. 124.125. zu bestimmende Ausstattung genommen werden kann,
so muß er der Verletzten die Zinsen davon zu Fünf vom Hundert jährlich
entrichten.
§. 127. Dieser Beytrag dauert fort, so lange die
Verunstaltete lebt, auch wenn sie sich wirklich verheyrathet.
§. 128. Ist außerdem jemanden sein Fortkommen in der Welt
durch eine aus Vorsatz oder grobem Versehen zugefügte Verunstaltung erschwert
worden, so muß ihm auch dafür eine billige nach den Umständen zu bestimmende
Entschädigung geleistet werden.
§. 129. Wer zur Entschädigung des Beleidigten oder seiner
Familie schuldig erkannt wird, kann sich dagegen mit dem Einwände, daß er dadurch
die Seinigen pflichtmäßig zu ernähren unvermögend werde, nicht schützen.
an der Ehre,
§. 130. Die bey verübten Ehrenkränkungen zu leistende
Privatgenugthuung ist im Criminalrechte bestimmt.
§. 131. Der Ersatz eines nach Geld in Anschlag zu bringenden
Schadens kann nur in so fern gefordert werden, als der Schade aus der
Ehrenkränkung unmittelbar entstanden ist.
an der Freyheit.
§. 132. Wer auf irgend eine Art einen Andern seiner
persönlichen Freyheit widerrechtlich beraubt; der haftet demselben für das ganze
Interesse.
§. 133. Der, auf dessen Gefahr oder falsche Vorspiegelung
ein widerrechtlicher Personalarrest verhängt worden, und der Richter, welcher
dabey den gesetzlichen Vorschriften zuwider gehandelt hat, sind dem Beleidigten
als Mitschuldige verhaftet.
§. 134. Wer in Privatarrest gehalten worden, kann zur
eydlichen Bestärkung des erlittenen Schadens und entgangenen Gewinns, nach
vorgängiger richterlichen Ermäßigung, gelassen werden.
§. 135. Alle Kosten, welche erforderlich sind, um den
Gefangenen wieder in Freyheit zu setzen, muß der Beleidiger tragen.
§. 136. Kann dem Beleidigten die beraubte persönliche
Freyheit nicht wieder verschaft werden, so haben die Frau und Kinder desselben
gegen den Beleidiger, wegen der ihnen zu gewährenden Verpflegungs- und
Erziehungskosten, eben die Rechte, die ihnen bey einer erfolgten Entleibung (§.
98. sqq.) beygeleg =beygelegt) sind.
bey Realarresten.
§. 137. Wer Sachen unrechtmäßiger Weise mit Arrest belegt,
haftet für den Schaden, den dieselben dadurch leiden, eben so, als wenn er
diesen Schaden durch seine unmittelbare Handlung veranlaßt hätte. (§. 82. sqq.)
§. 138. Kann außer diesem Schaden ein durch den Arrest
entzogener sicherer Gewinn nachgewiesen werden, so ist der Arrestleger auch
diesen zu vergüten schuldig. (§. 13. 14.)
Siebenter Titel
Von Gewahrsam und Besitz
Begriffe.
§. 1. Wer das physische Vermögen hat, über eine Sache mit
Ausschließung Andrer zu verfügen, der hat sie in seiner Gewahrsam, und wird
Inhaber derselben genannt.
§. 2. Auch der ist ein bloßer Inhaber, der eine Sache nur in
der Absicht, darüber für einen Andern oder in dessen Namen zu verfügen, in
seiner Gewahrsam hat.
§. 3. Wer aber eine Sache in der Absicht, darüber für sich
selbst zu verfügen, unmittelbar oder durch Andere, in seine Gewahrsam nimmt,
der wird Besitzer der Sache.
§. 4. Wer ein Recht ausübt, ist Inhaber des Rechts.
§. 5. Wer aber ein Recht für sich selbst ausübt, wird
Besitzer des Rechts genannt.
Vollständiger und unvollständiger Besitz.
§. 6. Wer eine Sache, oder ein Recht, zwar als fremdes
Eigenthum, aber doch in der Absicht, darüber für sich selbst zu verfügen, in
seine Gewahrsam übernommen hat, der heißt ein unvollständiger Besitzer.
§. 7. Vollständiger Besitzer heißt der, welcher eine Sache
oder ein Recht als sein eigen besitzt.
§. 8. Beruhet dieser Besitz auf einem Rechtsgrunde, durch
welchen das Eigenthum erlangt werden kann, so ist ein vollständiger titulirter
Besitz vorhanden.
§. 9. Der unvollständige Besitzer der Sache ist
vollständiger Besitzer des Rechts, dessen er darüber sich anmaaßt.
Redlicher, unredlicher und unrechtfertiger Besitzer.
§. 10. Die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des Besitzes
hängt von der Beschaffenheit und Gültigkeit des Titels ab, auf welchen das
Recht zu besitzen sich gründet.
§. 11. Wer es weiß, daß er aus keinem gültigen Titel
besitze, der heißt ein unredlicher Besitzer.
§. 12. Die Unwissenheit der Gesetze entschuldigt den nicht,
der seinen Besitztitel irriger Weise für gültig geachtet hat.
§. 13. Ein bloßer Irrthum in Thatsachen schadet der
Redlichkeit des Besitzers nicht, sobald nur der Irrende nicht durch eignes
grobes oder mäßiges Versehen in einen solchen Irrthum gerathen ist.
§. 14. Wer aber aus Unwissenheit der Gesetze in der
Gültigkeit seines Besitztitels irrt, heißt ein unrechtfertiger Besitzer, und
wird, wo nicht besondre Ausnahmen gemacht sind, einem unredlichen Besitzer
gleich geachtet. (§. 232. 239. 240. 241.)
§. 15. Wer schon zur Zeit der Erwerbung des Besitzes, bey
der Anwendung eines gewöhnlichen Grades von Aufmerksamkeit, Ursach hatte, an
der Gültigkeit seines Besitztitels zu zweifeln, und sich dennoch ohne weitere
Untersuchung den Besitz zueignet, der wird bey einer in der Folge sich
veroffenbarenden Unrechtmäßigkeit desselben, einem unredlichen Besitzer gleich
geachtet.
§. 16. Dagegen verliert der, bey welchem erst nach schon
erworbenem Besitze bloße Zweifel über die Rechtmäßigkeit desselben entstehen,
dadurch noch nicht die Eigenschaft und die Rechte eines redlichen Besitzers.
§. 17. Von dem Zeitpunkte aber, da jemand von der
Unrechtmäßigkeit seines Besitzes überführt worden, ist er für einen unredlichen
Besitzer zu achten.
§. 18. Die allgemeine Vermuthung streitet für die
Redlichkeit des Besitzes, wo nicht die Gesetze in gewissen Fällen und Umständen
die besondre Vermuthung des Gegentheils ausdrücklich festsetzen.
§. 19. Wer des Besitzes einer Sache, die mit fremden Namen,
einzelnen Buchstaben, Wappen, Pettschaften, oder andern zur Bezeichnung des
Eigenthums gewöhnlichen Merkmalen versehen ist, sich eigenmächtig anmaaßt, hat
die Vermuthung des unredlichen Besitzes gegen sich.
§. 20. Bloß willkührliche und ungewöhnliche Zeichen können
diese Vermuthung nicht begründen.
§. 21. Die Redlichkeit des Dritten, durch welchen jemand
einen Besitz für sich erwirbt, kommt dem unredlichen Erwerber nicht zu statten.
§. 22. Dagegen schadet aber auch die Unredlichkeit eines
solchen Dritten demjenigen nicht, für welchen der Besitz erworben worden.
§. 23. Von der Wissenschaft desjenigen, welcher bey der
Sache mitzuwirken kein Recht hat, hängt die Redlichkeit oder Unredlichkeit des
Besitzers niemals ab.
insonderheit bey mehrern Mitbesitzern.
§. 24. Wenn mehrere eine Sache gemeinschaftlich besitzen, so
muß jeder die Redlichkeit oder Unredlichkeit des Besitzes für seinen Antheil
vertreten.
§. 25. Doch kann auch der redliche Mitbesitzer aus der
Unredlichkeit des andern, zum Schaden eines Dritten, keinen Vortheil ziehn. (§.
37.)
ingleichen bey Corporationen und Gemeinen.
§. 26. Wenn eine Corporation oder Gemeine einen Besitz
erwirbt, so hängt die Redlichkeit oder Unredlichkeit derselben davon ab, je
nachdem die Mehrheit der Mitglieder, bey der Erwerbung des Besitzes, redlich
oder unredlich zu Werke gegangen ist. (§. 10-15.)
§. 27. Eben so wird der Besitz einer solchen Gemeine in der
Folge unredlich, wenn die mehrere Zahl der Mitglieder von der Unrechtmäßigkeit
desselben überzeugt worden.
§. 28. Die mindere Zahl kann also durch ihre Unredlichkeit
den Besitz der Commune überhaupt nicht unredlich machen.
§. 29. Doch haften die unredlichen Mitglieder dem
Eigenthümer für den Schaden, welcher demselben daraus entstanden ist, daß sie
ihre Wissenschaft, oder ihre bey der Erwerbung gehegten Zweifel, den übrigen
Mitgliedern nicht angezeigt haben.
§. 30. Ist die Zahl der redlichen und unredlichen Mitglieder
gleich, so kann der Besitz der Gemeine überhaupt nicht für redlich geachtet
werden.
§. 31. In so fern redliche Mitglieder dadurch, daß der
Besitz der Gemeine überhaupt, wegen der Unredlichkeit der übrigen, für
unredlich geachtet wird, und also dem Eigenthümer zurückgegeben werden muß, an
ihrem anderweitigen Vermögen einen wirklichen Schaden erleiden, können sie den
Ersatz desselben von den unredlichen Mitgliedern fordern.
§. 32. Repräsentanten einer Gemeine sind, in Ansehung der
Redlichkeit oder Unredlichkeit des Besitzes, als die Gemeine selbst anzusehen.
§. 33. Sind unter mehrern Repräsentanten einige redlich,
andre aber unredlich, so finden, in Beziehung auf den Besitz der Gemeine
selbst, die Vorschriften §. 26-31. Anwendung.
§. 34. Ist die Erwerbung des Besitzes nur durch die
Vorsteher oder Beamten der Gemeine geschehen, so wird die Redlichkeit oder
Unredlichkeit des Besitzes der Gemeine selbst nach den Vorschriften §. 21. 22.
beurtheilt.
§. 35. Bey Sachen, wo nur die Substanz der ganzen Gemeine
gehört, die Nutzungen aber unter die einzelnen Mitglieder vertheilt werden,
sind die Rechte und Verbindlichkeiten eines jeden Mitglieds, in Beziehung auf
diese Nutzungen, nur nach seiner eignen Redlichkeit oder Unredlichkeit zu
beurtheilen.
§. 36. Wenn also die Sache selbst, wegen Unredlichkeit des Besitzes
der Gemeine überhaupt, dem Eigenthümer zurückgegeben werden muß, so sind ihm,
wegen sämmtlicher bisheriger Nutzungen, die unredlichen Mitglieder
hauptsächlich verhaftet.
§. 37. Können aber diese den Eigenthümer nicht entschädigen,
so müssen auch die redlichen Besitzer, jedoch nur so weit, als dieselben aus
diesen Nutzungen wirklich Vortheile gezogen haben, dem Eigenthümer gerecht
werden.
§. 38. Kann hingegen der Eigenthümer die Sache selbst, wegen
des verjährten redlichen Besitzes der Gemeine überhaupt, nicht zurück fordern,
so kann er zwar, auch wegen der bisherigen Nutzungen, nur an die unredlichen
Mitglieder sich halten;
§. 39. Er tritt aber auch in Ansehung der künftigen
Nutzungen an die Stelle dieser unredlichen Mitglieder.
ferner bey Nachfolgern im Besitz.
§. 40. Bey jedem Nachfolger im Besitz wird die
Beschaffenheit seines Besitzes bloß nach seiner eignen Redlichkeit, nicht aber
darnach beurtheilt: ob sein Vorfahr ein redlicher oder unredlicher Besitzer
gewesen sey?
§. 41. Es macht dabey keinen Unterschied, ob der Nachfolger
im Besitze zugleich Erbe des Vorfahren ist, oder nicht.
§. 42. Doch muß der Erbe die Folgen des unredlichen Besitzes
seines Erblassers aus dessen Nachlaß vertreten.
Von Erwerbung des Besitzes überhaupt.
§. 43. Niemand kann ohne oder wider seinen Willen wirklicher
Besitzer einer Sache werden, wenn gleich dieselbe in seiner Gewahrsam sich
befindet.
§. 44. So weit also jemand seinen Willen zu erklären unfähig
ist, so weit kann er durch sich selbst keinen Besitz erlangen.
§. 45. Nur in so fern Rechte durch die Verträge eines andern
erlangt werden können, kann auch der Besitz durch die Handlung eines andern
erworben werden.
§. 46. Zur Besitznehmung gehört nothwendig, daß der
Gegenstand derselben, er sey Sache oder Recht, genau bestimmt worden.
§. 47. Ist die Sache mit andern vermischt, so muß sie
abgesondert, oder kenntlich ausgezeichnet werden.
§. 48. Ohne Besitzergreifung kann keine Art des Besitzes
erlangt werden.
§. 49. Wer jedoch einem andern in einem Inbegriff von Sachen
oder Rechten nachfolgt, der bedarf keiner Besitzergreifung, in Ansehung der
einzelnen unter dem Inbegriff enthaltenen Sachen und Rechte.
Erwerbung des Besitzes von Sachen.
§. 50. Die äußere Handlung, wodurch eine körperliche Sache
in die Gewalt des Besitzers gelangt, wird im eigentlichen Verstande
Besitzergreifung genannt.
§. 51. Dazu ist jede Handlung hinreichend, welche den neuen
Besitzer in den Stand setzt, die Sache selbst, oder durch andere, zu
gebrauchen, und darüber zu verfügen.
§. 52. Werden Besitz der Hauptsache ergreift, der hat
zugleich alle Pertinenzstücke derselben in Besitz genommen.
§. 53. Wer in der Absicht, einen Inbegriff von Sachen in
Besitz zu nehmen, einzelne Stücke desselben in seine Gewalt nimmt; der hat
dadurch den Besitz des Ganzen ergriffen.
§. 54. Doch muß bey Pertinenzstücken und einzelnen Sachen,
die sich zur Zeit der Besitznehmung der Hauptsache, oder des Inbegriffs, im
wirklichen Besitz eines Dritten befinden, der Besitz besonders erworben werden.
§. 55. Der Besitz einer Sache, die in niemands Besitz sich
befindet, kann dadurch ergriffen werden, daß der Besitznehmende die Sache mit
solchen Merkmalen bezeichnet, woraus seine Absicht, dieselbe künftig für sich
gebrauchen zu wollen, deutlich erhellet.
§. 56. Die bloße Bezeichnung aber hilft dem nichts, dem das
Vermögen, die Sache selbst in seine Gewalt zu bringen, ermangelt.
§. 57. Auch hat die bloße Bezeichnung die ihr vorstehend
beygelegten Wirkungen nur alsdann, wenn in dem Zeitpunct, wo sie geschieht,
derselben von einem Dritten nicht widersprochen wird.
durch Uebergabe.
§. 58. Durch Uebergabe wird der Besitz erlangt, wenn der
bisherige Besitzer einer Sache sich derselben zum Vortheil eines andern
entschlägt, und dieser den erledigten Besitz ergreift.
§. 59. Die bloße Willenserklärung des bisherigen Besitzers
ist hinreichend, den Besitz einer Sache zum Vortheile eines andern zu
erledigen; in so fern dieser dadurch in den Stand gesetzt wird, über die Sache
zu verfügen.
§. 60. Durch richterliche Verordnung kann der Besitz, auch
ohne Einwilligung des bisherigen Besitzers, zum Vortheile eines andern erledigt
werden
Körperliche Uebergabe.
§. 61. Die Uebergabe kann nicht nur körperlich, aus Hand in
Hand, sondern auch durch Zeichen (symbolisch) geschehen.
Symbolische.
§. 62. Die Zeichen können, wo die Gesetze nicht besondere
Ausnahmen machen, willkürlich gewählt werden.
§. 63. Nur müssen dieselben von der einen Seite die Absicht,
den Besitz zu erledigen, und von der andern, denselben zu ergreifen,
hinlänglich andeuten.
§. 64. Auch muss die symbolische Uebergabe von der
Beschaffenheit seyn, daß der körperlichen Besitznehmung ferner nichts im Wege
stehe;
§. 65. So können Waaren und andere Effecten, welche in einem
verschlossenen Behältnisse sich befinden durch Aushändigung der Schlüssel
übergeben werden.
Durch Anweisung.
§. 66. Wenn der, welcher die Sache im Namen des bisherigen
Besitzers inne hat, von demselben angewiesen wird, den Besitz im Namen des
neuen Besitzers fortzusetzen, so ist die Uebergabe vollzogen.
§. 67. Der Besitz der angewiesenen Sache oder Summe fängt
von dem Augenblick an, wo die Anweisung von dem neuen Besitzer angenommen
worden.
§. 68. Doch wird der Inhaber der angewiesenen Sache oder
Summe dem neuen Besitzer erst von der Zeit an verantwortlich, da er die
Anweisung in sichere Erfahrung gebracht hat.
§. 69. Wer eine Sache ursprünglich blos für einen andern
inne hatte, kann durch seinen bloßen Willen, die Sache nunmehr für sich zu
haben, den Besitz derselben nicht erlangen.
Durch bloße Willensäußerung.
§. 70. Wenn aber der bisherige Besitzer seinen Willen, dem
bisherigen Inhaber die Rechte des Besitzes einzuräumen, auf eine
rechtsbeständige Weise erklärt; so ist diese Erklärung als eine neue Uebergabe
anzusehn.
§. 71. Auch alsdann ist die Uebergabe des Besitzes für
vollzogen zu achten, wenn der bisherige Besitzer seinen Willen, die Sache
nunmehr für einen andern in seiner Gewahrsam zu halten, rechtsgültig erklärt
hat.
§. 72. Daher ist die Erklärung des bisherigen Eigenthümers,
daß er sich von seiner Sache nur den Nießbrauch vorbehalte, zur Einräumung des
Besitzes an denjenigen, zu dessen Besten die Erklärung geschieht, hinreichend.
§. 73. Miethet oder pachtet der bisherige Eigenthümer eines
Grundstücks dasselbe von einem andern, so vertritt dieser Vertrag zugleich die
Stelle der Einräumung des vollständigen Besitzes.
Was Rechtens, wenn mehrere den Besitz erworben haben.
§. 74. Der, welchem eine Sache körperlich übergeben worden,
hat, in Ansehung der aus dem Besitz entspringenden Rechte, den Vorzug vor dem,
welchem die Uebergabe bloß durch Anweisung oder durch Zeichen geschehen ist.
§. 75. Streiten mehrere, welche die Uebergabe bloß durch
Zeichen oder Anweisung erhalten haben, über die Rechte des Besitzes, so kann sich
keiner dieser Rechte gegen den andern anmaßen.
§. 76. Vielmehr muß die Sache so lange in gerichtlichen
Beschlag genommen werden, bis das Recht zum Besitze entschieden ist. (Tit. X.
§. 18-25.)
Erwerbung des Besitzes von Rechten.
§. 77. Rechte, welche mit dem Besitze einer Sache verbunden
sind, werden mit der Sache zugleich übergeben.
§. 78. Der Besitz andrer Rechte, die von dem Besitze einer
körperlichen Sache nicht abhängen, kann nur durch die Ausübung derselben
erlangt werden.
§. 79. Doch bedürfen Theile eines Rechts, welche aus seinem
Begriffe von selbst folgen, keiner besondern Besitzergreifung.
eines affirmativen Rechts.
§. 80. Wer eine Handlung, die ein Andrer als eine
fortdaurende Schuldigkeit von ihm gefordert hat, wirklich leistet, der setzt
denselben in den Besitz des Rechts, die Wiederholung dieser Handlung von ihm zu
fordern. (Affirmatives Recht.)
eines negativen Rechts.
§. 81. Wer eine Handlung, welche (= welcher) der Andre
widersprechen konnte, ohne dessen Widerspruch unternimmt, der erlangt den
Besitz des Rechts von dem Andern zu fordern, daß er diese Handlung ferner
leide. {Negatives Recht.)
§. 82. Soll jedoch durch dergleichen Handlung der Besitz
eines negativen Rechts wirklich erlangt werden, so muß aus der Erklärung des
Handelnden, oder aus den Umständen, die Meynung desselben, daß ihm ein solches
fortdaurendes(!) Recht wirklich zustehe, deutlich erhellen.
§. 83. Soll die Besitzergreifung eines solchen negativen
Rechts durch Widerspruch gehindert werden, so muß dieser Widerspruch bey der Handlung
selbst gegen den Handelnden geäußert seyn.
§. 84. Ein nach gänzlich vollendeter Handlung erfolgender
Widerspruch kann den durch diese Handlung einmal erworbenen Besitz nicht wieder
aufheben.
§. 85. Erfolgt jedoch der Widerspruch auf frischer That, oder
sogleich, als der, gegen welchen der Besitz des negativen Rechts erworben
werden soll, die Handlung erfahren hat, so wird dadurch die Besitzergreifung
entkräftet.
eines Untersagungsrechts.
§. 86. Den Besitz eines Untersagungsrechts erwirbt
derjenige, auf dessen Verbot der Andre von einer unternommenen Handlung
absteht.
§. 87. Ist jedoch ein Untersagungsrecht jemanden durch eine
ausdrückliche Willenserklärung eingeräumt worden, so wird derselbe von dem
Augenblick an, wo diese Willenserklärung ihre Rechtsgültigkeit erlangt hat, in
dem Besitze des Rechts zu seyn geachtet.
Erwerbung des Besitzes eines Rechts gegen mehrere.
§. 88. Mitbesitzer gemeinschaftlicher Sachen werden durch
ihre Handlungen, Unterlassungen, oder Duldungen nur auf ihren Antheil verpflichtet.
§. 89. Ist die Sache, auf welche der Besitz eines Rechts
erworben werden soll, an sich untheilbar, oder sind die Mitbesitzer derselben
in ungetheiltem Besitze, so kann einer von ihnen durch seine Handlungen oder
Duldungen dem Andern nichts vergeben.
insonderheit gegen Corporationen und Gemeinen.
§. 90. Durch Handlungen oder Leistungen einzelner Mitglieder
einer Gemeine wird der Besitz des Rechts, von der Gemeine etwas zu fordern,
(eines affirmativen Rechts) nicht erworben.
§. 91. So weit die Einwilligung eines Theils der Gemeine,
ihrer Repräsentanten, Vorsteher oder Bevollmächtigten, zur Verpflichtung der
ganzen Gemeine bey Verträgen hinreicht, so weit wird durch die Handlungen und
Leistungen dieser Personen, auch der Besitz eines affirmativen Rechts gegen die
Gemeine erlangt.
§. 92. Der Besitz der Befugniß, einer Gemeine die fernere
Ausübung eines gemeinschaftlich ausgeübten Rechts zu untersagen, wird gegen sie
nur in so weit erworben, als alle Mitglieder dem Verbot Folge leisten.
§. 93. Der Besitz des Rechts, etwas zu thun, (eines
negativen Rechts) wird gegen eine Gemeine nur alsdann erlangt, wenn keines
ihrer Mitglieder der Ausübung widersprochen hat.
§. 94. In beyden Fällen §. 92. 93. kann also auch ein
einzelnes Mitglied, wenn es gleich weder zu den Repräsentanten noch Vorstehern,
oder Beamten gehört, durch seine entgegengesetzte Handlung, oder durch seinen
Widerspruch, die Besitzergreifung gegen die Gemeine hindern.
§. 95. Dagegen kann eine Gemeine, welche nach ergangnem
Verbot eine Handlung unterlassen, oder der Handlung des Besitzergreifenden
nicht widersprochen hat, den Mangel der Wissenschaft nicht vorschützen, sobald
das Verbot oder die Handlung zur Kenntniß ihrer Repräsentanten oder Vorsteher
gelangt ist.
Fehler, welche die Besitzergreifung hindern. Gewalt. Betrug.
§. 96. Durch Handlungen unerlaubter Privatgewalt kann der
Besitz einer Sache niemals erlangt werden.
§. 97. Eben so wenig können durch Gewalt erzwungene, oder
durch Betrug veranlaßte Handlungen oder Duldungen den Besitz eines Rechts
bewirken.
Verheimlichung.
§. 98. Auch durch heimlich unternommene Handlungen kann der
Besitz im rechtlichen Sinne weder erworben noch fortgesetzt werden.
§. 99. Handlungen, welche dem Andern nur durch seine eigne
oder durch seiner Stellvertreter Sorglosigkeit oder Unachtsamkeit unbekannt
geblieben, sind für heimlich unternommen nicht zu achten.
§. 100. Vielmehr muß die Absicht, die Handlung zu
verheimlichen, aus der ungewöhnlichen Zeit, wo sie vorgenommen; aus den
Anstalten, welche, um sie der Kenntniß des Andern zu entziehn, getroffen
worden; oder aus andern vorhergehenden, begleitenden oder nachfolgenden
Umständen klar erhellen.
§. 101. Die gegen die Absicht der Verheimlichung streitende
Vermuthung ist bey solchen Handlungen, welche bloß die Fortsetzung des Besitzes
zur Absicht haben, stärker, als bey solchen, wodurch derselbe zuerst erworben
werden soll.
§. 102. Ist die Absicht der Verheimlichung klar, so wird der
Fehler der Besitzergreifung nicht gehoben, wenn gleich der Andre, der getroffnen
Vorkehrungen ungeachtet, von der Handlung Wissenschaft erlangt hätte.
§. 103. Dadurch allein, daß der Pächter eines Guts, auf eine
nur an ihm(!) ergangne Anforderung, sich zu einer gewissen Leistung verstanden
hat, wird gegen den Eigenthümer der Besitz des Rechts, die Wiederholung dieser
Leistung zu fordern (eines affirmativen Rechts) noch nicht erworben.
§. 104. Hat aber der Eigenthümer die von dem Pächter
geschehene Leistung gewußt; oder ist ihm dieselbe nur durch sein eignes grobes
oder mäßiges Versehen unbekannt geblieben: So hat der Andre den Besitz des
affirmativen Rechts gegen den Eigenthümer erlangt.
§. 105. So weit einem Pächter eine Befugniß, über die Sache
selbst zu verfügen, beygelegt ist; so weit kann durch seine Handlungen oder
Leistungen der Besitz eines affirmativen Rechts gegen den Eigenthümer erworben
werden.
Precarium.
§. 106. Aus Handlungen, Leistungen, oder Duldungen, wodurch
an sich eine Besitzergreifung bewirkt werden könnte, entsteht dennoch kein
Besitzrecht, sobald erhellet, daß der Andere dieselben nicht auf den Grund
einer vorhergehenden Verpflichtung, sondern nur aus Freundschaft und
Gefälligkeit vorgenommen, oder gestattet habe.
§. 107. Wer etwas thut, oder sich gefallen läßt, was ihm
nachtheilig ist, oder zur Einschränkung seiner Rechte gereicht; der hat die
Vermuthung wider sich, daß bey einer solchen Handlung oder Duldung die Meinung
einer vorhergehenden Verpflichtung zum Grunde liege.
§. 108. Doch kann diese allgemeine Vermuthung durch
entgegenstehende, aus persönlichen Verhältnissen oder andern Umständen des
vorliegenden Falls sich ergebende, besondere Vermuthungen wieder gehoben
werden.
Anfang des Besitzes.
§. 109. Der Anfang des Besitzes wird von der ersten
Handlung, wodurch derselbe ergriffen worden, gerechnet.
§. 110. Sind mehrere Handlungen zur Besitzergreifung
erforderlich, so bestimmt diejenige Handlung, wodurch sie vollendet wird, den
Anfang des Besitzes,
Fortsetzung und Verlust der Gewahrsam und des Besitzes.
§. 111. Die Gewahrsam einer Sache geht verloren, sobald das
physische Vermögen des Inhabers, durch sich oder durch Andre darüber zu
verfügen, aufhört.
§. 112. Aus dem Verluste der Gewahrsam folgt noch nicht der
Verlust des Besitzes.
§. 113. Vielmehr wird der Besitz so lange für fortgesetzt
geachtet, als die geschehene Aufhebung desselben nicht deutlich erhellet.
§. 114. Durch eine Veränderung in den persönlichen
Eigenschaften des Besitzers wird in der Fortdauer des Besitzes nichts geändert.
§. 115. Durch den Verlust der Fähigkeit, etwas zu erwerben,
geht der Besitz des vorhin schon Erworbenen noch nicht verloren.
§. 116. Dagegen hört der Besitz auf, wenn es, durch ein die
Sache selbst und deren Substanz betreffendes Ereigniß, dem Besitzer unmöglich
wird, die verlorne Gewahrsam wieder zu erlangen.
§. 117. Desgleichen alsdann, wenn der Besitzer, bey
Aufgebung der Gewahrsam, durch Worte oder Handlungen deutlich erklärt hat, daß
er die Sache verlassen wolle.
§. 118. Nur der, welcher über eine Sache frey zu verfügen
berechtigt ist, kann sich des Besitzes derselben entschlagen.
§. 119. So lange eine Sache sich noch an einem Orte
befindet, von dessen Zugange der Besitzer Andre auszuschließen berechtigt ist,
kann dieselbe nicht für verlassen angesehen werden.
§. 120. So lange die Merkmale, womit das Eigenthum einer in
Besitz genommenen Sache bezeichnet zu werden pflegt, an der Sache noch kennbar
vorhanden sind, kann nicht vermuthet werden, daß der vorige Besitzer dieselbe
verlassen habe.
§. 121. Aber auch durch die Auslöschung des Zeichens allein
wird der Besitzer des einmal ergriffenen Besitzes nicht entsetzt.
§. 122. Wenn ein Anderer den Besitz einer aus der Gewahrsam
des vorigen Besitzers gekommenen Sache auf eine fehlerfreye Art (§. 96-108.)
ergriffen hat; so hört der vorige Besitz auf.
§. 123. So weit jemand seinen Besitz einem Andern überträgt,
hat er ihn für sich selbst verloren.
§. 124. Durch Einräumung des unvollständigen Besitzes an
einen Andern wird der vollständige Besitz des bisherigen Besitzers fortgesetzt.
§. 125. Wer eine Sache für einen Andern inne hat, oder
unvollständig besitzt, kann diesen seines Besitzes nur durch solche Handlungen
entsetzen, welche die Eigenschaften einer neuen Besitzergreifung an sich haben.
(§. 70.)
insonderheit bey Rechten.
§. 126. Der Besitz des Rechts, von einem Andern etwas zu
fordern, (eines affirmativen Rechts) geht verloren, wenn der bisher
Verpflichtete die fernere Erfüllung der von ihm geforderten Pflicht verweigert,
und der Andre sich dabey beruhigt.
§. 127. Der Besitz des Rechts, etwas zu thun, (eines
negativen Rechts) hört auf, wenn der Andere den Besitz des entgegengesetzten
Untersagungsrechts erworben hat.
§. 128. Der Besitz eines Untersagungsrechts geht verloren,
wenn der Andre sich in den Besitz des entgegenstehenden negativen Rechts (des
Rechts etwas zu thun) gesetzt hat.
§. 129. In so fern durch die Uebergabe von Sachen zugleich
Rechte an einen Andern übertragen worden, (§. 77.) in so fern wird dadurch auch
der Besitz des vorigen Besitzers aufgegeben.
§. 130. Uebrigens wird der einmal erlangte Besitz eines
Rechts durch die unterlassene fernere Ausübung desselben in der Regel noch
nicht verloren. (Tit. TX. Sect. IX.)
§. 131. Der Besitz einer Sache oder eines Rechts, welcher
einem Andern nur auf eine gewisse Zeit, oder unter einer auflösenden Bedingung
eingeräumt worden, hört mit dem Ablaufe der Zeit, oder mit dem Eintritte der
Bedingung von selbst auf.
§. 132. Auch durch die fortgesetzte Gewahrsam wird ein
solcher Besitz nicht fortgesetzt.
§. 133. Soll die Fortsetzung der Gewahrsam diese Wirkung
haben, so muß eine neue mit den gesetzlichen Eigenschaften der Besitzergreifung
versehene Handlung hinzukommen.
Wirkungen des Besitzes.
§. 134. Von dem Rechte zum Besitz ist das Recht des Besitzes
selbst verschieden.
§. 135. Die Wirkungen des Rechts zum Besitze sind nach der
Beschaffenheit des Titels, worauf der Besitz beruhet, zu bestimmen.
§. 136. Die Rechte des Besitzes aber hängen von der
Beschaffenheit des Besitzes selbst ab.
Rechte und Pflichten des Inhabers und Besitzers.
§. 137. Der bloße Inhaber hat diejenigen Rechte, welche aus
der Pflicht folgen, die Sache oder das Recht zum Besten dessen, welchem der
Besitz gebührt, zu erhalten.
§. 138. Wer eine Sache, ohne es zu wissen, in seiner
Gewahrsam hat, überkommt erst, nachdem er Wissenschaft davon erhalten hat, die Pflichten
eines Inhabers.
§. 139. Will er diese Pflicht nicht übernehmen, so muß er
die Sache dem rechtmäßigen Besitzer zurückstellen, oder gerichtlich
niederlegen.
§. 140. Er ist befugt und schuldig, den letzten Besitzer für
den rechtmäßigen zu halten, so lange ihm nicht das Gegentheil nachgewiesen
wird.
§. 141. Gegen Gewalt muß jeder Inhaber und Besitzer
geschützt werden.
§. 142. Er ist berechtigt, Gewalt mit Gewalt abzuwehren,
wenn die Hülfe des Staats zu spät kommen würde, einen unersetzlichen Verlust
abzuwenden.
§. 143. Unter gleichen Umständen kann auch der, welcher
seiner Gewahrsam oder seines Besitzes mit Gewalt entsetzt worden, sich der in
den Gesetzen erlaubten Selbsthülfe bedienen. (Einleitung §. 77. 78.)
§. 144. Den bloßen Inhaber kann der, in dessen Namen
derselbe besitzt, der Gewahrsam aus eigner Macht zu allen Zeiten entsetzen.
§. 145. Doch darf auch ein solcher Besitzer einer
unerlaubten Privatgewalt, wodurch die öffentliche Ruhe und Sicherheit gestört,
oder der Inhaber in seinen anderweitigen Gerechtsamen beeinträchtigt wird, sich
nicht bedienen.
Von der Wiederherstellung des durch Gewalt oder List
heimlich oder bittweise entnommenen oder gestörten Besitzes.
§. 146. Ist die Gewahrsam oder der Besitz, obigen
Vorschriften zuwider, jemanden mit Gewalt entnommen worden, so müssen ihm
dieselben, ohne Rücksicht auf ein besseres Recht dessen, der die Gewalt verübt
hat, wieder gegeben werden.
§. 147. Eben dieses findet statt, wenn jemand die Sache oder
das Recht heimlich, durch List, oder bittweise, von dem vorigen Besitzer an
sich gebracht hat.
§. 148. Vorstehende Rechte (§. 146. 147.) kommen demjenigen,
welcher solchergestalt seines Besitzes zur Ungebühr entsetzt worden, nicht nur
gegen den Entsetzenden und seine Theilnehmer, sondern auch gegen deren Erben
zu. (Tit. VI. §. 28. sqq.)
§. 149. Auch gehen diese Rechte auf die Erben des Entsetzten
über.
§. 150. Alle Rechte, welche demjenigen beygelegt sind, der
seines Besitzes durch Gewalt, heimlich, oder mit List entsetzt worden, kommen
auch dem zu, welcher in seinem Besitze solchergestalt zur Ungebühr gestört
wird.
§. 151. Der Richter muß den Gestörten durch Androhung verhältnißmäßiger
Strafen gegen den Störer, und nöthigenfalls durch deren wirkliche
Vollstreckung, gegen fernere Beeinträchtigungen schützen.
§. 152. Hat der Störer dem richterlichen Befehle schon
einmal entgegen gehandelt, so kann er überdieß zur Sicherheitsbestellung für
künftige Beunruhigungen angehalten werden.
§. 153. Ein Gleiches findet statt, wenn wahrscheinliche
Gründe zur Besorgniß vorhanden sind, daß der Störer dem Andern für einen aus
fernern Beunruhigungen erwachsenden Schaden nicht sofort vollständige
Genugthuung werde leisten können.
§. 154. Von vorstehenden Befugnissen (§. 146 bis 153.) kann
nur derjenige Gebrauch machen, welcher nachzuweisen vermag, daß er sich
unmittelbar vor der erfolgten Entsetzung oder Störung im ruhigen Besitze
befunden habe.
Was Rechtens sey, wenn der Besitz streitig ist.
§. 155. Ist der letzte ruhige Besitzstand zweifelhaft, so
hängt die Verfügung: wie es mit der streitigen Sache bis zur näheren Erörterung
der gegenseitigen Rechte zum Besitze gehalten werden solle, von richterlichem
Ermessen ab.
§. 156. Bey der diesfälligen Bestimmung muß der Richter auf
die allgemeinen Grundsätze von der Collision der Rechte Rücksicht nehmen.
(Einleit. §. 95. sqq.)
§. 157. Sind die Umstände so beschaffen, daß aus dem
einstweiligen Besitze des Einen dem Andern gar kein Schaden entstehen würde, so
muß vorzüglich dieser im Besitz bis zum Austrage der Sache gelassen werden.
§. 158. Außerdem muß der Richter darauf sehen: welcher von
den streitenden Theilen dem andern auf den Fall, wenn derselbe für den
rechtmäßigen Besitzer erklärt würde, für den aus der Vorenthaltung des Besitzes
entstandnen Schaden gerecht zu werden am besten im Stande sey.
§. 159. Ist für den obsiegenden Theil ein unersetzlicher
Schade zu besorgen, wenn der andre, bis zur endlichen Entscheidung, die Rechte
des Besitzes ausüben sollte, so muß die Sache in gerichtliche Verwahrung
genommen werden.
§. 160. Ein Gleiches kann alsdann geschehen, wenn der
Richter findet, daß aus der einstweiligen Einräumung des Besitzes an Einen
Theil Gewalttätigkeiten, welche die öffentliche Ruhe und Sicherheit in Gefahr
setzen, entstehen dürften.
§. 161. Gegen den, welcher den Besitz einer Sache oder eines
Rechts weder durch Gewalt, noch heimlich, mit List, oder bloß bittweise
überkommen hat, kann der vorige Besitzer auf Wiederherstellung des Besitzes nur
in so fern klagen, als er ein besseres Recht zum Besitze nachzuweisen hat.
Verhältnisse zwischen dem Inhaber und dem, welcher ein Recht
zum Besitze hat.
§. 162. Der bloße Inhaber kann die seiner Gewahrsam
entkommene Sache nur von demjenigen, der sie ohne allen Rechtsgrund im Besitze
hat, zurückfordern.
§. 163. Sein Recht aber ist schwächer, als das Recht eines
jeden, der eine Befugniß zum Besitze nachweisen kann.
§. 164. Dem letzten Besitzer, von welchem er die Sache in
seine Gewahrsam erhalten hat, ist er diese"* auf dessen jedesmaliges
Erfordern zurückzugeben befugt und schuldig.
§. 165. Wird die Sache bey ihm von einem Andern in Anspruch
genommen, so muß er den, von welchem er die Sache überkommen hat, benennen, und
den Ansprechenden an diesen verweisen. ..
§. 166. Unterläßt er dieses, so macht er sich sowohl gegen
den Ansprechenden, als gegen den, von welchem er die Sache in seine Gewahrsam
erhalten hat, verantwortlich.
§. 167. Weiß der Inhaber nicht, von wem die Gewahrsam der
Sache auf ihn übergegangen sey, so muß er die Sache demjenigen, der sich gegen
ihn als den letzten Besitzer ausweisen kann, verabfolgen.
§. 168. Findet er die Legitimation zweifelhaft, so muß er,
bey erfolgendem Anspruche, die Sache zur gerichtlichen Verwahrung und
Ausmittelung des letzten rechtmäßigen Besitzers abliefern.
zwischen dem vollständigen und unvollständigen Besitzer.
§. 169. Der unvollständige Besitzer ist, so lange sein
Besitzrecht dauert, keinem andern, selbst nicht dem vollständigen Besitzer oder
dem Eigenthümer, zu weichen schuldig.
§. 170. In eben der Maaße ist er auch auf Wiederherstellung
seines Besitzes gegen jeden anzutragen berechtigt.
§. 171. So weit aber derjenige, von welchem sein Besitzrecht
herrührt, ihm selbiges zu verleihen nicht befugt war, muß er dem weichen, der
gegen diesen ein besseres Recht ausgeführt hat.
§. 172. Wenn das Recht desjenigen, welcher ihm sein Besitzrecht
verliehen hat, erloschen ist, so muß der unvollständige Besitzer dem weichen,
auf welchen das Eigenthum oder vollständige Besitzrecht übergegangen ist.
§. 173. Doch kann niemand, der einem Andern ein
unvollständiges Besitzrecht eingeräumt hat, zum Nachtheile desselben sein
eignes Recht einem Dritten übertragen.
§. 174. Auch der unvollständige Besitzer muß, wenn nicht
sein Besitzrecht, sondern die Sache selbst bey ihm in Anspruch genommen wird,
wegen Benennung desjenigen, von welchem er sein Besitzrecht erhalten hat, die
Vorschrift §. 165. beobachten.
zwischen dem vollständigen Besitzer und Eigenthümer.
§. 175. Der vollständige Besitzer ist nur dem wahren
Eigenthümer zu weichen schuldig.
§. 176. Gegen jeden Andern hat er alle Rechte des Eigentümers.
(Tit. XV.)
Verhältnisse des redlichen und unredlichen Besitzers.
§. 177. Alles Vorstehende (§. 169-176.) gilt nur auf den
Fall, wenn der Besitz redlich ist.
§. 178. Der unredliche Besitzer muß immer dem redlichen
weichen.
§. 179. Jeder Besitzer hat in der Regel die Vermuthung der
Rechtmäßigkeit und Redlichkeit seines Besitzes für sich.
§. 180. Er ist also, wenn er deshalb in Anspruch genommen
wird, den Titel seines Besitzes anzugeben und nachzuweisen nicht schuldig.
§. 181. Die Vermuthung, daß Personen und Eigenthum frey
sind, überwiegt jedoch die Vermuthung für die Rechtmäßigkeit des Besitzes.
§. 182. Wenn also auch jemand in dem Besitze, die Freyheit
oder das Eigenthum eines andern einzuschränken, sich befindet, so muß er
dennoch sein Recht zu diesem Besitze angeben und nachweisen.
§. 183. Von dieser Regel findet aber eine Ausnahme statt, in
so fern besondere Gesetze dergleichen Einschränkungen gegen Personen eines
gewissen Standes ausdrücklich begründen. (Th. II. Tit. VII. Sect. 111.)
§. 184. Weiset jemand nach, daß ihm der Besitz einer Sache
durch Gewalt, List, oder Betrug entnommen worden, so ist der gegenwärtige
Besitzer den Titel, aus welchem er besitzt, anzugeben verbunden.
§. 185. Dem Richter muß die Angabe des Besitztitels in allen
Fällen, wo er selbige zur Aufklärung streitiger Thatsachen nöthig findet, ohne
Rückhalt geschehen.
§. 186. Wer in den Fällen des §. 184. 185. die Angabe seines
Besitztitels beharrlich verweigert, ist für einen unredlichen Besitzer zu
achten.
§. 187. Dagegen wird durch diese Verpflichtung zur Angabe
des Besitztitels, die für die Rechtmäßigkeit des Besitzes selbst streitende
Vermuthung noch nicht aufgehoben.
Insonderheit bey Räumung des Besitzes.
1) von einem vollständigen redlichen Besitzer.
a) in Ansehung
der Nutzungen u. Früchte.
§. 188. Der redliche Besitzer muß dem wahren Eigenthümer die
Sache in dem Stande, in welchem sie sich wirklich befindet, zurückgeben.
§. 189. Alle während des redlichen Besitzes gezogne
Nutzungen und genossenen Früchte sind und bleiben das Eigenthum eines solchen
Besitzers.
§. 190. Er darf den Werth davon dem Eigenthümer nicht
erstatten; selbst wenn er dadurch im Besitze eines Vortheils sich noch wirklich
befindet.
§. 191. Hat er aber Nutzungen, die in Zukunft erst fällig
sind, zum voraus erhoben, so muß er dieselben in so weit, als ihr Verfalltag
erst nach dem Ende der Redlichkeit seines Besitzes eintritt, dem Eigenthümer
herausgeben.
§. 192. Bey Capitalien und andern nutzbaren Rechten werden
die etwa noch rückständigen Zinsen und Nutzungen nach dem Zeitpuncte, wo der
redliche Besitz aufgehört hat, zwischen dem Eigenthümer und Besitzer getheilt.
§. 193. Bey beweglichen nutzbaren Sachen gehören dem
Besitzer alle Früchte, die während der Redlichkeit seines Besitzes von der
Substanz abgesondert worden.
§. 194. Insonderheit gehört ihm das junge Vieh, sobald
selbiges von dem Leibe der Mutter getrennt ist.
b) insonderheit
bey nutzbaren Grundstücken.
§. 195. Bey Landgütern, Häusern, und andern nutzbaren
Grundstücken, behält der redliche Besitzer alle und jede Früchte und Nutzungen
vorhergehender Wirtschaftsjahre, ohne Unterschied, ob dieselben schon verzehrt,
veräußert, oder noch wirklich vorhanden sind.
§. 196. Dagegen muß er aber auch alle aus diesen Jahren etwa
noch rückständigen Lasten und Ausgaben, welche von den Früchten zu tragen sind,
berichtigen.
§. 197. Die Nutzungen des letzten Jahres werden zwischen dem
Besitzer und Eigenthümer getheilt.
§. 198. Unter dem letzten Jahre wird dasjenige verstanden,
in welchem der Besitz, redlich zu seyn, aufgehört hat.
§. 199. Das Wirtschaftsjahr wird bey solchen Grundstücken
vom Ersten Julius an gerechnet.
§. 200. Die Theilung der Nutzungen geschieht nach der Zeit,
während welcher der Besitz in diesem Jahre redlich oder unredlich gewesen ist.
§. 201. Was zu den Früchten vorhergehender und des letzten
Wirthschaftsjahres gehöre; und wie in Ansehung dieses letzten Jahres die
Berechnung und Auseinandersetzung zwischen dem Besitzer und Eigenthümer
anzulegen sey, ist nach den in der Lehre vom Nießbrauch vorgeschriebnen
Grundsätzen zu bestimmen. (Tit. XXI. Sect. I.)
§. 202. Dem Eigenthümer steht es frey, auch die Nutzung des
letzten Jahres dem Besitzer allein zu überlassen, und dadurch alle Beyträge zu
den Wirthschaftskosten, ingleichen zu andern Lasten und Ausgaben, welche von
den Früchten getragen werden müssen, abzulehnen.
§. 203. Dagegen darf aber auch der Besitzer die schon
gewonnenen Früchte früherer Jahre, so weit dieselben zur Fortsetzung der
Wirthschaft des letzten Jahres erforderlich gewesen, zu seinem Vortheile
niemals in Rechnung bringen.
c) der Verbesserungen.
§. 204. Hat der redliche Besitzer die Sache verbessert, so
muß der Eigenthümer die darauf verwendeten Kosten erstatten, wenn die
Verbesserungen noch wirklich vorhanden sind, und verhältnißmäßigen Nutzen
gewähren.
§. 205. Auch wenn der Nutzen noch nicht wirklich vorhanden,
aber doch, nach dem natürlichen und gewöhnlichen Laufe der Dinge, in der Folge
mit Sicherheit zu erwarten ist, kann der Besitzer die Verbesserungskosten
fordern.
§. 206. Besteht die Verbesserung in einer Erhöhung des
Nutzungsertrages, so können die Meliorationskosten nur so weit gefordert
werden, als sie den nach diesem erhöhten Ertrage landüblich zu bestimmenden
Capitalswerth der Verbesserung nicht übersteigen.
§. 207. Ist aber nicht der Ertrag vermehrt, sondern nur der
Kaufswerth der Substanz erhöht worden, so muß der gemeine Werth der Substanz im
Ganzen genommen, so wie derselbe vor der Verbesserung beschaffen gewesen, und
zur Zeit der Abtretung wirklich beschaffen ist, ausgemittelt werden.
§. 208. Nur in so weit, als die Verbesserungskosten die
dadurch bewirkte Erhöhung des Werths der Substanz nicht übersteigen, kann der
Besitzer den Ersatz derselben fordern.
§. 209. Als Meliorationskosten dürfen in allen Fällen nur
baare Auslagen und solche Naturalprästationen, die nicht aus der Sache selbst
genommen worden, in Anschlag gebracht werden.
§. 210. Gewährt die mit der Sache vorgenommene Veränderung
keinen eigentlichen Nutzen, sondern nur ein Vergnügen, welches den Kaufswerth
nicht erhöht; und will der Eigenthümer dafür keine Vergütung leisten; so kann
der Besitzer das Vorhandene bloß zurücknehmen.
§. 211. Aber auch diese Befugniß findet nur in so fern
statt, als bey der Zurücknahme die Sache in den Stand, worin sie sich vor der
Veränderung befand, wieder gesetzt wird.
d) der Erhaltungskosten.
§. 212. Ausgaben, welche zur Erhaltung der Substanz
nothwendig waren, und mit dem Besitze der Sache in unzertrennlicher Verbindung
standen, muß der Eigenthümer, so weit dadurch sein Vortheil befördert ist, dem
Besitzer vergüten.
§. 213. Bestehen dergleichen Ausgaben nicht in baarem Gelde,
sondern in Naturalien, so müssen letztere nach dem Werthe zur Zeit der
Verwendung ersetzt werden.
§. 214. Doch darf der Besitzer dem Eigenthümer Naturalien
oder Dienste, die aus der Sache oder dem Gute selbst, zur Erhaltung der
Substanz, genommen und verwendet worden, niemals anrechnen.
§. 215. Sind bey einem Inbegriffe von Sachen oder Rechten,
Kosten zur Erhaltung einer einzelnen darunter begriffenen Sache oder eines
Zubehörs verwendet, und die Sache oder das Pertinenzstück ist dennoch nicht
erhalten worden, so kann der Besitzer dafür keinen Ersatz fordern.
§. 216. So weit die Erhaltungskosten aus den Nutzungen des
Jahres, in welchem sie vorgefallen sind, haben genommen werden können, so weit
ist der Eigenthümer zu keinem Ersatze verpflichtet.
§. 217. Sind dergleichen Ausgaben zu gewissen, auf Abwendung
künftiger Gefahren von der Substanz abzielenden, nützlichen Veranstaltungen
gemacht worden, so findet der Ersatz nur in so fern statt, als diese
Veranstaltungen noch wirklich vorhanden sind.
e) der Lasten.
§. 218. Alle von der Sache zu entrichtenden gewöhnlichen
Lasten und Abgaben muß der Besitzer von der ganzen Zeit, wo ihm der Genuß der
Früchte gebührt, übertragen.
f) der
Deteriorationen.
§. 219. Für die Verschlimmerungen der Sache, die sich während
seiner Besitzzeit ereignet haben, darf der redliche Besitzer nur in so fern
haften, als sie durch sein grobes Versehen entstanden sind.
g) der
Auslieferungskosten.
§. 220. Die zur Auslieferung oder Uebergabe der Sache
nothwendigen Kosten muß der Eigenthümer tragen.
§. 221. Die Rechte des redlichen Besitzers, wegen des für
die Sache gezahlten Kaufwerthes, so wie die Rechte des Eigenthümers gegen den
gewesenen Besitzer, welcher die Sache veräußert hat, sind gehörigen Orts
bestimmt. (Tit. XV.)
2) Von einem vollständigen aber unredlichen Besitzer.
§. 222. Wenn kein früherer Zeitpunkt der Unredlichkeit des
Besitzes ausgemittelt werden kann, so wird der Tag der dem Besitzer durch die
Gerichte geschehenen Behändigung der Klage dafür angenommen.
§. 223. Der unredliche Besitzer muß die Sache mit allen
vorhandnen Früchten und Nutzungen zurückgeben, und diejenigen, welche er
während seines unredlichen Besitzes genossen hat, vergüten.
§. 224. Es macht dabey keinen Unterschied: ob die Früchte
noch in ihrer ursprünglichen Form vorhanden sind, oder nicht; und ob der
unredliche Besitzer die genossenen Früchte selbst verzehrt, oder an Andere
überlassen hat.
§. 225. Für die selbst verzehrten oder sonst veräußerten
Früchte muß der unredliche Besitzer den mittlern Preis der nächsten Marktstadt,
welchen Früchte dieser Art zur Zeit der Verzehrung oder sonstigen Veräußerung
gehabt haben, ersetzen.
§. 226. Die verkauften Früchte muß er nach den dafür
erhaltenen Preisen vergüten.
§. 227. Doch kann auch bey diesen der Eigenthümer, statt des
erhaltenen, den zur Zeit des Verkaufs gestandenen mittlern Marktpreis fordern.
§. 228. Bey Früchten, welche gewöhnlich nicht zu Markte
gebracht werden, müssen Sachverständige den damaligen Werth bestimmen.
§. 229. Wer es weiß, daß die Sache, die er als seine eigne
besitzt, einem Andern zugehöre, der muß auch diejenigen Früchte und Nutzungen,
welche der rechtmäßige Eigenthümer wirthschaftlich hätte genießen können,
demselben vergüten.
§. 230. Unter der wirtschaftlichen Benutzung eines Guts wird
die in jeder Provinz und Gegend gewöhnliche Art des Wirthschaftsbetriebs
verstanden.
§. 231. Die an die Stelle der Früchte tretende Geldsumme muß
der unredliche Besitzer von dem Tage an, wo die Festsetzung derselben
rechtskräftig geworden ist, landüblich verzinsen.
§. 232. Ist die herauszugebende Sache ein Capital, so muß
der unredliche Besitzer davon Zinsen nach dem höchsten gesetzmäßig erlaubten;
der bloße unrechtfertige Besitzer aber nach dem landüblichen Satze, durch die
ganze Zeit seines Besitzes, statt der Nutzung entrichten.
§. 233. Die Gewinnungskosten der Früchte kann der
unredliche, so wie der unrechtfertige Besitzer von den Früchten nur in so fern
abziehen, als dieselben nach der in jeder Provinz und Gegend gewöhnlichen Art
des Betriebs wirthschaftlich verwendet worden.
§. 234. Kann er über diese Gewinnungskosten keine zur Zeit
der Verwendung ordentlich geführte Rechnung vorlegen, so kann er nicht mehr
fordern, als nach dem Gutachten der Sachverständigen zur Nothdurft erforderlich
gewesen.
§. 235. Die von der Sache entrichteten Lasten und Abgaben,
die der Eigenthümer selbst hätte erlegen müssen, muß sich dieser auf die zu
erstattenden Früchte in Abzug bringen lassen.
§. 236. Die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der
Substanz nothwendig gewesenen Kosten müssen dem unredlichen Besitzer, so wie
dem redlichen, vergütet werden.
§. 237. Doch kann er auf den Ersatz solcher Kosten in so
fern keinen Anspruch machen, als der Verfall der Sache, oder die ihr
bevorstehende Gefahr, durch sein eignes, auch nur geringes, Versehen veranlaßt
worden.
§. 238. Offenbare Verbesserungen kann er unter der §. 211.
enthaltenen Bestimmung, bloß wegnehmen, wenn der Eigenthümer ihm keine billige
Vergütung dafür will angedeihen lassen.
§. 239. Wer nicht unredlicher, sondern nur unrechtfertiger
Besitzer ist, (§. 14.) dem müssen die Kosten einer solchen Verbesserung, die
nicht weggenommen werden kann, so weit ersetzt werden, als sonst der
Eigenthümer sich offenbar mit seinem Schaden bereichern würde.
§. 240. Ist die Sache während des unredlichen Besitzes
verschlimmert worden, so muß der unrechtfertige Besitzer jedes mäßige; der
eigentlich unredliche hingegen selbst das geringste Versehen vertreten.
§. 241. Auch den Zufall muß der eigentlich unredliche
Besitzer tragen, wenn nicht ausgemittelt werden kann, daß der Zufall die Sache
im Besitze des Eigenthümers ebenfalls würde getroffen haben.
§. 242. Wer mittelst einer durch Strafgesetze verbotnen
Handlung zum Besitz einer Sache gelangt ist, kann sich gegen den Ersatz der
Verschlimmerungen durch den Einwand, daß dieselben bloß zufällig entstanden
wären, niemals schützen.
§. 243. Auch die zur Auslieferung oder Uebergabe der Sache
erforderlichen Kosten muß jeder unredliche Besitzer tragen.
§. 244. Ueberhaupt muß der unredliche Besitzer dem
Eigenthümer oder rechtmäßigen Besitzer alles ersetzen, was derselbe durch die
Vorenthaltung des Besitzes erweislich verloren hat.
3) Von einem unvollständigen Besitzer.
§. 245. Der unvollständige Besitzer muß zwar den Besitz
räumen, sobald der vollständige Besitzer, von welchem er sein Recht herleitet,
desselben verlustig erklärt wird;
§. 246. Hat er aber redlich besessen, so wird er aus der
Zeit seines Besitzes dem Eigenthümer nicht weiter verantwortlich, als er es dem
vollständigen Besitzer hätte seyn müssen, wenn dieser wirklich Eigenthümer
gewesen wäre.
§. 247. Auch bey der Räumung des Besitzes darf er dem Eigenthümer
nur das leisten, wozu er dem vollständigen Besitzer verpflichtet seyn würde,
wenn er den Besitz an diesen räumen müßte.
§. 248. Hat er aber unredlich besessen, so haftet er dem
Eigenthümer für allen Schaden, Früchte, Nutzungen und Kosten, gleich einem
unredlichen vollständigen Besitzer.
§. 249. Doch kann der Eigenthümer auch von einem solchen
unvollständigen Besitzer nur diejenigen Erstattungen fordern, die er von dem
vollständigen nicht erhalten kann.
§. 250. So weit der an sich redliche unvollständige Besitzer
Veränderungen gemacht hat, wozu ihn sein Titel nicht berechtigte, ist derselbe,
im Verhältniß gegen den Eigenthümer, einem unrechtfertigen Besitzer gleich zu
achten. (§. 239.)
Achter Titel
Vom Eigenthum
Begriff.
§. 1. Eigenthümer heißt derjenige, welcher befugt ist, über
die Substanz einer Sache, oder eines Rechts, mit Ausschließung Andrer, aus
eigner Macht, durch sich selbst, oder durch einen Dritten, zu verfügen.
Gegenstand des Eigenthums.
§. 2. Alles, was einen ausschließenden Nutzen gewähren kann,
ist ein Gegenstand des Eigenthums.
§. 3. Sachen, von deren Benutzung, ihrer Natur nach, niemand
ausgeschlossen werden kann, können kein Eigenthum einzelner Personen werden.
§. 4. Ein Gleiches gilt von Sachen, welche durch die Gesetze
des Staats vom gemeinen Verkehr ausgenommen sind.
§. 5. Daß eine Sache, die an sich ein Gegenstand des
Eigenthums seyn kann, vom gemeinen Privatverkehr ausgenommen sey, wird nicht
vermuthet.
Personen, welche Eigenthum erwerben können.
§. 6. Ein jeder, den die Gesetze nicht besonders
ausschließen, kann durch sich selbst oder durch Andre Eigenthum erwerben.
§. 7. Aus der eintretenden Unfähigkeit zur Erwerbung von
Sachen gewisser Art, folgt noch nicht die Unfähigkeit zur Fortsetzung des
Eigenthums von vorhin schon erworbnen Sachen derselben Art.
§. 8. Wird aber zur Ausübung gewisser mit dem Eigenthume
einer Sache verbundnen Rechte, zugleich eine persönliche Eigenschaft erfordert,
so ruht die Ausübung dieser Rechte, sobald und so lange dem dermaligen
Eigenthümer die persönliche Eigenschaft ermangelt.
Von den unter dem Eigenthume begriffenen Rechten.
§. 9. Zum vollen Eigenthume gehört das Recht, die Sache zu
besitzen, zu gebrauchen, und sich derselben zu begeben.
§. 10. Das Recht, über die Substanz der Sache zu verfügen,
wird Proprietät genannt.
§. 11. Das Recht, eine Sache zu seinem Vortheil zu
gebrauchen, heißt das Nutzungsrecht.
§. 12. Das zum Eigenthum gehörende Nutzungsrecht erstreckt
sich auf alle Vortheile, welche die Sache gewähren kann.
§. 13. Der Eigenthümer ist von dem Gebrauche seiner Sache,
so weit es die Gesetze nicht ausdrücklich verordnen, niemanden Rechenschaft zu
geben schuldig.
Einteilungen des Eigenthums.
§. 14. Wenn das volle Eigenthum über eine Sache mehrern
Personen zukommt, so ist ein gemeinschaftliches Eigenthum vorhanden.
§. 15. Die Personen, welche ein solches gemeinschaftliches
Eigenthum haben, werden Miteigenthümer der Sache genannt.
§. 16. Das Eigenthum einer Sache ist getheilt, wenn die
darunter begriffnen verschiednen Rechte, verschiednen Personen zukommen.
§. 17. In so fern mehrere Personen an einem dieser Rechte
Theil nehmen, ist das Recht, nicht aber die Sache selbst, ihr
gemeinschaftliches Eigenthum.
§. 18. Wenn es auf Verfügungen über das volle Eigenthum der
Sache ankommt, so werden die mehrern Miteigenthümer eines jeden einzelnen
darunter begriffnen Rechts nur als Eine Person betrachtet.
§. 19. Wer nur die Proprietät der Sache, ohne das
Nutzungsrecht hat, wird Eigner genannt.
§. 20. Wer Miteigner der Proprietät ist, und zugleich das
Nutzungsrecht hat, dem wird ein nutzbares Eigenthum der Sache beygelegt.
§. 21. Das Eigenthum heißt eingeschränkt, wenn dem
Eigenthümer nur gewisse Arten der Ausübung der darunter begriffnen Rechte
versagt sind.
Grundsätze von dem getheilten und eingeschränkten
Eigenthume.
§. 22. Daß das Eigenthum einer Sache, und die Rechte, welche
aus der Natur des Eigenthums fließen, getheilt sind, wird nicht vermuthet.
§. 23. Wer ein volles Eigenthum der Sache hat, für den
streitet die Vermuthung, daß dasselbe uneingeschränkt sey.
§. 24. Auch bey dem getheilten Eigenthume werden
Einschränkungen des einem jeden Theilnehmer zukommenden Rechts nur in so fern
vermuthet, als sie aus der Natur des dem andern Theilnehmer beywohnenden Rechts
von selbst folgen.
§. 25. Einschränkungen des Eigenthums müssen also durch
Natur, Gesetze, oder Willenserklärungen bestimmt seyn.
§. 26. Jeder Gebrauch des Eigenthums ist daher erlaubt und
rechtmäßig, durch welchen weder wohlerworbne Rechte eines Andern gekränkt, noch
die m den Gesetzen des Staats vorgeschriebnen Schranken überschritten werden.
§. 27. Niemand darf sein Eigenthum zur Kränkung oder
Beschädigung Andrer mißbrauchen.
§. 28. Mißbrauch heißt ein solcher Gebrauch des Eigenthums,
welcher vermöge seiner Natur nur die Kränkung eines Andern zur Absicht haben
kann.
§. 29. Der Staat kann das Privateigentum seiner Bürger nur
alsdann einschränken, wenn dadurch ein erheblicher Schade von Andern oder von
dem Staate selbst abgewendet, oder ihnen ein beträchtlicher Vortheil verschafft
werden, beydes aber ohne allen Nachtheil des Eigenthümers geschehen kann.
§. 30. Ferner alsdann, wenn der abzuwendende Schade, oder
der zu verschaffende Vortheil des Staats selbst, oder andrer Bürger desselben,
den aus der Einschränkung für den Eigenthümer entstehenden Nachtheil
beträchtlich überwiegt.
§. 31. Doch muß in diesem letztern Falle der Staat zugleich
dafür sorgen, daß der einzuschränkende Eigenthümer für den dadurch erleidenden
Verlust vollständig schadlos gehalten werde.
§. 32. In allen Fällen aber können Einschränkungen des
Eigenthums, welche nicht aus besondern wohl erworbnen Rechten eines Andern
entspringen, nur durch Gesetze begründet werden.
Gesetzliche Einschränkungen zum Besten des gemeinen Wesens.
§. 33. So weit die Erhaltung einer Sache auf die Erhaltung
und Beförderung des gemeinen Wohls erheblichen Einfluß hat, so weit ist der
Staat deren Zerstörung oder Vernichtung zu untersagen berechtigt.
§. 34. So weit die Benutzung einer Sache zur Erhaltung des
gemeinen Wohls erforderlich ist, kann der Staat diese Benutzung befehlen, und
die Unterlassung derselben durch Strafgesetze ahnden.
Bey Gebäuden.
Pflichten des Eigentümers wegen deren Unterhaltung
und Wiederherstellung.
§. 35. Statuen und Denkmäler, die auf öffentlichen Plätzen
errichtet worden, darf niemand, wer er auch sey, beschädigen, oder ohne
obrigkeitliche Erlaubniß wegnehmen oder einreißen.
§. 36. Noch weniger dürfen, ohne dergleichen Erlaubniß,
Gebäude in den Städten, die an Straßen oder öffentliche Plätze stoßen,
zerstöret oder vernichtet werden.
§. 37. Dergleichen Gebäude muß der Eigenthümer, so weit es
zur Erhaltung der Substanz und Verhütung alles Schadens und Nachtheils für das
Publikum nothwendig ist, in baulichem Stande unterhalten.
§. 38. Vernachläßigt er diese Pflicht dergestalt, daß der
Einsturz des ganzen Gebäudes, oder eine Gefahr für das Publikum zu besorgen
ist, so muß die Obrigkeit ihn zur Veranstaltung der nothwendigen Reparatur,
innerhalb einer nach den Umständen zu bestimmenden billigen Frist, allenfalls
durch Zwangsmittel anhalten.
§. 39. Sind diese fruchtlos, so ist die Obrigkeit den
nothwendigen Bau auf seine Kosten zu veranstalten berechtigt.
§. 40. Kann oder will er die Kosten nicht herbeyschaffen, so
kann die Obrigkeit dergleichen Gebäude zum öffentlichen Verkaufe ausbieten.
§. 41. Dem Käufer eines solchen Gebäudes muß allemal die
Wiederherstellung desselben zur Bedingung gemacht werden.
§. 42. Das außerdem erlegte Kaufgeld kommt dem bisherigen
Eigenthümer oder dessen Gläubigern zu gute.
§. 43. Doch muß davon dasjenige, was die Obrigkeit etwa
schon auf einstweilige Veranstaltungen zur Abwendung dringender Gefahr hat
verwenden müssen, zuvor abgezogen werden.
§. 44. Findet sich kein Käufer, so müssen die auf dem
Grundstücke versicherten Gläubiger über die Mittel zur Erhaltung und
Wiederherstellung des Gebäudes vernommen werden.
§. 45. Können diese sich darüber nicht vereinigen, so muß
das Gebäude demjenigen unter ihnen, welcher, außer der Wiederherstellung
desselben, die vorteilhaftesten Bedingungen für seine Mitgläubiger und den
Eigenthümer anbietet, zugeschlagen werden.
§. 46. Will auch kein Gläubiger das Gebäude als Meistbietender
erstehen, so ist der erste unter ihnen
den Zuschlag, gegen die bloße Uebernahme der
Wiederherstellung, zu verlangen berechtigt.
§. 47. Will dieser von seinem Rechte keinen Gebrauch machen,
so geht dasselbe auf die folgenden, immer nach Ordnung der Priorität, über.
§. 48. Will keiner von den Gläubigern die Wiederherstellung
des Gebäudes übernehmen, so muß dasselbe der Cämmerey des Orts zugeschlagen
werden.
§. 49. Der Magistrat ist alsdann berechtigt, dergleichen
Gebäude einem jeden, unter der Bedingung des zu vollführenden Baues, als sein
freyes Eigenthum zu überlassen.
§. 50. So lange jedoch der wirkliche Zuschlag an einen
solchen Dritten(!) Uebernehmer noch nicht erfolgt ist, behält der bisherige
Eigenthümer, so wie jeder Gläubiger desselben das Recht, sich annoch zur
Ausführung des Baues zu melden.
§. 51. Doch müssen in einem solchen Falle, der Eigenthümer
oder der Gläubiger, welche dem Zuschlage an einen Dritten widersprechen wollen,
der Obrigkeit, wegen wirklicher Vollführung des Baues, gnugsame Sicherheit
sofort nachweisen.
§. 52. Unter übrigens gleichen Umständen hat der Eigenthümer
vor dem Gläubiger den Vorzug.
§. 53. Wenn in den Fällen des §. 46. 47. und 50. das Gebäude
einem der Gläubiger zugeschlagen wird, so verlieren die übrigen, und wenn
dasselbe, in dem Falle des §. 48., der Cämmerey anheim fällt, so verlieren alle
Gläubiger ihr Recht an dergleichen Grundstück.
§. 54. Wenn also bey dem durch den Magistrat nach §. 49.
veranstalteten Zuschlage, außer der Uebernahme der Wiederherstellung, noch
andere Vortheile bewilligt werden, so kommen dieselben der Cämmerey zu statten.
§. 55. Dagegen wird aber auch der bisherige Eigenthümer von
der Zeit an, wo er nach §. 48. das Gebäude der Cämmerey überlassen, und sich
aller fernern Nutzung desselben begeben muß, von der weitem Entrichtung der
darauf haftenden dinglichen Lasten frey.
§. 56. Kann auch durch die Veranstaltungen des Magistrats
dergleichen verfallenes Gebäude nicht wieder hergestellt werden, so ist, bey
fortdauernder Gefahr für das Publicum, die Obrigkeit, selbiges abbrechen, und
die Materialien an den Meistbietenden verkaufen zu lassen berechtigt.
§. 57. Das daraus gelösete Geld aber kommt der Cämmerey,
welche bisher die nothwendigen Unterhaltungskosten hat hergeben müssen, zu
statten.
§. 58. Was §. 36. sqq. von verfallenen städtischen Gebäuden
verordnet ist, gilt auch von solchen, die durch Feuer oder anderes Unglück
zerstöret worden, wenn der bisherige Eigenthümer dieselben, innerhalb einer,
von der Obrigkeit zu bestimmenden Frist, nicht wieder herstellen kann oder
will.
§. 59. Die für einen solchen Unglücksfall ausgesetzten
Feuer-Societäts-Beyträge, und andere dergleichen Vergütungen, kommen alsdann
nicht dem bisherigen Eigenthümer oder dessen Concursmasse, sondern dem
Uebernehmer des Bauplatzes zu statten.
§. 60. Was von städtischen Grundstücken verordnet ist, gilt
auch von Grundstücken auf dem Lande, die als eigne für sich bestehende Stellen
oder Nahrungen in den Steueroder Lagerbüchern eingetragen sind.
§. 61. Wenn also der Eigenthümer ein solches Grundstück
dergestalt in Verfall gerathen läßt, daß davon die öffentlichen Abgaben und
Prästationen nicht mehr entrichtet werden können, so ist die Obrigkeit damit
eben so, wie bey den städtischen Grundstücken vorgeschrieben worden, zu verfahren
berechtigt.
§. 62. Ein Gleiches findet statt, wenn der Eigenthümer die
zum Gute nothwendig erforderlichen Gebäude, ohne welche dasselbe nicht bewohnt,
oder nicht bewirtschaftet werden kann, eingehen läßt.
§. 63. Doch kann auch in diesen Fällen bey einem erfolgenden
Verkaufe dienstpflichtiger Stellen, der Grundherrschaft ein zu Versehung der
Wirthschaft und Leistung der Dienste untauglicher Besitzer nicht aufgedrungen
werden.
§. 64. In Fällen, wo städtische Grundstücke der Cämmerey
zugeschlagen werden, fallen Rusticalgründe der Obrigkeit des Orts zur
anderweitigen Besetzung oder Vertheilung anheim.
Einschränkungen des Eigenthümers bey dem Bauen.
§. 65. In der Regel ist jeder Eigenthümer seinen Grund und
Boden mit Gebäuden zu besetzen oder sein Gebäude zu verändern wohl befugt.
§. 66. Doch soll zum Schaden oder zur Unsicherheit des
gemeinen Wesens, oder zur Verunstaltung der Städte und öffentlichen Plätze,
kein Bau und keine Veränderung vorgenommen werden.
§. 67. Wer also einen neuen Bau in Städten anlegen will, muß
davon zuvor der Obrigkeit zur Beurtheilung Anzeige machen.
§. 68. Bey der anzustellenden Prüfung muß die Obrigkeit
zugleich dahin sehen, daß durch eine richtige und vollständige Beschreibung des
abzutragenden Gebäudes, nach seiner Lage, Gränzen und übrigen Beschaffenheit,
künftigen Streitigkeiten bey dem Wiederaufbaue, in Ansehung des Winkelrechts,
und sonst, möglichst vorgebeugt werde.
§. 69. Vorzüglich ist eine besondre obrigkeitliche Erlaubniß
nothwendig, wenn, es sey in Städten oder auf dem Lande, eine neue Feuerstelle
errichtet, oder eine alte an einen andern Ort verlegt werden soll.
§. 70. Bauherrn und Baumeister, welche dieser Vorschrift (§.
69.) zuwider handeln, haben jeder eine Polizeystrafe von Fünf bis Zehn Thalern
verwirkt; selbst wenn der Bau an sich untadelhaft befunden werden sollte.
§. 71. In allen Fällen, wo sich findet, daß ein ohne
vorhergegangene Anzeige unternommener Bau schädlich oder gefährlich für das
Publikum sey, oder zur groben Verunstaltung einer Straße oder eines Platzes
gereiche, muß derselbe nach der Anweisung der Obrigkeit geändert werden.
§. 72. Findet die Aenderung nicht statt, so muß das Gebäude
wieder abgetragen, und alles, auf Kosten des Bauenden, in den vorigen Stand
gesetzt werden.
§. 73. Bauanlagen auf Straßen, wodurch Gehende, Reitende
oder Fahrende Beschädigungen ausgesetzt werden, soll die Obrigkeit nicht
dulden.
§. 74. Niemand darf in Gegenden, die zum Ab- und Zugang des
Publikums bestimmt sind, vor seinen Fenstern, oder an seinem Hause, etwas
aufstellen oder aufhängen, durch dessen Herabsturz jemand beschädigt werden
könnte.
§. 75. Der Uebertreter muß das Aufgestellte oder Aufgehängte
sofort wegzuschaffen angehalten werden; und hat überdies eine Polizeystrafe von
Zwey bis Fünf Thalern verwirkt.
§. 76. Ohne Erlaubniß der Obrigkeit dürfen Baustellen, die
bisher besondre Nummern hatten, nicht in Eins gezogen werden.
§. 77. Auch die Zugestehung einer solchen Erlaubniß kann, in
Ansehung der nach den Nummern vertheilten, oder noch zu vertheilenden Lasten
und Abgaben, weder dem gemeinen Wesen, noch andern Privatpersonen zum
Nachtheile gereichen.
§. 78. Die Straßen und öffentlichen Plätze dürfen nicht
verengt, verunreinigt, oder sonst verunstaltet werden.
§. 79. Besonders darf niemand, ohne ausdrückliche
Bewilligung der Obrigkeit, einen Kellerhals oder andres dergleichen
Nebengebäude auf die Straße zu anlegen.
§. 80. Auch die Einrichtung von Keller- und Ladenthüren,
welche auf die Straße gehen, die Anlegung neuer, oder Wiederherstellung
eingegangener Erker, Loben und auf die Straße hinaus gießender Dachrinnen; die
Aufsetzung von Wetterdächern, und in die Straße hinein sich erstreckenden
Schildern, so wie die Errichtung von Blitzableitern, darf nur unter Erlaubniß
der Polizeyobrigkeit, und nach den von dieser zu ertheilenden Anweisungen
vorgenommen werden.
§. 81. Uebrigens aber kann jeder Hauseigentümer den
sogenannten Bürgersteig, so weit er das Steinpflaster zu unterhalten hat, unter
den §. 78. bestimmten Einschränkungen nutzen.
§. 82. Nähere Bestimmungen über die §. 78 bis 81. berührten
Gegenstände bleiben den besondern Polizeygesetzen eines jeden Orts vorbehalten.
Bey Wäldern.
§. 83. Wälder und beträchtliche Holzungen, die nach ihrer
Beschaffenheit und Umfang einer forstmäßigen Bewirtschaftung fähig sind, darf
der Eigenthümer nur dergestalt benutzen, daß dadurch keine den Grundsätzen der
Forstwirtschaft zuwider laufende Holzverwüstung entstehe.
§. 84. Was für eine Holzverwüstung zu achten sey, ist nach
den Umständen einer jeden Provinz, dem Ueberfluß oder Mangel des darin
befindlichen Holzes, den mehrern oder mindern Erfordernissen zum Bedarf der
Einwohner, und der in der Provinz bestehenden Landesfabriken, in den
Provinzial-Forstordnungen bestimmt.
§. 85. In Provinzen und Gegenden, wo es am Holzabsatz
fehlet, ist nur alsdann eine Holzverwüstung vorhanden, wenn der Eigenthümer
eines Waldes davon nicht so viel übrig läßt, als zur fortwährenden Bedürfniß
seines Guts und der Dorfseinwohner erforderlich ist.
§. 86. Wer sich einer Holzverwüstung schuldig gemacht hat,
der muß in der fernern Benutzung seines Waldes auf so lange Zeit eingeschränkt
werden, als zur Wiederherstellung desselben erforderlich ist.
§. 87. Wer durch Niederschlagung und Ruinirung des Waldes
eine offenbare Holzverwüstung begangen, oder den wegen der Einschränkung seines
Holzschlags ihm ertheilten besondern Anweisungen der Landes-Polizeyinstanz
zuwider gehandelt hat, der soll dafür nach Verhältniß des Werths des zu viel
geschlagenen Holzes, an Gelde, oder mit Gefängniß, nachdrücklich bestraft
werden.
§. 88. Nähere Bestimmungen der Strafen einer Holzverwüstung
bleiben den Provinzial-Forstordnungen vorbehalten.
§. 89. Wie weit die Radungen(!) abgeholzter Reviere
eingeschränkt, und die Eigenthümer derselben zum Anbau des jungen Holzes
verpflichtet werden sollen, ist nach den Umständen und Bedürfnissen der
verschiednen Provinzen in ihren besondern Gesetzbüchern zu bestimmen.
§. 90. Glas- und Eisen-Hütten, Pech- und Theer-Oefen, und
andere dergleichen Anstalten, welche einen ungewöhnlich großen Holzverbrauch
erfordern, sollen ohne Vorwissen der Landes-Polizeyinstanz nirgend angelegt
werden.
§. 91. Sensen oder Blattsicheln, bey deren Gebrauch das
heranwachsende junge Holz nicht gehörig geschont werden kann, sollen in
Holzrevieren zum Grasmachen niemals gebraucht werden.
§. 92. Auch das Nadelharken ist nur an Orten, wo der Mangel
anderweitiger Düngung es unentbehrlich macht, niemals aber mit eisernen Harken
oder Rechen zu gestatten.
§. 93. Die zu fällenden Waldbäume sollen, so weit es ohne
Beschädigung der übrigen geschehen kann, mit der Wurzel ausgegraben, sonst aber
nicht höher, als sechs Zoll über der Erde, abgestammt werden.
§. 94. Wo wegen vorwaltender besondrer Umstände diese
Vorschrift nicht statt finden kann, da muß das Erforderliche, unter Zuziehung
von Sachverständigen, näher bestimmt werden.
§. 95. In den sechs Monathen vom April bis zum September
darf Bauholz nur im äußersten Nothfalle, oder nur in Gegenden, die den Winter
hindurch unzugänglich sind, geschlagen werden.
Bey Gräben und Wasserleitungen.
§. 96. Wasserleitungen und andre Wasserbaue an öffentlichen
Oertern und Flüssen müssen unter Aufsicht der Landespolizey geführet werden.
§. 97. Besonders darf niemand an öffentlichen Flüssen, wenn
gleich auf seinem Eigenthume, Schleusen, Wehre, Dämme und Brücken anlegen oder
ändern, ohne daß zuvor die Nachbarn vernommen, und die Einwilligung des Staats
beygebracht worden.
§. 98. Die übrigen Einschränkungen der Rechte des
Eigenthümers, in Rücksicht der öffentlichen Ströme, Hafen und Meeresufer, sind
in dem Titel von den Regalien des Staats bestimmt.
§. 99. Auch in Privatflüssen darf, zum Nachtheile der
Nachbarn und Uferbewohner, durch Hemmung des Ablaufs derselben, nichts
unternommen oder verändert werden.
§. 100. Vielmehr ist der Regel nach ein jeder die über sein
Eigenthum gehenden Graben und Canäle, wodurch das Wasser seinen ordentlichen und
gewöhnlichen Ablauf hat, zu unterhalten verbunden.
§. 101. Sind es Scheidegräben, so muß in der Regel die
Unterhaltung von den beyderseitigen Nachbarn bis zur Mitte des Grabens
geschehen.
Einschränkungen des Eigenthums zum Besten des Nachbarn.
§. 102. Gegen das außerhalb der ordentlichen Canäle und
Gräben wild ablaufende Wasser ist ein jeder Eigenthümer seine Grundstücke zu
decken wohl befugt.
in Ansehung der Vorfluth.
§. 103. Kann jedoch der oberhalb liegende Besitzer
dergleichen Wasser durch die auf seinem Grunde und Boden zu machenden
Veranstaltungen nicht abführen: So ist der unterhalb liegende Nachbar selbiges
anzunehmen, und also dem obern die Vorfluth zu gestatten verbunden.
§. 104. Die unterhalb liegenden Besitzer sind aber dazu
nicht verpflichtet, so bald es einem unter ihnen durch natürliche Hindernisse
unmöglich wird, das solchergestalt anzunehmende Wasser weiter abzuleiten.
§. 105. Doch kann auch in diesem Falle der Staat die
unterhalb liegenden Nachbarn zu Gestattung der Vorfluth anhalten, wenn die
Vortheile des oberhalb gelegenen Besitzers den Schaden der untern beträchtlich
überwiegen, und Erstere den letzern diesen ganzen Schaden vollständig zu
vergüten bereit und vermögend sind.
§. 106. Ist zur Verschaffung der Vorfluth die Ziehung eines
neuen Grabens nothwendig, so müssen diejenigen, welche Nutzen davon haben, nach
Verhältniß desselben zu den Kosten gemeinschaftlich beytragen.
§. 107. Hat der, auf dessen Grund und Boden der Graben
gezogen wird, davon keinen Vortheil, so ist er zur Anlegung so wenig, als zur
Unterhaltung desselben, etwas beyzutragen verbunden.
§. 108. Vielmehr muß ihm der dadurch erlittene Schade, mit
Inbegriff der durch Ziehung des neuen Grabens verloren gehenden Erdfläche, nach
der Würdigung vereydeter Sachverständigen ersetzt werden.
§. 109. Auch die neuen Brücken, welche über dergleichen
Graben angelegt und unterhalten werden müssen, fallen denjenigen zur Last, zu
deren Besten der Graben gezogen worden.
§. 110. Doch muß der Eigenthümer, wenn er auch zur
Mitunterhaltung des Grabens oder der Brücken nicht selbst verpflichtet ist, die
daran sich ereignenden Beschädigungen, sobald er sie wahrnimmt, den
Interessenten anzeigen.
§. 111. Wenn nach geschehener Anzeige die Interessenten die
erforderliche Reparatur nicht zeitig genug besorgen können, oder wollen, so ist
der Eigenthümer dieselbe, zur Abwendung des für ihn zu besorgenden Schadens,
auf ihre Kosten zu veranstalten wohl befugt.
§. 112. Dagegen soll aber auch der Eigenthümer, welcher
dergleichen Graben oder Brücken, durch sich selbst oder durch die Seinigen,
vorsetzlich oder aus grober Unvorsichtigkeit beschädigt, nicht nur zum
vollständigen Schadensersatz angehalten, sondern auch doppelt so strenge, als
ein Fremder bestraft werden.
§. 113. Ist zur Verschärfung der Vorfluth nicht die Ziehung
eines neuen, sondern nur die Verbreitung oder Vertiefung eines schon vorhandnen
Grabens erforderlich, so finden wegen der Kosten dieser Anlage die §. 106-109.
gegebnen Vorschriften Anwendung.
§. 114. Die Unterhaltung des verbreiteten Grabens aber liegt
demjenigen ob, welcher den alten Graben zu unterhalten hatte.
§. 115. Doch muß bey Bestimmung der nach §. 108. dem
Eigenthümer zu leistenden Entschädigung, auch auf die mehrern ihm in der Folge
zur Last fallenden Unterhaltungskosten billige Rücksicht genommen werden.
§. 116. Was von der Verbreitung eines Grabens verordnet ist,
gilt auch von der Verlängerung der darüber gelegten Brücken.
§. 117. Zur Ableitung der Teiche oder stehenden Seen, ist
niemand die Ziehung neuer Gräben über sein Eigenthum wider seinen Willen zu
gestatten verpflichtet.
Von Reinen und Pflugrechten.
§. 118. Die Reine oder sogenannten Pflugrechte zwischen
benachbarten Grundstücken werden in der Regel als gemeinschaftliches Eigenthum
angesehen.
§. 119. Sie dürfen also von keinem der benachbarten
Besitzer, ohne Einwilligung der Miteigentümer, verändert oder geschmälert
werden.
Von Winkeln.
§. 120. Auch die Winkel oder Zwischenräume zwischen den
Häusern werden in der Regel für gemeinschaftlich geachtet.
§. 121. Hat jedoch bisher nur einer der Nachbarn die Traufe
dahin fallen lassen, und nur allein Gossen, Privete, oder offne Fenster darin
gehabt, so wird vermuthet, daß der Zwischenraum ihm eigenthümlich gehöre.
§. 122. In einem zwischen zwey Häusern gelegenen Winkel darf
auch der, welchem selbiger eigenthümlich gehört, die Röhre von einem Windofen
ohne des Nachbars Einwilligung nicht führen.
Von Erkern, Altanen u. s. w.
§. 123. Die Anlegung neuer Erker, Altane, Wetterdächer,
Dachtraufen, und andrer über die Gränze ragender Bauwerke, ist der Nachbar zu
dulden nicht verpflichtet.
Von Bäumen an den Häusern.
§. 124. Wer an seinem Hause Bäume oder Weinreben pflanzen
will, muß dieselben dergestalt hinter ein Geländer ziehn, daß weder sie selbst,
noch das Geländer, die Wände der benachbarten Gebäude berühren.
Von Schweinställen, Kloaken u. s. w.
§. 125. Schweinställe, Kloake, Dünger- und Lohgruben, und
andre den Gebäuden schädliche Anlagen, müssen wenigstens drey Fuß rheinländisch
von den benachbarten Gebäuden, Mauern und Scheunen entfernt bleiben.
§. 126. Auch müssen dergleichen Gruben und Behältnisse von
Grund aus aufgemauert werden.
§. 127. Von Bäumen des Nachbars müssen dergleichen Anlagen
wenigstens drey Werkschuhe zurücktreten.
Von Rinnen und Canälen.
§. 128. Wer auf seinem Grunde und Boden, jedoch an der Seite
des Nachbars hin, Rinnen und Canäle an der Erde zur Abführung des Wassers
anlegen will, muß gegen die Wand des Nachbars wenigstens noch einen Raum von
einem Werkschuhe frey lassen.
Von Brunnen.
§. 129. Anlagen, durch welche der schon vorhandne Brunnen
des Nachbars verunreinigt, oder unbrauchbar gemacht werden würde, sind
unzuläßig.
§. 130. Dagegen kann die Grabung eines Brunnens auf eignem
Grund und Boden, wenn gleich dadurch dem Nachbar sein Wasser entzogen wird, dem
Eigenthümer nicht gewehrt werden, sobald der Nachbar desfalls kein besondres
Untersagungsrecht erlangt hat.
§. 131. Doch darf innerhalb dreyer Werkschuhe von des
Nachbars Gränze kein neuer Brunnen angelegt werden.
§. 132. Ueberhaupt darf unter des Nachbars Grunde niemand
graben.
Vom Gebrauche einer gemeinschaftlichen Mauer.
§. 133. Back-, Brenn- oder Schmelz-Oefen und Feuerheerde,
können an der gemeinschaftlichen, oder dem Nachbar gehörenden Scheidewand, ohne
desselben Bewilligung, nicht angelegt werden.
§. 134. Dagegen ist ein jeder an der gemeinschaftlichen
Mauer, auch ohne besondre Rückfrage mit dem Nachbar, Schornsteine anzulegen
wohl befugt.
§. 135. Eine gemeinschaftliche Mauer kann jeder Nachbar an
seiner Seite bis zur Hälfte der Dicke zu seinem Nutzen brauchen, in so fern
dadurch dem Gebäude selbst kein Nachtheil geschieht.
§. 136. Doch müssen Wandschränke und andre dergleichen
Anlagen in einer solchen Mauer, dergestalt eingerichtet werden, daß sie nicht
auf diejenigen treffen, welche der Nachbar auf der entgegenstehenden Seite
bereits angelegt hat.
Vom Licht und von der Aussicht.
§. 137. Um Licht in sein Gebäude zu bringen, kann ein jeder
Oeffnungen und Fenster in seine eigne Wand oder Mauer machen, wenn dieselben
gleich eine Aussicht über die benachbarten Gründe gewähren.
§. 138. Sollen jedoch die Oeffnungen in einer unmittelbar an
des Nachbars Hof oder Garten stoßenden Wand oder Mauer gemacht werden, so
müssen dieselben, wo es die Umstände gestatten, sechs Fuß von dem Boden des
Zimmers oder Behältnisses erhöht; in allen Fällen aber mit eisernen nur zwey
Zoll von einander stehenden Stäben, oder mit einem Drathgitter verwahrt seyn.
§. 139. Neu errichtete Gebäude müssen von altern schon
vorhandnen Gebäuden des angränzenden Nachbars, wenn nicht besondre
Polizeygesetze ein Andres vorschreiben, wenigstens drey Werkschue zurücktreten.
§. 140. Stößt aber das neue Gebäude auf einen unbebaueten
Platz des Nachbars, so ist ein Abstand von anderthalb Werkschuhen hinreichend.
§. 141. Uebrigens aber kann jeder in der Regel auf seinem
Grunde und Boden, so nahe an die Gränze und so hoch bauen, als er es für gut
findet.
§. 142. Sind jedoch die Fenster des Nachbars, vor welchen
gebauet werden soll, schon seit zehn Jahren oder länger vorhanden, und die
Behältnisse, wo sie sich befinden, haben nur von dieser Seite her Licht, so muß
der neue Bau so weit zurücktreten, daß der Nachbar noch aus den ungeöffneten
Fenstern des untern Stockwerks den Himmel erblicken könne.
§. 143. Hat in diesem Falle das Gebäude des Nachbars, in
welchem die Fenster sich befinden, noch von einer andern Seite Licht, so ist es
genug, wenn der neue Bau nur so weit zurücktritt, daß der Nachbar aus den
ungeöffneten Fenstern des zweyten Stockwerks den Himmel sehen könne.
§. 144. Sind aber die Fenster des Nachbars, vor welchen
gebauet werden soll, noch nicht seit zehn Jahren vorhanden, so ist der Bauende
bloß an die §. 139. bestimmte Entfernung gebunden.
§. 145. Der Nachbar kann alsdann dem neuen Baue, wodurch ihm
das Licht benommen wird, nur in so fern widersprechen, als er ein
Untersagungsrecht dagegen besonders erworben hat. (Tit. XXII.)
§. 146. Wo eine solche Grundgerechtigkeit obwaltet, da
findet, im Mangel ausdrücklich verabredeter, die gesetzliche Bestimmung des §.
142. Anwendung.
§. 147. In allen §. 139. 140. 142. 143. 146. bestimmten
Fällen bleibt der unbebauete Zwischenraum nach wie vor seinem bisherigen
Eigenthümer, und kann von demselben zu jedem in den Gesetzen nicht verbotenen
Gebrauche angewendet werden.
Von Thiiren.
§. 148. Neue Thüren, welche unmittelbar auf des Nachbars
Grund und Boden führen, dürfen wider dessen Willen niemals angelegt werden.
Von Zäunen, Planken und Scheidewänden.
§. 149. In der Regel ist ein jeder seine Grundstücke durch
Zäune, Planken, Mauern, oder andere Scheidewände, von den Grundstücken seines
Nachbars zu trennen berechtigt.
§. 150. Dergleichen Scheidungen müssen aber die Gränzen
gegen den Nachbar niemals überschreiten, noch demselben in dem Gebrauche seines
Eigenthums hinderlich werden.
§. 151. Zu Befriedungen in der Feldfiur ist ein Eigenthümer
nur in so fern befugt, als nicht Koppelweiden, Hütungs- oder andere
Grundgerechtigkeiten entgegen stehen.
§. 152. Wer eine neue Scheidung in einer Gegend, wo bisher
noch keine vorhanden gewesen ist, anlegen will, muß nicht nur die Anlage,
sondern auch die fernere Unterhaltung auf seine Kosten besorgen.
§. 153. Ueberhaupt liegt die Unterhaltung solcher
Scheidungen demjenigen ob, welchem erweislich das Eigenthum derselben gebühret.
§. 154. Kann nicht ausgemittelt werden, wer der Eigenthümer
einer solchen Scheidung sey, so wird bey Planken derjenige, gegen dessen Grund
die Stiele, Ständer oder Pfosten derselben stehen, für den Eigenthümer
geachtet, und ist die Planke zu unterhalten schuldig.
§. 155. Dagegen muß ihm aber der Nachbar, von dessen Seite
die Breter angeschlagen sind, den Zutritt auf seinen Grund und Boden bey
notwendigen an der Planke sich ereignenden Bauen und Reparaturen gestatten.
§. 156. Die Abdachung der Stiele muß nach der Seite
desjenigen Grundes geschehen, dessen Eigenthümern die Planke gehört.
§. 157. Sind die Breter in die Mitte der Stiele eingefalzt,
so ist die Planke für gemeinschaftlich zu achten, und muß von beyden Theilen
gemeinschaftlich unterhalten werden.
§. 158. Was von Planken verordnet ist, gilt in der Regel
auch von Stacketen.
§. 159. Bey gemauerten Scheidewänden gilt die
Vermuthung, daß die Mauer demjenigen gehöre, auf dessen
Seite Vertiefungen, oder sogenannte Blenden, sich befinden.
§. 160. Sind dergleichen Blenden auf beyden Seiten
anzutreffen, so wird die Scheidemauer, im zweifelhaften Falle, für
gemeinschaftlich angesehen.
§. 161. Sind gar keine Blenden an der Mauer befindlich, so
ist dieselbe, im zweifelhaften Falle, für gemeinschaftlich oder einseitig zu
achten, je nachdem die darauf liegenden Platten auf beyden Seiten oder nur auf
einer überlaufen.
§. 162. Bey Zäunen und Wellerwänden ist in der Regel jeder
Besitzer städtischer Grundstücke und Gärten den Zaun rechter Hand, vom Eintritt
in den Haupteingang, zu bauen und zu unterhalten schuldig.
§. 163. Hat aber jemand durch einen neuen Bau seinen
Haupteingang gänzlich verändert, so behält er dennoch, in Rücksicht der zu
unterhaltenden Zäune, eben die Verbindlichkeit, welche er vor der Veränderung
gehabt hat.
§. 164. Hat bisher ein Gebäude die Haltung eines Zauns
unnöthig gemacht, so muß der, welcher dies Gebäude wegnimmt, den dafür
anzulegenden Zaun bauen und unterhalten; selbst wenn er sonst, nach der Regel
des §. 162., dazu nicht verpflichtet seyn würde.
§. 165. Wenn ein zur linken Hand neu anbauender Nachbar
seinen Hof oder Garten schließen will, so muß er den daselbst bereits
vorhandenen Zaun seines Nachbars zur Unterhaltung übernehmen.
§. 166. Die Kosten der ersten Anlage aber ist er dem Nachbar
zu vergüten nicht schuldig.
§. 167. Der Queer- oder Rückzaun muß von beyden gegen
einander stoßenden Nachbarn gemeinschaftlich angelegt und unterhalten werden.
§. 168. Ueberhaupt ist in allen Fällen, wo weder ein
einseitiges Eigenthum ausgemittelt werden kann, noch die vorstehenden besondern
Bestimmungen (§. 154-165.) eintreten, die Pflicht zur Unterhaltung der zwischen
den Grundstücken zweyer Nachbarn befindlichen Scheidungen beyden
gemeinschaftlich. §. 169. Scheidungen zwischen Höfen müssen in der Regel nicht
unter sechs; zwischen Gärten aber, sowohl in Städten als auf dem Lande, nicht
unter fünf Fuß hoch seyn.
§. 170. Wo es die Umstände zulassen, sollen künftig statt
der hölzernen Zäune, bey Gärten und geschlossenen Ackerstücken, lebendige
Hecken angelegt werden.
§. 171. Auch ist der Eigenthümer eines hölzernen
Scheidezauns allezeit befugt, an dessen Stelle eine lebendige Hecke anzulegen.
§. 172. Er ist aber auch schuldig, die Anlage, nach der
Anweisung der Sachverständigen, so zu machen und zu unterhalten, daß durch die
Hecke das Eigenthum des Nachbars eben so gut, als durch den Zaun, gesichert
werde.
§. 173. Lebendige Hecken, welche zwey geschlossene
Grundstücke von einander unterscheiden, müssen stets so angelegt werden, daß
dadurch dem Nachbar kein Schade geschehe.
§. 174. Will also jemand gegen die Gränze seines Nachbars
eine neue lebendige Hecke anlegen, so muß er, ohne Unterschied der Holzart,
welche dazu gewählt wird, anderthalb Fuß von des Nachbars Gränze zurücktreten.
§. 175. Das Eigenthum an diesem anderthalb Fuß breiten
Erdreiche bleibt inzwischen dem, welcher die Hecke zu seinem Gebrauche angelegt
hat, vorbehalten.
§. 176. Auch bleibt ihm in solchem Falle die Benutzung des
Auswuchses der Hecke von beyden Seiten.
§. 177. Doch ist der Nachbar den Auswuchs der Hecke, oder
deren Wurzeln, über der Gränzlinie zu dulden nicht verpflichtet. (Tit. IX. §.
285. sqq.)
§. 178. Eine mit Bewilligung beyder Nachbarn statt eines
bisherigen gemeinschaftlichen Zaunes angelegte Hecke, wird ebenfalls, sowohl in
Ansehung der Unterhaltung als der Abnutzung, gemeinschaftlich.
§. 179. Jeder Nachbar ist also den Anwuchs auf seiner Seite
sich zuzueignen wohl berechtigt.
§. 180. Eine solche gemeinschaftliche Hecke muß auf
derselben Linie, wo vorhin der Zaun gestanden hat, angelegt werden.
§. 181. Doch müssen beyde Nachbarn dahin sehen, daß durch
die Hecke die gesetzmäßige Breite des daran hingehenden Weges in der Folge
nicht geschmälert werde.
§. 182. Wider den Willen des einen Nachbars ist der andere,
einen bisherigen gemeinschaftlichen Zaun in eine lebendige Hecke zu verwandeln,
der Regel nach nicht befugt.
§. 183. Will jedoch derselbe mit der Hecke von der
bisherigen Linie um die §. 174. bestimmte Breite zurücktreten, und sowohl die
Kosten der Anlegung, als der künftigen Unterhaltung, allein übernehmen, so
gebührt dem Nachbar dagegen kein Recht zum Widerspruche.
§. 184. Von einer solchen Hecke gilt alsdann alles, was §.
175-177. verordnet ist.
Von Erhöhungen und Erniedrigungen des Bodens.
§. 185. Wer seinen Grund und Boden erhöhen will, muß mit
dieser Erhöhung drey Fuß von dem Zaune, der Mauer oder Planke des Nachbars
zurückbleiben.
§. 186. Daraus, daß der Nachbar die Erhöhung in einer
größern Nähe ohne ausdrücklichen Widerspruch geschehen läßt, folgt noch nicht,
daß er dem Ersatze des daraus in der Folge erwachsenden Schadens entsagt habe.
§. 187. Erniedrigt jemand seinen Grund und Boden, durch
Anlegung eines Grabens oder sonst; so muß ein Wall von drey Fuß breit gegen die
benachbarte Verzäunung stehen bleiben.
§. 188. Derjenige, auf dessen Grund und Boden sich der
Aufwurf eines Grabens befindet, hat die Vermuthung, daß er Eigenthümer des
Grabens sey, für sich, und muß auch für die Unterhaltung desselben sorgen.
§. 189. Wer ein Gebäude an der Gränze aufführt, darf, in so
fern er nicht ein besonderes Recht dazu erworben hat, die Dachtraufe weder auf
des Nachbars Grund und Boden, noch über denselben hinwegleiten.
Aufhebung der vorstehenden Einschränkungen.
§. 190. Einschränkungen des Eigenthums, welche die Gesetze
zum Besten des gemeinen Wesens vorschreiben, können nur mit Einwilligung des
Staats aufgehoben werden.
§. 191. Einschränkungen, welche nur zum Besten gewisser
Personen festgesetzt sind, können durch verbindliche Willenserklärungen dieser
Personen aufhören. (Tit. XXII.)
Neunter Titel
Von der Erwerbung des Eigenthums überhaupt, und den
unmittelbaren Arten derselben insonderheit
§. 1. Die äußeren Handlungen, durch welche das Eigenthum
erworben wird, bestimmen die verschiedenen Eerwerbungsarten. (Modus
acquirendi.)
§. 2. Der gesetzliche Grund, vermöge dessen diese äußeren
Handlungen die Kraft haben, daß dadurch das Eigenthum erworben werden kann,
wird der Titel des Eigenthums genannt.
§. 3. Zur Erwerbung des Eigenthums wird die Besitznehmung
erfordert. (Tit. VII. §. 43 sqq.)
§. 4. Hiervon sind allein die Fälle ausgenommen, wo die
Erwerbung des Eigenthums schon mit einer gewissen BEgebenheit oder
Willensäußerung alein ausdrücklich verbinden.
§. 5. Wenn zur Erwerbung des Eigenthums, außer dem Titel,
nur Besitznehmung erfordert wird, so ist eine unmittelbare Erwerbsart
vorhanden.
§. 6. Geht aber das Eigenthum erst durch die Erledigung des
Besitzes von Seiten des neuen Eigenthümers über; so heißt die Erwerbsart
mittelbar.
Erster Abschnitt
Von der ursprünglichen Beseitznehmung
§. 7. Die Beseitznehmung solcher Sachen, auf welche noch
niemand ein Recht hat, wird die ursprüngliche (orgianria) genant.
§. 8. Wie weit das Recht, herrenlose Dinge in Besitz zu
nehmen, ein Vorbehalt des Staats sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II.
Tit. XVI.)
§. 9. Wer eine herrenlose dem Staate nicht vorbehaltene
Sache wirklich in seine Gewalt bringt, der wird von dem Augenblicke an, da
solches geschieht, Eigenthümer der Sache.
§. 10. Absicht und bloßes Bestreben aber, sich eine
herrenlose Sache zuzueignen, ist zur Erwerbung des Eigenthums derselben noch
nicht hinreichend.
§. 11. Wer selbst noch kein Recht auf oder zu einer Sache
erlangt hat, ist einem Andern die Besitzergreifung zu untersagen nicht befugt.
§. 12. Wer einen Andern in seinen zur Besitzergreifung
gemachten Anstalten durch unerlaubte Handlungen stört; der kann selbst die
Sache nicht »n Besitz nehmen.
§. 13. Ein Gleiches gilt gegen den, welcher den Andern, um
ihn an der Besitzergreifung zu hindern, in seiner Freyheit zu handeln ohne
Recht einschränkt.
Zweyter Abschnitt Von der Besitznehmung verlassener und
verlorner Sachen
Von verlaßnen Sachen.
§. 14. So weit jemand Eigenthum zu erwerben fähig ist, so
weit kann er bewegliche Sachen, welche von einem Andern verlassen worden, in
Besitz nehmen.
§. 15. Das Recht, unbewegliche verlassene Sachen in Besitz
zu nehmen, ist ein Vorbehalt des Staats. (Th. II. Tit. XVI.)
§. 16. Nur alsdann ist eine Sache für verlassen zu achten,
wenn der bisherige Eigenthümer den Besitz in der ausdrücklich oder
stillschweigend erklärten Absicht, sich der Sache zu entschlagen, aufgegeben
hat. (Tit. VII. §. 118-122.)
§. 17. Wer durch äußere Umstände genöthigt wird, Sachen
wider seinen Willen aus seiner Gewahrsam zu lassen, der hat dadurch sich seines
Eigenthums noch nicht begeben.
§. 18. Ein krankes Thier, welches der bisherige Besitzer von
sich gestoßen, und hülflos sich selbst überlassen hat, wird das Eigenthum
desjenigen, welcher für dessen Pflege und Wiederherstellung sorgt.
Von verlornen Sachen Pflichten des Finders.
§. 19. Wer eine verlorne Sache findet, ist dieselbe dem
Eigenthümer zurückzugeben schuldig.
§. 20. Ist dieser unbekannt, so muß der Finder den Fund der
nächsten Obrigkeit anzeigen.
§. 21. Sind an dem Orte, wo der Fund geschehen ist, mehrere
Gerichtsobrigkeiten, so hängt es von dem Finder ab, die Anzeige, bey welcher
derselben er will, zu machen.
§. 22. Der Finder muß bestimmt angeben, wie und wo er zum
Besitze der gefundenen Sache gelangt sey.
Pflichten des Richters.
§. 23. Die gefundene Sache muß zur gerichtlichen Verwahrung
angeboten, und von dem Richter in redliche Obsicht genommen werden.
§. 24. Ist der Finder eine unverdächtige und sichere Person,
so kann der Richter, nach Bewandniß der Umstände und Beschaffenheit des Werths,
die Verwahrung der Sache ihm selbst übertragen.
§. 25. Er muß aber in allen Fällen die Beschaffenheit der
Sache und ihre Merkmale in den Acten verzeichnen, und dem Finder die Art der
ihm überlassenen Aufbewahrung vorschreiben.
§. 26. So lange der Finder die Sache solchergestalt in seiner
Gewahrsam hat, ist er als ein redlicher aber unvollständiger Besitzer
anzusehen.
§. 27. Ist die gefundene Sache dem Verderben oder sonst
einer beträchtlichen Verminderung des Werths unterworfen, so muß dieselbe in
einem kurzen Termine zum öffentlichen Verkaufe ausgeboten werden.
§. 28. Ein Gleiches findet statt, wenn zur Aufbewahrung der
Sache beträchtliche bis zur Hälfte des Werths ansteigende Kosten erforderlich
waren.
§. 29. Hat der Finder, vor dem Verkaufe, Futter für das
gefundene Vieh, oder andere nothwendige Ausgaben auf die Sache verwendet, so
müssen ihm dieselben, nach Abzug der etwa gehabten Nutzungen, von dem Kaufgelde
sofort ersetzt werden.
§. 30. Das Kaufgeld selbst wird, bis zum weitern Austrage
der Sache, in gerichtliche Verwahrung genommen.
Aufgeboth gefundener Sachen.
§. 31. Ist binnen acht Tagen, nach der geschehenen Anzeige,
der Verlierer auf andere Art nicht auszuforschen, so muß derselbe öffentlich
vorgeladen, und ein Termin zu seiner Anmeldung bey Verlust seines Rechts
bestimmt werden.
§. 32. Beträgt der Werth der gefundenen Sache nach der Taxe
Zweyhundert Thaler, oder mehr, so muß die Vorladung durch eine förmliche
Edictal- Citation geschehen.
§. 33. Bey Sachen von Zweytausend Thalern und darüber an
Werth, ist der Termin zur Anmeldung auf sechs Monathe; bey Sachen von minderem
Werthe aber auf drey Monathe zu bestimmen.
§. 34. Im erstern Falle muß die Bekanntmachung dreymal in
den Zeitungen und sechsmal in den Intelligenznachrichten der Provinz; im
zweyten Falle aber in ersteren zweymal und in letzteren viermal erfolgen.
§. 35. Bey Sachen, deren Werth unter Zweyhundert Thalern
beträgt, wird der Termin auf zwey Monathe bestimmt, und die Bekanntmachung
erfolgt bloß durch zweymalige Einrückung in die Zeitungen, und dreymalige in
die Intelligenznachrichten.
§. 36. Bey Sachen unter Fünfzig Thalern an Werth ist ein
Termin von vier Wochen; und wenn der Werth nur Zehn Thaler oder weniger
beträgt, sind vierzehn Tage hinreichend.
§. 37. Im erstern Falle geschieht die Bekanntmachung einmal
in den Zeitungen, und zweymal in den Intelligenzblättern; im letztern Falle ist
es genug, wenn die Aufforderung nur einmal in die Intelligenzblätter allein
eingerückt worden.
§. 38. Auch kann bey Sachen von Zehn Thalern oder weniger am
Werth, dem Finder überlassen werden, die Bekanntmachung selbst zu veranstalten,
und den Verlierer anzuweisen, daß er sich bey dem Finder selbst melde.
§. 39. Doch muß der Finder, nach Ablauf des Termins, die
gehörig geschehene Bekanntmachung dem Richter nachweisen.
§. 40. Sind Vermuthungen vorhanden, daß ein fremder
Reisender, oder sonst ein Abwesender die Sache verloren haben könnte, so sind
die gesetzmäßigen Fristen zur Anmeldung zu verdoppeln.
§. 41. Die Zahl der Bekanntmachung darf zwar alsdann nicht
verdoppelt werden; doch muß in Fällen, wo, nach Verhältniß des Werths, die
Einrückung in die Zeitungen erforderlich ist, dieselbe, außer der
einländischen, eben so oft in einer auswärtigen Zeitung erfolgen.
§. 42. Dazu muß die Zeitung einer andern Königlichen
Provinz, oder eine fremde gewählt werden, so wie es nach den über die Person
des Verlierers vorhandnen Vermuthungen am wahrscheinlichsten ist, daß die
Nachricht zu seiner Wissenschaft gelangen werde.
Zuschlag der gefundenen Sache, wenn der Verlierer sich nicht
meldet, an den Finder, und an die Armencasse.
§. 43. Hat sich der Verlierer weder vor, noch in dem
bestimmten Termin gemeldet, so muß der Richter mit dem Zuschlage der Sache
verfahren.
§. 44. Dieser Zuschlag geschieht an den Finder allein, wenn
die Sache nur Hundert Thaler oder weniger an Werth beträgt.
§. 45. Bey Sachen von höherm Werthe geschieht der Zuschlag
an den Finder und an die Armencasse des Orts.
§. 46. Der Finder erhält alsdann den Werth von Hundert
Thalern zum Voraus, und von dem Ueberreste des Werthes die eine, die Armencasse
aber die andre Hälfte.
§. 47. Vor der Theilung müssen die auf die Sache und das
Aufgebot verwendete Kosten vom Ganzen abgezogen werden.
§. 48. Sind an einem Orte mehrere öffentliche Armencassen,
so entscheidet der Bezirk, wo die Sache gefunden worden; und wenn dieser nicht
entscheiden kann, die persönliche Eigenschaft des Finders.
Wirkung dieses Zuschlags.
§. 49. Durch den Zuschlag erlangen der Finder und die
Armencasse das Eigenthum der Sache.
§. 50. Hat jedoch der Verlierer seinen Verlust, mit einer
deutlichen Beschreibung der Sache, noch vor erfolgtem Zuschlage, öffentlich
bekannt gemacht, so darf kein Richter derjenigen Provinz, in deren Zeitung
diese Bekanntmachung geschehen ist, mit dem Zuschlage einer solchen verlornen
Sache verfahren.
§. 51. Vielmehr muß er von Amtswegen, so viel an ihm ist,
dafür sorgen, daß die Sache dem Verlierer wieder zugestellt werde.
§. 52. Hat der Richter den Zuschlag dennoch vorgenommen, so
geht das Eigenthum der Sache auf den Finder, und die Armencasse dadurch nicht
über.
§. 53. Können jedoch diese nicht überführt werden, von der
Anzeige des Verlierers Kenntniß erhalten zu haben, so erlangen sie durch den
richterlichen Zuschlag die Rechte eines vollständigen redlichen Besitzers.
§. 54. Der Richter aber soll, wenn er die Vorschrift §. 50.
51. vorsetzlich, oder aus grobem Versehen, übertreten oder vernachläßigt hat,
ernstlich dafür bestraft werden.
§. 55. Außer dem §. 52. bestimmten Falle ist gegen den
richterlichen Zuschlag keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuläßig.
§. 56. Beträgt jedoch die verlorne Sache Einhundert Thaler
oder mehr an Werth, und der Verlierer kann nachweisen, daß er ohne alles sein
Verschulden von dem ergangnen Aufgebote Wissenschaft zu erhalten, und die §.
50. angegebene Vorsicht zu brauchen verhindert worden; so kann er sich an den
Finder und die Armencasse in so weit halten, als dieselben in dem Besitze eines
Vortheils aus dem Zuschlage sich alsdann noch wirklich befinden.
Was Rechtens, wenn der Verlierer sich meldet.
§. 57. Meldet sich vor dem Zuschlage jemand, welcher die
Sache, als von ihm verloren, in Anspruch nimmt, so muß er nachweisen, daß er
dieselbe vorher besessen habe.
§. 58. Ist die Sache so beschaffen, daß sie, ihrer Natur
nach, von andern gleicher Art nicht unterschieden werden kann, so muß der
Ansprechende besonders nachweisen, daß die aufgebotne Sache eben dieselbe sey,
welche er verloren hat.
§. 59. Der Finder muß auch dem vorigen bloßen Inhaber die
Sache verabfolgen.
§. 60. Entstehen erhebliche Zweifel: ob der Verlierer ein
redlicher Besitzer oder Inhaber der Sache gewesen sey, so muß diese, bis zur
näheren Ausmittelung, in gerichtlicher Gewahrsam bleiben.
Was der Verlierer dem Finder zu leisten habe.
§. 61. Der Verlierer muß in allen Fällen die auf die
gefundene Sache und deren Aufgebot verwendeten Kosten, jedoch nach Abzug der
davon etwa gefallenen Nutzungen, ersetzen.
§. 62. Außerdem muß er dem Finder den zehnten Theil des
Werths der Sache, welcher nach Abzug der Kosten übrig bleibt, auf sein
Verlangen, als eine Belohnung entrichten.
§. 63. Uebersteigt der Werth die Summe von Fünfhundert
Thalern, so muß der Finder außer dem zehnten Theil dieser Summe, mit Einem
Prozent von dem Ueberschusse des Werths sich begnügen.
§. 64. Wird der ganze Werth durch die Kosten erschöpft, so
kann der Finder keine Belohnung fordern.
§. 65. Wegen Ausmittelung des Werths, zum Behuf der
festzusetzenden Belohnung, soll es bey der Würdigung eines von dem Richter zu
ernennenden Sachverständigen lediglich sein Bewenden haben.
§. 66. Wenn zahmes Vieh ausreißt, oder sich verläuft, so
kann der Finder, außer der ihm wegen der Futterungskosten und sonstiger
Auslagen etwa zukommenden Entschädigung, nur so viel zur Belohnung fordern, als
das Pfandgeld, wenn dergleichen Vieh wäre gepfändet worden, betragen hätte.
Von mehrern Findern.
§. 67. Wenn mehrere bey einem Fund gegenwärtig gewesen sind,
so muß, im Falle eines darüber entstehenden Streits, die Person des
eigentlichen Finders, nach den §. 9-13. bestimmten Grundsätzen ausgemittelt
werden.
§. 68. Bleibt, nach diesen Grundsätzen, die Person des
eigentlichen Finders noch zweifelhaft; so kommen die Rechte des Finders allen
denjenigen zu, welche, die Sache in Besitz zu nehmen, sich zu gleicher Zeit
bestrebt haben.
§. 69. Haben mehrere den Besitz der gefundenen Sache
zugleich ergriffen, oder müssen mehrere, weil die Person des eigentlichen
Finders nicht hinlänglich ausgemittelt werden kann, dafür angenommen werden, so
gebührt dennoch diesen mehrern Findern zusammen nur eben der Antheil, und eben
die Belohnung, welche die Gesetze dem einzelnen Finder beylegen.
Verlust des Fundrechts.
§. 70. Wer die Anzeige des von ihm geschehenen Funds über
drey Tage verzögert, macht sich der Belohnung verlustig.
§. 71. Werden Fund über vier Wochen verschweigt, hat noch
außerdem die Vermuthung, daß er unredlicher Besitzer sey, gegen sich.
§. 72. Wer auf außergerichtliches, von dem Verlierer, oder
in seinem Namen an ihm ergangenes Befragen, den Fund ganz oder zum Theil
ableugnet, ist ein unredlicher Besitzer.
§. 73. Wer auf Befragen des Richters sich eines solchen
Leugnens schuldig macht, ist als ein Dieb zu betrachten.
Dritter Abschnitt Von gefundenen Schätzen
Begriff.
§. 74. Unter Schätzen werden hier alle Sachen von einigem
Werthe verstanden, die über oder unter der Erde verborgen liegen, in so fern
der Eigenthümer derselben unbekannt ist.
§. 75. Wer einen Schatz findet, muß davon der Obrigkeit
sofort Anzeige machen.
§. 76. Wegen Aufbewahrung des gefundenen Schatzes,
Ausforschung des Eigenthümers, und öffentlicher Vorladung desselben, muß eben
so, wie bey gefundnen Sachen verfahren werden. (§. 23-42.)
§. 77. Meldet sich vor dem Aufgebote jemand als Eigenthümer
zu dem gefundnen Schatze, oder als dessen Erbe; er kann aber sein Recht nicht
binnen sechs Wochen vollständig nachweisen: So muß dennoch mit der öffentlichen
Vorladung verfahren werden.
§. 78. Inzwischen bleibt dem Ansprechenden die weitere
Ausführung seines Rechts, auch während des Aufgebotes, vorbehalten.
§. 79. Es bedarf keines Aufgebotes, wenn aus der
Beschaffenheit des entdeckten Schatzes selbst sich ergiebt, daß derselbe schon
seit Einem oder mehrern Jahrhunderten verborgen gewesen sey.
§. 80. Doch muß der Richter die Umstände, woraus dieses
erhellen soll, jedesmal genau prüfen, und wenn es ein Unterrichter ist, von dem
Landes-Justizcollegio der Provinz Vorbescheidung: ob mit dem Aufgebote verfahren
werden soll, oder nicht, einholen.
Rechte des Finders und des Eigenthümers, auf dessen Grunde
ein Schatz gefunden worden.
§. 81. Ist der Eigenthümer des Schatzes nicht auszumitteln,
so gehört der Schatz, in so fern derselbe aus Sachen besteht, die vom gemeinen
Verkehre nicht ausgenommen sind, demjenigen, welcher ihn auf seinem eignen
Grunde gefunden hat.
§. 82. Hat jemand einen Schatz auf fremdem Grunde, jedoch
ohne besonderes Nachsuchen gefunden, so gebührt die eine Hälfte dem Finder, und
die andre dem Eigenthümer des Grundes.
§. 83. Ein Gleiches findet statt, wenn Gesinde oder
Arbeitsleute, bey ihren gewöhnlichen Verrichtungen, einen Schatz entdecken.
§. 84. Ferner alsdann, wenn jemand, mit Bewilligung des
Eigenthümers, auf fremdem Grunde nach einem Schatze gesucht, und dergleichen
wirklich entdeckt hat; in so fern nicht durch besondre Verabredungen unter den
Parteyen, wegen der Belohnung des Finders ein Anderes bestimmt ist.
§. 85. Wer aber ohne Bewilligung des Eigenthümers auf
fremdem Grunde Schätze sucht und findet, kann keine Belohnung fordern, sondern
die ihm sonst gebührende Hälfte fällt dem Fiskus anheim.
§. 86. Wer zur Nachsuchung von Schätzen vermeintlicher
Zaubermittel, durch Geisterbannen, Citiren der Verstorbnen, oder andrer
dergleichen Gaukeleyen, es sey aus Betrug oder Aberglauben, sich bedient; der
verliert, außer der sonst schon verwirkten Strafe, sein Anrecht auf einen etwa
zufälliger Weise wirklich gefundenen Schatz. (Th. II. Tit. XX. Abschn. VI.)
§. 87. Wer bey Nachsuchung eines Schatzes Polizeygesetzen,
welche zur Verhütung von Feuersbrünsten, oder andern gemeinen Beschädigungen
gegeben sind, entgegen handelt, der wird dadurch seines Anrechts auf den Schatz
ebenfalls verlustig.
§. 88. In beyden Fällen (§. 86. 87.) tritt der Fiskus an die
Stelle des Uebertreters.
§. 89. Der Eigenthümer sowohl als der Fiskus haben das
Recht, von dem Finder, nach bewandten Umständen, die eydliche Angabe seines
Funds zu fordern.
Rechte mehrerer Miteigentümer und Gränznachbarn.
§. 90. Mehrere Miteigenthümer eines Grundstücks, auf welchem
ein Schatz gefunden worden, nehmen an den obbestimmten Rechten des
Eigenthümers, nach dem Verhältnisse ihres Rechts auf das Grundstück selbst,
Antheil.
§. 91. Wird ein Schatz auf der Gränze gefunden, so wird das
Eigenthum desselben zwischen den Gränznachbarn gleich getheilt.
§. 92. Es macht dabey keinen Unterschied, wenn auch der
Schatz nicht grade in der Mitte gefunden wäre, sondern den Grund eines oder des
andern Nachbars mehr oder weniger berührt hätte.
§. 93. Ist einer der Miteigenthümer oder Gränznachbarn
zugleich der Finder, so gebühren ihm noch außerdem, auf die Antheile der
übrigen Interessenten, die Rechte des Finders.
Rechte in Ansehung des Schatzes bey getheiltem oder
eingeschränktem Eigenthume.
§. 94. Das Recht des Eigenthümers auf einen Schatz kommt dem
nutzbaren Eigenthümer allein zu, und derjenige, welchem bloß ein Antheil an der
Proprietät zusteht, kann darauf keinen Anspruch machen.
§. 95. Auch der Fideicommiß-Besitzer und Erbzinsmann haben die
Rechte des Eigenthümers an einem Schatze, welcher auf dem von ihnen
solchergestalt besessenen Grundstücke gefunden worden.
§. 96. Der auf einem Lehn-, Fideicommiß-, oder Erbzinsgute
gefundene Schatz wird das freye Eigenthum des Besitzers.
§. 97. Der bloße Nießbraucher, ingleichen der Erbpächter,
hat an einem solchen Schatze keinen Antheil.
§. 98. Der, welchem bloß das Eigenthum einer Oberfläche oder
eines darauf errichteten Gebäudes, nicht aber des Grundes und Bodens zukommt,
kann nur an einem über der Erde gefundenen Schatze der Rechte des Eigenthümers
sich anmaßen.
§. 99. So lange ein verkauftes Grundstück dem Käufer noch
nicht übergeben ist, hat der Verkäufer das Recht des Eigenthümers auf einen in
der Zwischenzeit entdeckten Schatz.
§. 100. Ist jedoch die Gefahr der Sache auf den Käufer
bereits übergegangen, so gebührt ihm auch der Nutzen von einem solchen Schatze.
§. 101. Hat der Käufer von dem auf dem Grundstücke
verborgenen Schatze Wissenschaft gehabt, und es dem Verkäufer nicht angezeigt,
so kann er in der Folge bloß als Finder angesehen werden.
Rechtliche Folgen der Uebertretung gesetzlicher Vorschriften
in Ansehung der Schätze.
§. 102. Wer bey einem auf fremdem Grunde und Boden
gefundenen Schatze die Vorschriften der Gesetze vernachläßigt; die Anzeige
binnen vier Wochen zu thun unterläßt; oder gar den Fund ableugnet; gegen den
gilt alles das, was in gleichem Falle gegen den Finder verlorner Sachen
verordnet ist. (§. 70-73.)
§. 103. Wer aber in Ansehung eines auf eignem Grunde und
Boden gefundenen Schatzes einer gleichen Vernachläßigung der gesetzlichen
Vorschriften sich schuldig macht; der soll dafür, nach Verhältniß der Umstände,
der Beträchtlichkeit des Schatzes, und seiner sich ergebenden unerlaubten
Absicht bey der Verheimlichung, mit einer Geldstrafe bis zur Hälfte des Werths
des daran ihm gebührenden Antheils belegt werden.
§. 104. Verborgene Sachen, deren Eigenthümer nicht
zweifelhaft ist, oder leicht entdeckt werden kann, können niemals als gefundene
Schätze angesehen und behandelt werden.
§. 105. Ist aber der, welcher die Sache verborgen hatte,
gestorben; so kann derjenige, welcher durch seine Anzeige oder Entdeckung den
Erben zu dem Genüsse der Sache, den sie sonst wahrscheinlich hätten entbehren
müssen, verholfen hat, in so fern keine besondre Verpflichtung zur
unentgeltlichen Vorsorge für das Beste der Erben bey ihm obwaltet, die nach §.
62. sqq. einem Finder ausgesetzte Belohnung fordern.
Von Naturschätzen.
§. 106. In wie fern die unter der Erde verborgenen
Naturschätze von Privatpersonen aufgesucht und in Besitz genommen werden
können, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. XVI. Abschn. IV.)
Vierter Abschnitt Vom Thierfange
1) Vom Thierfange überhaupt.
§. 107. Das Recht des Thierfanges erstreckt sich nur auf
solche Thiere, welche noch von keinem Menschen gefangen und gebändigt worden.
§. 108. Doch sind auch eingefangene und zahm gemachte
Thiere, wenn sie in ihre natürliche Wildheit zurückgekehrt waren, ein
Gegenstand des Thierfangs.
§. 109. Thiere, welche zwar frey herumschweifen, aber an den
ihnen bestimmten Ort zurückzukehren pflegen, gehören nicht zum Thierfange.
§. 110. Sie gehören aber dazu, so bald sie die Gewohnheit,
zurückzukehren, abgelegt haben.
§. 111. Tauben, welche jemand hält, ohne ein wirkliches
Recht dazu zu haben, sind, wenn sie im Freyen betroffen werden, ein Gegenstand
des Thierfangs.
§. 112. Wer das Recht habe, Tauben zu halten, ist in den
Provinzialgesetzen bestimmt.
§. 113. Wo diese nichts besonderes festsetzen, sind nur
diejenigen, welche tragbare Aecker in der Feldflur eigenthümlich besitzen, oder
dieselben statt des Eigenthümers benutzen, nach Verhältniß des Ackermaaßes
Tauben zu halten berechtigt.
§. 114. Insekten und andere Thiere, welche nach §. 107. bis
111. ein Gegenstand des Thier-Fanges, und weder zur Jagdt noch zur
Fischereygerechtigkeit geschlagen sind, können von einem jeden eingefangen
werden.
§. 115. Wer in der Absicht, dergleichen Thiere zu fangen,
fremden Grund und Boden ohne Vorwissen oder wider den Willen des Eigenthümers
betreten hat, muß das Gefangene dem Eigenthümer auf desselben Verlangen
unentgeltlich ausliefern.
§. 116. Hat der Eigenthümer auf seinem Grunde und Boden zu
einem erlaubten Thierfange Anstalten gemacht, so darf kein Anderer die daselbst
eingefangenen Thiere, bey Strafe des Diebstahls, wegnehmen.
§. 117. Vogeleyer und junge Vögel sind, so weit es die
Polizeygesetze nicht ausdrücklich verbieten, ein Gegenstand des freyen
Thierfangs.
2) insonderheit
von Bienen.
§. 118. Bienen auf seinem Eigenthume zu halten, ist einem
jeden erlaubt.
§. 119. Das Recht, Bienen in der Heide zu halten, steht nur
dem Eigenthümer des Forstes zu.
§. 120. Diesem kann auch der Hütungsberechtigte das Halten
der Bienen nicht untersagen.
§. 121. Auf zahme Bienenschwärme hat der Eigenthümer des
Mutterstocks ein ausschließendes Recht.
§. 122. Er kann die schwärmenden Bienen auch auf fremden
Grund und Boden verfolgen und daselbst einfangen.
§. 123. Doch muß er dem Eigenthümer des Grundes und Bodens
für alle bey solcher Gelegenheit verursachte Beschädigungen gerecht werden.
§. 124. So bald der Eigenthümer des schwärmenden Stocks die
Verfolgung gänzlich aufgegeben hat; ist der Eigenthümer des Grundes und Bodens,
auf welchem der Schwarm gefunden wird, denselben einzufangen berechtigt.
§. 125. In Ansehung desjenigen, der wilde oder von dem
Eigenthümer verlassene Bienen auf fremdem Grunde und Boden einfängt, findet die
Vorschrift §. 115. Anwendung.
§. 126. Die Polizeyobrigkeit jedes Orts ist berechtigt,
Verfügungen zu treffen, wodurch das Rauben der Bienen verhindert, und diejenigen
Stöcke, unter denen es eingerissen ist. davon wieder entwöhnt werden.
3) Von der
Jagdt.
§. 127. Jagdtbare wilde Thiere darf nur der, welcher die
Jagdtgerechtigkeit hat, unter den in den Polizeygesetzen des Landes
vorgeschriebenen Einschränkungen, schießen, hetzen, beizen, fangen, oder auf
andre Art sich zueignen. (Th. II. Tit. XVI. Abschn. III.)
§. 128. Die Besitznehmung durch die Jagdt ist erst alsdann
für vollendet zu achten, wenn das Thier todt oder lebendig in die Gewalt des
Jagenden gekommen ist.
§. 129. Ein Thier, welches bloß angeschossen worden, oder
aus dem Netze entkommen ist, befindet sich noch in seiner natürlichen Freyheit.
Von der Jagdtfolge.
§. 130. Wo die Jagdtfolge üblich ist, darf angeschossenes
oder angehetztes Wild, auch auf fremdem Reviere, so lange verfolgt werden, als
der Spürhund die Färthe noch nicht verloren hat.
§. 131. Wer die Jagdtfolge ausüben will, muß nachweisen, daß
das verfolgte Wild auf seinem Reviere wirklich verwundet oder angehetzt worden.
§. 132. Zum Beweise, wo das Wild angeschossen worden, sind
die auf dem Orte befindliche Farbe oder Haare hinreichend.
§. 133. Wer die Jagdtfolge ausübt, muß das Gewehr auf seinem
Reviere zurücklassen.
§. 134. Ist das verfolgte Wild auf dem Jagdtreviere eines
Andern von diesem schon eingefangen, so muß der Verfolgende sogleich mit
eingekoppelten Hunden zurückkehren.
§. 135. Ein Gleiches muß geschehen, so bald die Hunde die
Spur des verfolgten Wildes verlassen.
§. 136. Das bey Ausübung der Jagdtfolge gefällte oder
gefangene Wild darf nur in Gegenwart des Jagdtberechtigten des Orts, oder
herbeygerufener unpartheyischer Zeugen, aus dem fremden Reviere weggebracht
werden.
§. 137. Unter obigen Einschränkungen (§. 131. sqq.) wird im
zweifelhaften Falle vermuthet, daß die Jagdtfolge üblich sey.
§. 138. Wer die Jagdtfolge ausübt, haftet für allen Schaden,
welcher dadurch auf fremden Saatfeldern und Wiesen angerichtet worden.
§. 139. Ist angeschossenes Wild entkommen, oder hat sonst
die Jagdtfolge nicht statt gefunden; so ist der Jagende schuldig, dem Inhaber
desjenigen angränzenden Reviers, wohin das Wild auf der Flucht sich gewendet
hat, von dem Anschusse binnen vier und zwanzig Stunden, bey Einem bis Fünf
Thalern Strafe, Nachricht zu geben.
§. 140. Doch versteht sich dieses nur von angeschossenem
hohen Wilde, und die Anzeige geschieht auf Kosten des Berechtigten.
Von Wildschaden und dessen Verhütung.
§. 141. Durch Klappern, aufgestellte Schreckbilder, oder
sogenannte Scheusale, durch Zäune und durch kleine oder gemeine Haushunde, kann
jeder das Wild von seinen Besitzungen abhalten.
§. 142. Doch müssen die Zäune, den Polizeygesetzen gemäß,
dergestalt eingerichtet seyn, daß sie nicht zur Beschädigung des Wildes
gereichen.
§. 143. Auch darf niemand, unter dem Vorwande, das Wild
dadurch abzuhalten, gemeine Hunde ungeknüppelt herumlaufen lassen.
§. 144. Wer hohes Wild auf seinem Reviere in ungewöhnlicher
Menge hegen will, ist schuldig solche Veranstaltungen zu treffen, daß die
angrenzenden bebaueten Ländereyen gegen die Beschädigungen desselben gesichert
werden.
§. 145. Sind keine andere Mittel zur Abwendung solcher
Beschädigungen vorhanden, so können die Besitzer der angränzenden Ländereyen
darauf antragen, daß der Jagdtberechtigte auf seine Kosten tüchtige Wildzäune
anlege und unterhalte.
§. 146. Macht sich der Jagdtberechtigte in Anlegung oder
Unterhaltung solcher Veranstaltungen einer Nachläßigkeit schuldig, so haftet er
für allen durch das Wild in der Nachbarschaft verursachten Schaden.
§. 147. So lange der Jagdtberechtigte sich eines Mißbrauchs
in Hegung des Wildes nicht schuldig macht, sind die Besitzer der angränzenden
Ländereyen schuldig und befugt, die nach den Jagdt- und Forstordnungen der
Provinz zuläßigen Mittel zur Abwendung des Wildschadens selbst vorzukehren.
§. 148. Wie die Anmaaßungen eines unbefugten Jagdtrechts,
und die Störungen oder Beeinträchtigungen fremder Jagdtgerechtigkeiten zu
verhüten und zu bestrafen, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. XX. Abschn.
VII.)
Fälle, wo das Wild auch ohne Jagdtgerechtigkeit gefangen
oder getödtet werden kann.
§. 149. Das Wild, welches sich in Gärten, Höfe, oder andere
an die Wohngebäude stoßende geschlossene Plätze eingedrungen hat, kann ein
jeder fangen oder tödten.
§. 150. Er darf sich aber dazu keines Schießgewehrs
bedienen, und muß das gefangene oder erlegte Wild dem Jagdtberechtigten
abliefern.
§. 151. Der Jagdtberechtigte hingegen ist schuldig, das
gewöhnliche Schießgeld dafür zu bezahlen; oder muß, wenn er dieses nicht will,
das Wild dem, welcher es gefangen oder erlegt hat, überlassen.
§. 152. Wo sich Wölfe aufhalten, mag jeder Grundbesitzer an
abgelegenen Orten Wolfsgruben anlegen.
§. 153. Damit aber niemand dadurch Schaden leide, müssen
dergleichen Gruben gegen Menschen und Vieh tüchtig umrückt werden.
§. 154. Hat sich andres jagdtbares Wild in diesen Gruben
gefangen, so muß dasselbe sofort wieder in Freyheit gesetzt oder dem
Jagdtberechtigten gegen Erlegung des Schußgeldes ausgeliefert werden.
§. 155. Wird jemand von wilden Thieren angefallen, so sind
ihm, zur Verteidigung seines Lebens und seiner Gesundheit, alle Mittel,
dieselben von sich abzuhalten oder zu tödten, erlaubt.
§. 156. Wilde und andere reißende Thiere bleiben demjenigen,
welcher sie bey solcher Gelegenheit gefangen oder getödtet hat, eigen.
§. 157. Sind aber Hirsche, Schweine, oder anderes
dergleichen Wild, bey solchen Gelegenheiten gefangen und getödtet worden, so
müssen sie dem Jagdtberechtigten, gegen Ersatz des Schußgeldes, ausgeliefert
werden.
Von Jagdtgerechtigkeiten auf fremden Revieren.
§. 158. Die Jagdtgerechtigkeit auf fremdem Grunde und Boden,
oder auf dem Jagdtreviere eines andern, ist nach den Gesetzen von
Dienstbarkeiten zu beurtheilen. (Tit. XXII.)
Von der Mitjagdt.
§. 159. Wer in demselben Reviere mit Andern zu jagen
berechtigt ist, darf sein Recht nur in eigner Person oder durch seine Jäger
ausüben.
§. 160. Doch kann dem Pächter eines ganzen Guts auch die
Ausübung der dem Gute zukommenden Mitjagdt zugleich überlassen werden.
§. 161. Ein nur zur Mitjagdt Berechtigter darf zur Ausübung
derselben nicht mehr Jäger annehmen, als bisher gewöhnlich gehalten worden.
§. 162. Wenn gleich bey Gütertheilungen den Besitzern der
getheilten Güter die Mitjagdt vorbehalten wird, so dürfen doch dieselben
zusammen nur so viel Jäger halten, als vor der Theilung gewesen sind.
§. 163. Ist vor der Theilung nur Ein Jäger gehalten worden,
so können die zur Mitjagdt Berechtigten dieselbe zwar jeder für seine Person,
übrigens aber nur durch Einen Gesammtschützen ausüben.
§. 164. Wer die Erlaubniß zur Jagdt von einem
Jagdtberechtigten nur für sich selbst erhalten hat, darf dieselbe keinem Andern
übertragen.
Von Koppeljagdten.
§. 165. Bey der Koppel- und Gesammtjagdt ist zwar das Recht
zu jagen, nicht aber das gefällte Wild, gemeinschaftlich.
§. 166. In der Rege (=Regel) kann der, welcher die Koppel-,
Gesammt-, Mit- oder Beyjagdt hat, dieselbe auch ohne Vorwissen seiner
Mitinteressenten ausüben.
§. 167. Hingegen muß, in dergleichen Falle, das Vorhaben,
ein Klopf- oder Treibejagen zu halten, dem Mitberechtigten drey Tage vorher
bekannt gemacht werden.
§. 168. Diesem steht alsdann frey, mit dem andern gemeine
Sache zu machen.
§. 169. Wer nur mit der niedern oder mittlern Jagdt beliehen
ist, darf, ohne Erlaubniß dessen, welchem auf demselben Reviere die hohe Jagdt
zusteht, kein Klopf- oder Treibejagen vornehmen.
4) Von der Fischerey. Gegenstand derselben.
§. 170. So weit jemand mit der Fischereygerechtigkeit in
Strömen, Seen und andern Gewässern versehen ist, so weit hat er ein
ausschließendes Recht, sich alle in diesen Wässern lebende Thiere zuzueignen.
(Th. II. Tit. XV. Abschn. II.)
§. 171. Der Fang solcher Thiere, die zugleich im Wasser und
auf dem Lande leben, (der Amphibien), gehört zur Jagdt, wenn er mit
Schießgewehr, Fallen oder Schlageisen geschieht.
§. 172. Der Fang der Fischottern und Biber gehört allemal
zur Jagdt.
§. 173. Wasservögel sind nur ein Gegenstand des Jagdtrechts.
§. 174. In so fern jedoch jagdtbare Zugvögel, außer der
Hegezeit, mit Fischernetzen unter dem Wasser gefangen werden können, ist
solches dem Fischereyberechtigten erlaubt.
§. 175. Alle andere Wasserthiere und Amphibien, welche mit
Fischernetzen, Angeln, oder mit der Hand im Wasser gefangen werden, gehören dem
Fischereyberechtigten.
Von Fischen in geschlossenen und ungeschlossenen Gewässern.
§. 176. Teiche, Hälter, Seen, und andere geschlossene
Gewässer, welche sich nicht über die Gränze des Grundstücks erstrecken, in
welchem sie liegen, sind in der Regel als das Eigenthum des Grundherrn
anzusehen.
§. 177. Die Fische in solchen Privatgewässern gehören also
auch dem Eigenthümer des Grundstücks.
§. 178. Wenn Fische, die in solchen Gewässern gehegt werden,
bey großem Wasser oder bey einem Durchbruche des Dammes austreten; so können
sie von dem Eigenthümer auch auf fremdem Grunde wieder eingefangen werden.
§. 179. Bis in Flüsse oder Ströme hingegen, oder in andere
Gewässer, worin ein Dritter das Recht zu fischen hat, findet die Verfolgung nur
in so weit statt, als der Eigenthümer sichere Merkmale anzugeben vermag,
wodurch seine ausgetretene Fische von denjenigen, die in dem andern Gewässer
befindlich sind, sich hinlänglich unterscheiden.
§. 180. Wenn Flüsse, Bäche oder andere uneingeschlossene
Gewässer austreten, so kann der, welcher darin zu fischen berechtigt ist, die
ausgetretenen Fische in der Regel nicht verfolgen.
§. 181. Vielmehr gehören diese demjenigen, auf dessen Grunde
das ausgetretene Wasser stehen bleibt.
§. 182. Bleiben die Fische, nach abgelaufenem Wasser, in
Lachen zurück, die jemand zu befischen das Recht hat, so kann dieser auch
solche Fische sich zueignen.
§. 183. Es darf aber niemand die Fische durch Netze, Zäune,
Dämme, oder andere Wehrungen, an der Rückkehr in den Strom verhindern.
Polizeygesetze bey Ausübung der Fischerey.
§. 184. Jeder Eigenthümer mag auf seinem Grunde und Boden,
unter Beobachtung der Landes-Polizeygesetze, Fischteiche anlegen.
§. 185. Die Fischerey in Teichen und eingeschlossenen
Privatgewässern, ist jeder Eigenthümer nach eignem Gutfinden auszuüben
berechtigt.
§. 186. In öffentlichen aber, so wie in nicht
eingeschlossenen Privatgewässern, müssen bey Ausübung derselben, die
Vorschriften der Polizeygesetze wegen der Laichzeit, des verbotenen
Fischerzeuges, und was sonst darin zur Verhütung des Ruins der Fischerey
verordnet ist, genau befolgt werden.
§. 187. Auch in Privatflüssen, worin mehrere die
Fischereygerechtigkeit haben, darf niemand, der nicht ein besonderes Recht dazu
erworben hat, durch Versetzung des Flusses ober- oder unterhalb, den freyen
Gang der Fische hindern.§. 188. Auf öffentlichen Gewässern soll niemand zum
Nachtheil der Fischereyberechtigten Enten halten.
§. 189. Enten, welche die Besitzer der an Privatflüsse und
Teiche stoßenden Grundstücke ohne ausdrückliche Erlaubniß des
Fischereyberechtigten halten, ist dieser, wenn sie auf dem Wasser betroffen
werden, zu pfänden oder zu tödten wohl befugt.
§. 190. Wer ohne Recht und Erlaubniß fischt und krebst,
verliert, außer dem, was er gefangen hat. auch die bey sich habenden Netze und
Fischergeräthe. (Tn. II. Tit. XX. Abschn. XIX.)
Schranken der Fischereygerechtigkeit.
§. 191. Wer bloß die Fischereygerechtigkeit hat, darf sich
deswegen in dem Strome oder Gewässer anderer Rechte des Grundeigenthümers nicht
anmaßen.
§. 192. Werden also bey Gelegenheit des Fischfangs andre
Sachen gefunden und entdeckt, so gelten in Ansehung derselben die Vorschriften
des zweyten und dritten Abschnitts.
Fünfter Abschnitt Von der Beute
Von der Beute überhaupt.
§. 193. Das Recht, im Kriege Beute zu machen, kann nur mit
Genehmigung des Staats erlangt werden.
§. 194. Wem der Staat dieses Recht ertheiht hat, der erwirbt
durch die bloße Besitzergreifung das Eigenthum der erbeuteten Sache.
§. 195. Wer Kriegs- oder Mundvorräthe erbeutet, der muß
dieselben zum Gebrauch des Staats abliefern.
§. 196. Alle andere Sachen, welche bey dem feindlichen
Kriegsheere, oder bey den unter den Waffen befindlichen Feinden, ingleichen bey
feindlichen Marketendern und Lieferanten angetroffen werden, sind als Beute zu
betrachten.
§. 197. Das Eigenthum feindlicher Unterthanen, die weder zur
Armee gehören, noch derselben folgen, kann nur zur Beute gemacht werden, wenn
der Befehlshaber der Truppen die ausdrückliche Erlaubniß dazu gegeben hat.
§. 198. Unbewegliches Eigenthum ist niemals ein Gegenstand
der Beute.
§. 199. Bewegliche Sachen, die der Feind weggenommen und
veräußert hat, kann der vorige Eigenthümer gegen Erstattung desjenigen, was
dafür gezahlt worden, zurückfordern.
§. 200. Hat der Feind die erbeutete Sache verschenkt, so muß
der Besitzer dieselbe dem vorigen Eigenthümer unentgeltlich zurückgeben.
§. 201. Die Beute ist erst alsdann für erobert zu achten,
wenn sie von den Truppen, welche sie gemacht haben, bis in ihr Lager,
Nachtquartier, oder sonst in völlige Sicherheit gebracht worden.
§. 202. So lange der Feind noch verfolgt wird, bleibt dem
vorigen Eigenthümer der ihm wieder abgenommenen Sachen sein Recht darauf
vorbehalten.
§. 203. Den Truppen, welche dem Feinde die Beute wieder
abnehmen, soll von dem Kriegsgericht eine nach den Umständen billig gefundne
Belohnung, welche die Eigenthümer bey der Zurücknahme entrichten müssen,
ausgesetzt werden.
§. 204. In so fern zu dergleichen wiedereroberten Beute kein
Eigenthümer sich meldet, verbleibt dieselbe den Truppen, die sie dem Feinde
wieder abgenommen haben.
Von der Kaperey insonderheit.
§. 205. Privatpersonen, welche Kaperschiffe auszurüsten
Vorhabens sind, müssen zu diesem Behufe sich Kaperbriefe ertheilen lassen.
§. 206. Wer ohne diese auf Kaperey ausgeht, wird als ein
Seeräuber angesehn.
§. 207. In Ansehung der Kapereyen findet der Regel nach
alles statt, was vorstehend vom Beutemachen verordnet ist.
§. 208. Güter und Schiffe, welche von Kapern weggenommen werden,
sind erst für verloren anzusehen, wenn dieselben in einem feindlichen oder
neutralen Hafen aufgebracht worden.
§. 209. Sind sie noch vorher durch Kaper, die unter dem
Schutze derjenigen Macht, welcher der Eigenthümer unterworfen ist, oder einer
mit derselben im Bunde stehenden Macht, Kaperey treiben, dem Feinde wieder
abgenommen worden, so müssen sie dem Eigenthümer für den dritten Theil des
Werths verabfolgt werden.
§. 210. Ist dergleichen Beute dem Feinde von Kriegsschiffen
des Staats, oder dessen Bundesgenossen wieder abgenommen worden, so findet, zum
Besten der Eroberer, dasjenige statt, was oben §. 203. in Ansehung der
Landtruppen verordnet ist.
§. 211. Was für Sachen und Waaren durch Kaperey erworben
werden können, ist nach dem Inhalt der Kaperbriefe, und nach den zwischen den
kriegführenden und neutralen Mächten bestehenden Traktaten zu beurtheilen.
§. 212. Wo diese nichts bestimmen, sind alle Waaren und
Güter feindlicher Unterthanen, welche auf feindlichen Schiffen gefunden werden,
für gute Beute anzusehen.
§. 213. Dagegen soll den Unterthanen freundschaftlicher oder
neutraler Mächte ihr auf feindlichen Schiffen gefundnes Eigenthum nicht
vorenthalten werden.
§. 214. Auch das Eigenthum feindlicher Unterthanen, welches
sich auf neutralen Schiffen befindet, ist frey.
§. 215. Ein gleiches gilt von dem Eigenthume feindlicher
Unterthanen, welches dieselben den Postschiffen und Paketbooten des gegen ihren
Landesherrn kriegführenden Staats anvertrauet haben.
§. 216. Alles vorstehende (§. 213. 214. 215.) findet jedoch
nur in so fern statt, als dergleichen Güter und Sachen nicht unter die
verbotenen Waaren gehören.
§. 217. Was verbotene Waaren sind, ist in der Lehre von
Versicherungen bestimmt. (Th. II. Tit. VIII. Sect XIII.)
§. 218. Alles, was nach einem kundbar belagerten oder
eingeschlossenen Hafen geführt wird, ist als verbotene Waare zu betrachten.
§. 219. Für eingeschlossen ist ein Hafen zu achten, wenn
derselbe durch eine feindliche Landbatterie, oder durch Kriegschiffe, die vor
dem Hafen stationirt sind, gesperrt ist.
Sechster Abschnitt
Von der Erwerbung der An- und Zuwüchse
1) Von
Früchten.
§. 220. Nutzungen einer Sache, die nach dem Laufe der Natur,
mit oder ohne hinzukommende Bearbeitung, aus ihr selbst entstehen, werden
Früchte genannt.
§. 221. Die Früchte einer Sache sind, gleich bey ihrem
Entstehen, das Eigenthum desjenigen, welcher das Nutzungsrecht der Sache hat.
§. 222. Vermehrungen und Verbesserungen einer Sache, die, es
sey durch Natur oder Kunst, von außen her bewirkt worden, heißen An- und
Zuwüchse.
2) Von
abgerissenem Lande.
§. 223. Wird durch die Gewalt des Strohms ein Stück Landes
weggerückt, und an ein fremdes Ufer angelegt, oder auf dasselbe geworfen, so
ist der vorige Besitzer ein solches Stück noch innerhalb Jahresfrist wegzunehmen
berechtigt.
§. 224. Hat der vorige Besitzer ein Jahr, ohne sein Recht
geltend zu machen, verstreichen lassen, so ist der Eigenthümer des dadurch
verbreiteten Ufers das angelegte Stück durch die Besitzergreifung sich
zuzueignen wohl befugt.
3) Von der
Alluvion.
§. 225. Verbreitungen des Ufers durch das allmählige
Anspülen fremder Erdtheile kommen demjenigen zu gute, welchem das Ufer gehört.
(Th. n. Tit. XV. Abschn. II.)
§. 226. Auch neu anwachsende Erdzungen und Halbinseln,
welche nach und nach entstanden sind, gehören demjenigen, an dessen Ufer sich
dieselben angesetzt haben.
§. 227. In beyden Fällen §. 225. 226. bedarf es zur
Erwerbung des Eigenthums weiter keiner Besitzergreifung.
§. 228. Auch wenn dergleichen Anspülungen oder Erdzungen
sich, der Breite nach, in das Flußbette hinein, und selbst bis über die Mitte
desselben erstrecken, kann dennoch der Besitzer des gegenüber liegenden Ufers
darauf keinen Anspruch machen.
§. 229. Wohl aber ist er berechtigt, an seinem Ufer solche
Veranstaltungen zu treffen, wodurch die fernere Verbreitung des gegenüber
liegenden Ufers verhindert wird.
§. 230. Buhnen hingegen, und andre Anlagen, wodurch der
einmal vorhandene Anwuchs der Gefahr, wieder weggespült zu werden, ausgesetzt
wird, darf, ohne Erlaubniß des Staats, niemand anlegen.
§. 231. Diese Erlaubniß soll nur alsdann ertheilt werden,
wenn durch die entstandene Anspülung oder Erdzunge eine dem Nachbar
nachtheilige Veränderung in dem Laufe des Flusses entsteht, welche derselbe
durch die gewöhnlichen Uferbefestigungen nicht abwenden kann.
§. 232. Das Eigenthumsrecht des Uferbesitzers über die an
sein Ufer stoßenden Anspülungen und Erdzungen erstreckt sich nur so weit, als
seine Gränze der Länge nach, reicht.
§. 233. Wird also dergleichen Anwuchs mit der Zeit über
seine Gränze hinaus verlängert, so ist das über seine Gränze hinaus gehende
Stück des Anwuchses, oder der Erdzunge, das Eigenthum des benachbarten
Uferbesitzers.
§. 234. Diese Vorschrift findet auch alsdann statt, wenn das
über die Gränze des Nachbars hinausgehende Stück der Erdzunge oder Halbinsel
mit dem Ufer des Nachbars noch nicht zusammenhängt.
§. 235. Hat jedoch, in beyden Fällen, der benachbarte
Uferbesitzer geschehen lassen, daß der, an dessen Ufer der Anwuchs oder die
Erdzunge sich zuerst angesetzt hatte, dieselbe auch über seine Gränze hinaus,
durch drey auf einander folgende Jahre ruhig nutzen dürfen; so hat letzterer
das Eigenthum eines solchen Stückes erworben.
§. 236. Das einem Uferbesitzer einmal zugefallene Eigenthum
eines Anwuchses, oder einer Halbinsel, geht nicht verloren, wenn auch dieselben
in der Folge durch das Wasser von seinem Ufer abgetrennt werden.
§. 237. Niemand darf durch Pflanzungen, oder andre
Wasserbaue, das Anspülen an die Ufer eines öffentlichen Flusses vorsetzüch
befördern.
§. 238. Auch der daselbst wirklich angespülte Grund und
Boden darf durch Bepflanzungen nur in so fern befestigt werden, als der
gewöhnliche Lauf des Wassers dadurch nicht gehemmt wird.
§. 239. Dagegen ist jeder Uferbesitzer, das Ausreißen des
Strohms, durch dazu dienliche Uferbefestigungen zu verhindern, wohl befugt.
§. 240. Wenn das dem Ausreißen des Strohms ausgesetzte Ufer
nicht anders, als durch solche Anlagen, welche zugleich das Anspülen befördern,
hinlänglich befestigt werden kann, so ist der Uferbesitzer auch zu diesen
berechtigt.
§. 241. Es dürfen aber dergleichen Anlagen in öffentliehen
Flüssen, bey entstehendem Widerspruche, nicht anders, als unter der
ausdrücklichen Genehmigung des Staats, nach vorhergegangner Untersuchung ihrer
Nothwendigkeit, veranstaltet werden.
4) Von Inseln.
§. 242. So lange eine Erderhöhung in dem Flußbette eines
Strohms bey gewöhnlichem Wasserstande, mit einem gemeinen Fischernachen
umfahren werden kann, ist sie als eine Insel anzusehen.
§. 243. Erdflecke, die erweislich sonst ein Theil des festen
Landes gewesen, und davon nur durch Einbiegungen und Umströmungen des Flusses
abgesondert worden sind, werden für Inseln, im rechtlichen Sinne, nicht
geachtet.
§. 244. Wo, nach den Provinzialgesetzen, die Inseln in
öffentlichen Flüssen kein Vorbehalt des Staats sind, da haben die Besitzer
desjenigen Ufers, welchem sie am nächsten liegen, das Recht, sich dieselben
zuzueignen.
§. 245. Ein Gleiches gilt durchgehends von den in
Privatflüssen entstehenden Inseln.
§. 246. Das Eigenthum der Inseln aber wird erst durch die
wirkliche Besitznehmung erworben.
§. 247. Welchem von beyden gegen einander über liegenden
Ufern eine Insel am nächsten sey, muß nach einer durch das Flußbette der Länge
nach, zu ziehenden Linie beurtheilt werden.
§. 248. Die Breite des Flusses wird dabey nach Linien
bestimmt, die von denjenigen Punkten beyderseitiger bey gewöhnlichem
Wasserstande sichtbarer Ufer, welche den beyden Enden der Insel gegenüber
liegen, queer über den Fluß gezogen werden.
§. 249. Diejenige der Länge nach gezogne Linie, welche jede
dieser beyden Queerlinien in ihrer Mitte durchschneidet, bestimmt; welchem Ufer
die Insel am nächsten liege.
§. 250. Schneidet diese Mittellinie durch die Insel selbst,
so kommt das Recht, sich die dadurch bestimmten jedem Ufer am nächsten
liegenden Antheile zuzueignen, den beyderseitigen Uferbesitzern zu.
§. 251. Liegt die Insel, ihrer Länge nach, den Ufern
mehrerer an einander gränzender Besitzer gegenüber, so hat ein jeder von diesen
Besitzern das Recht, sich den seinem Ufer gegenüber liegenden Theil derselben
zuzueignen.
§. 252. Der Antheil eines jeden dieser Uferbesitzer wird
durch Linien bestimmt, welche von den Punkten, wo eines jeden Gränze an den
Fluß stößt, queer über den Fluß, grade nach der in der Mitte desselben
angenommenen Linie gezogen werden.
§. 253. Bey Bestimmung der Rechte der Uferbesitzer, auf eine
ihren Ufern gegenüber liegende Insel wird darauf: ob das Ufer mit Dämmen oder
Teichen, mit oder ohne Vorland eingeschlossen sey, oder nicht, keine Rücksicht
genommen.
§. 254. Wenn jemand eine ganze Insel, die mehrern Ufern
gegenüber liegt, oder deren über seine Gränze hinaus gehenden Theil in Besitz
nehmen will, so muß er diesen Vorsatz seinen Nachbarn bekannt machen, und dieselben
zur Erklärung: ob sie sich ihres Rechts ebenfalls bedienen wollen, auffordern.
§. 255. Weigern sie sich dieser Erklärung, oder zögern sie
damit, oder auch mit der Ausübung ihres Rechts selbst; so kann der, welcher die
Insel in Besitz nehmen will, auf die Vermittelung des Staats antragen.
§. 256. Findet der Staat, daß die Benutzung der Insel dem
gemeinen Wesen zuträglich sey, und wollen, nach wiederholter Aufforderung, die
übrigen Interessenten, innerhalb einer ihnen zu bestimmenden Frist von ihrem Rechte
keinen Gebrauch machen, so kann der Staat dem, welcher sich zuerst gemeldet
hat, auch die über seine Gränze hinauslaufenden Theile der Insel zueignen.
§. 257. So weit jemand, auch ohne dergleichen ausdrückliche
Bestimmung des Staats, eine Insel drey Jahre hinter einander ruhig besessen und
benutzt, hat er das Eigenthum der ganzen Insel, selbst gegen solche Nachbarn,
deren Ufer einem Theile derselben näher liegen, durch Verjährung erworben.
§. 258. Findet der Staat nöthig, daß An- und Zuwüchse der
Ufer, oder auch der Inseln, durchgestochen oder weggeräumt werden, so müssen
die Privatbesitzer derselben sich dergleichen Verfügung zu allen Zeiten
gefallen lassen.
§. 259. Geschieht das Wegräumen oder Durchstechen in einem
öffentlichen Flusse, zur Beförderung der Schiffahrt, oder zur Wiederherstellung
des ordentlichen Laufs des Flusses, so können die Privatbesitzer in der Regel
keine Entschädigung fordern.
§. 260. In so fern jedoch eine solche Alluvion oder Insel
schon seit länger als Fünfzig Jahren besessen und genutzt worden, muß der Staat
den Eigenthümern für den durch die Wegräumung erleidenden Verlust billige
Vergütung leisten.
§. 261. Geschieht die Wegräumung in einem Privatflusse, um
denselben schiffbar zu machen, so müssen die darunter leidenden Besitzer der
Alluvionen und Inseln von dem Staate allemal vollständig entschädigt werden.
§. 262. Eine gleiche Entschädigung muß denselben von den
Flußnachbarn in allen Fällen zu Theile werden, wenn der Staat dergleichen
Durchstiche oder Wegräumungen zu ihrem Besten und Vortheile auf ihren Antrag
veranlaßt.
5) Von zugelandeten und verlaßnen Flußbetten.
§. 263. Soll ein Flußbette, oder andrer Graben und Canal,
durch Verkrippungen oder andre dergleichen Anstalten verengt oder zugelandet
werden, so haben die angränzenden Uferbesitzer das nächste Recht, sich den
solchergestalt gewonnenen Grund und Boden durch Besitznehmung zuzueignen.
§. 264. Wollen sie aber von diesem Rechte Gebrauch machen,
so müssen sie, nach Verhältniß ihrer Antheile an dem gewonnenen Lande, zu den
Arbeiten und Kosten der Ausführung beytragen.
§. 265. Das Recht eines jeden Uferbesitzers erstreckt sich
in solchem Falle der Länge nach so weit, als seine Gränze am Ufer geht, und der
Breite nach bis zu der Mitte des vormaligen Flußbettes.
§. 266. Diese Mitte wird auf die §. 248. sqq.
vorgeschriebene Art bestimmt.
§. 267. Das Bette abgelassener Landseen verbleibt den
Eigenthümern des Sees, nach Verhältniß des jedem von ihnen an dem See selbst
zugestandenen Eigenthumsrechts.
§. 268. Sind die Eigenthumsantheile der mehreren
Interessenten in dem See selbst nicht bestimmt gewesen, so wird der abgelassene
Grund unter die Uferbesitzer nach den §. 265. vorgeschriebenen Grundsätzen
vertheilt.
§. 269. Doch muß von diesen derjenige, welcher, ohne selbst
Uferbesitzer zu seyn, nutzbare Rechte in dem See auszuüben hatte,
verhältnißmäßig entschädigt werden.
§. 270. So weit die in einem Flusse entstehenden Inseln den
benachbarten Uferbesitzern gehören, so weit gehört ihnen auch das von dem
Wasser verlassene Flußbette.
§. 271. Doch müssen diejenigen Unterthanen des Staats,
welche durch den neuen Canal des Flusses an ihrem Eigenthume gelitten haben,
vorzüglich aus dem verlassenen Flußbette oder dessen Werthe entschädigt werden.
§. 272. Ueberströmungen, welche durch die Gewalt des Wassers
veranlaßt worden, und nur eine Zeit lang dauren, wirken keine Veränderung in
dem Eigenthume der überströmten Grundstücke.
§. 273. Ist aber der ehemalige Eigenthümer des neuen Canals
bereits auf andere Art schadlos gehalten worden, so fällt das wieder verlassene
neue Flußbette, so weit es nicht nach §. 271. zur fernern Entschädigung
gebraucht wird, demjenigen zu, welcher dem Erstern die Schadloshaltung
geleistet hat.
§. 274. Wegen einer bloßen Schmälerung oder Erweiterung des
Flußbettes, welche durch die Natur selbst veranlaßt worden, kann keine
Vergütung gefordert werden.
6) Vom Säen und Pflanzen.
§. 275. Das Eigenthum des Saamens oder der Pflanzen, womit
fremder Grund und Boden bestellt worden, fällt, sobald ersterer ausgesäet ist,
und leztere Wurzeln getrieben haben, demjenigen anheim, welchem das
Nutzungsrecht des Bodens zukommt.
§. 276. Will der Nutzungsberechtigte des Bodens die Früchte
genießen, so muß er dem Andern den Werth des Saamens oder der Pflanzen, nebst
den Bestellungskosten, vergüten.
§. 277. Ist die Bestellung redlicher Weise geschehen, so
müssen dem Bestellenden alle erweislich verwendete Kosten erstattet werden.
§. 278. Hat aber derselbe sich der Bestellung eines fremden
Ackers unredlicher Weise angemaaßt, so kann er den Ersatz der Kosten nur so
weit fordern, als dieselben, nach der in jeder Provinz oder Gegend gewöhnlichen
Art des Betriebs, wirthschaftlich verwendet worden.
§. 279. Will der Nutzungsberechtigte von der Bestellung
keine Früchte ziehen, sondern den Boden anders nutzen, so kann ihm dergleichen
Verfügung nicht gewehrt werden.
§. 280. Alsdann kann der Säende oder Pflanzende bloß den
Saamen oder die Pflanzen, so weit es ohne Beschädigung des Grundstücks möglich
ist, zurücknehmen.
§. 281. Will der Nutzungsberechtigte des Bodens die Früchte
des Gesäeten oder Gepflanzten dem Säenden oder Pflanzenden überlassen, so muß
Letzterer dagegen dem Ersteren für die entzogene Nutzung des Bodens, nach
Verhältniß des Grades seiner Verschuldung, gerecht werden.
§. 282. Wenn das Grundstück selbst von dem Säenden oder
Pflanzenden redlicher Weise besessen worden, so hat es, auch in Absicht der
erfolgten Bestellung desselben, bey den wegen der Rechte und Pflichten eines
redlichen Besitzers überhaupt vorhandnen gesetzlichen Bestimmungen sein
Bewenden. (Tit. VII. §. 189. sqq.)
§. 283. Wer selbst oder durch Andere auf seinen Grund
fremden Saamen säet, oder fremde Pflanzen einsetzt, muß dem Eigenthümer
derselben allemal den höchsten Preis, so wie er zur Zeit der Bemächtigung des
Saamens oder der Pflanzen gestanden hat, vergüten.
§. 284. Hat der Eigenthümer des Bodens betrüglich gehandelt,
so ist er dem Eigenthümer des Saamens oder der Pflanzen auch allen Vortheil,
welcher demselben bey dieser Gelegenheit entgangen ist, zu erstatten verbunden.
7) Vom Pflanzen der Bäume.
§. 285. Das Eigenthum eines auf der Gränze stehenden Baums
gebührt dem, auf dessen Grunde und Boden der Stamm aus der Erde kommt.
§. 286. Steht der Stamm selbst auf der Gränze, so haben
beyde Nachbarn das Miteigenthum des Baumes.
§. 287. Niemand ist die unter seinem Grunde und Boden
fortlaufenden Wurzeln, oder die über seine Gränze herüber hangenden Zweige
eines fremden Baumes zu dulden verpflichtet.
§. 288. Will er aber selbige weghauen, so muß er das Holz
dem Eigenthümer des Baumes ausliefern.
§. 289. Duldet er hingegen dieselben, so ist er berechtigt,
diejenigen Früchte sich zuzueignen, welche der Eigenthümer nicht einsammeln
kann, ohne den Grund des Nachbars zu berühren.
§. 290. Dergleichen Früchte darf der Eigenthümer auch nicht
mit Instrumenten herüber langen, oder durch das Herüberbeugen der Aeste an sich
ziehen.
§. 291. Dagegen ist der Eigenthümer des Baumes die auf den
Grund des Nachbars hinüber hangenden Zweige auf seinem eignen Grunde und Boden
wegzuhauen wohl befugt.
§. 292. Früchte eines an der Gränze stehenden Baumes, welche
durch die Gewalt des Windes über die Gränze getrieben werden, ist der Nachbar
sich zuzueignen berechtigt.
§. 293. Der Baum selbst aber, welcher durch Sturmwind ganz
oder zum Theil auf den Grund des Andern geworfen worden, verbleibt dem vorigen
Eigenthümer.
§. 294. Auch die Früchte, welche nach erfolgter Wegschaffung
an dem Baume noch befestigt sind, gehören dem Eigenthümer.
§. 295. Der Eigenthümer ist, bey Verlust seines Rechts,
schuldig, einen solchen Baum, auf Verlangen des Nachbars, ohne Zeitverlust von
dem Grunde desselben wegzuschaffen.
§. 296. Den Schaden, welcher bey dem Wegschaffen auf dem
Grunde des Nachbars angerichtet wird, muß der Eigenthümer des Baums allemal
vergüten.
§. 297. Denjenigen Schaden aber, welchen der Baum selbst
durch seinen Umsturz verursacht hat, muß er nur in so fern vergüten, als ihm
dabey eine nach den Gesetzen verantwortliche Verschuldung zur Last fällt.
5) Von der Verbindung, Vermengung und Vermischung;
ingleichen
§. 298. Hat jemand fremde Sachen, ohne Wissen und Willen des
Eigenthümers, mit der seinigen verbunden, vermengt oder vermischt, so müssen,
auf seine Kosten, beyderley Sachen wiederum abgesondert, und in den vorigen
Stand gesetzt werden.
von Verarbeitung fremder Materialien.
§. 299. Kann die Absonderung nicht mehr erfolgen, oder sind
fremde Materialien ohne Wissen und Willen ihres Eigenthümers verarbeitet
worden: so muß der, welcher einer solchen Verfügung über fremde Sachen
betrüglicher Weise, und in der Absicht, seinen Vortheil mit dem Schaden eines
andern zu befördern, sich angemaßt hat, das Eigenthum des Ganzen dem Andern
überlassen.
§. 300. Dieser ist alsdann das Arbeitslohn, oder den Werth
der dem Verfügenden zugestandenen verbundenen, vermengten, oder vermischten
Sache, nur nach dem niedrigsten durch Sachverständige bestimmten Satze zu
vergüten schuldig.
§. 301. Auch diese Vergütung wird dem Betrüger, zur Strafe,
durch den Fiskus entrissen.
§. 302. Will derjenige, über dessen Sache von einem Andern
solchergestalt betrüglicher Weise verfügt worden, das daraus entstandene Ganze
nicht behalten, so muß ihm der Andere den höchsten Werth seiner Sache, so wie
derselbe zwischen dem Zeitpunkte der widerrechtlichen Anmaaßung und der
zugestellten Klage gewesen ist, erstatten.
§. 303. Kann derjenige, über dessen Sache solchergestalt
verfügt worden, noch außerdem einen ihm dadurch entstandenen Schaden, oder
entgangenen Gewinn nachweisen; so muß ihm auch dieser nach den Grundsätzen des
Sechsten Titels, vergütet werden.
§. 304. Hat jemand ohne Betrug fremde Materialien dergestalt
verarbeitet, daß dieselben dadurch ihre bisherige Form verloren, und eine neue
Gestalt angenommen haben; so verbleibt die daraus entstandene neue Sache dem
Verarbeitenden.
§. 305. Dieser aber muß dem Eigenthümer der Materie, nach
dessen eigner Wahl, entweder eben so viel Materialien von gleicher Art und Güte
zurückgeben, oder den Werth der Materialien, nach dem höchsten Preise zur Zeit
der Verarbeitung, ersetzen.
§. 306. Ueberdies muß er, nach Maaßgabe des Grades seiner
Verschuldung, dem Eigenthümer der Materie für den durch die eigenmächtige
Verarbeitung erlittenen Schaden und entgangenen Gewinn, gerecht werden.
§. 307. Hat jemand, ohne kunst- oder handwerksmäßige
Verarbeitung, fremde Materialien mit den seinigen, jedoch nicht betrüglicher
Weise, verbunden, vermengt oder vermischt, so muß untersucht werden: welchem
von beyden an dem Werthe des nunmehrigen Ganzen, nach Verhältniß seiner
beygetragenen Materialien, der beträchtlichste Antheil zukomme.
§. 308. Hat der, über dessen Sache solchergestalt ohne sein
Zuthun verfügt worden, den beträchtlichsten Antheil, so steht ihm die Wahl
frey: ob er das nunmehrige Ganze behalten, oder dasselbe dem Andern überlassen
wolle.
§. 309. Wählt er letzteres, so muß ihm der Verfügende seine
Materialien nach der Bestimmung des §. 305. vergüten, und ihm noch außerdem,
für den erlittenen Schaden und entgangenen Gewinn, nach Vorschrift §. 306.
gerecht werden.
§. 310. Will er aber das Ganze behalten, so muß er dem
Verfügenden seinen Beytrag an Materialien, nach dem zur Zeit der Verfügung
gestandenen gemeinen Werthe, vergüten.
§. 311. Uebersteigt dieser Werth den Werth der Verbesserung,
welche bey der Sache durch die Verfügung entstanden ist; so muß der Verfügende
mit Vergütung der letztern sich begnügen.
§. 312. Hat in dem §. 307. gesetzten Falle der Verfügende
den beträchtlichsten Antheil an dem nunmehrigen Ganzen, so verbleibt ihm zwar
das Ganze;
§. 313. Er muß aber dem Andern, über dessen Materialien er
solchergestalt eigenmächtig verfügt hat, nach Vorschrift des §. 305. 306.
Ersatz und Vergütung leisten.
§. 314. Bleibt es in dem §. 307. gesetzten Falle
zweifelhaft, welchem von beyden Interessenten der größere Antheil an dem
nunmehrigen Ganzen zukomme, so gebühret demjenigen, über dessen Sache
solchergestalt ohne sein Zuthun verfügt worden, die Wahl nach den §. 308-311.
festgesetzten Bestimmungen.
§. 315. Hat jemand Materialien verschiedener Eigenthümer,
ohne deren Zuthun, verarbeitet, verbunden, vermengt oder vermischt, so ist die
Frage: wem das nunmehrige Ganze verbleibe, zwischen ihm auf der einen; und den
mehrern Eigenthümern zusammen genommen auf der andern Seite, nach obigen
Grundsätzen §. 298-314. zu bestimmen.
§. 316. Kommt es dabey auf eine Wahl von Seiten dieser Eigenthümer
an; so entscheidet unter ihnen der Entschluß derjenigen, welchen, zusammen
genommen, an dem Werthe der Materialien der beträchtlichste Antheil zukommt.
§. 317. Bleibt dieses zweifelhaft, so entscheidet, unter
mehrern Eigenthümern, über die von ihnen zu treffende Wahl, das Loos.
§. 318. Behalten nach diesen Grundsätzen die mehrern
Eigenthümer der Materialien das Eigenthum des nunmehrigen Ganzen, und sind ihre
Materialien gleichartig gewesen, so werden sie Miteigenthümer des Ganzen.
§. 319. Waren die Materialien ungleichartig, so hat
derjenige das Vorrecht, dessen Antheil von größerem Werthe gewesen ist.
§. 320. War der Antheil der mehrern Interessenten von
gleichem Werthe, so muß das Loos entscheiden: wer das Ganze, gegen Abfindung
der übrigen Interessenten, behalten soll.
§. 321. Die Abfindung wird nach Verhältniß des Werths der
jedem Interessenten gehörig gewesenen Materialien, zu dem Werthe des daraus
entstandenen Ganzen, so wie letzterer zur Zeit der Auseinandersetzung
beschaffen ist, festgesetzt.
§. 322. Können die Interessenten über den Werth des
nunmehrigen Ganzen sich nicht vereinigen, so muß derselbe durch eine unter
ihnen anzustellende Licitation bestimmt werden.
§. 323. Der Meistbietende behält alsdann das Ganze, und muß
die übrigen nach der Bestimmung des §. 321. abfinden.
9) Von
Befruchtung fremder Thiere.
§. 324. Ist jemands Thier von dem Thiere eines andern
befruchtet worden, so verbleibt die daraus entstandene Frucht dem Eigenthümer
der Mutter.
§. 325. Ist die Befruchtung mit Vorwissen und Genehmigung
dieses letztern geschehen, so muß er dem Eigenthümer des befruchtenden Thieres
eine in den Polizeygesetzen und Ordnungen jedes Orts, oder Distrikts, näher
bestimmte Vergütung leisten.
§. 326. In wie fern hingegen, falls die Befruchtung ohne
Vorwissen und Genehmigung eines oder des andern Theils erfolgt ist, einer dem
andern zur Schadloshaltung verpflichtet sey, ist nach den Grundsätzen des
Sechsten Titels zu bestimmen.
10) Vom Bau auf
fremdem Boden, oder
§. 327. Hat jemand ein für sich selbst bestehendes Gebäude
auf fremdem Grunde und Boden ohne Vorwissen des Grundeigenthümers errichtet; so
hängt es von dem Grundeigenthümer ab, das Gebäude zu erhalten, oder auf dessen
Wegschaffung und Abbrechung zu dringen.
§. 328. Wählt der Grundeigenthümer das letztere, so muß das
Abbrechen und Wegräumen auf Kosten des Bauenden erfolgen; und dieser haftet
noch außerdem, nach dem Grade seiner Verschuldung, dem Eigenthümer für den
erlittenen Schaden und entgangenen Gewinn.
§. 329. Verlangt der Grundeigenthümer die Erhaltung des
Gebäudes, so kann er sich dasselbe entweder selbst zueignen, oder es mit dem
dazu gehörenden Grunde und Boden dem Bauenden überlassen.
§. 330. Will der Grundeigenthümer das Gebäude behalten, so muß
er dem Bauenden die verwendeten Baukosten, so weit sie den Werth des Gebäudes,
nach der Schätzung der Sachverständigen, nicht übersteigen, erstatten.
§. 331. Will der Grundeigenthümer das Gebäude dem Bauenden
überlassen, so muß dieser ihm den Werth des Grundes und Bodens vergüten, und
noch außerdem denjenigen Schaden erstatten, welchen der Eigenthümer, durch
Verengung des nöthigen Platzes, oder sonst, nach seiner Lage und Gewerbe
erweislich leidet.
§. 332. Hat der Eigenthümer des Grundes und Bodens um den
Bau gewußt, und nicht sogleich, als er davon Nachricht erhalten, der
Fortsetzung desselben auf eine solche Art, daß es zur Wissenschaft des Bauenden
gelangt ist, widersprochen; so muß er mit der bloßen Entschädigung für Grund
und Boden sich begnügen.
§. 333. Wie es zu halten sey, wenn der Besitzer eines ganzen
Guts Gebäude darauf errichtet, und hiernächst das Gut, nebst den Gebäuden, dem
Eigenthümer zurückgeben muß, ist im Titel vom Besitz verordnet. (Tit. VII. §.
204-211. §. 238.)
mit fremden Materialien, ingleichen
§. 334. Hat jemand fremde Materialien, auf seinem eignen
Grunde und Boden, ohne Vorwissen des Eigenthümers verbaut, so kann zwar
letzterer weder die einmal verbaueten Materialien zurückfordern, noch das
Eigenthum des Gebäudes verlangen;
§. 335. Er muß aber von dem Bauenden, nach Maaßgabe der
demselben zur Last fallenden Verschuldung für den Verlust seiner Materialien
entschädigt werden.
auf fremdem Boden und mit fremden Materialien zugleich.
§. 336. Hat jemand fremde Materialien auf fremdem Grunde und
Boden, ohne Vorwissen beyder Eigenthümer verbauet, so ist die Frage über das
Eigenthum, zwischen ihm und dem Grundeigenthümer nach obigen Grundsätzen §.
327-332. zu entscheiden.
§. 337. Dem Eigenthümer der Materialien muß der Bauende nach
Vorschrift §. 335. gerecht werden.
§. 338. Hingegen hat der Eigenthümer der Materialien an den
Grundeigenthümer, in so fern dieser an der Kränkung des erstern in seinem
Eigenthume nicht Theil genommen hat, gar keinen Anspruch.
§. 339. Doch kann der Eigenthümer der Materialien, wegen
seiner von dem Bauenden zu erhaltenden Entschädigung, an das, was der
Grundeigenthümer dem Bauenden etwa noch zu leisten hat, sich vorzüglich halten.
Vom Bauen an der Gränze.
§. 340. Will jemand einen Bau auf seiner Gränze führen, so
muß er seinen Vorsatz, und wie weit er das Gebäude vorzurücken gedenke, den
Nachbarn anzeigen.
§. 341. Hat er dieses gethan, und ist die angegebene Linie
von den Nachbarn genehmigt, gleichwohl aber das Gebäude durch Zufall, geringes
oder mäßiges Versehen, über die angegebene Linie vorgerückt worden, so darf er
den Nachbarn nur den Grund und Boden nach einer billigen Taxe vergüten.
§. 342. Hat aber der Bauende die Anzeige ganz unterlassen,
oder hat er, des Widerspruchs der Nachbarn ungeachtet, über die wahre Gränzlinie
fortgebauet; oder hat er die von ihnen genehmigte Linie aus Vorsatz oder grobem
Versehen überschritten; so ist er schuldig, das Gebäude, auf seine Kosten, bis
innerhalb seiner Gränze einzuziehn, und noch außerdem die Nachbarn zu
entschädigen.
Siebenter Abschnitt Von Preisgegebenen Sachen oder Geldern
§. 343. Die Erwerbung von Sachen oder Geldern, die in der
Absicht ausgeworfen werden, daß der, welcher sie in Besitz nimmt, Eigenthümer
davon werden solle, geschieht nach den Regeln der ursprünglichen Besitzergreifung.
(§. 7. bis 13.)
§. 344. Dergleichen Sachen und Gelder werden so lange, bis
sie wirklich in Besitz genommen worden, als herrnlos angesehn.
§. 345. Hat jedoch jemand Sachen oder Gelder nur für gewisse
Personen Preis gegeben, so können auch nur diese das Eigenthum durch
Besitznehmung erwerben.
§. 346. Diese haben daher das Recht, alle Andere von der
Besitzergreifung auszuschließen, und die dazu erforderlichen Anstalten
vorzukehren.
§. 347. Haben Andere, denen die Sachen oder Gelder nicht
bestimmt waren, sich deren bemächtigt, so kann sie der vorige Eigenthümer von
ihnen zurückfordern.
§. 348. Niemand darf, ohne Genehmigung der Polizeyobrigkeit,
wegen sonst zu besorgender Unordnungen, öffentlich Gelder auswerfen, oder
Sachen Preis geben.
§. 349. Hat er es ohne dergleichen Erlaubniß gethan, oder
die von der Polizey vorgeschriebnen Maaßregeln nicht beobachtet, so haftet er
für allen Schaden.
Achter Abschnitt Von Erwerbung der Erbschaften
Was zur Erbschaft gehöre, oder nicht gehöre.
§. 350. Die Erbschaft eines Verstorbnen, oder für todt
Erklärten, besteht aus dem Inbegriffe aller seiner hinterlassenen Sachen,
Rechte und Pflichten.
§. 351. Was wegen eines Inbegriffs von Sachen und Rechten
überhaupt vorgeschrieben ist, findet auch bey Erbschaften Anwendung. (Tit. II.
§. 32. sqq.)
§. 352. In wie fern die Erbschaft durch das, was gewisse
Miterben bey der Theilung unter einander einwerfen müssen, einen Zuwachs
erhalte, ist gehörigen Orts bestimmt. (§§. 303 ff. Tit. II. Th.II.)
§. 353. Alles, was an fremdem Eigenthume, oder dessen
Zuwüchsen, in der Gewahrsam des Verstorbenen gefunden worden, gehört nicht zu
seiner Erbschaft.
§. 354. Auch dürfen Lehne und Fideicommisse, welche der
Erblasser besessen hat, dazu nicht gerechnet werden.
§. 355. In so fern aber dem Erblasser auf dergleichen fremde
Sachen (§. 353. 354.) Rechte zukommen, welche ihrer Natur nach durch den Tod
nicht erlöschen, machen diese Rechte einen Theil der Erbschaft aus.
§. 356. Insonderheit gehört alles, was der Erblasser wegen
der auf solche Sachen verwendeten Kosten zu fordern berechtigt wäre, zu seiner
Erbschaft.
§. 357. In wie fern vorhandne oder rückständige Früchte und
Nutzungen solcher Sachen zur Verlassenschaft gehören, oder nicht, ist nach dem
Unterschiede der Vermögensarten durch besondre Gesetze bestimmt. (Tit. XVIII.
Sect. I. Th. II. Tit. IV.)
§. 358. Der, welchem dergleichen fremde Sachen zugehören,
oder vermöge der Gesetze zufallen, ist dieselben aus dem Nachlasse eigenmächtig
an sich zu nehmen nicht befugt.
§. 359. Vielmehr muß er die Ausantwortung derselben von dem
Erben erwarten, oder durch richterliche Hülfe bewirken.
§. 360. Rechte, Verbindlichkeiten, Lasten und Strafen,
welche bloß an der Person des Erblassers haften, sind zu seiner Erbschaft nicht
zu rechnen. (Einleit. §. 102. Tit. II. §. 40.)
§. 361. In so fern aber aus Rechten oder Pflichten, die mit
dem Tode des Erblassers erlöschen, noch bey seiner Lebenszeit Folgen entstanden
sind, die ein nach Gelde zu schätzendes Interesse begründen, gehört dieses
Interesse allerdings zu seinem Nachlasse.
§. 362. Rechte und Pflichten aus Verträgen, ingleichen
diejenigen, welche den Ersatz eines aus unerlaubten Handlungen entstandenen
Schadens betreffen, werden in der Regel der Erbschaft beygerechnet.
§. 363. Geldstrafen sind aus der Erbschaft nur in so fern zu
entrichten, als sie gegen den Erblasser wirklich schon erkannt, oder doch die
Untersuchung gegen ihn schon so weit geschlossen worden, daß der rechtlichen
Festsetzung ferner nichts im Wege steht.
§. 364. Sachen aber, die wegen eines daran begangnen
Verbrechens dem Fiskus verfallen sind, müssen demselben aus dem Nachlasse
verabfolgt werden, auch wenn der Erblasser den Abschluß der Untersuchung und
die Eröffnung des Confiskationsurtels nicht mehr erlebt hat.
§. 365. Die Kosten der Untersuchung treffen in allen Fällen
den Nachlaß, sobald erhellet, daß der Verstorbene zu der Untersuchung auch nur
durch Versehen, oder unvorsichtiges Betragen, gegründeten Anlaß gegeben habe.
§. 366. Mit den Rechten und Pflichten in Ansehung der
Conventionalstrafen hat es eben die Bewandniß, wie mit andern aus Verträgen
entspringenden Befugnissen und Verbindlichkeiten.
Vom Erbanfall.
§. 367. Sobald der Erblasser verstorben, oder für todt
erklärt ist, fällt die Erbschaft an denjenigen, welchen rechtsgültige
Willenserklärungen des Erblassers, oder in deren Ermangelung, die Vorschriften
der Gesetze dazu berufen.
§. 368. Dieser erlangt das Eigenthum der Erbschaft, nebst
allen damit verbundnen Rechten und Pflichten, ohne daß es weiter einer
Besitzergreifung bedarf.
§. 369. Ist aber jemanden eine Erbschaft unter einer zu
Recht beständigen aufschiebenden Bedingung hinterlassen worden, so wird er nur
von der Zeit der Erfüllung dieser Bedingung Eigenthümer der Erbschaft.
§. 370. Stirbt der Erbe, noch ehe er die Erbschaft in Besitz
genommen hat, so geht dennoch sein Recht daran auf seinen Erben über.
§. 371. Hängt die Frage: wem eine Erbschaft angefallen sey,
davon ab: ob eine bey dem Tode des Erblassers vorhandene Leibesfrucht lebendig
zur Welt kommen werde, so muß dieser Erfolg abgewartet werden.
§. 372. Würde die Leibesfrucht, wenn sie zur Welt käme, alle
Andern ausschließen, so muß derjenige, welcher vermöge der Gesetze, oder
richterlicher Anordnung, Curator derselben ist, zugleich zum
Verlassenschafts-Curator bestellt werden.
§. 373. Dieser muß, unter Aufsicht des Gerichts, den Nachlaß
für die Leibesfrucht verwalten; Er darf aber wegen der Substanz desselben, ohne
Zuziehung und Einwilligung derjenigen, welche in Ermanglung der Leibesfrucht
die nächsten zur Erbschaft seyn würden, nichts verfügen.
§. 374. Ueberhaupt muß er die einem Curator unbekannter oder
abwesender Erben unten (§. 471. sqq.) zu ertheilenden Vorschriften beobachten.
§. 375. Kommt keine lebendige Leibesfrucht zur Welt, so wird
die Sache so genommen, als wenn der Anfall sofort an diejenigen gediehen wäre,
welche zur Zeit des Todes, durch Gesetze oder Willenserklärungen, nächst der
Leibesfrucht dazu berufen waren.
§. 376. Diesen Erben müssen daher auch alle in der
Zwischenzeit gefallene Nutzungen des Nachlasses mit der Substanz zugleich
verabfolgt werden.
§. 377. Doch müssen dieselben nicht nur die
Administrations-Kosten, sondern auch alles, was zum Besten der Leibesfrucht,
und zur Verpflegung der Mutter, aus dem Nachlasse und dessen Nutzungen
verwendet worden, sich anrechnen lassen.
§. 378. Würde die Leibesfrucht, wenn sie lebendig zur Welt
käme, nicht alle Andern ausschließen, sondern nur mit Andern zugleich an der
Erbschaft Tneil nehmen, so können die übrigen Erben verlangen, daß ihnen die
Verwaltung des Nachlasses aufgetragen werde.
§. 379. Sie müssen aber dabey den Curator der Leibesfrucht
zuziehen, und sind in ihrer Verwaltung an eben die Einschränkungen gebunden,
welche dem Verlassenschafts-Curator nach §. 373. 374. vorgeschrieben sind.
§. 380. Die Theilung der Erbschaft muß so lange ausgesetzt
bleiben, bis entschieden ist: ob die Leibesfrucht lebendig zur Welt kommen
werde.
§. 381. Die Administrations-, ingleichen die
Verpflegungskosten der Leibesfrucht und ihrer Mutter, werden auch in diesem
Falle, ohne Unterschied: ob erstere lebendig zur Welt kommt, oder nicht, von
der ganzen Masse, vor der Theilung abgezogen.
§ 382. Mehrere zugleich zu einer Erbschaft berufne Personen
werden Miteigenthümer derselben. (Tit. XVII. Sect. II.)
Von der Ueberlegungsfrist.
§. 383. Jeder, dem eine Erbschaft anheim gefallen ist, hat
die Wahl: ob er dieselbe mit vorstehenden Rechten und Pflichten übernehmen,
oder ihr entsagen wolle.
§. 384. Zur Erklärung hierüber wird demselben eine Frist von
Sechs Wochen, nach erlangter Wissenschaft, verstattet.
§. 385. Ist der Aufenthalt des Erben über vierzig Meilen von
dem letzten Wohnorte des Erblassers entfernt, so kommt ersterem eine
dreymonathliche Frist zu gute.
§. 386. Während dieser Frist ist der Erbe auf Forderungen
der Erbschaftsgläubiger sich einzulassen, und Prozesse, die von dem Erblasser
oder gegen ihn angestellt worden, fortzusetzen, nicht schuldig.
§. 387. Doch können die Gläubiger in allen Fällen, wo ein
Arrestschlag nach den Gesetzen zuläßig ist, auf die Versiegelung des Nachlasses
antragen.
§. 388. Der Erbe selbst kann, während der Ueberlegungsfrist,
zum Besten des Nachlasses solche Handlungen, die keinen Aufschub leiden,
vornehmen.
Von Antretung und Entsagung der Erbschaften überhaupt.
§. 389. Nur derjenige, welcher die freye Verwaltung seines
Vermögens hat, kann sich über die Annahme oder Entsagung einer Erbschaft
rechtsgültig erklären.
§. 390. Steht der Erbe unter Vormundschaft oder Curatel, so
muß die Erklärung von dem Vormunde oder Curator abgegeben werden.
§. 391. Ist zur Zeit des Anfalls über das Vermögen des Erben
Concurs eröffnet, so ist zur Rechtsgültigkeit seiner Erklärung der Beytritt des
Curators und die Genehmigung des den Concurs dirigirenden Gerichts
erforderlich.
§. 392. Die Erklärung muß überhaupt mit allen Erfordernissen
einer rechtsgültigen Willensäußerung versehen seyn, und bey dem Gerichte, unter
welchem der Erblasser zuletzt seinen persönlichen Gerichtsstand gehabt hat,
abgegeben werden. (Tit. V. §. 133.)
§. 393. Doch verliert die Erklärung bloß dadurch, daß sie
aus Versehen bey einem nicht gehörigen Gerichte geschehen ist, ihre rechtlichen
Wirkungen noch nicht; in so fern nur der Erbe, sogleich nach erhaltener
Bedeutung darüber, dieselbe gehörigen Orts angebracht hat.
§. 394. Außer dem unten §. 420. sqq. bestimmten Vorbehalte
können der Erklärung keine Bedingungen mit rechtlicher Wirkung beygefügt
werden.
§. 395. Auch muß die Erklärung über die ganze Erbschaft, und
nicht bloß auf einen Theil derselben, gerichtet seyn.
§. 396. Erklärungen, bey welchen gegen diese Vorschriften
(§. 394. 395.) gehandelt worden, werden für nicht geschehen geachtet. (§. 427.)
§. 397. Stirbt der Erbe, ehe die Ueberlegungsfrist verlaufen
ist, so haben seine Erben, zur Erklärung über den ersten Anfall eben die Frist,
welche ihnen in Ansehung des zweyten zu statten kommt.
Von Entsagungen insonderheit.
§. 398. Die Entsagung einer Erbschaft muß von dem
Entsagenden allemal bey Gerichten, entweder in Person oder durch eine von ihm
eigenhändig unterschriebene Vorstellung erklärt werden.
§. 399. Im letztern Falle muß die Unterschrift gerichtlich,
oder durch einen Justizcommissarium beglaubigt seyn.
§. 400. Ist diese Form zwar verabsäumt; es kann aber
nachgewiesen werden, daß die eingekommene Erklärung dem Willen des Entsagenden
gemäß sey; so verliert letztere durch die Verabsäumung der Form nichts an ihrer
Wirksamkeit.
§. 401. Dem in einem rechtsgültigen Testamente ernannten
Erben steht es nicht frey, der Erbschaft aus dem Testamente zu entsagen, und
den Nachlaß als gesetzlicher Erbe in Besitz zu nehmen.
§. 402. Ist er aber durch die Verordnung des Erblassers an
einem ihm gebührenden Pflichttheile verkürzt worden, so kann er auf dessen
Abreichung oder Ergänzung antragen. (Th. II. Tit. II. Sect. V.)
§. 403. Die Entsagung einer Erbschaft begreift die Begebung
solcher Forderungen, welche den Erben an den Nachlaß aus einem andern Grunde
zukommen, nicht unter sich.
§. 404. Wer also einer Erbschaft entsagt, begiebt sich
dadurch nicht der durch den Erblasser auf ihn verfällten Lehne, Fideicommisse
oder anderer Vermögenstücke, welche ihm nach Verträgen oder Gesetzen, ohne
Rücksicht auf die Eigenschaft eines Erben, zukommen.
§. 405. Wer einer durch Testament ihm angetragenen Erbschaft
entsagt, verliert dadurch noch nicht sein durch einen Vertrag erworbenes
Erbrecht.
§. 406. So weit ein Erbe der Erbschaft gültig entsagt, tritt
derjenige, welchen der rechtsbeständige Wille des Erblassers oder in dessen
Ermangelung die Gesetze, als den nächsten nach ihm, berufen, an seine Stelle.
§. 407. Ist bekannt, wer dieser nächste sey; so muß der
Richter denselben von der erfolgten Entsagung benachrichtigen; im
entgegengesetzten Falle aber finden die Vorschriften §. 471. sqq. Anwendung.
§. 408. Demjenigen, welchem eine Erbschaft erst durch die
Entsagung eines Andern anfällt, kommen zu seiner Erklärung: ob er diese
Erbschaft annehmen wolle oder nicht, eben die Fristen, wie dem ersten Erben,
vom Tage der ihm bekannt gewordenen Entsagung zu statten.
§. 409. Obige Vorschriften (§. 406. 407. 408.) finden nicht
nur bey der ersten, sondern auch bey jeder folgenden Entsagung statt.
§. 410. So bald aber die Entsagung von einen Erben nicht ausdrücklich
zu Gunsten des auf ihn folgenden geschieht, sind die Gläubiger des Erblassers,
nach näherer Bestimmung der Concursordnung, auf Eröffnung des Concurses über
den Nachlaß zu dringen berechtigt.
§. 411. Eine gültig geschehene Erbschaftsentsagung kann
unter keinerley Vorwande widerrufen werden.
§. 412. Dagegen kann auch der Erbe, welcher die Erbschaft
einmal angenommen, oder sich innerhalb der gesetzmäßigen Frist gar nicht
erklärt hat, derselben zum Nachtheile eines Dritten nicht mehr entsagen.
Von Antretung der Erbschaft ohne Vorbehalt.
§. 413. Die Antretung einer Erbschaft kann mit oder ohne
Vorbehalt der Rechtswolthat des Inventarii geschehen.
§. 414. Die Erklärung, eine Erbschaft ohne Vorbehalt
annehmen zu wollen, muß eine deutliche und bestimmte Entsagung dieser
Rechtswohlthat enthalten.
§. 415. Es muß dabey die §. 398. 399. vorgeschriebene Form
beobachtet werden.
§. 416. Der Erbe, welcher dergleichen Erklärung während der
gesetzlichen Ueberlegungsfrist abgegeben hat, kann sie nur bis zum Ablaufe
dieser Frist, jedoch nur gerichtlich, zurücknehmen.
§. 417. Hat er aber über die Substanz des Nachlasses
verfügt, so findet kein Widerruf der einmal abgegebenen Erklärung mehr statt.
§. 418. Wer eine Erbschaft ohne Vorbehalt angenommen hat,
muß für alle daran zu machenden Forderungen haften.
§. 419. Er kann sich mit dem Einwande, daß die Schulden das
Aktiv-Vermögen der Erbschaft übersteigen, gegen diese Vertretung niemals
schützen.
Mit Vorbehalt.
§. 420. Wer solche Verfügungen über die Erbschaft tritt, woraus
die Absicht, dieselbe nicht bloß einstweilen verwalten, sondern sich ihrer als
wirklicher Erbe anmaaßen zu wollen, klar erhellet, der wird demjenigen, welcher
eine Erbschaft unter dem Vorbehalte der Rechtswohlthat des Inventarii
ausdrücklich angenommen hat, gleich geachtet.
§. 421. Eben das gilt von demjenigen, welcher die
gesetzmäßigen Fristen, ohne sich zu erklären, verstreichen läßt.
§. 422. Wer eine Erbschaft nur unter dem Vorbehalte der
Rechtswohlthat des Inventarii angenommen hat; der darf alle daran zu machenden
Forderungen nur so weit, als das Vermögen des Nachlasses hinreicht, vertreten.
§. 423. Ein solcher Beneficialerbe muß aber auch ein
vollständiges Inventarium über den Nachlaß aufnehmen, und gerichtlich,
allenfalls versiegelt, niederlegen.
§. 424. Diese Niederlegung muß längstens binnen sechs
Monathen nach dem Ablaufe der gesetzmäßigen Erklärungsfrist (§. 384. 385.)
erfolgen.
§. 425. Ist jedoch die Erbschaft besonders weitläuftig und
verwickelt, so kann der Richter, auf Anrufen des Erben, nach geprüften Gründen
desselben, die Frist zur Einreichung des Inventarii verhaltnißmäßig verlängern.
§. 426. Auch kann diese Frist auf den Antrag auch nur eines
Erbschaftsgläubigers oder Legatarii, nach Bewandniß der Umstände und
Beschaffenheit des Nachlasses, von dem Richter verkürzt werden.
§. 427. Wer die vom Gesetze oder von dem Richter bestimmte
Frist, ohne das Inventarium gehörig einzubringen, verstreichen läßt, wird der
Rechtswohlthat verlustig, und für einen solchen, der die Erbschaft ohne
Vorbehalt angetreten hat, geachtet. (§. 418. 419.)
§. 428. Soll jedoch dieser Nachtheil den Beneficialerben,
wegen Verabsäumung einer kürzern von dem Richter bestimmten Frist, (§. 426.)
treffen, so muß er darüber rechtlich gehört werden.
§. 429. Wer, auch nur auf den Antrag Eines Gläubigers oder
Legatarii, der Rechtswohlthat verlustig erklärt worden, der kann davon auch
gegen alle übrige Gläubiger und Legatarien ferner keinen Gebrauch machen.
§. 430. Vormünder und Curatoren können zwar durch
Verabsäumung der Fristen ihre Pflegebefohlnen und Curanden der Rechtswohlthat
nicht verlustig machen;
§. 431. Sie müssen aber von den Gerichten zur gehörigen
Einbringung des Inventarii durch Strafen und Execution angehalten werden.
§. 432. Andre Verwalter fremder Angelegenheiten schaden
durch ihre Verabsäumung ihrem Prinzipal; sie werden aber nicht nur diesem wegen
des daraus entstehenden Nachtheils, sondern auch den Erbschaftsgläubigern,
wegen Verdunkelung der Masse, verhaftet.
§. 433. Ein nach §. 423. versiegelt eingebrachtes
Inventarium darf nicht eher, als bis sich der Erbe gegen einen der Gläubiger
oder Legatarien auf die Rechtswohlthat beruft, geöffnet werden.
Vom Inventario.
§. 434. Ein jedes Inventarium muß ein möglichst
vollständiges Verzeichniß aller zum Nachlasse gehörigen Vermögenstücke, und
aller daran gemachten Ansprüche, so weit beyde zur Zeit der Inventur, und durch
die bey derselben angestellten Nachforschungen und Erkundigungen bekannt
geworden sind, enthalten.
§. 435. Die Angabe des Werths der Vermögenstücke, oder doch
eine solche Beschreibung derselben, woraus der Werth erforderlichen Falls näher
beurtheilt werden könne, ist bey einem jeden Inventario nothwendig.
§. 436. Ob der Erbe das Inventarium gerichtlich aufnehmen
lassen, oder es selbst anfertigen wolle, hängt in der Regel von seiner Wahl ab.
§. 437. Ist jedoch der Nachlaß, auf den Antrag der
Gläubiger, zu ihrer Sicherheit gerichtlich versiegelt worden (§. 387.); oder
können dieselben wahrscheinliche Gründe zur Besorgniß, daß der Nachlaß
unzureichend seyn werde, nachweisen; so muß das Inventarium, auf ihr Andringen,
gerichtlich aufgenommen werden.
§. 438. Auch Privatinventaria sind nach dem den
Landes-Justizcollegiis jeder Provinz vorgeschriebenen Formular einzurichten.
§. 439. Wenn einem Privatinventario die §. 434. 435.
vorgeschriebenen Erfordernisse dergestalt ermangeln, daß dadurch die
Ausmittelung der Beschaffenheit des Nachlasses unmöglich wird, so findet gegen
den Erben die Vorschrift §. 427. Anwendung.
§. 440. Ein jedes Privatinventarium muß, auf Erfordern
derjenigen, welche ein Interesse dabey haben, von dem, welcher es aufgenommen
hat, eidlich bestärkt werden.
§. 441. Auch ein gerichtliches Inventarium muß der Erbe
eidlich bestärken, wenn entweder gar keine Siegelung vorhergegangen ist, oder
wenn er dieselbe später als vier und zwanzig Stunden nach der Zeit, da der
Erblasser verstorben, oder dessen Ableben ihm bekannt geworden ist, nachgesucht
hat.
§. 442. Gegen jedes Inventarium kann ein Interessent, der zu
dessen Aufnehmung nicht mit vorgeladen, oder dabey zugezogen worden,
Erinnerungen machen, und Erläuterungen darüber fordern.
Einschränkungen der Rechte eines Beneficialerben.
§. 443. Wer eine Erbschaft bloß mit Vorbehalt antritt, der
erlangt nur ein eingeschränktes Eigenthum des Nachlasses.
§. 444. Er muß also den Erbschaftsgläubigern, wenn er sich
dieses Vorbehalts gegen dieselben bedienen will, über den Nachlaß, dessen
Verwaltung und Nutzungen, Rechenschaft ablegen.
§. 445. Doch haftet er denenselben nur für ein grobes und
mäßiges Versehen.
§. 446. Seine Verfügungen über den Nachlaß sind, so lange
ihm darunter nicht, auf Antrag der Gläubiger, gerichtliche Schranken gesetzt
worden, in Ansehung des Dritten, der sich redlicher Weise in Verhandlungen mit
ihm eingelassen hat, gültig.
§. 447. So lange er aber ein ererbtes Grundstück nur als Beneficialerbe
besitzt, kann er darüber, zum Nachtheile der Erbschaftsgläubiger, keine gültige
Verfügung treffen.
§. 448. Es muß daher bey Eintragung seines Besitztitels auf
ein solches Grundstück die Einschränkung, daß er nur als Benefizialerbe
besitze, in dem Hypothekenbuche mit vermerkt werden.
§. 449. Die uneingeschränkte Disposition erlangt er erst
alsdann, wenn er sich entweder ohne Vorbehalt für Erben erklärt; oder ein
Präclusionserkenntniß der unbekannten Erbschaftsgläubiger beybringt, und die
Einwilligung oder Befriedigung der Bekannten nachweiset.
§. 450. Ist die §. 448. verordnete Eintragung nicht
geschehen, und hat ein Dritter, redlicher Weise, auf den guten Glauben des
Hypothekenbuchs, mit den Erben in gerichtliche Verhandlungen über das Grundstück
sich eingelassen; so sind dieselben gültig.
§. 451. Der Erbe, welcher dergleichen Verfügungen zum
Nachtheile der Erbschaftsgläubiger vorgenommen, und bey dessen Unvermögen, der
Richter, welcher die nach §. 448. zu verfügende Eintragung aus grobem oder mäßigem
Versehen verabsäumt hat, bleibt diesen Interessenten verantwortlich.
§. 452. Auch die Bezahlung der Erbschaftsgläubiger muß der
Beneficialerbe nur in derjenigen Ordnung leisten, welche die Gesetze nach
Beschaffenheit ihrer Forderungen vorschreiben.
§. 453. Erschöpft er den Nachlaß durch Zahlungen an einige
Gläubiger dergestalt, daß selbiger zur Befriedigung derjenigen, denen die
Gesetze einen vorzüglichem Platz anweisen, unzureichend wird, so kann er sich
gegen solche vorzügliche Gläubiger mit der Wohlthat des Inventarii nicht
schützen.
§. 454. Vielmehr muß er denenselben aus seinem eigenen
Vermögen auf so hoch gerecht werden, als sie erhalten haben würden, wenn der
Nachlaß unter die Gläubiger überhaupt nach gesetzmäßiger Ordnung wäre vertheilt
worden.
§. 455. Will der Erbe sich gegen dergleichen besorgliche
Vertretung sicher stellen, so steht ihm frey, auf Eröffnung des erbschaftlichen
Liquidationsprozesses anzutragen.
§. 456. Was dabey zu beobachten sey, ist in der
Prozeßordnung vorgeschrieben.
Von falschen Erben,
§. 457. Wer ohne Richter und Recht in die Verwaltung einer
fremden Erbschaft sich eindrängt, muß sowohl dem Erben, als den Gläubigern, für
allen auch durch das geringste Versehen entstandenen Schaden haften.
§. 458. Hat er bey Führung der Administration sich den
Verdacht der Treulosigkeit zugezogen, oder die Masse mit seinem Vermögen
dergestalt vermischt, daß der wahre Betrag des Nachlasses nicht mehr zuverläßig
ausgemittelt werden kann, so haftet er den Gläubigern und Legatarien als
Selbstschuldner.
§. 459. Auch dem wahren Erben muß er den wahrscheinlichen
Ueberrest des Nachlasses herausgeben; und der Erbe wird zur eidlichen Erhärtung
dieses Betrags, auf eine nach den Umständen von dem Richter zu ermäßigende
Summe, zugelassen.
Von Verlassenschaften, wozu der Erbe unbekannt ist.
§. 460. Meldet sich zu dem Nachlasse des Verstorbenen kein
Erbe, so muß der Richter die Versiegelung, und andre zur Sicherheit der
Verlassenschaft erforderlichen Anstalten von Amtswegen vorkehren.
Von der Siegelung.
§. 461. Ein Gleiches findet statt, wenn die bekannten oder
vermuthlichen Erben insgesammt abwesend sind, oder wenn sich Minderjährige,
oder andre ihren Sachen selbst vorzustehen unfähige Personen unter denselben
befinden.
§. 462. Hat jedoch der Verstorbene einen am Orte
gegenwärtigen Ehegatten hinterlassen, so bedarf es, auch bey der Abwesenheit
oder Unfähigkeit einiger, oder aller übrigen Erben, dennoch der Regel nach
keiner von Amtswegen zu verfügenden Siegelung.
§. 463. Vielmehr ist der überlebende im Besitze des
Nachlasses verbliebene Ehegatte den andern Erben zur Vorlegung eines auf
Erfordern eidlich zu bestärkenden Privatinventarii verpflichtet. (§. 440. 442.)
§. 464. Die Obliegenheiten des Richters wegen, Publication
eines vorhandnen Testaments sind gehörigen Orts bestimmt. (Tit. XII. §. 208.
sqq.)
Wie es zu halten, wenn nur der Aufenthalt des Erben oder
§. 465. Ist zwar bekannt, wer Erbe sey; der Aufenthalt
desselben aber ist innerhalb dreyer Monate vom Todestage des Erblassers nicht
ausgemittelt worden, so sind der Erbe, und dessen nächste Verwandten, durch
öffentliche Bekanntmachung, zur Anmeldung bey dem Gerichte, und zur Wahrnehmung
ihrer Gerechtsame aufzufordern.
§. 466. Der Zweck dieser Aufforderung ist bloß, daß die
Existenz der Erbschaft, und die dem Erben und seiner Familie daran zustehenden
Rechte so viel als möglich zur Kenntniß derselben gelangen sollen.
§. 467. Es bleibt also auch die Art der Bekanntmachung, und
wie dieselbe nach Bewandniß der Umstände am zweckmäßigsten geschehen könne, dem
vernünftigen Ermessen des Richters überlassen.
§. 468. Uebrigens muß dem abwesenden Erben, wenn er nicht
schon mit einem Vormunde versehen ist, ein solcher Vormund sofort bestellt
werden.
§. 469. Dieser muß wegen Antretung der Erbschaft, und
Verwaltung derselben, die den Vormündern überhaupt vorgeschriebnen Pflichten
beobachten.
§. 470. Wegen der Vorladung eines solchen Verschollenen zum
Behufe seiner Todeserklärung ist das Erforderliche gehörigen Orts
vorgeschrieben. (Th. II. Tit. XVIII. Abschn. VIII.)
wenn, wer Erbe sey, unbekannt ist.
§. 471. Ist gar nicht bekannt, wer Erbe sey, so muß der
Richter, nach Ablauf dreyer Monathe vom Todestage des Erblassers, oder auch
noch früher, wenn es die Umstände des Nachlasses erfordern, demselben einen
Curator bestellen.
§. 472. Dieser muß, wegen Antretung der Erbschaft und
Aufnehmung eines Inventarii, die Rechte des unbekannten Erben beobachten.
§. 473. Wegen Verwaltung des Nachlasses hat zwar auch ein
solcher Curator überhaupt die Rechte und Pflichten eines Vormunds;
§. 474. Doch muß er so viel als möglich dahin sehen, daß der
Nachlaß in derjenigen Lage, in welcher er sich bey dem Ableben des Erblassers
befunden hat, erhalten werde.
§. 475. Er darf also keine Grundstücke veräußern; keine
sicher ausstehende Capitalien aufkündigen; keine neuen Geschäfte unternehmen;
und auch das bewegliche Vermögen nur so weit, als es bey längerer Aufbewahrung
verderben, oder die Kosten dieser Aufbewahrung dem Werthe der Sache nicht
verhältnißmäßig seyn würden, ins Geld setzen.
§. 476. Vornehmlich aber muß der Curator sich die Ausmittelung
und Entdeckung des eigentlichen Erben möglichst angelegen seyn lassen.
§. 477. Sind diese Bemühungen fruchtlos, so müssen der
unbekannte Erbe und dessen Erben oder nächste Verwandten öffentlich vorgeladen
werden.
§. 478. Diese Vorladung muß in der Regel nach Verlauf
anderer drey Monathe vom Tage der Anordnung des Curators geschehen.
§. 479. Doch kann der Richter diese Frist verlängern, wenn
noch Hoffnung, den Erben auf andre Art auszuforschen, vorhanden ist.
§. 480. Bey der Vorladung selbst sind die Vorschriften der
Prozeßordnung, von der Edictalcitation eines Verschollenen, zu beobachten.
§. 481. Meldet sich in dem anberaumten Termine kein Erbe, so
fällt der Nachlaß, als ein herrenloses Gut, dem Fiskus anheim. (Th. II. Tit.
XVI. Abschn. II.)
Von der Legitimation des Erben.
§. 482. Meldet sich vor oder in dem anberaumten Termine ein
Erbe, so muß er dem Richter sein Erbrecht gehörig nachweisen.
§. 483. Eine gleiche Verbindlichkeit liegt, auch außer dem
Falle des Aufgebotes, jedem Erben ob, dessen Erbrecht nicht klar erhellet.
§. 484. Gründet sich der angebliche Erbe auf die gesetzliche
Erbfolge, so muß er den Grad seiner Verwandschaft mit dem Verstorbnen bestimmt
anzeigen, und gehörig nachweisen.
§. 485. Sodann muß der Richter prüfen: ob Vermuthungen, daß
noch nähere oder gleich nahe Verwandte vorhanden sind, obwalten.
§. 486. Finden sich keine dergleichen Vermuthungen, so muß
der Nachlaß dem sich meldenden Erben, gegen die bloße an Eidesstatt abzugebende
Versicherung: daß ihm keine nähere oder gleich nahe Verwandten des Erblassers
bekannt sind, verabfolgt werden.
§. 487. Finden sich aber solche Vermuthungen, so müssen
dieselben zwischen dem sich angebenden Erben, und dem entweder schon bestellten
oder noch zu bestellenden Verlassenschafts-Curator, näher erörtert werden.
§. 488. Ob zu dieser Erörterung, außer dem allgemeinen
Aufgebote des Nachlasses (§. 477. sqq) noch eine besondre öffentliche Vorladung
der vermuthlich noch vorhandenen nähern oder gleich nahen Verwandten erforderlich
sey, bleibt nach Bewandniß der Umstände, dem richterlichen Ermessen
vorbehalten.
§. 489. Erhellet so viel, daß zwar nähere oder gleich nahe
Verwandte vorhanden gewesen sind; es ist aber ungewiß: ob sich dieselben noch
am Leben befinden, so muß auf den im Ersten Titel §. 38. vorgeschriebenen
Grundsatz Rücksicht genommen werden.
§. 490. Der Erbe, welcher sich nach Vorschrift §. 484.
legitimirt hat, kann der Regel nach fordern, daß er in der Zwischenzeit zum
Curator des Nachlasses bestellt, und ihm in dieser Eigenschaft die Verwaltung
desselben übertragen werde.
§. 491. Doch bleibt dem Richter frey, nach dem Gewichte der
dem Anmelder entgegen stehenden Vermuthungen, oder wenn derselbe zu denjenigen
Personen gehört, die im Prozesse einen Kostenvorstand leisten müssen, die
Verwaltung des Nachlasses durch den bisherigen Curator fortsetzen zu lassen,
oder Cautionsbestellung zu fordern.
§. 492. Sind aber die für das Daseyn näherer oder gleich
naher Verwandten obgewalteten Vermuthungen, nach richterlichem Ermessen
hinlänglich gehoben, so wird der Nachlaß dem, welcher sich gemeldet und
legitimirt hat, zur freyen Verfügung überlassen.
§. 493. Von der Legitimation eines Erben, der sein Erbrecht
auf einen Vertrag oder eine letzte Willensverordnung gründet, ist das Nöthige
gehörigen Orts festgesetzt. (Tit. XII. §. 242. sqq.)
Von den Wirkungen der Präklusion eines unbekannten Erben.
§. 494. Erben, gegen welche, nach erfolgter öffentlicher
Vorladung, ein Präclusionsurtel ergangen ist, werden zwar dadurch, so lange die
Verjährungsfrist noch nicht verflossen ist, ihres Erbrechts selbst noch nicht
verlustig;
§. 495. Sie müssen sich aber alle Verfügungen gefallen
lassen, welche der Besitzer des Nachlasses in Ansehung eines Dritten darüber
getroffen hat.
§. 496. Nur in so fern der Erbschaftsbesitzer etwas von dem
Nachlasse aus bloßer Freygebigkeit, es sey unter Lebendigen oder durch
letztwillige Verordnung, an einen Dritten übertragen hat; und dasselbe noch in
den Händen des Empfängers ist, oder dieser dadurch in dem Besitze eines
Vortheils sich noch wirklich befindet; kann der wahre Erbe dergleichen Sache
oder Summe von ihm zurückfordern.
§. 497. Die Rechte eines nach der Präclusion sich meldenden
Erben gegen den Besitzer der Erbschaft selbst, sind nach den Vorschriften des
Siebenten Titels, je nachdem letzterer sich in einem redlichen oder
unrechtfertigen Besitze befunden hat, zu bestimmen.
§. 498. Doch muß auch der redliche Besitzer der Erbschaft,
welcher die Substanz ganz oder zum Theil gegen Entgelt veräußert hat, dem
wahren Erben für den daraus gelösten Werth gerecht werden.
§. 99. Würde er aber durch diesen Ersatz dergestalt zur
Dürftigkeit gebracht, daß er sich nicht mehr standesmäßig ernähren könnte, so
kann er auf die Rechtswohlthat der Competenz Anspruch machen.
Neunter Abschnitt Von der Verjährung
Begriff.
§. 500. Wenn durch den Ablauf einer bestimmten Zeit, wegen
unterlassener Ausübung gewisser Rechte, eine Veränderung an diesen Rechten
vermöge der Gesetze entsteht, so ist eine Verjährung vorhanden.
Eintheilung.
§. 501. Durch die Verjährung können sowohl Rechte, die
jemand gehabt hat, verloren, als neue Rechte erworben werden.
§. 502. Soll durch Verjährung nur ein Recht verloren, und
der Verpflichtete bloß von der daraus fließenden Verbindlichkeit frey werden,
so ist in der Regel der Nichtgebrauch des Rechts dazu hinreichend.
§. 503. Soll aber ein neues Recht durch Verjährung erworben
werden, so ist, außer dem Nichtgebrauche des entgegen stehenden Rechts, auch
der Besitz und die Ausübung dieses neuen Rechts von Seiten des Erwerbenden,
dazu nothwendig.
Gegenstände.
§. 504. Rechte des Eigenthums erlöschen nicht durch die
Unterlassung des Gebrauchs, so lange die Sache oder das Recht, welche den
Gegenstand des Eigenthums ausmachen, in dem Besitze des Eigenthümers sich
befindet.
§. 505. Rechte der natürlichen oder der allgemeinen
bürgerlichen Freyheit, denen durch Gesetze oder rechtsgültige
Willenserklärungen keine besondere Form oder Bestimmung vorgeschrieben ist (Res
merae facultatis), gehen durch die bloße Unterlassung des Gebrauchs derselben
nicht verloren.
§. 506. Dies gilt besonders von dem Rechte, in seiner eignen
Sache etwas, worüber die Gesetze nichts besonderes bestimmen, zu thun, oder
nicht zu thun.
§. 507. Doch kann, auch gegen solche Befugnisse ein
Untersagungsrecht durch Verjährung erworben werden. (Tit. VII. §. 86. 128.)
§. 508. Persönliche Rechte an einen Andern, ingleichen
Rechte auf fremdes Eigenthum, können in der Regel durch den bloßen
Nichtgebrauch erlöschen.
§. 509. Auch das Recht, jährliche Leistungen und Abgaben von
der Person oder dem Grundstücke eines Andern zu fordern, kann durch den bloßen
Nichtgebrauch verjährt werden.
§. 510. Doch findet die Verjährung nicht statt, wenn
entweder aus einer während der Frist geäußerten Erklärung des Berechtigten,
oder aus der Beschaffenheit der Zeiten, aus der Verfassung der Verpflichteten,
oder aus andern Umständen, klar erhellet, daß die Einforderung solcher Gefälle
aus bloßer Nachsicht unterlassen worden.
§. 511. Rechte auf unbewegliche Sachen, die im
Hypothekenbuche eingetragen sind, können weder durch den bloßen Nichtgebrauch
erlöschen, noch kann ein denenselben entgegenstehendes Recht mittelst der
Verjährung durch Besitz erworben werden.
Allgemeine Grundsätze.
§. 512. Keine Art der Verjährung kann gegen den anfangen,
welcher von seinem Rechte nicht hat unterrichtet seyn können.
§. 513. Daß jemand von seinem Rechte keine Nachricht
erhalten können, wird nicht vermuthet.
§. 514. Wer die Handlung oder Begebenheit erfahren hat, auf
welche sein Recht sich gründet, kann die Unwissenheit der daraus entstehenden
rechtlichen Folgen gegen die Verjährung in keinem Falle vorschützen.
§. 515. Ist die Verjährung einmal angefangen worden, so wird
der Lauf derselben dadurch, daß das Recht in der Zwischenzeit an einen davon
nicht unterrichteten Besitzer gediehen ist, nicht gehemmt.
§. 516. Auch gegen den, welcher sein Recht zu gebrauchen,
oder zu verfolgen gehindert wird, kann keine Verjährung anfangen.
§. 517. Es macht dabey keinen Unterschied: ob das Hinderniß
in der Natur und Beschaffenheit des Rechts selbst liegt, oder von außen her
entsteht.
§. 518. So lange jemand zum Dienste des Staats in fremden
Landen sich aufhält, kann keine Verjährung wider ihn angefangen werden.
§. 519. Gegen den Eigenthümer eines Grundstücks kann, so
lange derselbe zum Dienste des Staats auch nur in einer andern königlichen
Provinz sich aufhält, keine dieß Grundstück betreffende Verjährung anfangen.
§. 520. Wenn jedoch ein solcher Abwesender (§. 518. 519.)
während der Dauer seines auswärtigen Dienstes, auch nur auf eine Zeit lang in
seine Heimath, oder in die Provinz, wo das Grundstück gelegen ist, zurückkehrt;
so kann während dieser Zeit die Verjährung wider ihn ihren Anfang nehmen.
§. 521. Zum Nachtheile eines Gutseigenthümers kann keine
Verjährung gegen dessen Pächter, wohl aber gegen den Verwalter, angefangen
werden.
§. 522. Gegen Militairpersonen, welche des Kriegs wegen ihr
Standquartier verlassen müssen, kann eine Verjährung erst nach geendigtem
Kriege, oder nach einer während des Krieges erfolgten Entlassung aus den
Kriegsdiensten anfangen.
§. 523. Bey andern Personen hindern Krieg und andere
Landplagen den Anfang der Verjährung nur in so fern, als damit ein Stillstand
der Rechtspflege verbunden ist.
§. 524. Zwischen Eheleuten kann, so lange diese Ehe dauert,
keine Verjährung anfangen.
§. 525. Auch nicht zwischen Vätern und Kindern, so lange
letztere sich in der Gewalt der erstern befinden.
§. 526. Kein Vormund kann eine Verjährung gegen seinen
Pflegebefohlnen anfangen, so lange er der Vormundschaft über ihn noch nicht
förmlich entlassen ist.
§. 527. Auch kann ein Pächter, Verwalter oder anderer
unvollständiger Besitzer einer Sache, in Ansehung derselben eine Verjährung
gegen den, in dessen Namen er besitzt, zu Gunsten seiner eignen Sache während
seiner Besitzzeit nicht anfangen.
§. 528. Gegen den, welchem das rechtliche Gehör versagt
wird, kann keine Verjährung angefangen werden.
§. 529. Auch wenn ein solches Hinderniß im Laufe der
Verjährung eintritt, wird die Fortsetzung derselben so lange unterbrochen, als
das Hinderniß dauert.
§. 530. Dagegen wird durch andere Hindernisse, die nach
angefangener Verjährung erst eintreten, der Fortlauf derselben nicht gehemmt.
§. 531. Ist jedoch die zur Verjährung bestimmte Frist
abgelaufen, ehe noch das inzwischen eingetretene Hinderniß wieder gehoben
worden, so kann der Verhinderte noch innerhalb Vier Jahren von Zeit des
gehobenen Hindernisses an, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die
vollendete Verjährung antragen.
§. 532. Wird das Hinderniß zwar noch vor Ablauf der
Verjährungsfrist, jedoch erst innerhalb der letzten Vier Jahre, wieder gehoben,
so kommt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dem Verhinderten ebenfalls
innerhalb Vier Jahren nach erfolgter Hebung des Hindernisses zu statten.
§. 533. Stirbt der, gegen welchen die Verjährung lief, vor
gehobenem Hindernisse oder vor Ablauf der vier Jahre; so geht die
Rechtswohlthat der Wiedereinsetzung und die dazu noch rückständige Frist auf
den Erben über.
§. 534. Die Wirkung dieser Rechtswohlthat ist, daß dem,
welcher davon innerhalb der bestimmten Frist Gebrauch macht, und sein Recht
gehörig ausübt, oder verfolgt, die Verjährung nicht entgegengesetzt, werden
kann.
I. Von der Verjährung durch Nichtgebrauch.
Anfang derselben.
§. 535. Die Verjährung durch bloßen Nichtgebrauch kann gegen
Unmündige und Minderjährige, während der Minderjährigkeit, nicht anfangen.
§. 536. Wenn aber ein Recht, nach bereits angefangener
Verjährung, auf einen Unmündigen oder Minderjährigen, der mit einem Vormunde
versehen ist, übergeht; so wird dadurch der Fortlauf der Verjährung nicht
gehemmt.
§. 537. Wird hingegen die Verjährung während der
Minderjährigkeit vollendet, so kommt dem Minderjährigen die Widereinsetzung in
den vorigen Stand binnen Vier Jahren, nach aufgehobener Vormundschaft, zu
statten. (§. 531.)
§. 538. War die Verjährung durch Nichtgebrauch gegen einen
Minderjährigen abgelaufen, so können die Erben desselben, auch wenn sie selbst
unmündig oder minderjährig, jedoch mit einem Vormunde versehen sind, nicht aus
ihrer eignen, sondern nur aus der Person ihres Erblassers, auf die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Anspruch machen.
§. 539. Es kommt ihnen also nur diejenige Frist zu statten,
welche der Erblasser, wenn er gelebt hätte, vom Tage seiner erlangten
Großjährigkeit an, noch gehabt haben würde.
§. 540. Wahn- und Blödsinnige, ingleichen Taubstumme,
genießen, in Rücksicht auf die Verjährung, mit den Minderjährigen gleiche
Rechte.
§. 541. So bald für einen Abwesenden die Bestellung eines
Curators nöthig gefunden worden, kann nach dieser Zeit keine Verjährung durch
Nichtgebrauch wider ihn anfangen.
§. 542. Bloße Verschwender, wenn sie auch unter
Vormundschaft gesetzt worden, können auf dieses Privilegium keinen Anspruch
machen.
§. 543. Gegen Rechte, welche nur bey gewissen Gelegenheiten
ausgeübt werden können, fängt die Verjährung erst von der Zeit an, da sich eine
solche Gelegenheit ereignet hat.
§. 544. Auch müssen, wenn solche Rechte durch den bloßen
Nichtgebrauch erlöschen sollen, seit dem Anfange der Verjährung wenigstens noch
zwey Gelegenheiten, wo die Ausübung des Rechts hätte statt finden können,
vorgekommen seyn.
§. 545. Gegen andre Rechte fängt die Verjährung von dem Tage
an, wo die Erfüllung der Verbindlichkeit zuerst gefordert werden konnte.
Zeitraum.
§. 546. Die einmal angefangene Verjährung durch
Nichtgebrauch wird, wenn die Gesetze nicht ausdrücklich eine andere Frist
bestimmen, in einem Zeiträume von dreyßig Jahren vollendet. (§. 629. sqq.)
§. 547. Sie endigt sich allemal mit dem Ablaufe des letzten
Tages des bestimmten Zeitraums.
§. 548. Durch die bey Schaltjahren zutretenden Tage wird die
Verjährungszeit nicht geändert.
§. 549. Ist die Verjährung in einem Schaltjahre mit dem Neun
und zwanzigsten Februar angefangen, so läuft sie mit dem letzten Februar
desjenigen Jahres ab, welches die Verjährungsfrist beschließt.
§. 550. Ist die Verjährungsfrist auf Monathe eingeschränkt,
so werden so vielmal Dreyßig Tage, als Monathe sind, gerechnet.
Unterbrechung.
§. 551. Mit dem Augenblicke, da jemand seine Klage bey dem
gehörigen Richter anmeldet, wird die Verjährung durch Nichtgebrauch
unterbrochen.
§. 552. Die Klage vor einem ungehörigen Richter unterbricht
die Verjährung nur, wenn sie binnen Einem Jahre nach erfolgter Zurückweisung
bey dem gehörigen Richter angemeldet worden.
§. 553. Hat aber der ungehörige Richter die Klage
angenommen, und dadurch den Kläger in seinem Irrthume bestärkt, so ist die
Verjährung für unterbrochen zu achten.
§. 554. Wird die gehörig angemeldete Klage nicht nach
Vorschrift der Gesetze verfolgt, so fängt von dem Tage an, wo der Kläger die
Sache hätte fortsetzen können und sollen, eine neue Verjährung wider ihn an.
§. 555. So lange aber die Sache nur durch die Schuld des
Richters liegen bleibt, läuft keine Verjährung.
§. 556. Wird der Kläger durch ein Dekret abgewiesen, und
macht er von den dagegen zuläßigen Rechtsmitteln binnen Dreyßig Tagen keinen
Gebrauch, so nimmt mit dem Ablaufe dieser Frist die neue Verjährung wider ihn
den Anfang.
§. 557. Hat er ein wirkliches Erkenntniß, wodurch er
abgewiesen worden, rechtskräftig werden lassen, so hat es dabey lediglich sein
Bewenden.
§. 558. Auch wenn ihm das eingeklagte Recht durch ein
rechtskräftiges Urtel wirklich zuerkannt worden, kann dennoch eine neue
Verjährung durch Nichtgebrauch wider ihn anfangen.
§. 559. Der Anfang dieser neuen Verjährung ist bey Zahlungen
oder Prästationen, die zu einer gewissen Zeit, oder bey einer gewissen
Gelegenheit geleistet werden sollen, der Tag, wo die Zahlung oder Prästation
zum erstenmale fällig war.
§. 560. Bey andern Rechten nimmt die neue Verjährung erst
nach einem Jahre, von dem Tage an, da das Urtel rechtskräftig geworden ist,
ihren Anfang.
§. 561. Eine bloße außergerichtliche Erinnerung ist, für
sich allein, die Verjährung zu unterbrechen noch nicht hinreichend.
§. 562. Durch gegenseitiges Anerkenntniß des Rechts aber
wird die Verjährung immer unterbrochen.
§. 563. Von der Zeit einer solchen Unterbrechung kann sie
jedoch von neuem angefangen werden.
§. 564. Ist die Verjährung bereits vollendet, so hebt ein
Anerkenntniß des verloschnen Rechts die Wirkung derselben nur in so fern auf,
als aus diesem Anerkenntnisse, nach den Gesetzen, ein neuer Rechtsgrund
entsteht.
Verträge über die Verjährung.
§. 565. Ueberhaupt hängt es von den Parteyen ab, bey
Schließung eines Vertrags der Verjährung und dem daraus entstehenden Rechte,
auch im Voraus, zu entsagen; ingleichen kürzere oder längere Fristen dazu, als
die gesetzmäßigen sind, zu verabreden.«
§. 566. Es muß aber ein solcher Vertrag, bey Strafe der
Nichtigkeit dieser Verabredung gerichtlich verlautbart, und wenn er ein
Grundstück, oder ein darauf eingetragnes dingliches Recht betrift, in den
gerichtlichen Grund- und Hypothekenbüchern verzeichnet werden.
§. 567. Verträge dieser Art, die nicht ein bestimmtes
Geschäft, oder einen bestimmten Gegenstand betreffen, sind, so weit sie etwas
über die Verjährung bestimmen sollen, ohne rechtliche Wirkung.
Wirkung der Verjährung.
§. 568. Die vollendete Verjährung durch Nichtgebrauch wirkt
die rechtliche Vermuthung, daß die ehemals entstandene Verbindlichkeit in der
Zwischenzeit auf eine oder die andere Art gehoben worden.
§. 569. Diese Vermuthung kann nur durch den vollständigen
Beweis, daß der andere unredlicher Weise, und gegen besseres Wissen von seiner
noch fortwährenden Verbindlichkeit, sich der Erfüllung derselben entziehen
wolle, entkräftet werden.
§. 570. Wer einen Theil seines Rechts ausübt, der erhält
dadurch das ganze Recht.
§. 571. Dagegen kann von mehrern in sich verschiedenen,
obgleich aus einerley Rechtsgrunde entspringenden Befugnissen, die eine durch
Verjährung erlöschen, wenn gleich die andere durch fortgesetzte Ausübung
erhalten wird.
§. 572. Kann ein Recht auf mancherley Art ausgeübt werden,
so wird der Besitzer desselben dadurch, daß er sich bisher nur Einer Art der
Ausübung bedient hat, in seinem Rechte nicht eingeschränkt.
§. 573. Ein Recht in einem fremden Grundstücke geht, in
Ansehung des Ganzen, dadurch nicht verloren, daß die Ausübung desselben bisher
nur auf einem gewissen Theile geschehen ist.
§. 574. Soll in beyden Fällen (§. 572. 573.) der Berechtigte
in der Art der Ausübung, oder in Ansehung des Bezirks, worauf sie statt findet,
durch Verjährung eingeschränkt werden, so muß der Verpflichtete, oder ein
Dritter, den Besitz eines Untersagungsrechts gegen ihn besonders erlangt, und
sich dabey durch die Verjährungsfrist behauptet haben. (Tit. VII. §. 86.)
§. 575. Bey mehrern Miteigentümern untheilbarer, oder
gemeinschaftlich besessener Sachen und Rechte kommt das, was in Ansehung des
einen Mitberechtigten die Verjährung hindert, oder unterbricht, in Ansehung
derselben Sache oder Rechts auch den übrigen zu statten.
§. 576. Hingegen kann einer unter mehrern Mitverpflichteten,
deren Verbindlichkeit aus einem und eben demselben Rechte entspringt, blos um
deswillen, weil das Recht gegen ihn nicht ausgeübt worden, sich mit der
Verjährung keinesweges schützen.
§. 577. Soll demselben die Verjährung zu statten kommen, so
wird erfordert, daß er dem Berechtigten die Leistung der Pflicht bey
geschehener Aufforderung verweigert, und der Berechtigte dabey die gesetzmäßige
Frist hindurch sich beruhigt habe. (Tit. VII. §. 126.)
§. 578. Es geht also auch ein gegen eine ganze Gemeine
überhaupt ausgeübtes Recht gegen einzelne Mitglieder bloß dadurch, daß es gegen
sie insonderheit binnen rechtsverjährter Zeit nicht ausgeübt worden,
keinesweges verloren, sondern diese müssen ihre Befreyung davon auf die im §.
577. beschriebene Art besonders erworben haben.
II. Verjährung durch Besitz.
Gewöhnliche Verjährung.
§. 579. Die Verjährung durch Besitz findet in allen Fällen
statt, wo jemand eine Sache oder Recht, aus einem Titel, der an sich zur
Erlangung des Eigenthums geschickt ist, durch die in den Gesetzen bestimmte
Frist, ruhig und redlicher Weise besessen hat.
§. 580. Durch einen solchen verjährten Besitz werden Sachen
und Rechte nur in so weit erworben, als überhaupt das Eigenthum von Sachen und
Rechten dieser Art auf den Erwerber übergehen kann.
§. 581. Wenn eine Sache durch Gesetze dem bürgerlichen
Verkehr ganz entzogen worden, so kann sie durch keine Verjährung erworben
werden.
§. 582. Ein Gleiches gilt von Sachen, die durch
rechtsgültige Privatverfügungen dem Verkehre entzogen worden, in so fern diese
Verfügungen den Erwerbenden verpflichten können. (Tit. IV. §. 15-19.)
§. 583. Außerdem aber wird durch Irrthum in den
Eigenschaften der Sache die Verjährung durch Besitz nicht gehindert.
§. 584. Sachen und Rechte, die jemand durch Gewalt oder
Diebstahl an sich gebracht, und an einen Andern überlassen hat, können von
diesem, wenn er auch ein redlicher Besitzer wäre, durch die gewöhnliche
Verjährung nicht erworben werden. (§. 648.)
§. 585. Hat aber schon der nächstvorhergehende Besitzer die
Sache oder das Recht redlich besessen, so hindert der Einwand, daß ein Dritter
dieselben gestohlen oder geraubt habe, die Verjährung nicht.
§. 586. Werden vorhergehenden Besitzer nicht angeben kann,
hat in der Regel die Vermuthung gegen sich, daß er die Sache von einem solchen,
welcher sie durch Gewalt oder Diebstahl an sich gebracht, erlangt habe. (Tit.
XV. §. 37. 38. 39.)
§. 587. Wer wegen Mangels persönlicher Eigenschaften, das
Eigenthum gewisser Sachen oder Rechte zu erlangen unfähig ist, der kann
dieselben auch durch Verjährung nicht erwerben.
§. 588. Erst von der Zeit, da diese Unfähigkeit gehoben
worden, kann die Verjährung angefangen werden.
§. 589. Alles, was die Besitzergreifung, im rechtlichen
Sinne, verhindert, das hindert auch den Anfang der Verjährung durch Besitz.
(Tit. VII. §. 96-108.)
Anfang.
§. 590. Alles, was dem Anfange der Verjährung überhaupt
entgegen steht, das hindert ihn auch bey dieser Art derselben. (§. 512. sqq.)
§. 591: Werden Besitz aus einem zur Erlangung des Eigenthums
nicht geschickten Titel, oder unredlicher Weise erworben hat, kann niemals eine
Verjährung durch Besitz anfangen. (§. 663.)
§. 592. Insonderheit kann gegen ein rechtskräftiges Urtel
von dem, wider welchen es ergangen ist, keine Verjährung durch Besitz
angefangen werden.
§. 593. Dagegen wird durch persönliche Eigenschaften, wegen
welcher die Verjährung durch Nichtgebrauch keinen Anfang nehmen kann (§. 535.
540. 541.), der Anfang der Verjährung durch Besitz nicht gehindert.
§. 594. Wenn jedoch gegen dergleichen Personen die
Verjährungsfrist vor gehobenem Hindernisse abgelaufen ist, so kommt denselben
die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Verjährung durch
Besitz eben so, wie bey der Verjährung durch Nichtgebrauch, zu statten. (§.
537. sqq.)
§. 595. Auch kann gegen solche Unmündige, Minderjährige,
Wahn- oder Blödsinnige und Taubstumme, denen nach den Gesetzen ein Vormund
hätte bestellt werden sollen, so lange diese Bestellung noch nicht erfolgt ist,
keine Verjährung durch Besitz anfangen.
Fortsetzung.
§. 596. Soll ein Recht, welches gewöhnlich ausgeübt werden
kann, durch die ordentliche Verjährung erworben werden, so muß dessen Ausübung
nach der Besitzergreifung jährlich wenigstens einmal erfolgt seyn. (§. 649.)
§. 597. Wird ein dergleichen Recht in einem ganzen Jahre gar
nicht ausgeübt, so ruht inzwischen die Verjährung.
§. 598. Die Jahre, während welcher das Recht geruhet hat,
kommen bey Berechnung der Verjährungsfrist nicht mit in Anschlag.
§. 599. Wenn der Anfang und das Ende des Besitzes
nachgewiesen ist, so wird vermuthet, daß die Ausübung des besessenen Rechts
auch in der Zwischenzeit fortgesetzt worden.
§. 600. Dagegen ist aber auch über jeden der vorbenannten
beyden Zeitpunkte ein besonderer nach Vorschrift der Gesetze vollständig
geführter oder erfüllter Beweis erforderlich.
Unterbrechung.
§. 601. Was den Besitz unterbricht, das unterbricht auch die
darauf sich gründende Verjährung. (Tit. VII. §. 111. sqq.)
§. 602. Hat jedoch jemand den Besitz einer Sache, die er
verlassen hatte, noch ehe dieselbe von einem Andern in Besitz genommen worden,
wieder ergriffen, so wird die Zwischenzeit, wo die Sache in niemands Besitz
gewesen ist, von der Verjährungsfrist nicht abgerechnet.
§. 603. Durch Anmeldung der Klage, oder durch Einlegung
einer gerichtlichen Protestation, wird die Verjährung durch Besitz in so fern
unterbrochen, als darauf eine Bekanntmachung an den Besitzer erfolgt.
§. 604. Daß zwischen dem Zeitpunkte der Anmeldung und der
wirklich erfolgten Bekanntmachung die Verjährungsfrist abgelaufen ist, kommt
dem Besitzer nicht zu statten.
§. 605. Hat aber der Kläger die Klage zurückgenommen, oder
den Betrieb der Sache liegen lassen, dergestalt, daß der Richter nach
Vorschrift der Prozeßordnung, mit Reposition der Akten zu verfahren berechtigt
gewesen, so ist die Verjährung für nicht unterbrochen zu achten.
§. 606. Ein Gleiches findet statt, wenn der Kläger oder
Protestirende durch ein Dekret abgewiesen wird, und sich dabey länger als
Dreyßig Tage nach Erhaltung des Dekrets beruhigt.
§. 607. Ist hingegen die Klage oder Protestation dem Besitzer
einmal gehörig bekannt gemacht worden, so kann dieser die dadurch unterbrochne
Verjährung niemals wieder anfangen.
§. 608. In Fällen, wo die Gesetze, statt der gewöhnlichen
Vorladung, Edictalcitation zulassen, vertritt letztere auch hier die Stelle der
Bekanntmachung.
§. 609. Uebrigens macht es keinen Unterschied: ob die Klage
oder Protestation bloß gegen den Besitzstand, oder auch gegen das Besitzrecht
selbst gerichtet ist.
§. 610. Wegen der bey einem ungehörigen Richter angestellten
Klage oder eingelegten Protestation finden die Vorschriften §. 552. 553.
Anwendung.
§. 611. Außergerichtliche Handlungen unterbrechen die
Verjährung durch Besitz nur in so fern, als sie den Besitzer von der
Unrechtmäßigkeit des Besitzes überführen, oder den vollständigen Besitz selbst
aufheben.
§. 612. Bloße Pfändungen also unterbrechen die Verjährung
nicht, wenn der Gepfändete, dessen ungeachtet, die Ausübung des Rechts
fortsetzt.
§. 613. Jeder Nachfolger im Besitze, er sey Erbe, oder
nicht, kann die Verjährung seines Vorfahren fortsetzen, in so fern er nur
selbst ein redlicher Besitzer ist.
§. 614. Auch kann ein solcher Nachfolger, außer dem Falle
des §. 584. die Verjährung anfangen, wenn gleich der Besitz seines Vorfahren
unredlich gewesen ist.
§. 615. So weit aber jemand unredlicher Weise zum Besitze
einer Sache gelangt ist, kann er weder die Verjährung seines Vorfahren
fortsetzen, noch eine neue Verjährung, in Ansehung dieser Sache, so wenig gegen
seinen Vorfahren im Besitze, als gegen den Eigenthümer anfangen.
§. 616. Dem Erben, welcher die Verjährung des Erblassers
fortsetzt, kommt bey der Berechnung des Zeitraums auch die gesetzliche
Ueberlegungsfrist zu statten.
§. 617. Um eine neue Verjährung solcher Sachen, die im
Nachlasse vorgefunden worden, anzufangen, bedarf der Erbe keines besondern
Titels.
§. 618. Werden Besitz einer Erbschaft unredlicher Weise
erworben hat, der kann auch gegen den Eigenthümer einzelner darunter
begriffener Sachen und Rechte keine Verjährung vorschützen.
§. 619. Ist aber der Fehler der Unredlichkeit in Ansehung
des wahren Erben gehoben worden, so kann der Eigenthümer einer besondern im
Nachlasse befindlichen Sache diesen Fehler dem Erbschaftsbesitzer nicht
vorrücken; sobald in Ansehung dieser besondern Sache keine Unredlichkeit
obgewaltet hat.
Zeitraum.
§. 620. Die gewöhnliche Verjährung wird in einem Zeiträume
von Zehn Jahren vollendet.
§. 621. Befindet sich aber der, gegen welchen verjährt
werden soll, außerhalb der Provinz, so wird jedes Jahr Abwesenheit nur auf die
Hälfte oder für Sechs Monathe gerechnet.
§. 622. Die geographischen Gränzen des Distrikts, in welchem
sich ein eignes Landes-Justizcollegium befindet, bestimmen, im rechtlichen
Sinne, den Umfang der Provinz.
§. 623. Auf Abwesenheiten außer der Provinz, welche kein
volles Jahr hinter einander gedauert haben, wird, bey Berechnung der
Verjährungsfrist, keine Rücksicht genommen.
§. 624. Zum Besten moralischer Personen, welche die Rechte
der Corporationen haben, wird die Zehnjährige Frist immer verdoppelt.
Dreyßig jährige Präscription.
§. 625. Wer zwar vollständiger redlicher Besitzer ist, aber
keinen Titel seines Besitzes nachweisen kann, zu dessen Gunsten wird die
Verjährung erst in Dreyßig Jahren vollendet.
§. 626. Bey dieser längern Verjährung bedarf es keiner
Verdoppelung der Zeit, wenn gleich der, welchem sie entgegen steht, abwesend
gewesen ist.
§. 627. Der Nachweis, daß der Verjährende die Sache oder das
Recht als sein eigen in Besitz genommen und besessen habe, ist dazu nothwendig.
§. 628. Dagegen schadet der Nachweis, daß die Besitznehmung
ursprünglich auf den Grund eines zur Erlangung des Eigenthums nicht geschickten
Titels geschehen sey, der Verjährung nur in so fern, als dadurch zugleich die
Unredlichkeit des Besitzes dargethan ist.
III. Arten der ungewöhnlichen Verjährung durch Nichtgebrauch
und Besitz. Vier und Vierzigjährige.
§. 629. Gegen den Fiskus, die Kirchen, und solche
Corporationen, welchen vermöge ihrer Privilegien gleiche Rechte beygelegt sind,
findet nur die ungewöhnliche Verjährung von Vier und Vierzig Jahren statt.
§. 630. Es macht dabey keinen Unterschied: ob der Besitz,
durch welchen die Verjährung erfolgt, auf einen Titel sich gründe, oder nicht.
§. 631. Dagegen ist die Redlichkeit des Besitzes auch bey
einer solchen Verjährung nothwendig.
§. 632. Auch bey der Verjährung durch Nichtgebrauch
erlöschen die Rechte des Fiskus, der Kirchen und andrer dergleichen
Corporationen nur nach Verlauf von Vier und Vierzig Jahren.
§. 633. Dagegen können diese moralische Personen nur aus
eben den Gründen, aus welchen die Wiederherstellung in den vorigen Stand gegen
eine jede Verjährung statt findet, (§. 512-534.) auf diese Rechtswohlthat
Anspruch machen.
§. 634. Was wegen der Verjährung der Domainen und Regalien
Rechtens sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. XIV.)
§. 635. Der Privilegien, welche dem Fiskus und den andern
ihm gleich geachteten Corporationen, in Rücksicht auf die Verjährung, beygelegt
sind, können dieselben sich auch alsdann bedienen, wenn gleich der, welchem die
Verjährung wider sie zu statten kommen soll, mit gleichen Privilegiis versehen
wäre.
§. 636. Hingegen kann der, auf welchen von einer dergleichen
Person oder Anstalt ein Recht gediehen ist, bey der Verjährung nur seiner
eignen Befugnisse sich bedienen.
§. 637. In so fern jedoch der als Vorfahr zu betrachtende
Fiskus, oder eine andre dergleichen Anstalt, den Nachfolger im Besitze zu
vertreten schuldig sind, können sie gegen den Verjährenden, zum Besten des
Nachfolgers, von ihrem eignen Rechte Gebrauch machen.
§. 638. Wer also, zum Beyspiele, von dem Fiskus eine Sache
gekauft hat, die schon seit einer zur gewöhnlichen Verjährung hinreichenden
Zeit in den Händen eines Dritten sich befand, der kann diese Sache dennoch,
vermöge des Rechts seines Verkäufers, zurückfordern, wenn gegen diesen, zur
Zeit des Verkaufs, die Vier und Vierzigjährige Präscription noch nicht
vollendet war.
§. 639. Wenn Fiskus, Kirchen, oder andre dergleichen
Corporationen, in die Rechte einer Privatperson treten, so können sie eine
gegen diesen ihren Vorfahren schon vollendete Verjährung, durch Vorschützung
des ihnen selbst zu statten kommenden längern Zeitraums nicht anfechten. (Tit.
XI. §. 405. 406.)
§. 640. In untheilbaren oder gemeinschaftlich beseßnen
Sachen und Rechten, kommt das dem Fiskus, der Kirche u. s. w. beygelegte
Privilegium auch dem nicht privilegirten Mitbesitzer zu statten.
Verjährung durch Besitz vom Jahre 1740.
§. 641. Der vollständige ruhige Besitz einer Sache oder
eines Rechts im Jahre 1740 schützt den Besitzer, in allen Fällen, gegen die
Ansprüche des Fiskus.
§. 642. Es kann aber von diesem Besitzrechte, zum Nachtheile
andrer Mitbürger des Staats, kein Gebrauch gemacht werden.
§. 643. Das Jahr 1740 wird vom Ersten Januar bis letzten
December gerechnet.
§. 644. In Ansehung derjenigen Provinzen, wo entweder gar
kein dergleichen, oder ein anderes Entscheidungsjahr statt findet, hat es bey
den bisherigen Verfassungen sein Bewenden.
§. 645. Auch ein auf den Besitz des Jahres 1740 sich
gründendes Recht kann mittelst einer nach diesem Jahre angefangenen Verjährung
durch Nichtgebrauch erlöschen.
§. 646. Hat der Fiskus, auf eine an sich rechtsgültige
Weise, im Jahre 1740 anerkannt, daß einem Andern ein Recht wider ihn zustehe,
so hat ein solches Anerkenntniß, wenn auch die in diesem Jahre erfolgte
wirkliche Ausübung nicht nachgewiesen werden kann, mit dem wirklichen Besitze
gleiche Kraft.
§. 647. Dagegen wird in Ansehung desjenigen, der weder ein
solches Anerkenntniß für sich, noch im Jahre 1740 das Recht wirklich ausgeübt
hat, der Lauf der früher wider ihn angefangnen Verjährung durch Nichtgebrauch,
durch die erfolgte Bestimmung dieses Entscheidungsjahres nicht unterbrochen.
Vierzigjährige.
§. 648. Zur Verjährung gestohlner oder geraubter Sachen,
welche nach §. 584. von dem ersten redlichen Besitzer durch die gewöhnliche
Verjährung nicht erworben werden können, ist ein Zeitraum von Vierzig Jahren
erforderlich.
§. 649. Wenn Rechte, welche nicht alljährlich oder
gewöhnlich, sondern nur in gewissen Jahren, oder bey gewissen Gelegenheiten
benutzt werden können, wenigstens zu drey verschiednenmalen ausgeübt worden; so
werden sie durch einen Besitz von Vierzig Jahren erworben.
§. 650. Dieser Zeitraum wird von dem Tage angerechnet, darin
dergleichen Recht zum erstenmale ausgeübt worden.
§. 651. Wird eine Gelegenheit nachgewiesen, bey welcher das
Recht ausgeübt werden können, und die Ausübung dennoch unterblieben ist, so ist
auch diese Art der Verjährung für unterbrochen zu achten.
§. 652. Sie muß also von derjenigen Gelegenheit, wo das
Recht wiederum ausgeübt worden, von neuem angefangen werden.
§. 653. Hat jedoch derjenige, welcher des Rechts sich
anmaaßt, bey der unterlaßnen Ausübung ausdrücklich erklärt, daß er dieselbe
nicht aus Mangel der Befugniß, sondern nur aus Gunst und Nachsicht gegen den
Verpflichteten unterlasse, so ist die Verjährung nicht für unterbrochen zu
achten; sondern ein dergleichen Fall wird für einen solchen, der sich gar nicht
ereignet hat, angesehn.
§. 654. Hat der Verpflichtete die Erklärung des
Berechtigten, daß er die Ausübung des Rechts bloß aus Gunst und Nachsicht
unterlasse, für bekannt angenommen, so hat dieses eben die Wirkung, als wenn
das Recht auch in diesem Falle wirklich ausgeübt worden wäre.
§. 655. Von öffentlichen Lasten und Abgaben wird der
Verpflichtete bloß dadurch, daß er dieselben auch in der längsten Zeit nicht
entrichtet hat, keinesweges frey.
Fünfzigjährige Präscription.
§. 656. Wenn jedoch erhellet, daß jemand zu einer Last oder
Abgabe, wozu er nach seinem Stande und Verhältnisse an sich verpflichtet war,
aufgefordert worden, sich aber deren Leistung geweigert habe, und seit dieser
Zeit, Fünfzig Jahre hindurch, davon frey geblieben sey, so wird vermuthet, daß
er die Befreyung auf eine rechtsgültige Weise erlangt habe.
§. 657. Er muß also bey seiner Freyheit so lange geschützt
werden, als nicht ausgemittelt ist, daß er sich deren ohne Recht angemaaßt
habe.
§. 658. Ist das Grundstück oder die Gerechtigkeit, von
welcher die Abgabe entrichtet werden soll, im Steuerbuche niemals eingetragen
gewesen, so begründet schon der Umstand allein, daß die Abgabe in Fünfzig
Jahren nicht gefordert worden, die Vermuthung einer rechtsgültig erlangten
Befreyung.
§. 659. Es findet also auch in diesem Falle die Vorschrift
des §. 657. Anwendung.
§. 660. Wenn die Gränzen einer Sache, oder eines Rechts,
durch Gesetze, Verträge, oder rechtskräftige Erkenntnisse klar bestimmt sind,
so kann die Befugniß, diese Gränzen zu überschreiten, nur durch Fünfzigjährige
Präscription erworben werden.
§. 661. Ein solcher Fünfzigjähriger ruhiger Besitz ist, ohne
Rücksicht auf den Titel desselben, zur Verjährung hinreichend.
§. 662. Hat der, zu dessen Nachtheile die Ueberschreitung
der nach §. 660. bestimmten Gränzen gereicht, derselben widersprochen;
hiernächst aber bey den dennoch fortgesetzten Ueberschreitungen Dreyßig Jahre
lang sich beruhigt; so ist die Verjährung wider ihn vollendet.
§. 663. Auch ein Fünfzigjähriger Besitz schützt den nicht,
welcher der Unredlichkeit dabey überführt werden kann.
§. 664. Rechte gegen ausdrückliche Verbotsgesetze können
durch keine Verjährung erworben werden.
Wirkungen der Verjährung durch Besitz.
§. 665. Durch die vollendete Verjährung erwirbt der Besitzer
das Eigenthum der Sache oder des Rechts.
§. 666. Doch erstreckt sich dieses Eigenthum niemals weiter,
als der Besitz selbst gegangen ist.
§. 667. Hat aber jemand einen Inbegriff von Sachen oder
Rechten durch Verjährung erworben, so gebührt ihm das Eigenthum aller darunter
begriffenen einzelnen Stücke und Befugnisse.
§. 668. Vortheile, welche ein Theilhaber, durch seine
Handlungen, der gemeinschaftlichen Sache verschafft, kommen, auch bey der
Verjährung durch Besitz, den übrigen Theilhabern zu statten.
§. 669. Von Verträgen über die Verjährung durch Besitz gilt
alles das, was wegen der Verträge über die Verjährung durch Nichtgebrauch
vorgeschrieben ist. (§. 565. sqq.)
Zehnter Titel
Von der mittelbaren Erwerbung des Eigenthums
I. Von der mittelbaren Erwerbung überhaupt.
§. 1. Die mittelbare Erwerbung des Eigenthums einer Sache
erfordert, außer dem dazu nothigen Titel, auch die wirkliche Uebergabe
derselben. (Tit. VII. §. 58. Tit. IX. §. 2-6.)
§. 2. Der Titel zur mittelbaren Erwerbung des Eigenthums
kann durch Willenserklärungen, Gesetze, und rechtliches Erkenntniß begründet
werden.
§. 3. Auch der mit einem solchen Titel versehene neue
Besitzer erlangt das Eigenthum der Sache durch die Uebergabe, der Regel nach
nur alsdann, wenn der vorige, von welchem der Besitz auf ihn erledigt worden,
selbst Eigenthümer gewesen ist. (Tit. XV. §. 42. sqq.)
§. 4. Wird der Besitz des vorigen Eigentümers, ohne dessen
Einwilligung, durch den Richter für erledigt erklärt, so muß auch die Uebergabe
an den neuen Eigenthümer durch den Richter geschehen. (Tit. VII. §. 60.)
§. 5. Außer diesem Falle wird die gerichtliche Uebergabe zur
Erlangung des Eigenthums niemals erfordert.
II. Von der mittelbaren Erwerbung des Eigenthums der
Grundstücke insonderheit.
§. 6. Wer jedoch über ein Grundstück vor Gerichte
Verfügungen treffen will, der muß sein darauf erlangtes Eigentumsrecht dem
Richter der Sache nachweisen, und dasselbe in dem Hypothekenbuche vermerken
lassen.
§. 7. Der im Hypothekenbuche eingetragne Besitzer wird, in
allen mit einem Dritten über das Grundstück geschloßnen Verhandlungen, als der
Eigenthümer desselben angesehen.
§. 8. Wer mit einem solchen eingetragnen Besitzer
dergleichen Verhandlungen sich einläßt, dessen Befugnisse kann so wenig der
nicht eingetragne Eigenthümer, als der, dessen Recht nur von diesem sich
herschreibt, anfechten.
§. 9. Vielmehr bleiben dem nicht eingetragnen Eigenthümer,
wegen des ihm daraus entstehenden Nachtheils, seine Rechte zur Schadloshaltung
nur gegen den eingetragnen Besitzer, nach gesetzlichen Bestimmungen,
vorbehalten.
§. 10. Weiß aber derjenige, welcher mit dem eingetragenen
Besitzer über das Grundstück Verhandlungen schließt, daß derselbe nicht wahrer
Eigenthümer sey, so kann er dadurch, zum Nachtheile des letztern, kein Recht
erwerben.
§. 11. Ein gleiches findet statt, wenn das Recht des
eingetragnen Besitzers zweifelhaft oder streitig ist, und diese Zweifel im
Hypothekenbuche vermerkt sind.
§. 12. Um die Ungewißheit des Eigenthums der Grundstücke,
und die daraus entstehenden Prozesse zu verhüten, ist jeder neue Erwerber
schuldig, sein Besitzrecht in das Hypothekenbuch eintragen zu lassen.
§. 13. Er kann und muß dazu von dem Richter, unter welchem
die Sache gelegen ist, von Amtswegen angehalten werden.
§. 14. Innerhalb welcher Fristen dieses geschehen, und durch
was für Mittel der säumige Besitzer dazu angehalten werden müsse, ist in der
Hypothekenordnung bestimmt.
§. 15. Alle Willenserklärungen und Verträge, wodurch über
das Eigenthum eines Grundstückes etwas verfügt wird, müssen gerichtlich, oder
von einem Justizcommissario aufgenommen werden.
§. 16. Auf den Grund eines bloßen Privat- wenn auch
schriftlichen Vertrags, findet die Eintragung des Besitztitels in das
Hypothekenbuch nicht statt.
§. 17. Doch hat ein solcher Vertrag die Wirkung einer
Punctation, und es kann also daraus auch auf die Errichtung eines förmlichen
gerichtlichen Instruments geklagt werden. (Tit. V. §. 120. sqq.)
§. 18. Wenn verschiedne Personen einen an sich
rechtsgültigen Titel zur Erwerbung des Eigenthums einer unbeweglichen Sache
erhalten haben, so geht derjenige, dessen Titel von dem im Hypothekenbuche
eingetragnen Eigenthümer herrührt, den übrigen vor.
§. 19. Haben die Prätendenten insgesammt ihren Titel von
diesem eingetragnen Eigenthümer, so gebührt demjenigen, der seinen Titel zuerst
in das Hypothekenbuch hat eintragen lassen, der Vorzug.
§. 20. Hat noch keiner unter ihnen die Eintragung erhalten,
so kann derjenige, dessen Titel zuerst entstanden ist, dieselbe vorzüglich
fordern.
III. Von der mittelbaren Erwerbung des Eigenthums der
beweglichen Sachen insonderheit.
§. 21. Bey beweglichen Sachen hat unter mehrern, welche auf
das Eigenthum aus einem an sich rechtsgültigen Titel Anspruch machen,
derjenige, dessen Titel von dem bisherigen wahren Eigenthümer herrührt, der
Regel nach, den Vorzug.
§. 22. Haben die Prätendenten insgesammt ihren Titel von
einer und eben derselben Person, so entscheidet, auch bey beweglichen Sachen,
der Zeitpunkt der frühern Entstehung dieses Titels. (§. 20.)
§. 23. Ist aber einem unter diesen mehrern Prätendenten der
Besitz der Sache eingeräumt worden, so schließt dieser die Eigenthumsansprüche
der übrigen aus, ohne Rücksicht auf die Zeit, wenn dieselben entstanden sind.
(Tit. VII. §. 74. 75. 76.)
IV. Mangel an gutem Glauben hindert die Erlangung des
Eigenthums.
§. 24. Wer es weiß, daß derjenige, von welchem sein Titel
sich herschreibt, nicht wahrer Eigenthümer sey, der kann weder durch
Eintragung, noch durch Uebergabe, ein Eigentumsrecht erlangen.
§. 25. Auch der, welcher zur Zeit der Eintragung oder
Uebergabe den früher entstandnen Titel eines Andern weiß, kann zum Nachtheile
desselben die früher erhaltene Eintragung oder Uebergabe nicht vorschützen.
Eilfter Titel
Von den Titeln zur Erwerbung des Eigenthums, welche sich in
Verträgen
unter Lebendigen gründen
Erster Abschnitt Von Kaufs- und Verkaufsgeschäften
Begriffe und Grundsätze,
§. 1. Das Kaufsgeschäfte ist ein Vertrag, wodurch der eine
Contrahent zur Abtretung des Eigenthums einer Sache, und der andre zur Erlegung
einer bestimmten Geldsumme dafür sich verpflichtet.
§. 2. Was bey Verträgen überhaupt Rechtens ist, findet auch
bey Kaufsgeschäften Anwendung.
besonders vom notwendigen Kaufe.
§. 3. Der Eigenthümer einer Sache kann zum Verkaufe
derselben wider seinen Willen nur alsdann gezwungen werden, wenn ein Dritter
ein besondres Recht zu deren Ankaufe durch ausdrückliche Gesetze, Verträge,
oder den Eigenthümer verpflichtende letztwillige Verordnungen erlangt hat.
§. 4. Auch der Staat ist jemanden zum Verkaufe seiner Sache
zu zwingen nur alsdann berechtigt, wenn es zum Wohl des gemeinen Wesens
nothwendig ist.
§. 5. Zur Anlegung oder Verbreitung einer öffentlichen
Landstraße, oder eines schifbaren Canals oder Flußbettes, können die Besitzer
der angränzenden Grundstücke so viel davon, als zu diesem Behufe erfordert
wird, dem Staate käuflich zu überlassen gezwungen werden.
§. 6. Ein Gleiches hat statt, wenn der Staat der
öffentlichen Sicherheit wegen einen Ort mit Festungswerken zu versehen nöthig
findet.
§. 7. Bey entstehendem Getreydemangel ist der Staat, zur
Abwendung einer drohenden Hungersnoth, berechtigt, die Besitzer von
Getreydevorräthen zur Ausstellung derselben zum feilen Verkaufe, jedoch mit
Vorbehalt ihres eigenen Bedürfnisses, zu nöthigen.
§. 8. In allen Fällen eines durch die Gesetze begründeten
nothwendigen Verkaufs muß, wenn über den Preis kein Einverständniß statt
findet, derselbe nach dem Ermessen vereideter Taxatoren bestimmt werden.
§. 9. Bey dieser Bestimmung ist nicht bloß auf den gemeinen,
sondern auch auf den außerordentlichen Werth Rücksicht zu nehmen.
§. 10. Ob der Fall einer Nothwendigkeit des Verkaufs zum
gemeinen Wohl vorhanden sey, bleibt der Beurtheilung und Entscheidung des
Oberhaupts des Staats vorbehalten.
§. 11. Ueber die Bestimmung des Preises aber soll dem
bisherigen Eigenthümer rechtliches Gehör nicht versagt werden.
Erfordernisse eines gültigen Kaufs, überhaupt
§. 12. Zum Abschlusse eines jeden Kaufs ist erforderlich,
daß der Verkäufer, die Person, auf welche das Eigenthum übergehen soll, die zu
verkaufende Sache, und der dafür zu erlegende Preis hinlänglich bestimmt sind.
in Ansehung der Person der Contrahenten,
§. 13. Zur Bezeichnung der Person, auf welche das Eigenthum
übergehen soll, ist es genug, wenn aus dem Vertrage erhellet, von wessen
Entscheidung, oder von welcher Begebenheit die nähere Bestimmung abhängen soll.
§. 14. Die Begebenheit oder das Ereigniß aber, welchem die
Bestimmung der Person, auf die das Eigenthum gelangen soll, überlassen worden,
muß so beschaffen seyn, daß sie innerhalb einer gewissen Zeit unfehlbar
eintreffen, und daß dadurch diese Person zuverläßig und ungezweifelt bestimmt
werde.
§. 15. Mangelt es an diesen Erfordernissen, so ist der
Vertrag für nicht geschlossen zu achten.
§. 16. Ein Gleiches findet statt, wenn derjenige, dessen
Ausspruch die Bestimmung des künftigen Eigenthümers überlassen worden, den
Ausspruch zu thun sich weigert.
§. 17. Zögert derselbe mit diesem Ausspruche, und können die
Parteyen über eine gewisse Frist dazu sich nicht vereinigen, so muß der
Richter, auf das Anrufen eines oder des andern von ihnen diese Frist bestimmen.
§. 18. Erfolgt auch binnen der durch den Richter bestimmten
Frist kein Ausspruch, so ist der Vertrag für nicht geschlossen anzusehen.
§. 19. Zur Schließung eines gültigen Kaufs wird erfordert,
daß der Verkäufer über das Eigenthum der Sache zu verfügen berechtigt, so wie,
daß der Käufer eine solche Sache zu erwerben und zu besitzen fähig sey.
§. 20. Wer fremde Sachen oder Güter verwaltet, darf von
denselben oder ihren Nutzungen, so lange sein Auftrag dauert, ohne die
besondere Bewilligung des Eigenthümers nichts käuflich an sich bringen.
§. 21. Der Auctionscommissarius und der Ausrufer sollen von
den Sachen, welche sie versteigern, weder selbst, noch durch oder für Andere
etwas erstehen.
§. 22. Bey gerichtlichen Verkäufen kann diejenige
Gerichtsperson, welche die Handlung dirigirt, so wie diejenige, welche dabey
das Protokoll führt, nicht mitbieten.
§. 23. Hat eine dergleichen ausgeschlossene Person (§. 21.
22.) die Sache dennoch gekauft, so kommt es auf den Entschluß derjenigen,
welche ein Interesse dabey haben, an: ob sie das Gebot des an sich unbefugten
Käufers genehmigen wollen, oder nicht.
§. 24. Genehmigen sie dasselbe nicht, so muß die Sache, auf
Gefahr und Kosten des unbefugten Käufers, anderweit zum Verkauf gebracht
werden.
§. 25. Hat der unbefugte Käufer die erstandene Sache schon
wirklich an sich genommen, so ist er bis zur beygebrachten Genehmigung der
Interessenten für einen unredlichen Besitzer zu achten.
§. 26. Wie weit Vormünder Sachen ihrer Pflegebefohlnen
verkaufen, selbst kaufen, oder im Namen derselben Kaufverträge schließen
können, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. XVIII.)
§. 27. Dadurch, daß die erkaufte Sache mit eines Andern
Gelde bezahlt, oder für einen Andern bestimmt worden, wird das rechtliche
Verhältniß zwischen dem Käufer und Verkäufer in keinem Falle geändert.
in Ansehung des Gegenstandes,
§. 28. Alle Sachen, die dem freyen Verkehre nicht entzogen
sind, können der Gegenstand der Kaufshandlung seyn. (Tit. IV. §. 14-19.)
§. 29. Wird eine Sache nach geschlossenem Kaufe, aber vor
erfolgter Uebergabe, dem Verkehre entzogen, so ist der Kauf geschlossen und zu
achten.
§. 30. Gegenstand der Kaufshandlung muß so bestimmt oder
bezeichnet werden, daß darüber kein gegründeter Zweifel statt finden könne.
§. 31. Ist die nähere Bestimmung des Gegenstandes, welcher
verkauft seyn soll, einer künftigen Begebenheit überlassen, so muß der Vertrag
nach den Regeln der gewagten Geschäfte beurtheilt werden. (Abschn. VI.)
§. 32. Ist die verkaufte Sache nach Maaß und Gewicht
bestimmt, so wird im zweifelhaften Falle das marktgängige Maaß und Gewicht des
Orts, wo die Ablieferung geschehen soll, verstanden.
§. 33. Ist dem Käufer die Wahl unter mehreren bestimmten
Sachen vorbehalten worden, und eine oder die andere derselben wird, vor
angestellter Wahl, es sey durch Zufall oder durch das Zuthun des Verkäufers,
vernichtet, verdorben, oder sonst abhanden gebracht, so ist der Käufer an den
Vertrag nicht mehr gebunden.
§. 34. Hat der Verkäufer den Verlust vorsetzlich oder aus grobem
Versehen veranlaßt, so muß derselbe dem Kaufer das Interesse leisten.
§. 35. In beyden §. 33. bestimmten Fällen hängt es aber von
dem Käufer ab, wenn auch nur eine von den mehrern Sachen noch übrig ist, bey
dem Vertrage
stehen zu bleiben; er kann jedoch alsdann kein Interesse
fordern.
§. 36. Ist eine von den Sachen, unter welchen der Käufer die
Wahl haben sollte, durch desselben eignes Zuthun vernichtet oder abhanden
gebracht worden, so muß der Käufer bey dem Vertrage stehen bleiben: selbst wenn
für ihn keine Wahl mehr übrig wäre.
§. 37. Ist unter mehrern bestimmten Sachen dem Verkäufer die
Wahl, welche derselben er dem Käufer gewähren wolle, vorbehalten, so findet in
Ansehung seiner alles das statt, was §. 33-36. wegen des Käufers verordnet ist.
§. 38. Ist aus dem Vertrage nicht zu ersehen: ob der Käufer
oder Verkäufer die Wahl haben solle, so kommt dieselbe dem Käufer zu.
§. 39. War der Gegenstand des Kaufs schon zur Zeit des
geschlossenen Vertrags nicht mehr vorhanden, und dieses beyden Theilen noch unbekannt,
so ist der Kauf für nicht geschlossen zu achten.
§. 40. Wußte nur der Verkäufer, daß die Sache nicht mehr
vorhanden sey, so muß er dem Käufer das Interesse leisten.
§. 41. War es nur dem Käufer bekannt, und es ist keine
andere erlaubte Absicht bey dem Geschäfte mit Zuverläßigkeit auszumitteln, so
muß dasselbe, in Ansehung des versprochenen, oder schon wirklich bezahlten
Kaufpreises, nach den Regeln von Schenkungen beurtheilt werden.
§. 42. War ein Theil von der Substanz der verkauften Sache
schon zur Zeit des abgeschlossenen Vertrags nicht mehr vorhanden, und dieses
beyden Theilen unbekannt, so ist der Vertrag für nicht geschlossen anzusehn.
§. 43. War es nur dem Käufer bekannt, so besteht der
Vertrag, auch in Ansehung des verabredeten Kaufpreises.
§. 44. War es nur dem Verkäufer wissend, so ist der Käufer
an den Vertrag nicht gebunden, und kann von ersterem die Leistung des Interesse
fordern.
§. 45. Will der Käufer bey dem Vertrage stehen bleiben, so
finden die Vorschriften von der Gewährsleistung statt. (§. 192-214.)
in Ansehung des Kaufpreises.
§. 46. Der Kaufpreis muß in einer bestimmten Summe Geldes
bestehen.
§. 47. Er muß entweder in sich, oder in Beziehung auf ein
künftiges Ereigniß gehörig bestimmt seyn.
§. 48. Wird der Kaufpreis durch Beziehung auf das Gutfinden
eines Dritten bestimmt, so müssen beyde Theile sich dem Ausspruche dieses
Dritten unterwerfen; und auch der Käufer kann des Einwands einer Verletzung
über die Hälfte (§. 58. sqq.) sich niemals bedienen.
§. 49. Nur allein, wenn einer oder der andere Theil den
Dritten durch Betrug vermocht hat, den Preis so und nicht anders zu bestimmen,
ist der Kauf für nicht geschlossen zu achten, und der Betrüger zur Leistung des
Interesse verpflichtet.
§. 50. Haben die Contrahenten die Bestimmung des Preises
mehrern Personen überlassen, und diese können sich wegen des Ausspruchs nicht
vereinigen, so macht die Summe, welche der Durchschnitt ihrer
zusammengerechneten Bestimmungen darstellt, den wahren Kaufpreis aus.
§. 51. Wenn auch nur einer dieser Schiedsrichter seinen
Ausspruch nicht thun kann, oder denselben zu thun beharrlich verweigert (§.
16.17.18.), so ist der Kauf für nicht geschlossen zu achten.
§. 52. Auch durch Beziehung auf eine anderwärts schon
feststehende Summe kann der Kaufpreis bestimmt werden.
§. 53. Doch ist eine solche Bestimmung nur in so weit für
hinreichend zu achten, als die Summe, auf welche die Contrahenten sich bezogen
haben, mit Zuverläßigkeit ausgemittelt werden kann.
§. 54. Ist der Kauf mit Beziehung auf den Marktpreis eines
gewissen Orts, ohne weitern Beysatz geschlossen worden, so ist der mittlere
Marktpreis zur Zeit der erfolgten Abschließung zu verstehen.
§. 55. Mehr, als der Verkäufer, bey Abschließung des
Contrakts, sich ausdrücklich vorbedungen hat, kann unter dem Namen eines
Weinkaufs, Schlüssel-, Halfter- oder Trinkgeldes, nicht gefordert werden.
§. 56. Ist die Münzsorte des Kaufpreises nicht bestimmt, so
wird sie für Silber-Courant angenommen. (Tit. V. §. 257. 258. 259.)
§. 57. Ein Kaufpreis von Zehn Thalern und weniger darf nur
in Scheidemünze, wenn aber derselbe zwar über Zehn, doch unter Dreyßig Thaler
beträgt, so muß er, im Mangel ausdrücklicher Bestimmung, halb in Courant und
halb in Scheidemünze entrichtet werden.
Von der Verletzung über die Hälfte.
§. 58. Der Einwand, daß der Kaufpreis mit dem Werthe der
Sache in keinem Verhältnisse stehe, ist für sich allein den Vertrag zu
entkräften nicht hinreichend. §. 59. Ist jedoch dieses Mißverhältniß so groß,
daß der Kaufpreis den doppelten Betrag des Werths der Sache übersteigt, so
begründet dieses Mißverhältniß, zum Besten des Käufers, die rechtliche
Vermuthung eines den Vertrag entkräftenden Irrthums. (Tit. IV. §. 75. sqq.)
§. 60. Wird diese Vermuthung durch die übrigen, bey den
Unterhandlungen und bey Abschließung des Vertrages vorgefallenen Umstände nicht
gehoben, so ist der Käufer die Aufhebung des Vertrages zu suchen berechtigt.
(§. 250. sqq.)
§. 61. Die Ausmittelung des Werths, zur Begründung dieses
Einwandes, kann nur durch die Abschätzung vereideter Sachverständigen erfolgen.
§. 62. Dabey muß auf den Werth, welchen die Sache zur Zeit
des abgeschlossenen Vertrags gehabt hat, Rücksicht genommen werden.
§. 63. Doch wird eine Veränderung des Werths in, der
Zwischenzeit, von der Abschließung des Kaufs bis zur Abschätzung, nicht
vermuthet.
§. 64. Sind die gesetzlich vorgeschriebenen oder sonst
landüblichen Abschätzungsgrundsätze verändert worden, so muß auf diejenigen,
welche zur Zeit des geschlossenen Kaufs statt gefunden haben, Rücksicht
genommen werden.
§. 65. Der Käufer kann dieses Einwands sich nicht bedienen,
wenn er demselben ausdrücklich entsagt hat.
§. 66. Auch alsdann nicht, wenn aus dem Vertrage selbst, aus
der Beschaffenheit seines Gegenstands, oder aus den vor und bey der
Abschließung desselben vorgefallenen Umständen erhellet, daß bey Bestimmung des
Kaufpreises nicht auf den gemeinen, sondern auf den außerordentlichen Werth der
Sache Rücksicht genommen worden.
§. 67. Ferner alsdann nicht, wenn der Käufer die Sache
selbst nicht mehr zurückgeben kann.
§. 68. Endlich, wenn er innerhalb der Tit. V. §. 343.
bestimmten Frist die Aufhebung des Vertrags aus diesem Grunde nicht nachgesucht
hat.
§. 69. Der Verkäufer kann den Kauf aus dem Grunde, daß der
Werth der Sache den Betrag des Kaufpreises selbst mehr als doppelt übersteige,
nicht anfechten.
Von simulirten Käufen.
§. 70. Geschäfte, bey welchen ein Kaufpreis nur zum Schein
festgesetzt worden, können nach den Regeln des Kaufs nicht beurtheilt werden.
§. 71. Ob das wahre unter einem solchen Scheinkaufe verborgene
Geschäft gültig sey oder nicht, ist nach den eigenthümlichen Regeln dieses
Geschäftes zu beurtheilen.
§. 72. Ist blos die Summe des Kaufpreises in dem Instrumente
höher oder niedriger, als die Parteyen denselben verabredet haben, zum Scheine
bestimmt worden, so entsteht daraus an und für sich noch keine Ungültigkeit des
Vertrages.
§. 73. Vielmehr muß alsdann der Preis unter den Contrahenten
nach der wahren auf eine an sich rechtsgültige Weise getroffenen Verabredung
bestimmt werden.
§. 74. Ist der wahre Preis nur mündlich verabredet worden,
so finden, je nachdem die Uebergabe bereits geschehen ist, oder nicht, die
Vorschriften des Fünften Titels §. 155. sqq. Anwendung.
Form der Kaufverträge.
§. 75. Von der Form der Kaufverträge gilt alles das, was von
der Form der Verträge überhaupt, und derjenigen, welche über das Eigenthum
unbeweglicher Sachen geschlossen worden, insonderheit, oben verordnet ist.
(Tit. V. §. 109. sqq. Tit. X. §. 15. 16. 17.)
Verbindlichkeiten des Verkäufers.
§. 76. Ein gültig abgeschlossener Kauf zieht die Wirkung
nach sich, daß der Verkäufer zur Uebergabe der Sache, der Käufer aber zur
Zahlung des Kaufpreises verpflichtet wird.
a) zur
Uebergabe,
§. 77. Was von der Uebergabe und Besitzergreifung überhaupt
verordnet ist, gilt auch von der Uebergabe der verkauften Sachen. (Tit. VII. §.
58. sqq.)
b) in Ansehung
der Pertinenzstücke,
§. 78. Die Sache muß vollständig, und mit allen zu ihr
gehörenden Pertinenzstücken übergeben werden.
§. 79. Ist wegen letzterer im Vertrage nichts Besonderes verabredet,
so treten die gesetzlichen Bestimmungen ein. (Tit. II. §. 42. sqq.)
§. 80. Derjenige unter den Contrahenten, welcher mehr oder
weniger, als die gesetzlichen Bestimmungen mit sich bringen, zum Zubehör
gerechnet wissen will, muß sich dieses ausdrücklich vorbedingen.
§. 81. Fehlen Pertinenzstücke, die zur Zeit des
geschlossenen Kaufs vorhanden waren, oder solche, die nach gesetzlicher
Bestimmung (Tit. II. §. 4.) als Theile der Substanz anzusehen sind, so muß der
Verkäufer die Gewähr dafür leisten.
§. 82. Ist ein Grundstück nach einem gewissen Inventario
verkauft worden, so darf an Zubehör weder mehr noch weniger, als in diesem
Inventario enthalten ist, überliefert werden.
Bey Verkäufen in Pausen und Bogen.
§. 83. Ist ein Landgut, wie es steht und liegt, verkauft, so
wird unter dem Zubehör alles das begriffen, was zur Zeit des geschlossenen
Kaufs in oder bey demselben vorhanden und zum Nutzen, oder zur Bequemlichkeit
im Betriebe der Wirthschaft erforderlich, oder dazu schon bisher im Gebrauche
gewesen ist.
§. 84. Dahin gehören besonders alle auf dem Gute vorhandne
Früchte und Vorräthe, sie mögen gesammlet, zugewachsen, oder verkauft seyn.
§. 85. Insonderheit alles geschlagne und noch unverkaufte
Holz.
§. 86. Desgleichen alles auf dem Gute befindliche Zug- Nutz-
und junge Vieh, wenn es auch sonst, nach gesetzlichen Bestimmungen, zu den
Inventarien-Stücken nicht zu rechnen wäre.
§. 87. Dagegen dürfen auch, wenn das nach gesetzlichen
Bestimmungen erforderliche Zubehör nicht vorhanden ist, die fehlenden Stücke
nicht ersetzt werden.
§. 88. Ist ein Haus, wie es steht und liegt, verkauft
worden, so gebühren dem Käufer, noch außer dem gesetzlichen Zubehör, so weit
dasselbe vorhanden ist, alle Möbeln, welche zur Zeit des geschlossenen Kaufs in
dem Hause befindlich, und zur bequemen Wohnung erforderlich oder dienlich sind.
§. 89. Zu einer Fabrike, oder andern Werkstätte, wenn sie in
Pausch und Bogen, oder wie alles steht und liegt, verkauft worden, werden die
vorhandnen Vorräthe, ingleichen die in der Arbeit befindlichen Materialien,
nicht aber die schon verfertigten Waaren, als Zubehör gerechnet.
§. 90. Bey einem auch in Pausch und Bogen verkauften
Kramladen, sind dennoch die Waarenvorräthe, im zweifelhaften Falle, nicht für
mitverkauft anzusehen.
§. 91. Dagegen werden zu einer solchergestalt verkauften
Bibliothek oder Naturaliensammlung auch Bildsäulen und andre Sachen, die bisher
zur Auszierung der Bücherschränke und Naturalienbehältnisse gebraucht worden,
mit gerechnet.
Zeit und Ort der Uebergabe,
§. 92. Ist keine Zeit zur Uebergabe bestimmt, so kann der
Käufer dieselbe, gegen Erfüllung der seiner Seits übernommenen
Verbindlichkeiten, sofort verlangen.
§. 93. Uebergabe der Sache und Zahlung des Kaufpreises muß,
wenn nicht ein anderes verabredet worden, an demselben Orte geschehen.
§. 94. Uebrigens finden, wegen des Orts und der Zeit, die
allgemeinen im Titel von Verträgen enthaltenen Bestimmungen auch hier
Anwendung. (Tit. V. §. 230-251.)
in Ansehung der Gefahr der Lasten und Nutzungen bis zur
Uebergabe,
§. 95. So lange der Verkäufer dem Käufer die Sache noch
nicht übergeben hat, bleibt bey allen freywilligen Verkäufen, wenn sie nicht in
Pausch und Bogen geschlossen, oder sonst ein Anderes ausdrücklich verabredet
worden, Gefahr und Schade dem Verkäufer zur Last. (§. 342.)
§. 96. Dies findet statt, selbst wenn die Uebergabe durch
einen bloßen Zufall verzögert wird.
§. 97. Wird die Uebergabe durch Schuld des Verkäufers
aufgehalten, so haftet derselbe nicht nur für den an der Sache entstandenen
Schaden, sondern auch, wenn Vorsatz oder grobes Versehen von seiner Seite bey
dem Verzuge zum Grunde liegt, für den dem Käufer entgangenen Vortheil.
§. 98. Hat aber der Käufer den Verzug der Uebergabe
verschuldet, so haftet der Verkäufer nur für einen solchen Schaden, der an der
Sache durch seinen Vorsatz oder grobes Versehen entstanden ist.
§. 99. In allen Fällen, wo die Uebergabe ohne Schuld des
Verkäufers aufgehalten wird, kann derselbe von aller Verantwortung gegen den
Käufer dadurch, daß er die Sache zur gerichtlichen Aufsicht und Verwahrung
übergiebt, sich befreyen.
§. 100. Wird die verkaufte Sache, noch vor der Uebergabe,
durch einen Zufall gänzlich zerstört oder vernichtet, dergestalt, daß gar keine
Uebergabe erfolgen kann, so wird der Contract für aufgehoben geachtet. (Tit. V.
§. 364. sqq.)
§. 101. Ist die Uebergabe durch Schuld des Verkäufers
aufgehalten worden, so haftet dieser dem Käufer zur Schadloshaltung, nach
Verhältniß des Grades seiner Verschuldung. (Tit. VI. §. 10. sqq.)
§. 102. Hat der Käufer durch seine Schuld die Uebernahme
verzögert, so kann der Verkäufer Schadloshaltung fordern.
§. 103. Zu dieser Schadloshaltung gehört auch die Bezahlung
des bedungenen Kaufpreises, sobald der Käufer, auch nur durch ein mäßiges
Versehen, Schuld daran ist, daß die Sache nicht zur gehörigen Zeit von ihm
übernommen worden.
§. 104. Wenn nicht bloß der Verzug der Uebergabe, sondern
der Verlust der Sache selbst, welcher die Uebergabe unmöglich macht, durch das
Verschulden eines oder des andern Theils entstanden ist, so hat es bey den allgemeinen
Vorschriften des Titels von Verträgen sein Bewenden. (Tit. V. §. 360. 363.
sqq.)
§. 105. So lange der Verkäufer die Gefahr und Lasten der
Sache zu tragen schuldig ist, können demselben in der Regel auch die Nutzungen
nicht benommen werden.
§. 106. Pacht- und Miethzinsen werden zwischen dem Käufer
und Verkäufer, nach Verhältniß ihrer Besitzzeit, getheilt.
§. 107. Geldzinsen, Kornpächte der Unterthanen, Zehenden,
Dienstgelder, Abschoß und andre Hebungen dieser Art, gebühren dem Käufer, so
weit sie nach der Uebergabe fällig sind.
§. 108. Was der Substanz der Sache, nach geschlossenem
Vertrage, durch natürliche An- und Zuwüchse noch beytritt, und davon, zur Zeit
der Uebergabe, vermöge des gewöhnlichen Nutzungsrechts noch nicht abgesondert
ist, gehört dem Käufer, und muß ihm, mit der Sache zugleich, übergeben werden.
§. 109. Keiner der Contrahenten kann, wider des andern
Willen, Sache und Kaufgeld zugleich nutzen.
§. 110. Hat also der Verkäufer das Kaufgeld ganz oder zum
Theil empfangen, so muß er, wenn nicht ein Anderes verabredet ist, das
Erhaltene bis zur Uebergabe landüblich verzinsen.
§. 111. Hat der Käufer die Uebernahme verzögert, so kann der
Verkäufer, statt der Verzinsung, zur Berechnung und Auslieferung der gezognen
Nutzungen sich erbieten.
§. 112. Dabey darf der Verkäufer bloß für ein grobes
Versehen haften.
§. 113. Ist der Verkäufer Schuld an der verzögerten
Uebergabe, so kann der Käufer von ihm den höchsten bey Personen seiner Klasse
zuläßigen Zinssatz fordern.
§. 114. Liegt Vorsatz oder grobes Versehen bey der Zögerung
des Verkäufers zum Grunde, so kann der Käufer, statt der Verzinsung,
Rechnungslegung über die gezogene Nutzung fordern.
§. 115. Dabey haftet der Verkäufer auch für ein geringes
Versehen.
§. 116. Ist die Zahlung des Kaufgeldes ausdrücklich vor der
Uebergabe bedungen, oder freywillig ohne Vorbehalt geleistet worden, so darf
der Verkäufer, so lange die Uebergabe nicht durch seine Schuld verzögert wird,
weder Zinsen zahlen, noch Nutzungen berechnen.
Besonders bey Verkaufen in Pausen und Bogen.
§. 117. Ist eine Sache in Pausch und Bogen, oder wie sie
steht und liegt, verkauft, so übernimmt der Käufer, gleich nach unterzeichnetem
Contrakte, nebst allen Nutzungen und Rechten, zugleich diejenigen Gefahren und
Lasten, die ihn sonst erst nach der Uebergabe würden getroffen haben.
§. 118. Bleibt in einem solchen Falle der Verkäufer, nach
unterzeichnetem Contrakte, bis zur Uebergabe, im Besitze der Sache, so hat er,
in Ansehung der Nutzungen sowohl, als der Lasten und Gefahren, nur die Rechte
und Pflichten eines Verwalters fremder Sachen. (Tit. XIV. Sect. II.)
§. 119. Davon kann er sich jedoch, bey einem durch Zufall
oder durch Schuld des Käufers entstehendem Verzüge der Uebergabe, durch
Ausantwortung der Sache zur gerichtlichen Aufsicht und Verwaltung befreyen.
§. 120. Wird aber die Sache vor der Uebergabe, durch Zufall
oder Schuld des Verkäufers dergestalt vernichtet, daß gar keine Uebergabe mehr
erfolgen kann, so trift dieser Verlust den Verkäufer.
bey einem Inbegriffe von Sachen.
§. 121. Ist ein Inbegriff von Sachen gekauft worden, so wird
ein solches Geschäft, in Ansehung der Nutzungen und Gefahren, dem Kaufe in
Pausch und Bogen gleich geachtet.
§. 122. Ist die Zahl der Stücke bloß zur nähern Bezeichnung
des Inbegriffs angegeben worden, so wird dadurch die Natur des Kaufs, als eines
in Pausch und Bogen geschlossenen, nicht geändert.
§. 123. Hat sich aber der Käufer eine gewisse Zahl von
Stücken aus einem Inbegriffe vorbedungen, so finden die unten §. 207. sqq.
gegebenen Vorschriften Anwendung.
Wie die Uebergabe geleistet werden müsse.
§. 124. Der Verkäufer muß die Uebergabe so leisten, daß der
Käufer dadurch in den Stand gesetzt werde, über die gekaufte Sache nach dem
Inhalte des Contrakts zu verfügen.
§. 125. Bey Grundstücken ist zwar die gerichtliche
Zuschreibung im Hypothekenbuche für sich allein zur Uebergabe noch nicht
hinreichend;
§. 126. Es gehört aber mit zu den Pflichten des Verkäufers,
daß er alles thue, was von seiner Seite erforderlich ist, um diese gerichtliche
Zuschreibung an den Käufer zu bewirken.
§. 127. Ueberhaupt muß die Uebergabe nach den Vorschriften
des Siebenten Titels §. 58. sqq. erfolgen.
besonders unter Abwesenden.
§. 128. Unter Abwesenden ist die Uebergabe beweglicher
Sachen vollzogen, sobald die Sache dem Bevollmächtigten des Käufers
ausgehändigt, oder auf die Post gegeben, oder dem Fuhrmanne oder Schiffer
überliefert worden.
§. 129. Doch muß die Uebermachung entweder nach der
Anweisung des Käufers geschehen, oder von diesem die Art derselben dem
Gutfinden des Verkäufers, ausdrücklich oder stillschweigend, überlassen worden
seyn.
§. 130. Auch wird, wenn durch eine solche Uebergabe
Eigenthum und Gefahr auf den Käufer übergehen soll, vorausgesetzt, daß der Kauf
selbst unter den abwesenden Parteyen völlig abgeschlossen worden.
§. 131. Erfolgt der Abschluß des Kaufs erst während der
Zeit, daß die Sache oder Waare unterwegens ist, so geht erst von dem
Augenblicke an, wo der Vertrag zu Stande gekommen ist, Eigenthum und Gefahr auf
den Käufer über.
§. 132. Hat der Käufer zur Zeit des abgeschlossenen Vertrages
noch nicht gewußt, daß die Sache schon unterwegens sey, so überkommt er
Eigenthum und Gefahr erst von dem Zeitpunkte an, wo er die Art der Versendung
erfährt, und solche ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt.
§. 133. In allen Fällen (§. 129-132.) gilt es für eine
stillschweigende Genehmigung der von dem Verkäufer gewählten Art der
Uebermachung, wenn der Käufer, auf die erste davon erhaltene Nachricht, seine
Mißbilligung derselben nicht mit der ersten abgehenden Post erklärt hat.
§. 134. Ist der Käufer in der Zwischenzeit von der nach §.
128. vollzogenen Uebergabe, bis zu dem Zeitpunkte, wo die Sache ia seinem
Wohnorte wirklich ankommt, in Conkurs versunken, so kann der Verkäufer die
Sache, nach näherer Bestimmung der Conkursordnung, in Natur zurücknehmen.
c) Von der Gewährsleistung überhaupt.
§. 135. Der Verkäufer ist schuldig, dem Käufer die Sache so
zu gewähren, daß dieser dieselbe bedungenermaaßen als sein Eigenthum besitzen,
nutzen, und darüber verfügen könne.
insonderheit gegen die Ansprüche eines Dritten.
§. 136. Er muß also auch den Käufer gegen alle Ansprüche
eines Dritten auf die verkaufte Sache vertreten.
§. 137. Der Käufer kann jedoch seinem Rechte, Gewährleistung
zu fordern, gültig entsagen.
§. 138. Dergleichen Entsagung darf aber nicht auf den Fall
ausgedehnt werden, wenn der Verkäufer den Anspruch des Dritten gewußt, und ihn
dem Käufer nicht angezeigt, oder wenn er diesen Anspruch durch seine eignen
Handlungen begründet hat.
§. 139. Haben beyde Theile ausdrücklich über eine fremde
Sache contrahirt, so ist das Geschäft als ein Vertrag, wodurch die Handlung
eines Dritten versprochen worden, zu beurtheilen. (Tit. V. §. 40. sqq.)
§. 140. Dadurch, daß jemand der Erbe desjenigen geworden
ist, der seine Sache, ohne seine Genehmigung, an einen Andern verkauft hat,
wird er zwar sein Eigenthum auf die Sache geltend zu machen nicht verhindert;
§. 141. Er muß aber als Erbe dem Käufer, so weit sein
Erbtheil dazu hinreicht, eben das leisten, wozu der Erblasser verpflichtet
gewesen.
§. 142. Ist er des Verkäufers Erbe ohne Vorbehalt geworden,
so kann er den von diesem geschlossenen Verkauf nicht anfechten.
§. 143. Ein Käufer, welcher von einem Dritten über die
erkaufte Sache in Anspruch genommen wird, muß, wenn er die Gewährsleistung von
dem Verkäufer fordern will, diesen zu seiner Vertretung gerichtlich vorladen
lassen.
§. 144. Diese Aufforderung muß sogleich, als dem Käufer die
Klage des Dritten behändigt worden, spätestens aber bis zum Instruktionstermin
geschehen. §. 145. Wird die Aufforderung verabsäumt, so geht zwar das Recht des
Käufers, Gewährsleistung von dem Verkäufer zu fordern, noch nicht verloren;
§. 146. Der Käufer muß aber alle Gründe und Beweismittel,
welche der Verkäufer gegen den Dritten hätte an die Hand geben können, und
wovon er selbst in dem Prozesse mit diesem keinen Gebrauch gemacht hat, nach
näherer Bestimmung der Prozeßordnung, wider sich gelten lassen.
§. 147. Was vorstehend von dem Falle verordnet ist, wenn der
Käufer den Prozeß mit dem Dritten ohne Zuziehung des Verkäufers ausführt, gilt
auch alsdann, wenn er sich, ohne dessen Zuziehung, mit dem Dritten verglichen
hat.
§. 148. Der Nothwendigkeit einer gerichtlichen Aufforderung
kann durch Verträge gültig entsagt werden.
§. 149. Der Käufer kann sich der Vertretung halber nur an
seinen unmittelbaren Verkäufer halten, und muß es diesem überlassen, auf seinen
Vormann zuruckzugehn.
§. 150. Ist jedoch der unmittelbare Verkäufer in Concurs
versunken; oder hat er die königlichen Lande verlassen; oder ist sein
Aufenthalt unbekannt; so steht dem Käufer frey, sich an dessen Vormann zu
halten, und diesen zu seiner Vertretung aufzufordern.
§. 151. Er muß sich aber von demselben alle Einwendungen
gefallen lassen, welche dieser seinem unmittelbaren Hintermanne entgegen zu
setzen berechtigt wäre.
§. 152. Was vorstehend §. 143-151. von der Notwendigkeit,
den, welcher die Gewähr leisten soll, zur Vertretung gegen den Dritten
aufzufordern, bey dem Kaufsgeschäfte vorgeschrieben ist, gilt auch bey allen
andern Verträgen, aus welchen ein Contrahent von dem andern Gewährsleistung
fordert. (Tit. V. §. 317J sqq.)
Was bey erfolgter Eviction der Verkäufer dem Käufer zu
leisten habe, wenn die Sache dem Käufer gänzlich.
§. 153. So weit die Parteyen über das, was der Verkäufer dem
Käufer, als Schadloshaltung für den Anspruch des Dritten vergüten solle, sich
besonders vereinigt haben, hat es dabey lediglich sein Bewenden.
§. 154. Ist nichts verabredet worden, und erhält der Käufer,
als redlicher Besitzer, für die ihm gänzlich entzogene Sache von dem Dritten
Ersatz des dafür gezahlten Kaufgeldes, und der auf die Sache verwendeten
Kosten, so kann er dieserhalb an den Verkäufer keinen Anspruch machen. (Tit.
XV. §. 25. sqq.)
§. 155. Vielmehr haftet der Verkäufer nur, nach Verhältniß seiner
obwaltenden Verschuldung, dem Käufer für den etwa noch außerdem bey dem
Kaufsgeschäfte erlittenen wirklichen Schaden.
§. 156. Zu diesem Schaden gehören auch die auf den Kauf
verwendeten, ingleichen die bey dem Prozesse mit dem Dritten aufgelaufenen Kosten.
§. 157. Zinsen des Kaufgeldes kann ein solcher Käufer von
dem Verkäufer nur seit dem Zeitpunkte fordern, wo er, mit der Sache zugleich,
die Nutzungen derselben dem Dritten hat herausgeben müssen.
§. 158. Uebrigens bleiben dem Dritten, wegen des Kaufgeldes,
das er dem Käufer, als redlicher Besitzer, vergüten, und wegen der Nutzungen,
die er demselben hat überlassen müssen, seine Rechte zur Entschädigung, gegen
den Verkäufer, in so fern dieser ein unredlicher Besitzer gewesen ist,
vorbehalten.
§. 159. Hat der Käufer gewußt, daß er eine fremde Sache
kaufe, und muß er dieselbe hiernächst, als unredlicher Besitzer, dem wahren
Eigenthümer unentgeltlich zurückgeben, so kann er dennoch keine Gewährsleistung
von dem Verkäufer fordern.
§. 160. Hat auch der Verkäufer gewußt, daß er eine fremde
Sache, als seine eigne, verkauft, so fällt alles, was er aus dem Vertrage an
Kaufgelde oder sonst erhalten hat, dem Fiskus anheim.
§. 161. Wird der Käufer bloß deswegen, weil er bey Erkaufung
der Sache nicht die gehörige Vorsicht angewendet, in Rücksicht des wahren
Eigentümers einem unredlichen Besitzer gleich geachtet (Tit. VII. §. 12. sqq.),
so muß ihm der Verkäufer das erhaltene Kaufgeld zurückzahlen.
§. 162. Auch ist der Verkäufer noch außerdem einem solchen
Käufer, nach näherer Bestimmung §. 155. 156., zur Schadloshaltung verhaftet.
§. 163. War der Verkäufer ein unredlicher Besitzer, so muß
er von dem Zeitpunkte an, wo der Käufer die Nutzungen der Sache hat herausgeben
müssen, den erhaltnen Kaufpreis verzinsen, oder die von dem Käufer erhaltenen
Zinsen desselben zurückzahlen.
wenn ihm nur Theile oder Pertinenzstücke entzogen worden.
a) Wenn der Käufer von dem Vertrage zurücktreten kann und
will.
§. 164. Ist durch den Anspruch des Dritten nicht die ganze
Sache, sondern nur ein Theil oder Pertinenzstück, oder eine damit verkaufte
Gerechtigkeit, dem Käufer entzogen worden, so finden wegen der Fälle, wo der
Käufer von dem ganzen Vertrage zurücktreten kann, die Vorschriften des Fünften
Titels §. 325. sqq. Anwendung.
§. 165. Kann und will der Käufer von dieser Befugniß
Gebrauch machen, so muß der Verkäufer, gegen Zurückgabe des Ueberrests der
Sache, das ganze erhaltene Kaufgeld wieder erstatten.
§. 166. Doch muß davon, zu seinem Vortheile, dasjenige, was etwa
der Dritte dem Käufer, als redlichem Besitzer, zu vergüten hat, abgerechnet
werden.
§. 167. Die Zinsen des Kaufgeldes werden allemal gegen die
von dem Käufer gezogenen Nutzungen compensirt.
§. 168. Wegen der anderweitigen Schäden und Kosten finden,
je nachdem der Käufer auch in Ansehung dieses einzelnen Theils u. s. w. ein
redlicher oder unredlicher Besitzer gewesen ist, die Vorschriften §. 154. 155.
156. 159. 161. 162. Anwendung.
b) Wenn er nicht zurücktreten kann, oder will.
§. 169. Kann oder will der Käufer in dem Falle des §. 164.
nicht zurücktreten, so gelten in Ansehung dieses Theils oder Zubehörs, eben die
Grundsätze, wie in Ansehung des Ganzen. (§. 154-163.)
§. 170. Der Werth des entzogenen Theils, Zubehörs, oder
Rechts, muß, wenn das Ganze nach einem Anschlage verkauft worden, nach diesem,
sonst aber nach der Abschätzung vereideter Sachverständiger bestimmt werden.
§. 171. Doch kann der Käufer, auch wenn ihm Vergütung
zukommt, dieselbe nur nach Verhältniß des Anschlags oder der Taxe des Ganzen, gegen
den verabredeten mindern Kaufpreis fordern.
§. 172. Nach eben den Grundsätzen, wie der Werth eines
entzogenen Theils oder Zubehörs zwischen dem Käufer und Verkäufer bestimmt
wird, muß derselbe auch zwischen dem Käufer, wenn er redlicher Besitzer war,
und dem wahren Eigenthümer, welcher ihm Vergütung zu leisten hat, festgesetzt
werden.
§. 173. Ist ein Inbegriff beweglicher Sachen verkauft
worden, und der Käufer kann oder will nicht den ganzen Kauf aufheben (Tit. V.
§. 339. sqq.), so findet wegen des entzogenen einzelnen Stücks aus einem
solchen Inbegriff alles statt, was wegen entzogener einzelner Sachen überhaupt
Rechtens ist.
§. 174. Ist bey dem Kaufe um den Inbegriff ein besonderer
Preis für jedes Stück verabredet worden, so dient dieser bey der dem Käufer
gebührenden Vergütung zum Maaßstabe.
Gewährsleistung für die auf der Sache haftenden Lasten.
§. 175. Für die auf einem Grundstücke haftenden gemeinen
Lasten darf der Verkäufer nur alsdann Vertretung leisten, wenn er dieselben in
Abrede gestellt, oder die Vertretung ausdrücklich übernommen hat.
§. 176. Ist der Verkauf nach einem Anschlage geschehen, so
muß der Verkäufer die darin nicht abgezogenen gemeinen Lasten vertreten.
§. 177. Hat jedoch der Käufer nicht den ganzen
angeschlagenen Werth bezahlt, so kann er die Vergütung nur nach Verhältniß des
Kaufpreises gegen den Anschlag fordern.
§. 178. Werden zwischen der Zeit des geschlossenen Kaufs und
der erfolgenden Uebergabe einem Grundstücke neue öffentliche fortwährende
Lasten oder Abgaben aufgelegt, so kann der Käufer von dem Vertrage
zurücktreten.
§. 179. Will er dieses nicht, so muß er die neue Last
übernehmen, und kann dafür keinen Nachlaß am Kaufpreise fordern.
§. 180. Kriegssteuern, Brandschatzungen und außerordentliche
Lasten, welche erst nach geschloßnem Kaufe, oder erst nach erfolgter Uebergabe,
auf die einzelnen Grundstücke vertheilt werden, muß der Verkäufer tragen, in so
fern die Verbindlichkeit zu der Entrichtung einer solchen besondren Last oder
Abgabe schon vor der Uebergabe vorhanden gewesen ist.
§. 181. Wenn also, zum Beyspiele, der Feuerschade, welcher
durch Beyträge von den in die Feuer-Versicherungs-Gesellschaft eingeschriebnen
Grundstücken vergütet werden muß, schon vor dem Verkaufe, oder vor der
Uebergabe eines zu dieser Gesellschaft gehörenden Grundstücks sich ereignet
hat, so muß der Verkäufer den auf dieses Grundstück fallenden Beytrag leisten,
wenn auch derselbe erst nachher ausgeschrieben wird.
§. 182. Auch für alle Rückstände öffentlicher Abgaben und
Lasten, welche in die Zeiten vor der Uebergabe treffen, muß der Verkäufer dem
Käufer haften.
§. 183. Privatdienstbarkeiten, Lasten und Abgaben, welche
nicht allen Grundstücken derselben Art in der Provinz gemein zu seyn pflegen,
ist der Verkäufer dem Käufer bey der Kaufshandlung anzuzeigen, oder zu
vertreten schuldig.
§. 184. Die auf dem Gute haftenden Privatschulden und
Verbindlichkeiten muß der Verkäufer allemal vertreten, wenn der Käufer
dieselben nicht ausdrücklich übernommen hat.
§. 185. Die Unwissenheit des Verkäufers von dergleichen auf
dem Grundstücke haftenden Lasten (§. 180-184.) befreyt denselben keinesweges
von der Vertretung.
§. 186. Auch alsdann, wenn der Kauf in Pausch und Bogen
geschlossen worden, ist der Verkäufer von Vertretung dieser Lasten nicht frey.
§. 187. Es wäre denn, daß die Absicht der Parteyen,
dieserhalb keine Vertretung fordern und leisten zu wollen, aus dem Inhalte des
Contrakts klar erhellete.
a) wenn der
Käufer zurück treten kann und will.
§. 188. In Fällen, wo daraus, daß eine solche Last auf der
Sache haftet, zugleich der Mangel einer ausdrücklich vorbedungenen oder
stillschweigend vorausgesetzten Eigenschaft folgt, finden wegen des dem Käufer
offen stehenden Rücktritts vom ganzen Vertrage, die allgemeinen Grundsätze von
der Gewährsleistung statt. (Tit. V. §. 319. sqq.)
b) wenn er
nicht zurück treten kann oder will.
§. 189. Kann oder will der Käufer von dieser Befugniß keinen
Gebrauch machen, so muß die Abgabe, wenn sie in Gelde oder Naturalien besteht,
nach dem landüblichen Zinsenfuße zu Capital gerechnet, und nach diesem Capitale
die von dem Verkäufer zu leistende Vergütung bestimmt werden.
§. 190. Besteht aber die Last in Handlungen oder Leistungen,
die sich auf eine jährliche Geldsumme nicht zurückbringen lassen, so muß
dieselbe von vereideten Sachverständigen nach dem Maaße geschätzt werden, als
der wahre Werth des Grundstücks durch diese Last vermindert wird.
§. 191. Wegen der Verbindlichkeit des Käufers, wenn er wegen
einer solchen Last von einem Dritten in Anspruch genommen wird, den Verkäufer
zur Vertretung aufzufordern, finden die Vorschriften §. 143. sqq. Anwendung.
wegen fehlender Eigenschaften.
§. 192. Die Sache muß in der Beschaffenheit übergeben
werden, wie sie von dem Käufer bedungen worden.
§. 193. Ist keine besondere Beschaffenheit vorbedungen, so
muß die Sache diejenigen Eigenschaften haben, die bey einer jeden Sache
derselben Art gewöhnlich vorausgesetzt werden.
§. 194. Uebrigens muß sie in demjenigen Zustande übergeben
werden, in welchem sie sich zur Zeit des geschlossenen Kaufs befunden hat.
§. 195. Kann die Beschaffenheit der Sache, wie sie zur Zeit
des Kaufs gewesen ist, nicht ausgemittelt werden, so ist der unmittelbar
vorhergehende Zustand zum Grunde der Entscheidung anzunehmen.
§. 196. Daß der Zustand der Sache zwischen der Zeit des
Kaufs und der Uebergabe sich wesentlich geändert habe, wird nicht vermuthet.
§. 197. Hat die Sache die beym Kaufe ausdrücklich oder
stillschweigend vorausgesetzten Eigenschaften nicht, so wird sie fehlerhaft
genannt.
§. 198. Wegen fehlerhafter Beschaffenheit der verkauften
Sache finden die Vorschriften Tit. V. §. 319. sqq. Anwendung.
§. 199. Wenn ein Stück Vieh binnen Vier und Zwanzig Stunden
nach der Uebergabe krank befunden wird, so gilt die Vermuthung, daß selbiges
schon vor der Uebergabe krank gewesen sey.
§. 200. Doch muß der Käufer bey Verlust seines Rechts, die
bemerkte Krankheit dem Verkäufer dergestalt zeitig anzeigen, daß noch eine
Untersuchung über den Zeitpunkt ihres Entstehens statt finden könne.
§. 201. Ist der Verkäufer nicht am Orte zugegen, so muß die
Anzeige den Gerichten des Orts, oder einem Sachverständigen geschehen.
§. 202. Stirbt das Vieh binnen Vier und Zwanzig Stunden nach
der Uebergabe; so ist der Verkäufer zur Vertretung verpflichtet, wenn nicht
klar ausgemittelt werden kann, daß die Krankheit erst nach der Uebergabe
entstanden sey.
§. 203. Aeußert sich die Krankheit des Viehes erst nach
Verlauf von Vier und Zwanzig Stunden nach der Uebergabe, so trift der Schade
den Käufer, wenn nicht ausgemittelt werden kann, daß der kränkliche Zustand
schon zur Zeit der Uebergabe vorhanden gewesen.
§. 204. Bey Schweinen, welche innerhalb Acht Tagen nach der
Uebergabe finnig befunden werden, gilt die Vermuthung, daß sie es schon zuvor
gewesen sind.
§. 205. Eine gleiche Vermuthung gilt von Pferden, bey
welchen sich Dämpfigkeit, Herzschlägigkeit, Kaude, wahre Stätigkeit, schwarzer
Staar, Mondblindheit und Rotz innerhalb Vier Wochen nach der Uebergabe
hervorthun.
§. 206. In allen Fällen, wo wegen der von dem Verkäufer zu
vertretenden Mängel, der Rücktritt vom Kaufe, und der Ersatz des ganzen
Kaufpreises nicht statt findet, muß die dem Käufer zu leistende Vergütung nach
dem Gutachten vereideter Sachverstandigen bestimmt werden.
wegen fehlender Quantität.
§. 207. Hat der Verkäufer ein bestimmtes Maaß oder Gewicht,
oder eine gewisse Zahl bey der Sache zu gewähren sich ausdrücklich
verpflichtet, und es fehlt etwas daran bey der Uebergabe, so ist der Käufer,
die Sache anzunehmen, nicht schuldig.
§. 208. Doch steht ihm frey, auch die Nachlieferung des
Fehlenden zu verlangen.
§. 209. Kann die Nachlieferung noch innerhalb der zur
Uebergabe bestimmten Zeit geleistet werden, so ist der Käufer von dem Vertrage
abzugehen nicht berechtigt.
§. 210. Hat der Käufer die Sache einmal an- und in seine
Verwahrung genommen, so kann er sie, aus dem Grunde der nicht vollständig
geschehenen Ablieferung, nicht zurückgeben, sondern muß mit dem Ersatze des
Abgangs sich begnügen.
§. 211. Der Betrag des zu leistenden Ersatzes wird nach den
Vorschriften §. 170. 171. bestimmt.
§. 212. Ob übrigens die Quantität der verkauften Sache nur
der Beschreibung und nähern Bestimmung halber, oder in der Absicht, daß sie
vertreten werden solle, beygefügt worden, ist hauptsächlich nach dem Inhalte
des Contrakts zu beurtheilen.
§. 213. Ist der Kauf in Pausch und Bogen geschlossen, so
darf ein bey den Unterhandlungen bloß zur Information des Käufers gegebener
Anschlag, nur in Ansehung der Existenz der darin angegebenen Rubriken, nicht
aber in Ansehung der Zahl, der Größe, des Umfangs, oder des Ertrags derselben,
vertreten werden.
§. 214. Außer diesem Falle gilt, wenn aus den Umständen und
aus der Fassung des Vertrags nicht ein Anderes erhellet, die Vermuthung, daß
die bestimmte Quantität gewährt werden solle.
Verbindlichkeiten des Käufers
1) wegen
Uehernahme der Sache.
§. 215. Ist der Verkäufer bereit, die Sache vertragsmäßig zu
übergeben, so ist der Käufer sie sofort zu übernehmen schuldig.
§. 216. Was den Verkäufer wegen verzögerter Uebergabe
entschuldigt, das muß auch dem Käufer in Rücksicht der Uebernahme zu statten
kommen.
§. 217. Wegen der Folgen einer durch die Schuld des Käufers
entstandenen Zögerung, und wegen der Befugniß des Verkäufers, die Sache alsdann
der gerichtlichen Verwahrung und Verwaltung zu übergeben, hat es bey den §.
98-104. enthaltenen Bestimmungen sein Bewenden.
§. 218. Ist die Sache dem Verderben unterworfen, oder steht
zu besorgen, daß die Kosten der Aufbewahrung und Verwaltung mehr betragen
werden, als die Hälfte des Kaufpreises, so ist der Verkäufer auf gerichtliche
Versteigerung derselben anzutragen berechtigt.
§. 219. Aus dem dafür gelöseten Preise kann der Verkäufer
nur die Kosten und dasjenige fordern, was ihm nach dem Inhalte des
Kaufcontrakts gebühret.
§. 220. Reicht die Lösung dazu nicht hin, so muß der Käufer
den Ausfall tragen.
2) wegen
Bezahlung des Kaufgeldes.
§. 221. Gegen Empfang der Sache ist der Käufer das Kaufgeld
sofort zu erlegen schuldig, wenn nicht ein Andres im Vertrage verabredet worden.
§. 222. Kommen aber Gewährsmängel, oder Ansprüche eines
Dritten an die Sache, vor erfolgter Bezahlung des Kaufgeldes zum Vorschein, so
kann der Käufer einen verhältnißmäßigen Theil desselben zurückhalten, und
gerichtlich niederlegen.
§. 223. Will der Verkäufer sich dieses nicht gefallen
lassen, so muß er wegen der bevorstehenden Vertretung nach richterlichem
Ermessen hinlängliche Sicherheit leisten.
§. 224. Das Kaufgeld ist für geborgt anzusehen, wenn der
Verkäufer wegen der im Contrakte vorbedungenen und bey der Uebergabe nicht
geleisteten baaren Zahlung des Kaufgeldes die gerichtliche Klage innerhalb Acht
Tage nach der Uebergabe nicht anmeldet.
§. 225. Einem abwesenden Verkäufer läuft diese Frist erst
von der Zeit an, da er von der nicht erfolgten Zahlung Nachricht erhalten, und
sich zur Klage bey dem gehörigen Richter hat angeben können.
§. 226. Sobald der Verkäufer das Kaufgeld geborgt hat, kann
er von der nach §. 230. ihm sonst zustehenden Befugniß, den Contrakt
aufzuheben, und die Sache selbst zurück zu fordern, nicht mehr Gebrauch machen.
§. 227. In allen Fällen, wo der Käufer die bey der Uebergabe
baar bedungene Zahlung ohne rechtlichen Grund nicht leistet, ist er
Zögerungszinsen, vom Tage der Uebergabe an, zu entrichten verbunden.
§. 228. Verabsäumt oder verweigert der Verkäufer die Annahme
des Kaufgeldes, so ist der Käufer befugt, dasselbe auf Gefahr und Kosten des
Verkäufers gerichtlich niederzulegen.
Aufhebung der Kaufverträge
1) wegen nicht geleisteter Erfüllung.
§. 229. Bey Käufen über bewegliche Sachen unter Fünfzig
Thalern ist der Verkäufer vom Vertrage wieder abzugehen berechtigt, sobald die
zur Abholung der Waare bestimmte Zeit verflossen ist.
§. 230. Eben so kann der Verkäufer, wenn der Käufer die
Zahlung des Kaufgeldes, welche er bey der Uebergabe baar zu leisten versprochen
hat, nicht leistet, die Uebergabe verweigern und den Contrakt aufheben.
§. 231. Außer diesen Fällen kann derjenige Theil, welcher
behauptet, daß ihm die Erfüllung des Vertrages ohne rechtlichen Grund
verweigert, oder nicht gehörig geleistet werde, in der Regel nur auf die
Erfüllung klagen.
§. 232. Doch findet in allen Fällen, wo die Gesetze einen
Contrahenten zum Rücktritte von dem Vertrage wegen der von dem andern
verweigerten Erfüllung berechtigen, ein Gleiches auch bey dem Kaufvertrage mit
den daselbst näher bestimmten Wirkungen statt. (Tit. V. §. 396. bis 407.)
§. 233. Muß nach diesen Bestimmungen der Käufer, welcher die
Sache zurückgiebt, die in der Zwischenzeit gezogenen Nutzungen berechnen, so
kann er die inzwischen dem Verkäufer bezahlten Zinsen des Kaufgeldes darauf in
Abzug bringen.
§. 234. Hat der Verkäufer das Kaufgeld selbst ganz oder zum
Theil bereits erhalten, so muß er sich landübliche Zinsen auf die ihm zu
vergütenden Nutzungen abziehen lassen.
§. 235. Behält nach eben diesen Bestimmungen der Käufer,
welcher die Sache zurückgiebt, die inzwischen gezogenen Nutzungen, so kann der
Verkäufer die Zinsen des bedungenen Kaufpreises forden.
§. 236. Doch steht dem Käufer frey, die Nutzungen zu
berechnen, und dagegen, je nachdem er das Kaufgeld selbst, oder Zinsen davon an
den Verkäufer entrichtet hat, landübliche Verzinsung des erstern, oder
Rückzahlung der letztern zu verlangen.
§. 237. Wenn der Käufer in Ansehung der Sache, die er
zurückgiebt, einem unredlichen Besitzer gleich geachtet wird, so haftet er für
Gefahr und Schaden bis zu dem Zeitpunkte der wirklich erfolgenden Rückgabe.
§. 238. Ein Gleiches findet statt, wenn der Rücktritt auf
den Grund eines dem Käufer zwar vortheilhaften, aber noch nicht rechtskräftig
gewordenen Urtels erfolgt.
§. 239. Ist hingegen der Käufer, nach den gesetzlichen
Bestimmungen, einem redlichen Besitzer durchaus gleich zu achten, so darf er
auch für die Beschädigungen der Sache, bis zur erfolgenden Rückgabe, nur so
weit haften, als ein redlicher Besitzer dazu verpflichtet ist.
§. 240. Welcher Theil dem andern die Kosten des Kaufs
erstatten, und die Kosten der Rückgabe tragen müsse, ist darnach zu bestimmen:
ob der Käufer einem redlichen oder unredlichen Besitzer gleich zu achten sey.
§. 241. Wählt ein Theil auf den Grund eines ihm zwar
vortheilhaften, aber noch nicht rechtskräftigen Erkenntnisses den Rücktritt, so
kann keiner von dem andern, wegen der auf den Kauf verwendeten Kosten, Ersatz
fordern.
§. 242. Die Kosten der Rückgabe hingegen muß in diesem Falle
der Rücktretende tragen.
§. 243. Uebrigens findet, nach geschehener Uebergabe, selbst
in den §. 232. bezeichneten Fällen, der Rücktritt nur in so fern statt, als
eine Rückgabe der Sache an den Verkäufer noch möglich ist.
§. 244. Kann diese nicht mehr statt finden, so bleibt es
lediglich bey demjenigen, was ein Theil dem andern, vermöge des Vertrages und
der Gesetze, als Erfüllung oder Entschädigung zu leisten hat.
§. 245. Wird der Rücktritt innerhalb Jahresfrist nach erfolgter
Uebergabe gerichtlich erklärt, so können die Gerichte nur die gewöhnlichen
Ausfertigungs- und Eintragungsgebühren fordern.
§. 246. Erfolgt aber die Erklärung des Rücktritts später, so
müssen auch die übrigen bey Besitzveränderungen statt findenden Gefälle und
Abgaben entrichtet werden.
2) durch
gegenseitige Einwilligung.
§. 247. Wird ein Kauf, vor oder nach geschehener Uebergabe,
mit Bewilligung beyder Theile wieder aufgehoben, so bestimmt der Vertrag die
Bedingungen, auch in Ansehung der daraus entstehenden Kosten.
§. 248. Ist wegen letzterer im Vertrage nichts festgesetzt,
so müssen die Kosten von beyden Theilen zur Hälfte getragen werden.
§. 249. Ob nur Ausfertigungs- und Eintragungs- oder auch
andere bey Besitzveränderungen übliche Gefälle und Abgaben zu entrichten sind,
hängt davon ab, in wie fern die Uebergabe aus dem Kaufvertrage bereits erfolgt
war, oder nicht.
3) wegen
Verletzung über die Hälfte.
§. 250. Wenn ein Käufer bloß in dem Falle des §. 58. wegen
des Mißverhältnisses zwischen dem Kaufpreise, und dem Werthe der Sache
zurücktritt, so muß er die Sache in dem Stande, worin sie zur Zeit der
Uebergabe sich befunden hat, zurückgeben.
§. 251. Verschlimmerungen, die durch sein auch nur geringes
Versehen entstanden sind, muß er vertreten.
§. 252. Für den bloßen Zufall ist er dem Verkäufer nicht
verantwortlich.
§. 253. In Ansehung der Verbesserungen wird er einem
redlichen Käufer gleich geachtet.
§. 254. Die Zinsen des Kaufgeldes werden in der Regel gegen
den von der Sache gezogenen Nutzen aufgehoben.
§. 255. Bey Landgütern aber wird der Ertrag, welcher davon,
nach dem Anschlage der Sachverständigen, hätte gezogen werden können, mit den
Zinsen des Kaufgeldes, so weit der Verkäufer dergleichen erhalten, oder das
Kaufgeld selbst hinter sich gehabt hat, verglichen.
§. 256. Findet sich bey dieser Brechnung, daß der Verkäufer,
durch Zurückbehaltung der Zinsen, mit dem Schaden des Käufers reicher werden
würde, so muß er demselben den Ueberschuß herausgeben.
Von Nebenverträgen.
§. 257. Alle vorstehend gesetzlich statt findenden Rechte
und Verbindlichkeiten des Käufers und Verkäufers können durch Nebenverträge der
Parteyen, in so fern dieselben nur in der gehörigen Form abgefaßt sind, anders
bestimmt werden.
1) von bedingten Käufen.
§. 258. Ist der Kauf unter einer aufschiebenden Bedingung
geschlossen, so gelangt derselbe nicht eher zur Wirklichkeit, als bis die
Bedingung eintritt.
§. 259. Hat der Verkäufer dem Käufer die Sache schon vorher
übergeben, so ist letzterer, wenn nicht ein Andres verabredet worden, dennoch
nur als Verwalter einer fremden Sache anzusehen.
§. 260. Hat aber der Käufer, ohne besondre ausdrückliche
Verabredung, das Kaufgeld schon bezahlt, und kommt der Kauf nicht zur
Wirklichkeit; also daß Sache und Kaufgeld zurückgegeben werden müssen, so
werden die Nutzungen der erstern, und die Zinsen des letztern gegen einander
aufgehoben.
§. 261. Ist die Wiederaufhebung des Kaufs auf einen
bestimmten Fall vorbedungen, so gelangt das Eigenthum der Sache schon durch die
Uebergabe an den Käufer.
§. 262. Auch nach eingetretenem Falle ist dennoch, wenn das
Eigenthum auf den Verkäufer zurückgehen soll, eine neue Uebergabe an denselben
erforderlich.
§. 263. Eine bey gefügte Bedingung wird im zweifelhaften
Falle für auflösend geachtet, wenn der Verkäufer, ehe sie noch erfüllt ist, die
Sache dem Käufer übergeben hat.
§. 264. Sind Sachen unter gewissen Bedingungen verkauft und
übergeben worden, so stehen diese Bedingungen einem Dritten, in Erwerbung eines
Rechts auf die Sache, nur so weit entgegen, als er erweislich Wissenschaft
davon gehabt hat.
§. 265. Sind jedoch dergleichen Bedingungen bey
unbeweglichen Sachen im Hypothekenbuche eingetragen worden, so kann der Dritte
sich mit der Unwissenheit derselben niemals entschuldigen.
2) vom
vorbehaltnen Eigenthume.
§. 266. Hat der Verkäufer auf den Fall, wenn der Käufer das
creditirte Kaufgeld, oder einen gewissen Theil desselben, in einem bestimmten
Termine nicht zahlen würde, sich das Eigenthum der verkauften und übergebenen
Sache vorbehalten, so hat dieses Abkommen die Kraft einer auflösenden
Bedingung. (§. 261.262.)
§. 267. Nimmt aber der Verkäufer in dem bestimmten Termine
eine mindere Summe, als gezahlt werden sollte, ohne Vorbehalt an, so wird er
seines Rechts, die Sache selbst zurück zu fordern, verlustig.
§. 268. Ist der Vorbehalt des Eigenthums im Vertrage ohne
Bestimmung eines gewissen Zahlungstermins beygefügt; so erlangt der Verkäufer
einer unbeweglichen Sache dadurch nur das Recht, das rückständige Kaufgeld ins
Hypothekenbuch eintragen zu lassen.
§. 269. Bey beweglichen Sachen hat ein solcher unbestimmter
Vorbehalt gar keine Wirkung.
§. 270. Auf die Fälle des §. 266. 268. finden die
Vorschriften §. 264. 265. Anwendung.
§. 271. Was übrigens von Bedingungen bey Verträgen überhaupt
verordnet ist, findet auch bey dem Kaufvertrage statt. (Tit. IV. §. 99. sqq.
Tit. V. §. 226. sqq.)
3) vom
Vorbehalt eines bessern Käufers.
§. 272. Ist der Kauf unter der Bedingung geschlossen, daß
derselbe erst alsdann, wenn sich binnen einer gewissen Zeit kein besserer
Käufer findet, gültig seyn solle, so ist die Abrede für eine aufschiebende
Bedingung zu achten.
§. 273. Hat sich der Verkäufer den Rücktritt vorbehalten,
wenn binnen einer gewissen Zeit ein besserer Käufer sich melden würde, so ist
es eine auflösende Bedingung.
§. 274. Ist der Sinn der im Vertrage gebrauchten Ausdrücke
zweifelhaft, so streitet, wenn die Uebergabe ausdrücklich versprochen, oder wirklich
geleistet worden, die Vermuthung für die auflösende, sonst aber für die
aufschiebende Bedingung. (§. 263.)
§. 275. Ist im Vertrage kein Termin bestimmt, bis zu welchem
die Anmeldung eines bessern Käufers zugelassen werden solle, so kann dieselbe nur
bis zur vollzogenen Uebergabe statt finden.
§. 276. Ist auch die Uebergabe ohne Beyfügung eines in sich,
oder durch Beziehung auf eine gewisse Handlung oder Begebenheit bestimmten
Termins, zur Zulassung eines bessern Käufers vollzogen worden, so hat ein
solcher Nebenvertrag keine rechtliche Wirkung.
§. 277. Das Recht, aus einem solchen an sich gültigen und
kräftigen Nebenvertrage (§. 272.) geht auch auf die Erben des Verkäufers über.
§. 278. Auch seine Gläubiger treten in Ansehung dieses
Rechts an seine Stelle, wenn er vor Ablauf der Frist in Concurs versunken ist.
§. 279. Wer für einen bessern Käufer zu achten sey, hängt
lediglich von der Beurtheilung und Bestimmung des Verkäufers ab.
§. 280. Haben mehrere eine Sache gemeinschaftlich verkauft,
so ist in der Regel nur der für einen bessern Käufer zu achten, welchen sie
insgesammt dafür anerkennen.
§. 281. Sind die mehrern Verkäufer in ihren Meinungen über
die vorzügliche Annehmlichkeit des ersten oder zweyten Käufers getheilt, so muß
dieser Widerspruch nach den Grundsätzen vom gemeinschaftlichen Eigenthume
entschieden werden. (Tit. XVII. Abschn. I.)
§. 282. Weder einer von mehrern Verkäufern, noch einer von
mehrern Käufern, kann mit einem Gebote zur Abtreibung des ersten Käufers
zugelassen werden.
§. 283. Das Geschäft, auf dessen Grund der erste Käufer
einem andern weichen soll, muß ein wirkliches Kaufs- und kein anderes oder
vermischtes Geschäft seyn.
§. 284. Wenn also zum Beyspiele der zweyte Käufer nicht den
ganzen Kaufpreis in Gelde bietet, sondern statt desselben, ganz oder zum Theil,
einen Tausch, Leibrenten-Contract, Abtretung eines Rechts u.s.w. anträgt, so
ist der Fall dieses Nebenvertrages nicht vorhanden.
§. 285. Eben so kann durch Nebenbedingungen des zweyten
Käufers, die keiner Schätzung nach Gelde fähig sind, der erste Käufer nicht
abgetrieben werden.
§. 286. Hat wirklich ein besserer Käufer sich gemeldet, so
muß ihn der Verkäufer dem ersten Käufer namhaft machen, und die gebotenen
Bedingungen vollständig anzeigen.
§. 287. Der erste Käufer hat, wenn er sich eben diese
Bedingungen gefallen läßt, das Vorkaufsrecht.
§. 288. Hat der Verkäufer entweder bey der Angabe selbst,
daß ein besserer Käufer sich gefunden habe, oder bey der Anzeige der von
selbigem gebotenen Bedingungen betrüglich gehandelt, so wird er seines
vorbehaltenen Rechts verlustig, und muß dem Käufer Schaden und Kosten ersetzen.
§. 289. Ueber die Ausübung des Vorkaufsrechts muß der erste
Käufer, wenn im Vertrage keine Frist bestimmt ist, binnen acht Tagen, nachdem
ihm die Anmeldung des bessern Käufers gehörig (§. 286.) bekannt gemacht worden,
sich erklären.
§. 290. Wird der erste Kauf wegen eines sich findenden
bessern Käufers rückgängig, so hat der erste Käufer, wenn ihm die Sache schon
übergeben war, für die Zwischenzeit alle Rechte eines redlichen Besitzers.
§. 291. Doch kann auch ein solcher Käufer die Sache und das
Kaufgeld nicht zugleich nutzen.
§. 292. So weit er also das Kaufgeld noch nicht bezahlt
hatte, muß er, jedoch nach eigener Wahl, entweder die Zinsen davon für die
Zwischenzeit entrichten, oder die Nutzungen berechnen.
§. 293. Doch steht den Parteyen frey, wegen der Verzinsung
und Fruchtberechnung, auf den Fall des rückgängig gewordenen Kaufs, ein Anderes
unter sich zu verabreden.
§. 294. Wenn mehrere Sachen zusammen für Einen Preis, oder
wenn ein Inbegriff von Sachen verkauft worden, so kann der Vorbehalt eines
bessern Käufers nur in Ansehung des Ganzen, nicht aber einzelner Theile oder
Stücke, statt finden.
4) vom
Vorkaufs- und Näherrechte.
§. 295. Vom Vorkaufs- und Näherrechte wird gehörigen Orts
besonders gehandelt. (Tit. XX. Sect. III.)
5) vom
Wiederkaufe.
a) vom Wiederkaufspreise.
§. 296. Ist ein Kauf unter Vorbehalt des Wiederkaufs
geschlossen; so wird im zweifelhaften Falle vermuthet, daß die Sache dem
Verkäufer für eben den Preis, welchen er dafür erhalten hat, zurückgegeben
werden solle.
b) von Zinsen
und Nutzungen.
§. 297. Bey Ausübung des Wiederkaufs werden, wenn nicht ein
Anderes verabredet ist, die Nutzungen oder der Gebrauch der verkauften Sache,
und die Zinsen des dafür bedungenen Kaufpreises gegen einander aufgehoben.
c) von
Verschlimmerungen.
§. 298. Der Wiederkäufer muß die Sache in dem Stande
annehmen, in welchem sie sich zur Zeit, da er sein Recht ausüben will,
befindet.
§. 299. Hat aber der bisherige Besitzer die Sache, auch nur
durch ein mäßiges Versehen, oder durch Veräußerung eines Pertinenz- oder
Inventarienstückes, im Werthe vermindert, so muß dem Wiederkäufer dieser Abgang
vergütet werden.
§. 300. Auf den Abgang oder die Verringerung solcher Stücke,
die aus deren gewöhnlichen Gebrauch und Benutzung, durch Zufall, oder auch
durch ein geringes Versehen des Besitzers entstanden sind, wird dabey nur in so
weit Rücksicht genommen, als der Besitzer dergleichen Abgang aus dem Zuwachse,
nach den Regeln eines gewöhnlich guten Wirthschaftsbetriebs, zu ersetzen
schuldig und vermögend war.
d) wenn die
Sache gänzlich untergegangen ist.
§. 301. Ist die Sache gänzlich untergegangen, so fällt das
Wiederkaufsrecht hinweg; der Verlust mag durch Zufall, oder durch ein geringes
oder mäßiges Versehen des Besitzers entstanden seyn.
§. 302. Hat aber der Besitzer die Vernichtung oder den
Untergang der Sache vorsetzlich oder durch grobes Versehen veranlaßt, so muß er
dem zum Wiederkaufe Berechtigten, wegen des ihm daraus erwachsenen Schadens und
entgangenen Vortheils, vollständige Genugthuung leisten.
e) von
Verbesserungen.
§. 303. Verbesserungskosten muß der Wiederkäufer dem
Besitzer nach eben den Grundsätzen erstatten, nach welchen der Eigenthümer dieselben
einem redlichen Besitzer zu vergüten schuldig ist. (Tit. VII. §. 204. sqq.)
§. 304. Für Verbesserungen, die ohne alles Zuthun des
Besitzers bloß durch Natur oder Zufall entstanden sind, kann der
wiederkäufliche Besitzer keine Vergütung fordern.
§. 305. Hat aber der Besitzer durch seine Arbeit und
Mühwaltung, durch seine Verwendungen bey einem Dritten, durch die von einem
solchen Dritten um seiner Verdienste willen erhaltenen Wohlthaten, oder auch
nur durch wirthschaftliche Einschränkungen in dem ihm sonst zukommenden
Nutzungsrechte, eine bleibende Verbesserung der Substanz bewirkt, so muß ihm
dieselbe, nach dem alsdann wirklich bestehenden Werthe dieser Verbesserung,
vergütet werden.
f) von
Erhaltungskosten.
§. 306. Für bloße auch außerordentliche Erhaltungskosten der
Substanz, oder ihres Werths, kommt dem Besitzer keine Vergütung zu.
§. 307. Hat aber der wiederkäufliche Besitzer, zur
Wiederherstellung der durch Unglücksfälle beschädigten Substanz der Sache,
mehrere Kosten verwendet, als aus den Einkünften des Jahres, in welchem der
Unglücksfall sich ereignet, nach Abzug der sonst zur wirthschaftlichen
Benutzung der Sache erforderlich gewesenen Kosten, haben bestritten werden
können: so muß der Wiederkäufer diesen Ueberschuß erstatten.
g) von Bezahlung des Wiederkaufsgeldes.
§. 308. Das Wiederkaufsrecht kann, im Mangel besonders
verabredeter Bestimmungen, nur gegen baare Zahlung der Wiederkaufssumme, und
gegen Erfüllung der übrigen Bedingungen, folglich nicht durch ein bloßes
Anerbieten dazu ausgeübt werden.
§. 309. Wenn dabey wegen der Münzsorten Streit entsteht, so
ist derselbe nach den wegen Wiedererstattung einer erhaltenen Geldsumme
vorgeschriebenen Grundsätzen zu beurtheilen. (§. 778. sqq.)
h) von den Kosten des Wiederkaufs.
§. 310. Die Gerichts- und andere Kosten des Wiederkaufs muß,
wenn nichts verabredet ist, der Wiederkäufer tragen.
§. 311. In wie fern das vorbedungene Wiederkaufsrecht auch
gegen einen Dritten von Wirkung sey, ist nach den Vorschriften §. 264. 265. zu
bestimmen.
i) wie weit das Wiederverkaufsrecht cedirt werden kann.
§. 312. Das Wiederkaufsrecht kann, wider den Willen des
Besitzers der Sache, einem Dritten nicht abgetreten werden.
§. 313. Wer aber ein Grundstück erwirbt, der bekommt damit
zugleich das Recht, wiederkäuflich veräußerte Pertinenzstücke desselben zurück
zu kaufen.
k) Dauer des Wiederkaufsrechts.
§. 314. Ist zur Ausübung des Wiederkaufsrechts eine gewisse
Zeit durch Vertrag oder Gesetz bestimmt, so geht dasselbe mit dem Ablaufe
dieser Zeit verloren.
§. 315. Ist die Zeitbestimmung so gefaßt, daß daraus ein
gewisser Termin, mit welchem das Recht aufhören soll, nicht erhellet: so hat
dergleichen Bestimmung eben die Wirkung, als wenn der Verlust des Rechts an gar
keine Zeit gebunden wäre.
§. 316. Ist keine Zeit zur Ausübung des Wiederkaufsrechts
bestimmt, so geht dasselbe auf die Erben des Verkäufers nicht über.
§. 317. Hat der Verkäufer den Wiederkauf sich und seinen
Erben ausdrücklich vorbehalten, oder geht sonst aus der Fassung des Vertrages
deutlich hervor, daß die Ausübung dieses Rechts zu allen Zeiten statt finden
solle: so erlöscht dasselbe durch keine Verjährung.
§. 318. Wenn das Recht, nach obigen Bestimmungen, auf die
Erben übergeht, so sind nicht nur gesetzliche, sondern auch die durch Verträge
oder letzte Willensverordnungen berufene Erben zu dessen Ausübung befugt.
§. 319. Von einem der Nachkommenschaft, oder der Familie des
Verkäufers vorbehaltenen Wiederkaufsrechte gilt alles das, was von dem Retrakte
bey Familiengütern verordnet ist. (Th. II. Tit. IV. Abschn. VI.)
§. 320. Sind mehrere Verkäufer oder mehrere Erben zum
Wiederkaufe gleich berechtigt, so kann derselbe nur mit einstimmiger
Bewilligung aller ausgeübt werden.
l) von einem unter dem Wiederkaufe verborgenen Darlehns- und
Pfandgeschäfte.
§. 321. Ist unter dem vorbehaltenen Wiederkaufe ein
wucherliches Geschäft verborgen, so ist der Kauf ungültig, und die Handlung als
ein Pfandvertrag zu beurtheilen.
§. 322. Ob das Geschäft ein Darlehn oder ein wirklicher Kauf
gewesen: muß, wenn die Sache nicht vollständig aufgeklärt werden kann, nach der
Qualität der Contrahenten; nach der Beschaffenheit der angeblich verkauften
Sache, je nachdem dieselbe für den Käufer wirklich von Gebrauch seyn können,
oder nicht; nach dem zwischen dem Kaufe und Wiederkaufe bedungenen längern oder
kürzern Zeitraume; und nach den übrigen bey der Sache vorkommenden Umständen,
von dem Richter beurtheilt werden.
§. 323. Besonders entsteht die Vermuthung eines wucherlichen
Darlehnsgeschäfts, wenn der Kaufs- und Wiederkaufspreis beträchtlich
verschieden sind;
§. 324. Auch alsdann, wenn eine Frucht- oder Nutzungen
tragende Sache verkauft, und beyde Preise im Verhältnisse gegen den wahren
Werth der Sache sehr niedrig bestimmt, zugleich aber ein ungewöhnlich kurzer
Zeitraum zum Wiederkaufe festgesetzt worden.
§. 325. Für einen solchen ungewöhnlich kurzen Zeitraum ist
bey beweglichen Sachen eine Frist unter Sechs Monathen, und bey unbeweglichen
eine Frist unter Drey Jahren anzusehen.
§. 326. Uebrigens ist, wenn bey dem Geschäft kein wirklicher
Kauf, sondern nur ein Darlehn zum Grunde liegt, das Verhältniß zwischen den
Parteyen nach denjenigen Regeln zu beurtheilen, welche die Gesetze für den
Fall, wenn die Verwaltung des Pfandes dem Pfandinhaber überlassen ist,
vorschreiben. (Tit. XX. Abschn. I.)
m) ob im zweifelhaften Falle das Wiederkaufsrecht dem Käufer
oder dem Verkäufer zustehe.
§. 327. Der Regel nach ist das Wiederkaufsrecht nur zum
Besten des Verkäufers für vorbedungen zu achten.
§. 328. Hat sich aber der Käufer die Rückgabe der erkauften
Sache ausdrücklich vorbehalten, so sind seine Rechte und Pflichten nach eben
den §. 296. sqq. enthaltenen Bestimmungen zu beurtheilen.
n) von wiederkäuflichen Zinsen.
§. 329. Wiederkäufliche Zinsen können, wenn im Contrakte
nicht ein Anderes versehen ist, nur von dem, welcher sie zu zahlen, nicht aber
von dem, welcher sie zu fordern hat, wieder abgelöst werden.
§. 330. Ist jedoch der Schuldner solcher wiederkäuflichen Zinsen
damit durch Drey hinter einander folgende Jahre im Rückstande verblieben, so
steht dem Berechtigten frey, auf deren Wiederablösung zu dringen.
6) Vom Reukaufe.
§. 331. Hat der Käufer oder Verkäufer sich das Recht, binnen
einer gewissen Zeit vom Kaufe wiederum abzugehen, vorbehalten, so ist dieses
für eine auflösende Bedingung anzusehen.
§. 332. Ist die Uebergabe erfolgt, und das Kaufgeld bezahlt
worden, so ist ein solcher Vertrag nach den Regeln vom Wiederkaufe zu
beurtheilen.
7) Vom Verkaufe auf die Probe.
§. 333. Ist die Sache dem Käufer nur auf die Probe gegeben
worden, so erlangt der Kauf seine volle Wirksamkeit erst von dem Zeitpunkte an,
wo der Käufer seine Zufriedenheit mit der behandelten Sache, ausdrücklich oder
stillschweigend, zu erkennen gegeben hat.
§. 334. Für eine solche stillschweigende Erklärung ist es zu
achten, wenn der Käufer, nachdem er die Sache wirklich in Besitz genommen, das
erhaltene Kaufgeld ohne weitern Vorbehalt bezahlt hat.
§. 335. So bald hingegen der Käufer erklärt, daß ihm die
Sache nicht anstehe: fallen alle gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem
unter einem solchen Nebenvertrage errichteten Kauf-Contrakte von selbst weg.
§. 336. Ist dem Käufer zur Erklärung: ob er die Sache
behalten wolle, eine gewisse Zeit bestimmt, und er läßt dieselbe, ohne sich zu
erklären, vorbeystreichen, so kann er von dem Vertrage nicht mehr abgehen.
§. 337. Ist keine Zeit bestimmt, so steht dem Verkäufer
frey, auf Ergänzung dieser Bestimmung durch den Richter, nach Vorschrift Tit.
V. §. 230. sqq. anzutragen.
§. 338. So lange der Käufer die Sache noch auf der Probe
hat, haftet er nur für solche Unfälle, die durch sein grobes oder mäßiges
Versehen entstanden sind.
§. 339. Zu einem ungewöhnlichen Gebrauche der auf die Probe
erhaltenen Sache ist der Käufer nicht berechtigt, und muß also für allen daraus
entstandenen Schaden haften.
Von gerichtlichen Verkäufen.
§. 340. Auch bey gerichtlichen Verkäufen finden die
allgemeinen Grundsätze von Kaufsgeschäften überhaupt Anwendung.
§. 341. Die Abweichungen von diesen Regeln bey gerichtlichen
nothwendigen Verkäufen sind in der Prozeßordnung bestimmt.
§. 342. Insonderheit gehen bey gerichtlichen nothwendigen
Verkäufen, durch den Zuschlag, Eigenthum, Nutzung, Gefahr und Lasten auf den
Käufer über, wenn gleich selbiger die erstandene Sache noch nicht in Empfang
genommen hat.
§. 343. Die nach §. 58. aus dem Mißverhältnisse des Werths
der Sache zu dem bedungenen Kaufpreise für den Käufer entstehende Vermuthung
eines den Kauf entkräftenden Irrthums, kommt demjenigen, der eine Sache bey
einem gerichtlichen nothwendigen oder freywilligen Verkaufe erstanden hat,
nicht zu statten.
§. 344. In Ansehung der Gewährsleistung ist ein
gerichtlicher nothwendiger Verkauf einem Verkaufe in Pausch und Bogen gleich zu
achten. (§. 213.)
§. 345. Die Zahlung der Kaufgelder muß bey einem jeden
gerichtlichen Verkaufe allemal, wenn nicht ein Anderes vorbedungen ist, an dem
Orte geschehen, wo der Zuschlag erfolgt ist.
§. 346. Bey einem jeden gerichtlichen nothwendigen Verkaufe
muß der Käufer sich gefallen lassen, daß, wenn er die Bezahlung der Kaufgelder
zu der festgesetzten Zeit nicht leistet, die Sache zurückgenommen, und auf
seine Gefahr und Kosten anderweitig zum gerichtlichen Verkaufe ausgestellt
werde.
§. 347. Ein gerichtlicher nothwendiger Verkauf kann wegen
begangener Verabsäumung wesentlicher in den Gesetzen vorgeschriebener
Förmlichkeiten wiederrufen werden.
§. 348. Für eine solche Verabsäumung wesentlicher
Förmlichkeiten ist bey Subhastationen nur zu achten:
1) wenn die
Subhastation ohne vorhergegangene Taxe verfügt worden;
2) wenn eine
von den im Gesetze vorgeschriebenen Arten der Bekanntmachung ganz unterblieben
ist;
3) wenn der
Richter den letzten Verkaufstermin kürzer bestimmt hat, als nach den Gesetzen
hätte geschehen sollen;
4) wenn ohne
Einwilligung sämtlicher Interessenten mit dem Zuschlage ohne Abwartung des
letzten Termins verfahren worden;
5) wenn bey der
Anschlagung oder Abnahme der Patente, oder bey den Einrückungen in die
öffentlichen Blätter um mehr als Vierzehn Tage an der Zeit gefehlt worden;
6) wenn eine
nach §. 22. ausgeschlossene Gerichtsperson Meistbietender geblieben, und der
Zuschlag an ihn ohne ausdrückliche Genehmigung des Gemeinschuldners und
sämtlicher Gläubiger erfolgt ist.
§. 349. Einer gerichtlichen nothwendigen Auction ermangelt
es nur dann an der wesentlichen Form:
1) wenn der
Termin zur Auction gar nicht öffentlich bekannt gemacht worden;
2) wenn die
Sache ohne ausdrückliche Genehmigung sämmtlicher Interessenten dem Auctionscommissarius
oder Ausrufer zugeschlagen worden; (§. 21.)
3) wenn Sachen,
die nach den Gesetzen subhastirt werden sollen, nur durch Auction verkauft
worden sind.
§. 350. Aber auch wegen solcher wesentlicher Mängel kann nur
der verkaufende Theil, oder wer sonst bey der Sache ein rechtsgegründetes
Interesse hat, niemals aber der Käufer, die Widerrufung des Zuschlags
verlangen.
§. 351. Der Antrag darauf muß, bey Verlust des Rechts,
innerhalb Jahr und Tag nach erfolgtem Zuschlage, bey der vorgesetzten Behörde
desjenigen Gerichts, von welchem der Zuschlag geschehen ist, angebracht werden.
§. 352. Bey Sachen, die nur durch Auction verkauft werden
dürfen, muß der Widerruf binnen Sechs Wochen nach dem Zuschlage erfolgen.
§. 353. Wird der Zuschlag wieder aufgehoben, so muß dem
Käufer das gezahlte Kaufgeld wieder zurückgegeben werden: und er wird nicht nur
wegen der Verbesserungen und Verschlimmerungen, sondern auch wegen der
Erhaltungskosten und Nutzungen, als ein redlicher Besitzer behandelt.
§. 354. Wegen der Verzinsung des noch nicht erlegten
Kaufgeldes findet die Vorschrift §. 292. Anwendung.
§. 355. Der Richter, welcher den Verstoß begangen hat,
bleibt wegen Schaden und Kosten den Interessenten verantwortlich.
§. 356. Das Recht des Dritten, an welchen die Sache von dem,
der sie als Meistbietender erstanden hatte, gelangt ist, kann nur alsdann
angefochten werden, wenn er überführt werden kann, den vorgefallenen Fehler zur
Zeit der Ansichbringung gewußt zu haben.
§. 357. Wegen Verabsäumung anderer Förmlichkeiten findet,
nach einmal geschehenem Zuschlage, die Wiederaufhebung desselben weder von
einer noch von der andern Seite statt.
§. 358. Vielmehr wird die dem Richter dabey zur Last
fallende Vernachläßigung an ihm verhältnißmäßig geahndet: und er haftet den
Interessenten für allen daraus erweislich entstandenen Schaden.
§. 359. Wird aber der Mangel vor erfolgtem Zuschlage gerügt,
so muß demselben auf Kosten desjenigen, welcher Ursache daran ist, abgeholfen
werden.
§. 360. Bey freywilligen gerichtlichen Verkäufen sind die
Rechte und Pflichten der Interessenten unter sich nach den von ihnen
getroffenen Verabredungen lediglich zu beurtheilen.
§. 361. Das Adjudications-Erkenntniß vertritt bey solchen
Subhastationen die Stelle des Contrakts.
§. 362. Im übrigen gelten, auch wegen Wiederaufhebung des
Zuschlags, nur die bey Privatkäufen ertheilten gesetzlichen Vorschriften.
Zweyter Abschnitt
Vom Tauschvertrage
§. 363. Der Tausch ist ein Vertrag, wodurch ein Contrahent
gegen den andern zur Abtretung des Eigenthums einer Sache, gegen Ueberlassung
einer andern, sich verpflichtet.
§. 364. Bey dem Tausche ist jeder Contrahent, in Ansehung
der Sache, die er giebt, als Verkäufer; und in Ansehung derjenigen, die er
dagegen empfängt, als Käufer zu betrachten.
§. 365. Unter eben den Umständen, wo ein Käufer, wegen des
Mißverhältnisses zwischen dem Werthe der Sache, und dem dafür erlegten
Kaufgelde, von dem Kaufe wieder abgehen kann, ist beym Tausche jeder der
Contrahenten, wegen eines solchen Mißverhältnisses zwischen der empfangenen und
der dafür gegebenen Sache, dazu berechtigt.
§. 366. In einem solchen Falle muß der Werth beyder gegen
einander vertauschten Sachen durch vereidete Sachverständige ausgemittelt
werden.
§. 367. Sind fremde Sachen vertauscht worden, so finden die
Vorschriften §. 154. sqq. ebenfalls Anwendung.
§. 368. Doch muß der Geber der fremden Sache, in so fern er
überhaupt zur Vertretung verpflichtet ist, dem Empfänger, welchem diese Sache
ganz entzogen worden, die von ihm dafür erhaltne Sache zurückgeben.
§. 369. Hat sich aber der Geber der fremden Sache eines
Betrugs schuldig gemacht, so hat der Empfänger die Wahl: ob er seine
vertauschte Sache zurücknehmen, oder von dem Geber, wegen des aus der
Entziehung der eingetauschten Sache erwachsenen Schadens und entgangenen
Gewinns, vollständige Genugtuung fordern wolle.
§. 370. Ist einem der Contrahenten nur ein Theil der
eingetauschten Sache durch den Anspruch eines Dritten entzogen worden, so
müssen beyde vertauschte Sachen abgeschätzt, und sodann der Werth des
entzogenen Theils verhältnißmäßig bestimmt werden.
§. 371. In allen Fällen, wo bey einem rückgängig gewordenen
Kaufe die Nutzungen der Sache, und die Zinsen des Kaufgeldes, gegen einander
aufgehoben werden, findet eine gleiche Compensation in Ansehung, der Nutzungen
der gegen einander vertauschten Sachen statt.
§. 372. In den Fällen, wo der Käufer, wegen des
bevorstehenden Anspruchs eines Dritten auf die erkaufte Sache, das Kaufgeld
zurückzuhalten, und gerichtlich niederzulegen berechtigt ist, hat der
Tauschende, wenn die eingetauschte Sache von einem Dritten in Anspruch genommen
wird, das Recht, die dagegen vertauschte Sache zur gerichtlichen Verwahrung und
Verwaltung zu übergeben.
§. 373. Wenn Geld gegen Geld gewechselt wird, so treten die
Gesetze von Zahlungen ein.
§. 374. Medaillen und Münzen, welche der Seltenheit wegen
gesucht werden, sind, auch in dieser Beziehung, nicht als Geld anzusehen.
§. 375. Bey dem Kaufe oder Tausche solcher Münzen findet der
Einwand der Verletzung über oder unter der Hälfte niemals statt.
Dritter Abschnitt Von Abtretung der Rechte
Begriffe und Grundsätze.
§. 376. Die Abtretung der Rechte setzt einen Vertrag voraus,
wodurch jemand sich verpflichtet, einem Andern das Eigenthum seines Rechts,
gegen eine bestimmte Vergeltung, zu überlassen.
§. 377. Die Handlung selbst, wodurch das abzutretende Recht
dem Andern wirklich übertragen wird, wird Cession genannt.
§. 378. Wird ein Recht ohne Vergeltung abgetreten, so ist
die Handlung als eine Schenkung anzusehen. (Abschn. IX.)
§. 379. Was Rechtens sey, wenn jemand eines Theils seines
Rechts sich begiebt, um sich dadurch der übrigen zu versichern, ist nach der
Lehre von Vergleichen zu beurtheilen. (Tit. XVI. Sect. VIII.)
§. 380. Die bloße Anweisung einer Schuldforderung ist noch
für keine Abtretung derselben zu achten. (Tit. XVI. Sect. V.)
§. 381. Bey der eigentlichen Cession finden, je nachdem
dafür baares Geld, oder eine andere Sache oder Recht gegeben worden, die Regeln
des Kaufs oder Tausches Anwendung.
Was cedirt werden könne.
§. 382. Alle Rechte, welche nicht an die Person des Inhabers
gebunden sind, können Andern abgetreten werden.
§. 383. Auch die Abtretung schon rechtshängiger Sachen ist
erlaubt.
§. 384. Durch die Cession einer rechtshängigen Sache wird,
weder in Ansehung des Gerichtsstandes, nach der Lage des Prozesses selbst etwas
geändert.
§. 385. Richterliche Personen und Justizcommissarien können
streitige Rechte, deren Erörterung vor den Gerichtshof, bey welchem sie
angestellt sind, es sey in erster oder in einer der folgenden Instanzen,
gehören würde, nicht an sich lösen.
§. 386. Streitig heißen hier alle Rechte, welche zur Zeit
der Cession von dem Verpflichteten ganz oder zum Theil nicht anerkannt worden.
§. 387. Haben dergleichen Personen (§. 385.) sich auf solche
Cessionen dennoch eingelassen, so sind dieselben nichtig, und der Cessionarius
bleibt dem Cedenten, so wie dem Schuldner, zur Schadloshaltung, dem Staate aber
nach näherer Bestimmung der Criminalgesetze, zur Strafe verhaftet.
§. 388. Injurienklagen können niemals Andern abgetreten
werden.
§. 389. Wohl aber ist die Abtretung des Rechts zur
Schadloshaltung erlaubt, in so fern letztere einer Schätzung nach Gelde fähig
ist.
Von der Valuta bey Cessionen.
§. 390. Was für das abgetretene Recht bezahlt oder gegeben
werden soll, hängt lediglich von dem Uebereinkommen der Parteyen ab.
§. 391. Der Verpflichtete kann sich also gegen den Inhaber
damit, daß dieser die Forderung für einen wohlfeilem Preis an sich gelöset hat,
nicht schützen.
§. 392. Es soll aber jeder bey einem solchen Geschäfte
vorgefallene Betrug fiskalisch untersucht, und nach Vorschrift der
Criminalgesetze bestraft werden.
Form.
§. 393. Durch die Erklärung des Cedenten, daß der Andere das
abgetretene Recht von nun an als das seinige auszuüben befugt seyn soll, und
durch die Annahme dieser Erklärung, geht das Eigenthum des Rechts selbst auf
den neuen Inhaber über.
§. 394. Wird eine Schuldforderung, worüber briefliche
Urkunden vorhanden sind, cedirt, so muß auch die Cession allemal, ohne
Unterschied der Summe, schriftlich erfolgen.
§. 395. Der Schuldner kann nur einem solchen Cessionario mit
Sicherheit zahlen, welcher sich durch den Besitz des Instruments, und einer
schriftlichen auf ihn gerichteten Cession zugleich, legitimirt.
§. 396. Nach geleisteter Zahlung muß er sich das Instrument
ausantworten, oder wenn es nur eine Abschlagszahlung war, dieselbe auf dem
Instrumente vermerken lassen.
§. 397. Hat der Schuldner diese Vorschriften (§. 395. 396.)
vernachläßigt, so kann er sich mit der geleisteten Zahlung gegen einen dritten
redlichen Inhaber der Forderung nicht schützen.
§. 398. Der Cedent aber muß die Zahlung wider sich gelten
lassen, wenn die von ihm an den Empfänger wirklich geleistete Cession auch nur
auf andere Art erwiesen werden kann.
§. 399. Wird von mehrern in Einem Instrumente enthaltenen
Forderungen nur Eine cedirt, so muß von dem Instrumente eine beglaubte
Abschrift gefertigt; auf diese die Cession gesetzt; auf dem Hauptinstrumente
aber, daß und welche der darin enthaltenen Forderungen cedirt sey, bemerkt
werden.
§. 400. Von den Cessionen der im Hypothekenbuche
eingetragenen Forderungen, ingleichen der Wechsel oder Anweisungen unter
Kaufleuten, ist das Nöthige gehörigen Orts besonders vorgeschrieben. (Tit. XX.
Abschn. I. Th. II. Tit. VIII. Abschn. VIII. IX.)
§. 401. Bey Instrumenten, die auf jeden Inhaber lauten,
bedarf es zur Uebertragung des Eigenthums keiner Cession.
Wirkungen der Cession zwischen dem Cessionario und
Schuldner.
§. 402. Durch die Cession tritt der neue Inhaber in alle
abgetretene Rechte und damit verbundene Pflichten des Cedenten.
§. 403. Auch besondere Vorrechte, welche der cedirten
Forderung in Rücksicht ihrer Natur und Beschaffenheit beygelegt sind, gehen,
selbst ohne ausdrückliche Uebertragung, auf den neuen Inhaber mit über.
§. 404. Dahin gehören auch solche Vorrechte, welche der
Forderung selbst, in Rücksicht auf die persönliche Eigenschaft ihres ersten
Inhabers, zukommen; nicht aber bloße persönliche Befugnisse, welche, wie die
Vorrechte des Fiskus wegen des Gerichtsstandes und der Sportelfreyheit, bloß
bey Gelegenheit der cedirten Forderung von dem vorigen Inhaber ausgeübt werden
konnten.
§. 405. Der Cessionarius kann sich seiner persönlichen
Vorrechte gegen den Schuldner so wenig, als gegen die übrigen Gläubiger
desselben bedienen.
§. 406. Es kommen also auch dem Fiskus, Kirchen, milden
Stiftungen, und andern privilegirten moralischen Personen, welche von andern
Privatpersonen Forderungen an sich lösen, in Ansehung derselben diejenigen
Vorrechte nicht zu, welche die Gesetze den ihnen selbst ursprünglich
zustehenden Forderungen und Gerechtsamen beylegen.
§. 407. Der Schuldner einer cedirten Post kann alle Einwendungen
und Gegenforderungen, die er gegen den Cedenten rügen konnte, auch dem
Cessionario entgegen setzen.
§. 408. Ueberhaupt darf die Verpflichtung des Schuldners
durch die Abtretung des Rechts an einen Andern niemals erschwert werden.
§. 409. Es ist daher auch die Einwilligung des Schuldners
zur Gültigkeit der Cession an sich nicht nothwendig.
§. 410. Hat der Schuldner, besonderer Umstände wegen, Grund,
zu besorgen, daß er von seinen Einwendungen oder Gegenforderungen wider den
Cedenten, gegen den Cessionarium nicht werde Gebrauch machen können: so ist er,
wegen dieser Einwendungen und Gegenforderungen, Caution von dem Cedenten zu
verlangen berechtigt.
§. 411. Der Unterschied des Standes, der Religion, und des
Gewerbes bey dem Cessionario kann, als gefährlich für den Schuldner, nicht
angesehen werden.
§. 412. Hat der Schuldner den Cessionarium für seinen
Gläubiger wegen einer der Qualität und Quantität nach bestimmten Forderung auf
rechtsgültige Weise einmal anerkannt: so ist er nicht mehr befugt, demselben
Einwendungen und Gegenforderungen, die er wider den Cedenten zu haben vermeint,
entgegen zu setzen. (Tit. V. §. 37. 38. 185-192.)
§. 413. So lange dem Schuldner die geschehene Cession noch
nicht gehörig bekannt gemacht worden, sind alle zwischen ihm und dem Cedenten
vorgefallene Verhandlungen zu Gunsten des Schuldners gültig.
§. 414. Jede von dem Cedenten oder von Gerichtswegen
erfolgte Bekanntmachung ist hinreichend, den Schuldner zu verpflichten, daß er
sich über die abgetretene Forderung mit dem Cedenten nicht weiter einlasse.
§. 415. Geschieht aber die Bekanntmachung durch den
Cessionarium, so muß dieser die Richtigkeit seiner Angabe, durch Vorzeigung des
cedirten und gehörig überschriebenen Instruments, oder sonst, innerhalb Dreyer
Tage bescheinigen. (§. 394. sqq.)
§. 416. Wird diese Frist nicht inne gehalten, und der
ursprüngliche Inhaber der Forderung läugnet die Richtigkeit der vorgeblichen
Cession; so kann der Schuldner gültige Verhandlungen über die Forderung mit
letzterm vornehmen.
§. 417. Doch sind alle Verhandlungen zwischen dem Cedenten
und Schuldner, nach wirklich erfolgter Cession, ungültig; wenn klar erhellet,
daß der Schuldner die Cession gewußt, und nur um seinen Vortheil mit dem
Schaden des Cessionarii zu befördern, in diese Verhandlungen sich eingelassen
habe.
§. 418. Ist die Cession unter einer aufschiebenden oder
auflösenden Bedingung geleistet, und dieses dem Schuldner gehörig bekannt
gemacht worden, so kann letzterer, vor völlig ausgemachter Sache, weder mit dem
Cedenten, noch mit dem Cessionario, einseitig, gültige Verhandlungen vornehmen.
§. 419. Will der Schuldner vor ausgemachter Sache Zahlung
leisten; oder wird er dazu wegen des abgelaufenen Termins, von einem oder dem
andern Theile aufgefordert; so muß die Zahlung, auf Kosten des Cedenten, in das
gerichtliche Depositum geschehen.
zwischen dem Cedenten und Cessionario, in Ansehung der
Richtigkeit.
§. 420. Der Cedent ist dem Cessionario für die Richtigkeit
und Rechtsgültigkeit der abgetretenen Forderung zu haften verpflichtet.
§. 421. Ist die Forderung ausdrücklich als zweifelhaft
abgetreten, oder dem Cedenten die Gewährsleitung ausdrücklich erlassen worden:
so haftet letzterer nur alsdann, wenn er dem Cessionario die ihm bekannte wahre
Beschaffenheit der Sache verschwiegen, oder sich sonst eines Betrugs schuldig
gemacht hat.
§. 422. Hat der Cedent eine offenbar unrichtige Forderung,
wider besseres Wissen, nur als zweifelhaft angegeben, so ist er einem Betrüger
gleich zu achten.
§. 423. Ein Cedent, welcher die Richtigkeit der cedirten
Forderung zu vertreten schuldig ist, muß, bey sich ergebender Unrichtigkeit,
dem Cessionario auch alle Schäden und Kosten erstatten.
§. 424. Hat er betrüglich gehandelt, so muß er dem
Cessionario das volle Interesse vergüten.
§. 425. Diese Verbindlichkeit ist jedoch auf diejenige
Summe, um welche die cedirte Forderung dasjenige, was der Cessionarius dafür
gegeben hat, übersteigt, und die also der letztere bey dem Geschäfte zu
gewinnen gedachte, niemals auszudehnen.
§. 426. Ein Cessionarius, welchem die Richtigkeit und
Rechtsgültigkeit der an sich gelöseten Forderung bestritten wird, muß, wegen
Aufforderung des Cedenten zur Vertretung, alles das beobachten, was dem Käufer,
der wegen der gekauften Sache in Anspruch genommen wird, vorgeschrieben ist.
(§. 143. sqq.)
in Ansehung der Sicherheit.
§. 427. Ist eine im Hypothekenbuche eingetragene Forderung
cedirt worden, so haftet der Cedent für die Sicherheit derselben nur alsdann,
wenn er solches ausdrücklich übernommen hat.
§. 428. Was bey Wechsel-Indossirungen und kaufmännischen
Assignationen Rechtens sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. VIII.
Sect. VIII. IX.)
§. 429. Auch bey andern cedirten Forderungen darf der Cedent
für die Sicherheit nicht haften, sobald der Cessionarius die Forderung für eine
geringere Summe, als ihr Betrag ist, an sich gebracht, und sich die
Gewährsleistung nicht ausdrücklich vorbedungen hat.
§. 430. Außer diesen Fällen (§. 427. 428. 429.) haftet der
Cedent auch für die Sicherheit der abgetretenen Forderung, wenn ihm nicht die
Gewährsleistung ausdrücklich erlassen, oder die Forderung als zweifelhaft in
Ansehung der Sicherheit cedirt worden.
§. 431. Selbst in denjenigen Fällen, wo, nach vorstehenden
Grundsätzen, der Cedent für die Sicherheit haften muß, treffen dennoch alle
Veränderungen, welche sich darin, nach der Cession, ohne sein Zuthun ereignen,
den Cessionarium als Eigenthümer.
§. 432. Auch ein solcher Verlust, welcher durch das eigene
selbst nur geringe Versehen des Cessionarii entstanden ist, bleibt demselben in
allen Fällen zur Last.
§. 433. Auch Zufälle, welche die Beytreibung der Forderung
verhindern, treffen den Cessionarium.
§. 434. Hat der Cessionarius die Forderung, nach Ablauf der
Verfallzeit, nicht sofort beygetrieben, oder dem Schuldner freywillige
Nachsicht, ohne ausdrückliche Genehmigung des Cedenten, zugestanden, so
verliert er seinen Regreß an letztern.
§. 435. Forderungen, welche erst nach vorhergegangener
Aufkündigung zahlbar sind, muß der Cessionarius, bey Verlust seines Regresses,
binnen Drey Monathen nach erfolgter Cession gerichtlich aufkündigen.
§. 436. Ist der Schuldner bis zum Verfalltage, oder bis zum
Ablaufe der Aufkündigungsfrist, in Concurs versunken, so wird angenommen, daß
die Forderung, so weit sie bey dem Concurs leer ausgeht, schon zur Zeit der
Cession unsicher gewesen sey.
§. 437. Der Cedent muß also, in so fern er nicht überhaupt
von der Gewährsleistung, in Ansehung der Sicherheit, nach obigen Grundsätzen
frey ist, den Ausfall vertreten.
§. 438. Außerdem muß der Cessionarius, auch bey Betreibung
der Execution, für ein geringes Versehen selbst haften.
§. 439. Hat er aber dem Cedenten das Ausbleiben der Zahlung
bekannt gemacht, so haftet er, von diesem Zeitpunkte an, nur für ein mäßiges
Versehen.
§. 440. Geht die cedirte Forderung, wegen Unsicherheit, ganz
oder zum Theil verloren, und ist der Cedent, nach vorstehenden Grundsätzen, zur
Gewährsleistung verpflichtet, so muß er dem Cessionario für das, was dieser ihm
gezahlt, oder gegeben hat, ingleichen für Schaden und Kosten gerecht werden.
§. 441. Hat aber der Cedent bey der Angabe der Sicherheit
betrüglich verfahren, so findet die Vorschrift §. 424. 425. Anwendung.
Von nothwendigen Cessionen.
§. 442. In allen Fällen, wo jemand, durch die für oder statt
eines andern geleistete Zahlung, nach Vorschrift der Gesetze, in die Stelle des
bezahlten Gläubigers tritt, ist er von diesem auch eine ausdrückliche Cession
seiner Rechte an den Schuldner zu fordern befugt.
§. 443. Bey beharrlicher Weigerung des bezahlten Gläubigers
muß der Richter denselben, auf Anrufen des Zahlenden, zur Ausstellung der
Cession, durch executivische Zwangsmittel anhalten.
§. 444. Doch darf in dergleichen Fällen der Cedent so wenig
für die Richtigkeit als Sicherheit der Forderung, in so fern er sich bey dem Geschäfte
keines Betrugs schuldig gemacht hat, gerecht werden.
Vierter Abschnitt Vom Erbschaftskaufe
Was für Erbschaften verkauft werden können.
§. 445. Nur eine wirklich angefallne freye Erbschaft kann
verkauft, und einem Andern gültig abgetreten werden.
§. 446. Der Verkauf einer bestimmten oder unbestimmten
Erbschaft, die dem Verkäufer noch erst anfallen soll, ist nichtig.
§. 447. Nur alsdann ist ein wirklicher Erbschaftskauf
vorhanden, wenn das Erbschaftsrecht selbst, oder ein Theil desselben verkauft
worden.
§. 448. Ist nur ein bestimmter Inbegriff von
Erbschaftssachen verkauft, so muß das Geschäft bloß nach den Vorschriften der
Gesetze von dem Verkaufe eines Inbegriffs von Sachen beurtheilt werden.
§. 449. Ein Gleiches findet statt, wenn die Erbschaft nur
nach einem darüber aufgenommenen Inventario verkauft worden.
§. 450. Es wäre denn, daß aus dem übrigen Inhalte des
Contrakts erhellete, daß die Beziehung auf ein Inventarium nur der nähern
Bestimmung und Bezeichnung wegen beygefügt sey.
Wer Erbschaften kaufen und verkaufen könne.
§. 451. Wer eine Erbschaft selbst zu erwerben oder
anzutreten nicht fähig ist, der kann dieselbe weder von einer auch fähigen
Person kaufen, noch sie an eine dergleichen Person verkaufen.
§. 452. Die Fähigkeit des Erben zum Verkaufe wird nach der
Zeit des Anfalls beurtheilt.
§. 453. Auch der, dem eine wirklich angefallene Erbschaft
wegen seiner Unwürdigkeit wieder entrissen wird, kann dieselbe nicht gültig
verkaufen.
Was unter einem Erbschaftskaufe begriffen sey, oder nicht.
§. 454. Bey einem wirklichen Erbschaftskaufe tritt der
Käufer in alle Rechte und Pflichten des Erben.
§. 455. Selbst die Rechte und Pflichten des Erben, in
Ansehung der Person des Erblassers, und der zum Nachlasse gehörigen Sachen,
bleiben, wenn nicht ein Anderes verabredet worden, ungeändert.
§. 456. Die Sache wird daher so genommen, als wenn die
Erbschaft, sogleich dem Käufer, und nicht dem Verkäufer angefallen wäre.
§. 457. Alles, was dem Erben, vermöge seines Erbrechts,
würde zu Theil geworden seyn, fällt dem Käufer des Erbrechts zu.
§. 458. Auch künftige Erwerbungen, die dem Erben, vermöge
des verkauften Erbrechts, durch den Ausfall etwaniger Miterben oder Legatarien
zuwachsen, gehen auf den Käufer mit über.
§. 459. Dagegen sind die Rechte, welche dem Verkäufer,
vermöge einer Pupillar- oder fideicommissarischen Substitution auf einen Theil
des Nachlasses, welcher schon an einen andern gediehen ist, zustehen, unter dem
Erbschaftsverkaufe nicht mit begriffen.
§. 460. Ein Gleiches gilt von Vermächtnissen, welche einem
der Erben zum Voraus verschaft, oder was demselben durch eine Schenkung von
Todeswegen zugewendet worden.
§. 461. Eben so sind Sachen und Rechte, welche dem Verkäufer
nicht von dem Erblasser, sondern nur durch denselben und mittelst seines
Ablebens zufallen, im zweifelhaften Falle für mit verkauft nicht zu achten.
Verhältnisse in Ansehung der Legatarien, Gläubiger und
Schuldner.
§. 462. Das Recht der Erbschaftsgläubiger und Legatarien
wird durch den Verkauf der Erbschaft nicht geändert.
§. 463. Es steht denselben frey, sich ihrer Befriedigung
halber an den Käufer der Erbschaft, oder an den Erben selbst zu halten.
§. 464. Auch wenn sie sich zuerst an den Käufer halten,
können sie dennoch von diesem auf den Verkäufer, als Erben, wieder zurückgehen.
§. 465. Doch müssen sie, wenn sie von dieser Befugniß
Gebrauch machen wollen, sich dieselbe sogleich, wenn sie den Käufer in Anspruch
nehmen, ausdrücklich vorbehalten, und diesen Vorbehalt dem Verkäufer gerichtlich
bekannt machen lassen.
§. 466. Halten sich die Gläubiger und Legatarien an den
Verkäufer der Erbschaft, so ist der Käufer denselben in alle Wege zu vertreten
schuldig.
§. 467. Wegen der Aufforderung des Käufers zu solcher
Vertretung gilt alles das, was bey der Lehre von Gewährsleistungen dem Käufer,
welcher von dem Verkäufer eine solche Vertretung fordern will, vorgeschrieben
ist. (§. 143. sqq.)
§. 468. Persönliche Leistungen, die nicht nach Gelde
geschätzt werden können, ist der Käufer weder zu übernehmen, noch dem Verkäufer
Vergütung dafür zu leisten verbunden.
§. 469. Ist der Erbe durch verzögerte Zahlung, von Seiten
des Käufers, in Schaden gesetzt worden, so muß ihn letzterer entschädigen.
§. 470. Zu den Lasten der Erbschaft, welche der Käufer,
vermöge des Vertrags, übernimmt, gehören auch die Begräbnißkosten des
Erblassers, so weit dieselben von dem Erben noch nicht berichtigt sind.
§. 471. Die Verhältnisse zwischen dem Erbschaftskäufer, und
den Schuldnern der Erbschaft, sind nach den bey Cessionen angenommenen
Grundsätzen zu beurtheilen.
§. 472. Der Erbschaftsschuldner, welcher den Käufer
für seinen Gläubiger nicht ausdrücklich anerkannt hat, kann
demselben nicht nur Gegenforderungen, die ihm gegen den Erblasser, sondern auch
solche, die ihm an den Erben zustehen, entgegensetzen.
Form.
§. 473. Alle Erbschaftskäufe sollen künftig, bey Strafe der
Nichtigkeit, gerichtlich geschlossen werden.
Wirkungen eines Erbschaftskaufs.
§. 474. Sobald der Kauf solchergestalt geschlossen ist,
gehet Eigenthum und Gefahr der Erbschaft auf den Käufer über.
§. 475. So weit jedoch eine Naturalübergabe erforderlich
ist, um den Käufer in den Besitz der Erbschaftsstücke zu setzen, ist der
Verkäufer auch diese zu leisten schuldig.
§. 476. Der Verkäufer muß dem Käufer die Erbschaft in dem
Stande, wie ihm dieselbe wirklich angefallen ist, ausliefern.
§. 477. Einzelne Sachen aber, die seit dem Tode des
Erblassers, bis zum geschlossenen Kaufe, im ordentlichen Laufe der Natur, oder
der Geschäfte, von der Erbschaft abgesondert worden, ist der Verkäufer dem
Käufer zu gewähren nicht schuldig.
§. 478. Dagegen erhält der Käufer alles, was auch erst nach
dem Tode des Erblassers der Erbschaft zugetreten ist.
§. 479. Familienurkunden und Papiere, ingleichen
Familiengemälde, die für den Käufer keinen erheblichen Werth und Nutzen haben,
sind, im zweifelhaften Falle, für mitverkauft nicht zu achten.
§. 480. Hat der Verkäufer, vor geschlossenem Vertrage,
Capitalschulden des Erblassers bezahlt, oder Legate entrichtet, und sich
dieserhalb bey dem Verkaufe nichts vorbehalten: so kann er dafür von dem Käufer
keine Vergütung fordern.
§. 481. Ein Gleiches gilt in Ansehung der Kosten, welche der
Verkäufer, bis zum geschlossenen Kaufe, auf die Erhaltung oder Verbesserung der
Erbschaftssubstanz verwendet hat.
§. 482. In Ansehung der Nutzungen aber, und der davon zu
entrichtenden Lasten, ist der Erbschaftsverkäufer, bis zum geschlossenen
Vertrage, einem redlichen Besitzer gleich zu achten.
§. 483. Von der Zeit des geschlossenen Kaufs gehen alle
Nutzungen und Lasten auf den Käufer über.
Gewährsleistung.
§. 484. Der Verkäufer darf dem Käufer nur das Erbrecht
selbst, nicht aber die einzelnen in dem Nachlasse befindlichen Sachen oder Gerechtsame
vertreten.
§. 485. Vielmehr ist in so weit der Erbschaftskauf einem
Kaufe in Pausch und Bogen gleich zu achten.
§. 486. Auch der Käufer kann, wegen eines Mißverhältnisses
im Preise, von dem Kaufe niemals zurücktreten.
Wenn gar kein Erbrecht gewährt werden kann.
§. 487. Kann der Verkäufer dem Käufer gar kein Erbrecht
gewähren, so muß er den erhaltenen Kaufpreis zurückzahlen.
§. 488. Ein Gleiches findet statt, wenn der Verkäufer dem
Käufer zwar ein wirkliches, aber ein mit Substitution oder Fideicommiß
beschwertes Erbrecht verkauft, und diese Belastung demselben nicht bekannt
gemacht hat.
§. 489. Außer dem Ersatze des Kaufpreises haftet der
Verkäufer dem Käufer, nach Verhältniß seines bey Schließung des Vertrages
begangenen Versehens, auch für das aus der Nichtigkeit desselben erwachsende
Interesse.
§. 490. Doch kann der Käufer dasjenige, was die Erbschaft
mehr werth gewesen ist, als er dafür gegeben hat, unter dem Vorwande eines
entgangenen Gewinns, niemals fordern.
§. 491. Wegen dessen, was dem Erbschaftskäufer von dem die
Erbschaft an sich nehmenden Erben vergütet werden muß, desgleichen wegen der
NutzungenderErbschaft, und der Zinsen des dafür erlegten Kaufgeldes, finden die
Vorschriften §. 154-162. Anwendung.
Wenn mehrere Miterben sich finden.
§. 492. Finden sich vorher nicht bekannte Theilnehmer an dem
verkauften Erbrechte, so hängt es von dem Käufer ab, von dem Contrakte zurück
zu treten.
§. 493. Will er dieses, so finden die Vorschriften §. 487.
sqq. Anwendung.
§. 494. Will er aber bey dem Contrakte stehen bleiben, so
muß das verabredete Kaufgeld, nach Verhältniß der dem Käufer entgehenden
Erbportion, herabgesetzt werden.
Bey bedingten Erbschaften.
§. 495. Ist die Erbschaft dem Verkäufer nur unter einer
Bedingung zugefallen, und dieses bey Abschliessung des Kaufs beyden Theilen
unbekannt gewesen, so ist der ganze Vertrag nichtig.
§. 496. Hat aber der Verkäufer die ihm bekannte Bedingung
dem Käufer verschwiegen, so ist letzterer von dem Vertrage abzugehen
berechtigt.
§. 497. Alsdann finden die Vorschriften §. 487. sqq.
ebenfalls Anwendung.
§. 498. Ist jedoch die dem Erbanfalle beygefügte
aufschiebende Bedingung so beschaffen, daß deren Erfüllung von dem Verkäufer
abhängt, so steht diesem frey, durch die sofort zu leistende Erfüllung
derselben, dem Mangel abzuhelfen, und den Vertrag aufrecht zu erhalten.
§. 499. Auch der Käufer kann ihn dazu durch gerichtliche
Zwangsmittel anhalten, wenn ihm daran gelegen ist, daß der Contrakt bestehen
bleibe.
§. 500. Ist die Bedingung auflösend, und von der
Beschaffenheit, daß es in der Gewalt des Verkäufers steht, das Nichteintreten
der Bedingung zu bewirken; und kann dies sogleich geschehen, so gelten auch in
diesem Falle die §. 498. 499. ertheilten Vorschriften.
§. 501. Kann der Verkäufer dasjenige, was, um das Eintreten
der auflösenden Bedingung zu verhüten, geschehen muß, nicht sogleich
bewerkstelligen; der Käufer aber will dennoch bey dem Contrakte verbleiben: so
ist er befugt, von dem Verkäufer Sicherheit für alles das zu fordern, was ihm
dieser zu leisten haben würde, wenn durch den Eintritt der Bedingung das
Erbrecht verloren gehen sollte.
§. 502. Ist die Bedingung von der Art, daß deren Erfüllung
von dem Käufer selbst geleistet werden kann; so hängt es von diesem ab, sich
derselben zu unterziehen, und wegen des daraus für ihn entstehenden Nachtheils
Entschädigung von dem Verkäufer zu fordern.
Bey andern dem Erbrechte entgegen stehenden Hindernissen.
§. 503. Wenn andere rechtliche Hindernisse das Erbrecht
selbst, oder dessen Ausübung, oder auch die Erlangung des Besitzes und Genusses
einzelner Erbschaftsstücke aufhalten, oder erschweren; so ist der Käufer eine
Entschädigung dafür, die er sich nicht ausdrücklich vorbehalten hat, zu fordern
nicht berechtigt.
§. 504. Er kann aber Entschädigung verlangen, wenn die
Hindernisse oder Schwierigkeiten durch das eigne grobe oder mäßige Versehen des
Verkäufers entstanden sind.
Wenn der Erblasser noch am Leben ist.
§. 505. Ergiebt sich nach geschlossenem Kaufe, daß der
vermeintliche Erblasser damals noch am Leben gewesen, so bleibt das Geschäft
nichtig, wenn auch der Tod desselben bald hernach erfolgt wäre.
§. 506. Hat einer von beyden Contrahenten gewußt, daß der
angebliche Erblasser noch nicht verstorben sey, so muß derselbe dem andern
Theile alle durch den nichtigen Vertrag entstandenen Schäden und Kosten
erstatten.
Vom Abschosse bey Erbschaftskäufen.
§. 507. Ist eine dem Abschosse unterworfene Erbschaft
verkauft worden, und wird nicht die Erbschaft selbst, sondern nur das Kaufgeld
ausgeführt, so darf der Abschoß nur von dem Kaufgelde entrichtet werden.
§. 508. Soll aber die Erbschaft selbst ausgeführt werden, so
ist der Abschoßberechtigte befugt, auf die Vorlegung eines vollständigen
Verzeichnisses der auszuführenden dem Abschosse unterworfenen Stücke, und auf
deren gerichtliche Würdigung anzutragen.
§. 509. Entsteht in Fällen, wo der Abschoß nur vom Kaufgelde
zu entrichten ist, ein scheinbarer Verdacht, daß das Kaufgeld niedriger, als es
verabredet ist, zum Nachtheile des Abschoßberechtigten angegeben worden, so
steht letzterem frey, die eidliche Bestärkung der Angabe von dem Käufer und
Verkäufer zu fordern.
§. 510. Uebrigens hält sich der Abschoßberechtigte, wegen
der Zahlung des Abschosses, vorzüglich an den Käufer, als Besitzer der
Erbschaft.
Fünfter Abschnitt Vom Trödelvertrage
§. 511. Wenn jemand seine Sache einem Andern zum Verkaufe
für einen bestimmten Preis übergiebt, mit der Bedingung, daß innerhalb eines
festgesetzten Termins entweder die Sache zurückgegeben, oder der bestimmte
Preis geliefert werden solle, so ist ein Trödelvertrag vorhanden.
§. 512. Ein solcher Trödelvertrag kann nur über bewegliche
Sachen geschlossen werden.
§. 513. Das Eigenthum der Sache geht auf den Empfänger mit
Ablaufe des Termins sofort über.
§. 514. Der vorige Inhaber kann die Sache in der
Zwischenzeit nicht zurückfordern.
§. 515. Wenn aber der Empfänger mit dem Ablaufe des Termins
den bestimmten Preis nicht liefert, so ist der vorige Inhaber die Sache selbst,
wenn sie sich bey dem Empfänger noch unverkauft befindet, zurück zu nehmen
berechtigt.
§. 516. Bis zum Ablaufe des Termins trägt der vorige Inhaber
den Schaden und Verlust, welcher ohne grobes oder mäßiges Versehen des
Empfängers entstanden ist.
§. 517. Dagegen muß der Empfänger, wenn er vor oder in dem
Termine die Sache zurückgeben will, auch alle in der Zwischenzeit entstandenen
natürlichen Zuwüchse derselben mit abliefern.
§. 518. Er muß allen Schaden und Verlust, welcher durch sein
auch nur mäßiges Versehen an der Sache entstanden ist, vergüten.
§. 519. Es kommen ihm aber auch während seines Besitzes alle
Nutzungen und Vortheile, welche die Sache außer den natürlichen Zuwüchsen
gewähren kann, wenn nicht ein Anderes verabredet ist, zu gute.
§. 520. Ist vor abgelaufenem Termine Concurs über das
Vermögen des Empfängers entstanden, und die Sache bey ihm noch vorgefunden
worden, so müssen die Gläubiger dem vorigen Inhaber entweder die Sache
zurückgeben, oder den festgesetzten Preis dafür bezahlen.
§. 521. War der Termin der Rückgabe zur Zeit des
entstandenen Concurses bereits abgelaufen; oder wird die Sache in dem Vermögen
des Gemeinschuldners nicht mehr vorgefunden; so muß der vorige Inhaber sich in
den Concurs mit einlassen, und seine Befriedigung, wegen des bedungenen
Preises, an dem durch das Prioritätsurtel ihm anzuweisenden Orte abwarten.
§. 522. Ist eine Sache jemanden zum Verkaufe ohne Bestimmung
eines gewissen Termins zur Zahlung oder Rückgabe zugestellt worden, so ist ein
bloßes Auftragsgeschäft vorhanden.
§. 523. Ein Gleiches findet statt, wenn zwar ein Termin zur
Rückgabe, aber kein Preis bestimmt ist.
§. 524. Ferner alsdann, wenn dem Empfänger der Sache für den
übernommenen Verkauf eine gewisse Provision oder andere Belohnung ausgesetzt
worden.
§. 525. Desgleichen alsdann, wenn eine unbewegliche Sache
den Gegenstand des Vertrags ausmacht.
§. 526. In allen Fällen aber, der Uebernehmer mag die Sache
vermöge eines Trödelcontrakts, oder eines bloßen Auftrags, in seiner Gewahrsam
gehabt haben, ist ein von ihm erfolgter Verkauf, sowohl in Ansehung des vorigen
Inhabers, als des Käufers, rechtsbeständig.
Sechster Abschnitt
Von gewagten Geschäften und ungewissen Erwartungen
Begriff.
§. 527. Verabredungen, nach welchen eine gewisse Sache, oder
ein bestimmter Preis, gegen die Hoffnung eines künftigen noch Ungewissen
Vortheils, oder gegen Ueberlassung künftiger Vortheile, die nach dem
natürlichen und gewöhnlichen Laufe der Dinge zwar zu erwarten, aber an sich
noch unbestimmt sind, versprochen oder gegeben wird, heißen gewagte Verträge.
Allgemeine Grundsätze.
§. 528. Ist die bloße Hoffnung eines künftigen ungewissen
Vortheils der Gegenstand des Vertrags, so besteht derselbe, wenn auch gar kein
Vortheil wirklich wird.
§. 529. Sind Vortheile, die nach dem gewöhnlichen Laufe der
Natur oder der Geschäfte zwar erwartet, aber noch nicht bestimmt werden
konnten, der Gegenstand des Vertrags gewesen, so besteht derselbe ebenfalls,
wenn gleich der Vortheil der davon gehegten Erwartung nicht gemäß ausfällt.
§. 530. Wenn aber der gehoffte Vortheil, ohne eignes
Verschulden des Käufers, gar nicht zur Wirklichkeit gelangt, so wird in diesem
Falle der Vertrag wieder aufgehoben.
§. 531. Ist es nach der Fassung des Vertrags, und nach den
Umständen zweifelhaft: ob nur die Hoffnung, oder die gehoffte Sache selbst der
Gegenstand des Vertrags gewesen sey, so ist letzteres anzunehmen.
§. 532. War es zur Zeit der geschlossenen Verabredung schon
gewiß, und beyden Theilen bekannt, daß das, was als eine Hoffnung verkauft
wurde, schon da sey, so muß der Vertrag nach den Grundsätzen des Kaufs oder
Tausches beurtheilt werden.
§. 533. War solches nur Einem Theile bekannt, so ist der
andere, dem davon keine Anzeige gemacht worden, an den Vertrag nicht gebunden.
§. 534. War es, zur Zeit des geschlossenen Vertrags, schon
gewiß, und beyden Theilen, oder auch nur dem Käufer allein bekannt, daß das,
was als Hoffnung verkauft wurde, nicht erfolgen werde, so ist das Geschäft nach
den Regeln von Schenkungen zu beurtheilen.
§. 535. War dieses nur dem Verkäufer der Hoffnung bekannt,
so ist der Käufer an den Vertrag nicht gebunden.
§. 536. Vielmehr ist der Verkäufer alle Schäden und Kosten,
die dem Käufer daraus, daß er demselben seine Wissenschaft verschwiegen hat,
entstanden sind, zu ersetzen verbunden.
§. 537. War zur Zeit des geschlossenen Vertrages die
Existenz des Vorfalls oder der Begebenheit, wovon Gewinn und Verlust bey dem
Geschäfte abhängt, schon gewiß, und beyden Theilen bekannt; die Beschaffenheit
und der Umfang des Gewinns oder Verlustes selbst aber noch ungewiß, so ist das
Geschäft dennoch als ein gewagter Vertrag anzusehn.
§. 538. Ob alsdann der Vertrag, als ein solcher, der nur
über eine bloße Hoffnung, oder der über erwartete Vortheile geschlossen worden,
anzusehen sey, und also die Vorschrift §. 528. oder 530. statt finde, ist nach
dem Inhalte des Vertrags, allenfalls aber nach der Regel des §. 531. zu
bestimmen.
§. 539. Bey allen gewagten Verträgen sind beyde Theile
schuldig, einander alle zur Zeit des Vertrags ihnen bekannten Umstände, wovon
der Erfolg der Begebenheit, oder die Beschaffenheit des davon zu erwartenden
Vortheils, ganz oder zum Theil abhängen kann, treulich anzuzeigen.
§. 540. Kann ein Theil überführt werden, daß er dem andern
Umstände verschwiegen habe, die nach vernünftigem Ermessen der
Sachverständigen, auf den Entschluß desselben, in den Vertrag bedungenermaaßen
sich einzulassen, hätten Einfluß haben können: so ist der andere befugt, von
dem Vertrage wieder abzugehn, und das Gegebene zurückzufordern.
§. 541. Wer dergleichen Umstände dem Andern mit Vorbedacht
verschweigt, ist demselben zur vollstandigen Schadloshaltung verpflichtet.
§. 542. Ueberhaupt haftet, auch bey Abschließung eines
gewagten Vertrags, jeder Theil dem andern für jedes mäßige Versehen.
§. 543. Hat der Verkäufer durch sein mäßiges Verben
verursacht, daß die Hoffnung oder der gehoffte Vortheil nicht erlangt wird, so
muß er den Käufer schadlos halten.
§. 544. Hat er aber durch Vorsatz oder grobes Versehen die
Erfüllung der Hoffnung oder die Erlangung des gehofften Vortheils
hintertrieben, so muß
er dem Käufer das volle Interesse vergüten.
§. 545. Kann der entgangene Gewinn, wegen der Natur des
Geschäfts, auf andere Art nicht ausgemittelt werden, so ist derselbe auf den
doppelten Betrag des Kaufgeldes zu bestimmen.
1) Von
Versicherungsverträgen.
§. 546. Von Versicherungsverträgen, als gewagten Geschäften,
wird im Kaufmannsrechte gehandelt. (Th. II. Tit. VIII. Sect. XIII.)
2) Von
Lotterien.
§. 547. Nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Staats können
öffentliche Lotterien, Glücksbuden, und andere dergleichen Glücksspiele
unternommen werden.
§. 548. Der bestätigte und öffentlich bekannt gemachte Plan
ist das Gesetz, nach welchem die Rechte und Pflichten des Unternehmers
beurtheilt werden müssen.
§. 549. In diesem Plane muß zugleich bestimmt seyn: wie für
die Sicherheit der Interessenten bey diesem Geschäfte gesorgt worden.
§. 550. Hat der Unternehmer die in diesem Plane bestimmte
Zahl von Loosen bis zu der darin angegebenen Ziehungszeit nicht absetzen
können, so ist er schuldig, den Interessenten ihren Einsatz mit den höchsten
nach den Gesetzen erlaubten Zinsen zurückzuzahlen.
§. 551. Haben aber die Interessenten eine Verlängerung des
Ziehungstermins sich ausdrücklich gefallen lassen, oder ihren Einsatz, nach
erfolgter öffentlicher Bekanntmachung dieser Verlängerung, bis zum Verlaufe der
Hälfte des neu bestimmten Zeitraums nicht zurück gefordert; so hat es bey dem
Vertrage sein Bewenden, und die Einsetzer können für den Verzug der Ziehung
weder Zinsen, noch sonst eine Entschädigung fordern.
§. 552. Bis zu dem im Plane bestimmten, oder in der Folge
verlängerten Zeitpunkte, wo der Einsatz geschlossen werden soll, ist der
Unternehmer verbunden, jedem sich meldenden Einsetzer, so lange noch Loose
vorhanden sind, dergleichen zu überlassen.
§. 553. Sind aber am Schlusse dieses Zeitpunkts noch
unabgesetzte Loose übrig, so kann der Unternehmer dieselben auf eignen Gewinn
und Verlust behalten.
§. 554. Zwischen dem Unternehmer und Einsetzer vertritt das
Loos oder Billet die Stelle des schriftlichen Vertrags.
§. 555. Der bloße Besitz eines solchen Looses berechtigt den
Inhaber zur Einziehung des darauf gefallenen Gewinns.
§. 556. Ueberhaupt gilt von dergleichen Loosen alles, was
die Gesetze wegen der auf den bloßen Inhaber lautenden Papiere verordnen. (Tit.
XV. §. 45-53.)
§. 557. Der Unternehmer soll die Loose nur gegen baare
Zahlung des Einsatzes verabfolgen.
§. 558. Hat er also auf den Einsatz Credit gegeben, so steht
ihm deshalb keine gerichtliche Klage, sondern nur die Compensation gegen den
auf ein solches Loos fallenden Gewinn zu.
§. 559. Der von dem Unternehmer angesetzte Collekteur
verpflichtet den Unternehmer so weit, als er die Gränzen der ihm ertheilten
Vollmacht nicht überschreitet.
§. 560. Es muß aber diese Vollmacht in dem Plane, oder
gleich demselben, öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 561. Ist dies nicht geschehen, so wird der Unternehmer
durch den von ihm wirklich angesetzten Collekteur ohne Unterschied
verpflichtet.
§. 562. Auch ein Versehen eines solchen Collekteurs, bey
Anfertigung oder Einsendung der Listen, muß der Unternehmer gegen die Einsetzer
vertreten.
§. 563. Der von dem Unternehmer angesetzte Collekteur haftet
eben so für die Handlungen der von ihm bestellten Untercollekteurs.
§. 564. Eigenmächtige Collekteurs können den Unternehmer
nicht verpflichten, als in so fern letzterer, durch die Annahme des von ihnen
gesammelten Einsatzes, oder sonst, die Handlungen derselben genehmigt hat.
§. 565. Der Gewinner kann seiner Bezahlung wegen nur an den
Unternehmer sich halten.
§. 566. Ausgenommen sind die Fälle, wenn der Collekteur
entweder nach den besondern Gesetzen der öffentlich bestätigten Lotterie aus
eigenen Mitteln zu haften verpflichtet ist, oder wenn er zum Collekteur sich
eigenmächtig aufgeworfen hat.
§. 567. In beyden Fällen steht dem Gewinner frey, seine
Bezahlung entweder von dem Unternehmer, so weit dieser nach §. 564. haften muß,
oder von dem Collekteur zu fordern.
§. 568. Die nach Art ordentlicher Handlungsbücher geführten
Bücher des Unternehmers und der Collekteurs haben unter diesen, nicht aber
gegen andere, mit wirklichen Handlungsbüchern gleiche Beweiskraft.
3) Vom Loose.
§. 569 Der Gebrauch des Looses ist als ein Mittel zur
Auseinandersetzung über gemeinschaftliche untheilbare Sachen erlaubt.
§. 570. Auch kann dasselbe bey gemeinschaftlichen theilbaren
Sachen als ein Mittel zur Entscheidung, welchem unter den Interessenten dieser
oder jener Theil zufallen solle, gebraucht werden.
§. 571. In diesem Falle müssen jedoch, ehe zur Verloosung
geschritten wird, die Theile selbst, und was auf jeden derselben kommen soll,
durch Einverständniß der Interessenten oder rechtskräftiges Erkenntniß bestimmt
seyn.
§. 572. Auch der Richter kann sich des Looses bey
Auseinandersetzungen und Theilungen bedienen, wenn entweder die Parteyen damit
einig sind, oder kein anderer Ausweg übrig bleibt.
§. 573. Sobald die Entscheidung durch das Loos geschehen
ist, geht das Eigenthum der Sache auf den Gewinner über.
§. 574. Die Entscheidung des Looses kann unter dem Vorwande
einer Verletzung über die Hälfte nicht angefochten werden.
§. 575. Wegen Zahlung desjenigen, was der Gewinner den
übrigen Theilnehmern herauszugeben hat, findet eben das statt, was in Ansehung
des Kaufpreises verordnet ist.
§. 576. In so fern also der Verkäufer, wegen unterbliebener
Zahlung des Kaufgeldes, von dem Vertrage zurücktreten kann, sind auch die
übrigen Theilnehmer, wegen der von dem Gewinner nicht gehörig geleisteten
Zahlung der Herausgabe, von der Verloosung zurückzutreten berechtigt.
4) Vom Spiele.
§. 577. Wegen Spielschulden findet keine gerichtliche Klage
statt.
§. 578. Was aber jemand in erlaubten Spielen verloren und
wirklich bezahlt hat, kann er nicht zurückfordern. (Tit. XVI. Sect. II.)
5) Von Wetten.
§. 579. Auch wegen Wetten ist eine gerichtliche Klage nur
alsdann zuläßig, wenn die Wette sogleich baar gesetzt, und entweder
gerichtlich, oder in die Verwahrung eines Dritten niedergelegt worden.
§. 580. Wetten sind ungültig, wenn ein Theil von der
Gewißheit des Gegenstandes der Wette unterrichtet war, und dieses dem andern
nicht angezeigt hat.
§. 581. Gelder, die ausdrücklich zum Spielen oder Wetten,
oder zur Bezahlung des dabey gemachten Verlustes, verlangt und geliehen worden,
können nicht gerichtlich eingeklagt werden.
6) Vom Verkaufe künftiger Sachen.
§. 582. In so fern eine noch künftige Sache, die aber doch
nach dem natürlichen und gewöhnlichen Laufe der Dinge erwartet werden kann,
ohne Bestimmung von Zahl, Maaß oder Gewicht, in Pausch und Bogen bedungen wird,
gehört dieser Kauf zu den gewagten Geschäften.
§. 583. Dergleichen Verträge müssen jedoch, sobald der
Kaufpreis die Summe von Hundert Thalern übersteigt, und nicht beyde
Contrahenten Kaufleute sind, bey Strafe der Nichtigkeit, gerichtlich
geschlossen werden.
§. 584. Gefahr und Vortheil aus einem solchen Vertrage trift
allein den Käufer.
§. 585. Sobald die gehoffte Sache zur Wirklichkeit gelangt,
ist der Verkäufer zur Uebergabe verpflichtet.
§. 586. Die Uebergabe ist für geschehen zu achten, sobald
die Sache, von welcher der Vortheil gehofft wird, von dem Käufer in seine
Gewahrsam oder Obsicht genommen worden.
§. 587. Kommt aber die künftige Sache gar nicht zur
Wirklichkeit, so ist der Vertrag für nicht geschlossen zu achten, und der
Verkäufer muß das empfangene Kaufgeld, jedoch ohne Zinsen, zurückgeben.
§. 588. Hat jemand einen gewissen nach Zahl, Maaß, oder
Gewicht bestimmten Theil von seinem künftigen Zuwachse verkauft, so ist der
Kauf nur in so weit gültig, als die bestimmte Quantität wirklich gewonnen
worden.
§. 589. Kann der Verkäufer die bestimmte Quantität nicht
vollständig abliefern, so ist der Käufer den mindern Betrag anzunehmen nicht
schuldig.
§. 590. Hat aber ein Landwirth von dem künftigen Ertrage
oder Zuwachse seiner Grundstücke eine bestimmte Quantität verkauft, so muß der
Käufer, gegen verhältnißmäßige Herabsetzung des Kaufgeldes, sich so viel
abrechnen lassen, als zur Saat und Unterhaltung der Wirthschaft sonst fehlen
würde.
§. 591. Ist eine gewisse Quantität künftiger Früchte, ohne
Beziehung auf den Zuwachs eines bestimmten Grundstücks, versprochen worden, so
ist das Geschäft nach den Regeln von Lieferungen zu beurtheilen.
§. 592. Gehört der Verkäufer unter die gemeinen Landleute,
so wird, im zweifelhaften Falle, vermuthet, daß er die Leistung nur von dem
Zuwachse seines eignen Grundstücks versprochen habe.
§. 593. Eine Ausnahme hiervon findet statt, wenn der
Verkäufer ein Mann ist, der sich auf dergleichen Lieferungsgeschäfte sonst
schon eingelassen hat.
§. 594. Mit gemeinen Landleuten kann ein Kauf über ihren
künftigen Zuwachs nur nach Zahl, Maaß, oder Gewicht, und nach den zur Zeit der
Erndte marktgängigen Preisen geschlossen werden.
7) Vom Ankaufe fortdauernder Prästationen.
§. 595. Auch fortdauernde Prästationen, welche nach der
Lebenszeit eines Menschen, oder nach einem andern Ungewissen Zeiträume durch
Vertrag bestimmt worden, sind nach den Regeln von gewagten Geschäften zu
beurtheilen.
§. 596. Was über die Art und Dauer solcher Prästationen,
oder sonst im Vertrage, nicht bestimmt ist, muß so angenommen werden, wie es
die Rechte auf den Fall festsetzen, wenn dergleichen Prästationen jemanden
vermöge eines Gesetzes, oder einer letztwilligen Verordnung zukommen.
§. 597. Von dem einer Frau aus dem Vermögen des Mannes
ausgesetzten Witthume wird im Titel von der Ehe gehandelt. (Th. II. Tit. I.
Sect. VII.)
§. 598. Ist die Aussetzung eines solchen Witthums von einem
andern, als dem Manne, dessen Aeltern, oder Geschwistern geschehen, so hört
zwar die Verbindlichkeit zur Entrichtung desselben auf, wenn die Wittwe sich
wieder verheirathet.
§. 599. Ist aber die Aussetzung gegen Entgelt geschehen, so
tritt die Verpflichtung, das Witthum zu entrichten, wieder ein, sobald die
anderweitig verheirathete Frau wieder in den Wittwenstand versetzt wird.
§. 600. Ein unentgeltlich ausgesetztes Witthum hingegen
gelangt durch den anderweitig eintretenden Wittwenstand nicht wieder zu
Kräften.
§. 601. Wenn die Ehe durch richterliches Erkenntniß
getrennt, und die Frau für den schuldigen Theil nicht erklärt worden, so findet
eben das statt, als wenn die Trennung durch den Tod erfolgt wäre.
8) Vom Altentheile.
§. 602. Auszug oder Altentheil heißen diejenigen Vortheile,
welche der Uebernehmer einer Rustikalstelle dem vorigen Besitzer zu seiner
Versorgung auf Lebenslang anweist.
§. 603. Dergleichen Auszug oder Altentheil muß allemal
gerichtlich regulirt werden.
§. 604. Der Richter ist befugt und schuldig, darauf zu
halten, daß der neue Besitzer dem Abgehenden nicht solche übermäßige Vortheile
einräume, wodurch er selbst der Stelle gehörig vorzustehen, und die Lasten
derselben zu übertragen unvermögend wird.
§. 605. Nähere Bestimmungen wegen des Auszugs oder
Altentheils bleiben den Provinzialgesetzen vorbehalten.
9) Von Leibrenten.
§. 606. Der Leibrenten-Contrakt ist ein Vertrag, vermöge
dessen sich jemand, gegen Empfang einer Summe Geldes, zur Entrichtung einer
bestimmten Abgabe auf die Lebenszeit eines Menschen verpflichtet.
§. 607. Statt des baaren Geldes kann eine Leibrente zwar
auch gegen Ueberlassung eines Grundstücks, einer Gerechtigkeit, oder einer
andern Sache erworben werden.
§. 608. Doch müssen alsdann die Contrahenten einen nach
Gelde bestimmten Werth, wofür die Sache angeschlagen seyn solle, sich
vereinigen; und dieser Werth tritt bey allen in der Folge vorkommenden
Verhandlungen an die Stelle der gegebenen Sache.
§. 609. Derjenige, welcher die Capitalssumme, wofür die
Leibrente versprochen wird, entrichtet, heißt der Käufer der Leibrente.
§. 610. Die Bestimmung des Betrags der Leibrenten, und des
dafür zu entrichtenden Capitals, hängen lediglich von dem Uebereinkommen der
Parteyen ab.
§. 611. Der Käufer der Leibrente hat, wenn dafür keine
besondere Sicherheit bestellt worden, ein bloßes persönliches Recht gegen den
Verkäufer.
§. 612. Eine Leibrente kann jemand für sich selbst oder für
einen Dritten kaufen.
§. 613. Geschieht Letzteres, so hat es, wegen des dem
Dritten daraus entstehenden Rechts, bey der Vorschrift des Titels von Verträgen
überhaupt sein Bewenden. (Tit. V. §. 74. sqq.)
§. 614. Der Käufer der Leibrente kann sich die Bezahlung
derselben auf seine eigne Lebenszeit, oder auf das Leben eines Dritten, oder
auch des Verkäufers selbst, vorbedingen.
§. 615. Haben Mehrere gemeinschaftlich eine Leibrente
gekauft, so wird, wenn nicht ein Anderes verabredet worden, angenommen, daß
jeder Käufer nur seinen Antheil nach Zahl der Köpfe zu fordern habe.
§. 616. Mit dem Abgange eines jeden derselben erlöscht also
sein Antheil zu Gunsten des Verkäufers.
§. 617. Wenn aber die Leibrente auf die Lebenszeit mehrerer
Personen, außer dem Käufer und Verkäufer, oder auch auf die Lebenszeit mehrerer
Verkäufer vorbedungen worden, so muß die ganze Leibrente so lange gezahlt
werden, als noch einer derselben am Leben ist.
§. 618. Geht der Vertrag dahin, daß die Leibrente erst nach
dem Ableben mehrerer Personen entrichtet werden solle, so müssen, im Mangel
besonderer Verabredungen, alle benannte Personen gestorben seyn, ehe die
Leibrente gefordert werden kann.
§. 619. Hat der Käufer der Leibrente die Dauer derselben auf
seine eigene Lebenszeit bestimmt, so erlöscht dieselbe mit seinem Tode, dieser
mag natürlicher oder gewaltsamer Weise erfolgt seyn.
§. 620. Ein Gleiches findet statt, wenn die Lebenszeit eines
Dritten zum Maaßstabe von der Dauer der Leibrente bestimmt ist.
§. 621. Hat jedoch der Verkäufer den Tod des Käufers, oder
des Dritten, vorsetzlich veranlaßt, so muß der für die Leibrente gegebene Werth
zurückgegeben werden.
§. 622. Der Verkäufer kann davon die bis dahin gezahlten
Leibrenten, auch in so weit, als dieselben den gesetzmäßigen Zinsfuß
übersteigen, nicht abziehen.
§. 623. Das Capital fällt den Erben des Käufers, oder
demjenigen, für den die Leibrente gekauft worden, anheim.
§. 624. Ist niemand mehr, dem nach dieser Bestimmungein
Recht auf dies Capital zukommt, vorhanden, so wird dasselbe von dem Fiskus
eingezogen.
§. 625. Ist die Leibrente auf das Leben eines Dritten
bedungen, so berechtigt eine von diesem ergriffene gefährliche Lebensart den
Käufer noch nicht, von dem Vertrage wieder abzugehn.
§. 626. Ist die Dauer der Leibrente auf das Leben des
Verkäufers bestimmt, und dieser verliert dasselbe durch Selbstmord, oder
verwirkte Todesstrafe, so kann der Käufer den Vertrag wieder aufheben, und sein
Capital zurückfordern.
§. 627. Er muß sich aber darauf alles anrechnen lassen, was
er durch die genossene Leibrente, über den Betrag der landüblichen Zinsen
seines Capitals, erhalten hat.
§. 628. Auf Zinsen von Zinsen wird jedoch dabey, wenn es
nicht ausdrücklich vorbedungen ist, keine Rücksicht genommen.
§. 629. Die Berechnung muß aber so angelegt werden, daß das
über die landüblichen Zinsen Bezahlte, in jedem Jahre von dem Capitale
abgerechnet, und im folgenden die landübliche Verzinsung, nur von dem hiernach
verbleibenden Ueberreste des Capitals, in Anschlag gebracht wird.
§. 630. Wird, nach dieser Berechnung, das Capital ganz
erschöpft, so hat es dabey sein Bewenden; und der Käufer der Leibrente, oder
dessen Erben, können in keinem Falle angehalten werden, etwas an den Verkäufer
oder dessen Erben herauszugeben.
§. 631. Was vorstehend §. 627-630. verordnet ist, gilt auch
von dem Falle, wenn der Leibrentenvertrag unter einer auflösenden Bedingung
geschlossen worden, und diese, ohne Zuthun des Käufers oder Verkäufers, zur
Wirklichkeit gelangt.
§. 632. Tritt die auflösende Bedingung durch Schuld des
Verkäufers ein, so findet die Vorschrift §. 622. Anwendung.
§. 633. Tritt die auflösende Bedingung durch Schuld des
Käufers ein, so muß er sich alles, was er durch die Leibrente in jedem Jahre
über den Betrag der landüblichen Zinsen erhalten hat, nach Vorschrift §. 629.
abrechnen lassen.
§. 634. Ergiebt sich nach dieser Berechnung, daß der Käufer
durch die Leibrente mehr, als sein Capital nebst landüblichen Zinsen, erhalten
habe, so muß er den Ueberschuß herausgeben, und vom Tage seines Entstehens an
landüblich verzinsen.
§. 635. In denjenigen Fällen, wo eine versprochne Schenkung,
wegen nachgeborner Kinder, widerrufen werden kann, kann auch der Käufer einer
Leibrente von dem Vertrage zurücktreten. (§. 1140. sqq.)
§. 636. Doch muß er alsdann alles, was er an Leibrenten
erhalten hat, auf sein gezahltes Capital sich abrechnen lassen.
§. 637. Zum Abbruche des Pflichtteils der Kinder des
Käufers, welche zur Zeit des geschloßnen Vertrags schon vorhanden waren, kann
der Verkäufer aus dem Vertrage keinen Vortheil ziehn.
§. 638. Wenn also der Käufer bey seinem Ableben noch nicht
so viel an Leibrenten gezogen hat, als das gegebne Capital, nebst den landüblichen
Zinsen, vermöge der nach §. 627-630. anzulegenden Berechnung beträgt, so muß
der noch hinter dem Verkäufer befindliche Rest des Capitals, zum Behufe der
Bestimmung des Pflichttheils, dem übrigen Nachlasse beygerechnet werden.
§. 639. Beträgt der übrige Nachlaß nicht die Hälfte des auf
solche Art ausgemittelten Ganzen, so muß der Verkäufer so viel, als zu dieser
Hälfte fehlt, von dem noch hinter ihm befindlichen Capitale herausgeben.
§. 640. Auch zur Verkürzung seiner Gläubiger soll niemand
sein Vermögen auf Leibrenten geben.
§. 641. Den Gläubigern des Käufers steht also frey,
innerhalb Eines Jahres nach geschlossenem Vertrage, gegen das Geschäft zu
protestiren, und dieses dem Verkäufer gerichtlich bekannt machen zu lassen.
§. 642. Diese Protestation hat die Wirkung, daß alsdann ein
solcher Gläubiger, in Ermangelung andrer Mittel zu seiner Befriedigung,
dieselbe aus dem auf Leibrenten gegebenen Capitale fordern kann.
§. 643. Dem Verkäufer steht aber auch frey, sobald ihm
dergleichen Protestation bekannt gemacht worden, von dem Vertrage wieder
abzugehen, und das Capital, nach Abzug der daran etwa schon entrichteten
Leibrente, zurückzuzahlen.
§. 644. Will er dennoch bey dem Vertrage stehen bleiben, so
ist er befugt, gegen den künftigen Anspruch solcher protestirenden Gläubiger,
durch Zurückbehaltung und gerichtliche Niederlegung eines verhältnißmäßigen
Theils der Leibrente sich zu decken.
§. 645. Nach Verlauf eines Jahres, vom Tage des
geschlossenen Contrakts, kann letzterer von den Gläubigern des Käufers nicht
weiter angefochten werden.
§. 646. Doch haben dieselben auf die Leibrente selbst, so
lange sie dauert, als auf ein Objekt ihrer Befriedigung, eben die Rechte, wie
auf das übrige Vermögen und die Einkünfte des Schuldners.
§. 647. Wenn der Verkäufer der Leibrente durch Drey
hintereinander folgende Jahre mit deren Bezahlung im Rückstande bleibt, so kann
der Käufer das Capital zurückfordern, und der Verkäufer darf darauf, wegen der
bis dahin bezahlten Leibrente, nichts abziehn.
§. 648. Vielmehr muß er von der Zeit an, wo er mit Bezahlung
der Rente im Rückstande geblieben ist, das Capital landüblich verzinsen.
§. 649. Ist wegen des letzern Lebensjahres nichts Besonderes
verabredet, so muß der Verkäufer die Rente des ganzen Jahres bezahlen, wenn
auch der Todesfall gleich zu Anfange desselben sich ereignet hätte.
§. 650. Der Anfang eines jeden Lebensjahres wird, im Mangel
verabredeter Bestimmungen, von dem Tage an, wo die erste Zahlung fällig war,
gerechnet.
10) Von Wittwen- Heiraths- und Sterbekassen.
§. 651. Gemeinschaftliche Wittwen- Sterbe und
Aussteuerkassen, dürfen ohne Landesherrliche Genehmigung nicht errichtet
werden.
§. 652. Die Rechte und Pflichten der Interessenten sind nach
dem vom Staate bestätigten Plane zu beurtheilen.
Siebenter Abschnitt Vom Darlehnsvertrage
Begriff.
§. 653. Das eigentliche Darlehn ist ein Vertrag. vermöge
dessen jemand gangbares ausgemünztes Geld, oder geldwerthe an jeden Inhaber
zahlbare Instrumente, unter bedungener Wiedererstattung m gleicher Qualität und
Quantität, einem Andern zum Verbrauche übergiebt.
Von Verträgen über künftige Darlehne.
§. 654. Hat jemand durch einen gültigen Vertragsich
verpflichtet, einem andern ein Darlehn zu geben, so ist er schuldig, diesen
Vertrag, zur bestimmten Zeit, durch Zahlung der versprochenen Summe in Gelde,
oder geldwerthen Papieren, zu erfüllen.
§. 655. Thut er dieses nicht, so kann der Andere auf
Erfüllung klagen, oder auch seines Orts vom Vertrage wieder abgehn, das etwa
schon ausgestellte Instrument zurückfordern, und auf Vergütung des aus der
Nichterfüllung entstandenen Schadens antragen.
§. 656. Gegen eine solche Klage kann der Versprecher des
Darlehns hauptsächlich mit dem Einwande der veränderten Umstände sich schützen.
(Tit. V. §. 360. sqq.)
§. 657. Dahin gehört besonders, wenn nach dem Versprechen in
den persönlichen oder Vermögensumständen des Borgers Veränderungen vorgefallen
sind, wodurch die persönliche oder dingliche Sicherheit, auf welche der Leiher
bey dem Versprechen Rücksicht genommen hat, geschmälert wird.
§. 658. Der Borger, welcher das Darlehn gesucht hat, ist
schuldig, die schriftlich versprochene Summe anzunehmen.
§. 659. Weigert er sich dessen, so muß er den Andern
schadlos halten.
§. 660. Diese Schadloshaltung ist, wenn kein höherer Betrag
nachgewiesen werden kann, auf eine halbjährige landübliche Zinse des
versprochenen Capitals zu bestimmen.
Vom Darlehnsvertrage selbst, und in wie fern dadurch das
Eigenthum des Geldes auf den Borger übergehe.
§. 661. Ist der Darlehnsvertrag selbst durch die Zahlung der
versprochenen Summe vollzogen, so erwirbt der Borger, durch den Empfang der
gegebenen Gelder oder geldgleichen Papiere, das Eigenthum derselben.
§. 662. Hat jemand wissentlich fremdes Geld von einem
andern, der darüber zu verfügen nicht berechtigt war, zum Darlehn angenommen,
so muß er dasselbe, in so fern es noch vorhanden ist, dem wahren tigenthümer
sofort zurückgeben.
§. 663. Ist das Geld nicht mehr vorhanden, so haftet der
Empfänger dem wahren Eigenthümer für das Capital und landübliche Zinsen.
§. 664. Hat sich jemand fremden Geldes unter dem Vorwande
eines Darlehns betrüglicher Weise bemächtigt, so haftet er dem Eigenthümer für
das ganze Interesse.
§. 665. Hat der Empfänger nicht gewußt, daß ihm fremdes Geld
zum Darlehn gegeben werde, so kann er an den Geber so lange sicher Zahlung
leisten, als es ihm noch nicht, auf den Antrag des wahren Eigenthümers,
gerichtlich untersagt worden.
§. 666. Ist vor dieser Untersagung die Rückzahlung noch
nicht erfolgt, so ist der Empfänger nur an den, welcher als der wahre Eigenthümer
des gegebenen Feldes ausgemittelt wird, Zahlung zu leisten verpflichtet.
§. 667. Dieser tritt, in Ansehung aller verabredeten
Bedingungen, an die Stelle des Gebers.
§. 668. Auch wenn der Geber dem Empfänger mehr als
gewöhnlich vortheilhafte, an sich aber erlaubte, Bedingungen bewilligt hat, ist
der wahre Eigenthümer gegen den redlichen Empfänger daran gebunden.
§. 669. Er kann aber deshalb von dem Geber besondere
Schadloshaltung fordern.
§. 670. So lange das Eigenthum des gegebenen Geldes zwischen
dem Geber und einem Dritten noch streitig ist, muß der Empfänger alle
inzwischen fällige Zahlungen, es sey an Capital oder Zinsen, auf Kosten des
unterliegenden Theils, in das gerichtliche Depositum abführen.
§. 671. Hat jemand sein eignes Geld unter fremdem Namen zum
Darlehn gegeben, so besteht der Vertrag nur zwischen dem Empfänger, und
demjenigen, auf dessen Namen das Darlehn gegeben worden.
§. 672. Was dabey zwischen dem Eigenthümer des Geldes, und
dem, auf dessen Namen dasselbe verliehen ist, verhandelt worden, hat auf die
Rechte und Pflichten des Empfängers, so weit dieser an den Verhandlungen nicht
Antheil genommen hat, keinen Einfluß.
§. 673. Will in der Folge der Eigenthümer des Geldes auf das
Darlehn Anspruch machen, so finden die Vorschriften §. 665-670. Anwendung.
Von den Personen, welche Darlehnsvertrage schließen können.
§. 674. So weit jemand nach den Gesetzen sich überhaupt
durch Verträge nicht verbinden kann; so weit ist er auch Darlehne zu machen und
aufzunehmen unfähig. (Tit. V. §. 9. sqq.)
§. 675. Von den Darlehnen der Ehefrauen, der noch unter
väterlicher Gewalt stehenden Kinder, der Corporationen und Gemeinen, der
Stadtcommunen, der Kirchen, der öffentlichen Kassen, ingleichen an
Pflegbefohlne und Studirende, wird gehörigen Orts besonders gehandelt. (Th. II.
Tit. I. Abschn. V. Tit. II. Abschn. II. Tit. VI. Tit. VII. Abschn. II. Tit.
VIII. Abschn. II. III. Tit. XI. Abschn. IX. Tit. XII.)
§. 676. Aus Darlehnen an Prinzen und Prinzessinnen, welche
durch Geburt oder Heirath zum königlichen Hause gehören, soll, so lange die
Einwilligung des regierenden Oberhaupts der Familie nicht hinzugekommen ist,
bey hiesigen Gerichten keine Klage angenommen werden.
§. 677. Auf Prinzessinnen, welche durch Heirath aus der
königlichen Familie herausgegangen sind, findet diese Vorschrift nicht
Anwendung.
Besonders von Militairpersonen.
§. 678. Wer mit einem in wirklichen Kriegsdiensten stehenden
Officier Darlehnsvertrage schliessen will, muß sich dazu die Einwilligung des
Chefs oder Commandeurs beibringen lassen.
§. 679. Diese Einwilligung muß in der Regel von dem Chef,
wenn aber dieser bey dem Regimente nicht zugegen ist, oder die Besorgung der
Regimentsgeschäfte dem Commandeur übertragen hat, von letzterm ertheilt seyn.
§. 680. Sie muß schriftlich ausgefertigt, und entweder
hinter das Schuldinstrument verzeichnet, oder mit genauer und deutlicher
Beziehung auf das Datum, den Betrag des Darlehns, und den Namen des Gläubigers
abgefaßt werden.
§. 681. Soll die im Vertrage bestimmte Zahlungszeit
verlängert werden, so ist auch zu dieser Verlängerung ein gleichmäßiger
schriftlicher Consens des Chefs oder Commandeurs erforderlich.
§. 682. Sollen die Gewehrgelder eines Compagnie- oder
Eskadrons-Chefs für die Befriedigung des Gläubigers haften; so müssen dieselben
unter Einwilligung des Regiments-Chefs oder Commandeurs besonders verpfändet,
und diese Verpfändung muß in das bey dem Regimente zu führende Hypothekenbuch
eingetragen werden.
§. 683. Wie weit die Regiments-Chefs oder Commandeurs
dergleichen Einwilligung (§. 678. 682.) ertheilen oder versagen sollen, ist in
den ihnen ertheilten Instructionen bestimmt.
§. 684. Ermangelt die Einwilligung des Chefs oder
Commandeurs, und der Schuldner ist ein Subaltern-Officier; so ist der
Darlehnsvertrag null und nichtig; der Gläubiger hat niemals die geringste
Wiederbezahlung zu hoffen; und das wirklich Gegebene fällt, zur Strafe, der
Invalidenkasse unwiderruflich anheim.
§. 685. Dagegen sind zwar Darlehne an Staabsofficiers,
Compagnie- und Eskadrons-Chefs, auch ohne Consens gültig, und der Gläubiger
kann zur bestimmten Zeit die Rückzahlung fordern. Wenn aber diese nicht anders,
als durch verhältnißmäßige Abzüge von den Diensteinkünften des Schuldners
geleistet werden kann; so müssen Gläubiger, deren Forderungen mit dem
vorschriftsmäßigen Consens nicht versehen sind, denjenigen, welche für die
gehörige Beybringung dieses Consenses gesorgt haben, nachstehen.
§. 686. Ueberhaupt muß jeder Gläubiger eines Officiers, wenn
auch die Forderung an sich gültig ist, sobald die Zahlung nur aus den Diensteinkünften
des Schuldners erfolgen kann, mit terminlichen Zahlungen, so wie dieselben ohne
Nachtheil des Dienstes und des nothwendigen Unterhalts des Schuldners bestimmt
werden können, sich begnügen, und kann auf Personal-Arrest gegen den Schuldner
niemals antragen.
§. 687. Ein Officier, welcher Immobilien besitzt, kann
dieselben auch ohne Consens des Chefs oder Commandeurs gültig verpfänden. Doch
erlangt, wenn ausserdem der Consens nothwendig war (§. 684.), eine solche
Schuld nur von dem Augenblicke an, da die Eintragung in das Hypothekenbuch
wirklich geschehen ist, ihre Gültigkeit.
§. 688. Auch über Einkünfte von Grundstücken und Präbenden,
über Zinsen von Capitalien, und andre jährliche Hebungen, welche nicht zu den
Diensteinkünften des Officiers gehören, kann derselbe durch Abweisungen und
sonst, auch ohne Consens gültig verfügen. Doch versteht sich dieses, bey
Subaltern-Officiers, nur von solchen verfallenen, oder im nächsten Termin
wirklich fällig werdenden Einkünften dieser Art; nicht aber von Anweisungen
oder Cessionen, die, um der Vorschrift des Gesetzes auszuweichen, auf solche
Hebungen, die erst in einer entferntem Zukunft fällig werden sollen, gegeben
sind.
§. 689. Durch den Consens des Chefs oder Kommandeurs kann
der Mangel andrer Erfordernisse zur Gültigkeit eines Darlehns nicht ergänzt
werden. Doch können die vormundschaftlichen Gerichte ihre Einwilligung oder
Genehmigung nicht versagen, wenn zu wirklichen Ausgaben eines minorennen
Officiers, in Fällen, die keinen Verzug leiden, besonders in Kriegszeiten, ein
Darlehn mit Consens des Chefs oder Commandeurs aufgenommen worden.
§. 690. Dagegen kann der Gläubiger gegen den Mangel des zur
Gültigkeit des Darlehns nothwendigen Consenses durch den Einwand einer in den
Nutzen des Schuldners geschehenen Verwendung sich nur alsdenn schützen, wenn er
nachzuweisen vermag, daß der Vorschuß zu Dienstausgaben des Officiers nicht nur
gemacht, sondern auch wirklich verwendet worden; und daß es ihm unmöglich
gewesen sey, sich um den erforderlichen Consens vorher zu bewerben.
§. 691. Aber auch in diesem Falle muß dem Chef oder
Commandeur sogleich nach gemachtem Vorschusse, als der Gläubiger denselben
mündlich oder schriftlich anzutreten Gelegenheit hat, Anzeige geschehen.
§. 692. Bey Commandeurs und Chefs der Regimenter, und
anderer besondren Corps, ist zur Aufnehmung eines gültigen Darlehns höhere
Einwilligung nicht erforderlich.
§. 693. Ein Gleiches gilt von den Commandeurs einzelner
Bataillons, die entweder zu keinem Regimente gehören, oder in Kriegszeiten von
ihren Regimentern getrennt, und bey andern Corps oder Garnisonen in Festungen
angestellt sind.
§. 694. Aber auch bey diesen muß der Gläubiger, wenn er sich
auf die Gewehrgelder derselben ein dingliches Recht verschaffen will, für die
Eintragung der Schuld in das Regiments-Hypothekenbuch sorgen.
§. 695. In wie fern Officiers, die nicht dem Commandeur oder
Chef eines Regiments, Bataillons, oder andern Corps untergeordnet sind, bey
Aufnehmung von Darlehnen eines Consenses bedürfen, und bey wem derselbe
nachzusuchen sey, hängt von den besondern Militaireinrichtungen, und übrigen
Dienstverhältnissen eines solchen Officiers ab.
§. 696. Wer sich also mit dergleichen Personen in
Darlehnsgeschäfte einlassen will, muß sich nach diesen Einrichtungen und
Verhältnissen zuvörderst näher erkundigen.
§. 697. Adliche Fahnen- und Standartenjunker sind in
Rücksicht der Fähigkeit, Darlehne aufzunehmen, den Subaltern-Officiers
durchgehends gleich zu achten.
§. 698. Personen, die zum Unterstabe gehören, bedürfen zu
ihren Darlehnen keiner Einwilligung des Chefs oder Commandeurs.
§. 699. Doch kann der Gläubiger, bey nicht erfolgter
Bezahlung, keine solche Execution gegen die Person derselben, wodurch sie ihre
Dienste gehörig wahrzunehmen verhindert würden, ausbringen.
§. 700. Unterofficiers, gemeine Soldaten, und deren Weiber,
können ohne schriftliche Einwilligung ihres Compagnie- oder Escadrons-Chefs
kein gültiges Darlehn aufnehmen.
§. 701. Auch ihre Grundstücke können sie ohne dergleichen
Einwilligung nicht gültig verpfänden.
§. 702. Schulden eines Unterofficiers und Gemeinen,
welcher die Einwilligung seiner Vorgesetzten zur Treibung
eines bürgerlichen Gewerbes überhaupt erhalten hat, sind zwar auch ohne
besondern Consens gültig.
§. 703. Will aber der Gläubiger, wegen einer solchen Schuld,
an das Militair-Vermögen oder an die Grundstücke seines Schuldners sich halten;
so muß er sich den besondern Consens des Compagnieoder Escadrons-Chefs in das
Darlehn verschaffen.
Von Personen, die bey den königlichen Schauspielen stehen.
§. 704. Personen, welche bey den königlichen Singe- und
Schauspielen, oder bey der Hofkapelle angestellt sind, können, so lange sie in
diesen Diensten stehen, aufgenommener Darlehne wegen, gerichtlich nicht belangt
werden.
§. 705. In so fern sie aber Grundstücke besitzen, und
dieselben durch gerichtliche Eintragung einem Gläubiger gehörig verpfändet
haben, kann letzterer aus diesen Grundstücken seine Befriedigung suchen.
§. 706. Auch kann, nach geschehener Entlassung oder
erfolgtem Absterben, der Gläubiger an das Vermögen oder den Nachlaß eines
solchen Schuldners sich halten.
In wie fern Darlehne an unfähige Personen gültig werden;
durch nützliche Verwendung,
§. 707. Hat jemand seine Unfähigkeit, Darlehne aufzunehmen,
dem Gläubiger verheimlicht, so ist die Sache nach den Vorschriften Tit. V. §.
31-36. zu beurtheilen.
§. 708. So weit der einem sonst unfähigen Schuldner gegebene
Vorschuß zu notwendigen oder nützlichen Ausgaben desselben, welche derselbe
ohne seine Schuld aus eignen Mitteln nicht bestreiten können, wirklich
verwendet worden, ist der Gläubiger in der Regel die Wiedererstattung zu
fordern berechtigt.
§. 709. Was für eine nothwendige oder nützliche Verwendung
zu achten sey: ist gehörigen Orts näher bestimmt. (Tit. XIII. Abschn. III.)
§. 710. Selbst wegen eines, der nützlichen Verwendung
halber, für gültig zu achtenden Darlehns, kann gegen die §. 704. bezeichneten
Personen, so lange sie im Dienste stehen, keine solche Execution, wodurch sie
in das Unvermögen, ihren Dienst zu versehen gesetzt werden würden, statt
finden.
§. 711. In Ansehung der Militairpersonen findet die
Vorschrift des §. 690. Anwendung.
§. 712 Wenn jemand, nachdem er ein gültiges Darlehn
aufgenommen hat, in einen Stand tritt, wo er dergleichen Verträge entweder gar
nicht, oder nicht ohne Einwilligung seiner Obern schließen kann: so werden
dadurch die Rechte des Gläubigers aus den frühern Verträgen nicht aufgehoben.
durch Anerkenntniß.
§. 713 Wie weit durch ein Anerkenntniß der Schuld, welches von
unfähigen Personen nach gehobener Unfähigkeit abgegeben wird, die Schuld zur
Gültigkeit gelange, ist nach den allgemeinen Vorschriften Tit. V. §. 37. 38. zu
beurtheilen.
Von Darlehen, die zu einem unerlaubten Zwecke, oder wo
Waaren statt baaren Geldes gegeben worden.
§. 714. Gelder, welche jemanden, der an sich gültige
Darlehnsverträge schließen kann, zu einem verbotenen Zwecke wissentlich gegeben
worden, fallen dem Fiskus anheim.
§. 715. Waaren sollen bey Darlehnen, nicht statt baaren
Geldes, gegeben werden.
§. 716. Sind auf einen Schuldschein oder Wechsel Waaren
gegeben, und die Valuta baar verschrieben worden, so ist der
Schuldner daraus, als aus einem Darlehnsgeschäfte, nicht verhaftet.
§. 717. Vielmehr ist der ganze Vertrag nichtig, und der
Empfänger der Waare nur verbunden, Waare selbst, in so fern sie noch vorhanden
ist, zurückzugeben; oder wenn die Waare nicht mehr vorhanden wäre, den Werth,
welchen sie zur Zeit der Übergabe gehabt hat, zu ersetzen.
§. 718. Derjenige, welcher auf ein über baares Geld
lautendes Schuldinstrument Waaren gegeben hat, hat die Vermuthung des Wuchers
wider sich.
§. 719. Kann diese nicht abgelehnt werden, so fällt der von
dem Empfänger vermöge §. 717. zu leistende Ersatz, nach näherer Bestimmung des
Criminalrechts, dem Fiskus anheim, (Theil II. Tit. XX. Abschn. XV.)
§. 720. Ist das Schuldinstrument über den bedungenen
Kaufpreis gegebener Waaren ausgestellt worden, so besteht zwar das Geschäft,
als ein Kaufcontrakt, nach den unten §. 861. sqq. vorgeschriebenen Grundsätzen.
§. 721. Wenn aber erhellet, daß dem Schuldner, welcher ein
Darlehn in baarem Gelde gesucht hat, statt desselben Waaren zum Kaufe auf
Credit angeboten worden; so wird bey dem Gläubiger eine wucherliche Absicht
vermuthet.
§. 722. Diese Vermuthung fällt jedoch hinweg, wenn die
Waaren von der Beschaffenheit sind, daß der Empfänger dieselben ohne Verlust
wieder zu verkaufen Gelegenheit gehabt hat.
§. 723. Sind die auf Credit gegebene Waaren von der
Beschaffenheit, daß sie nach dem Stande und Gewerbe des Käufers, demselben
entweder an sich selbst, oder doch in der gegebenen Quantität, unbrauchbar seyn
würden: so wird vermuthet, daß unter dem vorgeblichen Kaufe ein wucherliches
Darlehnungsgeschäft nach §. 721. verborgen liege.
§. 724. Wird diese Vermuthung durch den Nachweis eines
andern Herganges der Sache nicht aufgehoben; so findet die Vorschrift §.
717-719. Anwendung.
§. 725. Sind theils Waaren creditirt, theils baares Geld
gegeben; über beydes zusammen aber nur Ein Schuldinstrument ausgestellt, und
darin nicht bestimmt worden: wie viel in Gelde und wie viel in Waaren gegeben
sey; so gilt die Vermuthung, daß bey dem ganzen Geschäfte eine wucherliche
Absicht zum Grunde liege.
§. 726. Kann diese nicht abgelehnt werden, so finden auch in
einem solchen Falle die Vorschriften §. 717. 719. Anwendung.
Form der Darlehm-Verträge.
§. 727. Durch den bloßen Empfang des Darlehns wird der
Schuldner zur Wiedererstattung des Empfangenen auch ohne schriftlichen Vertrag
verpflichtet.
§. 728. Die Zeit zur Rückzahlung wird in einem solchen Falle
nach Vorschrift §. 761. 762. bestimmt.
§. 729. Soll aber ein Darlehnsvertrag auf eine andere
bestimmte Zeit, gegen Interessen, oder auf andere Bedingungen geschlossen
werden; so ist, wenn dem Gläubiger eine Klage auf die Erfüllung dieser
Verabredungen zustehen soll, ohne Unterschied der geliehenen Summe, ein
schriftlicher Vertrag erforderlich.
§. 730. Zu einem vollständigen Schuldscheine wird erfordert:
1) Das
Bekenntniß der empfangenen Valuta;
2) die
deutliche Bestimmung, worin selbige bestanden habe;
3) die Angabe
der Münzsorte, in welcher sie gezahlt worden;
4) das
Versprechen der Wiedererstattung;
5) die Zeit,
wann diese geschehen soll;
die deutliche Benennung und Bezeichnung des Gläubigers;
7) der Ort, wo,
und das Datum, unter welchem der Vertrag geschlossen worden;
8) die
Unterschrift des Schuldners.
§. 731. Wie weit dasjenige, was von diesen Stücken im
Schuldscheine nicht ausgedrückt worden, auf andere Art erwiesen werden könne,
oder nach gesetzlichen Bestimmungen zu ergänzen sey, ist nach den Vorschriften
des Fünften Titels §. 127. sqq. zu beurtheilen.
§. 732. Der Schuldschein begründet die Vermuthung für die
Richtigkeit alles dessen, was darin enthalten ist, so lange das Gegentheil
nicht ausgemittelt werden kann.
Von der Valuta bey Darlehnen.
§. 733. Es gilt also auch das Geständniß der erhaltenen
Valuta gegen den Aussteller, so lange als sich bey der Instruction der Sache
nicht findet, daß dieselbe ganz oder zum Theil wirklich nicht gegeben worden.
§. 734. Diese Ausmittelung wird durch nachherige
Anerkenntnisse des Schuldners noch nicht ausgeschlossen.
§. 735. Der Einwand der nicht erhaltenen Valuta ist nicht
nur gegen den ersten, sondern auch gegen jeden folgenden Inhaber in so weit
zuläßig, als überhaupt Einwendungen gegen den Cedenten auch dem Cessionario
entgegen gesetzt werden können.
§. 736. Daß der Schuldschein auf Ordre gestellt worden,
macht dabey keinen Unterschied.
§. 737. Wie weit bey kaufmännischen auf Ordre gestellten
Wechseln eine Ausnahme statt finde, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit.
VIII. Sect. VIII.)
§. 738. Bey Schuldinstrumenten, die zur Eintragung in das
gerichtliche Hypothekenbuch bestimmt, und darin wirklich eingetragen sind,
tritt die Vermuthung, daß Valuta nach dem Inhalte des Instruments wirklich
gegeben worden, erst alsdann ein, wenn der Schuldner innerhalb Acht und Dreyßig
Tage, nach erfolgter Eintragung, keine Protestation wegen nicht empfangener
Valuta im Hypothekenbuche hat vermerken lassen.
§. 739. Nach Verlauf dieser Zeit aber entsteht nicht nur, zu
Gunsten des ersten Inhabers, aus dem Instrumente die Vermuthung der wirklich
gegebenen Valuta, sondern es kann auch, wenn nach diesen Acht und Dreyßig
Tagen, und in der Zwischenzeit, wo keine Protestation eingetragen ist, das
Instrument einem Dritten cedirt oder verpfändet worden, der Schuldner sich des
Einwands der nicht erhaltenen Valuta gegen diesen Dritten gar nicht bedienen.
§. 740. Wer sich einen Schuldschein ausstellen läßt, und die
Valuta darauf ganz oder zum Theil nicht bezahlt; gleichwohl aber die
verschriebene Summe gerichtlich ausklagt, oder einem Andern cedirt; der soll
als ein Betrüger bestraft werden.
§. 741. Ein Gleiches findet statt, wenn der Inhaber des
Schuldscheins die Valuta ganz oder zum Theil zurück erhalten hat, und
gleichwohl denselben auf den vollen Betrag einklagt, oder einem Andern cedirt.
§. 742. Hat jemand über eine Forderung, die er aus einem
andern Grunde zu machen hatte, sich einen Schuldschein ausstellen, und darin
die Valuta, als baar gegeben, verschreiben lassen, so finden die unten §. 866.
867. 868. ertheilten Vorschriften Anwendung.
§. 743. Wer seine Unterschrift fälschlich läugnet, verliert
alle Einwendungen, die ihm sonst gegen die Schuldforderung noch zugestanden
hätten.
§. 744. Hat der Aussteller sich dieser Abläugnung gegen den
ersten Inhaber des Instruments schuldig gemacht; und es findet sich gleichwohl,
daß dieser die verschriebene Valuta ganz oder zum Theil nicht gegeben habe: so
tritt Fiskus an seine Stelle, und zieht dasjenige ein, was der Aussteller wegen
der ungegründeten Abläugnung seiner Unterschrift bezahlen muß; der Inhaber
hingegen, weil er es wirklich nicht gegeben hat, nicht gewinnen kann.
§. 745. Ist die Abläugnung gegen einen dritten redlichen
Inhaber des Schuldscheins geschehen; so muß zwar der Aussteller diesem nach §.
743. vollständige Zahlung leisten;
§. 746. Wenn aber ausgemittelt werden kann, daß der erste
Inhaber die Valuta ganz oder zum Theil wirklich nicht gegeben habe, so entreißt
Fiskus demselben dasjenige, was er, über den Betrag der gegebenen Valuta, von
seinem Cessionario für die Abtretung des Schuldscheins erhalten hat.
§. 747. Wer zwar nicht seine Unterschrift, wohl aber, wider
besseres Wissen, den Empfang der Valuta vor Gericht ganz oder zum Theil
abläugnet, der wird mit den in der Prozeßordnung vorgeschriebenen Strafen des
frevelhaften Läugnens belegt.
§. 748. Was wegen des Einwandes der nicht gezahlten Valuta
bey Wechseln Rechtens sey, ist gehörigen Orts vorgeschrieben. (Th. II. Tit.
VIII. Sect. VIII.)
Von Darlehnen auf Wechsel.
§. 749. Eben daselbst ist bestimmt, welche Personen sich
wechselmäßig verpflichten können.
§. 750. Schuldscheine, die von Personen, welche sich wechselmäßig
nicht verpflichten können, in Wechselform ausgestellt worden, begründen, wenn
der Aussteller seine Unterschrift anerkannt hat, den executivischen Prozeß.
§. 751. Auch genießen Schuldscheine dieser Art, gleich
wirklichen Wechseln, das in der Concursordnung bestimmte Vorzugsrecht.
Dauer der Beweiskraft eines Schuldinstruments.
§. 752. Zum Vortheile des Ausstellers selbst, erlöscht die
Beweiskraft eines Schuldinstruments durch Verjährung, nur mit der Schuld
zugleich.
§. 753. Zum Vortheile der Erben des Ausstellers hingegen,
erlöscht diese Beweiskraft durch eine zehnjährige Präscription vom Todestage
des Erblassers.
§. 754. Ist im Instrumente ein Zahlungstermin bestimmt, und
dieser erst nach dem Tode des Erblassers abgelaufen, so nimmt diese Verjährung
(§. 753.) erst vom Verfalltage ihren Anfang.
§. 755. Diese zehnjährige Präscription hat jedoch nur die
Wirkung, daß die Richtigkeit der Schuld durch das Instrument nicht mehr
begründet wird, sondern der Kläger auf andere Art nachweisen muß: daß die
Schuld vom Anfange an existirt habe, und während der Lebenszeit des Erblassers
nicht getilgt worden sey.
§. 756. Welche Wirkung es habe, wenn die Schuld selbst durch
Nichtgebrauch verjährt, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. IX. §. 568. sqq.)
Zeit der Rückzahlung.
§. 757. Aus dem Darlehnscontrakte wird der Schuldner
verpflichtet, die erhaltene Summe zur bestimmten Zeit zurückzuzahlen.
§. 758. Vor Ablauf dieser Zeit kann er dem Gläubiger die
Zahlung, auch unter dem Vorwande veränderter Umstände, nicht aufdringen.
§. 759. Dem Gläubiger hingegen steht frey, vor Ablauf der
bestimmten Frist, auf Zahlung oder Sicherstellung anzutragen, wenn der
Schuldner, anderer Schulden halber, ausgepfändet, oder in Verhaft genommen
worden.
§. 760. Ein Gleiches findet statt, wenn der Schuldner, um
seinen Gläubigern zu entgehen, flüchtig geworden ist, oder aus andern Ursachen
seinen bisher in Königlichen Landen gehabten Wohnsitz gänzlich aufgeben will.
Von Aufkündigungen.
§. 761. Ist keine Zeit zur Rückzahlung gültiger Weise
bestimmt, so steht beyden Theilen eine dreymonathliche Aufkündigung frey.
§. 762. Beträgt aber das Darlehn nur Fünfzig Thaler oder
weniger, so findet eine vierwöchentliche Aufkündigung statt.
§. 763. Unter welchen Umständen der Schuldner auf eine
Verlängerung der bedungenen oder gesetzmäßigen Zahlungsfrist antragen könne,
ist in der Prozeßordnung bestimmt.
§. 764. Die Kündigung kann zwar gültiger Weise auch
außergerichtlich und bloß mündlich geschehen;
§. 765. Kann aber der Gläubiger nicht nachweisen, daß die
außergerichtliche Kündigung dem Schuldner wirklich zugekommen sey, so läuft die
Zahlungsfrist erst von der Zeit an, wo letzterem die gerichtliche Kündigung
behändigt worden.
§. 766. Ist im Vertrage gerichtliche Kündigung vorbedungen,
und über die Kosten derselben nichts verabredet, so müssen diese von beyden
Theilen zur Hälfte getragen werden.
§. 767. Außer diesem Falle muß der gerichtlich kündigende
Theil die Kosten allein tragen.
§. 768. Wird aber die Annahme der gerichtlichen oder
außergerichtlichen Kündigung verweigert, und diese Verweigerung in der Folge
ungegründet befunden, so fallen dem Weigernden auch die Kündigungskosten zur
Last.
Ort der Rückzahlung.
§. 769. Der Regel nach ist der Schuldner verpflichiet, die
Rückzahlung kostenfrey an dem Orte, wo der Gläubiger zur Zeit des geschlossenen
Vertrags seinen Wohnsitz gehabt hat, zu leisten.
§. 770. Wohnt der Schuldner an einem andern Orte, und müssen
also die Gelder versendet werden, so tragt der Schuldner die Gefahr so lange,
bis dieselben m dem Hause des Gläubigers gehörig abgegeben sind.
§. 771. Eine Ausnahme hievon findet statt, wenn der
Gläubiger die Art der Versendung selbst vorgeschrieben hat.
§. 772. Verlegt der Gläubiger seinen Wohnsitz von dem Orte,
wo er zur Zeit des geschlossenen Vertrags gewohnt hat, so muß er an diesem Orte
einen Bevollmächtigten zum Empfange des Geldes bestellen, und denselben dem
Schuldner anzeigen.
§. 773. Geschieht dieses nicht, so kann der Schuldner das
Geld dem Gläubiger mit der Post auf dessen Gefahr und Kosten zusenden, oder
dasselbe gerichtlich niederlegen.
§. 774. Bey eingetragenen Schuldinstrumenten hat der
Schuldner in dem Falle des §. 772. die Wahl: ob er an dem vorigen Wohnorte des
Gläubigers, oder da, wo das Hypothekenbuch sich befindet, die Rückzahlung
leisten wolle.
§. 775. Was vorstehend §. 772-774. verordnet ist, findet
auch in dem Falle statt, wenn das Eigenthum der Schuld durch Cession,
Erbgangsrecht, oder sonst, auf einen dritten Inhaber gediehen wäre; in so fern
der Schuldner dabey eine Veränderung des Zahlungsorts sich nicht ausdrücklich
hat gefallen lassen.
§. 776. Oeffentliche Kassen und Anstalten haben, bey
aufgenommenen Darlehnen, auch wegen des Orts der Rückzahlung, vor
Privatschuldnern kein Vorrecht.
§. 777. Doch muß bey den an die Bank und an die
Creditsysteme gemachten Darlehnen, der Gläubiger das Geld auf seine Gefahr und
Kosten zur Kasse abliefern, und von dieser zurückholen.
Von der Münzsorte.
§. 778. Das Capital muß in derjenigen Münzsorte, in welcher
es gegeben worden, zurückbezahlt werden.
§. 779. Ist die Münzsorte im Schuldscheine nicht bestimmt,
so wird vermuthet, daß die Zahlung der Valuta in dem zur Zeit der Auszahlung
gangbaren Silber-Courant geschehen sey.
§. 780. Bey Darlehnen von Zehn Thalern und weniger wird
Scheidemünze vermuthet.
§. 781. Ist die Valuta in Golde, ohne Bestimmung einer
gewissen Sorte, verschrieben, so werden Preußische Goldmünzen, die zu Fünf
Thalern ausgeprägt sind, verstanden.
§. 782. Sind Dukaten ohne weitere Bestimmung verschrieben,
so werden vollwichtige Dukaten nach Preußischem oder Holländischem Münzfuße
angenommen.
§. 783. Ist das Instrument auf eine gewisse Anzahl von
Stücken einer Gold- oder Silbermünze gerichtet, so muß genau dieselbe Zahl
zurückgegeben werden.
§. 784. Lautet das Instrument nur auf eine gewisse Summe in
Golde, ohne Bestimmung der Stücke, so werden bey der Berechnung, wie viel
Stücke zu zahlen sind, vollwichtige Dukaten zu Zwey und Dreyviertel Thaler,
andre Preußische Goldmünzen aber zu dem Betrage, nach welchem sie ausgeprägt
sind, angeschlagen.
§. 785. Ist das Schuldinstrument auf eine fremde Münzsorte
gestellt, und innerhalb Landes zahlbar, so muß der Gläubiger Preußische Gold-
und Silbermünze von eben der Gattung, auf welche das Instrument lautet,
annehmen.
§. 786. Doch ist alsdann das Verhältniß derselben, gegen die
im Instrumente verschriebene fremde Münzsorte, nach dem Cours des Zahlungsorts,
wie er zur Zeit des geschlossenen Contrakts gestanden hat, zu berechnen.
§. 787. Ist seit der Zeit des gegebenen Darlehns der Münzfuß
verändert worden, so bestimmt das Verhältniß des alten, gegen den neuen zur
Zeit der Rückzahlung bestehenden Münzfuß, die Verbindlichkeit des Schuldners.
§. 788. Ist nur die Münzsorte, in welcher die Valuta gegeben
worden, außer Cours gesetzt, so muß zwar auch in diesem Falle die Rückzahlung
in der alsdann gangbaren Münzsorte geleistet, und angenommen werden.
§. 789. Die in letzterer zu zahlende Summe ist aber nach
Verhältniß des Cours zu bestimmen, welcher zwischen der gegebenen, und der
jetzt gangbaren, oder einer solchen Münzsorte, welche mit der jetzt gangbaren
auf gleichen Fuß ausgeprägt ist, zur Zeit des geschlossenen Contrakts bestanden
hat.
§. 790. Ist die Münzsorte, in welcher die Valuta gegeben
worden, nicht außer Cours, sondern nur in ihrem äußern Werthe, ohne Veränderung
des innern Gehalts, von dem Landesherrn heruntergesetzt worden, so muß dennoch
die Rückzahlung in eben derselben Münzsorte geleistet und angenommen werden.
§. 791. Ist diese Münzsorte gar nicht mehr zu haben, so
finden die Vorschriften §. 788. 789. Anwendung.
§. 792. Das im Handel und Wandel gewöhnliche Steigen und
Fallen des Cours bey einer und eben derselben Münzsorte kommt, außer dem Falle
des §. 785. 786. bey Darlehns-Rückzahlungen in keine Betrachtung.
§. 793. Ist die Valuta eines Darlehns in Actien,
Pfandbriefen, oder andern an jeden Inhaber zahlbaren Papieren gegeben worden,
so muß die Rückzahlung in Papieren von eben der Art erfolgen.
§. 794. Sind Papiere von der gegebenen Art zur Zeit der
Rückzahlung gar nicht mehr vorhanden, so muß zwar die Zahlung in baarem Gelde
geschehen;
§. 795. Die zu zahlende Summe muß aber nach dem Cours
bestimmt werden, wie die gegebenen Papiere, zur Zeit des Contrakts, gegen
baares Geld gestanden haben.
§. 796. Sind dergleichen Papiere gekauft, und über das
creditirte Kaufgeld ein Schuldinstrument ausgestellt worden, so ist das
Geschäft nach den unten §. 861-868, erfolgenden Vorschriften zu beurtheilen.
§. 797. Hat der Gläubiger die Rückzahlung eines Darlehns in
schlechtem Münzsorten, oder nach einem niedrigen Verhältnisse, einmal
angenommen, und ohne Vorbehalt darüber quittirt, so kann er, wenn von Seiten
des Schuldners kein Betrug mit unter gelaufen ist, diesen, wegen eines dabey
erlittenen Verlustes, nicht in Anspruch nehmen.
§. 798. Wer bessere Münzsorten, als er schuldig war, gezahlt
hat, kann nur unter denjenigen Umständen Vergütung fordern, unter welchen die
Gesetze die Rückforderung einer aus Irrthum geleisteten Zahlung verstatten.
(Tit. XVI. Sect. II.)
§. 799. Die wiederholte Annahme der Intressen in schlechtem
Münzsorten begründet noch nicht die Verbindlichkeit, auch das Capital in
dergleichen Münzsorten anzunehmen.
§. 800. Eben so entsteht aus einer in bessern Münzsorten
auch wiederholt geleisteten Intressenzahlung noch nicht die Pflicht, das
Capital in dieser Münzsorte zu bezahlen.
§. 801. Im zweifelhaften Falle wird jedoch vermuthet, daß
die Valuta des Darlehns in eben solchen Münzsorten, als worin die Intressen
entrichtet und angenommen worden, bestanden habe.
§. 802. Diese Vermuthung fällt aber weg, wenn die Zahlung
der Zinsen nicht immer in einer und derselben, sondern bald in dieser, bald in
jener Münzsorte geschehen ist.
Von Zinsen.
§. 803. Zinsen heißt, bey Darlehnen, alles das, was der
Schuldner dem Gläubiger für den Gebrauch des geliehenen Geldes entrichten muß.
§. 804. Bey Darlehnen können, der Regel nach, nur Fünf vom
Hundert an jährlichen Zinsen vorbedungen werden.
§. 805. Kaufleuten ist erlaubt, Sechs, und Juden Acht vom
Hundert, an Zinsen sich verschreiben zu lassen.
§. 806. Juden, welche die Rechte christlicher Kaufleute
haben, müssen darnach, auch in Ansehung des erlaubten Zinssatzes, beurtheilt
werden.
§. 807. Nähere Bestimmungen, wegen des unter Kaufleuten
statt findenden Zinssatzes, sind im Kaufmannsrechte enthalten. (Th. II. Tit.
VIII. Sect. Vil.)
§. 808. Bey Darlehnen, welche gegen gerichtliche Eintragung
auf Grundstücke gemacht werden, sind auch Kaufleute und Juden an den Zinssatz
der Fünf vom Hundert gebunden.
§. 809. Wie weit denjenigen, welche mit Leihen auf
bewegliche Pfänder unter öffentlicher Aufsicht ein Gewerbe treiben, bey
Darlehnen in kleinen Summen, welche nur auf kurze Zeit gemacht worden, höhere
Zinsen zu nehmen erlaubt sey, ist gehörigen Orts näher bestimmt. (Tit. XX.
Sect. I.)
§. 810. Jeder Gewinn und Vortheil, den sich der Gläubiger
von dem Schuldner für das Darlehn vorbedingt, hat die Natur der Zinsen.
§. 811. Es muß also auch bey der Bestimmung: wie viel Zinsen
der Gläubiger von dem Schuldner fordern könne, jeder dergleichen Gewinn mit in
Anschlag gebracht werden.
§. 812. Hat der Gläubiger statt der Zinsen, oder noch über
dieselben, sich die Lieferung gewisser Naturalien oder anderer Sachen, oder die
Leistung gewisser Arbeiten und Dienste vorbedungen, so sind auch diese, bey
Berechnung des erlaubten Zinssatzes, mit in Anschlag zu bringen.
§. 813. Bauet der Schuldner dergleichen Naturalien selbst,
oder pflegt er dergleichen Dienste persönlich zu leisten, so ist, bey
Berechnung derselben, der niedrigste Preis zur Zeit der Ablieferung anzunehmen.
§. 814. Außer diesem Falle aber ist der zur Zeit der
Ablieferung oder Leistung gewöhnliche Preis, oder Lohn, bey der Berechnung zum
Grunde zu legen.
§. 815. Der Gläubiger ist in der Regel nicht befugt, die
Zinsen eines Darlehns im Voraus abzuziehen.
§. 816. Ist dieses gleichwohl geschehen, so wird das
Abgezogene von der im Instrumente verschriebenen Capitalssumme abgerechnet, und
der Gläubiger kann nur auf das, was er solchergestalt an Valuta wirklich
gegeben hat, Verzinsung, so wie künftig Rückzahlung fordern.
§. 817. Hat der Gläubiger mit einem geringern, als dem ihm
erlaubten höchsten Zinssatze, sich begnügt, so kann er die Zinsen, jedoch nicht
für längere Zeit, als Ein Jahr, im Voraus abziehn.
§. 818. Zinsen von Zinsen dürfen nicht gefordert werden.
§. 819. Doch können über zweyjährige oder noch ältere
Zinsenrückstände neue Schuldscheine gegeben, und Zinsen davon verschrieben
werden.
§. 820. Der Abschluß eines solchen Geschäfts aber muß, wenn
es gültig seyn soll, gerichtlich erfolgen.
§. 821. Wenn jemand zur Bezahlung eines Zinsenrückstandes
verurtheilt worden, und vor Ablaufe der im Urtel bestimmten Frist die Zahlung
nicht leistet, so kann der Gläubiger auch von diesem Rückstande
Zögerungszinsen, seit dem Tage, wo das Erkenntniß rechtskräftig geworden ist,
fordern.
§. 822. Im Mangel verabredeter Bestimmungen, sind
vorbedungene Zinsen beym Ablaufe eines jeden Jahres zu entrichten.
§. 823. Ist der Zahlungstermin des Capitals auf kürzere Zeit
als Ein Jahr bestimmt, so müssen die Zinsen mit dem Capitale zugleich
berichtiget werden.
§. 824. Wenn in einem Schuldscheine keine Zinsen versprochen
worden, so kann der Gläubiger dergleichen nicht fordern.
§. 825. Conventionalstrafen, zu welchen sich der Schuldner,
statt der Zinsen, auf den Fall, wenn die Rückzahlung des Capitals zur
bestimmten Zeit nicht erfolgte, schriftlich verbunden hat, sind in so weit
gültig, als sie nicht über Sechs, oder bey Kaufleuten und Juden nicht über Acht
vom Hundert betragen.
§. 826. Sind aber Zinsen vorbedungen, und zugleich eine
Conventionalstrafe bestimmt worden, so dürfen beyde zusammen den vorstehenden
Satz der Sechs und Acht vom Hundert nicht übersteigen.
Von Zögerungszinsen.
§. 827. Sind weder Zinsen noch Conventionalstrafe
vorbedungen, so muß dennoch der Schuldner, von dem Tage an, wo er die
Rückzahlung zu leisten schuldig war, und sie nicht geleistet hat,
Zögerungszinsen entrichten.
§. 828. Diese Zögerungszinsen laufen von dem im
Schuldscheine bestimmten Zahlungstage an.
§. 829. Ist im Instrumente kein Zahlungstag bestimmt, so
müssen sie, nach erfolgter Aufkündigung, von dem Ablaufe der dazu verabredeten,
oder gesetzmäßig bestimmten Frist, entrichtet werden.
§. 830. Als Zögerungszinsen können in der Regel Fünf vom
Hundert gefordert werden.
§. 831. Auch wenn im Schuldscheine niedrigere Zinsen
vorbedungen wären, kann der Gläubiger von der Zeit der Zögerung des Schuldners
an, Fünf vom Hundert fordern.
§. 832. Kaufleute und Juden können den höchsten ihnen
erlaubten Zinssatz oder Zögerungszinsen fordern, wenn sie gleich im Instrumente
selbst sich nur niedrigere Zinsen versprechen lassen.
§. 833. Außer den Zögerungszinsen kann der Gläubiger für den
durch den Verzug des Schuldners ihm entstandenen Schaden keine weitere
Vergütung fordern.
§. 834. Hat jedoch der Schuldner, bey vorhandenen
hinlänglichen Zahlungsmitteln, aus Vorsatz oder grobem Versehen, die Zahlung
verzögert, so kann der Gläubiger, statt der Zögerungszinsen, oder der
Conventionalstrafe, den Ersatz des aus diesem Verzüge ihm erwachsenen
wirklichen Schadens verlangen.
Vorschriften wegen Bezahlung der Zinsen.
§. 835. Sowohl vorbedungene als Zögerungszinsen müssen in
der Münzsorte des Capitals entrichtet werden.
§. 836. Was wegen der Capitalszahlungen §. 769-777 verordnet
ist, findet auch bey Entrichtung und Einkassirung der Zinsen statt.
§. 837. Wenn eine gewisse Summe zehn Jahre hindurch als
Zinsen eines schuldigen Capitals bezahlt worden, so entsteht die Vermuthung,
daß der Zahlende das Capital selbst als ein Darlehn schuldig sey.
§. 838. Diese Vermuthung wird bloß dadurch, daß der
Empfänger über das Capital selbst keinen Schuldschein vorzeigen kann, noch
nicht entkräftet.
§. 839. Ist die §. 837. beschriebene Zinsenzahlung durch
Dreyßig Jahre geleistet worden, so kann der Gläubiger das Capital vermöge eines
durch Verjährung erworbenen Rechts fordern, und der Beweis, daß ursprünglich
kein Darlehn gegeben worden, ist nur in dem Maaße zuläßig, wie gegen die
Verjährung überhaupt ein Beweis statt finden kann.
§. 840. Ist die Summe des Capitals, zu welchem sich der
Schuldner durch diese mehrjährige Zinsenzahlung (§. 837. 839.) bekannt hat, in
den Quittungen nicht ausgedrückt, noch sonst auszumitteln, so müssen die
jährlich gezahlten Interessen nach landüblichem Zinsfuße zu Capital gerechnet
werden.
§. 841. Unter landüblichen Zinsen werden im Gesetze Fünf vom
Hundert verstanden.
§. 842. Hat der Gläubiger bey einem zinsbaren Darlehne über
den letzten Zinstermin ohne Vorbehalt quittirt, so streitet für den Schuldner
die Vermuthung, daß auch die vorhergehenden Termine berichtiget worden.
§. 843. Ist über das Capital selbst ohne Vorbehalt quittirt
worden, so sind die vorbedungenen Zinsen für bezahlt oder erlassen zu achten.
§. 844. Dagegen folgt aus einer ohne Vorbehalt ausgestellten
Quittung über das Capital so wenig, als aus der Rückgabe des Schuldscheins, die
erfolgte Zahlung oder Erlassung der von dem Richter zuerkannten Verzugszinsen.
§. 845. Verzugszinsen, auf welche der Richter nicht erkannt
hat, können, auch von dem Tage des ergangenen Urtels an, nicht nachgefordert
werden, sobald über das Capital ohne Vorbehalt quittirt worden.
§. 846. Ein Gleiches findet statt, wenn vorbedungene Zinsen
zwar gefordert, aber von dem Richter übergangen worden, und der Gläubiger sich
bey dem Erkenntnisse beruhigt hat.
§. 847. Hat aber der Gläubiger die vorbedungenen Zinsen
nicht mit eingeklagt, so können dieselben, so lange noch nicht ohne Vorbehalt
über das Capital quittirt ist, nachgefordert werden.
§. 848. Hat der Richter geforderte Verzugszinsen im Urtel
übergangen, so hat dieses eben die Wirkung, als wenn er sie aberkannt hätte.
§. 849. Wer die gerichtliche Einklagung rückständig
verbleibender Zinsen länger als Zehn Jahre verabsäumt, der kann einen über Zehn
Jahre hinausgehenden Rückstand nicht ferner verlangen.
§. 850. Doch kommt dem Gläubiger bey dieser Art der
Verjährung alles das zu statten, was den Anfang der gewöhnlichen Verjährung
durch Nichtgebrauch hindert, oder deren Fortsetzung unterbricht.
§. 851. Außer diesem Falle können Zinsen, deren Berichtigung
der Schuldner verabsäumt oder verzögert hat, so weit sie rückständig sind,
gefordert werden, selbst, wenn der Rückstand, wegen Länge der Zeit, den Betrag
des Capitals übersteigt.
§. 852. Noch weniger kann ein Schuldner bloß aus dem Grunde,
weil die von ihm nach und nach gezahlten Zinsen die Summe des Capitals bereits
übersteigen, der fernern Verzinsung sich entziehn.
Von uneigentlichen Darlehnen.
§. 853. Sind Sachen, welche nicht unter die Gegenstände des
eigentlichen Darlehns gehören, mit der Bedingung gegeben worden, daß eben so
viel Sachen von gleicher Art und Beschaffenheit zurückgegeben werden sollen, so
finden in der Regel alle wegen des eigentlichen Darlehns ertheilten Vorschriften
Anwendung.
§. 854. Der Empfänger ist dergleichen Sachen in eben der
Quantität und Qualität, wie er sie erhalten hat, zurückzuliefern befugt und
schuldig; es mögen dieselben in der Zwischenzeit am Werthe gefallen oder
gestiegen seyn.
§. 855. Auch bey uneigentlichen Darlehnen kann statt der
Zinsen eine bestimmte Quantität Sachen von der vorgeliehenen Art bedungen
werden.
§. 856. Aber auch bey uneigentlichen Darlehnen sind nur die
bey eigentlichen erlaubten Zinssätze zuläßig.
§. 857. Sind die Zinsen solcher uneigentlichen Darlehne in
Gelde bedungen, so muß, bey Beurtheilung des Zinssatzes, auf den Werth, welchen
die zum Darlehne gegebenen Sachen zur Zeit des geschlossenen Vertrages gehabt
haben, Rücksicht genommen werden.
§. 858. Wo bey uneigentlichen Darlehnen Zinsen bedungen
sind, da kann der Gläubiger, bey verzögerter Rückzahlung, nur eben so, wie bey
eigentlichen Darlehnen, Verzugszinsen oder Entschädigung fordern. (§. 827-834.)
§. 859. Sind aber keine Zinsen bedungen, und der Schuldner
verzögert die Rückzahlung, so hat der Gläubiger die Wahl, entweder die Sachen
in Natur, nebst den gesetzmäßigen Verzugszinsen, oder den Werth der Sachen, wie
derselbe zur Zeit der schuldigen Ablieferung gewesen ist, zu fordern.
§. 860. Verzögert der Gläubiger ohne erheblichen Grund die
Annahme der Sache, so hat der Schuldner die Wahl: ob er noch die Sache selbst
geben, oder deren zur Zeit der verabredeten Rücklieferung gestandenen Werth
entrichten wolle.
Vom Creditiren,
§. 861. Wenn anzunehmen sey, daß Sachen auf Credit gegeben
worden, ist gehörigen Orts bestimmt. (§. 224-227.)
§. 862. So weit jemand unfähig ist, eigentliche Darlehne
aufzunehmen, so weit dürfen ihm auch Sachen nicht auf Credit gegeben werden.
§. 863. Creditirtes Lohn für wirklich gelieferte Arbeit,
oder geleistete Dienste, sind auch solche Personen zu entrichten verbunden.
§. 864. Ein Gleiches gilt wegen der bey solchen
Gelegenheiten von dem Arbeiter gemachten baaren Auslagen, in so fern die Sachen
zum eignen Gebrauche des Schuldners erforderlich waren.
§. 865. Doch muß der Gläubiger, statt des etwa verabredeten
höhern, mit dem zu derselben Zeit und an demselben Orte üblichen niedrigern
Lohne, und anstatt des verabredeten, mit dem wirklichen minderen Werthe der
gelieferten Sachen sich begnügen.
§. 866. Jede rückständige Zahlung muß nach der Natur des
Geschäfts, aus welchem die Verbindlichkeit dazu entstanden ist, beurtheilt
werden.
§. 867. Es ändert also die Natur des ursprünglichen
Geschäfts, aus welchem die Zahlungsverbindlichkeit entstanden ist, noch nicht,
wenn gleich über die schuldige Summe ein Schuldschein, als über ein Darlehn,
ausgestellt worden.
§. 868. Nur in Ansehung der von dem Rückstande zu
entrichtenden Zinsen finden eben die Vorschriften, wie bey eigentlichen
Darlehnen, Anwendung.
Achter Abschnitt
Von Verträgen; wodurch Sachen gegen Handlungen, oder
Handlungen gegen Handlungen versprochen werden
Allgemeine Grundsätze.
§. 869. Verabredungen, nach welchen Gelder oder Sachen für
übernommene Handlungen oder Unterlassungen, oder Handlungen oder Unterlassungen
gegen einander, versprochen werden, sind nach den Regeln der lästigen Verträge
zu beurtheilen.
§. 870. Es gehört also zum Wesen dieser Verträge, daß dem,
welcher zu einer Handlung oder Unterlassung sich verpflichtet, eine Vergütung
dagegen versprochen werde.
§. 871. Ist diese Vergütung im Vertrage nicht hinlänglich
bestimmt, so muß die fehlende Bestimmung nach dem Gutachten der
Sachverständigen ergänzt werden.
§. 872. Ist gar keine Vergütung bestimmt, so ist der Vertrag
ohne rechtliche Wirkung, und es kann auf dessen Erfüllung nicht geklagt werden.
§. 873. Hat aber der, welcher die Handlung übernommen hatte,
sie wirklich geleistet; und gehört die Handlung zu seinen gewöhnlichen
Nahrungs- und Berufsgeschäften; so kann er dafür, auch ohne ausdrücklichen
Vorbehalt, den gewöhnlichen Lohn nach dem Gutachten der Sachverständigen
fordern.
§. 874. Gehört der Handelnde nicht unter diese Klasse; es
sind aber auch die Umstände nicht vorhanden, unter welchen eine Freygebigkeit
gesetzlich vermuthet werden kann; so kann er dennoch eine Vergeltung, jedoch
nur nach dem niedrigsten durch Sachverständige zu bestimmenden Satze fordern.
(§. 1041. sqq.)
§. 875. Ist für die übernommene Handlung nicht Geld oder
eine andere Handlung, sondern eine Sache, oder die Abtretung eines Rechts
versprochen worden, so sind die Pflichten des Versprechenden, in Ansehung der
von ihm zu leistenden Erfüllung, nach den Regeln vom Verkaufe, oder von der
Cessionsleistung zu bestimmen.
§. 876. Bey Verträgen, wodurch Sachen gegen Handlungen, oder
Handlungen gegen einander versprochen werden, findet, wegen angeblicher
Verletzung im Werthe, außer dem Falle eines Betrugs, weder Anspruch noch
Einwand statt.
§. 877. Auch aus solchen Verträgen kann, so wie aus allen
übrigen, wenn sie durch wechselseitige Einwilligung in gesetzmäßiger Form
abgeschlossen sind, auf Erfüllung geklagt werden.
§. 878. Wenn aber der eine Theil die versprochene Erfüllung
weigert, so kann der andere von dem Vertrage sofort zurücktreten.
§. 879. In Ansehung der Fälle, wo ein solcher Vertrag, wegen
Unmöglichkeit der Erfüllung, wieder aufgehoben wird, hat es bey den allgemeinen
Vorschriften des Fünften Titels §. 360. sqq. sein Bewenden.
§. 880. Hat in diesem Falle der eine Theil den Vertrag von
seiner Seite, durch Leistung der versprochenen Handlung, schon vollständig
erfüllt, und die Unmöglichkeit der Erfüllung von der andern Seite entsteht
durch die Schuld des andern Contrahenten: so muß letzterer dem erstern, nach
Maaßgabe des Grades seiner Verschuldung, den außerordentlichen Werth der
versprochenen Sache, oder den Werth der besondern Vorliebe vergüten.
§. 881. Sollte der Contrahent, welchem durch seine Schuld
die Erfüllung des von der andern Seite schon ganz erfüllten Vertrags unmöglich
wird, ebenfalls eine Handlung leisten: so muß er dem andern den aus der
Unterbleibung dieser Handlung entstehenden Schaden und entgehenden Gewinn, nach
Maaßgabe des Grades seiner Verschuldung, vergüten.
§. 882. Hat der eine Theil den Vertrag bereits ganz erfüllt,
und dem andern wird die Erfüllung von seiner Seite durch bloßen Zufall
unmöglich: so muß ersterer mit der Vergütung des gemeinen Werths der
versprochenen Sache, oder des gewöhnlichen Lohns der Handlung, die er selbst
geleistet hat, sich begnügen.
§. 883. Hat in dem Falle, wo der Vertrag wegen Unmöglichkeit
der Erfüllung rückgängig wird, der eineTheil den Vertrag zwar noch nicht ganz
erfüllt; aber doch auf Rechnung desselben schon eine oder mehrere Handlungen
geleistet, und die fernere Erfüllung wird ihm selbst durch seine eigne Schuld
unmöglich: so kann er für das Geleistete von dem Andern nur in so fern
Vergütung fordern, als dieser sonst mit seinem Schaden reicher werden würde.
§. 884. Ein Gleiches findet statt, wenn dem, der schon etwas
geleistet hat, die fernere Leistung nur durch einen Zufall, aber doch durch
einen solchen, der sich in seiner Person ereignet, unmöglich wird.
§. 885. Macht hingegen ein bloßer Zufall, daß dem, welcher
die contraktmäßigen Handlungen schon zum Tneil geleistet hat, die Leistung der
übrigen unmöglich wird, so kann er für das Geleistete von dem andern
Contrahenten gewöhnliche Vergütung nach dem Gutachten der Sachverständigen
fordern.
§. 886. Entsteht die Unmöglichkeit der Erfüllung von der
Seite des andern Contrahenten, und zwar durch Zufall: so kann der, welcher auf
Abrechnung des Vertrages schon Handlungen geleistet hat, contraktmäßige
Vergütung dafür, nach Verhältniß des geleisteten, gegen das ganze im Contrakte
Versprochene, fordern.
§. 887. Kann nach diesem Grundsatze die contraktmaßige
Vergütung nicht bestimmt werden, so muß der Leistende mit einer gewöhnlichen
Vergütung, nach dem Gutachten der Sachverständigen, sich begnügen.
§. 888. Entsteht bey dem andern Contrahenten die
Unmöglichkeit, den Vertrag zu erfüllen, durch dessen eignes Verschulden, so
kann der, welcher auf Rechnung des Vertrages schon Handlungen geleistet hat,
contraktmäßige Vergütung dafür nach §. 886. oder im Falle des §. 887. die
höchste von Sachverständigen zu bestimmende Vergeltung fordern.
§. 889. Außerdem aber muß ihm der andre Contrahent nach dem
Grade seiner Verschuldung, für den wirklichen Schaden und entgehenden Gewinn
haften, weicher daraus erwächst, daß der Vertrag durch Leistung der noch
übrigen Handlungen nicht erfüllt, und also auch die ganze im Contrakte
versprochene Vergeltung nicht gefordert werden kann.
§. 890. Hat sich jemand zu bloßen Unterlassungen
verpflichtet, und er handelt dieser seiner Verpflichtung zuwider, so muß er,
nach dem Grade der ihm dabey zur Last fallenden Verschuldung, den Andern
entschädigen.
§. 891. Ist er aber zu der Handlung, die er unterlassen
sollte, durch unabwendbare Gewalt und Uebermacht genöthigt worden, so ist er
zwar von aller Vertretung gegen den andern Contrahenten frey;
§. 892. Doch muß er demselben dasjenige zurückgeben oder
vergüten, was er von demselben als Wiederlage für die angelobte Unterlassung
erhalten hat.
§. 893. Kann demjenigen, der zu einer Unterlassung sich
verpflichtet hat, von dem andern Contrahenten keine Erfüllung geleistet werden,
so muß letzterer ihm für den aus der bisherigen Unterlassung entstandenen
Schaden, nach dem Grade der Verschuldung, gerecht werden.
1) Verträge
zwischen Herrschaften und Gesinde.
§. 894. Die Verträge zwischen Herrschaften und gemiethetem
Gesinde, ingleichen mit gedungenen gemeinen Handarbeitern und Tagelöhnern,
gehören unter diese Classe von Verträgen. (Th. II. Tit. V.)
2) Verträge mit
gedungnen Handarbeitern und Tagelöhnern.
§. 895. Ein gedungener Handarbeiter ist schuldig, die Arbeit
verabredetermaaßen, unter der Aufsicht oder nach der Vorschrift dessen, der ihn
gedungen hat, zu verrichten.
§. 896. So lange er diese Vorschrift befolgt, darf er dem,
welcher ihn gedungen hat, nicht für den Ausschlag der Arbeit stehn, oder die
fehlgeschlagene Unternehmung vertreten.
§. 897. Wie weit aber Arbeiter, durch die Anweisung oder den
Befehl des Dingenden, von dem Ersatze des einem Dritten entstandenen Schadens
befreyt werden, oder nicht, ist im Sechsten Titel §. 45. sqq. bestimmt.
§. 898. Handelt der Arbeiter wider die Vorschrift, so haftet
er für allen dadurch verursachten Schaden.
§. 899. Außerdem dürfen gemeine Handarbeiter sowohl gegen
den Dingenden, als gegen einen Dritten, nur ein grobes oder mäßiges Versehen
vertreten.
§. 900. Der gedungene Arbeiter kann nur mit Einwilligung des
Dingenden an seiner statt einen andern stellen.
§. 901. Ist dieses mit Einwilligung des Dingenden geschehen,
so darf der Arbeiter für die Handlungen des Stellvertreters, wenn nichts
Besondres verabredet worden, nicht einstehn.
§. 902. Bey eintretenden unüberwindlichen Hindernissen, ist
der Arbeiter einen andern für sich zu stellen nicht verpflichtet.
§. 903. Er ist jedoch schuldig, den Dingenden von dem
Hindernisse sobald als möglich zu benachrichtigen.
§. 904. Außer diesem Falle muß der Arbeiter, der weder die
Arbeit selbst verrichten will, noch sich mit dem Dingenden über die Stellung
eines andern vereinigen kann, zur Leistung der versprochenen Arbeit, oder
Vertretung des dem Dingenden aus der Unterbleibung entstehenden Nachtheils,
nach den Vorschriften der Prozeßordnung angehalten werden.
§. 905. Wenn die Zeit, wie lange der Vertrag dauern soll,
weder in sich, noch in Beziehung auf die Vollendung einer gewissen Arbeit
bestimmt ist, so ist bey gemeinen Handarbeitern der Vertrag nur auf Einen Tag
für geschlossen zu achten, und es kann also jeder Theil mit dem Verlaufe jeden
Tages davon wieder abgehn.
§. 906. Ein Gleiches findet statt, wenn auch die Bezahlung
der Arbeit nicht nach dem Tagelohne, sondern nach Klaftern, Ruthen, oder einem
andern Maaße bedungen worden; sobald nur erhellet, daß nicht das Werk selbst
verdungen, sondern die Bestimmung des Maaßes bloß der nähern Bezeichnung wegen
beygefügt worden.
§. 907. Ist aber der Arbeiter auf eine in sich, oder durch
Bezug auf die Vollendung eines gewissen Werks bestimmte Zeit gedungen worden:
so kann er vor Ablauf dieser Zeit, in der Regel nur alsdann, wenn er untüchtig
befunden wird, oder sonst seiner Pflicht kein Gnüge leistet, entlassen werden.
§. 908. Wird in diesem Falle, wo der Vertrag mit dem
Arbeiter auf eine in sich, oder durch Bezug auf die Vollendung eines gewissen
Werks bestimmte Zeit geschlossen ist, die Fortsetzung der Arbeit durch einen
Zufall, auch nur auf eine Zeitlang unterbrochen, so kann dennoch jeder Theil
von dem Vertrage wieder abgehn, und der Arbeiter kann nur für das Geleistete
contraktmäßige Vergütung, weiter aber keine Entschädigung fordern.
§. 909. Will jedoch der Dingende bey dem Vertrage stehen
bleiben, und verlangt er, daß der Arbeiter, nach gehobenem Hindernisse, die
Arbeit fortsetzen solle: so muß dieser, gegen Vergütung des gewöhnlichen
Tagelohns für die Zwischenzeit, sich dieses gefallen lassen.
§. 910. Wird die Arbeit auf eine Zeitlang durch grobes oder
mäßiges Verschulden des Dingenden, oder gar durch die freye Willkühr desselben
unterbrochen: so kann der Arbeiter, wenn er, nach gehobnem Hindernisse, die
Arbeit fortsetzen will, auch für die Zwischenzeit nach Vorschrift §. 909.
Vergütung fordern.
§. 911. Will er aber von dem Vertrage wieder abgehn, so muß
er mit contraktmäßiger Vergütung des Geleisteten sich begnügen.
§. 912. In den Fällen des §. 909. 910. muß der Arbeiter
dasjenige, was er in dieser Zwischenzeit durch anderweitige Beschäftigungen
erworben, oder doch zu erwerben erweislich Gelegenheit gehabt hat, auf die ihm
zukommende Vergütung sich abrechnen lassen.
§. 913. Entsteht eine solche Unterbrechung der Arbeit durch
die Schuld des Arbeiters, so kann der Dingende von dem Vertrage zurücktreten,
und der Arbeiter kann für das bereits Geleistete nur so weit, als dadurch der
Vortheil des Dingenden wirklich schon befördert worden, Vergütung fordern.
§. 914. Auch ist alsdann der Arbeiter dem Dingenden für den
aus der Unterbrechung der Arbeit entstandenen Schaden zu haften verpflichtet.
§. 915. Will aber der Dingende bey dem Vertrage stehen
bleiben, und verlangt er also, daß der Arbeiter, nach gehobenem Hindernisse,
die Arbeit fortsetzen solle, so muß er das schon Geleistete contraktmäßig
vergüten.
§. 916. Doch bleibt auch alsdann der Arbeiter nach §. 914.
zur Schadloshaltung verhaftet, und kann für die Versäumniß der Zwischenzeit
keine Vergütung fordern.
§. 917. Veranlaßt ein Zufall, daß die Arbeit ganz
abgebrochen werden muß, so erhält der Arbeiter für das bereits Geleistete contraktmäßige
Vergütung; außerdem aber ist kein Theil dem andern zur Schadloshaltung
verpflichtet.
§. 918. Wird die Arbeit durch Schuld oder Willkühr des
Dingenden ganz abgebrochen, so muß derselbe nicht nur das bereits Geleistete
contraktmäßig vergüten, sondern auch dem Arbeiter, so lange bis er Arbeit zu
finden Gelegenheit hat, nach richterlichem Ermessen, das gewöhnliche Tagelohn
entrichten.
§. 919. Entsteht die gänzliche Abbrechung der Arbeit durch
die Schuld des Arbeiters, so muß dieser nicht nur mit einer Vergütung des
Geleisteten, welche dem durch das Geleistete dem Dingenden wirklich verschaften
Vortheil angemessen ist, sich begnügen; sondern auch letzterm für den aus der
Rückgängigwerdung des Geschäfts entstehenden Schaden haften.
3) Verträge mit Handwerkern und Künstlern.
§. 920. Was vorstehend von gemeinen Handarbeitern verordnet
ist, findet in der Regel auch alsdann statt, wenn Werkmeister oder Künstler zur
Verrichtung einer gewissen Arbeit gedungen werden.
§. 921. Doch sind diese die Arbeit nach den Regeln ihrer
Kunst zu verrichten, und dabey auch für ein geringes Versehen zu haften
schuldig.
§. 922. Hat aber der Dingende eine gewisse Art, wie die
Arbeit verrichtet werden soll, ausdrücklich vorgeschrieben: so ist der
Arbeiter, sofern nicht Polizeygesetze entgegen stehen, sich darnach zu richten
verbunden.
§. 923. Er darf jedoch dabey nur für ein mäßiges Versehen
haften, und in so fern ihm dergleichen Versehen nicht zur Last fällt, den
Erfolg auf keine Weise vertreten.
§. 924. In den Fällen, wo der gemeine Handarbeiter nach den
§. 909. 910. 918. Tagelohn für die Wartezeit fordern kann, muß dem Werkmeister
oder Künstler eine billige Vergütung, nach richterlichem Ermessen, ausgesetzt
werden.
4) Verträge über ein verdungenes Werk.
§. 925. Ist ein Werkmeister oder Künstler nicht bloß zu
einer Arbeit gedungen, sondern ihm ein ganzes Werk in Pausch und Bogen
angedungen worden; so finden zuförderst die allgemeinen Grundsätze §. 869. sqq.
Anwendung.
§. 926. Auch wenn der Werkmeister die Materialien herzugeben
übernommen hat, kann ein solcher Vertrag, unter dem Vorwande einer Verletzung
über oder unter der Hälfte, weder von einem noch dem andern Theile angefochten
werden. (§. 876.)
§. 927. Vielmehr muß der Werkmeister seiner Verbindlichkeit
eine Gnüge leisten, wenn es auch zu seinem Schaden ausschlagen sollte.
§. 928. In allen Fällen, wo ein Werk oder eine Arbeit einem
Werkmeister oder Künstler angedungen worden, ist derselbe das Geschäft selbst
auszuführen verbunden, und kann die Ausführung, wider den Willen des Bestellers,
einem andern nicht übertragen.
§. 929. Dagegen kann er sich, wenn nicht ein anderes
ausdrücklich verabredet ist, fremder Gehülfen und Mitarbeiter dabey bedienen.
§. 930. Er muß aber die Handlungen dieser von ihm selbst
gewählten Gehülfen, gleich seinen eignen, vertreten.
§. 931. Auch hat der Besteller ein Recht des Widerspruchs,
wenn der Werkmeister zu Arbeiten, welche handwerksmäßige Kenntnisse und
Geschicklichkeiten erfordern, Leute, die zu diesem Handwerke nicht gehören, und
überhaupt, wenn er offenbar untüchtige Arbeiter und Gehülfen annimmt.
§. 932. Der Werkmeister kann der Regel nach und wenn nicht
ein Anderes verabredet ist, die Zahlung nicht eher fordern, als bis das Werk
bedungenermaßen fertig geliefert, und von dem Besteller übernommen worden.
§. 933. Das bestellte Werk muß zur bestimmten Zeit vollendet
und übergeben werden.
§. 934. Ist keine Zeit bestimmt, so muß der Werkmeister die
Arbeit sofort anfangen, und gehörig fortsetzen.
§. 935. Auch ein Werkmeister ist nicht befugt, das bestellte
Werk noch vor Ablauf der ausdrücklich bestimmten Zeit abzuliefern, und den
Besteller zur Annahme desselben zu nöthigen.
§. 936. Liefert der Werkmeister das Werk zur bestimmten Zeit
nicht ab, so trägt er von da an alle Gefahr, auch wegen der etwa von dem
Besteller gelieferten Materialien.
§. 937. Er haftet überdies dem Besteller für den aus der
Zögerung entstehenden Schaden, nach Verhältniß seines entweder bey Abschließung
des Vertrages, oder bey dem Betriebe der Arbeit begangenen Verschuldens.
§. 938. Ueberhaupt aber steht dem Besteller frey, wenn das
Werk mit dem Ablaufe der ausdrücklich bestimmten Zeit durch die Schuld des
Werkmeisters, oder durch einen in dessen Person sich ereignenden Zufall nicht
abgeliefert wird, von dem Vertrage zurückzutreten.
§. 939. Wird die Uebernehmung des fertigen Werks von dem
Besteller ohne rechtlichen Grund verzögert, so muß letzterer alle Gefahr
tragen.
§. 940. Ueberdies muß der Besteller dem Werkmeister für den
bedungenen Lohn Zögerungszinsen, vom Ablauf der bestimmten Zeit an, wo das Werk
fertig war, entrichten; und allen sonstigen aus der verzögerten Uebernahme
entstandenen Schaden, oder die durch längere Aufbewahrung der Sache verursachten
Kosten vergüten.
§. 941. Die auf ein verdungenes Werk im Voraus geleisteten
Zahlungen werden auf den verabredeten Preis in Abzug gebracht.
§. 942. Ist bey der Bestellung kein Preis verabredet worden,
und die Parteyen können sich darüber bey der Ablieferung nicht vereinigen: so
muß derselbe, nach Würdigung der Sachverständigen, von dem Richter bestimmt
werden.
§. 943. Bey der Ablieferung des Werks kann jeder von beyden
Theilen verlangen, daß dasselbe, auf seine Kosten, von Sachverständigen
besichtigt werde.
§. 944. Sind keine öffentlich bestellte Schaumeister
vorhanden, so ist jeder Theil einen Kunstverständigen m Vorschlag zu bringen
berechtigt.
§. 945. Finden die Kunstverständigen einstimmig, daß das
Werk tüchtig und contraktmäßig angefertigt sey, so muß der Besteller es
annehmen, und die versprochene Zahlung dafür leisten.
§. 946. Doch bleibt ihm, nach geleisteter Zahlung, die
Ausführung seiner Einwendungen im Wege Rechtens vorbehalten.
§. 947. Wird das Werk untüchtig befunden, so hat der
Besteller die Wahl: ob er vom Contrakte abgehen, und also die Annahme
verweigern, oder Schadloshaltung wegen der bemerkten Fehler fordern wolle.
§. 948. Doch steht auch dem Werkmeister frey, über die von
dem Besteller behauptete Untüchtigkeit des Werks, auf richterliche Untersuchung
und Entscheidung anzutragen.
§. 949. In allen Fällen, wo der Besteller, wegen befundener
Untüchtigkeit, das Werk anzunehmen nicht schuldig ist, kann er für die von ihm
dazu gelieferten Materialien, nach eigener Wahl, entweder Ersatz in gleicher
Quantität und Qualität, oder Vergütung des Werths fordern.
§. 950. Wählt der Besteller das letztere, und hat er die
Materialien selbst angekauft, so muß ihm der kostende Preis, sonst aber der
Werth, welchen die Materialien zur Zeit der Ablieferung an den Werkmeister
gehabt haben, ersetzt werden.
§. 951. In Ansehung solcher Fehler, welche keinen
wesentlichen Einfluß auf den Gebrauch der Sache haben, findet nur Minderung des
bedungenen Preises, oder Schadloshaltung statt.
§. 952. Ist jedoch bey Werken, die zur Pracht und Zierde
bestimmt sind, in der äußerlichen Gestalt und Form derselben ein erheblicher
Fehler begangen worden; so findet, wenn auch dieser Fehler den Gebrauch der
Sache an sich nicht hindert, dennoch die Vorschrift §. 947. Anwendung.
§. 953. Eben das gilt, wenn der Sache eine ausdrücklich
vorbedungene, wenn gleich an sich außerwesentliche Eigenschaft ermangelt.
§. 954. Der Werkmeister haftet für die gegen die Regeln
seiner Kunst begangenen Fehler, und muß dabey auch ein geringes Versehen
vertreten.
§. 955. Hat er aber auf ausdrückliches Verlangen des
Bestellers von den Regeln seiner Kunst abweichen müssen, so findet die
Vorschrift des §. 923. Anwendung.
§. 956. Ist die Auswahl und Anschaffung der Materialien dem
Werkmeister überlassen worden, so muß er auch dabey ein geringes Versehen
vertreten.
§. 957. Hat der Besteller die Materialien geliefert, und
darüber kein Urtheil des Werkmeisters verlangt, so haftet letzterer für einen
aus der Beschaffenheit dieser Materialien entstandenen Fehler nur alsdann, wenn
dieselben zu der bestellten Arbeit offenbar untüchtig waren, und er den
Besteller deshalb nicht gewarnt hat.
§. 958. Verlangt hingegen der Besteller über die von ihm
angeschafften Materialien das Urtheil des Werkmeisters, so haftet letzerer, bey
dieser Beurtheilung, nur für ein mäßiges Versehen.
§. 959. Unglücksfälle an den Materialien, während der
Arbeit, treffen den Eigenthümer derselben.
§. 960. Wird das Werk selbst, vor der zur Uebergabe
bestimmten Zeit, durch einen Zufall vernichtet, oder unbrauchbar gemacht, so
verliert der Werkmeister Arbeitslohn und Auslagen.
§. 961. Hat der Besteller die Materialien geliefert, so muß
er dieselben, so weit sie noch vorhanden, und wie sie beschaffen sind,
zurücknehmen.
§. 962. Auch ist er in diesem Falle befugt, von dem Vertrage
abzugehen, wenn gleich der Werkmeister zur Anfertigung eines neuen Werks, gegen
den verabredeten Preis, und gegen Lieferung neuer Materialien, sich erbieten
wollte.
§. 963. Hat aber in dem Falle des §. 960. der Werkmeister
die Materialien angeschafft, so hängt es von diesem ab, ob er von dem Contrakte
abgehen, oder
noch zu dessen Erfüllung mit andern Materialien zugelassen
seyn wolle.
§. 964. Doch findet Letzteres nur in so fern statt, als
entweder kein Termin zur Ablieferung bestimmt war, oder der Werkmeister die
bestimmte Frist noch inne halten kann.
§. 965. Ereignet sich der Unglücksfall an dem Werke nach dem
zur Ablieferung bestimmten Termine, jedoch vor der wirklichen Uebergabe, so hat
es bey den Vorschriften §. 936. 937. 938. sein Bewenden.
Insonderheit von verdungenen Bauen.
§. 966. Wenn ein übernommener Bau vor der Uebergabe
einstürzt, oder sonst Schaden leidet, so wird vermuthet, daß der Unfall aus
einem Fehler des Baumeisters entstanden sey.
§. 967. Ist der Schade erweislich durch einen bloßen Zufall,
oder durch einen solchen Fehler entstanden, welchen der Baumeister, als
Kunstverständiger, nicht hat voraussehen können: so trift der Verlust den
Bauherrn.
§. 968. Ist aber der Bau von dem Bauherrn einmal übernommen
worden, so kann der Baumeister wegen solcher Fehler, die aus der Bauart, und
weil dabey die Regeln der Kunst angeblich nicht beobachtet worden, entstanden
seyn soll, nur innerhalb Dreyer Jahre nach der Uebergabe in Anspruch genommen
werden.
§. 969. Wegen solcher Fehler hingegen, die in der schlechten
Beschaffenheit der Materialien ihren Grund haben sollen, kann der Baumeister zu
allen Zeiten, innerhalb der gewöhnlichen Verjährungsfrist, zur Verantwortung
gezogen werden.
§. 970. In beyden Fällen aber ist, auch nach der Uebergabe,
die Frage: in wie fern ein sich äußernder Fehler, je nachdem derselbe in der
Beschaffenheit der Materialien, oder der Arbeit seinen Grund hat, von dem
Baumeister vertreten werden müsse? nach der Vorschrift §. 954-958. zu
beurtheilen.
Rechte aus diesem Vertrage bey entstandnem Concurse.
§. 971. Bey unbeweglichen Sachen hat der Werkmeister, in
Ansehung der darin verwendeten Materialien und Arbeiten, ein in der
Concursordnung näher bestimmtes Vorrecht.
§. 972. Dieses Vorrecht kann er, so lange der Concurs noch
nicht eröfnet ist, auf die Sache, auch ohne die besondere Einwilligung des
Schuldners eintragen lassen.
§. 973. Auf bewegliche Sachen, die dem Besteller einmal
übergeben worden, kann dies Vorrecht nicht ausgedehnt werden.
§. 974. Entsteht aber vor der Uebergabe Concurs über das
Vermögen des Bestellers, so kann der Werkmeister, wegen seiner Arbeit und
Auslagen, des Zurückbehaltungsrechtes auf das noch in seiner Gewahrsam
befindliche Werk sich bedienen.
§. 975. Entsteht vor Ablieferung des Werks Concurs über das
Vermögen des Werkmeisters, so kann der Besteller das in der Masse vorhandene
vollendete Werk, gegen Erlegung des noch schuldigen Preises, fordern.
§. 976. Ist das Werk noch unvollendet, so kann er die von
ihm gelieferten Materialien, so weit sie noch vorhanden sind, als sein
Eigenthum zurücknehmen.
§. 977. Gleiche Befugniß steht dem Besteller zu, wenn
Materialien vorhanden sind, die der Werkmeister von dem Vorschusse, welchen ihm
der Besteller dazu ausdrücklich gegeben, erweislich angeschaft und bezahlt hat.
§. 978. So weit der Besteller für die von ihm gelieferten
Materialien, oder für den Vorschuß, den er zu deren Anschaffung gegeben hat,
durch diese Zurücknahme nicht entschädigt werden kann, ist er an das in der
Masse vorhandene noch unvollendete Werk sich zu halten berechtigt.
§. 979. Kann er dadurch seine Befriedigung nicht erhalten,
so muß er mit der in der Concursordnung ihm sonst angewiesenen Stelle sich
begnügen.
§. 980. Der Besteller kann der Annahme des in der
Concursmasse vollendet vorgefundenen Werks, gegen die Gläubiger, nur aus eben
den Gründen, die er dem Gemeinschuldner selbst hätte entgegensetzen können,
sich weigern.
5) Lieferungsverträge.
§. 981. Wer sich verpflichtet, einem Andern eine bestimmte
Sache für einen gewissen Preis zu verschaffen, wird ein Lieferant genannt.
§. 982. Der Lieferant kann sich der übernommenen Pflicht
nicht entziehn, wenn auch die Lieferung durch nachher eingetretene Umstände
erschwert wird.
§. 983. Wegen der Fälle, wenn die Lieferung überhaupt, oder
die bestimmte Art derselben, in Ansehung der Zeit oder des Orts unmöglich, oder
mit einer unvorhergesehenen Gefahr verknüpft wird, hat es bey den allgemeinen
Vorschriften des Titels von Verträgen §. 360-376. sein Bewenden.
§. 984. Wenn wegen veränderter Umstände die versprochene
Lieferung zu dem Zwecke, wozu der Besteller sie bedungen hat, unnütz oder
unbrauchbar wird: so kann zwar derselbe den Vertrag widerrufen;
§. 985. Er muß aber den Lieferanten, wegen der zu Erfüllung
von seiner Seite bereits gemachten Anstalten, und verwendeten Bemühungen oder
Kosten, vollständig entschädigen.
§. 986. So weit der Lieferant zur Zeit des Widerrufs die
bestellte Sache ganz oder zum Theil bereits angeschafft hat, muß der Besteller
sie annehmen, oder sich den öffentlichen Verkauf auf seine Gefahr und Kosten
gefallen lassen.
§. 987. Nach geleisteter Lieferung findet unter den
Contrahenten alles das statt, was zwischen Käufern und Verkäufern Rechtens ist.
6) Prämien.
§. 988. Auf nützliche Geistesarbeiten, oder gemeinnützige
körperliche Fähigkeiten oder Unternehmungen, öffentliche Belohnungen
auszusetzen, ist einem jeden erlaubt.
§. 989. Wer dergleichen Prämien aussetzt, kann sein
Versprechen vor dem Ablaufe der bestimmten Zeit nicht zurücknehmen.
§. 990. Doch steht ihm frey, die Preisfrage innerhalb der
ersten Hälfte der zu ihrer Beantwortung ausgesetzten Zeit näher zu bestimmen.
§. 991. Er kann sich selbst in den Wettstreit nicht mit
einlassen, wenn er sich dieses bey der Bekanntmachung nicht ausdrücklich
vorbehalten hat.
§. 992. Wer sich nicht zu rechter Zeit, oder nicht mit den
vorgeschriebenen Maaßregeln als Mitwerber gemeldet hat, kann auf den Preis
keinen Anspruch machen.
§. 993. Selbst der, welcher den Preis ausgesetzt hat, kann
einen solchen Mitwerber zum Nachtheile der übrigen nicht zulassen.
§. 994. Dem Urtheile des Aussetzers, oder dem von diesem
gleich bey Bekanntmachung der Aufgabe ernannten Richter, müssen sämmtliche
Mitwerber sich ohne alle Widerrede und weitere Berufung unterwerfen.
§. 995. Das Eigenthum der von einem jeden Mitwerber
gelieferten Arbeit bleibt ihrem Urheber; und der Aussetzer des Preises kann
sich darüber keiner andern Verfügung anmaaßen, als die er sich bey der
Bekanntmachung ausdrücklich vorbehalten hat, oder die aus dem erklärten Zwecke
der Aufgabe von selbst folgt.
7) Verlagsverträge.
§. 996. Das Verlagsrecht besteht in der Befugniß, eine
Schrift durch den Druck zu vervielfältigen, und sie auf den Messen, unter die
Buchhändler und sonst, ausschließend abzusetzen.
§. 997. Nicht bloß Bücher, sondern auch Landcharten,
Kupferstiche, topographische Zeichnungen, und musikalische Compositionen, sind
ein Gegenstand des Verlagsrechtes.
§. 998. In der Regel erlangt der Buchhändler das
Verlagsrecht nur durch einen mit dem Verfasser darüber geschlossenen
schriftlichen Vertrag.
§. 999. Ist dergleichen schriftlicher Vertrag nicht
errichtet, die Handschrift jedoch von dem Schriftsteller abgeliefert worden: so
gilt die mündliche Abrede zwar in Ansehung des dem Verfasser versprochenen
Honorarii; in allen übrigen Stücken aber sind die Verhältnisse beyder Theile
lediglich nach den gesetzlichen Vorschriften zu beurtheilen.
§. 1000. Der Verfasser ist schuldig, den schriftlichen
Vertrag durch Lieferung der Handschrift zu gehöriger Zeit zu erfüllen.
§. 1001. Thut er dieses nicht, so kann der Verleger von dem
Vertrage wieder abgehn.
§. 1002. Ist die Zeit, wenn die Handschrift geliefert werden
soll, im Vertrage nicht bestimmt, so wird angenommen, daß dieselbe dergestalt
geliefert werden solle, damit der Verleger die Schrift noch auf die nächste
Leipziger Messe bringen könne.
§. 1003. Erhellet aus der Größe und dem Umfange des Werks,
oder aus der kurzen Zwischenzeit bis zur Messe, oder aus andern Umständen, daß
dem Schriftsteller eine längere Zeit gestattet seyn sollen, so hängt die nähere
im Contrakte nicht enthaltene Bestimmung von dem Schriftsteller ab.
§. 1004. Doch kann derselbe von dem Verleger angehalten
werden, eine gewisse Zeit zu bestimmen, oder sich den Rücktritt von dem
Contrakte gefallen zu lassen.
§. 1005. Ereignen sich Umstände oder Hindernisse, welche den
Verfasser veranlassen, das versprochene Werk gar nicht herauszugeben, so kann
er von dem Vertrage zurücktreten.
§. 1006. Er muß aber dem Verleger den Schaden ersetzen,
welcher demselben aus den zum Abdrucke etwa schon getroffenen, und durch den
Rücktritt unnutz werdenden Anstalten, wirklich entsteht.
§. 1007. Giebt aber der Schriftsteller das einem Verleger
versprochene Werk innerhalb Jahresfrist nach dem Rücktritte, ohne Vorwissen und
Einwilligung desselben, in einem andern Verlage, oder auf eigene Rechnung
heraus, so muß er dem ersten Verleger auch für den entgangenen Gewinn gerecht
werden.
§. 1008. Findet der Schriftsteller nöthig, in Ansehung des
Umfangs, oder der Einrichtung des Werks, Veränderungen noch vor dem Drucke zu
machen, so hat der Verleger die Wahl, sich dieselben gefallen zu lassen, oder
von dem Vertrage wieder abzugehen.
§. 1009. Macht aber der Schriftsteller dergleichen
Veränderungen nach bereits angefangenem Drucke, ohne die Einwilligung des
Verlegers, so haftet er dem Verleger für allen daraus entstehenden Schaden.
§. 1010. Wegen der Fälle, wo die Erfüllung des
Verlagsvertrages einem oder dem andern Theile unmöglich wird, hat es bey den
Vorschriften des §. 879. sqq. sein Bewenden.
§. 1011. Wenn ein neuer unveränderter Abdruck einer Schrift
in eben demselben Formate veranlaßt wird, so heißt solches eine neue Auflage.
§. 1012. Wenn aber eine Schrift in verändertem Formate, oder
mit Veränderungen im Inhalte, von neuem gedruckt wird, so wird solches eine
neue Ausgabe genannt.
§. 1013. Ist im Verlagsvertrage die Zahl der Exemplare der
ersten Auflage nicht bestimmt, so steht es dem Verleger frey, auch ohne
ausdrückliche Einwilligung des Verfassers, neue Auflagen zu veranstalten.
§. 1014. Ist aber die Zahl bestimmt, so muß der Verleger,
wenn er eine neue Auflage machen will, sich darüber mit dem Schriftsteller oder
dessen Erben anderweit abfinden.
§. 1015. Können die Parteyen sich darüber nicht vereinigen,
so dient die Hälfte des für die erste Auflage gezahlten Honorarii zum
Maaßstabe.
§. 1016. Hingegen erstreckt sich das Verlagsrecht in der
Regel, und wenn nicht in dem geschlossenen schriftlichen Vertrage ein Anderes
verabredet ist, nur auf die erste Ausgabe des Werks, mit Inbegriff aller
fernern Theile und Fortsetzungen desselben.
§. 1017. Der erste Verleger kann also niemals eine neue
Ausgabe machen, ohne mit dem Schriftsteller einen neuen Vertrag darüber
geschlossen zu haben.
§. 1018. Dagegen kann auch der Schriftsteller keine neue
Ausgabe veranstalten, so lange der erste Verleger die von ihm nach §.
1013.1014. rechtmäßig veranstalteten Auflagen noch nicht abgesetzt hat.
§. 1019. Können Verfasser und Buchhändler sich wegen der
neuen Ausgabe nicht vereinigen, so muß ersterer, wenn er dieselbe in einem
andern Verlage herausgeben will, zuvörderst dem vorigen Verleger alle noch
vorräthige Exemplare der ersten Ausgabe, gegen baare Bezahlung des
Buchhändler-Preises, abnehmen.
§. 1020. Das Recht des Verfassers, daß ohne seine Zuziehung
keine neue Ausgabe veranstaltet werden darf, geht, wenn nicht ein Anderes
ausdrücklich und schriftlich verabredet worden, auf seine Erben nicht über.
§. 1021. Vorstehende Einschränkungen des Verlagsrechts zum
Besten des Schriftstellers fallen weg, wenn der Buchhändler die Ausarbeitung
eines Werks nach einer von ihm gefaßten Idee dem Schriftsteller zuerst
übertragen, und dieser die Ausführung ohne besondern schriftlichen Vorbehalt
übernommen; oder wenn der Buchhändler mehrere Verfasser, zur Ausführung einer
solchen Idee, als Mitarbeiter angestellt hat.
§. 1022. In diesen Fällen gebührt das volle Verlagsrecht vom
Anfange an dem Buchhändler, und der oder die Verfasser können sich auf fernere
Auflagen und Ausgaben weiter kein Recht anmaaßen, als was ihnen in dem
schriftlichen Vertrage ausdrücklich vorbehalten ist.
§. 1023. Anmerkungen zu Büchern, worauf ein Anderer das
Verlagsrecht hat, besonders abzudrucken, ist erlaubt. Mit dem Werke selbst aber
können dergleichen Anmerkungen, ohne Einwilligung des Verfassers und seines
Verlegers, nicht gedruckt, noch in den Königlichen Landen verkauft werden.
§. 1024. Niemand darf, ohne Einwilligung des Verfassers und
seines Verlegers, einzelne gedruckte Schriften in ganze Sammlungen aufnehmen,
oder Auszüge daraus besonders drucken lassen.
§. 1025. Wohl aber können Auszüge aus Schriften in andre
Werke oder Sammlungen aufgenommen werden.
§. 1026. Neue Ausgaben ausländischer Schriftsteller, welche
außerhalb des Deutschen Reichs, oder der Königlichen Staaten, in einer fremden
Sprache schreiben, und deren Verleger weder die Frankfurther noch die Leipziger
Messe besuchen, können nachgedruckt werden, in so fern der Verleger darüber
kein hiesiges Privilegium erhalten hat.
§. 1027. Uebersetzungen sind in Beziehung auf das
Verlagsrecht für neue Schriften zu achten.
§. 1028. Das Veranstalten einer neuen Uebersetzung durch
einen andern Uebersetzer ist kein Nachdruck der vorigen.
§. 1029. Wenn keine Buchhandlung, welche auf die neue
Ausgabe eines Buchs ein Verlagsrecht hat, mehr vorhanden, und auch das Recht
des Schriftstellers nach §. 1020. erloschen ist, so steht jedem frey, eine neue
Ausgabe des Werks zu veranstalten.
§. 1030. Sind jedoch in diesem Falle noch Kinder des ersten
Grads von dem Verfasser vorhanden, so muß der neue Verleger, wegen der zu
veranstaltenden neuen Ausgabe, mit diesen sich abfinden.
§. 1031. Uebrigens gilt zwischen diesem neuen Verleger, und
dem Schriftsteller, welcher die neue Ausgabe besorgt, alles das, was bey neuen
Werken verordnet ist.
§. 1032. Auch der Nachdruck solcher Ausgaben ist unter eben
den Umständen unerlaubt, unter welchen der Nachdruck eines neuen Werks nach
obigen Vorschriften nicht statt findet.
§. 1033. In so fern auswärtige Staaten den Nachdruck zum
Schaden hiesiger Verleger gestatten, soll letzteren gegen die Verleger in jenen
Staaten ein Gleiches erlaubt werden.
§. 1034. Wer Bücher und Werke, deren Nachdruck nach
vorstehenden Grundsätzen unerlaubt ist, dennoch nachdruckt, muß den
rechtmäßigen Verleger entschädigen.
§. 1035. Diese Entschädigung besteht in dem Eisatze des
Honorarii, welches der rechtmäßige Verleger dem Verfasser bezahlt hat, und der
mehrern Kosten, welche derselbe wegen bessern Drucks und Papiers, gegen den
Nachdruck gerechnet, auf die rechtmäßige Auflage verwendet hat.
§. 1036. Uebrigens sollen unerlaubte Nachdrücke in hiesige
Lande, bey Vermeidung der Confiskation, nicht eingeführt, und unbefugte
Nachdrucker nach näherer Bestimmung des Criminalrechts ernstlich bestraft
werden. (Th. II. Tit. XX. Abschn. XV.)
Neunter Abschnitt Von Schenkungen
Begriff und Grundsätze.
§. 1037. Schenkungen sind Verträge, wodurch Einer dem Andern
das Eigenthum einer Sache oder eines Rechts unentgeltlich zu überlassen sich
verpflichtet.
§. 1038. Auch bey Schenkungen erlangt der Geschenknehmer das
Eigenthum des Geschenks erst durch die Uebergabe. (Tit. X. §. 1. 18-25.)
§. 1039. Bloße Verzichtsleistungen auf ein zwar angefallenes
aber noch nicht wirklich übernommenes, ingleichen auf ein zweifelhaftes Recht,
sind nach den Regeln von Schenkungen nicht zu beurtheilen.
Wann die Absicht von Schenkungen vermuthet werde.
§. 1040. Daß eine Sache als ein Geschenk gegeben worden,
wird nicht vermuthet.
§. 1041. Wo eine besondre persönliche, obschon nicht
gesetzlich verbindende Pflicht zur Wohlthätigkeit vorhanden ist, da wird
vermuthet, daß das ohne Vorbehalt Gegebne in der Absicht, solches zu schenken,
gegeben worden.
§. 1042. Was also Verwandte in auf- und absteigender Linie,
Geschwister, und Eheleute, einander ohne Vorbehalt geben, wird für geschenkt
angesehen, so lange nicht ein Andres aus den Umständen erhellet, oder durch
besondre Gesetze bestimmt ist. (Th. II. Tit. I. Sect. V.)
§. 1043. Eben so wird bey dem, was einem Armen zu seinem
Unterhalte gegeben worden, die Absicht solches zu schenken vermuthet.
§. 1044. Ein Gleiches findet statt, wegen solcher Gelder und
Sachen, die an Armenanstalten und milde Stiftungen ohne weitern Vorbehalt
abgeliefert worden.
§. 1045. Was unter Umständen gegeben worden, wo sich gar
keine andere Absicht des Gebenden denken läßt, ist gleichfalls für geschenkt
anzusehn.
Schenkungsverträge, welche den lästigen gleich zu achten.
§. 1046. Wenn die Gesetze jemanden zu Handlungen, die an
sich eine bloße Freygebigkeit enthalten würden, in Beziehung auf gewisse
Personen oder Verhältnisse ausdrücklich verpflichten: so werden die zur nähern
Bestimmung dieser Pflicht geschlossenen Verträge den lästigen gleich geachtet.
§. 1047. Wenn also Personen, welche eine andere auszustatten
nach den Gesetzen schuldig sind, derselben eine gewisse Summe oder Sache zur
Ausstattung, oder auch zum Brautschatze ausdrücklich versprochen haben, so ist
ein darüber in rechtsgültiger Form abgefaßter Vertrag für einen lästigen
anzusehen.
§. 1048. Auch wenn ein Fremder unter der Bedingung, oder zum
Zwecke einer zu schließenden Ehe, einem oder dem andern der künftigen Eheleute
etwas in rechtsgültiger Form versprochen hat, ist ein solcher Vertrag einem
lästigen gleich zu achten.
§. 1049. Was aber nur bey Gelegenheit einer Eheverbindung
versprochen worden, hat, wenn dabey eine bloße Freygebigkeit zum Grunde liegt,
die Natur einer Schenkung.
§. 1050. Verträge zwischen Eheleuten, wodurch Einer dem
Andern gewisse Vortheile auf den Todesfall bestimmt, sind nicht als
Schenkungen, sondern als lästige Verträge zu betrachten.
§. 1051. Wenn wechselseitige Schenkungen unter Lebendigen
geschehen sind, so muß jede Schenkung für sich, nach den von Schenkungen
überhaupt vor geschriebenen Regeln, beurtheilt werden.
§. 1052. Wenn jedoch ein Theil das dem andern versprochene
oder gegebene Geschenk auch aus einem an sich gesetzmäßigen Grunde widerruft:
so muß der andere wegen desjenigen, was er von seiner Seite, in Ansehung des
von ihm versprochenen Geschenks, wirklich gegeben, oder geleistet hat,
vollständig entschädigt werden.
§. 1053. Schenkungen, welche unter einer von dem
Geschenknehmer zu leistenden Bedingung, oder zu einem gewissen von ihm zu
erfüllenden Endzwecke versprochen, oder gegeben worden, sind, im zweifelhaften
Falle, den lästigen Verträgen gleich zu achten.
§. 1054. Wenn jedoch aus den Umständen klar erhellet, daß
die Bedingung oder der Endzweck nur zum Scheine beygefügt worden, so ist
dergleichen Schenkung, auch in Ansehung der Befugniß zum Widerrufe, nach den
allgemeinen Grundsätzen von Schenkungen überhaupt zu beurtheilen.
§. 1055. Doch muß, wenn ein Widerruf aus gesetzlichen
Gründen erfolgt, und die Bedingung oder der Zweck nicht zum eignen Vortheile
des Beschenkten beygefügt waren, alles, was letzterer zu deren Erfüllung
gethan, oder geleistet hat, dem selben nach dem höchsten Werthe vergütet
werden.
§. 1056. Zielt die beygefügte Bedingung, oder der bestimmte
Zweck, lediglich zum Besten des Beschenkten ab, so kann eine solche Schenkung
gleich jeder andern widerrufen werden.
§. 1057. Liegt jedoch der Grund des Widerrufs nicht in dem
eigenen Verschulden des Beschenkten; und hat dieser, in Rücksicht auf die
Schenkung, Handlungen vorgenommen, oder Einrichtungen getroffen, die ihm jetzt,
bey erfolgendem Widerrufe, schädlich werden: so kann er deshalb von dem
Geschenkgeber Entschädigung fordern.
Wie Schenkungsverträge geschlossen werden.
§. 1058. Bey allen Schenkungen ist, wie bey andern
Verträgen, eine ausdrücklich oder durch Handlungen erklärte Annahme nothwendig.
(Tit. V. §. 78. sqq.)
§. 1059. Doch sind die Worte und Handlungen des Andern, im
zweifelhaften Falle, so zu deuten, daß er das Geschenk dadurch habe annehmen
wollen.
§. 1060. Wenn der Beschenkte wegen Kindheit, Krankheit, oder
sonst wegen Mangels am Verstande, die Absicht, das Geschenk anzunehmen, nicht
äußern kann, so kann ein jeder Dritter dasselbe zu seinem Besten acceptiren.
§. 1061. Ein noch nicht angenommenes Geschenk kann von den
Erben dessen, für den es bestimmt war, wider den Willen des Schenkenden nicht
mehr rechtsgültig acceptirt werden.
§. 1062. Wie weit der Beschenkte nach dem Tode des
Schenkenden noch annehmen könne, oder die Erben des letztern diesen Antrag
zurückzunehmen befugt sind, ist nach den, allgemeinen Grundsätzen von der
Acceptation überhaupt zu beurtheilen. (Tit. V. §. 90-108.)
Form derselben.
§. 1063. Schenkungsverträge sollen gerichtlich abgeschlossen
werden.
§. 1064. Aus einem außergerichtlichen, wenn auch
schriftlichen Schenkungsvertrage, kann daher in der Regel auf Erfüllung nicht
geklagt werden.
§. 1065. Ist hingegen eine geschenkte bewegliche Sache oder
Summe dem Geschenknehmer bereits übergeben worden, so findet deren
Rückforderung aus dem Grunde der Ermangelung eines gerichtlichen Vertrages
nicht statt.
§. 1066. Ist eine unbewegliche Sache auf den Grund eines
schriftlichen, wenn gleich außergerichtlichen Schenkungsvertrages, dem
Beschenkten übergeben worden, so kann der Geschenkgeber dieselbe wegen
Ermangelung eines gerichtlichen Vertrages nicht zurückfordern.
§. 1067. Vielmehr hat in diesem Falle der schriftliche
außergerichtliche Vertrag die Kraft einer Punctation.
§. 1068. Doch gelten obige Vorschriften (§. 1066. 1067.) nur
alsdann, wenn eine wirkliche Naturalübergabe, wodurch die geschenkte Sache in
den Besitz und die Gewahrsam des Beschenkten gelangt, erfolgt ist.
§. 1069. Schenkungsverträge, welche bloß von
Justizcommissariis und Notariis geschlossen werden, haben nicht die Kraft
gerichtlicher Schenkungen.
Welche Schenkungen, wegen des Zwecks, oder der Person des
Geschenknehmers, ungültig sind.
§. 1070. Geschenke, welche zur Beförderung unerlaubter
Absichten gemacht worden, sind ungültig.
§. 1071. Das wirklich Gegebene ist der Fiskus von dem
Empfänger zurückzufordern berechtigt.
§. 1072. In wie fern Eheleute einander unter Lebendigen
gültig beschenken können, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. I. Sect.
V.)
§. 1073. Auch wegen der Schenkungen an Kirchen und
geistliche Gesellschaften, hat es bey den Vorschriften des Kirchenrechts sein
Bewenden. (Th. II. Tit. XI. Sect. IV. XII.)
§. 1074. Was von diesen verordnet ist, gilt auch von
Schenkungen an auswärtige Schulen, Universitäten, und andere Erziehungsanstalten
oder milde Stiftungen.
§. 1075. Dagegen sind Schenkungen an inländische Schulen,
Universitäten, und an andere dergleichen öffentliche Lehr- und
Erziehungsanstalten, so wie an inländische Armen- und Walsenhäuser, an
Hospitäler, zu Stipendien und andern milden Stiftungen an und für sich, ohne
Einschränkung auf eine gewisse Summe zuläßig. (Th. II. Tit. XIX.)
Wirkungen eines gültigen Schenkungsvertrages.
§. 1076. Aus einem gültigen Schenkungsvertrage entsteht das
Recht, auf die Uebergabe der geschenkten Sache zu klagen.
§. 1077. Sind nutzbare Sachen gültiger Weise zum Geschenke
versprochen worden, so muß der Geschenkgeber, wenn er die Uebergabe
widerrechtlich verzögert, die seit der Zögerung wirklich erhobenen Nutzungen
mit der Sache zugleich abliefern.
§. 1078. Uebrigens aber wird er, auch wegen der
Erhaltungskosten, der Verbesserungen und Verschlimmerungen, nur einem redlichen
Besitzer gleich geachtet.
§. 1079. Von geschenktem Gelde können erst nach ergangnem
rechtskräftigen Erkenntnisse Zinsen gefordert werden.
§. 1080. Ist aber ein zinsbares Capital geschenkt worden, so
muß der Geschenkgeber alle Zinsen, die nach dem Zeitpunkte des Verzugs fällig
waren, und die er erhoben hat, dem Beschenkten herausgeben.
§. 1081. Die Erben des Geschenkgebers sind zu
Verzögerungszinsen, gleich andern Schuldnern, verpflichtet.
§. 1082. Der Empfänger des Geschenks muß die Sache mit den
darauf haftenden Lasten übernehmen.
§. 1083. Zur Gewährsleistung wird der Schenkende dem
Beschenkten nur durch ein ausdrückliches Versprechen derselben verpflichtet.
§. 1084. Wer jedoch wissentlich eine fremde oder schädliche
Sache geschenkt, und den Geschenknehmer darüber nicht gewarnt hat, der haftet
für den diesem letztern an seiner Person oder übrigem Vermögen dadurch
entstehenden Schaden.
§. 1085. Wenn eine Sache mehrern Personen geschenkt worden,
und eine von ihnen derselben nicht mit theilhaft werden kann, so fällt ihr
Antheil in das Vermögen des Schenkenden zurück.
§. 1086. Ist die geschenkte Sache untheilbar, so entsteht in
diesem Falle zwischen dem Schenkenden und den übrigen Beschenkten ein
gemeinschaftliches Eigenthum.
§. 1087. Hat jemand eine rechtsgültige Schenkung seines
ganzen Vermögens errichtet, sich aber die Verfügung über einen gewissen Theil
oder eine gewisse Summe vorbehalten: so fallen diese, wenn der Schenkende gar
keine Verfügung getroffen hat, in der Regel dem Beschenkten anheim.
§. 1088. Verläßt aber der Schenkende gesetzliche Erben in
auf- oder absteigender Linie, oder Geschwister oder Geschwister-Kinder ersten Grads:
so haben diese auf eine solche vorbehaltene Sache oder Summe vor dem
Beschenkten vorzüglichen Anspruch.
Widerruf der Schenkungen.
1) überhaupt.
§. 1089. Gerichtlich geschlossene Schenkungen können in der
Regel nicht widerrufen werden.
§. 1090. Ist aber eine außergerichtlich geschlossene
Schenkung schon durch die Uebergabe vollzogen worden, so findet dennoch der
Widerruf innerhalb Sechs Monathe nach der Uebergabe statt.
2) Wegen
Uebermaaßes.
§. 1091. Nach Verlauf dieser Sechs Monathe kann auch eine
außergerichtliche Schenkung nur so weit widerrufen werden, als das Geschenk die
Hälfte von dem Vermögen des Schenkenden überstiegen hat.
§. 1092. In gleichem Maaße kann auch eine gerichtlich
geschlossene und durch die Uebergabe vollzogene Schenkung widerrufen werden.
§. 1093. Doch ist in beyden Fällen der Widerruf wegen
Uebermaaßes nur innerhalb Dreyer Jahre, bey gerichtlichen Schenkungen vom Tage
der Abschließung, bey außergerichtlichen aber vom Tage der Uebergabe zuläßig.
§. 1094. Hat der Schenkende bey gerichtlicher Abschließung
des Vertrags ausdrücklich erklärt, daß das Geschenk die Hälfte seines Vermögens
nicht übersteige, so kann er von dieser Befugniß zum Widerrufe keinen Gebrauch
machen.
§. 1095. Doch muß einem solchen Geschenkgeber das Gesetz
nebst den Folgen seiner Angabe deutlich erklärt, und wie dieses geschehen, in
dem Protocolle ausdrücklich bemerkt werden.
§. 1096. Ist diese Vorschrift beobachtet worden, so ist der
Widerruf nur alsdann zuläßig, wenn der Schenkende zugleich nachweisen kann, daß
er aus einem Irrthume, in welchen er ohne sein eignes grobes Versehen gerathen
ist, sein Vermögen für größer, als es wirklich war, gehalten habe.
§. 1097. Bey der Bestimmung: ob und wie weit das Geschenk
die Hälfte von dem Vermögen des Schenkenden übersteige, ist auf die Zeit des
geschlossenen Vertrages zu sehen.
§. 1098. Geschieht aber der Widerruf noch vor der Uebergabe,
so wird auf den Zustand des Vermögens, wie es alsdann beschaffen ist, Rücksicht
genommen.
§. 1099. Besteht ein Geschenk in beständig fortlaufenden
Hebungen, so muß, bey Berechnung des Betrags, das Capital nach landüblichen
Zinsen bestimmt werden. (§. 841.)
§. 1100. Besteht das Geschenk in jährlichen Hebungen, die
nur auf die Lebenszeit des Schenkenden oder des Beschenkten eingeschränkt sind,
so müssen die Hebungen mit den Einkünften, die der Schenkende zur Zeit des
Vertrages zu genießen hatte, verglichen, und so weit, als sie die Hälfte dieser
Einkünfte übersteigen, herunter gesetzt werden.
§. 1101. Wird ein Geschenk durch Beyträge mehrerer Personen
zusammen gebracht, so wird, in Ansehung eines jeden der Schenkenden, auf das
Verhältniß seines Beytrags zu seinem Vermögen Rücksicht genommen.
§. 1102. Geschenke einer Corporation sind nach dem
gemeinschaftlichen Vermögen derselben zu beurtheilen.
§. 1103. Wenn Eine Person mehrern zu gleicher Zeit Geschenke
macht, so können dieselben in so weit widerrufen werden, als sie, zusammen
genommen, das halbe Vermögen des Schenkenden übersteigen.
§. 1104. Alsdann trägt ein jeder Geschenknehmer, nach
Verhältniß des Empfangenen, zur Ergänzung der dem Schenkenden fehlenden Hälfte
bey.
§. 1105. So weit jedoch einer der mehrern Geschenknehmer,
nach der unten §. 1165. folgenden Vorschrift, zur Rückgabe seines Antheils
nicht schuldig, oder dazu nicht vermögend ist, darf der dadurch entstehende
Ausfall von den andern Beschenkten nicht übertragen werden.
§. 1106.1 Die Vorschrift §. 1103-1105. findet nur alsdann
Anwendung, wenn die an sich gültigen Schenkungsverträge mit den mehrern
Geschenknehmern, durch eine und eben dieselbe Handlung, es sey außergerichtlich
durch Uebergabe, oder durch gerichtliche Aufnahme, abgeschlossen worden.
§. 1107. Hat aber Eine Person mehrern zu verschiedenen
Zeiten, wenn gleich an Einem Tage, Geschenke gemacht: so ist bey jedem Geschenke
das Verhältniß desselben, gegen das Vermögen des Schenkenden, nach dem
Zeitpunkte, wo der Vertrag darüber gültig abgeschlossen worden, zu beurtheilen.
§. 1108. Die ältern gültig versprochnen, wenn auch noch
nicht wirklich gegebenen Geschenke sind alsdann, in Ansehung einer jeden spätem
Schenkung, gleich andern Schulden, von dem Aktivvermögen des Geschenkgebers
abzuziehn.
§. 1109. Was vorstehend §. 1107. 1108. verordnet ist, findet
auch statt, wenn jemand eben derselben Person mehrere Geschenke zu verschiedenen
Zeiten gemacht hat.
§. 1110. Daß die Entrichtung des Geschenks in verschiedenen
Terminen versprochen, oder wirklich geleistet worden, hat auf die Beurtheilung
des Verhältnisses zwischen dem Geschenke, und dem Vermögen des Geschenkgebers,
keinen Einfluß, sondern es wird immer nur auf den Zeitpunkt, wo der
Schenkungsvertrag selbst zu Stande gekommen ist, Rücksicht genommen.
§. 1111. Sobald sich findet, daß jemand mehr als die Hälfte
seines Vermögens verschenkt habe, ist der Richter befugt und schuldig, zu
untersuchen, ob nicht ein solcher Mensch, als ein Verschwender, unter
Vormundschaft zu setzen sey.
§. 1112. Die Erben des Geschenkgebers können eine an sich
gültige Schenkung des Erblassers aus dem Grunde, weil sie das halbe Vermögen
des Erblassers überstiegen habe, in der Regel nur alsdann widerrufen, wenn
schon der Erblasser seinen Entschluß zu einem solchen Widerrufe gerichtlich
erklärt hatte. (Tit. XII. §. 587. sqq.)
3) wegen Verkürzung des Pflichtteils.
§. 1113. Dagegen können nothwendige Erben, denen nach den
Gesetzen ein Pflichttheil gebührt, eine jede von dem Erblasser innerhalb Dreyer
Jahre vor seinem Tode gemachte Schenkung widerrufen, wenn der reine Betrag des
Nachlasses nicht die Hälfte des Betrags der geschenkten Summe oder Sache ausmacht.
§. 1114. Doch darf alsdann von den Geschenknehmern nur so
viel, als zu dieser Hälfte fehlt, zurückgegeben werden.
§. 1115. Sind innerhalb dieser Drey Jahre mehrere
Schenkungen geschehen, so müssen zwar, zum Behufe der Bestimmung, ob eine
Verkürzung im Pflichttheile vorhanden sey, alle diese Schenkungen
zusammengerechnet werden;
§. 1116. Dagegen findet ein wirklicher Widerruf der, der
Zeit nach, ältern Geschenke nur so weit statt, als die Ergänzung des
Pflichttheils aus den zurückgenommenen spätem Geschenken nicht erfolgen kann.
4) wegen entzogner Aliments.
§. 1117. In gleichem Maaße können auch diejenigen, denen der
Schenkende nach den Gesetzen Unterhalt zu geben verpflichtet ist, wenn der
Nachlaß diesen Unterhalt ganz oder zum Theil nicht gewähren kann, die Ergänzung
des Fehlenden aus den Nutzungen der verschenkten Sache oder Summe, so weit
dieselben hinreichen, ohne Rücksicht auf den Betrag der Schenkung an sich,
fordern.
§. 1118. Doch findet auch deshalb ein Anspruch nur an solche
Geschenknehmer statt, deren Schenkungen in den Drey letzten Jahren vor dem Tode
des Schenkenden erfolgt sind.
§. 1119. Die Geschenknehmer können nicht eher in Anspruch
genommen werden, als bis auch die Substanz des Nachlasses durch die Alimente
erschöpft ist.
§. 1120. Dagegen müssen sie aber auch, wenn die Nutzungen
der geschenkten Sache oder Summe zur Bestreitung der gesetzmäßigen Alimente nicht
hinreichen, selbst die Substanz des Geschenks, so weit es erforderlich ist,
dazu mit verwenden.
§. 1121. Doch dauert überhaupt die Verbindlichkeit der
Geschenknehmer nur so lange, als die Pflicht des Geschenkgebers, dergleichen
Alimente zu reichen, würde bestanden haben.
§. 1122. An Schenkungen, welche geschehen sind, ehe die
Verbindlichkeit des Erblassers, den Unterhalt zu reichen, entstanden ist,
können diejenigen, welchen dieser Unterhalt gebühret, in keinem Falle Anspruch
machen.
5) wegen einer dem Geschenkgeber zu reichenden Competenz.
§. 1123. Der Geschenkgeber selbst kann, wenn er in
Dürftigkeit gerathen ist, von dem Beschenkten Sechs vom Hundert von der
geschenkten Summe, oder dem Werthe der geschenkten Sache, als eine Competenz,
jährlich fordern.
§. 1124. So weit der Beschenkte sich selbst in Umständen
befindet, wo er sich und seiner Familie den nöthigen Unterhalt würde entziehen
müssen, um dem Schenkenden diese Competenz zu reichen, ist Letzterer dieselbe
zu fordern nicht berechtigt.
§. 1125. Doch kann der Beschenkte, unter diesem Vorwande
sich nicht entbrechen, allenfalls auch die Substanz des Geschenks, so weit
dasselbe oder dessen Werth bey ihm noch vorhanden ist, zur Ernährung des
Geschenkgebers, mit zu verwenden.
§. 1126. Es steht aber auch dem Geschenknehmer frey, wenn er
sich der Competenz für den Schenkenden, ganz entschlagen will, das Geschenk
selbst, so weit dasselbe oder sein Werth bey ihm noch vorhanden ist,
herauszugeben.
§. 1127. Diese Substanz wird zur Ernährung des Schenkenden,
so weit sie dazu erforderlich ist, nach und nach verwendet, und auf einen
etwanigen Ueberrest bleibt dem Geschenknehmer sein Recht vorbehalten.
§. 1128. Hat der verarmte Geschenkgeber an mehrere Personen
zu verschiedenen Zeiten Schenkungen gemacht: so ist der frühere Geschenknehmer
zu seiner Ernährung nach obigen Grundsätzen nur so weit verpflichtet, als die
der Zeit nach spätere Geschenke dazu nicht hinreichen.
6) wegen entstandnen Concurses.
§. 1129. Die binnen Einem Jahre vor eröffnetem Concurse
gemachten Schenkungen des Gemeinschuldners können die Gläubiger, in so fern sie
auf einer bloßen Freygebigkeit beruhen, zurückfordern.
§. 1130. Ist die Schenkung früher gemacht worden, so müssen
die Gläubiger, welche sie widerrufen wollen, nachweisen, daß der Schenkende
schon damals über den Betrag seines Vermögens verschuldet gewesen.
§. 1131. Dieser Widerruf steht jedoch nur solchen Gläubigern
zu, deren Forderungen älter sind, als die Schenkung.
§. 1132. Wegen der von dem Gemeinschuldner an seinem
Ehegatten gemachten Schenkungen ist das Erforderliche gehörigen Orts bestimmt.
(Th. II. Tit. I. Sect. V.)
§. 1133. Alle Schenkungen, die, es sey an Ehegatten oder
Andere, früher als Drey Jahre vor eröffnetem Concurse rechtsgültig erfolgt
sind, können von den Gläubigern unter keinerley Vorwande angefochten werden.
7) bey Schenkungen von Todeswegen.
§. 1134. Sobald ein wirklicher rechtsgültiger
Schenkungsvertrag vorhanden ist, macht es in Ansehung der Rechte des
Geschenknehmers, und der Befugniß des Geschenkgebers zum Widerrufe, keinen
Unterschied, wenn gleich das Geschäft eine Schenkung von Todeswegen genannt,
oder die Uebergabe bis nach dem Ableben des Geschenkgebers verschoben wäre.
§. 1135. Hat aber der letztere sich den Widerruf bis zu
seinem Tode ausdrücklich vorbehalten, so hat der Geschenknehmer, wenn kein
Widerruf erfolgt ist, dennoch, wegen eines solchen Geschenks, auf den Nachlaß
nur eben die Rechte, wie ein Legatarius.
§. 1136. Ist ein Schenkungsvertrag unter der Bedingung, wenn
der Geschenkgeber eine bevorstehende Todesgefahr nicht überleben würde,
geschlossen worden, so verliert der Vertrag seine Wirksamkeit, sobald der
Schenkende die Gefahr überlebt.
§. 1137. Ein solches Geschenk kann daher, wenn es gleich
schon wirklich übergeben worden, nicht nur von dem Geschenkgeber, sondern auch,
wenn dieser erst nach überlebter Gefahr auf andre Art gestorben ist, von seinen
Erben widerrufen werden.
§. 1138. Auch wenn eine instehende Todesgefahr nur der Anlaß
oder Bewegungsgrund der Schenkung gewesen ist, kann der Geschenkgeber, nach
überstandener Gefahr, dieselbe wiederrufen.
§. 1139. Die Erben des Geschenkgebers hingegen sind in
diesem Falle zu einem Widerrufe, den der Erblasser noch nicht rechtlich erklärt
hatte, nicht berechtigt.
8) wegen nachgeborner Kinder.
§. 1140. Ein bloßer durch die Uebergabe noch nicht
vollzogener Schenkungsvertrag kann widerrufen werden, wenn der Schenkende
nachher Kinder erhält, oder die für verloren geachteten wiederfindet.
§. 1141. Ist aber das versprochene Geschenk wirklich
übergeben worden, so findet bloß aus diesem Grunde kein Widerruf desselben
statt.
§. 1142. Ist der Widerruf einmal geschehen, so wird derselbe
dadurch, daß die Kinder nachher wieder verstorben sind, nicht unkräftig.
§. 1143. Waren schon vor der Schenkung Kinder vorhanden, so
berechtigt die Vermehrung ihrer Anzahl den Schenkenden nicht zum Widerrufe des
Vertrages.
§. 1144. Dagegen macht es keinen Unterschied: ob dem
kinderlosen Geschenkgeber, nach der Schenkung, nur Ein oder mehrere Kinder
geboren worden.
§. 1145. Unter dem Ausdrucke: Kinder, werden alle
Descendenten aus einer Ehe zur rechten Hand verstanden, in so fern ihnen nach
den Gesetzen ein Pflichttheil aus dem Nachlasse des Geschenkgebers gebühren
würde.
§. 1146. Ob Kinder durch Geburt oder Legitimation diese
Rechte ehelicher Descendenten erlangt haben, macht keinen Unterschied.
§. 1147. Dagegen giebt die von dem Geschenkgeber geschehene
Adoption eines Fremden ersterem noch kein Recht zum Widerrufe.
§. 1148. Mütter können auch wegen solcher nachgebornen
Kinder, die nicht aus einer Ehe zur rechten Hand erzeugt worden, sich des
Rechts zum Widerrufe bedienen.
§. 1149. Geschenke, welche jemand seinen Verwandten in
aufsteigender Linie, ingleichen seinen außer einer Ehe zur rechten Hand
erzeugten Kindern, an sich rechtsgültig versprochen oder gegeben hat, kann er
bloß darum, weil ihm nachher Descendenten aus einer Ehe zur rechten Hand
geboren worden, nicht widerrufen.
§. 1150. Die Kinder des Geschenkgebers, welcher bey seiner
Lebenszeit von der Befugniß zum Widerrufe, wegen nachgeborner Kinder, keinen
Gebrauch gemacht hat, sind dazu bloß in so fern berechtigt, als sie nach §.
1113-1116. durch die Schenkung im Pflichttheile verkürzt seyn würden.
9) wegen Undanks.
§. 1151. Wegen groben Undanks des Beschenkten kann der Geber
nicht allein die Vollziehung des Geschenks versagen, sondern auch das bereits
Gegebene zurückfordern.
§. 1152. Für einen groben Undank ist es anzusehn, wenn der
Empfänger den Geber vorsetzlich oder aus grobem Versehen getödtet, verwundet,
geschlagen, oder sonst dessen Leben oder Gesundheit in Gefahr gebracht hat.
§. 1153. Eine dem Schenkenden von dem Geschenknehmer
zugefügte Ehrenkränkung, welche nach gesetzlicher Bestimmung für eine grobe
oder schwere Injurie zu achten ist, begründet ebenfalls, sie mag übrigens zu
den unmittelbaren, oder nur zu den mittelbaren Injurien gehören, den Widerruf
wegen Undanks. (Th. II. Tit. XX. Sect. X.)
§. 1154. Ein Gleiches findet statt, bey Beschädigungen am
Vermögen, die der Beschenkte aus Bosheit, oder unerlaubtem Eigennutze, dem
Geschenkgeber zugefügt hat.
§. 1155. Es macht dabey keinen Unterschied, wenn gleich die
Beschädigung durch einen Zufall, ohne Zuthun des Undankbaren, abgewendet, oder
unwirksam gemacht worden.
§. 1156. In allen Fällen aber kann der, welcher bloß das
Recht der Selbstverteidigung ausübt, für einen Undankbaren nicht angesehen
werden.
§. 1157. Ein Undank, welchen der Geber selbst nicht gerügt
hat, giebt seinen Erben ein Recht zum Wiederrufe (=Widerrufe) nur alsdann, wenn
der Schenkende durch den Andern sein Leben, oder den Gebrauch seiner
Verstandeskräfte verloren hat.
§. 1158. Hat jedoch der Schenkende seinen Willen, das
Geschenk zu widerrufen, schon gerichtlich erklärt, so können seine Erben die
Sache gegen den undankbaren Geschenknehmer auch nach seinem Tode fortsetzen.
§. 1159. Eine dergleichen außergerichtliche Erklärung hat
mit der gerichtlichen gleiche Wirkung, sobald erhellet, daß der Erblasser, den
Undank gerichtlich zu rügen, nur durch den Tod verhindert worden.
§. 1160. Wenn einer Corporation etwas geschenkt worden, so
kann das Geschenk wegen eines Undanks, dessen sich die Vorsteher oder die
gegenwärtigen Mitglieder schuldig gemacht haben, nicht widerrufen werden.
§. 1161. Doch kann der Schenkende den Beleidigern, für ihre
Personen, diejenigen Vortheile entziehen, welche sie sonst aus der Schenkung
würden genossen haben.
Allgemeine Regeln vom Widerrufe.
§. 1162. Eine vor oder bey der Schenkung, oder auch bey der
Uebergabe, geschehene Entsagung des Rechts zum Widerrufe, hindert, wenn sie
auch eidlich bestärkt worden, dennoch weder den Schenkenden, noch dessen Erben,
an der Ausübung desselben.
§. 1163. Hiervon ist allein der Fall eines wegen angeblichen
Uebermaaßes der Schenkung unternommenen Widerrufs nach den nähern Bestimmungen
§. 1094-1096. ausgenommen.
§. 1164. So weit der Widerruf gegen den Beschenkten statt
findet, so weit müssen auch dessen Erben sich denselben gefallen lassen.
§. 1165. Doch sind, in allen Fällen, der Beschenkte und
dessen Erben zur Wiedererstattung nur so weit verpflichtet, als sich die
geschenkte Sache, zur Zeit des Widerrufs, noch in dem Vermögen oder Nachlasse
befindet; oder diese durch den daraus gelöseten Werth noch wirklich reicher
sind.
§. 1166. Bis zur gerichtlichen Erklärung des Widerrufs ist
der Beschenkte als ein redlicher Besitzer anzusehen.
§. 1167. Nur in dem Falle eines Widerrufs wegen Undanks
überkommt der Geschenknehmer, von dem Augenblicke der begangenen Undankbarkeit,
alle Pflichten und Lasten eines unredlichen Besitzers.
§. 1168. Wenn der Geschenkgeber eine zum Geschenke
versprochene aber noch nicht wirklich gegebene bestimmte Sache, vor der
Uebergabe verzehrt, veräußert oder vernichtet, so ist dieses für einen
stillschweigenden Widerruf des Schenkungsversprechens zu achten.
Von belohnenden Schenkungen.
§. 1169. Wird durch eine Schenkung eine löbliche Handlung,
oder ein geleisteter wichtiger Dienst vergolten, so heißt solches ein
belohnendes Geschenk.
§. 1170. Der Widerruf eines wirklich gegebenen belohnenden
Geschenks findet nur wegen Uebermaaßes, nach den §. 1091. sqq. vorgeschriebenen
nähern Bestimmungen statt.
§. 1171. Sobald jedoch eine der andern gesetzlichen Ursachen
zum Widerrufe einer bloßen Schenkung eintritt, ist der Geschenknehmer schuldig,
die löbliche Handlung oder den geleisteten Dienst, welche durch das erhaltne
Geschenk haben belohnt werden sollen, bestimmt anzugeben und nachzuweisen.
§. 1172. Kann oder will er dieses nicht, so ist auch eine
solche Schenkung dem Widerrufe, gleich jeder andern, unterworfen.
§. 1173. Ein Schenkungsvertrag, wodurch ein belohnendes
Geschenk bloß versprochen wird, erfordert zu seiner Gültigkeit ein
schriftliches Instrument, in welchem die Handlung, oder der Dienst, die durch
das Geschenk belohnt werden sollen, bestimmt angegeben sind.
§. 1174. Ist diese Form nicht beobachtet, so wird das
Geschenk nicht als ein Belohnendes, sondern nur als ein solches, welches aus
bloßer Freygebigkeit versprochen worden, angesehen und beurtheilt.
§. 1175. Dagegen kann, bey gehörig beobachteter Form, das
Versprechen einer belohnenden Schenkung, außer dem Falle des Uebermaaßes (§.
1091.) nur alsdann zurückgenommen werden, wenn ausgemittelt wird, daß der
Beschenkte die Handlung nicht gethan, oder den Dienst nicht geleistet habe.
§. 1176. Auch bey belohnenden Schenkungen finden die
Vorschriften §. 1076 1087. Anwendung.
§. 1177. Wenn vor geleistetem Dienste oder vor unternommener
Handlung, etwas über die Belohnung dafür verabredet worden, so ist das
Geschäft, wenn es auch eine Schenkung genannt wäre, dennoch nicht nach den
Vorschriften des gegenwärtigen, sondern des vorhergehenden Abschnitts zu
beurtheilen.
Zwölfter Titel
Von den Titeln zur Erwerbung des Eigenthums, welche aus
Verordnungen
von Todeswegen entstehn
§. 1. Ueber alles, was der freyen Veräußerung eines Menschen
unterworfen ist, kann derselbe auch auf den Todesfall nach Gutfinden verfügen.
§. 2. Dergleichen Verfügungen können sowohl durch einseitige
Willenserklärungen, als durch Verträge getroffen werden.
Erster Abschnitt Von Testamenten und Codicillen
/. Begriffe u. Grundsätze.
§. 3. Jede einseitige Willenserklärung, wodurch jemand zum
Erben einer Verlassenschaft berufen wird, heißt ein Testament.
§. 4. Jede Erklärung eines Testators, woraus erhellet, daß
er, nach seinem Tode, den Inbegriff seines Nachlasses einer oder mehrern
Personen zuwenden wolle, ist für eine Erbeseinsetzung zu achten.
§. 5. Einseitige Willenserklärungen, durch welche jemand nur
über einzelne und bestimmte Stücke, Summen, Rechte, oder Pflichten, auf den
Todesfall verordnet, führen den Nahmen der Codicille.
§. 6. Einzelne bestimmte in einem Testamente oder Codicille
jemanden hinterlassene Sachen oder Summen, werden Legate oder Vermächtnisse
genannt.
§. 7. Codicille sind auch ohne Testament gültig.
§. 8. Was zu einer rechtsbeständigen Willenserklärung
überhaupt gehört, wird auch zu einem rechtsgültigen Testamente oder Codicille
erfordert. (Tit. IV.)
//. Von der persönlichen Fähigkeit, letztwillige
Verordnungen zu errichten.
§. 9. So weit jemand unter Lebendigen über sein Vermögen zu
verfügen fähig und berechtigt ist, so weit kann er in der Regel auch auf den
Todesfall Verfügungen treffen.
§. 10. Der Befugniß dazu kann er sich nur durch einen
rechtsgültig geschloßnen Erbvertrag begeben.
§. 11. Die Fähigkeit oder Unfähigkeit eines Erblassers muß
nach dem Zeitpunkte, wo er seinen letzten Willen errichtet hat, beurtheilt
werden.
§. 12. War zu dieser Zeit der Erblasser, wegen eines
natürlichen Mangels, seinen letzten Willen zu erklären unfähig, so bleibt die
Verordnung ungültig, wenn auch dieser Mangel in der Folge gehoben worden.
§. 13. Stand ihm aber nur das Verbot eines positiven
Gesetzes, welches sich nicht auf einen Mangel der natürlichen Fähigkeit zur
Willenserklärung bezieht, dabey entgegen: so wird die Verordnung gültig, wenn
das Hinderniß in der Folge hinweggefallen ist.
§. 14. In so fern die Unfähigkeit zu testiren als die Strafe
einer gesetzwidrigen Handlung anzusehen ist, erstreckt sich dieselbe auch auf
vorher errichtete letztwillige Verordnungen zurück.
§. 15. Nur so weit, als ein Verbrecher sein Vermögen
verwirkt hat, ist er von der Befugniß, Testamente und Codicille zu errichten,
ausgeschlossen.
§. 16. Minderjährige, ohne Unterschied des Geschlechts,
welche das vierzehnte Jahr zurückgelegt haben, können letzwillige Verordnungen
gültig errichten, ohne daß dazu die väterliche oder vormundschaftliche
Einwilligung erfordert wird.
§. 17. Doch sind Personen, welche das achtzehnte Jahr noch
nicht zurückgelegt haben, ihre letztwilligen Verordnungen nicht anders als
mündlich, zum gerichtlichen Protocolle, zu errichten befugt.
§. 18. So weit Kindern, die noch unter väterlicher Gewalt
sind, der Mangel des gesetzmäßigen Alters nicht entgegen steht, bedürfen
dieselben, auch in Ansehung des nicht freyen Vermögens, keiner Einwilligung des
Vaters.
§. 19. Bey Frauenspersonen ist, auch an Orten, wo sie keine
Verträge ohne Geschlechtsvormund schließen können, die Zuziehung eines solchen
Curators bey ihren letzten Willensverordnungen nicht nothwendig.
§. 20. Personen, die nur zuweilen ihres Verstandes beraubt
sind, können in lichten Zwischenräumen von Todeswegen rechtsgültig verordnen.
(§. 145.)
§. 21. Personen aber, die wegen Wahn- oder Blödsinns unter
Vormundschaft genommen worden, sind, so lange die Vormundschaft dauert,
letztwillige Verordnungen zu errichten, unfähig.
§. 22. Haben dergleichen Personen, innerhalb Eines Jahres
vor angeordneter Vormundschaft, eine außergerichtliche oder privilegirte
Verordnung über ihren Nachlaß gemacht: so muß derjenige, welcher daraus einen
nach den Gesetzen ihm nicht zukommenden Vortheil fordert, nachweisen, daß der
Verfügende damals, als er die letztwillige Verordnung errichtete, seines
Verstandes mächtig gewesen sey.
§. 23. Der Einwand, daß jemand zur Errichtung seines
Testaments durch Gewalt und Drohungen gezwungen, oder durch Irrthum, Betrug, in
der Trunkenheit, oder in heftigen Leidenschaften verleitet worden, findet gegen
gerichtlich aufgenommene Verordnungen nicht statt.
§. 24. Kann jedoch ausgemittelt werden, daß der Richter um
einen solchen Mangel bey der Willenserklärung des Testators gewußt, und
dieselbe dennoch von ihm an- oder aufgenommen habe; so ist die ganze Handlung
von Anfang an nichtig; der Richter aber, wegen vorsetzlich verletzter Amtspflicht,
nach näherer Bestimmung der Criminalgesetze verantwortlich.
§. 25. Wie weit und unter welchen Umständen
außergerichtliche oder privilegirte letztwillige Verordnungen wegen eines
solchen Mangels angefochten werden können, ist nach den allgemeinen Grundsätzen
von Willenserklärungen überhaupt zu beurtheilen. (Tit. IV. §. 31-51.)
§. 26. Tauben oder stummen Personen, welche sich schriftlich
oder mündlich ausdrücken können, stehen die Gesetze bey Errichtung ihres
letzten Willens nicht entgegen.
§. 27. Personen, welche für Verschwender erklärt worden,
können während der Vormundschaft, zum Nachtheile ihrer gesetzlichen Erben, nur
über die Hälfte ihres Nachlasses gültig verordnen.
§. 28. Auch alsdann, wenn ein Verschwender bloß unter diesen
gesetzlichen Erben testirt, kann er keinem derselben mehr, als die Hälfte
desjenigen, was ihm nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge zukommen würde,
entziehen.
§. 29. Hat ein Verschwender, diesem zuwider, über seinen
ganzen Nachlaß, oder wegen des gesetzlichen Erbantheils eines seiner Verwandten
verfügt: so gilt die Verordnung nur so weit, als er nach vorstehenden
Bestimmungen zu verfügen berechtigt war; und im Uebrigen treten die Regeln der
Intestat-Erbfolge ein.
§. 30. Testamente und Codicille, welche ein Verschwender während
der Vormundschaft errichtet hat, erhalten ihre volle Gültigkeit, wenn die
Vormundschaft vor dem Tode des Testators wieder aufgehoben worden.
§. 31. Ein Gleiches findet statt, wenn der Verschwender zwar
noch unter der Vormundschaft verstirbt, aber weder Ehegatten, noch Verwandten
innerhalb des sechsten Grades, mit Inbegriff desselben, hinterläßt.
§. 32. Das vor angeordneter Vormundschaft gemachte Testament
eines nachher gerichtlich erklärten Verschwenders, ist nach der gegenwärtigen
Vorschrift nur in so fern zu beurtheilen, als es erst nach geschehenem Antrage
auf die Prodigalitätserklärung errichtet worden.
§. 33. Haben die Verwandten eines solchen Menschen, noch vor
der gerichtlich nachgesuchten Prodigalitätserklärung, denselben desfalls
verwarnen, und über diese Warnung ein Notariatsinstrument aufnehmen lassen: so
wird schon von diesem Zeitpunkte an, wenn in der Folge die
Prodigalitätserklärung wirklich erkannt worden, die Befugniß desselben zum
Testiren nach obigen Bestimmungen (§. 27. 28.) eingeschränkt.
§. 34. Auch ein Verschwender kann die sowohl vor als während
der Vormundschaft gemachten letztwilligen Verordnungen widerrufen. (§. 563.
sqq.)
§. 35. Personen, die Ehebruch oder Blutschande mit einander
getrieben haben, können einander durch letztwillige Verordnungen nichts
hinterlassen, wenn entweder um dieses verbotenen Umgangs willen eine Ehe
getrennt, oder der Erblasser sonst des Ehebruchs, oder der Blutschande mit der
begünstigten Person, gerichtlich überführt worden.
///. Von der persönlichen Fähigkeit, aus letztwilligen
Verordnungen zu erwerben.
§. 36. Wer im Staate Vermögen zu erwerben fähig und
berechtigt ist, dem können auch Erbschaften und Vermächtnisse hinterlassen
werden.
§. 37. Wie weit Kirchen, Klöster und Ordensleute in Ansehung
der Fähigkeit, Erbschaften und Vermächtnisse zu erwerben, eingeschränkt sind,
und welchen Einschränkungen eine Hausfrau in Ansehung solcher Erwerbungen von
ihrem Ehemanne unterworfen sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. XI.
Sect. IV. XII. XVIII. Tit. I. Sect. IX.)
§. 38. In wie fern Schulen, Universitäten, Erziehungs-,
Kranken- und Armenanstalten und andere milde Stiftungen, Erbschaften und
Vermächtnisse zu erwerben fähig sind, ist nach den Regeln von Schenkungen zu
beurtheilen. (Tit. XI. §. 1073. 1074. 1075. Th. II. Tit. XII.)
§. 39. So weit Corporationen und Gesellschaften überhaupt
Vermögen erwerben können, so weit können ihnen auch Erbschaften und
Vermächtnisse hinterlassen werden. (Th. II. Tit. VI.)
§. 40. So weit hiesige Einwohner zur Erwerbung einer
Erbschaft oder eines Vermächtnisses in fremden Staaten, nach den Gesetzen
derselben, für unfähig geachtet werden; so weit sind auch dortige Einwohner,
von hiesigen Unterthanen, Erbschaften und Vermächtnisse zu erwerben nicht
fähig.
§. 41. Wer vermöge seines Standes gewisse Sachen oder Güter
zu besitzen an sich nicht fähig ist, dem können solche dennoch in einem
Testamente oder Codicille zugewendet werden.
§. 42. Ein solcher Erbe oder Legatarius muß aber binnen
Jahresfrist, nach dem Tode des Erblassers, sich entweder die Fähigkeit zum
Besitze verschaffen, oder sein aus der letztwilligen Verordnung erlangtes Recht
einem andern Fähigen abtreten.
§. 43. Bey Beurtheilung der Fähigkeit eines Erben oder
Legatarii muß auf die Zeit des Erbanfalls gesehen werden.
IV. Was und wie in einem Testamente oder Codicille verordnet
werden könne.
§. 44. Der Erblasser kann in seinem Testamente einen oder
mehrere Erben zu seinem Nachlasse nach Gutfinden ernennen.
§. 45. Er kann auch nur über einen Theil seines Nachlasses
verordnen, und es in Ansehung des Ueberrestes bey der gesetzlichen Erbfolge
lassen.
§. 46. Auch ohne Benennung irgend eines Erben kann er über
einzelne Theile oder Stücke seines Nachlasses verfügen.
§. 47. Er kann die Person des Erben oder Legatarii durch
bloße Beziehung auf einen andern Aufsatz bezeichnen.
§. 48. Ein solcher Aufsatz muß aber dem Testamente selbst,
allenfalls besonders versiegelt, beygelegt werden.
§. 49. Der Willkühr eines Dritten kann die Ernennung eines
Erben oder Legatarii nicht überlassen werden.
Von Substitutionen.
§. 50. Der Erblasser kann in seinem Testamente, außer dem
ersten Erben, auch den, welcher in bestimmten Fällen an dessen Stelle treten
soll, ernennen.
§. 51. Setzt er fest, wie es gehalten werden solle, wenn der
erst eingesetzte Erbe oder Legatarius den ihm zugedachten Vortheil nicht
annehmen könnte oder wollte, so wird dieses eine gemeine Substitution genannt.
§. 52. Wenn gleich die im Testamente enthaltene gemeine
Substitution nur auf den Fall gerichtet ist, daß der erst eingesetzte Erbe
nicht Erbe seyn könnte, so ist doch darunter auch der Fall, wenn er nicht Erbe
seyn wollte, und umgekehrt, zu verstehen.
§. 53. Eine fideicommissarische Substitution ist vorhanden,
wenn dem zuerst eingesetzten Erben oder Legatario die Pflicht auferlegt worden,
die Erbschaft, oder das Vermächtniß, in den bestimmten Fällen, oder unter den
angegebenen Bedingungen, einem andern zu überliefern.
§. 54. Wie und worüber Familien-Fideicommisse und Stiftungen
gültig errichtet werden können, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. IV.)
§. 55. In Fällen, wo nach den Gesetzen kein
Familien-Fideicommiß statt findet, gilt eine fideicommissarische Substitution
nur zum Besten des ersten und zweyten Substituten.
§. 56. Wer einer substituirten Person substituirt worden,
ist, wenn diese den ihr zugedachten Vortheil nicht annehmen kann oder will,
auch dem zuerst eingesetzten Erben oder Legatario für substituirt zu achten.
§. 57. Wenn der eingesetzte Erbe oder einer von mehrern
Substituirten stirbt, oder sonst abgeht, ehe die Erbschaft oder das Vermächtniß
wirklich auf ihn verfället worden; so wird er bey der Bestimmung, wie weit die
Suhstitutionen gelten (§. 55.), nicht mit gerechnet.
§. 58. Unter der fideicommissarischen Substitution wird
allemal die gemeine; unter der gemeinen aber nicht zugleich die
fideicommissarische Substitution verstanden.
§. 59. Wenn es zweifelhaft ist: ob der Erblasser eine
gemeine oder eine fideicommissarische Substitution verordnet habe, so wird nur
jene vermuthet.
§. 60. Die Pupillarsubstitution (Th. II. Tit. II. Abschn.
VII) kann zwar als eine gemeine, aber die gemeine nicht als eine
Pupillarsubstitution gelten.
Von Bedingung, Zweck u. s. w.
§. 61. Der Erblasser kann das dem Erben oder Legatario
zugedachte Recht durch Beyfügung einer Bedingung, Bestimmung eines Zwecks, oder
Auferlegung einer gewissen Pflicht einschränken.
§. 62. Was von bedingten Willenserklärungen überhaupt
vorgeschrieben ist, gilt auch bey letztwilligen Verordnungen. (Tit. IV. §. 99.
sqq.)
§. 63. Was nach den Gesetzen einer Willenserklärung als
gültige Bedingung nicht beygefügt werden darf; das wird, wenn es in
letztwilligen Verordnungen einem Erben oder Legatario gleichwohl auferlegt
worden, für nicht beygefügt angesehen. (Tit. IV. §. 6-13. §. 136. sqq.)
§. 64. Bedingungen, die ganz unverständlich gefaßt, oder
zwar überhaupt vorbehalten, aber worin sie bestehen sollen, nicht ausgedrückt
worden, sind den unmöglichen gleich zu achten.
§. 65. Wie weit ein Erblasser in der freyen Befugniß über seinen
Nachlaß zu verordnen, durch die Rechte derjenigen, denen die Gesetze einen
Pflichttheil anweisen, eingeschränkt werde, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th.
II. Tit. I. Sect. VII. Tit. II. Sect. V. VI.)
V. Form der Testamente und Codicille. 1) Gerichtliche.
§. 66. Jedes Testament oder Codicill muß in der Regel vom
Testator selbst den Gerichten übergeben, oder zum gerichtlichen Protocolle
erklärt werden.
§. 67. Kann oder will der Testator nicht selbst an
ordentlicher Gerichtstelle erscheinen, so steht es ihm frey, das Gericht um die
Auf- und Abnahme der Disposition an dem Orte, wo er selbst sich aufhält, zu
ersuchen.
§. 68. Dieses Gesuch soll in der Regel entweder schriftlich,
unter eigenhändiger Unterschrift des Testators, oder durch zwey von ihm
abgeordnete Personen, bey dem Richter angebracht werden.
§. 69. Diese Abgeordnete bedürfen weder einer besondern
schriftlichen Vollmacht, noch sind bey den Personen derselben besondre
Eigenschaften er forderlich.
§. 70. Auch entsteht bloß daraus, daß bey dem Ansuchen um
die richterliche Deputation obige Vorschrift (§. 68.) nicht genau beobachtet
worden, noch keine Ungültigkeit der letztwilligen Verordnung selbst.
§. 71. Vielmehr ist es hinreichend, wenn der Richter auch
auf andre Art, oder aus dem Munde des Testators selbst, von dem freyen
Entschlusse desselben, sein Testament oder Codicill errichten zu wollen, sich
überzeugt hat, sobald nur das Gegentheil nicht ausgemittelt werden kann.
Welches Gericht ein Testament an- oder aufnehmen könne.
§. 72. Jedes gehörig besetzte Gericht ist, innerhalb seines
Gerichtssprengels, auch von solchen Personen, welche darunter nicht gehören,
letztwillige Verordnungen aufzunehmen berechtigt.
§. 73. Nimmt der Richter eine solche Disposition in einem
fremden Gerichtsbezirke auf, so verliert dieselbe zwar dadurch nichts an ihrer
Gültigkeit;
§. 74. Der Richter aber, welcher die Gränzen seiner
Jurisdiction überschritten hat, muß dem Richter des Orts oder Bezirks die
erhobenen Gebühren herausgeben, und eben so viel dem Fiskus zur Strafe ent
richten.
§. 75. Doch fällt sowohl die Rückgabe als die Strafe weg,
wenn der ordentliche Richter des Orts oder Bezirksintestaterbe des Testators
ist; oder dieser ihn zum Testamentserben ernennen will; oder wenn er mit dem
Testator in offenbarer Feindschaft lebt; oder wenn sonst zwischen ihm und dem
Testator besondre persönliche Verhältnisse bestehen, welche den letztern, sich
seines Amts zu bedienen, abhalten.
§. 76. Ferner alsdann, wenn der ordentliche Richter in der
Wohnung des Testators zur Auf- oder Abnehmung des Testaments zu erscheinen sich
weigert; (§. 203. 204.)
§. 77. Ingleichen alsdann, wenn die Gerichtsbarkeit an dem
Orte, wo der Testator sich aufhält, streitig ist;
§. 78. Auch alsdann, wenn an Einem Orte mehrere
Gerichtsbarkeiten befindlich sind, obgleich das Haus, in welchem der Testator
wohnt, nur unter Einer derselben gelegen ist;
§. 79. Ueberhaupt aber alsdann, wenn der Richter, welcher in
schleunigen Fällen ein Testament außer seinem Gerichtssprengel aufgenommen hat,
innerhalb Acht Tagen nachher dem ordentlichen Richter davon Nachricht giebt,
und diesem das Testament, nebst den Verhandlungen darüber, zur Aufbewahrung
zusendet.
§. 80. In den §. 78. 79. bestimmten Fällen bleiben dem
ordentlichen Gerichte, wegen der für die Handlung ihm zukommenden Gebühren,
seine Rechte gegen den Testator oder die Erben vorbehalten.
§. 81. Obergerichte sind zur Aufnehmung der Testamente
innerhalb ihres Gerichtssprengels befugt, wenn gleich der Ort, oder das Haus,
wo der Testator sich befindet, einer Untergerichtsbarkeit zunächst unterworfen
ist.
Wie das Gericht besetzt seyn müsse.
§. 82. Ein Gericht ist gehörig besetzt, wenn dasselbe
wenigstens aus Einer zur Justiz verpflichteten Gerichtsperson und Einem
vereideten Protocollführer besteht.
§. 83. Doch kann die Stelle des Protocollführers auch von
Zwey vereideten Schöppen vertreten werden.
§. 84. Wo beständige Gerichtsschöppen vorhanden sind, müssen
nur diese; andere hingegen, die bloß zu dieser Handlung vereidet worden, können
nur in schleunigen und dringenden Fällen zugelassen werden.
§. 85. Der Actuarius oder Gerichtsschreiber kann die Stelle
des Richters niemals, auch nicht, wenn er dazu allgemeinen oder besondern
Auftrag von dem Richter erhalten hat, vertreten.
§. 86. Eben so (§. 82. 83.) muß auch die Deputation besetzt
seyn, durch welche ein Testament oder Codicill von dem Testator in seiner
Wohnung, oder sonstigem Aufenthaltsorte, auf- oder abgenommen werden soll.
§. 87. Meldet sich der Testator persönlich an gewöhnlicher
Gerichtsstelle, während einer der ordentlichen Versammlungen des Gerichts: so
sind die alsdann gegenwärtigen Personen, sobald sie nur ein gehörig besetztes
Gericht ausmachen, (§. 82. 83.), die Handlung gültig vorzunehmen befugt.
§. 88. Soll aber die Handlung durch eine Deputation, es sey
an ordentlicher Gerichtstelle, oder in der Wohnung oder dem Aufenthaltsorte des
Testators, vorgenommen werden, so muß der Vorgesetzte des Gerichts, oder der
dessen Stelle vertritt, die Mitglieder dieser Deputation ernennen.
§. 89. Einzelne Mitglieder oder Subalternen können also,
ohne dergleichen besondern Auftrag, zur Auf- oder Abnahme eines letzten Willens
sich nicht gebrauchen lassen.
§. 90. Der Vorgesetzte eines Gerichts kann vor demselben,
wenn es nur, auch außer ihm, gehörig besetzt ist, gültig testiren; ingleichen
die Deputation zur Auf- oder Abnahme seines eignen Testaments selbst gültig
ernennen.
§. 91. Auch der Inhaber einer Patrimonial-Gerichtsbarkeit
kann vor den von ihm bestellten Gerichten, oder vor einer aus diesen Gerichten
von ihm selbst ernannten Deputation, gültig testiren.
§. 92. Zu einem gehörig besetzten Kriegsgerichte wird, in
Friedenszeiten, der Chef oder Commandeur, oder ein von diesen dazu commandirter
Officier nebst dem Auditeur erfordert.
Von Testamenten vor Dorfgerichten.
§. 93. Dorfgerichte, die aus einem Schulzen und zwey
vereideten Schöppen bestehen, können, unter Zuziehung eines vereideten
Gerichtsschreibers, Testa mente und Codicille gültig an- und aufnehmen, wenn
dergestalt Gefahr im Verzüge vorhanden ist, daß die Herbeykunft des
ordentlichen Gerichtshalters nicht abgewartet werden kann.
§. 94. Der Mangel eines ordentlichen Gerichtsschreibers kann
in einem solchen Falle auch durch einen Justizcommissarius, oder auch durch
einen bloßen Notarius, oder durch den Prediger, ersetzt werden.
§. 95. Dergleichen Testament oder Codicill müssen jedoch die
Dorfgerichte dem Gerichtshalter ohne Zeitverlust einhändigen; welcher sie über
den eigentlichen Hergang der Sache, auf ihre Pflicht, umständlich vernehmen,
und das Protocoll darüber, nebst der Disposition selbst, in dem gerichtlichen
Deposito verwahren muß.
§. 96. Ist der Testator alsdann noch am Leben, und zu einer
gültigen Willensäußerung noch fähig: so muß der Gerichtshalter ihm das mit den
Gerichten über den Hergang der Sache aufgenommene Protocoll vorlegen, und die
Richtigkeit des darin enthaltenen Hergangs der Sache von ihm genehmigen lassen.
§. 97. Die unterlassene Beobachtung dieser Vorschrift (§.
96.) bewirkt jedoch für sich allein noch keine Nichtigkeit der letztwilligen
Verordnung selbst; sondern macht nur den Gerichtshalter, welcher sie aus grobem
oder mäßigem Versehen verabsäumt hat, wegen der Kosten eines daraus
entstehenden Prozesses verantwortlich. (§. 158. sqq.)
§. 98. Außer dem Nothfalle (§. 93.) müssen auch Testamente
und Codicille gemeiner Landleute durch den Gerichtshalter, mit Zuziehung des
vereideten Protocollführers, oder Zweyer vereideter Schöppen, an- und
aufgenommen werden.
§. 99. Was vorstehend von Testamenten vor Dorfgerichten verordnet
ist, (§. 93-98.) gilt auch von Testamenten, welche in kleinen Städten, wo nur
Eine zur Verwaltung des Richteramts bestellte Person vorhanden ist, in
Abwesenheit derselben von dem Polizey-Magistrate, mit Zuziehung des
Stadtsecretarii, oder einer der §. 94. benannten Personen, aufgenommen worden.
Von gerichtlich übergebenen,
§. 100. Einem jeden Testator steht frey, sein Testament oder
Codicill den Gerichten versiegelt zu übergeben. (§. 66.)
§. 101. Ein dergleichen Aufsatz muß aber von ihm selbst
eigenhändig geschrieben oder wenigstens unterschrieben seyn.
§. 102. Ob dieses nothwendige Erforderniß wirklich
beobachtet worden, darüber muß der Richter den Testator ausdrücklich vernehmen.
§. 103. Außer diesem und dem, was unter §. 145. sqq.
verordnet wird, muß der Richter aller Fragen über den Inhalt des Testaments
sich enthalten, viel mehr dasselbe nur in Gegenwart des Testators
überschreiben; dem Siegel, mit welchem das Testament auswendig verschlossen
ist, das Gerichtssiegel beyfügen; üher die Handlung selbst ein vollständiges
Protocoll aufnehmen; und dieses Protocoll von dem Testator mit unterzeichnen
lassen.
von mündlich aufgenommenen Testamenten.
§. 104. Will der Testator seine Verordnung mündlich zum
Protocolle erklären, so muß der Richter alles beobachten, was nach Vorschrift
der Prozeßordnung zu einem gerichtlichen Protocolle erfordert wird.
§. 105. Das Protocoll muß der Testator mit unterzeichnen;
der Richter aber muß dasselbe in seiner Gegenwart mit dem Gerichtssiegel
versiegeln und überschreiben.
§. 106. Es hängt von dem Willen des Testators ab, dem
Gerichtssiegel noch sein eignes oder ein andres selbstgewähltes Petschaft
beyzufügen.
§. 107. Uebergiebt der Testator sein Testament oder Codicill
offen und unversiegelt, so muß er vernommen werden: ob ein solcher Aufsatz nur
bey einer mündlich zu errichtenden Disposition zum Grunde gelegt, oder als ein
schriftliches Testament angesehen werden solle.
§. 108. Will der Testator, daß ein solcher Aufsatz als ein
schriftliches Testament gelten solle, so darf der Richter bloß nachsehen; ob
derselbe von dem Testator unterschrieben sey; und muß, wenn dieses nicht ist,
die Unterschrift fördersamst bewerkstelligen lassen.
§. 109. Sodann muß er die Erklärung des Testators, daß
dieser Aufsatz seine letzte Willensmeinung enthalte, unter demselben
verzeichnen.
§. 110. Hierauf muß der Aufsatz in Gegenwart des Testators
mit dem Gerichtssiegel versiegelt, überschrieben, und mit Aufnehmung des
Protocolls über die Handlung, nach Vorschrift des §. 103., weiter verfahren
werden.
§. 111. Erklärt aber der Testator, daß der offen übergebne
Aufsatz einen bloßen vorläufigen Vermerk der Punkte, wegen welcher er jetzt
mündlich verordnen will, enthalte, so ist derselbe nach erfolgter Aufnahme des
mündlichen Testaments, von keinem fernern Gebrauche.
§. 112. Jedes gerichtlich aufgenommene oder übergebene
Testament und Codicill muß, mehrerer Sicherheit wegen, in dem Deposito des
Gerichts aufbewahrt, und dem Testator ein Recognitionsschein über die erfolgte
Niederlegung ausgefertigt werden.
Was bey Testamenten der Blinden, Gelähmten und
§. 113. Blinde, des Lesens und Schreibens unerfahrne,
ingleichen solche Personen, welche an den Händen gelähmt, oder deren beraubt
sind, können nur mündlich zum Protocolle testiren.
§. 114. Doch steht es ihnen frey, einen schriftlichen
Aufsatz ihres letzten Willens, nach Maaßgabe §. 108., offen zu übergeben,
welchen der Richter dem Testator vorlesen, auch was derselbe dabey erklärt hat,
in einem dem Aufsatze beyzufügenden, und mit ihm zu versiegelnden Protocolle
bemerken muß.
des Schreibens unerfahrnen Personen zu beobachten,
§. 115. In allen Fällen, wo der Testator das Protocoll über
die Erklärung seines letzten Willens, oder dessen Uebergebung, es sey aus
welcher Ursache es wolle, nicht selbst unterschreiben kann, muß das Handzeichen
desselben durch zwey dabey zugezogne glaubwürdige Männer bezeugt werden.
§. 116. Diese Zuziehung und Unterschrift zweyer Zeugen ist
auch alsdann erforderlich und hinreichend, wenn der Testator auch nur ein
bloßes Handzeichen beyzufügen nicht im Stande wäre.
§. 117. Die in allen dergleichen Fällen zuzuziehende
Testaments-Zeugen müssen überhaupt die Eigenschaften gültiger
Instruments-Zeugen besitzen.
§. 118. Insonderheit muß ihnen keiner derjenigen Mängel entgegenstehn,
wegen welcher jemand zur Ablegung eines jeden Zeugnisses überhaupt, nach
Vorschrift der Prozeßordnung, unfähig ist.
§. 119. Wer selbst in einem Testamente oder Codicille zum
Erben eingesetzt, oder mit einem Vermächtnisse darin bedacht worden, der kann
bey die sem Testamente oder Codicille als Zeuge nicht gebraucht werden.
§. 120. Wer in den eignen Privatangelegenheiten des
Richters, wegen naher Verwandschaft oder persönlicher Verbindung mit selbigem,
ein Zeugniß für ihn abzulegen nach den Gesetzen unfähig seyn würde; den darf
der Richter bey einem von ihm auf- oder abgenommenen Testamente als Zeugen
nicht zuziehn.
§. 121. Andre Erfordernisse, welche die Gesetze bey einem
zuläßigen oder gültigen Beweiszeugen vorschreiben, sind bey einem bloßen Testaments-Zeugen
nicht nothwendig.
§. 122. Auch kommt es nicht darauf an, ob die Zeugen von dem
Testator oder Richter gewählt worden; und es ist genug, daß sie nur alsdann
gegenwärtig sind, wenn der Testator sein Handzeichen beygefügt; oder im Falle
er dazu nicht im Stande wäre, auch nur im Allgemeinen erklärt: daß ihm das
Protocoll vorgelesen worden sey, und er den Inhalt desselben genehmige.
ingleichen der Tauben und Stummen,
§. 123. Tauben, ingleichen Stummen, die an sich testiren
können: (§. 26.) müssen die an sie zu richtenden Fragen schriftlich vorgelegt,
und wenn der Testator stumm ist, auch schriftlich von demselben beantwortet
werden.
derer, welche der Sprache des Richters nicht mächtig sind.
§. 124. Schriftliche Aufsätze eines letzten Willens kann der
Testator in jeder ihm bekannten Sprache abfassen.
§. 125. Wenn aber der Testator, bey der Uebergabe eines
solchen Aufsatzes, sich dem Gerichte nicht verständlich machen kann, so müssen
zwey vereidete Dollmetscher, oder zwey beyder Sprachen kundige eidlich zu
verpflichtende Zeugen, mit zugezogen werden.
§. 126. Will jemand, dessen Sprache der Richter nicht
versteht, mündlich zum Protocolle testiren: so muß seine Erklärung in seiner
eigenen Sprache, in Gegenwart des Richters, durch zwey vereidete Dollmetscher
oder Zeugen aufgenommen, und von diesen in die dem Richter bekannte Sprache
übersetzt werden.
§. 127. Das, was in beyden Sprachen niedergeschrieben
worden, ist alsdann einzusiegeln und aufzubewahren.
§. 128. Ist der letzte Wille des Erblassers in seiner
Sprache niedergeschrieben, und von ihm unterzeichnet, so behält derselbe seine
Rechtskraft, wenn gleich der Testator vor vollendeter Uebersetzung gestorben
wäre.
§. 129. Ist die Sprache des Testators einer von beyden zur
Auf- oder Abnahme des Testaments erforderlichen Gerichtspersonen bekannt, so
ist die Zuziehung nur eines Dollmetschers oder Zeugen hinreichend.
§. 130. Unter Dollmetschern werden hier solche Leute
verstanden, welche bey irgend einem Gerichte, oder einer andern öffentlichen
Anstalt, zum Uebersetzen aus einer in die andre Sprache förmlich angestellt und
verpflichtet sind; folglich in einzelnen Fällen einer besondern Vereidung nicht
bedürfen.
§. 131. Die Dollmetscher oder Zeugen, welche bey dem
Testamente eines der Sprache des Richters unkundigen Testators zugezogen
werden, müssen mit den §. 117-120. bestimmten Erfordernissen gültiger
Testamentszeugen versehen seyn.
§. 132. Auf die Gültigkeit der Handlung hat es keinen
Einfluß: ob die Vereidung vor- oder nachher geschehen ist.
Bey Testamenten, worin dem Richter etwas verlassen wird.
§. 133. In einem schriftlich und versiegelt übergebenen
Testamente können dem Richter, so wie jeder andern bey der Handlung der Abnahme
mitwirkenden Person, Erbschaften und Vermächtnisse gültig zugewendet werden, ohne
daß es weiter einer besondern Form bedarf.
§. 134. Soll aber in einem mündlichen Testamente der Richter
selbst zum Erben ernannt werden: so darf sich derselbe mit dessen Aufnehmung
gar nicht befassen; sondern er muß den Testator damit an irgend ein anderes
Gericht verweisen.
§. 135. Soll nur eine der übrigen bey der Handlung von
Amtswegen mitwirkenden Personen zum Erben eingesetzt werden, so muß der Richter
dieselben davon sofort entfernen, und ihre Stelle nach den obigen Vorschriften
(§. 83. 84.) durch andere ersetzen.
§. 136. Soll in einem solchen mündlichen Testamente dem
Richter oder einer der übrigen bey der Handlung mitwirkenden Personen nur ein
Vermächtniß ausgesetzt werden, so muß der Testator, daß solches wirklich seine
Absicht sey, entweder bey der Unterschrift, oder am Rande, bey der gehörigen
Stelle, eigenhändig bezeugen.
§. 137. Kann der Testator nicht selbst schreiben, so muß
dieser Vermerk von zwey glaubwürdigen Zeugen eigenhändig beygeschrieben werden.
§. 138. Sind diese Vorschriften (§. 136. 137.) verabsäumt
worden; so ist zwar nicht das ganze Testament, wohl aber das Vermächtniß
unkräftig.
Folgen der verabsäumten gesetzlichen Form.
§. 139. Die vorstehend §. 66-138. bestimmte Form eines
Testaments ist, wo nicht bey einer oder der andern Vorschrift die Ausnahme
sogleich beygefügt worden, zur Gültigkeit eines gerichtlichen Testaments oder
Codicills dergestalt nothwendig, daß, wenn sie verabsäumt worden, der letzte
Wille nicht bestehen kann.
§. 140. Der Richter, welcher sich dabey eines groben oder
mäßigen Versehens schuldig gemacht hat, muß denjenigen, welchem in dem
Testamente oder Codicille ein Erbtheil oder Vermächtniß zugedacht war, wegen
des durch seine Schuld entstehenden Verlustes gerecht werden.
Anweisung für den Richter wegen Vermeidung künftiger
Prozesse.
§. 141. Aber auch außerdem muß der Richter mit gehöriger
Sorgfalt und Vorsicht verfahren, damit Prozesse über letzte Willenserklärungen
möglichst vermieden werden.
§. 142. Ist derjenige, welcher sich zur Aufnehmung oder
Niederlegung eines letzten Willens meldet, dem Richter von Person nicht
hinlänglich bekannt, so muß letzterer vor allen Dingen sich zu überzeugen
suchen, daß der Testirende derjenige wirklich sey, für den er sich ausgiebt.
§. 143. Daß, und wie solches geschehen sey, muß, gleich
allen übrigen zur Sache gehörigen Vorfällen, im Protocolle umständlich bemerkt
werden.
§. 144. Kann der Richter von der angegebenen Qualität des
Testators keine Gewißheit erlangen, so ist es genug, wenn dieses, und für wen
derselbe sich ausgegeben, auch was er etwa zu seiner Legitimation beygebracht
hat, in dem Protocolle bestimmt angezeigt worden.
§. 145. Ferner muß der Richter durch schickliche Fragen zu
erforschen suchen: ob der Testator sich in Ansehung seiner Geisteskräfte in
einem solchen Zustande befinde, daß er seinen Willen gültig äußern könne.
§. 146. Auch davon muß der Befund in dem Protocolle bemerkt
werden.
§. 147. Ist dem Richter bekannt, daß der Testator zuweilen
an Abwesenheiten des Verstandes leide (§. 20.), so muß er sich vollständig
überzeugen, daß derselbe in dem Zeitpunkte, wo er sein Testament aufnehmen
läßt, oder übergiebt, seines Verstandes wirklich mächtig sey.
§. 148. Findet er dieses zweifelhaft, so muß er einen
Sachverständigen zuziehn.
§. 149. Leidet die Sache keinen Aufschub; so muß der Richter
zwar die Handlung vornehmen, zugleich aber alle Umstände, welche ihn über die
Fähigkeit des Testators zu einer gültigen Willensäußerung zweifelhaft machen,
in dem Protocolle mit vorzüglicher Sorgfalt bemerken.
§. 150. Muß, wegen vorkommender Zwischenfälle, die Handlung
der Testaments- Auf- oder Abnahme unterbrochen, und zu einer andern Zeit
fortgesetzt werden; so muß der Richter den Anlaß der Unterbrechung, so wie die
Zeit, wenn sie abgebrochen, und wenn sie fortgesetzt und beschlossen worden, im
Protocolle genau niederschreiben.
§. 151. Auch darauf muß der Richter von Amtswegen Rücksicht
nehmen: ob und in wie weit der Testator über sein Vermögen letztwillig zu
verfügen berechtigt, oder was er in einem oder dem andern Falle zu beobachten
schuldig sey.
§. 152. Besonders muß er bey Personen unter Achtzehn Jahren,
ingleichen bey solchen, wo wegen hohen Alters, Krankheit, oder Mangels an
Unterricht und Erziehung, geschwächte Verstandskräfte zu besorgen sind, sich
durch schickliche Fragen, so viel als möglich zu überzeugen suchen, daß
dieselben nicht durch List und Ueberredung zu der getroffenen Disposition
verleitet worden.
§. 153. Bey mündlichen Testamenten muß der Richter allen
Zweydeutigkeiten, in Bestimmung der und deren Substitution; des Erbtheils,
welchen erhalten soll; der Bedingungen, welche der Testator festsetzt; und was
sonst zu Zweifeln Anlaß geben könnte, durch fleißiges Nachfragen, und
wiederholtes Erinnern, möglichst vorzubeugen bemüht seyn.
§. 154. Bloß neugieriger Fragen aber, und noch vielmehr
solcher, wodurch jemand, der nicht zu den notwendigen Erben, welchen ein
Pflichttheil zukommt, gehört, dem Testator zur Bedenkung im Testamente oder
Codicille an die Hand gegeben wird, muß der Richter sich gänzlich enthalten.
§. 155. Auch muß er im Protocolle, bey Hauptumständen, keine
Correcturen noch Rasuren vornehmen, sondern die nöthigen Zusätze oder
Verbesserungen am Schlusse des Protocolls, oder in einer am Rande beyzufügenden
Registratur bemerken, und dergleichen Registratur von dem Testator, oder den
Zeugen, besonders mitunterschreiben lassen.
§. 156. In wesentlichen Stellen muß er sich aller
Abkürzungen enthalten, auch die vorkommenden Summen mit Buchstaben
ausschreiben.
§. 157. Bey schriftlichen versiegelt übergebenen Testamenten
muß der Richter in dem Protocolle über die Abnahme bemerken, mit wie viel
Siegeln das Testament versehen, und wie es überschrieben sey.
§. 158. Wenn der Richter durch Vernachläßigung dieser
Vorschriften (§. 142-157.) zu Prozessen, die sonst nicht entstanden wären,
Anlaß giebt: so muß er die Kosten derselben aus eigenen Mitteln tragen.
§. 159. Dergleichen Vernachläßigungen, so wie der
unterlassene Gebrauch des Stempelpapiers, ziehen also zwar die gesetzmäßigen
Strafen, aber noch nicht die Ungültigkeit des Testaments oder Codicills selbst,
nach sich.
§. 160. Uebrigens muß der Richter sowohl über die Handlung
der Auf- oder Abnahme selbst, als besonders über das, was ihm bey dieser
Gelegenheit von dem Inhalte der Verordnung bekannt geworden ist, ein
gewissenhaftes Stillschweigen, auf seinen Amtseid, beobachten.
2) Von außergerichtlichen Verordnungen.
§. 161. Legate, welche den zwanzigsten Theil des Nachlasses
wahrscheinlich, oder nach der Versicherung des Erblassers, nicht übersteigen,
können durch eigenhändig geschriebene und unterschriebene Codicille, ohne
gerichtliche Uebergabe verordnet werden.
§. 162. Zur Gültigkeit einer solchen Disposition ist jedoch
die Beyfügung des Jahres und Tages, wo sie errichtet worden, nothwendig.
§. 163. Hat der Erblasser in seinem Testamente ausdrücklich
verordnet, daß keine schriftliche Aufsätze, welche sich in dem Nachlasse finden
möchten, gültig seyn sollen, so hat es dabey sein Bewenden; auch wenn diese in
dem gerichtlichen Testamente enthaltene Erklärung in dem außergerichtlichen
Codicille widerrufen wäre.
§. 164. Behauptet der Erbe, daß die in einem
außergerichtlichen Codicille bestimmten Vermächtnisse den zwanzigsten Theil des
Nachlasses übersteigen, so ist er dieses durch ein vollständiges Verzeichniß
des ganzen Nachlasses darzuthun schuldig.
§. 165. Alsdann gelten dergleichen außergerichtliche
Vermächtnisse, zusammengenommen, nur so weit, als sie diesen zwanzigsten Theil
nicht übersteigen.
§. 166. Nach diesem Verhältnisse muß also jedes einzelne
Legat heruntergesetzt werden.
§. 167. Auch wenn mehrere dergleichen aussergerichtliche
Codicille vorhanden sind, müssen bey der Bestimmung: wie weit sie gültig sind,
die in allen ausgesetzte Vermächtnisse zusammengenommen werden.
§. 168. Hingegen kommen dabey die in dem gerichtlichen
Testamente enthaltenen Legate nicht in Anschlag.
§. 169. Auch Verordnungen wegen des Begräbnisses, wegen
Bevormundung der Kinder, und andrer dergleichen das Vermögen nicht betreffenden
Punkte, können in solchen außergerichtlichen Aufsätzen gültig getroffen werden.
§. 170. Wie weit ein Erblasser unter seinen gesetzlichen
Erben in absteigender Linie die Art und Grundsätze der Theilung durch
außergerichtliche Aufsätze bestimmen könne, ist gehörigen Orts festgesetzt.
(Th. II. Tit. II. Sect. V.)
§. 171. In andern Fällen sind dergleichen in bloß
außergerichtlichen Aufsätzen enthaltene Theilungsvorschriften nur alsdann
gültig; wenn es der Erblasser in seinem Testamente sich ausdrücklich
vorbehalten hat.
§. 172. Vermächtnisse, deren Entrichtung der Erblasser dem
gegenwärtigen Erben mündlich aufgetragen hat, verpflichten denselben, wenn der
Auftrag erwiesen werden kann, bis auf den zwanzigsten Theil seiner Erbportion.
§. 173. Ist solcher Auftrag nur Einem unter mehrern Erben,
jedoch dergestalt geschehen, daß dasVermächtniß aus dem ganzen Nachlasse
entrichtet werden soll: so werden dadurch auch diejenigen Miterben, welche
dabey nicht zugegen waren, dennoch so weit, als das Vermächtniß den zwanzigsten
Theil des ganzen Nachlasses nicht übersteigt, verpflichtet.
§. 174. Dagegen hat der einem gegenwärtigen Erben geschehene
Auftrag des Vermächtnisses einer bestimmten Sache, welche im Testamente einem
abwesenden Miterben beschieden worden, gegen den letztern keine verbindliche
Kraft.
3) Von privilegirten Testamenten.
a) solchen, die
dem Landesherrn übergeben worden.
§. 175. Eine letztwillige Verordnung, welche der Landesherr
selbst aus den Händen des Testators angenommen hat, ist gültig; sobald die
geschehene persönliche Uebergabe glaubhaft bezeugt ist.
§. 176. Bey Personen, welche zu der Familie des Landesherrn
gehören, ist es genug, wenn dieselben ihre Disposition dem Haupte der Familie
auch nur schriftlich eingereicht haben, und dieselbe dem Cabinetsarchive, oder
einem Gerichte, zur fernern Aufbewahrung zugefertigt worden ist.
b) von
militairischen Testamenten.
§. 177. Die während der Kriegsunruhen von Militairpersonen
errichtete letztwillige Verordnungen sind von den vorgeschriebenen
Förmlichkeiten frey.
§. 178. Doch findet dies Privilegium bey Landtruppen nur von
der Zeit Anwendung, wo dieselben aus ihren Standquartieren ins Feld rücken,
oder in ihren Standquartieren vom Feinde berennt werden; so wie bey Seediensten
von der Zeit an, da das Schiff bestiegen worden.
§. 179. Dagegen dauert dasselbe bis zum Ende des Krieges,
und wird weder durch das Einrücken in Festungen oder Winterquartiere, noch
durch einen geschlossenen Waffenstillstand unterbrochen.
§. 180. Alle Personen, welche der Armee zu folgen
verpflichtet sind, wenn sie auch nicht wirkliche Kriegesdienste thun, haben
sich dieses Privilegii zu erfreuen.
§. 181. Auch Freywillige, die sich unter die Befehle des
commandirenden Officiers begeben haben, sind dessen genußbar.
§. 182. Nicht weniger wird dasselbe den Kriegsgefangenen,
und denen, die als Geißel von dem Feinde in Verhaft genommen worden, beygelegt.
§. 183. Zur Gültigkeit eines schriftlich aufgesetzten
Testaments ist es hinreichend, wenn es, von dem Testator eigenhändig
geschrieben und unterschrieben, in seinem Feldnachlasse vorgefunden worden.
§. 184. Auf die äußere Form, in welcher ein solcher Aufsatz
abgefaßt worden, kommt dabey gar nichts an; sondern es ist genug, wenn nur
daraus der Wille des Testators, wie es nach seinem Tode mit seinem Vermögen
gehalten werden soll, hinlänglich zu entnehmen ist.
§. 185. Hat der Testator den Aufsatz bloß unterschrieben, so
ist die Mitunterschrift auch nur Eines Zeugen hinreichend; sobald das Testament
im Lager vor dem Feinde, oder in einer wirklich belagerten Festung errichtet
worden.
§. 186. Dieser Zeuge muß die Eigenschaften eines
glaubwürdigen Testaments-Zeugen haben, und es ist genug, wenn derselbe seine
Unterschrift anerkennt, auch daß ihm der Aufsatz von dem Testator selbst zur
Unterzeichnung vorgelegt worden, eidlich erhärtet. (§. 117. 118. 119.)
§. 187. Ist der Zeuge nicht mehr vorhanden, oder sonst seine
Hand anzuerkennen nicht mehr fähig, so muß die Richtigkeit, sowohl seiner, als
der Unterschrift des Testators, durch das Anerkenntniß der gesetzlichen Erben,
oder auf andere Art ausgemittelt werden.
§. 188. Außer dem Falle einer gegenwärtigen Kriegsgefahr (§.
185.) muß ein von dem Testator bloß unterschriebener Aufsatz, von demselben
einem seiner vorgesetzten Officiers, oder dem Auditeur, in Gegenwart zweyer
Zeugen übergeben werden.
§. 189. Dieser muß auf dem Testamente die Zeit der geschehenen
Uebergabe bemerken, und den Vermerk von den Zeugen mit unterschreiben lassen.
§. 190. Das solchergestalt überschriebene Testament muß der
Vorgesetzte oder Auditeur so lange aufbewahren, bis er Gelegenheit findet,
dasselbe einem ordentlich besetzten Kriegs- oder andern Gerichte zur Verwahrung
einzuliefern.
§. 191. Es schadet aber der Gültigkeit des Testaments nicht,
wenn auch diese Ablieferung erst nach dem Tode des Testators erfolgt.
§. 192. Mündliche Verordnungen einer Militairperson sind
gültig, wenn sie während eines Treffens, Sturms, oder andern Gefechts, oder
unmittelbar vorher, vor Zwey glaubwürdigen Zeugen, (§. 117. 118. 119.) welche
den Inhalt derselben eidlich bekundigen können, erklärt worden.
§. 193. Doch gelten dergleichen bloß mündliche Testamente
nur in so fern, als der Testator noch in demselben Treffen, Sturm oder
Gefechte, oder vor Heilung einer darin erhaltenen Wunde, sein Leben wirklich
verloren hat.
§. 194. Außer diesen Umständen (§. 192. 193.) ist ein
mündliches militairisches Testament oder Codicill nur alsdann gültig, wenn es
vor einem der dem Testator vorgesetzten Officiers, oder vor dem Auditeur, in
Gegenwart Zweyer Zeugen errichtet, ein schriftlicher Vermerk darüber
aufgenommen, und dieser Vermerk von dem Officier oder Auditeur, und den Zeugen
unterschrieben worden.
§. 195. Von einem solchen Vermerke gilt eben das, was von
einem schriftlichen militairischen Testamente in dem Falle des §. 188-191.
verordnet ist.
§. 196. Ein gültiges militairisches Testament behält (außer
dem §. 192. 193. bemerkten Falle) auch nach dem Kriege, jedoch nur auf Ein Jahr
nach wieder hergestelltem Frieden, seine Kraft.
§. 197. Militairische Testamente der Deserteurs verlieren
durch das Verbrechen der Desertion ihre Gültigkeit, und diese wird durch den
erhaltenen Pardon nicht wieder hergestellt.
c) Von andern privilegirten Testamenten.
§. 198. Das Privilegium, militairisch zu testiren, wird auch
auf Personen des Civilstandes ausgedehnt, in so fern sie, wegen ansteckender
Krankheiten oder Kriegesgefahr, sich des richterlichen Amts zu bedienen
verhindert werden.
§. 199. Dies Privilegium nimmt von der Zeit seinen Anfang,
da der Ort, oder die Gegend, wegen der aus gebrochenen Krankheiten gesperrt,
oder wegen der obwaltenden Kriegesgefahr die Gerichte des Orts geschlossen
worden.
§. 200. Die Stelle des Richters oder Officiers kann solchen
Falls eine einzelne auch nicht deputirte Gerichtsperson, ingleichen der
Prediger, oder Caplan, oder der Arzt des Orts, wo der Testator sich befindet,
oder auch ein Justizcommissarius oder Notarius vertreten.
§. 201. Dergleichen Testamente gelten auf Ein Jahr nach
wieder aufgehobener Sperre, oder nach wieder hergestelltem ordentlichem Gange
der gerichtlichen Geschäfte.
§. 202. Außer dem Falle, wo wegen ausgebrochener
ansteckender Krankheiten, der Staat eine Sperre des Orts oder der Gegend
veranlaßt hat, kann der Umstand, daß der Testator selbst mit einer solchen
Krankheit befallen gewesen, die Verabsäumung der gesetzlichen Förmlichkeiten
nicht entschuldigen.
§. 203. Dagegen können aber auch die Gerichte in der Regel
sich nicht entziehn, von solchen Kranken ihre letztwillige Verordnungen in
ihren Wohnungen, unter Anwendung der erforderlichen Vorsichtsmittel, auf- oder
anzunehmen.
§. 204. Doch kann, wenn dem Richter aus der vorzunehmenden
Handlung eine offenbare und augenscheinliche Lebensgefahr bevorstehet, derselbe
sich dieser Gefahr zu unterziehen nicht gezwungen werden. (§. 76.)
§. 205. Wer auf einem Schiffe wirklich in See sich befindet,
kann sein Testament auf militairische Art errichten.
§. 206. Der Vorgesetzte des Schiffs vertritt dabey die
Stelle des Officiers.
§. 207. Ein solches Testament gilt aber nur, wenn der
Testator wirklich auf der See, ehe das Schiff einen Hafen erreicht, oder zwar
erst nach dem Einlaufen, jedoch so kurz darnach verstirbt, daß er vor einem
ordentlich besetzten Gerichte seine Verordnung nicht hat wiederholen oder
bestätigen können.
VI. Publication der Testamente und Codicille.
§. 208. Kein Testament oder Codicill soll eher, als nach
erfolgtem Ableben des Testators, publicirt werden.
§. 209. Ist die Publication aus Irrthum oder Versehen früher
erfolgt, so verliert zwar die letztwillige Verordnung bloß dadurch noch nicht
ihre Gültigkeit;
§. 210. Der Richter muß aber dem Testator einen solchen
Verstoß, sobald er dessen inne wird, von Amtswegen bekannt machen, und ihm
überlassen, seine ferneren Maaßregeln zu nehmen.
§. 211. Findet der Testator eine andere Verordnung zu
errichten nöthig, so muß der Richter, welcher aus einem groben oder mäßigen
Versehen die Publication zu früh veranlaßt hat, die Kosten einer solchen
anderweitigen Verordnung, mit Vorbehalt des Regresses an den, welcher ihn zu
dem Irrthume verleitet hat, tragen.
§. 212. Ist das Ableben des Testators nicht notorisch, so
muß der, welcher die Publication nachsucht, oder sonst den Besitz der Erbschaft
verlangt, dasselbe nachweisen. (Tit. I. §. 34. sqq.)
§. 213. Nach bekannt gewordenem oder nachgewiesenem Ableben
des Erblassers, können die Verwandten desselben, oder wer sonst ein
wahrscheinliches Interesse bey der Sache anzugeben vermag, auf die Publication
antragen.
§. 214. Hauptsächlich aber kommt diese Befugniß denjenigen
zu, welche den Schein über die geschehene gerichtliche Niederlegung in Händen
haben. (§. 112.)
§. 215. Ist dieser Schein unter den Schriften des
Verstorbenen nicht zu finden, so kann derselbe, nach dem Ermessen des Richters,
ohne ferneren Aufenthalt für erloschen erklärt, und zur Publication geschritten
werden.
§. 216. Wenn binnen Sechs Wochen, nach dem notorischen
Ableben des Erblassers, niemand die Eröffnung des Testaments oder Codicills
nachgesucht hat, so muß der Richter damit von Amtswegen verfahren.
§. 217. Es können also, nach Verlaufe dieser Frist, die
gesetzlichen Erben die Publication des Testaments durch ihren Widerspruch nicht
aufhalten.
§. 218. Sind seit der geschehenen Niederlegung des
Testaments Sechs und Fünfzig Jahre verflossen, und ist während dieser Zeit
weder die Publication von jemanden nachgesucht, noch dem Richter sonst von dem
Leben oder dem Tode des Testators etwas Zuverläßiges bekannt geworden: so muß
der Richter das Daseyn eines solchen Testaments durch einmaliges Einrücken in
die Zeitungen der Provinz öffentlich bekannt machen, und die Interessenten zur
Nachsuchung der Publication auffordern.
§. 219. Meldet sich binnen Sechs Monathen niemand, der ein
Recht, auf die Publication anzutragen, nachweisen könnte; so muß der Richter
das Testament für sich eröffnen, und nachsehn: ob darin Vermächtnisse zu milden
Stiftungen enthalten sind.
§. 220. Finden sich solche Vermächtnisse; so muß der Richter
den Vorstehern der damit bedachten milden Stiftung davon Nachricht geben, und
ihnen überlassen, nach dem Leben oder Tode des Testators nähere Erkundigung
einzuziehn, und nach Befund der Umstände die förmliche Publication
nachzusuchen.
§. 221. Wenn diese Benachrichtigung geschehen ist, so wie in
dem Falle, wenn keine dergleichen Vermächtnisse sich finden, muß der Richter
dem Testamente ein Protocoll über die ganze Verhandlung bey legen, dasselbe
anderweitig mit dem Gerichtssiegel versiegeln, und es in seinem Archive ferner
auf bewahren.
§. 222. Ueber den andern Inhalt eines solchen nicht förmlich
publicirten Testaments muß der Richter das genaueste Stillschweigen auf seinen
Amtseid beobachten.
§. 223. Zu einer jeden Testaments-Publication, sie geschehe
von Amtswegen, oder auf den Antrag eines Interessenten, muß der Richter die ihm
bekannten am Orte befindlichen Intestaterben mit vorladen.
§. 224. Sind die Intestaterben dem Richter nicht bekannt,
oder sind dieselben am Orte nicht gegenwärtig; so muß ihnen zu der Handlung der
Publication ein Bevollmächtigter von Amtswegen bestellt werden.
§. 225. Vor erfolgender Eröffnung des Testaments müssen die
Siegel, so wie nachher die Unterschrift des Testators, den sich meldenden
Interessenten, oder deren Stellvertreter, vorgezeigt, und wie solches
geschehen, im Publications-Protocolle vermerkt werden.
§. 226. Die Urschrift des eröffneten Testaments oder
Codicills bleibt, der Regel nach, in der Verwahrung des Gerichts. (§. 237.)
§. 227. Jeder, welcher ein gegründetes Interesse bey der
Sache nachweisen kann, ist berechtigt, beglaubte Abschriften davon zu fordern.
§. 228. Auch die im Testamente ganz oder zum Theil
übergangenen gesetzlichen Erben können verlangen, daß ihnen das Original unter
gerichtlicher Aufsicht vorgelegt werde.
§. 229. Wenn über das Testament Prozeß entsteht, und der
instruierende Richter die Einsicht des Originals zur Aufklärung streitiger
Thatsachen nöthig findet: so kann selbst ein Verbot des Testators die
Vorzeigung des Originals an den Vorgesetzten des Gerichts, und an den
instruirenden Deputirten, nicht hindern.
§. 230. Allen, welchen in einem Testamente oder Codicille
ein Erbrecht oder Vermächtniß beygelegt ist, muß der Richter, wenn sie sich bey
der Publication nicht schon gemeldet haben, von Amts wegen, auf Kosten des
Nachlasses, davon Nachricht geben.
§. 231. Abwesenden ist diese Nachricht über die Post; und
ihrem Aufenthalte nach Unbekannten, durch einmalige Kundmachung in den
Zeitungen der Provinz zu eröffnen.
§. 232. Steht der Interessent, welchem die Bekanntmachung
geschehen soll, unter Vormundschaft; so muß dieselbe an das vormundschaftliche
Gericht ergehen.
§. 233. Statt der nach §. 230. 231. 232. durch den Richter
von Amts wegen zu bewirkenden Bekanntmachung, steht demselben auch frey, den
abwesenden oder ihrem Aufenthalte nach unbekannten Interessenten einen
Bevollmächtigten von Amts wegen zuzugeben, welcher die erforderlichen nähern
Nachrichten einziehe, und die Bekanntmachung besorge.
§. 234. Dieser Bevollmächtigte muß binnen Sechs Wochen nach
erhaltenem Auftrage dem Richter anzeigen: wie er diesen Auftrag befolgt habe.
§. 235. Dem Richter steht frey, die Bekanntmachung auch dem
eingesetzten Erben zu überlassen.
§. 236. Er muß aber alsdenn von Amts wegen darauf sehen, daß
der Erbe zu den Akten nachweise: daß und wie er dem übernommenen Auftrage Gnüge
geleistet habe.
§. 237. In allen Fällen, wo der Richter, bey welchem das
Testament niedergelegt und publicirt worden, nicht der ordentliche Richter des
Erblassers ist, muß ersterer dem letztern das Original nebst dem
Publicationsprotocolle, mit Zurückbehaltung beglaubter Abschriften davon,
sogleich nach der Publication, von Amts wegen einsenden.
§. 238. Dieser ordentliche Richter muß alsdann, wegen der
weitern Bekanntmachung an die Interessenten, das Erforderliche nach Vorschrift
§. 230-236. besorgen.
§. 239. Von allen Testamenten, worin einer Kirche oder
andern milden Stiftung, eine Erbschaft oder ein Vermächtniß angewiesen wird,
müssen die solches publicirende Untergerichte dem Landes-Justizcollegio der
Provinz eine Abschrift einreichen.
§. 240. Militarische Testamente müssen diejenigen, denen sie
anvertraut worden, oder denen sie nach dem Tode des Erblassers in die Hände
kommen, den Kriegsgerichten sofort abliefern, welche sie, mit den bey dieser
Gelegenheit ihnen etwa bekannt gewordenen Nachrichten über den Hergang bey
Errichtung des Testaments, den Civilgerichten zur Publication und weitern
Verfügung zusenden.
§. 241. Andere privilegirte Testamente, ingleichen
außergerichtliche Dispositionen, müssen von dem, in dessen Händen sie sind,
sogleich nach dem Ableben des Testators, den ordentlichen Gerichten desselben
zur Publication eingeliefert werden.
VII. Wirkungen gehörig errichteter und publicirter
Testamente und Codicille.
A. in Ansehung der Erbeseinsetzung. Besitz der Erbschaft.
§. 242. Aus einem gültigen Testamente erwirbt der
eingesetzte Erbe das Recht, nach Publication desselben die Erbschaft
anzutreten, und in Besitz zu nehmen. (Tit. IX. §. 367. sqq.)
§. 243. Wer auf den Grund eines Erbrechts, es sey aus einem
Testamente, oder vermöge der gesetzlichen Erbfolge, zum Besitze einer Erbschaft
redlicher Weise gelangt ist; der muß dabey so lange geschützt werden, bis die
Unrichtigkeit seines Besitztitels, und das bessere Recht des Erbschafts-Prätendenten
ausgemittelt sind.
§. 244. Ist noch niemand im Besitze der Erbschaft, so muß
der Richter denselben dem in einem förmlichen gerichtlichen Testamente
eingesetzten Erben, wenn auch sein Erbrecht noch bestritten wird, bis zum
Austrage des Streits einräumen.
§. 245. Kommen mehrere dergleichen Testamente zum
Vorscheine, so kann der in dem spätem eingesetzte Erbe den Besitz der Erbschaft
vorzüglich fordern.
§. 246. Findet der Richter den Anspruch desjenigen, welcher
das Recht des eingesetzten Erben bestreitet, einigermaaßen bescheinigt; so kann
er verfügen, daß vor der Uebergabe an den eingesetzten Erben, auf Kosten des
unterliegenden Theils, ein gerichtliches Inventarium über den Nachlaß
aufgenommen werde.
§. 247. Auf anderweitige Sicherheits-Maaßregeln ist der
Erbschafts-Prätendent nur unter eben den Umständen, unter welchen ein
Arrestschlag nach Vorschrift der Prozeßordnung zuläßig ist, anzutragen
berechtigt.
§. 248. Wer einzelne Stücke oder Inbegriffe von Sachen aus
der Verlassenschaft fordert, hat das Recht, sich an den Besitzer der Erbschaft
zu halten.
§. 249. Wer in einem militairischen oder andern
privilegirten Testamente zum Erben eingesetzt worden, hat wegen Besitznehmung
der Erbschaft in der Regel gleiche Rechte. (§. 242. sqq.)
§. 250. So lange aber die Richtigkeit der Hand- und
Unterschrift des Testators, oder der übrigen bey der Disposition mitwirkenden
Personen, noch nicht anerkannt, oder bewiesen ist; und so lange in dem Falle
des §. 192. die Zeugen ihre Angabe noch nicht eidlich bestärkt haben, kann der
in einem solchen Testamente ernannte Erbe auf den Besitz des Nachlasses keinen
Anspruch machen.
§. 251. Vielmehr muß ein solcher Nachlaß in der Regel, so
lange bis entschieden ist, ob ein privilegirtes Testament wirklich vorhanden
sey, unter gerichtlicher Verwahrung und Verwaltung bleiben.
§. 252. Doch kann der Richter, wenn die Richtigkeit des
angeblichen privilegirten Testaments einigermdassen bescheinigt ist, die
Erbschaft dem eingesetzten Erben gegen annehmliche Sicherheits-Bestellung
verabfolgen lassen.
§. 253. In beyden Fällen aber (§. 251. 252). muß ein
gerichtliches Inventarium über den Nachlaß auf genommen werden.
Ausschliessung der gesetzlichen Erben.
§. 254. Hat jemand einer oder mehrern Personen seinen
Nachlaß dergestalt beschieden, daß die Absicht, ihnen den ganzen Inbegriff
desselben allein zuwenden zu wollen, daraus erhellet; so sind die gesetzlichen
Erben für gänzlich ausgeschlossen zu achten.
§. 255. Wenn also auch in Verfolg der Verordnung, bey einer
unter den eingesetzten Erben regulierten Theilung, ein oder anderes zum
Nachlasse gehöriges Stück oder Antheil übergangen worden, so können dennoch die
Intestat-Erben darauf keinen Anspruch machen. (§. 264. sqq.)
§. 256. Hat aber der Erblasser nicht über das Erbrecht
selbst, sondern ausdrücklich nur über gewisse Stücke, Summen, oder Antheile
seines Nachlasses verordnet; so gelangt das Erbrecht auf die gesetzlichen
Erben, und diesen fällt alles zum Nachlasse Gehörende, so weit darüber nicht
verfügt ist, anheim.
§. 257. Es ändert darunter nichts, wenn auch der Testator
diejenigen, welchen er dergleichen bestimmte Theile, Stücke, oder Summen
zuwendet, Erben genannt hat.
§. 258. Vielmehr sind dieselben, im Verhältnisse gegen den
Intestat-Erben, immer nur als Legatarii zu betrachten.
§. 259. Ist jemand nur von einer gewissen Zeit an, oder nur
bis zu einer gewissen Zeit zum Erben eingesetzt worden, so wird dergleichen
Verordnung als eine fideicommissarische Substitution betrachtet. (§. 53.)
§. 260. Im ersten Falle ist der Testaments-, so wie im
letztern der gesetzliche Erbe, für substituirt zu achten.
Rechte mehrerer eingesetzten Erben.
§. 261. Sind, ohne nähere Bestimmung, mehrere Personen zu
Erben eingesetzt worden, so erwerben sie die Erbschaft zu gleichen Theilen.
§. 262. Ist einem der Miterben vor den übrigen eine
bestimmte Sache oder Summe vorausbeschieden worden, so wird er, in Ansehung
dessen, als ein Legatarius angesehn.
§. 263. Eben so wird derjenige, welchem nur eine bestimmte
Sache oder Summe im Testamente zu seinem Erbtheile ausdrücklich angewiesen
worden, in Verhältnisse gegen die übrigen Erben, als ein bloßer Legatarius
betrachtet.
§. 264. Hat der Testator, durch eine unter seinen eingesetzten
Erben regulirte Theilung, den Nachlaß nicht völlig erschöpft, so fällt das
Uebrige sämmtlichen wirklich eingesetzten Miterben anheim. (§. 254.)
§. 265. Wenn die mehrern Erben in gewisse nur im
Verhältnisse gegen das Ganze bestimmte Theile oder Quoten eingesetzt sind:
erwerben sie einen solchen Anfall nach Verhältniß dieser Erbtheile.
§. 266. Wenn aber der Erblasser, ohne Bestimmung von
Erbquoten, den ganzen Nachlaß, bis auf einen solchen Ueberrest, unter die
mehrern Erben vertheilt hat, so haben dieselben an diesen Ueberrest gleichen
Anspruch.
§. 267. Erben, die bloß als Legatarii zu betrachten sind,
(§. 263.) bleiben von der Theilnehmung an einem solchen Anfalle ausgeschlossen.
§. 268. Hat der Testator einem oder etlichen von den
eingesetzten mehrern Erben ihre Erbportionen ausdrücklich angewiesen, andern
aber keinen der gleichen Antheil bestimmt: so erhalten letztere den Ueberrest,
und zwar, wenn ihrer mehrere sind, zu gleichen Theilen.
§. 269. Hat der Testator die Masse durch Bestimmung von
Erbquoten dergestalt erschöpft, daß für den oder diejenigen, deren Antheil
unbestimmt geblieben ist, nichts mehr übrig seyn würde: so müssen die andern
Miterben, dem- oder denselben, nach Verhältniß ihrer Antheile, so viel abgeben,
als erforderlich ist, sie demjenigen gleich zu setzen, dem im Testamente der
kleinste Antheil beschieden worden.
§. 270. Sind die Erbquoten der übrigen Erben gleich groß
bestimmt, so müssen sie an den, dessen Antheil unbestimmt geblieben ist, so
viel abgeben, daß er mit jedem von ihnen gleich viel erhalte.
§. 271. Prälegate, (§. 262.) welche einem oder dem andern
der übrigen Erben ausgesetzt sind, kommen bey der Ausgleichung gar nicht in
Anschlag.
§. 272. Hat der Erbe, dessen Erbtheil in dem Falle des §.
269. unbestimmt geblieben ist, einen Pflichttheil zu fordern, so muß ihm
dieser, ohne Rücksicht: ob er mehr oder weniger, als der Erbtheil des am
mindesten begünstigten Miterben beträgt, ergänzt werden.
§. 273. Ist in dem Falle des §. 269. dem ohne nähere
Bestimmung eingesetzten Erben eine Sache oder Summe aus dem Nachlasse, als ein
Prälegat beschieden, so erhält er dennoch seinen Antheil nach eben dieser
Bestimmung, ohne Anrechnung des Prälegats.
§. 274. Uebrigens finden die Vorschriften des §. 269-273.
Anwendung, wenn gleich der Testator einen solchen Erben ausdrücklich nur in den
Ueberrest eingesetzt, oder alle Abzüge von den Antheilen der übrigen Miterben
ausdrücklich verboten hätte.
§. 275. Wenn aber der Testator einigen nicht in gewissen
Quoten eingesetzten Erben so viel einzelne Stücke oder Summen angewiesen hat,
daß der Nachlaß dadurch ganz erschöpft wird, und für die andern Miterben nichts
übrig bleibt: so können letztere von ihren mit einzelnen Stücken oder Summen
bedachten Miterben keine Abgabe verlangen.
§. 276. Vielmehr findet in einem solchen Falle eben das
statt, was verordnet ist, wenn der Nachlaß durch Vermächtnisse erschöpft
worden.
Folgen der Entsagung sämtlicher Testamentserben.
§. 277. Ist nur Ein Erbe ernannt worden, und kann oder will
derselbe nicht Erbe seyn: so fällt, in Ermangelung eines Substituten, der ganze
Nachlaß an die Intestaterben.
§. 278. Ein Gleiches geschieht, wenn zwar mehrere Erben
eingesetzt sind, diese aber insgesammt die Erbschaft nicht annehmen können oder
wollen, und kein auf diesen Fall ernannter Substitut vorhanden ist.
§. 279. In beyden Fällen (§. 277-278.) treten die Intestat-
nur an die Stelle der eingesetzten Erben, und müssen, gleich diesen, den
Verordnungen des Erblassers in Ansehung der Vermächtnisse und sonst Genüge
leisten.
§. 280. Nur wenn die Verordnung des Erblassers eine bloß auf
die Person des eingesetzten Erben sich beziehende Handlung betrift, kann der an
seine Stelle tretende gesetzliche Erbe weder zu dieser Handlung, noch zu einer
dafür zu leistenden Vergütung angehalten werden.
Recht des Zuwachses.
§. 281. Wenn hingegen von mehrern ernannten Miterben nur
einer oder der andre nicht Erbe seyn kann oder will, so wächst der
solchergestalt erledigte Erbtheil, in Ermangelung eines Substituten, den
übrigen Erben zu.
§. 282. Dieser Zuwachs geschieht nach eben dem Verhältnisse,
nach welchem der Hauptnachlaß, vermöge des Testaments, oder vermöge der
Gesetze, unter die Miterben zu vertheilen ist. (§. 261. sqq.)
§. 283. Erben, die nur als Legatarii betrachtet werden
müssen, haben an dergleichen Zuwachse keinen Antheil. (§. 256. 257. 258. 262.
263.)
§. 284. Sachen und Rechte, welche mehrern Erben zusammen auf
ihre Erbportionen ungetheilt angewiesen worden, fallen, beym Abgange des einen
dieser Mitgenossen, nur den andern, mit Ausschließung der übrigen Erben,
anheim.
§. 285. Hat der Testator den Zuwachs ausdrücklich verboten,
so fällt die erledigte Erbportion jedesmal an die Intestaterben.
§. 286. Derjenige, dem die Gesetze einen solchen Zuwachs
anweisen, kann denselben, wenn er seinen eignen Erbtheil behalten will, nicht
ablehnen.
§. 287. Er darf aber denjenigen, welchen aus solchem
Zuwachse Vermächtnisse beschieden sind, nicht weiter gerecht werden, als der angefallene
Erbtheil selbst hinreicht.
B. In Ansehung der Vermächtnisse überhaupt.
§. 288. Das Eigenthum der in einem Testamente jemanden zum
Legate ausgesetzten Sachen und Rechte, geht in der Regel mit dem Todestage des
Erblassers auf den Legatarium über. (§. 377. sqq.)
§. 289. Für Vermächtnisse, die nach baarem Gelde zu
bestimmen sind, haften sämmtliche Miterben gemeinschaftlich, wenn nicht der
Erblasser die Entrichtung des Legats nur Einem unter denselben ausdrücklich
aufgelegt hat.
§. 290. Wegen solcher Geldvermächtnisse hat der Legatarius
aus dem gesammten Nachlasse, so viel davon nach Abzug der Schulden übrig
bleibt, das Recht, Sicherheitsbestellung in dem Nachlasse, auch ohne besondere
Einwilligung des Erben, zu fordern; so wie das in der Concursordnung näher
bestimmte Vorrecht in dem Vermögen des Erben selbst.
§. 291. Gleiche Rechte kommen demjenigen, dem einzelne
bestimmte Sachen zum Vermächtnisse beschieden worden, in Ansehung des Werths
derselben zu, so weit dieser von den Erben vertreten werden muß.
§. 292. Wenn die Erben, vor erfolgter Berichtigung
sämmtlicher ihnen gemeinschaftlich aufgelegter Vermächtnisse, den Nachlaß
theilen, so verbleiben den Legatariis eben die Rechte gegen jeden einzelnen
Miterben, welche in einem gleichen Falle den Erbschaftsgläubigern beygelegt
sind. (Tit. XVII. Sect. II.)
§. 293. Ist der Legatarius mit der weitern Abgabe eines
Vermächtnisses an einen Dritten belastet worden, so steht er gegen denselben in
dem Verhältnisse eines Erben.
§. 294. Bey Ermangelung näherer von dem Erblasser
festgesetzter Bestimmungen, kann der Legatarius die Uebergabe oder Auszahlung
des Vermächtnisses gleich nach dem Ablaufe der gesetzmäßigen Deliberationsfrist
fordern. (Tit. IX. §. 383. sqq.)
§. 295. Nur wenn über die Gültigkeit des letzten Willens
gestritten wird, ist der Legatarius das Ende des Prozesses abzuwarten schuldig.
§. 296. Auch kann der Erbe, welcher nur mit Vorbehalt die
Erbschaft angetreten hat, das Legat so lange zurückhalten, bis rechtlich
ausgemittelt worden: ob der Nachlaß zur Tilgung der Schulden und Vermächtnisse
hinreiche.
§. 297. Dagegen ist der Legatarius so gut, wie der
Erbschaftsgläubiger, berechtigt, darauf zu dringen, daß der Erbe das
Inventarium vorlege, und die Eröfnung des Liquidationsprozesses nachsuche.
§. 298. Die Verteidigung des Nachlasses gegen die daran
gemachten Ansprüche kommt zwar hauptsächlich dem Erben zu; und was gegen diesen
erkannt worden, das müssen die Legatarii auch gegen sich gelten lassen.
§. 299. Doch steht den Legatariis frey, sich bey den die
Masse betreffenden Prozessen, so weit sie ein wirkliches Interesse nachweisen
können, zu melden; und gegen die der Masse nachtheiligen Erkenntnisse die
gesetzmäßigen Rechtsmittel, allenfalls auch ohne Beytritt des Erben, jedoch auf
ihre Kosten, zu verfolgen.
§. 300. Was die Erbschaftsgläubiger im Wege des Vergleichs,
oder der Behandlung, von ihren Forderungen nachlassen; das kommt der Masse, und
nicht bloß dem Erben für seine Person, zu gute.
Wenn bestimmte Sachen oder Rechte vermacht worden.
§. 301. Wenn zum Vermächtnisse ausgesetzte bestimmte Sachen
oder Rechte von einem Erbschaftsgläubiger in Anspruch genommen werden: so muß
der Erbe dem Legatario davon Nachricht geben; und dieser ist sodann schuldig,
die Führung eines solchen Prozesses auf seine Kosten zu übernehmen.
§. 302. Sind in einem Testamente gewisse jährlich, oder
sonst zu einer bestimmten Zeit, wiederkehrende Hebungen zum Vermächtnisse
beschieden: so wird die Zeit der zu leistenden Abgabe von dem Todestage des
Erblassers an gerechnet.
§. 303. Ist aber jemanden der Gebrauch oder Genuß eines
Grundstücks, Gebäudes, oder andern bestimmten Sache vermacht, so kann er
denselben nur von Ablauf der gesetzmäßigen Ueberlegungsfrist fordern.
§. 304. Von vermachten Geldzinsen, Zehenten, und andern dergleichen
festen Hebungen, gebühren dem Legatario nur die nach dem Tode des Erblassers
fälligen Termine.
§. 305. Die vermachte Sache muß dem Legatario in dem
Zustande, in welchem sie sich zur Zeit des Erbenfalls befunden hat, mit allen
nachher hinzugekommenen An- und Zuwüchsen übergeben werden.
§. 306. Bis zur Uebergabe muß der Erbe die Sache zum
Vortheile des Legatarii verwahren und verwalten.
§. 307. Doch darf er demselben von den Früchten und
Nutzungen für die Zwischenzeit, von dem Tode des Erblassers bis zum Antritte
der Erbschaft, nur so viel gewähren, als er selbst davon erhalten hat.
§. 308. Auch für die Zeiten seiner Verwaltung vertritt der
Erbe nur ein grobes Versehen.
§. 309. Zögert er jedoch mit der Verabfolgung des Legats,
über die gesetzmäßige Frist, (§. 294. sqq.) ohne Grund, so treffen ihn alle
rechtliche Folgen des Verzugs.
§. 310. Auch ist der Erbe, welcher sich einer solchen
ungebührlichen Zögerung schuldig macht, von diesem Zeitpunkte an, für einen
unredlichen Besitzer zu achten.
§. 311. Eigenmächtiger Weise darf kein Legatarius des
Besitzes der vermachten Sache sich anmaaßen.
§. 312. Die Uebergabe oder Verabfolgung des Legats muß, wenn
eine entgegengesetzte Willensmeinung des Testators nicht erhellet, auf Kosten
des Legatarii erfolgen.
§. 313. Hat der Erbe die vermachte Sache veräußert, so muß
er dem Legatario das ganze Interesse vergüten.
§. 314. In wie fern der Legatarius die Sache selbst von dem
dritten Besitzer zurückfordern, und wegen desjenigen, was er diesem erstatten
muß, an den Erben sich halten könne, ist nach den Regeln von der Verfolgung des
Eigenthums zu beurtheilen. (Tit. XV.)
§. 315. Ist die vermachte Sache zur Zeit des Erbanfalls gar
nicht mehr in dem Nachlasse vorhanden, so verliert das Vermächtniß seine
Wirkung.
§. 316. Dagegen schadet es der Gültigkeit des Vermächtnisses
nicht, wenn der Testator die vermachte Sache zwar veräußert, noch vor seinem
Ableben aber dieselbe wieder zurückerhalten hat, und sie also in dem Nachlasse
wirklich vorhanden ist.
§. 317. Ist die vermachte Sache, der Materie nach, wenn
gleich unter veränderter Form, in dem Nachlasse noch vorhanden, so besteht das
Legat.
§. 318. Hat der Testator der Materie der vermachten Sache,
ohne weitern Zusatz, oder Verbindung mit einer andern, bloß eine veränderte
Gestalt gegeben, so erhält der Legatarius, statt der vermachten, die veränderte
Sache.
§. 319. Hat aber der Testator, bey Veränderung der Form,
zugleich die Materie vermehrt, oder mit einer andern vermengt, vermischt, oder
sonst verbunden, so muß der Legatarius mit dem Ersatze des gemeinen Werths der
Materie der ihm vermachten Sache sich begnügen.
§. 320. Wenn erhellet, daß die Veränderung der Form ohne
Vorwissen und Genehmigung des Testators erfolgt sey, so hat der Legatarius in
dem Falle des §. 318. die Wahl: ob er die veränderte Sache nehmen, oder den
gemeinen Werth der ihm vermachten Sache selbst, so wie sie zur Zeit der
Veränderung beschaffen war, fordern wolle.
§. 321. In dem Falle des §. 319. hingegen kann der
Legatarius nur auf diesen Werth der vermachten Sache selbst, vor der
Veränderung, Anspruch machen.
§. 322. Hat der Testator das für die veräußerte Sache
gelösete Geld bis zu seinem Tode besonders aufbewahrt, so muß dasselbe dem
Legatario, statt der vermachten Sache, verabfolgt werden; es wäre denn, dass
der Erbe eine entgegenstehende Willensäußerung des Testators nachzuweisen
vermöchte.
§. 323. Hat der Erblasser die vermachte Sache dem Legatario
schon selbst übergeben, so hat Letzterer deshalb an den Nachlaß weiter keinen
Anspruch.
§. 324. Hat jedoch der Erblasser die Sache dem Legatario
durch einen lästigen Vertrag zugeeignet, und demselben das, was er dagegen zu
leisten hatte, ganz oder zum Theil bis an seinen Tod nachgesehn; so wird, wenn
nicht eine entgegensetzte Willensmeinung des Testators klar erhellet, ein
solcher Rückstand, vermöge des Legats, für erlassen geachtet.
§. 325. Der Legatarius muß die vermachte Sache mit allen bey
dem Ableben des Erblassers darauf haftenden Lasten übernehmen, wenn nicht der
Testator ein Anderes ausdrücklich verordnet hat.
§. 326. Ist also die Sache verpfändet, oder mit
eingetragenen Hypotheken belastet, so muß der Legatarius diese Lasten ohne
Beytrag oder Zuthun des Erben ablösen.
§. 327. Ist die Sache mit mehrern zugleich verpfändet, so
ist der Legatarius nur schuldig, einen Theil des Pfandschillings, nach
Verhältniß des Werths der Sache, zu bezahlen; und kann dagegen den Erben
anhalten, daß er die Sache von dem Pfandrechte befreye.
Von Geldvermächtnissen.
§. 328. Besteht das Vermächtniß in einer bestimmten
Geldsumme, so muß der Erbe dieselbe dem Legatario, von Ablauf der
Ueberlegungsfrist an, landüblich verzinsen.
§. 329. Von diesem Zinsenlaufe kann sich der Erbe nur durch
gerichtliche Niederlegung der vermachten Summe, so weit dergleichen
Niederlegung nach den Gesetzen statt findet, (Tit. XVI. Sect. III.) befreyen.
§. 330. Die Frist zur Uebergabe oder Bezahlung der
vermachten Sache oder Summe, ist nur zu Gunsten des Erben bestimmt, welcher
daher die Uebergabe oder Zahlung auch früher leisten kann.
§. 331. Fällt dem Erben in Bezahlung des Vermächtnisses eine
schuldbare Zögerung zur Last, so treffen auch ihn die gesetzmäßigen
Verzugszinsen.
Wie weit Legatarii zu den Erbschaftslasten beytragen müssen.
§. 332. Außer dem Falle des §. 325. ist der Legatarius die
Lasten der Erbschaftsmasse übertragen zu helfen nicht schuldig.
§. 333. Der Erbe kann also bloß aus dem Grunde, daß nach
Berichtigung der Schulden und Vermächtnisse für ihn kein Erbtheil übrig bleibe,
den Legatariis keine Abzüge machen.
§. 334. Reicht aber der Nachlaß zu Bezahlung der Schulden,
Ergänzung des Pflichttheils, oder Berichtigung der übrigen Vermächtnisse nicht
zu, so müssen die Legatarii, nach Verhältniß der ihnen geschehenen Zuwendungen,
dazu mit beytragen, oder Abzug leiden.
§. 335. Auch die von Todeswegen gemachten Schenkungen sind
diesem Beytrage und Abzüge unter worfen.
§. 336. Der Werth einer vermachten Sache, nach dessen
Verhältniß beygetragen werden soll, muß, mit Rücksicht auf den Zeitpunkt des
Erbanfalls, wenn die Parteyen sich nicht vereinigen können, gerichtlich
abgeschätzt werden.
§. 337. Wenn einer von beyden Theilen mit der Taxe nicht
zufrieden ist, so kann er auf gerichtlichen Verkauf antragen.
§. 338. Dem Legatario, welcher den Beytrag nicht leisten
will, steht es frey, sich des Vermächtnisses, auch wenn er dasselbe bereits
erhalten hat, wieder zu entschlagen.
§. 339. Will er hiernach die Sache zurückgeben, so muß er
zugleich die während seines Besitzes gezogenen Nutzungen dem Nachlasse
erstatten.
§. 340. Von den Nutzungen kann er jedoch die auf deren
Hebung, ingleichen die auf Erhaltung der Sache verwendeten Kosten abziehen.
§. 341. Uebrigens wird er, wegen der Verbesserungen,
Verschlimmerungen, und sonst, einem redlichen Besitzer gleich geachtet.
§. 342. Hat der Legatarius, ehe ihm der Beytrag zu den
Erbschaftslasten von der vermachten Sache abgefordert worden, dieselbe
redlicher Weise verkauft, so darf er nur nach Verhältniß des gelöseten
Kaufwerths beytragen.
§. 343. In allen andern Fällen, wo der Legatarius die
vermachte Sache veräußert hat, und also dieselbe um des Beytrags sich zu
entschlagen, nicht mehr zurückgeben kann, wird auf den Werth der Sache zur Zeit
des Erbanfalls, Rücksicht genommen.
§. 344. Doch kommen dem Legatario Verschlimmerungen, welche
die Sache erweislich in seinen Besitz ohne sein grobes Versehen erlitten hat,
so wie ein ohne dergleichen Versehen erfolgter gänzlicher Untergang der Sache,
zu statten.
§. 345. Die Schulden und übrigen Erbschafts-Lasten müssen
aus der Substanz des Nachlasses, und der dazu gehörenden Vermögensstücke
berichtigt werden.
§. 346. Legatarii also, denen nur ein Nießbrauch, oder
gewisse jährliche, oder sonst zu gewissen Zeiten fällige Hebungen beschieden
sind, tragen zu diesen Lasten nur in so weit mit bey, als nach dem
Verhältnisse, wie der Hauptstuhl, aus dem sie diese Hebungen zu erwarten haben,
durch den davon zu entrichtenden Beytrag geschwächt wird, auch ihr Genuß, oder
ihre Hebung, einen Abfall erleiden müssen.
§. 347. Damit bestimmt werden könne: um wie viel die
jährlichen Hebungen solcher Legatarien sich vermindern, müssen dieselben
zuvörderst zu Capital angeschlagen werden.
§. 348. Mit wie viel Prozent sie zu Capital zu rechnen sind,
muß nach dem Alter und der wahrscheinlichen Lebensdauer des Legatarii, mit
Rücksicht auf die bey der nächsten inländischen Wittwenverpflegungs-,
Leibrenten-, oder Tontinen-Anstalt angenommenen Grundsätze bestimmt werden.
§. 349. Nach dem Verhältnisse nun, wie von einem solchen angenommenen
Capitale zur Uebertragung der Erbschaftslasten abgegeben werden müßte; nach
eben diesem Verhältnisse mindert sich die jährliche Hebung des Legatarii.
§. 350. Wenn also, zum Beyspiele, von einem jähr lichen
Vierzig Thaler betragenden Legate das Capital nach den Regeln des §. 348.
Fünfhundert Thaler ausmachen würde, und von den Legaten zu den übrigen
Erbschaftslasten Fünfzig Prozent beygetragen werden müssen, so muß dieser
Legatarius mit Zwanzig Thalern jährlicher Hebung sich begnügen.
§. 351. In dem Verhältnisse, wie der Vortheil des
Hauptlegatarii durch den Beytrag zu den Erbschaftslasten geschmälert wird,
vermindert sich auch der Vortheil desjenigen, welchem dieser, nach dem Willen
des Erblassers, ein Vermächtniß zu entrichten schul ig ist.
Was Rechtens sey, wenn der Nachlaß durch Vermächtnisse
erschöpft wird.
§. 352. Nach vorstehenden Grundsätzen müssen sämmtliche
Legatarii, im Verhältnisse des auf sie kommenden Vortheils, die übrigen Lasten
der Erbschaft auch alsdann tragen, wenn der ganze Nachlaß durch einzelne
Vermächtnisse erschöpft ist.
§. 353. Dem Testaments- oder Intestaterben verbleibt jedoch
die Verwaltung und Vertheilung des Nachlasses, nach den in der Prozeßordnung
enthaltenen Vorschriften.
§. 354. Einem solchen Erben müssen sämmtliche auf die
Conservation und Verwaltung des Nachlasses, ingleichen auf die Regulirung des
Geschäftes mit den Schuldnern und Legatariis verwendete Kosten erstattet
werden.
§. 355. Auch hat er für seine Bemühungen uad Versäumnisse
eine billige Vergütung zu fordern.
§. 356. Können über diese die Interessenten sich in Güte
nicht vereinigen, so muß sie der Richter nach eben den Grundsätzen, wie das
Salarium eines Verlassenschafts- oder Concurscurators bestimmt wird,
festsetzen.
§. 357. Zu diesen Schadloshaltungen des Erben (§. 354-356.)
tragen die Legatarii in eben dem Verhältnisse bey, wie zu den übrigen
Erbschaftslasten.
§. 358. Dergleichen Schadloshaltungen kann jedoch der Erbe
nur in so fern fordern, als dieselben dasjenige, was ihm zum Erbtheile übrig
bleibt, übersteigen.
§. 359. Will der Erbe sich mit dem Geschäfte der Erbschaftsregulirung
nicht selbst befassen, so steht ihm frey, die gerichtliche Bestellung eines
Verlassenschaftscurators, auf Kosten der Masse, seinem Erbrechte unbeschadet,
nachzusuchen.
§. 360. Auch in diesem Falle kommt also ein Zuwachs der
Erbschaft, welcher in der Folge sich ereignet, demjenigen, welcher das ihm
angefallene Erbrecht wirklich übernommen hat, zu gute.
§. 361. Von einem solchen Zuwachse aber müssen zuvörderst
den Legatariis die vorhin gemachten Ab züge, jedoch ohne Zinsen, ergänzt
werden.
§. 362. Will weder der Testaments- noch der nächste
Intestaterbe, aus Besorgniß der Unzulänglichkeit des Nachlasses zur
Berichtigung der Erbschaftslasten und Vermächtnisse, das ihm angefallene
Erbrecht übernehmen; so muß der Richter die nächst folgenden gesetzlichen Erben
in der Ordnung, wie in Ermangelung der näheren das Erbrecht auf sie verfällt
wird, dazu auffordern.
§. 363. Sobald aber dieser zunächst an der Succession
stehende Intestaterbe, seiner Person oder seinem Aufenthalte nach, unbekannt
oder zweifelhaft ist, muß der Richter über den Nachlaß Concurs eröffnen.
§. 364. Bleibt alsdann, nach Abzug der Schulden und
Vermächtnisse, ingleichen sämmtlicher Kosten, noch etwas übrig, so fällt
dasselbe dem nächsten Intestaterben, der das Erbrecht nicht abgelehnt hat,
anheim.
§. 365. Wer dies sey, muß alsdann, wenn die Person oder der
Aufenthalt derselben unbekannt ist, duren Edictalcitation ausgemittelt werden.
Vom Rechte des Zuwachses bey Legaten.
§. 366. Ein Vermächtniß, welches der Legatarius nicht
annehmen kann oder will, fällt, in Ermangelung eines dazu von dem Testator
ernannten Substituten, an die Erbschaftsmasse zurück.
§. 367. War jedoch der ausfallende Legatarius mit
Vermächtnissen an Andere belastet, so muß der Erbe diese letztern berichtigen,
oder das angefallene Legat dem fernern Legatario, welchem der Ausgefallene
etwas leisten sollte, überlassen.
§. 368. War ein Vermächtniß mehrern Personen zugleich und
ungetheilt beschieden, so wächst das ausfallende Antheil des einen, in
Ermangelung eines Substituten, den übrigen Mitgenossen zu.
§. 369. Dieser Zuwachs geschieht nach eben dem Verhältnisse,
nach welchem der Testator die Quoten eines jeden Legatarii an dem ganzen
Vermächtnisse bestimmt hat.
§. 370. Ist dergleichen Verhältniß von dem Erblasser nicht
angegeben, so erwerben die Mitgenossen den Zuwachs zu gleichen Theilen.
§. 371. Uebrigens gilt, wegen des Zuwachses bey
Vermächtnissen, eben das, was wegen des Zuwachses bey den Erbtheilen verordnet
ist. (§. 281. sqq.)
§. 372. Doch fallen, wenn der Testator den Zuwachs unter den
Legatarien verboten hat, die erledigten Vermächtnisse nicht an den Intestat-,
sondern an den Testamentserben.
Von besondern Arten der Vermächtnisse.
a) Künftige
Sachen.
b) Eigne Sache
des Erben.
§. 373. Hat der Testator jemanden ausdrücklich eine künftige
Sache vermacht, so muß ihm der Erbe diese Sache, sobald sie zur Wirklichkeit
kommt, gewähren.
§. 374. Auch das besondere Eigenthum des eingesetzten Erben
kann der Testator einem Dritten vermachen.
§. 375. Bey einem solchen Vermächtnisse kommt es darauf
nicht an: ob der Testator gewußt hat, daß die Sache dem Erben gehöre.
§. 376. Gehört die Sache einem von mehrern Miterben, und das
Vermächtniß ist nicht ausdrücklich diesem allein auferlegt, so muß ihm der
gemeine Werth der Sache aus der Erbschaftsmasse ersetzt werden.
c) Fremde
Sache.
§. 377. Hat der Testator jemanden eine fremde Sache
ausdrücklich vermacht, so muß der Erbe, dieselbe dem Legatario zu verschaffen,
sich möglichst angelegen seyn lassen.
§. 378. Will der dritte Besitzer der vermachten Sache
dieselbe dem Legatario gar nicht, oder nur gegen unverhältnißmäßige Bedingungen
überlassen, so muß der Erbe dem Legatario den durch Sachverständige
ausgemittelten außerordentlichen Werth vergüten.
§. 379. Hat der Legatarius die ihm als fremd vermachte Sache
durch einen lästigen Vertrag, vor oder nach dem Tode des Erblassers, bereits an
sich gebracht, so muß der Erbe ihm das vergüten, was er selbtst dafür gegeben
hat.
§. 380. Hat aber der Legatarius durch einen wohlthätigen
Vertrag, oder sonst unentgeltlich, das Eigenthum der Sache erworben, so bleibt
das Vermächtniß ohne Wirkung.
§. 381. War der Legatarius, zur Zeit des errichteten Legats,
selbst Eigenthümer der ihm vermachten Sache, so ist das Vermächtniß ohne
Wirkung, wenn nicht aus der Fassung der Disposition erhellet, daß und welchen
besondern Vortheil der Testator dadurch dem Legatario hat zuwenden wollen.
§. 382. Uebrigens kommt es in diesem Falle nicht darauf an:
ob der Legatarius bey dem Ableben des Testators die vermachte Sache noch
wirklich besitzt; oder ob er sie in der Zwischenzeit veräußert hat.
§. 383. Im zweifelhaften Falle wird niemals vermuthet, daß
der Testator eine fremde Sache habe vermachen wollen.
§. 384. Wenn er also eine Sache, die wirklich eine fremde
war, als seine eigene vermacht, so ist das Vermächtniß ohne Wirkung.
§. 385. Kommt dem Testator nur ein gewisses Recht, oder ein
Anspruch auf die Sache zu, so wird im zweifelhaften Falle, nur dieses Recht,
oder dieser Anspruch, für vermacht angenommen.
d) Sachen die
nicht im Verkehre sind.
§. 386. Werden Sachen vermacht, die vom Verkehre gänzlich
ausgeschlossen sind, so ist ein solches Vermächtniß unkräftig.
e) Handlungen.
§. 387. Hat der Testator den Erben mit gewissen Handlungen
zu Gunsten des Legatarii belastet, so ist der Erbe zur Leistung dieser
Handlungen so weit verbunden, als er sich dazu durch Verträge hat verpflichten
können. (Tit. V. §. 51. 68. sqq.)
f) Vermächtnisse
der Wahl.
§. 388. Hat der Testator eine aus mehrern Sachen dergestalt
vermacht, daß nothwendig eine Wahl statt finden muß, so gebühret diese Wahl dem
Erben, in so fern nicht aus der Fassung der Disposition klar erhellet, daß sie
der Legatarius haben solle.
§. 389. Ein Gleiches findet auch alsdann statt, wenn zwar nur
eine bestimmte Sache vermacht worden; in dem Nachlasse aber mehrere Sachen von
dieser Art vorhanden sind, und nicht deutlich ist, welche derselben der
Testator gemeint habe.
§. 390. Lautet die Verordnung des Testators dahin, daß der
Erbe dem Legatario eine von mehrern Sachen geben solle, so bezeichnet solches
eine dem Erben überlaßne Wahl.
§. 391. Hat aber der Testator verordnet, daß der Legatarius
eine von mehrern Sachen nehmen solle, so wird dadurch angedeutet, daß dem
Legatario die Wahl zukomme.
§. 392. In allen Fällen, wo der Erbe wählt, ist er nur eine
nach den Umständen des Legatarii für ihn brauchbare Sache zu geben verbunden.
§. 393. Ist aber die Wahl dem Legatario ohne Einschränkung
überlassen, so kann dieser auch das Beste wählen.
§. 394. Haben mehrere Erben oder Legatarien unter Sachen von
gleicher Art eine Wahl vorzunehmen, so entscheidet das Loos, in welcher Ordnung
sie wählen sollen.
§. 395. Hat der Testator einem Dritten die Bestimmung,
welches Stück der Legatarius haben soll, überlassen, so kann dieser, so wie der
Legatarius selbst, (§. 393.) auch das Beste aussuchen.
§. 396. Kann oder will der Dritte nicht wählen, so gebührt
zwar die Wahl dem Legatario; dieser muß sich aber alsdann mit einer für ihn
brauchbaren Sache von mittlerem Werthe begnügen.
§. 397. In allen Fällen, wo der Erbe wählt, ist derselbe dem
Legatario zur Gewährsleistung für die gegebene Sache, wie bey Verträgen
verpflichtet.
§. 398. Hat aber der Legatarius gewählt, so haftet der Erbe,
außer dem Falle eines mit untergelaufenen Betrugs, nicht für die fehlerhafte
Beschaffenheit der Sache.
§. 399 Der Erbe muß jedoch in allen Fällen, wo der
Legatarius die Wahl hat, demselben sämmtliche im Nachlasse befindliche Stücke,
unter welchen er wählen könnte, treulich angeben, und auf Verlangen vorzeigen.
§. 400. Hat er dieses nicht gethan, so ist der Legatarius an
seine erste Wahl nicht gebunden, sondern kann von neuem wählen.
g) Vermachte Gattung.
§. 401. Der, welchem eine gewisse Gattung von Sachen, ohne
Bestimmung der Qualität und Quantität, vermacht worden, erhält alle Stücke,
welche sich von derselben Gattung, zur Zeit des Todes, im Nachlasse befunden
haben.
§. 402. Doch bleiben Stücke davon ausgenommen, die als
Pertinenzstücke oder Inventarien eines Landguts oder Gebäudes anzusehen sind;
sobald der Wille des Testators, daß der Legatarius auch diese haben solle,
nicht klar erhellet.
§. 403. Hat der Testator jemanden ein Stück von einer
gewissen Gattung ohne weitere Bestimmung vermacht, und es findet sich
dergleichen im Nachlasse nicht, so muß der Erbe dem Legatario ein solches Stück
anschaffen.
§. 404. Die unbestimmt gebliebene Qualität einer solchen dem
Legatario zugedachten Sache muß nach dem Stande und der Nothdurft des
Empfängers bestimmt werden.
§. 405. Wenn jemanden eine bestimmte Sache ver macht worden,
so sind unter einem solchen Legate, in Ermangelung näherer Vorschriften, auch
die gesetzlichen Pertinenzstücke, so weit dieselben bey dem Ableben des
Testators vorhanden waren, mit begriffen. (Tit. II. §. 42. sqq.)
h) Vermächtniß einer bestimmten Sache.
§. 406. Derjenige also, dem eine solche Sache vermacht
worden, geht in Ansehung der gesetzlichen Pertinenzstücke demjenigen vor,
welchem die Gattung von Sachen, zu welcher diese Pertinenzstücke an und für
sich gehören, beschieden ist.
§. 407. Zu vermachten flüßigen Sachen gehören auch die
Gefäße, in welchen sie verkauft oder verführt zu werden pflegen.
i) Vermächtnisse einer Schuldverschreibung.
§. 408. Ist jemanden eine bestimmte Schuldforderung vermacht
worden, so gebührt ihm das Capital, nebst allen nach dem Tode des Erblassers
fälligen Zinsen.
§. 409. Ist die Schuld unrichtig, oder der Schuldner
unvermögend, so trifft der Verlust den Legatarium.
§. 410. Ist die Schuld getilgt, so kann auch der Legatarius
nichts fordern.
§. 411. Wird aber die Schuld nur durch Gegenforderungen
aufgehoben, die nach dem Zeitpunkte, da das Legat ausgesetzt worden, entstanden
sind, und worüber sich der Erblasser mit dem Schuldner nicht berechnet hatte,
so kann der Legatarius den Betrag des Hauptstuhls aus der Masse fordern.
§. 412. Hat der Schuldner die Schuld zwar bezahlt, der
Testator aber das von ihm empfangene Geld bis an seinen Tod besonders
aufbewahrt, so gehört dasselbe, wenn nicht eine andere Absicht des Testators
dabey klar erhellet, dem Legatario.
§. 413. Eben das gilt, wenn der Testator das für die
vermachte Schuld eingegangene Geld sogleich in eben derselben oder einer
minderen Summe wieder ausgeliehen hat.
§. 414. Ist jemanden alles, was in einem gewissen
Behältnisse sich befindet, vermacht worden: so werden darunter die
Schuldforderungen, worüber die Instrumente darin verwahrt sind, nicht mit
begriffen; sobald in dem Behältnisse noch andere Sachen sich finden, auf welche
das Legat gedeutet werden kann.
§. 415. Wohl aber sind unter einem solchen Vermächtnisse
Banknoten, Pfandbriefe oder Actien, und andere die Stelle des baaren Geldes
vertretende Papiere mit verstanden, wofern nicht eine entgegengesetzte Willensmeinung
des Testators klar erhellet.
§. 416. Hat der Testator nur die Zahlung einer vermachten
Summe aus einem ausstehenden Capitale angewiesen, so muß der Erbe diese Zahlung
leisten, wenn gleich das Capital von dem Testator nachher eingezogen worden.
§. 417. Ist aber die Schuld unrichtig, oder der Schuldner
unvermögend; so ist das Vermächtniß ohne Wirkung.
§. 418. Kommt jedoch der Schuldner zu bessern
Vermögensumständen; so tritt das Vermächtniß, so weit alsdann noch Zahlung von
dem Schuldner erhalten werden kann, wiederum in seine Kraft.
§. 419. Ist ein Vermächtniß auf gewisse jährliche Einkünfte
angewiesen, so kann der Legatarius nicht mehr fordern, als die Einkünfte
wirklich betragen.
§. 420. Doch müssen die Ausfälle Eines Jahres aus den
Ueberschüssen, welche in den nächstfolgenden Drey Jahren sich ereignen, so weit
diese dazu hinreichen, vergütet werden.
k) Vermächtniß des Gebrauchs oder Nießbrauchs.
§. 421. Ist jemanden der Gebrauch oder Genuß einer Sache
vermacht worden, und dem Vermächtnisse keine Bestimmung einer gewissen Zeit
beygefügt: so behält der Legatarius den Vortheil auf Lebenslang; und derjenige,
welchem die Substanz als Erben, oder vermöge eines andern Vermächtnisses
zufällt, kann auf den Mitgebrauch oder Mitgenuß keinen Anspruch machen.
§. 422. Wie weit der Erbe oder Legatarius der Substanz
deshalb Caution fordern könne, ist nach den im Titel vom Nießbrauch
vorgeschriebenen Grundsätzen zu beurtheilen. (Tit. XXI. Sect. I.)
§. 423. Ist aber der Gebrauch oder Genuß einer Corporation,
Gemeine, oder andern moralischen Person, ohne Zeitbestimmung zugewendet, so
dauert das Vermächtniß nur Fünfzig Jahre.
§. 424. Hingegen laufen die einer moralischen Person
beschiedenen jährlichen oder sonst zu gewissen Zeiten wiederkehrenden Hebungen,
so weit als das Legat an sich gültig ist, im Mangel einer nähern Bestimmung, so
lange fort, als die moralische Person noch vorhanden ist.
l) Vermächtniß einer Passivschuld des Legatarii.
§. 425. Vermacht der Erblasser seinem Schuldner das, was
dieser ihm selbst schuldig ist, so ist die Schuld, nebst allen vor und nach
Errichtung des Testaments angeschwollenen Zinsen, für erlassen zu achten.
§. 426. Doch ist dergleichen Erlaß auf Forderungen, die erst
nach dem errichteten Legate entstanden sind, nicht zu ziehn, sobald nicht, daß
auch dieses der Wille des Erblassers gewesen sey, klar erhellet.
§. 427. Für einen Erlaß der Schuld ist es anzusehn, wenn der
Testator verordnet hat, daß dem Schuldner seine Verschreibung oder sein Pfand
zurückgegeben werden solle.
§. 428. Dem Vermächtnisse einer Schuld ist es gleich zu
achten, wenn Aeltern, zu Gunsten eines oder des andern ihrer Kinder, das
Einwerfen desjenigen, was dasselbe an sich nach den Gesetzen sich anrechnen
lassen müßte, erlassen.
§. 429. Findet sich bey dem Ableben des Testators, daß der
Legatarius demselben nichts schuldig sey, so ist das Vermächtniß ohne Wirkung.
m) Vermächtniß einer Passivschuld des Erblassers.
§. 430. Vermacht der Erblasser seinem Gläubiger das, was
dieser von ihm zu fordern hatte, so ist der gleichen Verordnung als ein
Anerkenntniß der Schuld anzusehn.
§. 431. Doch muß, wenn ein solches Vermächtniß von Wirkung
seyn soll, die anerkannte Schuld durch Angebung der Summe, oder Bezeichnung des
über die Schuld sprechenden Instruments, gehörig bestimmt seyn.
§. 432. Ist eine Summe bestimmt, so muß dieselbe dem
Legatario bezahlt werden, wenn auch sonst kein Rechtsgrund, aus welchem sie der
Erblasser schuldig geworden, ausgemittelt werden könnte.
§. 433. Kann aber erwiesen werden, daß der Erblasser
dieselbe Schuld, die er seinem Gläubiger vermacht hat, nach errichtetem Legate
bezahlt habe, so hat das Vermächtniß weiter keine Wirkung.
§. 434. Uebrigens wird durch ein solches Vermächtniß (§.
430.) eine bedingte Schuld in eine unbedingte verwandelt.
§. 435. Auch erlangt der Gläubiger durch ein solches
Vermächtniß die den Legatarien §. 290. beygelegten Rechte.
§. 436. Dagegen wird durch das Vermächtniß einer Schuld der
Termin, wann sie zahlbar ist, zum Nachtheile des Erben nicht geändert.
§. 437. Die dem Erben geschehene Auflage, die Schulden des
Erblassers zu bezahlen, ist noch für kein Vermächtniß einer Schuld zu achten.
§. 438. In so fern jedoch der Erblasser, bey dieser Auflage,
die Summen oder Data der Schulden bestimmt angegeben hat, gilt dergleichen
Aeußerung als em Anerkenntniß.
.§. 439. Daraus, daß der Erblasser dem Gläubiger eine dessen
Schuldforderung gleiche Summe vermacht, folgt noch nicht, daß er bloß seine
Schuld hat tilgen wollen.
§. 440. Vielmehr muß die vermachte Summe berichtigt, und
überdieß die Schuld bezahlt werden, wenn nicht ein Anderes ausdrücklich
verordnet ist.
n) Vermachte Alimente.
§. 441. Sind jemanden, der sich selbst nicht verpflegen
kann, Alimente vermacht, so müssen ihm dieselben, so lange er sich in diesem
Zustande befindet, gereicht werden.
§. 442. Sind also einem Kinde Alimente ohne weitere
Bestimmung vermacht, so dauert die Verbindlichkeit des Erben so lange, als der
Legatarius sich selbst seinen Unterhalt nicht erwerben kann.
§. 443. Der im Testamente nicht näher bestimmte Unterhalt
muß, wenn der Erblasser den Legatarium schon vorhin verpflegt hatte, nach der
Art, wie dieses geschehen ist, und nach der Lebensart, wozu der Erblasser den
Legatarium hat vorbereiten wollen, festgesetzt werden.
§. 444. Außerdem ist auf den Stand des Legatarii, welchen
derselbe zur Zeit des errichteten Testaments hatte, Rücksicht zu nehmen.
§. 445. Wenn vorstehende Regeln nicht ein Anderes an die
Hand geben, so sind unter vermachten Alimenten weder die Kosten der
Ausstattung, noch des Studirens, wohl aber diejenigen, welche die Erlernung
einer Kunst oder eines Handwerks erfordern, mit begriffen.
§. 446. Ist der Legatarius von adlicher Geburt, und den
Kriegsdiensten gewidmet, so ist unter dem vermachten Unterhalte auch die
Anschaffung der ersten Officiers-Equipage zu verstehen.
o) Vermachte Ausstattung.
§. 447. Hat jemand einer Frauensperson eine Aussteuer, oder
Ausstattung, ohne weitere Bestimmung vermacht, so muß dieselbe, ohne Rücksicht
auf das eigene Vermögen der Auszustattenden, so bestimmt werden, wie sie eine
Person von dem Stande des Legatarii, nach gesetzlichen Bestimmungen würde
fordern können.
§. 448. Ist der Legatarius von höherem Stande als der
Erblasser, so muß er sich mit der niedrigsten Art der Aussteuer, die er nach
seinem Stande verlangen kann, begnügen.
§. 449. Hat der Testator einem seiner Kinder die erhaltene
Aussteuer oder Ausstattung zum Voraus vermacht, so ist ein solches Vermächtniß
nach den Vorschriften §. 425. sqq. zu beurtheilen.
Von der Münzsorte bey Legaten.
§. 450. Legate, bey welchen keine Münzsorte bestimmt worden,
sind in Silbercourant, so wie dasselbe zur Zeit der gerichtlich aufgenommenen
oder über gebenen letztwilligen Verordnung gangbar war, zu entrichten.
§. 451. Ist das Legat in einem an sich gültigen
außergerichtlichen Aufsatze enthalten, so wird bey Bestimmung der Münzsorte auf
das Datum des Aufsatzes Rücksicht genommen.
Vermächtnisse von Sachen, die der Legatarius nicht besitzen
kann.
§. 452. Ist jemanden eine Sache vermacht worden, zu deren
Besitz derselbe, vermöge seines Standes, unfähig ist: so muß ihm der Erbe so
viel Recht daran einräumen, als er nach den Gesetzen erlangen kann.
§. 453. Ist also einem Nichtbesitzfähigen ein adliches Gut
vermacht worden, so muß der Erbe dem selben während der §. 42. bestimmten Frist
den Naturalbesitz und Genuß des Guts überlassen.
§. 454. Auch muß der Erbe denjenigen Handlungen sich unterziehen,
ohne welche der Legatarius das Gut an einen Besitzfähigen nicht übertragen
kann.
§. 455. Ist die Sache so beschaffen, daß der Legatarius gar
kein Recht an dieselbe erlangen kann; so hat der Erbe die Wahl, dieselbe für
den gemeinen Werth zu behalten, oder sie für Rechnung des Legatarii an einen
Fähigen gerichtlich verkaufen zu lassen.
§. 456. Ist die Sache von dem Verkehre ganz aus geschlossen;
so hat es bey der Vorschrift des §. 386. sein Bewenden.
Vermächtnisse, die als Strafe verordnet sind.
§. 457. Verordnungen eines Testators, wodurch er dem Erben
oder Legatario gewisse Nachtheile auflegt, wenn sie seinen letzten Willen
anfechten, oder demselben zuwider handeln würden, sind niemals auf den Fall
auszudehnen, wenn bloß die Gewißheit und Richtigkeit des letzten Willens von
ihnen bezweifelt wird.
C. In Ansehung der Substitutionen,
1) der gemeinen.
§. 458. Wer einem Erben oder Legatario durch gemeine
Substitution nachgesetzt worden, hat, so weit der Testator nicht ein Anderes
ausdrücklich verordnet, mit demjenigen, welchem er nachgesetzt ist, gleiche
Rechte und Pflichten.
§. 459. Der Substitut geht in demjenigen, worin er
substituirt worden, nicht nur den Intestat-, sondern auch den im Testamente
ernannten Miterben vor.
§. 460. Die Fähigkeit oder Unfähigkeit des Substituten wird
nach dem Zeitpunkte, wo der Substitutionsfall eintritt, beurtheilt.
§. 461. Ist der Erbe oder Legatarius mit seinem Substituten
zugleich umgekommen, so können die Erben des letztern aus der Substitution
keinen An spruch machen. (Tit. I. §. 39.)
§. 462. Hat aber der Substitut den Testator überlebt und ist
erst innerhalb der gesetzmäßigen Ueberlegungsfrist des eingesetzten Erben
verstorben: so gehet das Recht aus der Substitution auf seinen Erben über.
(Tit. IX. §. 383.)
§. 463. Die gemeine Substitution verliert ihre Wirkung, so
bald der erste Erbe oder Legatarius die Erbschaft oder das Vermächtniß auf eine
rechtsbeständige Art übernommen hat.
§. 464. Kommt jedoch derselbe auf eine oder die andre Art in
den Fall, daß er sein erworbenes Recht wieder aufgeben kann oder muß: so tritt
auch der Substitut wieder in seine vorigen Rechte.
§. 465. Wenn der eingesetzte Erbe vor dem Ablaufe der
Ueberlegungsfrist stirbt, so kommt den Erben die Vorschrift des Neunten Titels
§. 397. auch gegen den Substituten zu statten.
2) der fideicommissarischen.
§. 466. Bey der fideicommissarischen Substitution hat der
eingesetzte Erbe oder Legatarius so lange, bis der Substitutionsfall eintritt,
alle Rechte und Pflichten eines Nießbrauchers. (Tit. XXI. Sect. I.)
§. 467. Bey eintretendem Substitutionsfalle muß der Erbe
oder Legatarius, oder deren Erben, alles, was sie, vermöge der Erbeseinsetzung,
oder des Legats an Sachen oder Rechten aus dem Nachlasse erworben haben, in dem
Stande, in welchem es sich zur Zeit der Uebernehmung befunden hat, dem
Substituten, oder dessen Erben, ohne den geringsten Abzug, nach eben den
Vorschriften, die zwischen dem Nießbraucher und Eigenthümer festgesetzt sind,
herausgeben.
§. 468. Hat der Testator verordnet, daß die fideicommissarische
Substitution nur auf das, was bey eintretendem Falle noch vorhanden seyn würde,
sich erstrecken solle, so kann der eingesetzte Erbe über die mit der
Substitution belegte Substanz zwar unter Lebendigen, aber nicht von Todeswegen
verfügen.
§. 469. Auch unter Lebendigen kann er durch Schenkungen, die
auf einer bloßen Freygebigkeit beruhen, das Recht des Substituten nicht
vereiteln.
§. 470. Der Substitut ist berechtigt, die Vorlegung eines
gerichtlichen, oder eines eidlich zu bestärkenden Privatinventarii, über die
ihm bestimmten Sachen zu fordern.
§. 471. Hat der Testator dem Substituten, auf der gleichen
Vorlegung anzutragen, ausdrücklich verboten, so ist anzunehmen, daß er
denselben nur auf das, was bey dem Ableben des eingesetzten noch vorhanden seyn
wird, habe substituiren wollen.
§. 472. Uebrigens finden, wegen der Befugnisse des
Substituten, Cautionsbestellung zu fordern, und wegen der Auseinandersetzung
zwischen ihm und dem Haupterben oder Legatario, bey eintretendem
Substitutionsfalle, die zwischen dem Nießbraucher und Eigenthümer gegebnen
Vorschriften ebenfalls Anwendung.
§. 473. In so fern die Verlassenschaft zur Tilgung
sämmtlicher Schulden nicht hinreicht, müssen auch die aus der verschuldeten
Erbschaft bestellten Fideicommisse, nach näherer Bestimmung §. 345. sqq. dazu
mit angewendet werden.
§. 474. Auch die einzelnen Vermächtnisse müssen erst
entrichtet werden, ehe der, welcher dem Erben fideicommissarisch substituirt
worden, etwas fordern kann.
§. 475. Hat der Erblasser aus seinem Nachlasse ein
Familien-Fideicommiß bestellt; so muß der Fideicommißfolger die einzelnen
Vermächtnisse, so weit die übrige Erbschaft nicht hinreicht, entrichten.
§. 476. Doch können die Legatarii nicht an die Substanz, sondern
nur an die Nutzungen des Fideicommisses sich halten.
§. 477. Wie weit der Pflichtteil mit Fideicommissen belastet
werden könne, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. II. Sect. V.)
D. Von bedingten Erbeseinsetzungen und Vermächtnissen, von
aufschiebenden Bedingungen.
§. 478. Ist jemand unter einer aufschiebenden Bedingung zum
Erben eingesetzt, so bleibt, wenn nicht der Testator ein Andres vorgeschrieben
hat, der Intestaterbe so lange, bis die Bedingung eintritt, im Besitze und
Genusse des Nachlasses.
§. 479. Ist der Intestaterbe seiner Person oder Aufenthalte
nach unbekannt, so muß der Nachlaß bis dahin, für dessen Rechnung, durch einen
Curator, unter gerichtlicher Aufsicht, verwaltet werden.
§. 480. Zwischen dem Intestaterben, oder dessen Curator, und
dem bedingt eingesetzten Testamentse ben, findet alsdann eben das Verhältniß
statt, wie zwischen dem eingesetzten und dem fideicommissarisch nachgesetzten
Erben. (§. 466. sqq.)
§. 481. Doch kann der bedingt eingesetzte Erbe in keinem
Falle Caution fordern, wenn es bloß von ihm abhängt, die Bedingung zur
Wirklichkeit zu bringen.
§. 482. Ist ein Vermächtniß unter einer aufschiebenden
Bedingung verlassen, so finden eben diese Vorschriften zwischen dem Erben und
Legatario Anwendung.
§. 483. Das Eigenthum der vermachten Sache geht also in
diesem Falle, so wie das Recht, Früchte oder Nutzungen davon zu fordern, erst
mit dem Tage, wo die Bedingung erfüllt wird, auf den Legatarium über.
§. 484. Doch kann der Legatarius auch alsdann Verzinsung,
oder Herausgabe der Früchte und Nutzungen, nur von der Zeit an verlangen, wo er
dem Erben die Erfüllung der Condition gemeldet, und sie nöthigen Falls gehörig
nachgewiesen hat.
§. 485. So weit überhaupt ein unter Bedingung eingeräumtes
Recht auf die Erben des Berechtigten übergehen kann; so weit findet ein
Gleiches zu Gunsten der Erben des bedingungsweise eingesetzten Erben oder
Legatarii statt. (Tit. IV. §. 161. 162.)
§. 486. Was vorstehend von der aufschiebenden Bedingung
verordnet ist, (§. 478-485.) gilt auch alsdann, wenn jemanden eine Erbschaft,
oder Vermächtniß, nur von einem gewissen Tage an beschieden worden.
§. 487. Doch findet in diesem Falle die Verzinsung oder
Herausgabe der Früchte und Nutzungen von diesem Tage an, ohne weiteres Anmelden
des Erben oder Legatarii statt. (§. 484.)
§. 488. Wenn jemanden etwas zur Aussteuer oder Ausstattung
vermacht worden, so ist ein solcher Beysatz eher für die Bestimmung eines
Zweckes, als für eine aufschiebende Bedingung zu achten.
von auflösenden.
§. 489. Ist eine Erbschaft oder ein Vermächtniß unter einer
auflösenden Bedingung verlassen, so steht der Erbe oder Legatarius gegen den,
welchem bey dem Eintritte der Bedingung die Erbschaft, oder das Vermächtniß,
nach der Verordnung des Testators, oder nach den Gesetzen anheim fällt, in eben
dem Verhältnisse, wie der eingesetzte Erbe oder Legatarius gegen den
fideicommissarischen Substituten. (§. 466. sqq.)
von mehrern Bedingungen.
§. 490. Hat der Erblasser unter verschiedenen auf gelegten
Bedingungen eine zu wählen, ohne weitere Bestimmung, frey gelassen; so steht
die Wahl bey demjenigen, welcher mit der Bedingung beschwert worden.
Erfüllung der Bedingungen.
§. 491. Ist die der Verordnung beygefügte Einschränkung für
eine wirkliche Bedingung zu achten; dergestalt, daß das Recht des Erben oder
Legatarii von dem Ereignisse, welches eintreffen, oder nicht eintreffen soll,
abhängig gemacht worden: so muß dieselbe schlechterdings erfüllt werden. (Tit.
IV.
§. 492. Es hängt von einem solchen Erben oder Legatario
nicht ab, nur einen Theil, oder nur einige von mehrern ihm zusammen aufgelegten
Bedingungen zu erfüllen, und dagegen auch nur einen Theil des ihm zugedachten
Vortheils zu verlangen.
§. 493. Ist aber der dem Erben oder Legatario zugedachte
Vortheil vor, oder (bey einer auflösenden Bedingung) während der Zeit seines
Besitzes, durch Zufall, ohne sein auch nur geringes Versehen vermindert worden:
so kann derselbe eine verhältnißmäßige Minderung der ihm aufgelegten Lasten
fordern.
§. 494. Können jedoch dergleichen Lasten zu Gelde nicht
angeschlagen werden, und bestehen sie auch nicht in gewissen zur bestimmten
Zeit zu wiederholenden Prästationen, so muß selbst in einem solchen Falle (§.
493.) die Bedingung vollständig erfüllt werden.
§. 495. Hängt die Erfüllung der Bedingung von demjenigen ab,
welcher damit beschwert worden ist; und hat der Erblasser keine Frist dazu
bestimmt: so können diejenigen, welchen daran gelegen ist, auf richterliche
Bestimmung einer verhältnißmäßigen Frist antragen.
§. 496. So lange dieses nicht geschehen ist, kann der
bedingt eingesetzte Erbe oder Legatarius noch innerhalb Dreyßig Jahren, vom
Tode des Erblassers an, die Bedingung erfüllen, und sich dadurch den
zugedachten Vortheil verschaffen.
§. 497. Wem der Vortheil zufalle, wenn die Bedingung, unter
welcher derselbe dem Erben oder Legatario zugedacht worden, nicht eintrift, ist
nach den Grundsätzen vom Zuwachse zu beurtheilen. (§. 281-287. §. 366-372.)
von Bedingungen, die mehrern aufgelegt sind.
§. 498. Ist mehrern zusammengenommen eine Bedingung
aufgelegt worden, welche von einem derselben, nach der aus der Verordnung und
den Umständen erhellenden Absicht des Erblassers, vollständig erfüllt werden
kann: so kommt die von einem unter ihnen geleistete Erfüllung den übrigen zu
statten.
§. 499. Soll die Erfüllung von allen geleistet werden, und
das Vermächtniß ist dem ganzen Inbegriffe der Legatarien zugedacht; so wächst
der Antheil der Nichterfüllenden den übrigen zu.
§. 500. Hat aber der Testator den Antheil eines jeden an dem
Legate ausdrücklich bestimmt, so fällt die Portion des Nichterfüllenden in den
Nachlaß zurück.
von schon erfüllten Bedingungen.
§. 501. Ist die Bedingung schon bey dem Leben des
Erblassers, oder vor der Publication seines Testaments eingetroffen, so hat es
dabey sein Bewenden.
§. 502. Besteht jedoch die Bedingung in einer Handlung des
Erben oder Legatarii, welche von ihm wiederholt werden kann; so ist derselbe zu
dieser Wiederholung verpflichtet.
§. 503. Wenn aber aus dieser Wiederholung entweder an sich,
oder in Beziehung auf die aus der Verordnung oder den Umständen sich ergebende
Absicht des Testators, kein Nutzen zu erwarten ist, so hat es bey den
Vorschriften des Vierten Titels §. 133. 134. 135. sein Bewenden.
von unmöglichen Bedingungen.
§. 504. Nach eben diesen Vorschriften §. 126. sqq. ist auch
die Wirkung der einer Erbeseinsetzung oder einem Vermächtnisse beygefügten
unmöglichen Bedingung zu beurtheilen.
§. 505. War die Erfüllung der Bedingung an sich zwar
möglich; sie ist aber dem Erben oder Legatario noch bey der Lebenszeit des
Erblassers unmöglich; und dieses dem Erblasser bekannt worden: so wird, wenn er
in seiner Verordnung nichts geändert hat, die Bedingung für erlassen geachtet.
§. 506. Ist die eingetretene Unmöglichkeit dem Erblasser
unbekannt geblieben, oder gar erst nach dessen Ableben entstanden, so wird die
Erbeseinsetzung oder das Vermächtniß entkräftet.
§. 507. Ist ein Vortheil, der einem Dritten verschafft
werden soll, zur Bedingung gemacht, so findet die Vorschrift Tit. IV. §. 112.
113. Anwendung.
Vom Zwecke.
§. 508. Erhellet aus der Fassung der letztwilligen
Verordnung, oder aus den Umständen, daß der Erblasser bey demjenigen, was er
dem Legatario, oder dem Erben aufgelegt, den eigenen Vortheil desselben zur
Absicht gehabt habe: so ist eine solche Bestimmung nur für einen Zweck zu
achten. (Tit. IV. §. 152. sqq.)
§. 509. Auch der Endzweck, zu welchem jemanden ein Vortheil
zugedacht worden, muß in der Regel von demselben erfüllt werden.
§. 510. Kommt der Erbe oder Legatarius zu dieser Erfüllung
durch eignes Verschulden außer Stand; so verliert er den ihm zugedachten
Vortheil.
§. 511. Wird die Erfüllung des Zwecks ohne Schuld des Erben
oder Legatarii unmöglich: so muß der Vortheil zu einer andern Bestimmung,
welche der aus der Verordnung oder aus den Umständen sich ergebenden Absicht
des Testators am nächsten kommt, verwendet werden.
§. 512. Kann auch dieses nach den Umständen nicht geschehen;
so behält der Erbe oder Legatarius dennoch den ihm zugedachten Vortheil;
§. 513. Es wäre denn, daß aus der Verordnung oder den
Umständen klar erhellete, daß der Erblasser dem Erben oder Legatario den
Vortheil gar nicht zugewendet haben würde, wenn er die Nichterfüllung des
bestimmten Zwecks vorausgesehen hätte.
Von Bedingungen oder Zwecken zum Besten des gemeinen Wesens.
§. 514. In allen Fällen, wo der Erblasser, bey Hinzufügung
einer Bedingung, oder eines Zwecks, die Beförderung des gemeinen Bestens
unmittelbar zum Augenmerke gehabt hat, ist der Staat auf deren Erfüllung zu
dringen berechtigt.
§. 515. Macht derjenige, welchem, bey unterbleibender
Erfüllung, das Erbtheil oder Vermächtniß zufallen würde, sich eines
Verständnisses mit dem Belasteten zur Vereitelung der gemeinnützigen Absicht
schuldig: so hat der Staat das Recht, für deren Erfüllung aus der dazu bestimmten
Sache oder Summe selbst zu sorgen.
Von unbestimmten Bedingungen.
§. 516. Sind nicht bestimmte Handlungen zu thun oder zu
lassen anbefohlen worden: so können die nach Art einer Bedingung abgefaßten
allgemeinen Ermahnungen zur Tugend, Ordnung, Sparsamkeit u. s. w. den Erben
oder Legatarium nur in seinem Gewissen verbinden.
§. 517. Hat aber der Erblasser das Betragen des Erben oder
Legatarii der Aufsicht gewisser Personen unterworfen; und von diesem wird ein
dem Willen des Testators offenbar zuwider laufendes Betragen des Begünstigten
dem Richter angezeigt und nachgewiesen: so geht, nach einer fruchtlos erfolgten
gerichtlichen Warnung, die Erbschaft oder das Vermächtniß verloren.
§. 518. Falsche Benennungen oder Bezeichnungen machen die
Verfügung des Erblassers nicht ungültig, wenn nur sonst die wahre Absicht
desselben deutlich erhellet.
VIII. Auslegungsregeln.
§. 519. Ueberhaupt sind letztwillige Verordnungen im
zweifelhaften Falle so zu deuten, wie sie nach den Vorschriften der Gesetze am
besten bestehen können.
§. 520. Auch muß im zweifelhaften Falle die Auslegung zum
Vortheile des eingesetzten Erben gemacht werden.
§. 521. So weit aber die gesetzliche Erbfolge durch die
letztwillige Verordnung nicht aufgehoben worden, wird, nach den Regeln der
erstern, die in letzterer fehlende Bestimmung ergänzt.
§. 522. Hat der Testator, ohne weitere Bestimmung, seinen
Verwandten etwas zugedacht, so fällt dasselbe denjenigen, welche zur Zeit
seines Ablebens zu seiner gesetzlichen Erbfolge die nächsten oder gleich nahe
sind, ohne Unterschied des Standes oder Geschlechts, anheim.
§. 523. Hat er zum Besten oder Flor seiner Familie etwas
ausgesetzt: so ist, bey Adlichen, zu vermuthen, daß die Zuwendung nur seiner
männlichen Nachkommenschaft zu gute kommen solle.
§. 524. War aber der Testator nicht von Adel: so kommt der
Vortheil auch seiner Nachkommenschaft von der weiblichen Seite zu statten.
§. 525. Daß und wie in beständigen Familien-Fideicommissen
die Successionsordnung gesetzmäßig bestimmt werden müsse, ist gehörigen Orts
vorgeschrieben. (Th. II. Tit. IV. Abschn. IV.)
§. 526. Unter dem Ausdrucke: Kinder, werden, wenn derselbe
in einer letztwilligen Verordnung gebraucht worden, in der Regel auch die an
deren Stelle tretenden fernern Descendenten, in so fern denenselben nach den
Gesetzen ein Pfiichttheil aus dem Vermögen ihrer unmittelbaren Aeltern zukom
men würde, mit begriffen; es mag nun von des Erblassers eignen, oder von den
Kindern des Erben oder Legatarii die Rede seyn. (Tit. XI. §. 1145. 1146. 1147.)
§. 527. Hat der Erblasser den Kindern eines Andern, ohne
weitere Bestimmung, etwas vermacht, so gebührt dasselbe denjenigen, welche zur
Zeit des Erbanfalls geboren, oder in Mutterleibe vorhanden waren.
§. 528. Auch in diesem Falle treten die weitern Abkömmlinge
solcher Kinder, die vor dem Erblasser verstorben sind, in Beziehung auf das
Vermächtniß, so weit an die Stelle ihrer Aeltern; als sie dazu, bey dem
Nachlasse ihrer eigenen Großältern oder weitern Ascendenten, berechtigt seyn
würden.
§. 529. Doch gilt auch dieses nur von solchen weitern
Abkömmlingen, welche bey dem Tode des Testators schon geboren, oder in
Mutterleibe vorhanden sind.
§. 530. Hat der Erblasser den Kindern eines Dritten einen
gewissen Genuß bestimmt, welcher ganz oder zum Theil erst in künftigen Zeiten
fällig wird, so nehmen auch die nachgebornen Kinder daran Theil.
§. 531. Erhellet aus der Disposition, oder kann sonst
hinlänglich erwiesen werden, daß es der Wille des Testators gewesen sey, durch
ein Legat zugleich die Kinder des Legatarii zu bedenken, so treten, wenn auch
der Legatarius vor dem Testator gestorben ist, die Kinder desselben, so weit
sie seine Erben geworden sind, an seine Stelle.
§. 532. Hat der Erblasser etwas für eine gewisse Familie auf
künftige Zeiten bestimmt; so ist dergleiche Verordnung der Errichtung eines
Familien-Fideicommisses gleich zu achten.
§. 533. Wie weit eine solche Verordnung gelten könne, ist
nach den gesetzlichen Vorschriften von Fideicommissen und fideicommissarischen
Substitutionen zu beurtheilen. (Th. II. Tit. IV. Sect. III.)
§. 534. Ein ohne weitere Bestimmung gegebenes Verbot des
Verkaufs enthält eine Willenserklärung des Erblassers, daß die Sache bey der
Familie des Erben oder Legatarii bleiben solle.
§. 535. Unter dem Verbote des Verkaufs ist jede andere
Veräußerung und Verpfändung begriffen.
§. 536. Sind jemanden mehrere Personen, die ihn auch ohne
Testament beerben würden, ohne weitere Bestimmung substituirt worden; so ist
die Verordnung unter den Substituirten nach den Regeln der gesetzlichen
Erbfolge zu deuten.
§. 537. Diese Erbfolge wird, bey obwaltender
Verschiedenheit, nach den Gesetzen desjenigen Gerichtsstandes, welchem ein
jeder, dem substituirt worden, für seine Person unterworfen war, beurtheilt.
§. 538. Hat jemand seinen Kindern, welche zur Zeit des
errichteten Testaments keine Nachkommenschaft hatten, substituirt; so ist
anzunehmen, daß die Substitution erloschen sey, wenn das eingesetze Kind
erbfähige Nachkommen erhalten und hinterlassen hat.
§. 539. Außer diesem Falle muß bey der Frage: wann eine
fideicommissarische Substitution eintrete oder erlösche, der Inhalt der
letztwilligen Verordnung, so weit die Gesetze nicht entgegen stehn, genau
befolgt werden.
§. 540. Ist es zweifelhaft, wen der Testator durch eine
nicht genau bestimmte Ernennung zum Erben oder Legatario berufen habe, so hat
unter mehrern derjenige den Vorzug, welcher mit dem Erblasser in näherer
Verbindung und Bekanntschaft gestanden hat.
§. 541. Familienverbindungen gehen in einem solchen Falle
bloßen Amts- oder freundschaftlichen Verhältnissen vor.
§. 542. Ist das Verhältniß vollkommen gleich, so muß die
Erbschaft oder das Vermächtniß unter diejenigen, auf welche die Beziehung
gedeutet werden kann, gleich getheilt werden.
§. 543. Ist eine untheilbare Sache vermacht, so entsteht in
dem §. 542. bemerkten Falle unter den Personen, welche mit gleichem Rechte
darauf Anspruch machen können, ein gemeinschaftliches Eigentum. (Tit. XVII.
Sect. I.)
§. 544. Ist einer von mehrern Erben oder Legataren, ohne
nähere Bestimmung, mit einem weitern Vermächtnisse, oder einer Abgabe belastet:
so muß dergleichen weiteres Vermächtniß, im zweifelhaften Falle von demjenigen
geleistet werden, welcher die Gattung von Sachen, zu der das vermachte Stück
gehört, überkommen hat.
§. 545. Kann hiernach die Sache nicht entschieden werden: so
trift die Verbindlichkeit zur Entrichtung eines solchen weitern Vermächtnisses,
unter denen, auf welche der Wille des Erblassers gedeutet werden kann,
denjenigen, der vor den übrigen am meisten begünstigt ist.
§. 546. Ist die Person des Legatarii bloß durch sein
Verhältniß gegen den Erblasser bezeichnet; so kann nur der, welcher zur Zeit
des Todes in einem solchen Verhältnisse mit dem Erblasser gestanden hat, das
Legat von dem Erben fordern.
§. 547. Es wäre denn, daß aus dem Inhalte der Verordnung,
oder sonst aus den Umständen erhellete, daß der Testator nicht bloß auf dies
Verhältniß, sondern zugleich auf persönliche Zuneigung, bey Aussetzung des
Legats, Rücksicht genommen habe.
§. 548. Was an Officianten, Gesinde oder Hausgenossen des
Testators, ohne weitern Beysatz, vermacht worden, gebührt also der Regel nach
denjenigen, welche sich bey dem Ableben des Erblassers in seinem Hause oder
Dienste befunden haben.
§. 549. Ist jedoch zur Zeit des Todes niemand, welcher in
dem angegebenen Verhältnisse mit dem Erblasser steht, vorhanden; so kann der,
welcher zur Zeit des errichteten Testaments darin gestanden hat, auf das
Vermächtniß Anspruch machen.
§. 550. Wenn eine verheirathete oder verlobte Person ihrem
Ehegatten oder Verlobten, ohne weitern Beysatz, etwas vermacht; so hat
derjenige, welcher erst nach errichtetem Testamente in eine solche Verbindung
mit dem Erblasser getreten ist, auf das Vermächtniß keinen Anspruch.
§. 551. Wenn eine noch unverheirathete oder unverlobte
Person ihrem Ehegatten oder Verlobten etwas vermacht hat; so ist darunter
diejenige Person zu verstehen, welche mit dem Testator zur Zeit seines Ablebens
solchergestalt verbunden ist.
§. 552. Eben dieselben Auslegungs-Regeln (§. 550. 551.)
finden statt, wenn dem Ehegatten oder Verlobten eines Dritten, ohne weitere
Bestimmung, etwas vermacht worden.
§. 553. Es ist also auch in diesem Falle darauf zu sehen: ob
der Dritte zur Zeit des errichteten Testaments im ehelichen oder verlobten
Stande sich befunden habe.
§. 554. Wenn es streitig ist, was unter der von dem
Erblasser bestimmten Qualität oder Quantität einer Sache gemeint sey; so muß
das Gutachten der Sachverständigen den Ausschlag geben.
§. 555. Kann aber erwiesen werden, daß der Erblasser mit der
im Testamente gebrauchten Benennung eine gewisse Art von Sache zu bezeichnen
gewohnt gewesen: so geht diese Auslegung dem Urtheile der Sachverständigen vor.
§. 556. Uebrigens finden die bey Willenserklärungen gegebenen
Auslegungsregeln auch bey letztwilligen Dispositionen, theils überhaupt, theils
als Richtschnur für die Sachverständigen, in dem Falle des §. 554. Anwendung.
(Tit. IV. §. 65. sqq.)
IX. Von Testamentsexecutoren.
§. 557. Hat der Erblasser jemanden die Vollziehung seines
letzten Willens aufgetragen; so ist derselbe als ein Bevollmächtigter des
Erblassers, und die letztwillige Verordnung selbst als seine Vollmacht und
Instruction anzusehn. (Tit. XIII. Abscnn. I.)
§. 558. Ist mit dieser Vollziehung zugleich die Verwaltung
des Nachlasses ganz oder zum Theil verbunden; so ist der Vollzieher in so weit,
als ein Verwalter fremder Güter zu betrachten. (Tit. XIV. Absch. II.)
§. 559. Er ist also zwar schuldig, bey dieser Verwaltung auf
das Interesse und die Verfügungen des Erben Rücksicht zu nehmen.
§. 560. So wenig aber, als der Erbe selbst etwas gegen den
Willen des Erblassers verfügen kann, so wenig ist der Vollzieher befugt, in
solche Verfügungen des Erben zu willigen.
§. 561. Wenn über den Sinn einer Verordnung des Erblassers
zwischen dem Testamentsvollzieher und dem Erben gestritten wird; so gebührt, im
zweifelhaften Falle, der Meinung des Erstern der Vorzug.
§. 562. So weit der Vollzieher als Verwalter fremder Güter
angesehen wird, ist er auch zur Rechnungslegung verpflichtet.
X. Wie Testamente aufgehoben und widerrufen werden.
§. 363. So weit jede Willenserklärung durch Handlungen
vernichtet, oder durch Zufälle vereitelt wird, verliert auch ein Testament oder
Codicill seine rechtliche Wirkung.
Vom Widerrufe
§. 564. Jede einseitige letztwillige Verordnung kann von dem
Testator, bis zu seinem Ableben, nach Gefallen, ganz oder zum Theil widerrufen,
und abgeändert werden.
durch Zurücknahme
§. 565. Wenn der Testator ein gerichtlich niedergelegtes
Testament oder Codicill zurücknimmt, so verliert dasselbe seine Gültigkeit.
§. 566. Es macht dabey keinen Unterschied, wenn gleich der
zurückgenommene Aufsatz noch unentsiegelt, oder sonst unverändert, in dem
Nachlasse vorgefunden wird.
§. 567. Soll ein zurückgenommenes Testament oder Codicill
anderweitig gerichtlich übergeben werden; so ist dabey alles das zu beobachten,
was bey der Uebergabe eines Testaments oder Codicills überhaupt vorgeschrieben
worden.
§. 568. Wenn ein und eben dasselbe Testament bey mehrern
Gerichten niedergelegt worden; und bey einem derselben, ohne Zurücknahme, bis
zum Absterben des Testators aufbewahrt geblieben ist: so bleibt dasselbe bey
Kräften; wenn gleich die bey den übrigen Gerichten niedergelegten Exemplare
zurückgenommen wären.
§. 569. Durch die bloße Zurückforderung wird die nicht
wirklich zurückgenommene Disposition noch nicht entkräftet.
§. 570. Hat der Testator bey der Zurückforderung seinen
Willen, die Disposition aufzuheben oder abzuändern, ausdrücklich erklärt; so
ist die Gültigkeit und Wirkung einer solchen Erklärung nach den wegen des
ausdrücklichen Widerrufs vorgeschriebenen Regeln zu beurtheilen. (§. 587. sqq.)
§. 571. Ein gerichtlich niedergelegtes Testament oder
Codicill soll nur dem Testator selbst, oder einem von ihm dazu gerichtlich
bestellten Bevollmächtigten zurückgegeben werden.
durch Errichtung eines neuen Testaments.
§. 572. Wird ein neues Testament übergeben, und darin die im
vorigen enthaltene Erbeseinsetzung abgeändert; so verliert das frühere
Testament seine Gültigkeit.
§. 573. Es fallen daher auch die in dem frühern Testamente
ausgesetzten Vermächtnisse weg; in so fern dieselben nicht in dem spätem
ausdrücklich wiederholt oder bestätigt sind.
§. 574. Hat aber der Testator in dem spätern Testamente
deutlich erklärt, daß auch die Erbeseinsetzung des frühem bey Kräften bleiben,
und also der später eingesetzte Erbe nur zugleich mit dem früher benannten sein
Erbe seyn solle: so bestehen auch die Legate aus dem frühern Testamente; in so
fern selbige durch das spätere nicht ausdrücklich aufgehoben sind.
§. 575. Einer solchen ausdrücklichen Aufhebung ist es gleich
zu achten, wenn der Testator eben dieselbe bestimmte Sache, welche er in dem
frühern Testamente einem Legatario vermacht hat, in dem spätern einem andern
zuwendet.
§. 576. So weit durch ein späteres Testament das frühere
nach obiger Vorschrift seine Gültigkeit ganz verliert (§. 572), kann es den
Legatarien aus dem frühern Testamente nicht zu statten kommen, wenn gleich in
selbigem die sogenannte Codicillarclausel beygefügt wäre.
§. 577. Hat der Testator in dem spätem Testamente selbst,
oder bey dessen gerichtlicher Uebergabe, ausdrücklich erklärt, daß er die
Erbeseinsetzung bloß um deswillen geändert habe, weil der in dem frühern
ernannte Erbe gestorben sey; und es findet sich, daß dabey ein Irrthum zum
Grunde gelegen: so ist das spätere Testament ungültig.
§. 578. Ist in diesem Falle das frühere Testament in
gerichtlicher Verwahrung zurückgeblieben, so behält dasselbe seine völlige
Gültigkeit.
§. 579. Die in dem spätern Testamente enthaltenen
Verordnungen gelten also nur in so weit, als dadurch Verordnungen des frühern
Testaments, außer der Erbeseinsetzung, aufgehoben werden.
§. 580. Außer diesem Falle (§. 577. 578.) kommt das frühere
Testament, welches durch ein späteres aufgehoben worden, wenn auch dieses
letztere nicht bestehen kann, dennoch nicht wieder zu Kräften, sondern es
findet die gesetzliche Erbfolge statt.
§. 581. Wenn aber bey dem spätern Testamente nicht einmal
die Erfordernisse eines gültigen Widerrufs anzutreffen sind, so behält das
frühere seine Gültigkeit.
§. 582. Ist das spätere Testament zurückgenommen, das
frühere hingegen in gerichtlicher Verwahrung aufbehalten worden; so bleibt
letzteres, wenn es nicht sonst auf eine rechtsbeständige Art widerrufen ist,
gültig.
§. 583. Durch spätere Codicille, wodurch bloße Vermächtnisse
bestimmt worden, werden frühere in der Regel nicht aufgehoben.
§. 584. Es müssen also die in beyderley Codicillen
ausgesetzten Legate entrichtet werden, in so fern nicht die spätere Disposition
die frühere ausdrücklich aufhebt, oder sonst von der Art ist, daß die frühere
damit unmöglich bestehen kann. (§. 575.)§. 585. Wenn ein Testament und Codicill
zugleich übergeben worden, so wird, wenn nicht aus den bey gefügten Datis ein
Anderes erhellet, angenommen daß das Codicill später, als das Testament
errichtet sey
§. 586. Wenn in dem spätern Codicille einer in der frühern
Disposition schon bedachten Person ein Legat angewiesen wird, so ist im
zweifelhaften Falle, und wenn nicht aus der Fassung der spätern Disposition ein
Anderes erhellet, der Legatarius nur das spätere Vermächtniß zu fordern befugt.
durch ausdrücklichen Widerruf.
§. 587. In der Regel kann jemand nur auf eben die Art, wie
er testiren kann, auch die einmal errichtete Disposition widerrufen.
§. 588. Doch kann unter eben den Umständen, und mit eben den
Erfordernissen, wie jemand eine privilegirte Disposition errichten kann, auch
eine vorher förmlich und gerichtlich errichtete Verordnung widerrufen werden.
§. 589. Dagegen kann ein unter gesetzmäßigen Erfordernissen
einmal errichtetes privilegirtes Testament, unter Umständen, wo das Privilegium
nicht mehr Anwendung findet, nur mit Beobachtung der Erfordernisse eines
förmlichen gerichtlichen Testaments widerrufen werden.
§. 590. Die Wirkungen eines unter privilegirten Umständen
geschehenen Widerrufs dauern nur so lange, als die Gültigkeit eines unter
gleichen Umständen errichteten Testaments dauern würde.
§. 591. Ist aber das frühere Testament zurückgenommen
worden: so bleiben die Wirkungen dieser Zurücknahme stehen; wenn gleich der
ausdrückliche Widerruf, wegen Mangels der gehörigen Erfordernisse, wegen des
Zeitverlaufs, oder sonst, an sich unkräftig wäre.
§. 592. Wenn hingegen der Widerruf an sich mit den gehörigen
Erfordernissen versehen ist: so schadet es der Kraft desselben nichts, wenn
gleich das widerrufene Testament selbst nicht zurückgenommen worden.
insonderheit bey Vermächtnissen.
§. 593. Zum Widerrufe bloßer in einer gerichtlichen
Disposition errichteter Vermächtnisse ist die vor einem Notario und zweyen
Zeugen abgegebene Erklärung des Testators hinreichend.
§. 594. Ein bloß außergerichtlicher Widerruf des Testators
kann nur alsdann für hinreichend geachtet werden, wenn derselbe in einem
eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Aufsatze erklärt ist.
§. 595. Ist der den Widerruf enthaltende außergerichtliche
Aufsatz von dem Erblasser bloß unterzeichnet: so kann darauf nur alsdann
Rücksicht genommen werden, wenn zugleich der Bewegungsgrund des Widerrufs
angegeben ist, und dieser der Wahrheit gemäß befunden wird.
durch Wegstreichen, Auslöschen u. s. w. bey
außergerichtlichen Verordnungen. §. 596. Wenn in außergerichtlichen
Dispositionen ein Vermächtniß ganz, oder auch nur der Name des Legatarii, die
Sache, oder das Quantum, welche vermacht worden, weggestrichen, ausgelöscht,
oder sonst unleserlich gemacht sind: so ist das Legat für aufgehoben zu achten.
§. 597. Auch kann der Inhalt solcher außergerichtlichen
Verordnungen durch bloße entgegengesetzte Willenserklärungen widerrufen werden;
so bald über
dergleichen Erklärung des Erblassers nur ein in gewöhnlichen
Fällen hinreichender Beweis geführt werden kann.
§. 598. Bloße Vermuthungen, daß der Testator seinen letzten
Willen habe ändern wollen, verdienen keine Rücksicht.
wegen des dem Erblasser verursachten Lebensverlustes.
§. 599. Hat aber der Erbe oder Legatarius, durch Vorsatz
oder grobes Versehen, den Tod des Testators verursacht: so wird derselbe, auch
ohne ausdrücklichen Widerruf, des ihm zugedachten Vortheils verlustig.
§. 600. Doch findet das Gegentheil statt, wenn ausgemittelt
werden kann, daß der Erblasser dem Erben oder Legatario das Versehen, wodurch
der Unglücksfall entstanden ist, verziehen habe.
wegen nachgeborner Kinder.
§. 601. Wie es zu halten sey, wenn bey dem Ableben des
Testators Kinder vorhanden sind, auf welche in dem errichteten Testamente keine
Rücksicht genommen worden, ist gehörigen Orts vorgeschrieben. (Th. II. Tit. II.
Abschn. V.)
durch Untergang oder Verlust des Testaments oder Codicills.
§. 602. Geht ein Testament oder Codicill durch Zufall
verloren; so ist die Ausmittelung des Inhalts durch Beweis zuläßig;
§. 603. Doch wird dazu ein vollständiger Beweis erfordert,
welcher durch einen Erfüllungseid nicht ergänzt werden kann.
§. 604. Ist die Disposition durch ein grobes oder mäßiges
Versehen der Gerichte verloren gegangen, so müssen diese nicht nur die Kosten
der Ausmittelung tragen, sondern auch, nach Verhältniß ihrer erwiesenen
Nachläßigkeit, bestraft oder ihres Amtes entsetzt werden.
Strafe desjenigen, welcher jemanden an Errichtung eines
Testaments, oder an dessen Uebergabe, oder
§. 605. Wer einen Andern an Errichtung seines Testaments
erweislich verhindert hat, geht aller Vortheile verlustig, die er vermöge der
gesetzlichen Erbfolge, oder eines vorhin errichteten Testaments sonst erhalten
hätte.
§. 606. Wer zur Beförderung seines eignen Vortheils, oder
zur Kränkung der Rechte eines Dritten, die gerichtliche Uebergabe eines schon
gefertigten Testaments verhindert, muß denen, welche darin bedacht waren, für
die entgehenden Vortheile gerecht werden.
an dessen Widerrufe hindert
§. 607. Wer jemanden an dem Widerrufe seines errichteten
Testaments hindert, verliert alle darin ihm verschafften Vortheile, und muß noch
außerdem denjenigen, zu dessen Besten der Widerruf gereicht haben würde,
vollständig entschädigen.
oder ein Testament verheimlicht
§. 608. Wer ein Testament, oder andere letztwillige
Disposition verheimlicht: der verliert nicht nur alle ihm darin zugedachten
Vortheile; sondern er muß auch den Betrag desjenigen Vortheils, den er sich
durch die Verheimlichung zu verschaffen gedachte, dem Fiskus zur Strafe
entrichten.
Strafe desjenigen, der durch Gewalt oder Betrug ein
Testament bewirkt hat.
§. 609. In Fällen, wo nach Vorschrift §. 23. 24. 25. ein
Testament wegen verübten Zwangs, oder betrüglicher Verleitung für ungültig
erklärt werden muß, wird derjenige, welcher einer solchen unerlaubten Handlung
sich schuldig gemacht hat, seines gesetzlichen Erbrechts ebenfalls verlustig.
§. 610. Hat er kein gesetzliches Erbrecht, so muß er, nach
Bewandniß der Umstände, an Gelde, oder am Leibe, nachdrücklich bestraft werden.
XL Verstärkung der letztwilligen Verordnung durch
Anerkenntniß.
§. 611. Der Erbe und Legatarius, welcher eine letztwillige
Verordnung einmal anerkannt hat, kann deren Gültigkeit nicht weiter anfechten.
§. 612. Einem ausdrücklichen Anerkenntnisse ist es gleich zu
achten, wenn der Erbe Vermächtnisse aus dem Testamente ohne Vorbehalt bezahlt,
oder wenn der Legatarius ein solches Vermächtniß ohne Vorbehalt angenommen hat.
§. 613. Doch muß dem Legatario sowohl, als dem Erben,
rechtliches Gehör verstattet werden, wenn sie nachweisen können, daß die
Gründe, aus welchen sie die Verordnung anfechten wollen, erst nach dem
Anerkenntnisse zu ihrer Wissenschaft gelangt sind.
XII. Von wechselseitigen Testamenten.
§. 614. Wechselseitige Testamente, wodurch Einer den Andern,
in Rücksicht der von diesem geschehenen Erbeseinsetzung, zu seinem Erben
ernennt, können nur unter Eheleuten errichtet werden.
§. 615. Die nähern Bestimmungen wegen solcher Testamente
sind gehörigen Orts vorgeschrieben. (Th. II. Tit. I. Abschn. VII.)
§. 616. Wenn Zwey Personen einander in verschiedenen
Instrumenten zu Erben einsetzen, ohne daß die eine der Einsetzungen auf die
andre sich bezieht: so ist jede dieser Verordnungen als ein für sich
bestehendes Testament anzusehen.
Zweyter Abschnitt Von Erbverträgen
§. 617. Auch durch Erbverträge kann ein Contrahent dem
andern, oder beyde einander wechselseitig, Rechte auf ihren künftigen Nachlaß
einräumen.
Persönliche Erfordernisse.
§. 618. Wer Erbverträge schließen will, muß mit den
Eigenschaften versehen seyn, welche sowohl zur Errichtung eines Testaments, als
zur Abschließung eines Vertrags, erforderlich sind.
§. 619. Ermangeln dem Versprechenden die zum gültigen
Contrahiren erforderlichen Eigenschaften, so gilt der Erbvertrag auch nicht als
eine einseitige letztwillige Verordnung, wenn gleich zu dieser letztern der
Contrahent an sich nach den Gesetzen fähig wäre.
Gegenstände.
§. 620. Nur solche Sachen und Rechte, worüber jemand durch
einen letzten Willen zu verfügen berechtigt ist, kann er Andern durch
Erbverträge zuwenden.
Form.
§. 621. Erbverträge müssen, wie Testamente, gerichtlich
abgeschlossen, oder von beyden Theilen persönlich den Gerichten übergeben
werden.
§. 622. Die privilegirte Form von Testamenten findet bey
Erbverträgen nicht statt.
§. 623. Auch bey der Aufbewahrung, Eröffnung, und Zurückgabe
der Erbverträge, muß der Richter alles das beobachten, was bey den Testamenten
vorgeschrieben ist.
Wirkungen, während des Lebens der Contrahenten.
§. 624. Durch bloße Erbverträge wird die Befugniß der
Contrahenten, über ihr Vermögen unter Lebendigen zu verfügen, nicht
eingeschränkt.
§. 625. Doch kann der Vertragserbe Schenkungen, welche der
Erblasser wegen Uebermaaßes zu widerrufen berechtigt gewesen wäre, innerhalb
der gesetzmäßigen Frist zurücknehmen, wenn gleich der Erblasser sich dieses
Widerrufs ausdrücklich begeben hätte. (Tit. XI. §. 1094.)
§. 626. Wenn jemand durch unbesonnene Ausgaben die Substanz
seines Vermögens dergestalt vermindert, daß er nach den Gesetzen für einen
Verschwender zu achten ist: so kann derjenige, welchem ein Recht auf seinen
Nachlaß durch Erbvertrag eingeräumt worden, auf Prodigalitätserklärung wider
ihn antragen.
In wie fern letztwillige Verordnungen dagegen statt finden.
§. 627. Letztwillige Verordnungen finden gegen den Inhalt
eines Erbvertrages nicht statt.
§. 628. Doch kann der Erblasser Vermächtnisse bis auf den
Zwanzigsten Theil seines Nachlasses errichten, wenn er nicht auch dieser
Befugniß sich im Vertrage ausdrücklich begeben hat.
§. 629. Ist der Erbvertrag nur über einen bestimmten Theil
des Nachlasses errichtet: so fällt das übrige Vermögen dem ernannten
Testaments- oder in dessen Ermangelung, dem gesetzlichen Erben anheim.
§. 630. Ist in dem Erbvertrage die letztwillige Verfügung
über eine gewisse Sache oder Summe vorbehalten: so finden deshalb, wenn keine
Verfügung getroffen ist, die Verordnungen des Eilften Titels §. 1087. 1088.
Anwendung.
Erbrecht.
§. 631. Aus einem wechselseitigen Erbvertrage erlangt nur
der Ueberlebende ein Erbrecht; und die Erben oder Nachkommen des
Erstverstorbenen haben in so weit auf den künftigen Nachlaß des Uebelebenden
keinen Anspruch.
§. 632. Ist aber in dem Vertrage die Erbfolge-Ordnung nicht
bloß zwischen den Contrahenten, sondern auch in Ansehung ihrer Erben oder
Nachkommen bestimmt: so ist eine solche Verordnung, in so fern sie das eigne
Vermögen der Contrahenten betritt, nach den Regeln der Fideicommisse und
fideicommissarischen Substitutionen zu beurtheilen. (Th. II. Tit. IV. Abschn.
III.)
§. 633. Fortwährende Successionsordnungen, welche die
Nachkommen auch in Ansehung ihres eignen Vermögens verpflichten sollen, können
nicht durch bloße Erbverträge, sondern nur durch Familienschlüsse gültig
errichtet werden. (Th. II. Tit. IV. §. 7. sqq.)
Widerruf.
§. 634. Gerichtliche auf den Todesfall eingegangene
Erbverträge können einseitig nur so, wie Verträge unter Lebendigen, widerrufen
werden.
§. 635. Haben beyde Theile sich die Befugniß, von dem
Erbvertrage nach Gutfinden abzugehn, vorbehalten, so wird das Geschäft nur als
ein Testament angesehn.
§. 636. Von dem Widerrufe eines solchen Erbvertrags gilt
eben das, was von dem Widerrufe eines Testaments verordnet ist. (§. 587. sqq.)
§. 637. So bald der eine Theil einen solchen Erbvergleich
widerruft, verliert derselbe auch in Ansehung des andern seine Kraft.
§. 638. Hat jedoch der andre weder seines Orts ausdrücklich
widerrufen, noch sonst letztwillig verordnet, so bestehen diejenigen
Vermächtnisse, welche von ihm im Erbvertrage andern Personen, als solchen, die
mit dem Widerrufenden als Verwandte oder besondre Freunde verbunden sind,
ausgesetzt worden.
§. 639. Hat nur Ein Theil die Befugniß zum Widerrufe sich
vorbehalten, so wird dadurch der andre, ein Gleiches zu thun, noch nicht
berechtigt.
§. 640. So bald aber der erste widerrufen hat, findet in
Ansehung des zweyten die Vorschrift des §. 637. 638. ebenfalls Anwendung.
Entsagung des Erbrechts.
§. 641. Bey Erbverträgen kann der überlebende Theil eben so,
wie der Testamentserbe, sich der Verlassenschaft gültig entschlagen.
§. 642. Er kann aber alsdann auch seines gesetzlichen
Erbrechtes sich nicht bedienen. (Tit. IX. §. 401.)
§. 643. Ist in dem Vertrage selbst der Befugniß, die
Erbschaft auszuschlagen, ausdrücklich entsagt worden: so hat es zwar dabey sein
Bewenden;
§. 644. Doch kann auch ein solcher Vertragserbe zum Antritte
der Erbschaft nur unter dem Vorbehalte der Rechtswohlthat des Inventarii
verpflichtet werden.
Vom Rechte des Zuwachses. Wirkung der Erbverträge in
Ansehung eines Dritten.
§. 645. Auch bey der Erbfolge aus Verträgen findet das Recht
des Zuwachses statt.
§. 646. Uebrigens gelten Erbverträge nur unter den
Contrahenten als Verträge; in Ansehung eines Dritten aber, dem darin etwas
zugedacht worden, und der dem Vertrage nicht mit Bewilligung der
Hauptcontrahenten ausdrücklich beygetreten ist, haben sie nur die Kraft
einseitiger letztwilliger Verfügungen. (Tit. V §. 75. 76. 77.)
Aufhebung derselben.
§. 647. So weit Testamente wegen nicht Eintreffen der
Bedingungen, wegen des von dem Erben verursachten Todes des Erblassers, oder
wegen Dazwischenkunft ehelicher Kinder, so wie überhaupt durch Zufall
entkräftet, oder vereitelt werden; so weit werden unter eben den Umständen auch
Erbverträge rückgängig. (§. 478-518. §. 599. 600. 601. 563.)
Erbverträge zwischen Eheleuten.
§. 648. Was bey Erbverträgen zwischen Eheleuten Rechtens
sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. I. Abschn. VII.)
Entsagungsverträge.
§. 649. Verträge, wodurch einer künftigen bestimmten
Erbschaft entsagt, oder die Theilung einer solchen Erbschaft im Voraus
angeordnet wird, gelten nur unter denjenigen, welche zu einer solchen Erbschaft
als gesetzliche Miterben berufen sind.
§. 650. Zu Gunsten eines Fremden gelten der gleichen
Verträge nur alsdann, wenn derjenige, über dessen Nachlaß verfügt werden soll,
dem Vertrage als Mitcontrahent ausdrücklich beytritt.
§. 651. Im letztern Falle ist aber auch dieser künftige
Erblasser an einen solchen Vertrag, wie an seinen eigenen Erbvertrag, gebunden,
und darf, demselben zuwider, so wenig durch Testamente, als durch spätere
Erbverträge etwas verfügen.
§. 652. Es begreift also eine dergleichen gültige Entsagung
des gesetzlichen Erbrechts auch die des Erbrechts aus einer letztwilligen
Verordnung, so wie umgekehrt, unter sich.
§. 653. Wenn der, über dessen künftige Erbschaft ein solcher
Vertrag (§. 650.) geschlossen wird, eine verbindliche Willenserklärung
abzugeben unfähig ist, so kann zwar der Vertrag, auch ohne seinen Beytritt,
gültig geschlossen werden;
§. 654. Alsdann ist aber die gerichtliche Aufnehmung und Abschließung
desselben zu seiner Gültigkeit nothwendig.
§. 655. Auf Familienverträge, in so fern dieselben sonst
gültig geschlossen worden, findet die Vorschrift des §. 650. nicht Anwendung,
wenn gleich darin auch Entsagungen künftiger Erbanfälle enthalten wären.
§. 656. Verträge, wodurch Aeltern ihr Vermögen schon bey
Lebenszeit ihren Kindern abtreten, sind bloß als Verträge unter Lebendigen
anzusehen.
Dreyzehnter Titel
Von Erwerbung des Eigenthums der Sachen und Rechte durch
einen
Dritten
§. 1. Sachen und Rechte können auch durch Handlungen eines
Dritten erworben werden.
§. 2. Wie weit überhaupt jemand aus Verträgen, die zwischen
Andern zu seinem Vortheile geschlossen worden, ein Recht erlange, ist im
Fünften Titel §. 74. sqq. vorgeschrieben.
§. 3. In wie fern ein Ehegatte durch den Andern; Väter durch
die in ihrer Gewalt befindlichen Kinder; Dienstherrschaften durch ihr Gesinde;
Pflegebefohlne durch ihre Vormünder; und Kaufleute durch ihre
Handlungsbedienten erwerben; ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. I.
Sect. V. Tit. II. Sect. II. Tit. V. Tit. VIII. Sect. VII. Tit. XVIII. Sect. V.)
§. 4. Außer diesen Fällen wird, wenn durch Handlungen eines
Dritten jemanden Sachen und Rechte erworben werden sollen, in der Regel ein
ausdrücklicher Auftrag dessen, welcher dadurch erwerben soll, erfordert.
Erster Abschnitt Von Vollmachtsaufträgen
Begriff.
§. 5. Die Willenserklärung, wodurch Einer dem Andern das
Recht ertheilt, ein Geschäft für ihn und statt seiner zu betreiben, wird
Auftrag oder Vollmacht genannt.
§. 6. Wird der Auftrag angenommen, so ist unter beyden
Theilen ein Vertrag vorhanden.
Wie der Vollmachtsvertrag geschlossen werde.
§. 7. Wo nach den Gesetzen kein schriftlicher Contrakt
erforderlich ist; da ist der Vollmachtsvertrag für geschlossen zu achten, wenn
der Eine den mündlichen Auftrag des Andern auch nur stillschweigend annimmt.
(Tit. V. §. 81. 82.)
§. 8. Doch kann auch in solchen Fällen, wo es unter den
handelnden Personen selbst eines schriftlichen Vertrags nicht bedarf, ein
Dritter, welcher mit dem Bevollmächtigten sich eingelassen hat, auf Erfüllung
des mit selbigem geschlossenen Vertrags gegen den Machtgeber nicht klagen, wenn
der Bevollmächtigte nicht durch einen schriftlichen Auftrag desselben
legitimirt gewesen ist.
§. 9. Wohl aber kann er sich an den Bevollmächtigten halten,
und von diesem sowohl Schadloshaltung, als Abtretung seiner Rechte an den
Machtgeber fordern.
§. 10. Der Machtgeber kann, auch in diesem Falle, gegen den
Dritten, mit welchem der Bevollmächtigte in seinem Namen gehandelt hat, klagen.
§. 11. In Fällen, wo die Gesetze überhaupt einen
schriftlichen Vertrag erfordern, vertreten die Ertheilung einer schriftlichen
Vollmacht von der einen, und deren auch nur stillschweigend geschehene Annahme
von der andern Seite, die Stelle desselben.
§. 12. So lange aber ein Abwesender, dem eine Vollmacht
zugeschickt worden, sich über die Annahme derselben noch nicht erklärt, oder
doch davon noch keinen Gebrauch gemacht hat, ist der Vertrag noch nicht für
geschlossen zu achten.
Wer Vollmachtsaufträge zu übernehmen schuldig sey.
§. 13. Personen, welche zu Besorgung gewisser
Angelegenheiten öffentlich bestellt worden, können dieselben nicht anders, als
aus erheblichen Ursachen, die sie sogleich anzuzeigen schuldig sind, ablehnen.
§. 14. Verzögern sie ihre Antwort, so wird die Vollmacht für
angenommen geachtet, und sie werden dem Machtgeber eben so verhaftet, als wenn
sie zur Uebernehmung des Auftrags sich ausdrücklich erklärt hätten.
§. 15. Auch diejenigen, welche aus Uebernehmung gewisser
Arten von Aufträgen, gegen Belohnung, ein Gewerbe machen, sind, wenn sie
dergleichen an sie ergehenden Auftrag ablehnen wollen, dem Machtgeber davon
sofort Anzeige zu machen verbunden.
§. 16. Unterlassen sie dieses, so findet auch gegen sie die
Vorschrift des §. 14. Anwendung.
§. 17. Die Fristen, binnen welcher dergleichen Personen (§.
13. 15.) über die Ablehnung eines ihnen geschehenen Auftrags sich erklären
müssen, sind nach den Tit. V. §. 90. sqq. gegebenen Regeln zu bestimmen.
Was der Gegenstand eines Vollmachtsauftrages seyn könne.
§. 18. Alle Privatgeschäfte, die jemand selbst vorzunehmen
berechtigt ist, können von ihm in der Rege] auch einem Andern übertragen
werden.
§. 19. In wie fern, bey Civil- und Criminalprozessen, die
Vertretung der Parteyen durch Bevollmächtigte stattfinde, ist in der Prozeß-
und Criminalordnung bestimmt.
Welche Aufträge nicht übernommen werden sollen.
§. 20. Was Rechtens sey, wenn unerlaubte Geschäfte Andern
aufgetragen worden, ist im Sechsten Titel §. 51. sqq. vorgeschrieben. .
§. 21. Sobald der Vortheil des Machtgebers mit dem Vortheile
des Bevollmächtigten in Widerspruch kommt, darf dieser den Auftrag weder
annehmen noch behalten.
§. 22. Eben so wenig kann ein Bevollmächtigter Aufträge
verschiedener Personen, deren Interesse einander entgegen läuft, annehmen.
§. 23. Personen, welche nach §. 13. zu Besorgung gewisser
Angelegenheiten öffentlich bestellt sind, müssen in dem Falle des §. 22. den
ersten Auftrag, den sie einmal übernommen haben, behalten.
§. 24. Andern steht es frey, nach gehörig erfolgter
Aufkündigung des frühern Auftrages, den spätern zu übernehmen.
§. 25. Behält in den Fällen des §. 21. 22. der
Bevollmächtigte den Auftrag, ohne die Beschaffenheit der Sache seinem
Machtgeber zur gehörigen Zeit (§. 17.) treulich anzuzeigen, so haftet er
demselben für allen daraus entstehenden Schaden.
§. 26. Ueberdies kommt in dem Falle des §. 21. alles, was
der Bevollmächtigte gethan hat, so weit es vortheilhaft ist, lediglich dem
Machtgeber zu gute.
§. 27. In dem Falle des §. 22. sind die Handlungen des
Bevollmächtigten zum Vortheile dessen, für welchen er das Geschäft wirklich
besorgt hat, gültig, wenn nicht derselbe sich eines Verständnisses mit dem
Bevollmächtigten, zur Verkürzung der Andern, schuldig gemacht hat.
§. 28. In beyden Fällen §. 21. 22. steht das unerlaubte
Verhalten des Bevollmächtigten, in Uebernehmung solcher Aufträge, dem Dritten,
welcher sich redlicher Weise mit ihm eingelassen hat, in Ansehung des
Machtgebers nicht entgegen.
Personen, welche Aufträge machen und übernehmen können.
§. 29. Nur so weit sich jemand überhaupt verbindlich machen
kann, wird er durch Ertheilung oder Annahme eines Auftrags verpflichtet.
§. 30. Wer sich selbst zu verbinden unfähig ist, kann
dennoch durch gehörige Ausrichtung eines auf getragenen Geschäfts; Rechte gegen
seinen Machtgeber erwerben.
§. 31. Rechte die einem gewissen Stande oder Gewerbe eigen
sind, können andern nicht aufgetragen, noch von denselben übernommen werden.
§. 32. Mit einem Bevollmächtigten, welchem die zu Schließung
gültiger Verträge erforderlichen Eigenschaften ermangeln, ist ein Dritter sich
einzulassen nicht schuldig.
§. 33. Hat er es aber gethan, so ist das von dem
Bevollmächtigten seiner Vollmacht gemäß abgeschlossene Geschäft, sowohl für den
Machtgeber, als für den Dritten, der Regel nach verbindlich.
§. 34. Stand jedoch dem Bevollmächtigten bey Uebernehmung
eines solchen Geschäfts ein Verbotsgesetz entgegen, so ist das Geschäft
nichtig.
§. 35. Ist aus dem Mangel der Erfordernisse bey dem
Bevollmächtigten, dem Machtgeber, oder einem Dritten, welcher mit demselben
sich eingelassen hat, ein Schade entstanden: so muß die Befugniß des
Beschädigten, Ersatz aus dem Vermögen des Bevollmächtigten zu fordern, nach den
im Fünften Titel §. 31. sqq. vorgeschriebenen Regeln beurtheilt werden.
§. 36. In Fällen, wo der Dritte Schadloshaltung aus dem
Vermögen des Bevollmächtigten zu fordern berechtigt ist, muß bey dem Unvermögen
des letztern, derjenige, welcher wissentlich einen Unfähigen zum
Bevollmächtigten bestellt hat, dem Beschädigten haften.
Wirkungen des Vollmachtsvertrags.
I. Rechte zwischen dem Machtgeber und Bevollmächtigten.
§. 37. Wer einen Auftrag angenommen hat, ist ihn in der
Regel selbst auszurichten verbunden.
§. 38. Ueberträgt er das Geschäft, ohne Einwilligung des
Machtgebers, einem Andern: so muß er für die Handlungen und Versehen desselben,
wie für seine eignen, haften.
a) Von der
Befugniß, zu substituiren.
§. 39. Hat aber der Machtgeber dem Bevollmächtigten die Wahl
eines Substituten ausdrücklich gestattet, so haftet der Bevollmächtigte bloß
für ein bey dieser Auswahl begangenes grobes oder mäßiges Versehen.
§. 40. Uebrigens finden alsdann zwischen dem Machtgeber und
Substituten eben die Rechte und Pflichten statt, wie zwischen ersterern, und
dem unmittelbaren Bevollmächtigten.
§. 41. Geschäfte eines öffentlichen Amts soll niemand
eigenmächtig einem Andern an seiner statt auftragen.
§. 42. Ist es dennoch geschehen, so sind die Handlungen des
Substituten nichtig, und er sowohl, als sein Machtgeber, haften einer für beyde
und beyde für einen, wegen alles daraus entstandenen Schadens.
§. 43. War jedoch der Substitut zur Verrichtung von
Amtshandlungen dieser Art an sich qualificirt: so wird zwar dadurch, daß der,
welchem das Geschäft eigentlich oblag, ihn dazu eigenmächtig substituirt hat,
die Handlung selbst noch nicht ungültig.
§. 44. Derjenige aber, welcher sich einer solchen
eigenmächtigen Substitution angemaaßt hat, soll, nach Bewandniß der Umstände,
mit verhältnißmäßiger Geld- oder Gefängnißstrafe belegt werden.
§. 45. Auch von dieser Strafe bleibt ein Beamter frey,
welcher durch Krankheit oder andern Zufall, die Geschäfte seines Amts zu
verwalten, auf eine Zeitlang außer Stand gesetzt worden, und auf so lange, bis
von seinem Vorgesetzten, wegen einstweiliger Versehung desselben, Anstalten
getroffen worden, solche Amtshandlungen, die keinen Aufschub leiden, Andern,
welche zu Geschäften von gleicher Art öffentlich bestellt und verpflichtet
sind, aufgetragen hat.
§. 46. Ist ein aufgetragenes Geschäft von der Art, daß der
Bevollmächtigte selbiges ohne Beyhülfe andrer Personen nicht vollziehen kann;
so haftet er für seine Gehülfen nur so weit, als ihm ein mäßiges Versehen bey
der Auswahl, oder bey der Aufsicht über sie, zur Last fällt.
§. 47. Ein Gleiches findet statt, wenn der Bevollmächtigte,
bey eintretenden persönlichen Verhinderungen, zur Besorgung eines Geschäfts,
welches keinen Verzug leidet, sich anderer Personen bedient hat.
§. 48. Wer aber ohne Noth sich fremder Beyhülfe zu einem ihm
aufgetragenen Geschäfte bedient, haftet für allen durch solche Gehülfen
verursachten Schaden.
b) Von der
Pflicht des Bevollmächtigten, die Vorschrift des Machtgebers genau zu befolgen.
§. 49. Von der zur Ausrichtung des Geschäfts ertheilten
bestimmten Vorschrift des Machtgebers, darf der Bevollmächtigte aus eigner
Macht nicht abgehn.
§. 50. Ist dieses geschehen, so haftet er dem Machtgeber für
allen daraus entstandenen Schaden.
§. 51. Hat der Bevollmächtigte, der Abweichung ungeachtet,
das Geschäft selbst zum Nutzen des Machtgebers ausgerichtet, und dieser will
den Vortheil daraus sich zueignen; so muß er auch die Abweichung genehmigen.
§. 52. Bey übertretener Vorschrift gilt die Vermuthung, daß
der sich ergebende Schade durch die geschehene Abweichung verursacht worden.
§. 53. Einschränkungen und Ausdehnungen der Vollmacht,
welche nach der Natur des Geschäfts, oder der bekannten Absicht des
Machtgebers, nothwendig sind, können nicht als unerlaubte Abweichungen von der
gegebenen Vorschrift angesehen werden.
c) Von dem
Grade des Versehens, für welches der Bevollmächtigte haften muß.
§. 54. Für den Ausgang des Geschäfts haftet der
Bevollmächtigte nur in so weit, als er bey der Uebernehmung oder Ausrichtung
desselben ein Versehen begangen hat.
§. 55. In der Regel ist der Bevollmächtigte, bey Vollziehung
des Auftrags, zu demjenigen Grade des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welchen
er in seinen eigenen Geschäften derselben Art anzuwenden pflegt, verpflichtet.
§. 56. Kann hiernach der Grad seiner Verantwortlichkeit
nicht ausgemittelt werden; oder hat er den Auftrag gegen Belohnung übernommen:
so muß jedes mäßige Versehen überhaupt von ihm vertreten werden.
§. 57. Hat er den Auftrag als Kunst- oder Sachverständiger
übernommen: so haftet er auch für ein beringes Versehen.
§. 58. Doch ist der Kunstverständige, welcher einen Auftrag
ohne Vergeltung übernommen hat, nur für ein mäßiges Versehen zu haften
schuldig.
§. 59. In allen Fällen, wo die Ausführung des Geschäfts
durch Zufall verhindert, oder aufgehalten wird, muß der Bevollmächtigte seinen
Machtgeber davon zeitig benachrichtigen.
§. 60. Ueberhaupt muß er, während des Laufs des Geschäfts,
dem Machtgeber über die jedesmalige Lage desselben, auf Erfordern, treulich
Auskunft geben.
d) Von der
Rechenschaft, zu welcher der Bevol mächtigte dem Machtgeber verpflichtet ist.
§. 61. Nach vollendetem Geschäfte ist er demselben über
dessen Ausführung Rechenschaft abzulegen verpflichtet.
§. 62. Alle Vortheile, welche aus dergleichen auf getragenem
Geschäfte entstehen, kommen, so weit nicht ein Andres verabredet worden, dem
Machtgeber allein zu statten.
§. 63. Der Bevollmächtigte darf also den erhaltenen Auftrag
nicht dazu brauchen, sich ohne Einwilligung des Machtgebers eigne Vortheile
dadurch zu verschaffen.
§. 64. Dagegen kann der Bevollmächtigte, bloß bey
Gelegenheit des Auftrags, Geschäfte, die mit demselben in keiner Verbindung
stehn, zu seinem eignen Vortheile verhandeln und ausführen.
e) Pflichten
des Machtgebers gegen den Bevollmächtigten wegen der Schadloshaltung.
§. 65. Der Machtgeber muß den Bevollmächtigten für allen bey
dem Geschäfte gemachten Aufwand, in so fern derselbe nöthig oder nützlich
gewesen, entschädigen.
§. 66. Die bey einem Geschäfte gewöhnlichen Ausgaben werden
als nützlich angesehen.
§. 67. Ausgaben, welche der Machtgeber ausdrücklich
untersagt hat, dürfen ihm nur in so fern angerechnet werden, als sie eine
wirkliche Verwendung in seinem Nutzen enthalten, und er sich den dadurch
bewirkten Vortheil zueignen will.
§. 68. Nöthige und nützliche Ausgaben, welche die Person des
Bevollmächtigten angehn, sind nach seiner, und nicht nach der Qualität des
Machtgebers zu beurtheilen.
§. 69. Auch bey rückgängig gewordenem Auftrage, oder
fehlgeschlagener Ausrichtung, ist der Bevollmächtigte den Ersatz der zweckmäßig
verwendeten Kosten zu fordern befugt.
In wie fern der Bevollmächtigte Zinsen oder
§. 70. Wo die Gesetze nicht ein Andres verordnen, ist der
Bevollmächtigte, noch vor Beendigung des Geschäfts, Vorschuß oder Vergütung der
bereits gehabten Auslagen zu fordern berechtigt.
§. 71. Hat er keinen Vorschuß gefordert, so kann er, von dem
Betrage der gehabten Auslagen, landübliche Zinsen nur von dem Tage an fordern,
wo er dem Machtgeber die mit den erforderlichen Belägen versehene Berechnung
darüber zugestellt hat.
§. 72. Hat jedoch der Bevollmächtigte Capitalsza lungen für
den Machtgeber geleistet; so muß ihm der Vorschuß schon von der Zeit der
geschehenen Verwendung an landüblich verzinset werden.
§. 73. Ein Gleiches findet statt, wenn der Machtgeber den
ihm abgeforderten Vorschuß nicht zur gehörigen Zeit angeschaft hat; oder wenn
der Bevollmächtigte vor Vollziehung des Geschäfts, nach den Umständen des
Falles, den nöthigen Vorschuß von dem Machtgeber nicht einziehen konnte.
Belohnungen fordern könne.
§. 74. Unbedungene Belohnungen kann der Bevoll mächtigte nur
alsdann fordern, wenn die Gesetze selbst einen Preis dafür bestimmen, oder die
Ausrichtung solcher Geschäfte zu seinem ordentlichen Gewerbe gehört.
§. 75. Wenn Geschäfte, zu welchem eine bestimmte Klasse von
Personen bestimmt ist, von andern, welche zu dieser Klasse nicht gehören, auf
eine an sich erlaubte Art gegen eine vorbedungene Belohnung übernommen werden:
so darf doch auch eine solche Belohnung die den Personen der andern Klasse vor
geschriebene Taxe niemals übersteigen.
§. 76. Bey Verschaffung von Darlehnen darf also der
Bevollmächtigte, wenn er auch kein eigentlicher Mäkler ist, sich dennoch eine
das gesetzmäßige Mäklerlohn übersteigende Belohnung niemals vor bedingen.
§. 77. Bey Geschäften, wo kein gesetzlicher Maaßstab der
Belohnung vorhanden ist, hängt die Bestimmung derselben lediglich von den
Uebereinkommen der Parteyen ab.
§. 78. Ist für ein solches Geschäft eine Belohnung in
unbestimmten Ausdrücken versprochen worden: so muß, bey ermangelndem
Einverständnisse der Parteyen, die Belohnung nach richterlichem Ermessen
bestimmt werden.
§. 79. Bey diesem Ermessen muß der Richter auffdie für
ähnliche Fälle vorhandnen gesetzlichen Bestimmungen, auf die Beschaffenheit der
handelnden Personen, und auf die zur Ausrichtung des Geschäfts erforderlich
gewesene Zeit und Mühwaltung, vernünftige Rücksicht nehmen.
Von zufälligem Schaden, welchen der Bevollmächtigte leidet.
§. 80. Unglücksfälle, welche den Bevollmächtigten bey
Ausrichtung des Geschäfts treffen, ist der Machtgeber nur in so fern zu
vergüten schuldig, als er dazu auch nur durch ein geringes Versehen Anlaß
gegeben hat.
§. 81. Doch muß der bloß zufällige Schaden auch alsdann
vergütet werden, wenn der Bevollmächtigte die bestimmte Vorschrift des
Machtgebers, ohne sich der Gefahr einer solchen Beschädigung auszusetzen, nicht
hat befolgen können.
Pflicht des Machtgebers, den Bevollmächtigten von den gegen
andre übernommenen Verbindlichkeiten zu befreyen.
§. 82. Der Machtgeber ist schuldig, den Bevollmächtigten von
allen Verbindlichkeiten, welche derselbe bey Ausrichtung des Geschäfts gegen
Andere übernommen hat, zu befreyen.
§. 83. Der Bevollmächtigte hat dieserhalb, so wie wegen
seiner Auslagen und zu fordern habenden Belohnungen, ein Zurückbehaltungsrecht
in Ansehung derjenigen Sachen, die vermöge des Auftrags, für den Machtgeber in
seine Hände gekommen sind. (Tit. XX. Sect. II.)
§. 84. Dagegen hat, wenn der Bevollmächtigte dergleichen
Sachen verzehrt, veräußert, oder sonst abhanden gebracht hat, bey einem über
sein Vermögen entstehenden Concurse, der Machtgeber das Vorrecht der Sechsten
Klasse in Ansehung des Werths derselben.
c) wenn der Bevollmächtigte die Gränzen seines Auftrags
überschritten hat.
§. 90. So weit der Bevollmächtigte die Gränzen seines
Auftrags überschreitet, wird der Machtgeber durch seine Handlungen dem Dritten
in der Regel nicht verpflichtet. (§. 51. 67.)
§. 91. Derjenige, welcher mit dem Bevollmächtigten zu
unterhandeln in Begriff steht, hat das Recht, die Vorzeigung der Vollmacht zu
fordern.
§. 92. Bezieht sich die Vollmacht auf eine besondere
Instruktion: so findet in Ansehung dieser ein Gleiches statt.
§. 93. Ist einer besondern Instruktion in der Vollmacht
nicht erwähnt; oder deren Vorzeigung verboten so ist die Sache zwischen dem
Machtgeber und dem Dritten bloß nach dem Inhalte der Vollmacht zu beurtheilen.
§. 94. Bey streitigen Rechtsangelegenheiten ist der
Bevollmächtigte seine Instruktion dem Gegentheile vorzuzeigen niemals
verpflichtet.
§. 95. Auch der Richter ist die Vorzeigung einer zum
Vergleiche erhaltenen Instruktion zu verlangen nicht befugt.
§. 96. Hat der Dritte, mit welchem der Bevollmächtigte
handelt, die Vorschriften §. 91. 92. vernachläßigt: so kann er sich, wegen
eines gegen die Anweisung des Machtgebers vollzogenen Geschäfts, nur an den
Bevollmächtigten halten.
§. 97. Hat aber der Bevollmächtigte nur eine ihm ertheilte
besondre Instruktion, deren in der Vollmacht nicht erwähnt, oder deren
Vorzeigung verboten worden, überschritten: so hat es bey der Vorschrift des §.
93. sein Bewenden.
//. Rechte zwischen dem Machtgeber und einem Dritten.
a) überhaupt.
b) besonders wenn jemand mit dem Bevollmächtigten und ein
Anderer mit dem Machtgeber selbst gehandelt hat.
§. 85. Was der Bevollmächtigte, zufolge des erhaltenen
Auftrags, mit einem Dritten verhandelt, verpflichtet den Machtgeber eben so,
als ob die Verhandlung mit ihm selbst vollzogen wäre.
§. 86. Hat jemand mit dem Bevollmächtigten, auf den Grund
der noch nicht widerrufenen Vollmacht desselben, und ein Andrer mit dem
Machtgeber selbst, über einen und eben denselben bestimmten Gegenstand
Verhandlungen geschlossen, welche miteinander nicht bestehen können: so gilt in
der Regel diejenige, welche früher zu Stande gekommen ist.
§. 87. Entsteht jedoch aus dem Zurückgehen der spatern
Verhandlung ein wirklicher Schade für den, welcher sich redlicher Weise darauf
eingelassen hat: so muß der Machtgeber denselben allemal vertreten.
§. 88. Hat der Machtgeber den Bevollmächtigten von den
Unterhandlungen, in die er selbst über das Geschäft mit einem Andern getreten
ist, nicht benachrichtigt: so gilt die Verhandlung des Bevollmächtigten; wenn
sie auch später, als die des Machtgebers, abgeschlossen wäre.
§. 89. In diesem Falle aber muß der Machtgeber demjenigen,
mit welchem er selbst ohne Vorbehalt abgeschlossen hat, nicht nur für den aus
dem Rückgange des Geschäfts erwachsenden Schaden, sondern auch für den
entgehenden Vortheil haften.
d) Von Specialvollmachten.
§. 98. Wer zu einem gewissen Geschäfte, ohne aus drücklich
beygefügte Einschränkungen, oder Beziehung auf eine besondere Instruktion
bevollmächtigt ist, verpflichtet den Machtgeber durch alle zur Vollziehung
desselben unternommene Handlungen, in sofern nicht die Gesetze eine
Specialvollmacht dazu erfordern.
§. 99. Eine Specialvollmacht ist erforderlich: 1) wenn Eide
erlassen, oder für geschworen angenommen werden sollen;
§. 100. Ferner 2) wenn der Bevollmächtigte einen Eid in die
Seele des Machtgebers ableisten soll;
§. 101. 3) Wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits einem
schiedsrichterlichen Ausspruche unterworfen werden soll;
§. 102. 4) Wenn über streitige Rechte des Machtgebers ein
Vergleichwirklich abgeschlossen werden soll;
§. 103. 5) Wenn ein Recht des Machtgebers einem Dritten
abgetreten, oder Verzicht darauf geleistet werden soll;
§. 104. In so fern jedoch Verzichtsleistungen unter
allgemeinen Vollmachten gewisser Art, vermöge besonderer Gesetze, mit begriffen
sind, oder in dem Laufe des dem Bevollmächtigten aufgetragenen Geschäfts mit
vorzukommen pflegen, ist dazu eine Specialvollmacht nicht erforderlich.
§. 105. 6) Wenn der Bevollmächtigte Sachen oder Gelder,
(Prozeßkosten allein ausgenommen,) für den Machtgeber in Empfang nehmen und
darüber quittiren soll;
§. 106. 7) Wenn im Namen des Machtgebers Grund stücke
veräußert oder angekauft werden sollen;
§. 107. 8) Wenn im Namen des Gutsbesitzers die Eintragung
auf ein Grundstück, oder im Namen des Gläubigers die Löschung eingetragener
Gerechtsame im Hypothekenbuche, bewilligt werden soll.
§. 108. Doch ist derjenige, welcher die Zahlung einer
eingetragenen Post in Empfang zu nehmen gehörig bevollmächtigt war, eben
dadurch auch befugt, in die Löschung dieser Post nach erhaltener Zahlung zu
willigen.
§. 109. 9) Auch zu Schenkungen aller Art, im Namen des
Machtgebers, ist eine Specialvollmacht nothwendig.
Form derselben.
§. 110. Specialvollmachten müssen von dem Machtgeber
eigenhändig geschrieben und unterschrieben, oder doch erst, nachdem der
Vollmachtsauftrag von einem Andern aufgesetzt worden, von dem Machtgeber
eigenhändig unterzeichnet seyn.
§. 111. Ist der Machtgeber unfähig zu schreiben; so muß die
Specialvollmacht nach den allgemeinen im Titel von Verträgen enthaltenen
Vorschriften aus gestellt werden. (Tit. V. §. 172. sqq.)
§. 112. Bloße Blanquets, auf welchen nur der Name des
Machtgebers, ohne Bestimmung des Geschäfts, wozu der Auftrag gegeben worden,
sich befindet, sind zu Handlungen, die eine Specialvollmacht erfordern, niemals
hinreichend.
§. 113. Wer aber ein Blanquet, ohne Bemerkung des Geschäfts,
zu welchem dasselbe bestimmt ist, aus den Händen giebt, kann gegen eine über
die Namensunterschrift gesetzte Vollmacht, wenn sie gleich erst nach der
Unterzeichung darüber geschrieben worden, sich nicht entschuldigen.
§. 114. In außergerichtlichen Handlungen ist es die Sache
des Dritten, welcher mit dem Bevollmächtigten sich einlassen will, wie er von
der Richtigkeit der vorgezeigten Specialvollmacht sich zu überzeugen gedenke.
§. 115. Wenn aber auf den Grund einer solchen Vollmacht
etwas gerichtlich verhandelt werden soll: so muß der Richter eine gerichtlich
oder vor einem Justizcommissario und Notario ausgestellte oder anerkannte
Vollmacht fordern.
§. 116. Wenn Sachen oder Gelder durch einen Bevollmächtigten
bey Gerichten erhoben werden sollen: so ist dazu eine gerichtliche Vollmacht
nothwendig.
§. 117. Ist der Empfänger ein Ausländer, so kann auch eine
von einem gerichtlich beglaubigten Notario attestirte Vollmacht angenommen
werden.
c) Von Generalvollmachten.
§. 118. Auch derjenige, welchem die Besorgung aller
Angelegenheiten des Machtgebers aufgetragen worden, verpflichtet denselben
durch Handlungen, die eine Specialvollmacht erfordern, nur in so fern, als
dieselben in seiner Generalvollmacht ausgedrückt sind.
f) Von vermutheten Vollmachten.
§. 119. Anverwandte in auf- und absteigender Linie,
Eheleute, Geschwister, und Geschwisterkinder ersten Grades, Schwiegerältern und
Schwiegerkinder, Schwä ger und Schwägerinnen, müssen in Fällen, die keinen
Aufschub leiden, zur Besorgung der Angelegenheiten solcher Personen, mit denen
sie in einer dergleichen Verbindung stehen, auch ohne ausdrückliche Vollmacht
zugelassen werden.
§. 120. Eine gleiche vermuthete Vollmacht haben
Miteigenthümer gemeinschaftlicher Sachen oder Rechte, ingleichen Mitgenossen
eines Prozesses, in dieser gemeinschaftlichen Angelegenheit für sich.
§. 121. Eben das gilt von Herrschaften und Obrigkeiten, in
Angelegenheiten ihrer Gutsunterthanen.
§. 122. Ferner von Verwaltern, Buchhaltern, und
Hausoffcianten, in Ansehung der von ihren Prinzipalen oder Dienstherrschaften
ihnen anvertrauten Geschäfte.
§. 123. Aber auch alle diese Personen (§. 119 bis 122.) sind
zu Handlungen, wozu die Gesetze eine Specialvollmacht erfordern, ohne
dergleichen Vollmacht nicht berechtigt.
§. 124. Derjenige, welcher, auf den Grund einer vermutheten
Vollmacht, Geschäfte für einen Andern besorgt, ist schuldig, demselben davon
ohne Zeitverlust Nachricht zu geben, und seine Genehmigung darüber einzuholen.
§. 125. Derjenige, welcher mit einem solchen vermutheten
Bevollmächtigten etwas verhandelt, hat das Recht, denselben zu dieser
Benachrichtigung anzuhalten; oder auch selbst den, dessen Geschäfte verhandelt
worden, zur Erklärung darüber unmittelbar aufzufordern.
§. 126. Letzterer muß, so bald ihm die Nachricht auf eine
oder die andere Art zugekommen ist, über die Billigung oder Mißbilligung des
Geschäfts innerhalb der im Fünften Titel §. 90. sqq. bestimmten Fristen sich
erklären.
§. 127. Verabsäumt er diese Fristen, so wird er ohne fernere
Widerrede für einwilligend angenommen.
§. 128. Erklärt er aber seine Mißbilligung zur rechten Zeit;
so kann der Dritte, wegen des aus dem Zurückgehen des Geschäfts ihm
erwachsenden wirklichen Schadens, nur an den vermutheten Bevollmächtigten sich
halten.
g) Von stillschweigend ertheilten Vollmachten.
§. 129. Daß jemanden ein fremder Schuldschein anvertraut
worden, beweiset noch nicht, daß derselbe zur Erhebung der darin verschriebenen
Summe berechtigt sey.
§. 130. Hingegen ist der, welchem die Quittung über eine zu
bezahlende Summe anvertraut worden, zum Empfange der Zahlung selbst für
bevollmächtigt zu achten.
§. 131. Der, welchem der Verkauf einer beweglichen Sache
aufgetragen worden, ist zum Empfange des Kaufgeldes so weit berechtigt, als der
Machtgeber ihn in den Stand gesetzt hat, die Sache dem Käufer zu übergeben.
§. 132. Nur alsdann darf der Käufer an den Bevollmächtigten
nicht zahlen, wenn Einschränkungen deshalb in der Vollmacht enthalten sind;
oder wenn der entgegengesetzte Wille des Machtgebers auch auf andere Art dem
Käufer bekannt geworden ist.
§. 133. Die Vollmacht aber zum Verkaufe einer unbeweglichen
Sache enthält noch nicht die Vollmacht, das Kaufgeld dafür in Empfang zu
nehmen.
§. 134. In keinem Falle wird vermuthet, daß der
Bevollmächtigte zum Verkaufe Credit über das Kaufgeld zu geben berechtigt sey.
§. 135. Wenn also in dem Falle des §. 133. der Machtgeber
sich nicht erklärt hat, wie er es mit der Zahlung des Kaufgeldes wolle gehalten
wissen, so muß zuförderst die Erklärung desselben eingeholt werden.
§. 136. Will entweder der Bevollmächtigte, oder der Käufer,
dieses nicht abwarten: so ist der letztere die Zahlung in das gerichtliche
Depositum auf Kosten des Machtgebers zu leisten, schuldig und berechtigt.
§. 137. In allen Fällen, wo der Bevollmächtigte ohne
ausdrückliche Erlaubniß des Machtgebers das Kaufgeld creditirt hat, ist
letzterer an den Vertrag nicht gebunden, sondern kann die Sache zurückfor dern.
§. 138. Ist diese bey dem Käufer nicht mehr vorhanden, so
kann der Machtgeber den bedungenen Werth gegen den Käufer sofort einklagen.
§. 139. Wenn aber das Geschäft von der Art gewesen ist, daß
diejenigen, welche dergleichen Gewerbe treiben, dabey Credit zu geben gewohnt
sind: so muß der Machtgeber den von dem Bevollmächtigten ertheilten Credit,
außer den §. 132. bestimmten Fällen, wider sich gelten lassen.
§. 140. Ist jemand bevollmächtigt, ein Darlehn aufzunehmen,
so muß die darüber ertheilte Vollmacht dem Gläubiger ausgehändigt werden.
§. 141. Enthält aber die Vollmacht mehrere Auf träge; oder
ist das Darlehnsgeschäft bey dem Auftrage nur als Mittel zum Zwecke anzusehen:
so ist es genug, wenn dem Gläubiger nur eine beglaubte Abschrift der Vollmacht
zugestellt wird.
h) Von der Verpflichtung des Machtgebers durch hinzukommende
Genehmigung.
§. 142. Auch Handlungen, welche Bevollmächtigte gegen die
Vorschrift des Machtgebers vollzogen hat, werden durch des letztern nachher
erfolgte Genehmigung gültig.
§. 143. Auch durch nachherige Handlungen des Machtgebers
kann eine solche Genehmigung erklärt werden. (Tit. V. §. 185-191.)
§. 144. Wenn also der Machtgeber weiß, daß der
Bevollmächtigte die Gränzen seines Auftrags überschritten habe, und sich
dennoch den aus dem Geschäfte entstandenen Vortheil zueignet; oder die aus der
eigenmächtigten Handlung des Bevollmächtigten folgenden Leistungen übernimmt:
so wird dieses einer ausdrücklichen Genehmigung gleich geachtet.
§. 145. Sobald der Machtgeber von dem Bevollmächtigten, oder
dem Dritten, mit welchem gehandelt worden, Nachricht erhält, daß ersterer die
Gränzen seines Auftrags überschritten habe; ist er schuldig, innerhalb der Tit.
V. §. 90. sqq. bestimmten Fristen, über dessen Billigung oder Mißbilligung sich
zu erklären.
§. 146. Unterläßt er dieses, so bleibt er dem Dritten, mit
welchem gehandelt worden, für allen aus dieser Unterlassung entstandenen
Schaden verantwortlich.
§. 147. Wenn jemand gegen einen Dritten schriftlich erklärt,
daß er einem Andern ein gewisses Geschäft aufgetragen habe: so muß er die
Handlungen dieses Andern, welche derselbe mit dem Dritten, in Gemäßheit der
schriftlichen Erklärung, vorgenommen hat, genehmigen; wenn er gleich dem Andern
keine wirkliche Vollmacht ertheilt hätte.
§. 148. Ist die Erklärung gegen den Dritten nur mündlich
geschehen: so ist zwar der Erklärende nicht schuldig, die zwischen diesem
Dritten und dem angeblich Bevollmächtigten vorgenommenen Verhandlungen und
geschlossenen Verträge selbst zu genehmigen.
§. 149. Hat aber der Dritte dem angeblichen Bevollmächtigten
auf den Grund eines solchen Vertrags etwas gegeben, oder geleistet: so haftet
der Erklärende dafür eben so, als wenn er es selbst auf den Grund eines
mündlichen Vertrags erhalten hätte. (Tit. V. §. 155. sqq.;
///. Verhältnisse zwischen dem Bevollmächtigten und dem
Dritten, welcher Verhandlungen mit ihm vornimmt.
§. 150. Wer mit einem Bevollmächtigten weiter, als es die
Gränzen seiner Vollmacht gestatten, wissentlich sich einläßt, hat, bey
erfolgender Mißbilligung des Machtgebers, nur das Recht, das ganze Geschäft
wieder aufzurufen, und das, was er darauf schon gegeben oder geleistet hat, von
dem Bevollmächtigten wieder zurückzufordern.
§. 151. Schadloshaltung hingegen kann er auch von dem
Bevollmächtigten nicht verlangen, in so fern sich dieser nicht ausdrücklich und
schriftlich dazu verpflichtet hat, oder von dessen Seite ein Betrug mit
untergelaufen ist.
§. 152. Wie weit ein Machtgeber für den durch den
Bevollmächtigten, bey Vollführung des Auftrags angerichteten Schaden haften
müsse, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. VI. §. 50-53.)
§. 153. Wer mit einem Bevollmächtigten contrahirt hat, muß
sich wegen Erfüllung des Vertrags in der Regel an den Machtgeber halten.
§. 154. Hat der Bevollmächtigte bloß in seinem eignen Namen
contrahirt, so kann der Andere nur von ihm die Erfüllung fordern.
§. 155. Ausnahmen und nähere Bestimmungen bey kaufmännischen
Geschäften sind im Kaufmannsrechte festgesetzt.
§. 156. Hat jemand, der zur Besorgung gewisser
Angelegenheiten öffentlich bestellt ist, dergleichen Geschäfte in seinem eignen
Namen abgeschlossen; es ergiebt sich aber aus der zur Zeit des Contrakts schon
vorhanden, und dem Andern bekannt gewesenen Umständen, daß der Gegenstand der
Verhandlung wirklich Amtsangelegenheiten gewesen sind: so hat der Andere die
Wahl: ob er sich an seinen Mitcontrahenten, oder an die Casse oder Anstalt,
welcher der selbe vorgesetzt ist, halten wolle.
§. 157. Der Bevollmächtigte kann, in Abwesenheit des
Machtgebers, zu Handlungen, wozu ihn sein Auftrag berechtigt, durch den Richter
angehalten werden.
§. 158. Doch kann der Machtgeber durch den Einwand, daß der
Dritte den Bevollmächtigten zu seiner Pflicht anzuhalten unterlassen habe, sich
von seiner eignen Verbindlichkeit nicht befreyen.
Wie Vollmachtsverträge aufgehoben werden,
1) durch Aufkündigung und Widerruf.
§. 159. In der Regel ist sowohl der Machtgeber seinen
Auftrag zu widerrufen, als der Bevollmächtigte die Ausführung des übernommenen
Geschäfts dem Machtgeber aufzukündigen berechtigt.
§. 160. Es ist nicht nothwendig, daß der Widerruf oder die
Aufkündigung unter Gegenwärtigen schriftlich geschehe.
§. 161. Wohl aber muß derjenige, welcher von dem Vertrage
abgeht, dem Andern die ertheilte schriftliche Vollmacht wieder abfordern, oder
zurückgeben.
§. 162. Befindet sich diese Vollmacht bey den gerichtlichen
Akten, so muß die Aufhebung des Vertrags von demjenigen, welcher davon zuerst
abgeht, dem Richter angezeigt werden.
§. 163. Der Machtgeber, welcher vor vollendetem Geschäfte
die Vollmacht widerruft, ist schuldig, dem Bevollmächtigten nicht nur wegen des
bereits gemachten Aufwands, sondern auch wegen des dabey auf andre Art
erlittenen wirklichen Schadens gerecht zu werden.
§. 164. Sobald dem Bevollmächtigten der Widerruf des
Machtgebers bekannt geworden; ist derselbe verpflichtet, dem Machtgeber selbst,
oder demjenigen, welchen dieser zu seinem Nachfolger ernannt, und ihm angezeigt
hat, über die noch unvollendeten Geschäfte treulich Auskunft zu geben, und
alles, was zu deren Fortsetzung gehört, auszuantworten.
§. 165. Er ist nicht schuldig, sich mit fernerer Fortsetzung
dieser Geschäfte auf irgend eine Art zu befassen.
§. 166. In so fern aber, als die Fortsetzung angefangener
Handlungen keinen Aufschub leidet, und der Machtgeber darüber nicht besonders
verfügt hat; ist der gewesene Bevollmächtigte befugt, dieselben so weit zu
besorgen, als es zur Abwendung eines sonst unvermeidlichen Schadens nothwendig
ist.
§. 167. Ist dem Bevollmächtigten die Verhandlung des
Geschäfts mit einer gewissen bestimmten Person aufgetragen; oder ist dem
Machtgeber sonst bekannt, mit wem der Bevollmächtigte sich in Unterhandlungen
darüber eingelassen habe; so ist der Machtgeber schuldig, wenn er die Vollmacht
widerruft, diesen Dritten davon zu benachrichtigen.
§. 168. Hat er dieses nicht gethan, so muß er die von dem
Bevollmächtigten auf den Grund der Vollmacht geschlossenen Verhandlungen wider
sich gelten lassen; wenn auch der Abschluß derselben erst nach dem Widerrufe,
welcher aber dem Dritten nicht bekannt geworden, erfolgt wäre.
§. 169. Ist dem Machtgeber daraus Schaden entstanden, so muß
er sich deswegen an den Bevollmächtigten halten.
§. 170. Außer diesem Falle (§. 167.) und wenn dem Machtgeber
nicht bekannt ist, mit wem der Bevollmächtigte in Verhandlungen über das
Geschäft sich eingelassen habe, sind die Unternehmungen des letztern, deren er
sich nach erhaltenem Widerrufe anmaaßt, für den Machtgeber unverbindlich.
§. 171. Hat der Bevollmächtigte dergleichen Verhandlungen,
unter Verschweigung des erhaltenen Widerrufs, mit einem Dritten abgeschlossen,
so muß dieser, wegen des aus der Ungültigkeit des Geschäfts erwachsenden
Schadens, an den Bevollmächtigten sich halten.
§. 172. Der Bevollmächtigte, welcher die ihm übertragene
Vollmacht aufkündigt, ist schuldig, die angefangenen Geschäfte entweder selbst,
oder durch seinen Substituten (§. 38. sqq.) so lange fortzusetzen, bis der
Machtgeber dazu andere Vorkehrungen treffen kann.
§. 173. Dagegen ist aber auch der Machtgeber zu Treffung
solcher Vorkehrungen, sobald die Aufkündigung zu seiner Wissenschaft gelangt
ist, ohne Zeitverlust verbunden.
§. 174. Von dem Zeitpunkte an, wo der Machtgeber, auch nur
aus mäßigem Versehen, eine Saumseligkeit in Treffung anderweitiger Vorkehrungen
begangen hat, kann er von dem gewesenen Bevollmächtigten, welcher das Geschäft
nicht weiter fortgesetzt hat, keine Vertretung mehr fordern.
§. 175. Hat der Bevollmächtigte nach diesem Zeitpunkte das
Geschäft, selbst, oder durch seinen Substituten, weiter fortgesetzt, ohne seine
geschehene Aufkündigung ausdrücklich zurückzunehmen: so ist die Sache nach den
Vorschriften des folgenden Abschnitts zu beurtheilen.
§. 176. Hat der Auftrag ein gerichtliches Geschäft
betroffen, so muß der Bevollmächtigte, welcher denselben aufkündigt, zu
gleicher Zeit dem Richter davon Anzeige machen.
§. 177. Der Richter muß alsdann, mit Rücksicht auf die
obwaltenden Umstände, eine Zeit bestimmen, während welcher der gewesene
Bevollmächtigte das Geschäft noch fortzusetzen schuldig seyn soll, und den
Machtgeber davon benachrichtigen.
§. 178. Läßt dieser den bestimmten Zeitraum ohne Vorkehrung
anderweitiger Anstalten verstreichen; so findet die Vorschrift des §. 174.
wider ihn Anwendung.
§. 179. In außergerichtlichen Angelegenheiten steht dem
Bevollmächtigten frey, die Aufkündigung ebenfalls gerichtlich zu thun, und sie
dem Machtgeber, jedoch auf seine eigne Kosten, gerichtlich bekannt machen zu
lassen.
§. 180. Ist dem Machtgeber dabey nach dem angefangenen
Geschäfte in der Zwischenzeit, bis von dem Machtgeber anderweitige Vorkehrungen
getroffen werden können, soweit fortsetzen, als es zur Abwendung eines sonst
unvermeidlichen Schadens nothwendig ist.
§. 188. Zu letzterem ist der Bevollmächtigte selbst
verpflichtet, wenn durch den Tod des Machtgebers sein Auftrag gehoben worden.
§. 189. Wenn der Machtgeber, oder dessen Erben, in
Vorkehrung anderweitiger Anstalten sich einer Saumseligkeit schuldig machen, so
finden die Vor schriften §. 174. Anwendung.
§. 190. Die Regel, daß durch den Tod des Machtgebers der
Vollmachtsvertrag aufgehoben werde, leidet eine Ausnahme, wenn das Geschäft von
der Natur ist, daß es erst nach dem Tode des Machtgebers ausgeführt werden
kann.
§. 191. Bey kaufmännischen Geschäften waltet die Vermuthung
ob: daß der, welchem sie anvertraut worden, dieselben auch nach dem Tode des
Machtgebers fortsetzen solle.
§. 192. Auch in Prozeßangelegenheiten wird die Vollmacht
durch den Tod des Machtgebers nicht aufgehoben.
§. 193. Eben so wenig wird durch den Tod des
Bevollmächtigten eine Substitution entkräftet, die von dem Machtgeber selbst,
oder von dem Hauptbevollmächtigten, vermöge der ihm dazu ausdrücklich
ertheilten Befugniß, geschehen ist.
§. 194. In allen Fällen, wo nach aufgehobener Hauptvollmacht
die Substitution fortdauert, ist der Substitut befugt und schuldig, das
Geschäft als Hauptbevollmächtigter so lange fortzusetzen, bis der Machtgeber
anderweitige Verfügungen getroffen hat.
§. 195. Aufträge, welche jemanden von Amts wegen ertheilt
worden, behalten auch nach dem Tode des Machtgebers ihre Kraft.
3) Durch
eingetretne Unfähigkeit.
§. 196. Was wegen Aufhebung des Vertrags durch den Tod des
einen oder andern Contrahenten verordnet ist, gilt auch in dem Falle, wenn
einer derselben seinen eignen Geschäften vorzustehen unfähig wird.
4) Durch
entstandnen Concurs.
§. 197. Sobald ein Kaufmann in Concurs verfällt oder nicht
mehr zahlen zu können öffentlich erklärt; sind die ihm gegebenen Aufträge für
widerrufen zu achten.
§. 198. Die gerichtlich bestellten Curatores seiner Masse
müssen dem Committenten davon unverzüglich Nachricht geben, und bis dieser
weitere Verfügungen treffen kann, das Geschäft nur so weit besorgen, als zur
Abwendung eines sonst unvermeidlichen Schadens nothwendig ist.
§. 199. Verfällt der Machtgeber in Concurs, so muß der
Bevollmächtigte das Geschäft, so weit es ohne offenbaren Nachtheil der Masse
möglich ist, so lange in Anstand lassen, bis er von den Curatoren weitere
Anweisung erhält.
§. 200. Ein Geschäft, welches mit einem Dritten
abgeschlossen worden, ehe derselbe von dem Tode oder von der eingetretenen
Unfähigkeit des Machtgebers Wissenschaft erlangt hat, bleibt gültig, wenn auch
der Bevollmächtigte selbst davon bereits unterrichtet gewesen wäre.
Von mehrern Bevollmächtigten.
§. 201. Wenn mehrere Bevollmächtigte Ein Geschäft
gemeinschaftlich übernommen haben: so wird ein jeder derselben dem Machtgeber,
zur Vollziehung, auf das Ganze verpflichtet.
§. 202. Ist aber der Auftrag von der Art, daß jeder der
Uebernehmer nach seinem Gewerbe nur einen bestimmten Theil des Geschäfts
ausrichten kann: so wird nicht vermuthet, daß sie sich gemeinschaftlich zur
Ausführung des Ganzen haben verpflichten wollen.
§. 203. Hat einer von mehrern Bevollmächtigten den Auftrag
allein gehörig ausgerichtet: so befreyt er auch die übrigen von der
übernommenen Verbindlichkeit.
§. 204. Von seinen Mitgenossen, deren Geschäfte
solchergestalt von ihm nützlich besorgt worden, ist er Vergütung des gemachten
Aufwandes zu fordern berechtigt.
§. 205. Der, durch dessen Schuld bey dem Geschäfte ein
Schade entstanden ist, muß seinen Mitgenossen, so weit diese dem Machtgeber
dafür haften müssen, gerecht werden.
§. 206. Die Handlungen Eines von mehrern zu Einem Geschäfte
bestellten Bevollmächtigten sind allemal gültig: wenn es darauf ankommt, dem
Machtgeber Rechte und Vortheile zu erwerben.
§. 207. Dagegen wird der Machtgeber durch einseitige
Handlungen eines der mehrern Bevollmächtigten wider seinen Willen nicht verpflichtet.
§. 208. Es wäre denn, nach dem Inhalte der Vollmacht, die
Absicht des Machtgebers gewesen, die Ausrichtung des Geschäfts den mehrern
Bevollmächtigten entweder zugleich, oder auch jedem von ihnen allein (sammt
oder sonders) zu übertragen.
§. 209. In dem Falle des §. 202. verpflichtet jeder der
mehrern Bevollmächtigten, für sich allein, den Machtgeber in dem ihm
aufgetragenen Theile des Geschäfts.
Von mehrern Machtgebern.
§. 210. Der Bevollmächtigte, welcher von mehrern zugleich
einen Auftrag erhalten hat, ist denselben auch nur gemeinschaftlich Rede und
Antwort zu geben schuldig. (Tit. V. §. 450 bis 453.)
§. 211. Die mehrern Machtgeber sind, in Ansehung ihrer
Verpflichtung gegen den Bevollmächtigten, als Mitschuldner anzusehen. (Tit. V.
§. 424. sqq.)
§. 212. Erhält er von den mehrern Machtgebern zur
Fortsetzung des Geschäfts widersprechende Anweisungen : so muß er in
untheilbaren Sachen diejenigen befolgen, welche sämmtlichen Interessenten am
wenigsten nachtheilig sind.
§. 213. Doch bleibt der Bevollmächtigte ausser
Verantwortung, wenn er, im zweifelhaften Falle, diejenige Anweisung befolgt,
nach welcher die Sache in dem bisherigen Stande erhalten wird.
§. 214. Die Aufkündigung der Vollmacht muß von dem
Bevollmächtigten an sämmtliche Machtgeber geschehen.
§. 215. Der Widerruf Eines Machtgebers hebt so wenig, als
der Tod desselben, die Vollmacht auf.
§. 216. Welche Wirkung es unter den Machtgebern selbst habe,
wenn einer von ihnen stirbt, oder die Vollmacht widerrufen will, ist nach den
Regeln vom gemeinsamen Eigenthume zu beurtheilen. (Tit. XVII.)
Vom Rathe und von der Empfehlung.
§. 217. Ein einem Andern in desselben eignen Angelegenheiten
ertheilter Auftrag ist nur für einen Rath oder für eine Empfehlung zu achten.
§. 218. In der Regel wird nur der, welcher wissentlich einen
nachtheiligen Rath oder eine schädliche Empfehlung ertheilt, für den widrigen
Erfolg verantwortlich.
§. 219. Ein Sachverständiger aber haftet, wenn er in
Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft Rath ertheilt, für ein grobes Versehen.
§. 220. Aber auch ein mäßiges Versehen muß er vertreten,
wenn er seinen Rath gegen Bezahlung oder Belohnung ertheilt hat.
§. 221. Der, welcher kein Sachverständiger ist, haftet bey
einem, in andern Angelegenheiten, gegen Bezahlung oder Belohnung ertheilten
Rath, ebenfalls für ein mäßiges Versehen.
§. 222. Welche Empfehlungen die Wirkung einer Bürgschaft
nach sich ziehen, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. XIV. Sect. III.)
§. 223. Eben so ist wegen der kaufmännischen Empfehlungen
das Nähere im Kaufmannsrechte vorgeschrieben. (Th. II. Tit. VIII. Sect. VII.)
Vom Befehle.
§. 224. Aufträge, welchen jemand auf den Befehl dessen, dem
er zu gehorchen schuldig ist, in den Pri vatangelegenheiten desselben sich
unterzieht, werden zwar in der Regel nach den Gesetzen von Vollmachtsaufträgen
beurtheilt;
§. 225. Es muß daher auch der Untergebene, welcher im Namen
seines Vorgesetzten ein Geschäft mit einem Dritten verhandeln will, sich dazu
durch einen schriftlichen Befehl des Vorgesetzten legitimiren.
§. 226. Eines solchen schriftlichen Befehls aber bedarf es
nicht, wenn das Geschäft zu denjenigen Obliegenheiten gehört, zu welchen der
Untergebene dem Vorgesetzten vermöge ihres in den Gesetzen bestimmten
Verhältnisses, verpflichtet ist.
§. 227. Nähere Vorschriften wegen der Befehle zu unerlaubten
Handlungen sind in Sechsten Titel §. 45-49. enthalten.
Zweyter Abschnitt
Von Uebernehmung fremder Geschäfte ohne vorhergegangnen
Auftrag
Grundsätze.
§. 228. In der Regel ist niemand befugt, sich in die
Geschäfte eines Andern ohne dessen Auftrag oder ein andres besondres durch
ausdrückliche Gesetze ihm beygelegtes Recht zu mischen.
§. 229. Wer dieses thut, macht sich sowohl dem Eigenthümer,
als dem Dritten, welcher sich mit ihm eingelassen hat, verantwortlich.
§. 230. Doch darf sich niemand die Vortheile fremder Sachen
oder Handlungen ohne besonderes Recht zueignen, und sich also mit dem Schaden
des Andern bereichern.
Rechte desjenigen, der die Geschäfte eines Andern ohne
desselben Auftrag nützlich besorgt.
§. 231. Wer also aus dem ohne Vollmacht von einem Andern
besorgten Geschäfte einen wirklichen Vortheil genießt, muß den Andern, so weit
als dieser Vortheil hinreicht, schadlos halten.
§. 232. Für bereichert wird derjenige geachtet, dessen
Vermögen durch den Aufwand eines Andern, oder durch Handlungen, wofür derselbe
bezahlt zu werden pflegt, erhalten, vermehrt oder verbessert worden.
§. 233. Wenn der Andere durch solche Handlungen nur das,
wozu er ohnehin verpflichtet war, geleistet hat: so wird der, zu dessen Nutzen
die Verwendung geschehen ist, dadurch noch nicht für bereichert angesehn.
Wenn die Besorgung zur Abwendung eines bevorstehen den
Schadens geschehen ist.
§. 234. Wer die Geschäfte eines Andern zur Abwendung eines
nach vernünftigen und wahrscheinlichen Gründen bevorstehenden Schadens besorgt,
ist berechtigt, zu erwarten, daß der Eigenthümer solches genehmigen werde.
§. 235. Auch wenn die Genehmigung nicht erfolgt, haftet
dennoch der Eigenthümer für die zur Verhütung des Schadens nützlich
aufgewendeten Kosten.
§. 236. Dies findet selbst alsdann statt, wenn die Sache
nachher, ohne Schuld des Besorgers, dennoch verloren gegangen ist.
§. 237. Ein solcher Uebernehmer fremder Geschäfte, welcher
sie bloß zur Abwendung eines bevorstehenden Schadens besorgt, haftet dabey nur
für ein grobes Versehen.
Wenn sie zur Beförderung eines Vortheils geschieht.
§. 238. Wer aber die Geschäfte eines Andern, bloß um dessen
Vortheil zu befördern, ohne Auftrag übernimmt, muß sich um die Genehmigung
desselben bewerben.
§. 239. Erfolgt diese Genehmigung ausdrücklich und ohne
Einschränkung: so entstehen zwischen beyden eben die Rechte und Pflichten, wie
zwischen einem Machtgeber und Bevollmächtigten.
§. 240. So weit der, dessen Geschäft besorgt worden, die
Genehmigung versagt, muß er sich auch des aus der Besorgung entstandenen
Vortheils begeben.
§. 241. Hat er sich den Vortheil einmal zugeeignet;
ungeachtet er weiß, daß derselbe aus der ohne seinen Auftrag geschehenen
Besorgung entstanden sey: so muß er dem Besorger, jedoch nur so weit, als der
Vortheil hinreicht, wegen Schadens und Kosten gerecht werden.
§. 242. Entschlägt sich der, dessen Geschäfte ohne seinen
Auftrag besorgt worden, des Vortheils: so muß der Besorger die Sache auf seine
Kosten wieder in den vorigen Stand setzen, und den Eigenthümer entschädigen.
§. 243. Kann die Sache nicht mehr in den vorigen Stand
gesetzt werden, und wird der Nachtheil von dem Vortheile, welcher dem Eigenthümer
durch die Besorgung des Geschäfts zuwächst, offenbar überwogen: so muß der
Eigenthümer sich beydes zugleich gefallen lassen.
§. 244. Ist aber das Uebergewicht des Vortheils nicht klar:
so kann der Eigenthümer verlangen, daß der Besorger das ganze Geschäft für
eigne Rechnung übernehme, und ihn deshalb entschädige.
§. 245. Wer sich fremder Geschäfte nur in der Absicht,, den
Vortheil des Eigenthümers dadurch zu befördern, ohne Auftrag unterzieht, muß
dabey schon ein geringes Versehen vertreten.
§. 246. In obigen Vorschriften macht es keinen Unterschied:
ob derjenige, dessen Geschäft ohne seinen Auftrag besorgt worden, abwesend oder
gegenwärtig gewesen ist.
§. 247. War demjenigen, dessen Geschäfte ohne seinen Auftrag
besorgt wurden, solches schon vor oder während der Besorgung bekannt; und hat
er dieser Besorgung vor Vollendung des Geschäfts, so gleich nach erlangter
Wissenschaft, nicht wider sprochen, so muß er das Geschäft selbst genehmigen.
§. 248. Doch haftet er dem Besorger nur so weit, als sein Vortheil
wirklich befördert worden.
Von Besorgung der Geschäfte eines Andern gegen dessen
Willen.
§. 249. Wer die Geschäfte des Andern gegen dessen
ausdrückliches Verbot übernommen hat; der kränkt die Rechte des Andern; und muß
allen auch nur zufälligen Schaden, in so fern derselbe, ohne seine Einmischung,
nicht entstanden seyn würde, vergüten.
§. 250. Auch haftet er dem Eigenthümer für den Gewinn,
welcher diesem durch seine eigenmächtige Einmischung in das Geschäft entgangen
ist.
§. 251. Will aber der Eigenthümer den Vortheil, welcher aus
dem gegen sein Verbot besorgten Geschäfte entstanden ist, sich zueignen: so
findet auch in diesem Falle die Vorschrift §. 241. Anwendung.
§. 252. In allen Fällen, wo jemand weiß, daß der abwesende
oder sonst verhinderte Eigenthümer die Besorgung seiner Geschäfte einem Andern
übertragen habe; und er einen solchen Bevollmächtigten an der Ausrichtung
dieses Auftrags durch seine Einmischung verhindert; macht er sich nicht bloß
für den wirklichen Schaden, sondern auch für den entgangenen Gewinn
verantwortlich.
Auseinandersetzung zwischen dem Besorger und dem
Eigenthümer.
§. 253. Wer nach obigen Grundsätzen, wegen der Einmischung
in fremde Geschäfte, einem Andern zur Schadloshaltung verhaftet wird, ist
allemal befugt, den demselben verschaften Vortheil in Gegenrechnung zu bringen.
§. 254. Wer, nach eben diesen Grundsätzen, für die ohne
Auftrag übernommene Besorgung fremder Geschäfte Vergütung zu fordern berechtigt
ist, muß sich darauf den Vortheil, der ihm selbst durch eben diese Besorgung
entstanden ist, abrechnen lassen.
§. 255. Die auf ein solches Geschäft verwendeten Kosten
werden unter beyde Interessenten, nach Verhältniß des einem jeden daraus
erwachsenen Nutzens, vertheilt.
§. 256. Jeder, welcher fremde Geschäfte besorgt hat, muß von
seinen Handlungen, Einnahmen, und Ausgaben, genaue Rechenschaft ablegen.
Wie lange die Verbindlichkeit des Besorgers daure.
§. 257. Wer einmal ein fremdes Geschäft ohne Vorwissen des
Eigenthümers übernommen hat, muß dasselbe bis zur gänzlichen Vollendung
fortsetzen: wenn nicht der Eigenthümer, auf erhaltene Nachricht, andere
Verfügungen zu treffen für gut findet.
Von gemeinschaftlicher Besorgung fremder und eigner
Geschäfte zugleich.
§. 258. Wer fremde Geschäfte nur zugleich mit seinen eignen,
und nur bey Gelegenheit der letztern besorgt hat, wird dennoch, in Ansehung des
fremden Geschäfts, nach vorstehenden Grundsätzen beurtheilt.
§. 259. Wenn aber das fremde Geschäft mit dem eignen in
einer solchen Verbindung stand, daß eines ohne das andere nicht besorgt werden
konnte: so muß das Verhältniß zwischen dem Besorger, und dem Eigenthümer, nach
den Regeln einer ohne Vertrag entstandenen Gesellschaft bestimmt werden. (Tit.
XVII. Sect. I.)
§. 260. Aber auch in diesem Falle haftet derjenige, dessen
Geschäfte besorgt worden, nicht weiter, als der dadurch ihm zugewachsene
Vortheil reicht.
§. 261. Ein Irrthum des Handelnden in der Person dessen, für
welchen er ein Geschäft übernommen zu haben glaubt, ändert nichts in Beziehung
auf das Geschäft selbst, und dessen rechtliche Folgen.
Dritter Abschnitt Von nützlichen Verwendungen
Grundsätze.
§. 262. Derjenige, aus dessen Vermögen etwas in den Nutzen
eines Andern verwendet worden, ist dasselbe entweder in Natur zurück, oder für
den Werth Vergütung zu fordern berechtigt.
§. 263. Ist die gegebene Sache in dem Vermögen des Andern
noch wirklich vorhanden, so muß der Geber sich mit dem Zurückempfange
derselben, so wie sie ist, begnügen.
§. 264. Ist die Sache nicht mehr vorhanden, so haftet der
Andere für den Werth nur so weit, als der selbe in seinen Nutzen wirklich
verwendet ist.
Was nützliche Verwendungen sind.
§. 265. Was jemand, der über sein Vermögen frey verfügen
kann, an Gelde oder Geldes Werth übernommen hat, ist, ohne fernern Beweis, für
nützlich verwendet zu achten.
§. 266. Kann aber erwiesen werden, daß das Uebernommene
durch einen Zufall verloren gegangen, ehe der Uebernehmer davon wirklich Nutzen
gezogen hat: so ist keine Verbindlichkeit zum Ersatze aus der bloßen
Uebernehmung vorhanden.
§. 267. Hat der, in dessen Nutzen etwas verwendet seyn soll,
die Sache nicht selbst übernommen; oder ist er ein solcher, den die Gesetze in
der Fähigkeit, über sein Vermögen zu verfügen, einschränken: so muß, wenn für
die nicht mehr vorhandene Sache Ersatz gefordert wird, die wirklich geschehene
Verwendung nachgewiesen werden.
§. 268. Das, womit nöthige oder nützliche Ausgaben für einen
Andern bestritten werden, ist für verwendet in den Nutzen desselben zu achten.
§. 269. Ausgaben, zu welchen jemand durch die Gesetze
verpflichtet wird, sind nothwendig.
§. 270. Eben dafür sind diejenigen, welche nicht ohne Gefahr
eines größern Uebels vermieden werden konnten, zu achten.
§. 271. Doch sind Ausgaben der letztern Art, wenn sie für
einen Unfähigen gemacht worden, nur alsdann für eine nützliche Verwendung zu
halten, wenn die Gefahr so dringend war, daß der Unfähige nicht Zeit genug
hatte, den zu dem Geschäfte sonst erforderlichen Consens derjenigen, unter
deren Aufsicht er steht, einzuholen.
§. 272. Was den Werth einer Sache, oder sonst die
Vermögensumstände eines Menschen wirklich verbessert, ist demselben nützlich.
Rechte, die aus der nützlichen Verwendung entsteht.
§. 273. In der Regel ist es hinreichend, die Verbindlichkeit
zum Ersatze zu begründen, daß die Verbesserung durch die geschehene Verwendung
einmal bewerkstelligt worden; wenn sie gleich in der Folge wieder verloren
gegangen ist.
§. 274. Ein Unfähiger aber kann zum Ersatze nur in so fern
angehalten werden, als er sich, zur Zeit des gerügten Anspruchs, noch im
Besitze des durch die Verwendung bewirkten Vortheils befindet.
§. 275. Ist die verbesserte Sache, nach der Verwendung, in
das Eigenthum eines Dritten durch einen lästigen Vertrag übergegangen: so ist
dieser demjenigen, aus dessen Vermögen die Verwendung geschehen war, nicht
verhaftet.
§. 276. Hat aber der Dritte das Eigenthum der Sache
unentgeltlich überkommen: so haftet er für die Verwendung so weit, als damals
der dadurch bewerkstelligte Vortheil noch wirklich vorhanden war.
§. 277. Alles, was vorstehend von nützlichen Verwendungen
verordnet ist, gilt nur in dem Falle, wenn kein rechtlicher Vertrag unter den
Parteyen vorhanden ist.
§. 278. Was bey einem in der Form mangelhaften Vertrage
Rechtens sey, ist im Fünften Titel bestimmt. (Tit. V. §. 156. sqq.)
§. 279. Wer aus dem Vermögen des Andern etwas an Gelde oder
Geldes Werth durch Betrug an sich gebracht hat, ist jederzeit zur vollständigen
Schadloshaltung verbunden. (Tit. VI.)
§. 280. Was in der deutlich erklärten, oder nach Vorschrift
der Gesetze zu vermuthenden Absicht, wohlthätig oder freygebig zu seyn,
jemanden gegeben oder geleistet worden; kann unter dem Vorwande der geschehenen
Bereicherung desselben nicht zurück, noch Ersatz oder Vergütung dafür gefordert
werden. (Tit. XI. Sect. IX.)
Vierzehnter Titel
Von Erhaltung des Eigenthums und der Rechte
§. 1. Das Eigenthum der Sachen und Rechte wird durch den
Besitz derselben, und durch alle die Mittel erhalten, welche die Gesetze zur
Erhaltung der Besitzrechte an die Hand geben. (Tit. VII. §. 137. sqq.)
§. 2. Auch dadurch, daß ein Anderer die Sache im Namen des
Eigentümers in seiner Gewahrsam hat, wird für letztern das Eigenthum derselben
erhalten. (Abschn. I. II.)
§. 3. Die Rechte eines solchen Inhabers, der im Namen eines
Andern besitzt, gegen einen Dritten, sind nach den Vorschriften der Gesetze
(Tit. VII. 1. c.) und gegen den Eigenthümer hauptsächlich nach dem unter ihnen
obwaltenden Vertrage zu bestimmen.
§. 4. Auch gegen künftige Beeinträchtigungen hat der
Eigenthümer sich des Schutzes der Gesetze, durch die darin zu deren Abwendung
angegebenen Mittel, zu erfreuen. (Abschn. III. IV. V.)
§. 5. Derjenige, welchem der künftige Anfall einer Sache
oder eines Rechts durch Gesetze oder Willenserklärungen versichert ist, hat zur
Erhaltung dieses seines Anfallsrechtes eben die Mittel, welche die Gesetze
einem jeden Eigenthümer an die Hand geben.
§. 6. Die Erhaltung des Eigenthums der Sache selbst aber,
muß er in der Regel dem zeitigen Eigenthümer überlassen.
§. 7. Wenn jedoch dieser die gesetzmäßigen Mittel selbst
vorzukehren verhindert wird, oder sie vernachläßigt: so ist der
Anfallsberechtigte zu deren Anwendung in so weit befugt, als es nöthig ist, um
eine Vereitelung oder Verdunkelung des ihm versicherten Anfalls abzuwenden.
§. 8. Nähere Bestimmungen hierüber sind bey den
verschiedenen Arten der Anfallsrechte festgesetzt.
Erster Abschnitt Vom Verwahmngsvertrage
Begriff.
§. 9. Wenn eine Sache jemanden unter der Verbindlichkeit
übergeben worden, daß er sie aufbehalten, und künftig zurückgeben solle, so ist
unter den Parteyen ein Verwahrungsvertrag vorhanden.
Form.
§. 10. Zur Gültigkeit dieses Geschäfts bedarf es keines
schriftlichen Contrakts, sondern es sind auch andere Beweismittel von dem, was
vorgegangen ist, hinreichend.
Pflichten des Verwahrers bey der Aufbewahrung.
§. 11. In allen Fällen ist der Uebernehmer nur verpflichtet,
die ihm anvertraute Sache mit eben dem Fleiße zu verwahren, als er bey seinen
eigenen Sachen von gleicher Art zu thun pflegt.
§. 12. Kann hiernach der Grad seiner Verantwortlichkeit
nicht abgemessen werden; und ist die Art der Verwahrung seinem Gutfinden
lediglich überlassen worden: so haftet er nur für ein grobes Versehen.
§. 13. Ein Gleiches findet statt, wenn die Art, wie die
Verwahrung geschehen solle, im Vertrage oder sonst, von dem Niederleger selbst
bestimmt war, und der Verwahrer darin keine eigenmächtige Veränderung
vorgenommen hat.
§. 14. Hat er aber dergleichen Veränderung eigenmächtig und
ohne Noth vorgenommen, so haftet er für allen daraus entstandenen Schaden.
§. 15. In jedem Nothfalle ist der Verwahrer Ort und Art der
Verwahrung, wenn sie gleich im Vertrage bestimmt sind, zu verändern nicht nur
befugt, sondern auch verpflichtet.
§. 16. Doch muß er dem Niederleger, in so fern dessen
Aufenthalt ihm bekannt ist, von einer solchen Veränderung ohne Zeitverlust
Nachricht geben, und dessen weitere Verfügung abwarten.
§. 17. In allen Fällen, wo die Verwahrung gegen Entgelt
übernommen worden, muß der Verwahrer für ein mäßiges Versehen haften.
§. 18. Ein Gleiches findet statt, wenn sich jemand zur
Verwahrung einer Sache aus eigner Bewegung, ohne Noth, und ohne alle
vorhergegangene Aufforderung des Niederlegers, angeboten hat.
§. 19. Hat jemand eine Sache unter dem Vorwande, sie zu
verwahren, unredlicher Weise in Besitz genommen, so haftet er auch wegen
zufälligen Verlustes und Schadens, gleich jedem unredlichen Besitzer. (Tit.
VII. §. 240. 241. 242.)
§. 20. Der Verwahrer ist, bey entstehender Gefahr des
Verlustes, seine eigne Sache der ihm anvertraueten vorzuziehen berechtigt.
§. 21. Hat er aber zur Rettung der fremden Sache seine eigne
aufgeopfert, oder einer Beschädigung ausgesetzt, so kann er dafür Ersatz oder
Vergütung fordern.
§. 22. War der Schaden, welcher aus dem Verluste der
geretteten Sache entstanden seyn würde, unwiederbringlich; dergestalt, daß die
Sache ganz verloren gegangen, oder unbrauchbar geworden seyn würde: so kann der
Verwahrer bis auf den ganzen Werth dieser Sache Vergütung verlangen.
§. 23. Konnte aber der durch die Rettung verhütete Schade
durch Verwendung minderer Kosten wiederhergestellt werden: so dienen nur diese
Kosten zum Maaßstabe der dem Verwahrer zu leistenden Ver gütung.
Pflichten des Verwahrers bey der Zurücklieferung.
§. 24. Ohne Einwilligung des Niederlegers, oder ohne
richterlichen Befehl, darf der Verwahrer die ihm anvertrauete Sache keinem
Andern ausantworten.
§. 25. Thut er es dennoch, so haftet er für die Sache und
deren Werth so lange, bis der Niederleger sein Verfahren ausdrücklich oder
stillschweigend gebilligt hat.
§. 26. Ist jemanden eine Sache versiegelt oder verschlossen
zur Verwahrung übergeben worden: so muß er sie in eben dem Zustande
zurückliefern.
§. 27. Wird bey der Zurückgabe das Schloß oder Siegel unverletzt
gefunden: so haftet der Verwahrer für den Inhalt des Behältnisses und die darin
befindlichen Stücke nur alsdann, wenn er des Betrugs oder eines groben
Versehens überführt wird.
§. 28. Ist aber das Schloß oder Siegel eröffnet oder
verletzt, so hat der Verwahrer die Vermuthung, daß die Oeffnung oder Verletzung
durch sein Zuthun geschehen sey, wider sich.
§. 29. Er bleibt also für allen an der Sache erweislich
entstandenen Schaden oder Verlust verantwortlich.
§. 30. Hat er die verschlossen oder versiegelt
niedergelegten Sachen nach einem Verzeichnisse übernommen: so kann der
Niederleger, in Ansehung des Werths der fehlenden Sachen, bey Ermangelung
anderer Beweismittel, zur eidlichen Bestärkung zugelassen werden.
§. 31. Hat der Niederleger dem Verwahrer die Beschaffenheit
der in dem versiegelten oder verschlossenen Behältnisse befindlichen Sachen,
bey der Niederlegung, auch nur überhaupt angezeigt, so ist, wenn die Wahrheit
auf andere Art nicht ausgemittelt werden kann, der Eid des Niederlegers auch über
die Anzahl dieser Stücke zuläßig.
§. 32. Doch muß alsdann der Niederleger wenigstens so viel
bescheinigen, daß er um die Zeit der geschehenen Niederlegung Sachen von dieser
Art wirklich besessen habe; und es muß nach seinem Stande, Gewerbe oder
Vermögen, und nach den übrigen ausgemittelten Umständen wahrscheinlich seyn,
daß er die angegebene Quantität solcher Sachen, besessen haben könne.
§. 33. Obige gegen den Verwahrer streitende Vermuthung (§.
28.) fällt weg, wenn der Verwahrer einen Zufall, durch welchen das Schloß oder
Siegel verletzt worden, oder doch Umstände, unter welchen dergleichen
Verletzungen, ohne sein Zuthun, wahrscheinlich haben erfolgen können,
nachweiset.
§. 34. Doch muß der Verwahrer, welcher sich mit dieser
Einrede schützen will, dergleichen Vorfall dem gegenwärtigen Niederleger, oder
in dessen Abwesenheit den Gerichten, sofort anzeigen.
§. 35. Ueberhaupt muß jeder Verwahrer, in dessen Besitz die
niedergelegte Sache beschädigt wird, oder verloren geht, dem Niederleger davon
längstens binnen drey Tagen, nach bemerktem Schaden, oder Verlust, Nachricht
geben; damit der Niederleger allenfalls auf rechtliche Untersuchung des
Hergangs der Sache, und der dabey vorkommenden Umstände, sofort antragen könne.
§. 36. Unterläßt er dieses, und beruft sich erst zur Zeit
der Rückforderung auf die Beschädigung oder den Verlust der Sache; so muß er
nachweisen, daß dieselben durch einen bloßen unabwendbaren Zufall, ohne ein
auch nur geringes Versehen von seiner Seite, entstanden sind.
§. 37. Er muß ferner diesen Nachweis vollständig führen, und
kann, zu dessen Ergänzung, zu einem nothwendigen Eide nicht gelassen werden.
§. 38. Ist zur Zeit des bemerkten Schadens oder Verlusts der
Aufenthalt des Niederlegers unbekannt, oder außerhalb der Königlichen Staaten,
so muß der Verwahrer die §. 35. vorgeschriebene Anzeige bey den Gerichten des
Orts thun.
§. 39. Diese müssen den Vorfall summarisch und so weit
untersuchen, als nöthig ist, die Verdunkelung der Wahrheit durch die Länge des
Zeitverlaufs zu verhüten.
§. 40. Bey der Ausmittelung des zu ersetzenden Werths der
verloren gegangenen Sache finden, nach dem Grade des Vorsatzes oder Versehens,
welchen der Verwahrer zu vertreten hat, die allgemeinen gesetzlichen
Vorschriften Anwendung.
§. 41. Die Sache muß dem Niederleger mit ihren Zuwüchsen,
und aus ihr selbst entstandenen Verbesserungen zurückgegeben werden.
§. 42. Dagegen hat der Verwahrer das Recht, die zur
Erhaltung der Sache verwendeten Kosten, in gleichen den Ersatz der ihm auch nur
durch ein geringes Versehen des Niederlegers verursachten Schäden zu fordern.
§. 43. Ist die Niederlegung wegen Feuers- ,Wassers-,
Krieges- oder einer andern dringenden Gefahr geschehen: so haftet der
Niederleger wegen der dem Verwahrer entstandenen Beschädigung, nur für ein
mäßiges Versehen.
§. 44. Verbesserungen vorzunehmen, ist der Verwahrer weder
schuldig, noch berechtigt.
§. 45. Hat er es gleichwohl gethan, so ist er nach den
Regeln des vorigen Titels (§. 238. sqq.) zu beurtheilen.
Wie lange die Pflicht zur Aufbewahrung daure.
§. 46. In der Regel muß der Empfänger die Sache so lange
verwahren, als im Vertrage bestimmt ist, oder es die bekannte Absicht des
Niederlegers erfordert.
§. 47. Wird aber der Verwahrer außer Stand gesetzt, die
Sache mit Sicherheit, oder ohne seinen eigenen Nachtheil, fernerhin zu
behalten: so kann er fordern, daß der Niederleger ihn davon befreye.
§. 48. Hat er die Verwahrung gegen Entgelt übernommen, so
ist er nur wegen solcher veränderter Umstände, die zur Zeit des geschlossenen
Vertrags vernünftiger Weise nicht vorausgesehen werden konnten, denselben
aufzukündigen berechtigt.
§. 49. Aber auch in diesem Falle muß der Verwahrer die
Kosten, welche dem Niederleger durch die zur anderweitigen Aufbewahrung der
Sachen nothwendigen Anstalten verursacht worden, auf die vorbedungene Belohnung
sich abrechnen lassen.
§. 50. Macht der Niederleger innerhalb der gesetzmäßigen
Fristen (Tit. V. §. 90. sqq.) zur Befreyung des Verwahrers von der Sache nicht
die nöthigen Anstalten: so hat letzterer das Recht, die Sache auf dessen Kosten
gerichtlich niederzulegen.
§. 51. Ein Gleiches findet statt, wenn der Aufenthalt des
Niederlegers unbekannt, oder außerhalb der Königlichen Lande befindlich ist.
§. 52. Ist die Sache von der Beschaffenheit, daß sie nicht
in das gerichtliche Depositum genommen werden kann, so ist der Verwahrer
dieselbe der gerichtlichen Aufsicht zu übergeben berechtigt.
§. 53. Der Richter muß sodann einen Aufseher auf Kosten des
Niederlegers bestellen; und die Sache ist fernerweit nach den Regeln von
gerichtlichen Sequestrationen zu beurtheilen. (§. 92. sqq.)
§. 54. Der Niederleger kann die bloß in Verwahrung gegebene
Sache von dem Uebernehmer zu allen Zeiten zurückfordern.
§. 55. Eine im Contrakte enthaltene Zeitbestimmung wird,
wenn nicht ein Anderes ausdrücklich verabredet ist, bloß zu Gunsten des
Niederlegers beygefügt zu seyn geachtet.
In wie fern Unfähige durch Verwahrungsverträge verpflichtet
werden.
§. 56. Auch derjenige, welcher sonst aus Verträgen nicht
belangt werden kann, ist dennoch die seiner Verwahrung anvertraute Sache
zurückzugeben rechtlich verpflichtet.
§. 57. Doch kann der Niederleger, wenn die Sache selbst
nicht mehr vorhanden ist, deren Werth von einem solchen Verwahrer nur so weit
zurückfordern als derselbe sich eines Betrugs schuldig gemacht hat, oder die
Sache wirklich in seinen Nutzen verwendet ist.
§. 58. Wenn wegen Feuers-, Wassers-, Kriegs- oder anderer
dringenden Gefahr einer auch sonst zum Contrahiren unfähigen Person etwas in
Verwahrung gegeben worden: so haftet auch sie für den Ersatz des Werths, wenn
sie die Sache selbst verzehrt, oder veräußert hat.
Von mehrern Verwahrern oder Erben.
§. 59. Ist die niedergelegte Sache Mehrern gemein schaftlich
anvertraut worden, so haften alle für einen, und einer für alle.
§. 60. Eine gleiche Verbindlichkeit findet auch bey mehrern
Erben des Verwahrers statt.
§. 61. Doch muß der Niederleger sich zuerst und
hauptsächlich an denjenigen Miterben halten, welcher die Sache aus dem
Nachlasse in seine Gewahrsam übernommen hat.
§. 62. Haben die Erben eine niedergelegte Sache in der
Meinung, daß sie zum Nachlasse gehöre, redlicher Weise veräußert: so darf
dennoch der Niederleger mit dem dafür gelöseten Kaufpreise sich nicht begnügen;
sondern es bleibt ihm der Nachweis, daß die Sache zur Zeit der Niederlegung
mehr werth gewesen sey, vorbehalten.
Von mehrern Niederlegern.
§. 63. Ist eine Sache von Mehrern gemeinschaftlich
niedergelegt worden; oder durch Erbgangsrecht an mehrere Erben gediehen: so muß
derjenige unter denselben, welcher sie zurückfordert, Vollmacht von den übrigen
beybringen.
§. 64. Hat aber der Verwahrer einen schriftlichen
Empfangschein an den Erblasser ausgestellt: so ist er befugt, die Sache an den
zurückzugeben, der sich nur überhaupt als Miterben legitimirt, und den
Empfangschein in Händen hat.
§. 65. Wenn auch die Sache theilbar wäre, so ist dennoch der
Verwahrer mit einzelnen Interessenten über die Rückgabe sich einzulassen nicht
schuldig.
§. 66. Doch kann jeder einzelne Interessent die gerichtliche
Niederlegung der ganzen Sache verlangen.
Rechte im Concurs.
§. 67. Die dem Niederleger in Ansehung der Sache selbst,
oder ihres Werths, in dem Vermögen des Verwahrers bey entstehenden Concurse
zukommenden Vorrechte, sind in der Concursordnung bestimmt.
Zurückhaltung.
§. 68. Bey erforderter Zurückgabe der Sache kommt es nicht
darauf an: ob der Niederleger wirklicher Eigenthümer, oder nur bloßer Inhaber
gewesen ist.
§. 69. Der Verwahrer kann also unter dem Vorwande, daß einem
Andern ein besseres Recht auf die Sache zustehe, dieselbe dem Niederleger nicht
vorent halten.
§. 70. Wenn jemand den Niederleger eines unredlichen
Besitzes der Sache beschuldigt, und ein gerichtliches Verbot der Verabfolgung
an den Niederleger ausbringt: so ist der Verwahrer verbunden, die Sache den
Gerichten zur Untersuchung und weitern Verfügung zu übergeben.
§. 71. Ein Gleiches findet statt, wenn dem Niederleger die
Verwaltung seines Vermögens gerichtlich benommen worden.
Folgen der widerrechtlichen Zurückhaltung.
§. 72. Wenn der Verwahrer die Rückgabe der Sache ohne
gesetzmäßige Ursache verzögert, so hat er von diesem Augenblicke an alle
Verbindlichkeiten eines unredlichen Besitzers, und haftet dem Niederleger
sowohl für entstandnen Schaden, als entgangenen Vortheil.
Ort der Rücklieferung.
§. 73. Die Sache muß in der Regel da, wo sie niedergelegt
worden, zurückgegeben und genommen werden.
§. 74. Ist eine nothwendige Veränderung des Orts erfolgt, so
kann der Niederleger die Sache da, wo sie alsdann befindlich ist, abzuholen
sich nicht entbrechen.
§. 75. Ein Gleiches findet statt, wenn der Verwahrer den Ort
seines Aufenthalts verändert, und die Sache, mehrerer Sicherheit wegen, unter
Beobachtung der Vorschrift §. 16. mit sich genommen hat.
Rechte des Verwahrers gegen den Niederleger wegen Bemühungen
und Kosten.
§. 76. So weit ein Bevollmächtigter für Auslagen und
Bemühungen Vergütung fordern kann, ist auch der Verwahrer dazu berechtigt.
§. 77. Wegen dieser Forderungen gebührt ihm auf die
niedergelegte Sache, unter den übrigen gesetzmäßigen Erfordernissen, das
Zurückbehaltungsrecht. (Tit. XX. Sect. II.)
§. 78. Dagegen kann er sich, wegen andrer Forderungen an den
Niederleger, dieses Rechts nicht bedienen.
§. 79. Hat er jedoch erst nach geschehener Niederlegung ein
auf die Sache ihm selbst zustehendes Eigenthumsrecht in Erfahrung gebracht; und
würde er daran, bey Zurückgebung der Sache an den Niederleger, Gefahr laufen:
so ist er befugt, wenn diese Angaben einigermaßen bescheinigt werden können,
die Sache in gerichtliche Verwahrung abzuliefern.
Vom erlaubten und unerlaubten Gebrauche in Verwahrung
gegebner Sachen.
§. 80. Der Verwahrer darf die ihm anvertrauete Sache weder
selbst nutzen, noch sie einem Andern zum Gebrauche verstatten.
§. 81. Doch ist unter dem verbotenen Gebrauche dasjenige
nicht zu verstehen, was zur Erhaltung der Substanz nothwendig geschehen muß.
§. 82. Auch verändert es die Natur des Contrakts noch nicht,
wenn der Niederleger dem Verwahrer, unter besondern Umständen, einen
unschädlichen Gebrauch der Sache ausdrücklich gestattet hat.
§. 83. Sobald aber der Verwahrer sich dieser Erlaubniß zu
bedienen anfängt, so geht das Geschäft, bey verbrauchbaren Sachen in einen
Darlehns-, und bey andern in einen Leih- oder Mietvertrag über.
§. 84. Wenn baare Gelder, geldgleiche Papiere, oder andre
verbrauchbare Sachen jemanden, welcher in der Befugnis Darlehnsverträge zu
schließen, durch die Gesetze eingeschränkt ist, mit der Erlaubniß, sich
derselben bedienen zu dürfen, anvertraut worden: so ist das Geschäft, wenn
gleich demselben der Name eines Verwahrungsvertrags beygelegt worden, dennoch,
sobald der Empfänger von dieser Erlaubniß Gebrauch macht, für ein zur
Vereitelung der Gesetze geschlossenes Darlehn zu achten.
§. 85. Wer die niedergelegte Sache ohne des Andern Willen
nutzt, muß allen davon gezognen Vortheil herausgeben, und selbst für den Zufall
haften, durch welchen die Sache, bey Gelegenheit des Gebrauchs, beschädigt oder
verloren worden.
§. 86. Hat der Verwahrer durch den Gebrauch die Gestalt der
Sache verändert, oder dieselbe verschlimmert: so kann der Niederleger, statt
der Entschädigung, die Sache dem Verwahrer überlassen, und dagegen den Ersatz
des höchsten Werths, welchen sie zur Zeit der Niederlegung oder der
Rückforderung gehabt hat, nach seiner Wahl verlangen.
§. 87. Hat der Verwahrer die bey ihm niedergelegten
Baarschaften, oder andre verbrauchbare Sachen, ohne Erlaubniß genutzt: so muß
er, von dem Zeitpunkte der Niederlegung an, die höchsten Zinsen, welche der
Niederleger nach seinem Stande fordern kann, entrichten.
§. 88. Uebrigens ist in einem solchen Falle der Verwahrer in
Ansehung der Münzsorten, und sonst, nach den Regeln des Darlehnsvertrages zu
beurtheilen.
§. 89. Wie derjenige zu bestrafen sey, welcher eine ihm
anvertrauete Sache veruntreuet oder mißbraucht, ist im Criminalrechte
vorgeschrieben. (Th. II. Tit. XX. Sect. XIV.)
Verwahrung unbeweglicher Sachen.
§. 90. In Fällen, wo eine unbewegliche Sache jemanden zur
Obhut anvertrauet worden, finden obige Gesetze gleichfalls Anwendung.
§. 91. Kann die Obhut ohne Verwaltung nicht stattfinden; so
wird die Sache nach den Regeln des folgenden Abschnitts beurtheilt.
Gerichtliche Verwahrung.
§. 92. Wenn das Eigenthum oder gewisse Rechte auf eine Sache
streitig sind; so kann dieselbe, bis zum Austrage des Streits, zur Sicherheit
des obsiegenden Theils, in gerichtliche Verwahrung genommen werden.
§. 93. Dies findet hauptsächlich statt, wenn selbst der
Besitz der Sache streitig ist, und der Richter, nach den Tit. VII. §. 155-160.
ertheilten Vorschriften, keine hinreichende Gründe findet, den Besitz, bis zum
Austrage der Sache, einem oder dem andern Theile einzuräumen.
§. 94. Ist aber ein Theil im unstreitigen Besitze; so kann
die streitige Sache wider seinen Willen nur alsdann in gerichtliche Verwahrung
genommen werden, wenn der Anspruch des andern wenigstens so weit, als es die
Gesetze zu einem Arrestschlage erfordern, bescheinigt ist, und wahrscheinliche
Gründe zur Besorgniß eines unwiederbringlichen Verlustes oder Schadens für ihn
vorhanden sind.
§. 95. Nähere Bestimmungen, wenn dergleichen gerichtliche
Verwahrung nothwendig und zuläßig sey, sind nach Unterschied der Fälle und
Geschäfte in den Gesetzen enthalten.
§. 96. Bewegliche Sachen müssen in der Regel im
gerichtlichen Deposito aufbewahrt werden.
§. 97. Die Pflichten und Rechte des Richters, wegen solcher
gerichtlich niedergelegten Sachen, sind in der Deposital-Ordnung bestimmt.
§. 98. Können dergleichen Sachen, ihrer Beschaffenheit nach,
im gerichtlichen Deposito nicht untergebracht werden, so muß der Richter
dieselben an einem dazu schicklichen und sichern Orte auf bewahren lassen.
§. 99. Dabey muß ein Aufseher bestellt werden, welcher Acht
darauf habe, daß die Sache nicht abhanden gebracht werde, und der für die
Pflege der Sache, so weit es zu deren Erhaltung nothwendig ist, sorge.
§. 100. Der Richter haftet in solchen Fällen (§. 98. 99.)
nur für ein mäßiges Versehen in der Auswahl des Verwahrungsorts, und des
Aufsehers, und letzterer muß, je nachdem er eine Belohnung erhält oder nicht,
ein mäßiges oder grobes Versehen vertreten.
§. 101. Ist die Sache, welche gerichtlich auf bewahrt werden
soll, der Gefahr des Verderbens unterworfen, so müssen die Interessenten wegen
der damit zu treffenden Anstalten vernommen werden.
§. 102. Können sich die Interessenten darüber nicht
vereinigen, so muß der Richter, nach dem Gutachten eines oder zweyer von ihm
zuzuziehenden Sachverständigen, durch ein Decret bestimmen: ob und wie die
Sache ferner aufbewahrt, oder ob sie öffentlich versteigert, und das Geld, bis
zum Austrage des Streits, in das Depositum genommen werden solle.
Von Sequestrationen.
§. 103. Sollen lebendige bewegliche Sachen in gerichtliche
Verwahrung genommen werden; so ist darüber ein Sequester zu bestellen.
§. 104. Auch bey unbeweglichen gerichtlich zu verwahrenden
Sachen findet die gerichtliche Sequestration statt.
§. 105. Die Pflichten eines gerichtlich bestellten
Sequesters sind nach den Vorschriften des folgenden Abschnitts zu beurtheilen.
§. 106. Der Richter haftet für ein mäßiges Versehen in der
Auswahl des Sequesters, und in der Aufsicht über denselben.
§. 107. Auch Personen, in Ansehung deren gewisse Rechte
streitig sind, können in gerichtliche Aufsicht genommen werden, wenn erhebliche
Gründe zur Besorgniß vorwalten, daß sie selbst, oder diejenigen, unter deren
Gewalt oder Aufsicht sie stehen, durch ihre Handlungen die Ansprüche des
Klägers vereiteln möchten.
§. 108. Die Rechte und Pflichten des über solche Personen
bestellten Aufsehers bestimmen sich nach dem Endzwecke, dergleichen Handlungen
zu verhüten.
Zweyter Abschnitt
Von Verwaltung fremder Sachen und Güter
Grundsatz.
§. 109. Der Verwalter fremder Güter ist, so weit es dabey
auf deren Erhaltung und Aufbewahrung ankommt, nach den Grundsätzen des vorigen
Abschnitts zu beurtheilen; so weit aber von ihm fremde Geschäfte besorgt
werden, als ein Bevollmächtigter anzusehen.
Allgemeine Obliegenheiten eines Verwalters.
§. 110. Er ist auf die Erhaltung und ordentliche
Administration der Sache, Abwendung alles drohenden Schadens, und möglichst
vortheilhafte Benutzung derselben, Bedacht zu nehmen verpflichtet.
§. 111. Ohne erhebliche Ursachen ist er von der bisherigen
Art des Betriebs des ihm aufgetragenen Geschäfts abzuweichen nicht befugt.
§. 112. Thut er dieses eigenmächtig, so wird er auch für ein
geringes Versehen verantwortlich.
§. 113. Zu Unternehmungen, die einen außerordentlichen und
ungewöhnlichen Aufwand erfordern, muß er die Billigung des Eigenthümers
abwarten.
§. 114. Erfordert die Notwendigkeit, oder der offenbare
Nutzen des Eigenthümers, eine Ausnahme von dieser Regel: so muß der Verwalter
seinem Prinzipale sogleich Anzeige davon machen, und sein Verfahren
rechtfertigen.
§. 115. Mißbilligt der Prinzipal den Aufwand, so finden, je
nachdem bloß von Abwendung eines Schadens, oder Verschärfung eines Vortheils
die Rede war, die Vorschriften der Gesetze, wegen Besorgung fremder Geschäfte
ohne Auftrag, Anwendung. (Tit. XIII. §. 234. sqq.)
Verantwortlichkeit des Verwalters.
§. 116. Der Verwalter wird verantwortlich, wenn er die ihm
anvertrauten Güter vernachläßigt, die ausbleibenden Einnahmen beyzutreiben
verabsäumt, oder die Administrationskosten auf eine unvortheilhafte Art
vermehrt.
§. 117. Auch haftet er für den Schaden aus verabsäumter
Entrichtung der auf der Sache haftenden Abgaben, und anderer die Sache
betreffenden gewöhnlichen, oder von dem Prinzipale ihm angewiesenen Ausgaben,
in so fern er zu deren Bestreitung hinlängliche Einnahmen gehabt hat.
Rechte und Pflichten des Verwalters bey den durch seine
Hände gehenden Geldern.
§. 118. Die in Händen habenden baaren Bestände darf der
Verwalter nicht für sich selbst gebrauchen, noch sonst in seinen Nutzen
verwenden, wenn es auch mit völliger Sicherheit des Prinzipals geschehen
könnte.
§. 119. Vielmehr muß er dieselben, so weit sie zu den §.
117. bemerkten Ausgaben nicht erforderücft sind, zur weitern Verfügung des
Prinzipals aufbewahren, und dabey alle Pflichten eines Verwahrers fremder
Sachen beobachten.
§. 120. Verwechselungen der Münzsorten kann er ohne
Genehmigung des Principals nur so weit vornehmen, als es zu den Ausgaben
nothwendig ist.
Wegen der Befugniß zu substituiren
§. 121. Der Verwalter ist seine Geschäfte einem Andern
eigenmächtig zu übertragen nicht befugt.
§. 122. Dagegen kann er sich bey Ausrichtung einzelner
Geschäfte fremder Hülfe bedienen. (Tit. XIII. §. 46. 47. 48.)
in gerichtlichen Angelegenheiten.
§. 123. Zu gerichtlichen Klagen und deren Beantwortung ist
der allgemeine Auftrag einer Verwaltung in der Regel nicht hinreichend.
§. 124. Davon sind die Fälle ausgenommen, wo die Gesetze
auch einen bloßen Inhaber zur Klage wegen entnommener oder gestörter Gewahrsam
zulassen. (Tit. VII. §. 141-154. §. 162. sqq.)
§. 125. In andern die Sache betreffenden
Rechtsangelegenheiten hat der Verwalter die Vermuthung der Vollmacht für sich.
(Tit. XIII. §. 119. sqq.)
Wegen Creditnehmens und Gebens.
§. 126. Baare Darlehne im Namen des Prinzipals aufzunehmen,
ist der Verwalter ohne dessen besondre Vollmacht nicht berechtigt.
§. 127. Credit für gelieferte Sachen oder Arbeiten kann
demselben nur so weit gegeben werden, als es im Laufe der von ihm betriebenen
Geschäfte gewöhnlich ist, oder ohne dergleichen Credit das Geschäft selbst
nicht gehörig betrieben werden kann.
§. 128. Nur unter gleichen Umständen ist der Verwalter
Andern Credit zu geben berechtigt.
Wegen andrer für den Principal geschloßnen Verträge.
§. 129. Wie weit übrigens der Verwalter durch seine Verträge
den Prinzipal einem Dritten verpflichte, ist nach den Grundsätzen von
Vollmachtsaufträgen zu beurtheilen.
§. 130. Sind diese Vorschriften beobachtet, so macht es
keinen Unterschied, wenn gleich der Verwalter den Vertrag auf seinen eignen
Namen geschlossen hätte, sobald nur aus den Umständen klar ist, daß er in
seiner Eigenschaft als Verwalter gehandelt habe.
§. 131. Doch kann der Verwalter durch Verträge über künftige
Lieferungen und Prästationen den Principal, ohne dessen besondre Einwilligung,
nur in so weit verpflichten, als die Schließung solcher Verträge aus seinem
Auftrage nothwendig folgt; oder bey Verwaltungen von der ihm aufgetragenen Art
im ordinairen Gange der Geschäfte gewöhnlich ist.
Von Unfähigen, welche Verwaltungen übernehmen.
§. 132. Ist jemand zum Verwalter bestellt, welcher für seine
Person sich nicht verpflichten kann, so verpflichtet er dennoch den Principal
durch seine, vermöge des Auftrags, unternommenen Handlungen. (Tit. Xm. §.
30-36.)
Rechnungslegung.
§. 133. Dem Verwalter muß alles, was seinen Händen
anvertraut werden soll, nach einem schriftlichen Verzeichnisse übergeben
werden.
§. 134. Ist dies nicht geschehen, so muß der Principal
nachweisen, daß mehr übergeben worden, als von dem Empfänger anerkannt wird.
§. 135. Der Verwalter fremder Güter ist verpflichtet, von
allen dahin einschlagenden Geschäften genaue Rechenschaft abzulegen.
§. 136. Alle Einnahmen und Ausgaben muß er in die dazu
bestimmten Bücher ohne Zeitverlust eintragen, und mit bündigen Belegen
rechtfertigen.
§. 137. Unterläßt er dieses, so gilt seine Angabe nur so
weit, als er deren Richtigkeit nachweisen kann.
§. 138. Auch haftet er in diesem Falle für die sämmtlichen
aus der Untersuchung dieser Richtigkeit entstehenden Kosten.
§. 139. Ein Verwalter muß in der Regel seine Rechnung, nebst
den erforderlichen Belägen, sogleich nach Ablauf eines jeden Rechnungsjahres
dem Principale einreichen, und auf deren Abnehmung antragen.
§. 140. Hat er die Rechnung nicht zur gehörigen Zeit
eingereicht, so ist er schuldig, die jedesmaligen Cassenbestände, so weit sie
nicht zum fernern nützlichen Betriebe des Geschäfts erforderlich gewesen, von
Sechs Wochen an, nachdem Jahresschlüsse, landüblich zu verzinsen.
§. 141. Auch trägt er von dergleichen Cassenbeständen alle
Gefahr.
§. 142. Von seinen Vorschüssen kann er für die Zeit, wo er
mit der Abgabe der Rechnung säumig gewesen, keine Zinsen fordern, wenn er auch
sonst nach rechtlichen Grundsätzen dazu befugt gewesen wäre. (Tit. XIII. §.
70-73.)
§. 143. Ist der Prinzipal mit Abnahme der Rechnung säumig,
so fallen ihm die daraus entstehenden Verdunkelungen der Geschäfte zur Last.
§. 144. Der Verwalter ist alsdann berechtigt, die
gerichtliche Abnahme der Rechnung auf Kosten des säumigen Prinzipals zu
fordern.
Quittung.
§. 145. Nach erfolgter Abnahme und Berichtigung der Rechnung
kann der Verwalter Quittung darüber fordern.
§. 146. Doch wird derselbe durch dergleichen Quittung von
der Vertretung unredlicher Handlungen, oder später entdeckter Rechnungsfehler,
wenn gleich derselben in der Quittung ausdrücklich entsagt worden, nicht
befreyt.
§. 147. Dagegen kann aber auch der Verwalter, wegen eines
später entdeckten zu seinem Schaden begangenen Rechnungsfehlers, von dem
Principale Vergütung fordern.
§. 148. Auch wegen solcher Angelegenheiten und Geschäfte,
die in der Rechnung nicht mit vorgekommen sind, kann der Verwalter, der
erhaltenen Quittung ungeachtet, zur Verantwortung gezogen werden.
§. 149. Noch weniger befreyet die Quittung den Verwalter von
den Ansprüchen eines Dritten, wenn gleich die Forderung desselben aus einem
Geschäfte, über welches bereits Rechnung gelegt worden, entstanden wäre.
§. 150. Rechnungen, die einmal abgelegt und quittirt sind,
können nach Verlauf von Zehn Jahren unter keinerley Vorwande mehr angefochten
werden.
§. 151. Nur wegen offenbarer im Zusammenrechnen oder
Abziehen vorgefallener Rechnungsfehler, und wegen eines bey der Verwaltung
begangenen Betrugs, kann der Principal, auch nach Ablauf der zehnjährigen
Frist, den Verwalter selbst, nicht aber seine Erben, in Anspruch nehmen.
§. 152. Die §. 150. bestimmte Verjährungsfrist nimmt bey
solchen Verwaltungen, die durch mehrere Jahre dauern, in Ansehung des
Verwalters selbst, von dem Zeitpunkte, wo er, nach seiner Entlassung und
gelegter Schlußrechnung, die letzte oder Generalquittung erhalten hat, ihren
Anfang.
§. 153. Zu Gunsten der Erben des Verwalters aber läuft diese
Präscription, in Ansehung einer jeden einzelnen Jahresrechnung, von dem Tage
der darüber ausgestellten Specialquittung.
Was Rechtens ist, wenn die Abnahme der Rechnung verzögert,
oder.
§. 154. Ist eine gehörig gelegte Rechnung durch schuldbare
Verzögerung des Principals innerhalb Fünf Jahre nicht abgenommen, so wird
dieselbe für quittirt geachtet.
§. 155. Es finden also gegen eine solche Rechnung, nach
Ablauf der fünfjährigen Frist von dem Tage der geschehenen Einreichung, nur
diejenigen Ausstellungen statt, die auch gegen eine quittirte Rechnung zuläßig
sind. (§. 146. 148.)
§. 156. Nach andern Zehn Jahren vom Ablaufe der §. 154.
bestimmten Frist, findet auch bey einer solchen Rechnung die Vorschrift §. 150.
151. Anwendung.
wenn die Rechnungslegung erlassen worden.
§. 157. Hat der Principal dem Verwalter die Rechnungslegung
erlassen, so kann er gegen die Verwaltung desselben nur solche Ausstellungen,
die auf einen begangenen Betrug hinauslaufen, anbringen.
§. 158. Einer ausdrücklichen Erlassung ist es gleich zu
achten, wenn der Principal dem Verwalter eine Rechnung abzufordern durch Fünf
Jahre vernachläßigt hat.
§. 159. Doch erstreckt sich eine solche stillschweigende
Erlassung immer nur auf die einzelnen Jahresrechnungen, bey welchen der
Fünfjährige Zeitraum, von dem Tage an, wo sie hätten gelegt werden sollen,
verlaufen ist.
Ausantwortung der Rechnungsbücher und Schriften.
§. 160. Nach erhaltener Quittung muß der Verwalter dem
Principale alle Bücher und Schriften, welche mit der Administration in
Verbindung stehen, ausantworten.
§. 161. Dagegen kann der Principal sich nicht entbrechen,
diese Bücher und Schriften dem gewesenen Verwalter auf jedesmaliges Verlangen,
jedoch nur innerhalb der §. 150. bestimmten zehnjährigen Frist, vorzulegen.
Einnahme-Reste.
§. 162. Einnahme-Reste darf der Principal nur so weit
anerkennen, als der Verwalter Credit zu geben berechtigt gewesen ist.
§. 163. Alle andere dergleichen Reste muß der Verwalter aus
eignen Mitteln entrichten, und sich dagegen an die Restanten halten.
Caution.
§. 164. Hat der Verwalter Caution bestellt, so haftet
dieselbe bis nach völlig abgenommener und quittirter Rechnung.
Zurückbehältungsrecht.
§. 165. Der Verwalter hat das Zurückbehaltungsrecht auf die
verwaltete Sache nur wegen der darin verwendeten Vorschüsse und Kosten,
ingleichen wegen seiner vorbedungenen und nicht erhaltenen Besoldung. (Tit. XX.
Sect. II.)
Von Verwaltungen ohne Auftrag.
§. 166. Wer ohne Auftrag des Eigenthümers sich der
Verwaltung fremder Sachen anmaßt, der ist nicht nach den Vorschriften des
gegenwärtigen, sondern des Zweyten Abschnitts im vorhergehenden Dreyzehnten
Titel, zu beurtheilen.
§. 167. Eben so ist der von dem Eigenthümer wirklich
bestellte Verwalter, so weit er die durch den Auftrag des Principals, und durch
die Vorschriften des gegenwärtigen Abschnitts ihm vorgeschriebenen Gränzen
überschreitet, nur für einen solchen, der sich fremder Geschäfte ohne Auftrag
angemaßt hat, anzusehn.
Von Handlungsfaktors.
§. 168. Die besondern Bestimmungen wegen der
Handlungsfaktors, als Verwalter fremder Sachen und Geschäfte, sind im
Kaufmannsrechte enthalten. (Th. II. Tit. VIII. Sect. VII.)
Von Verwaltung öffentlicher Kassen und Anstalten.
§. 169. Auch die Verhältnisse dererjenigen, weiche die Güter
des Fiskus, öffentlicher Corporationen, Communen, Kirchen und Stiftungen zu
verwalten haben, sind gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. VI. XI. XIV.)
§. 170. Wenn Personen oder Collegia, denen die Verwaltung
eines ganzen Inbegriffs von Rechten oder Gütern des Fiskus, oder einer
öffentlichen Corporation zukommt, die Besorgung gewisser dahin einschlagender
Geschäfte einem Andern als ein beständiges Amt übertragen, so wird derselbe dem
Fiskus oder der Corporation unmittelbar, eben so, wie der Hauptadministrator,
verpflichtet.
§. 171. Dagegen findet zwischen dem Fiskus oder der
Corporation, und demjenigen, welcher bloß zur Besorgung eines einzelnen
Geschäfts derselben bestellt worden, nur eben das Verhältniß, wie zwischen
einem Privatmachtgeber und Bevollmächtigten oder Verwalter, statt.
Wiedereinsetzung des Fiskus und anderer Corporationen gegen
die Handlungen oder Unterlassungen ihrer Administratoren.
§. 172. Weder der Fiskus, noch andere Corporationen, können
gegen solche Handlungen ihrer Bevollmächtigten und Verwalter, welche dieselben,
vermöge ihres Amts oder Auftrags, und innerhalb der Gränzen desselben
vorgenommen haben, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fordern.
§. 173. Auch wird durch die Nachläßigkeit der
Bevollmächtigten oder Verwalter des Fiskus, oder anderer mit ihm gleich
privilegirter Corporationen, der Ablauf der Verjährung so wenig gehindert, als
deren rechtliche Wirkung aufgehoben. (Tit. IX. §. 629. sqq.)
§. 174. Nur bey Prozessen kommt diesen moralischen Personen,
wenn die Bevollmächtigten oder Verwalter derselben die gesetzmäßigen oder die
von dem Richter bestimmten Fristen verabsäumen, die Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand innerhalb Vier Jahren zu statten.
§. 175. Dieser vierjährige Zeitraum wird von dem Tage
angerechnet, wo die verabsäumte Frist zu Ende gegangen ist.
§. 176. Die Wirkungen dieser Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand, und das dabey zu beobachtende Verfahren, sind in der Prozeßordnung
vorgeschrieben.
§. 177. Vorstehende Verordnungen (§. 174. 175. 176.) finden
auch alsdann Anwendung, wenn außer Prozessen, die Gesetze die Befugniß zur
Ausübung eines gewissen Rechts, oder Entgegensetzung eines Einwands, an eine
kürzere als die gewöhnliche Verjährungsfrist gebunden, und dabey wegen dieser
moralischen Personen keine besondere Ausnahme gemacht haben.
Dritter Abschnitt Von Cautionen und Bürgschaften
Zweck der Cautionen.
§. 178. Durch Caution kann sich jemand der künftigen Erfüllung
der Verbindlichkeit eines Andern versichern, oder die Besorgniß künftiger
Beeinträchtigungen in seinem gegenwärtigen Eigenthume und Besitze abwenden.
Befugniß sie zu fordern.
§. 179. Die Befugniß, Caution zu fordern, kann jemand durch
Willenserklärungen, oder auch un mittelbar aus dem Gesetze erlangen.
Gesetzliche Cautionen.
§. 180. Die Fälle, wo jemand vermöge des Gesetzes Caution zu
fordern berechtigt ist, sind bey Bestimmung der Rechte selbst, welche dadurch
versichert werden sollen, in diesem Gesetzbuche, und in der Prozeßordnung
festgesetzt.
§. 181. Wer nur gegen Caution zur Ueberlieferung einer Sache
schuldig ist, kann diese Sache so lange, bis die Caution berichtigt worden,
zurückhalten, ohne daß ihm die rechtlichen Folgen des Verzugs zur Last fallen.
§. 182. Hat er die Sache vorbestellter Caution abgeliefert,
so folgt daraus noch keine Entsagung des Rechts, die Caution nachzufordern.
§. 183. Wen das Gesetz zur Cautionsforderung berechtigt, der
ist nicht schuldig, sich mit einem bloßen Angelöbnisse des Andern zu begnügen.
§. 184. Caution durch den Eid findet nur alsdann statt, wenn
sie auf andere Art nicht bestellt werden kann.
§. 185. In welchen Fällen, statt des Cautionseides, mit
persönlichem Verhafte dessen, der die Sicherheit bestellen soll, verfahren
werden könne, ist in den Gesetzen ausdrücklich bestimmt.
§. 186. In der Regel muß die gesetzliche Caution von dem
dazu Verpflichteten durch Bürgen oder Pfänder bestellt werden.
§. 187. Die Art und Höhe einer solchen Caution ist nach
Verhältniß der Wichtigkeit des zu versichernden Rechts, oder des von dem Andern
zu besorgenden Schadens, durch richterliches Ermessen zu bestimmen.
§. 188. Der, welcher eine solche Caution zu fordern hat,
ist, wenn sie durch Verpfändung bestellt werden soll, dieselbe nur in so weit
für hinreichend anzunehmen schuldig, als sie bey Landgütern innerhalb der
ersten Zweydrittel, bey städtischen Grundstücken aber innerhalb der ersten
Hälfte des Werths versichert werden kann.
§. 189. Nur die mit einer solchen Sicherheit im
Hypothekenbuche eingetragenen Activforderungen ist der Cautionsberechtigte als
hinlängliche Versicherung anzunehmen verbunden.
§. 190. Soll die Caution durch Einlegung beweglicher Pfänder
bestellt werden, so ist auf Dreyviertel des abgeschätzten Werths derselben
Rücksicht zu nehmen.
§. 191. Soll die Caution durch Bürgen bestellt werden, so
ist der Berechtigte nur mit solchen Bürgen, die mit Grundstücken angesessen
sind, sich einzulassen verpflichtet.
§. 192. Die Annehmlichkeit dieser Bürgen selbst ist darnach
zu beurtheilen, wie sie die von ihnen zu leistende Caution nach der Bestimmung
des §. 188. auf ihre Grundstücke versichern können.
§. 193. Auch kann dem Cautionsberechtigten ein Bürge, welcher
innerhalb der Königlichen Lande nicht belangt, noch zur Zahlung angehalten
werden kann, niemals aufgedrungen werden.
§. 194. Von vorstehenden Regeln (§. 188-192) abzuweichen und
statt der Realcaution einen bloßen Cautionseid anzunehmen, ist dem Richter nur
alsdann erlaubt, wenn keine Realcaution aufgebracht werden kann, und zwey in
gutem Rufe stehende, mit den Umständen des Verpflichteten oder des Bürgen wohl
bekannte Standesgenossen, denselben für hinlänglich sicher erklären.
§. 195. Derjenige, welchem eine gesetzliche Caution bestellt
worden, kann sich daran, sobald der Fall eintritt, gegen den er dadurch gedeckt
werden sollte, wegen alles dabey durch den Cautionsverpflichteten verursachten
Schadens halten.
§. 196. Die gesetzliche Caution dauert so lange, als die
Besorgniß, daß der Verpflichtete seinen Obliegenheiten nicht nachleben werde,
nicht gehoben ist.
Von der Caution aus Verträgen.
§. 197. Auch durch Verträge kann sich jemand
Sicherheitsbestellung für seine Sachen oder Rechte durch Bürgen oder Pfänder
verschaffen.
§. 198. Sobald die Art der Cautionsbestellung im Gesetze,
durch richterlichen Ausspruch, oder durch Vertrag bestimmt ist, können zwar
Pfänder statt Bürgen, nicht aber Bürgen statt Pfänder, wider den Willen des
Berechtigten gegeben werden.
§. 199. Wie die Cautionsbestellung durch Pfandverträge
geschehen könne, wird bey den Rechten auf fremdes Eigenthum näher bestimmt
werden. (Tit. XX. Sect. I.)
Von eigentlichen Bürgschaften.
§. 200. Wird die Sicherheit dadurch verschafft, daß ein
Dritter gegen den Berechtigten, zur Erfüllung der Obliegenheiten des
Verpflichteten, auf den Fall, wenn dieser denselben nicht nachleben würde, sich
verbindet, so ist ein Bürgschaftsvertrag vorhanden.
§. 201. Wer sich solchergestalt für einen Andern
verpflichtet, wird Bürge; und derjenige, welcher sich zur Schadloshaltung des
Bürgen anheischig macht, wird Rückbürge genannt.
Erfordernisse einer verbindlichen Bürgschaft.
§. 202. Zu einer verbindlichen Bürgschaft wird in der Regel
die ausdrückliche Erklärung, für die Verpflichtungen eines Dritten haften zu
wollen, erfordert.
§. 203. Diese Erklärung muß, ohne Unterschied des
Gegenstandes, schriftlich, oder zum gerichtlichen Protocolle abgegeben werden.
§. 204. Sobald der Bürge die Uebernehmung der Bürgschaft
solchergestalt ohne Bedingung oder Vorbehalt erklärt hat, haftet er dem
Berechtigten, auch ohne dessen ausdrückliche Annahme.
§. 205. Ist aber die Bürgschaft nur bedingungsweise, oder
unter einem Vorbehalte übernommen worden, so gelangt sie nicht eher zur
Wirksamkeit, als bis der Berechtigte sich darüber erklärt hat.
Stillschweigende Bürgschaften.
§. 206. Wer den Schuldschein eines Andern mit unterschreibt,
wird, wenn das Instrument kein Wechsel ist, im zweifelhaften Falle nur für
einen Zeugen geachtet.
§. 207. Die bloße Empfehlung, daß der Creditsuchende ein
ehrlicher Mann, und bey gutem Vermögen sey, zieht die aus der Bürgschaft
entstehenden Verbindlichkeiten in der Regel nicht nach sich.
§. 208. Was aber unter Kaufleuten bey Empfehlungen Rechtens
sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. VIII. Sect. VII.)
§. 209. Auch Andere, welche nicht Kaufleute sind, machen
sich durch dergleichen allgemeine Empfehlung (§. 207.) als Bürgen
verantwortlich, wenn sie dem Empfohlnen dergleichen unrichtiges Zeugniß wider
besseres Wissen, oder aus grobem Versehen, in bestimmten Ausdrücken schriftlich
ertheilt haben.
§. 210. Noch mehr haftet derjenige, der mit einem Andern, in
der Absicht, ihm Credit zu verschaffen, verstellte Verträge schließt, oder
andere simulirte Handlungen vornimmt.
§. 211. Doch erstreckt sich in beyden Fällen (§. 209. 210.)
die Verhaftung nur so weit, als der Creditgebende aus der Empfehlung oder
Simulation, Bewegungsgründe, sich mit dem Schuldner einzulassen, vernünftiger
Weise hat entnehmen können.
§. 212. Wer aber betrüglicher Weise jemanden zum Creditgeben
verleitet hat, ist demselben für allen daraus entstandenen Schaden
verantwortlich.
§. 213. Wer schriftlich erklärt, daß jemanden auf seine
Gefahr Credit gegeben werden könne, wird als Bürge verhaftet.
§. 214. Ein Gleiches gilt von einer mündlichen Erklärung,
wenn die Summe des zu gebenden Credits auf Fünfzig Thaler oder weniger
eingeschränkt war.
§. 215. Wer jemanden den Auftrag macht, auf seine eigene
Rechnung einem Andern Geld oder Waare zu creditiren, der haftet als
Hauptschuldner.
§. 216. Zwischen demjenigen, der einen solchen Auftrag
giebt, und dem, welcher ihn befolgt, entstehen eben die Rechte und Pflichten,
wie zwischen einem Machtgeber und Bevollmächtigten.
§. 217. Auch erwirbt der Auftragende gegen den, welchem der
Credit gegeben worden, alle die Rechte, die einem Machtgeber durch die
Handlungen seines Bevollmächtigten erworben werden.
§. 218. Ist in der Erklärung, oder dem Auftrage, (§. 213.
215.) die Summe des zu gebenden Credits nicht bestimmt, so haftet der
Erklärende oder Auftragende für alles, was auf Credit gegeben worden, in so
fern nicht der Creditgebende sich mit dem Schuldner eines Verständnisses, zum
offenbaren Mißbrauche des von ersterm in letztern gesetzten Vertrauens, schuldig
gemacht hat.
Wer Bürgschaften übernehmen könne.
§. 219. Nur diejenigen, welche gültige Darlehnsverträge zu
schließen fähig sind, können ausdrücklich oder stillschweigend Bürgschaften
übernehmen.
§. 220. Wie weit Ehefrauen für ihre Männer, oder für Andere
sich verbürgen können, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. I. Sect. V.)
Von Bürgschaften der Weiber.
§. 221. Den Wittwen und ledigen Frauenspersonen müssen bey
Uebernehmung einer Bürgschaft, die rechtlichen Wirkungen und Folgen derselben
vor Gericht erklärt werden.
§. 222. Daß und wie die Verwarnung geschehen sey, muß in dem
Bürgschaftsinstrumente selbst, oder unter demselben verzeichnet werden.
§. 223. Ist kein besondres Bürgschaftsinstrument
ausgestellt, sondern die Verbürgung in dem Hauptinstrumente enthalten: so ist
der Vermerk der Verwarnung in oder unter dem letztern erforderlich.
§. 224. Die Erklärung muß in verständlichen Ausdrücken
geschehen; so daß die Bürgin dadurch einen hinlänglichen Begriff von den
rechtlichen Folgen der zu übernehmenden Bürgschaft erhalten könne.
§. 225. Die Stelle dieser von dem Richter zu machenden
Erklärung vertritt es nicht, wenn gleich in dem Instrumente die rechtlichen
Folgen der Bürgschaft ausgedrückt sind, und die Bürgin gerichtlich erklärt hat,
daß sie das Instrument selbst gelesen habe, oder daß ihr dasselbe vorgelesen
worden.
§. 226. Wenn diese Vorschriften (§. 221-225.) nicht
beobachtet worden, so bleibt die Bürgschaft einer Frauensperson ohne rechtliche
Wirkung.
§. 227. Hat der Richter, vor welchem das Geschäft vollzogen
worden, die Verwarnung unterlassen, oder dabey die Vorschriften §. 222-225.
verabsäumt, so haftet derselbe dem Berechtigten für allen daraus entstehenden
Schaden.
§. 228. Die vorgeschriebene Verwarnung ist in allen Fällen
nothwendig, wo eine Frauensperson die Verbindlichkeit eines Andern auf den
Fall, wenn er sie nicht selbst erfüllte, übernehmen soll.
§. 229. Ueberhaupt muß diese Verwarnung bey allen Geschäften
erfolgen, wo die Frauensperson auf den Fall, wenn ein Anderer seine
Verbindlichkeit nicht erfüllte, zu Gunsten des Berechtigten, gewisse Nachtheile
übernimmt, oder gewissen Vortheilen entsagt.
§. 230. Die Verwarnung muß also hinzukommen, wenn eine
Frauensperson, deren Forderungen im Hypothekenbuche eingetragen sind, der ihr
aus der Eintragung zukommenden Priorität, es sey zu Gunsten ihres Mannes, oder
eines Dritten, entsagt.
§. 231. Dagegen ist, wenn eine Frau auf ein ihr zustehendes
Recht überhaupt gänzliche Verzicht leistet, ein solches Geschäft nach den
Regeln von Bürgschaften nicht zu beurtheilen.
§. 232. Wenn eine Manns- und Frauensperson sich in Einem
Instrumente als Selbst- oder Mitschuldner verpflichtet haben, so vermuthen die
Gesetze, daß die Mannsperson Hauptschuldner, die Frauensperson aber nur Bürge
sey.
§. 233. Soll dieser rechtlichen Vermuthung entsagt werden,
so ist dazu eine eben dergleichen Verwarnung, wie bey einer übernommenen
Bürgschaft selbst, nothwendig.
§. 234. Mit dem Einwande der unterbliebenen Verwarnung kann
die Bürgschaft leistende Frauensperson gegen jeden, zu dessen Sicherheit sie
die Bürgschaft übernommen hat, ohne Unterschied seiner eignen persönlichen
Qualität, sich schützen.
§. 235. Auch kommt dieser Einwand den Erben der Bürgin, ohne
Unterschied ihrer eignen Qualität, zu statten.
§. 236. Hat aber die Erblasserin in einer rechtsgültigen
letztwilligen Verordnung die Bezahlung der verbürgten Schuld dem Erben oder
einem Legatario aufgetragen, so gilt dergleichen Erklärung als ein Vermächtniß.
§. 237. Auch wenn die Bürgschaft leistende Frauensperson den
Hauptschuldner beerbt hat, ist sie dem Berechtigten nicht als Bürge, sondern
nur als Erbe, verhaftet.
§. 238. Das Unterbleiben der vorgeschriebenen Verwarnung
wird dadurch nicht gerechtfertigt, daß einer Frauensperson die Folgen und
Wirkungen der Bürgschaft in vorhergegangenen Fällen gehörig erklärt worden.
§. 239. Wie weit eine Frauensperson, die eigne Handlung
treibt, sich gleich einer Mannsperson verbürgen könne, ist im Kaufmannsrechte
bestimmt. (Th. II. Tit. VIII. Sect. VII.)
§. 240. Nach Höhe desjenigen, was eine Frauensperson für die
übernommene Bürgschaft an Belohnungen und Vortheilen, die einer Schätzung nach
Gelde fähig sind, wirklich erhalten hat, ist sie dem Gläubiger allemal
verhaftet.
§. 241. So weit durch das Hauptgeschäft der Frauensperson
Vortheile, zu welchen sie außerdem kein Recht hatte, zugewendet worden, wird
dieselbe durch die für dieses Hauptgeschäft übernommene Bürgschaft
verpflichtet.
§. 242. In beyden Fällen (§. 240. 241.) kommt es nicht
darauf an, wenn auch die Bürgin zu der Zeit, da sie in Anspruch genommen wird,
sich in dem Besitze dieser Belohnungen oder Vortheile nicht mehr befinden
sollte.
§. 243. Die aus einer unkräftigen Bürgschaft bereits
geleistete Zahlung kann eine Frauensperson unter diesem Vorwande nicht
zurückfordern.
§. 244. Dagegen erhält die unkräftig übernommene Bürgschaft
durch eine gleichfalls ohne gesetzmäßige Verwarnung erfolgte Wiederholung
derselben keine mehrere Gültigkeit.
Wer als Bürge angenommen werden müsse.
§. 245. Einen Bürgen, dessen hinlängliche Sicherheit für die
Forderung nicht nachgewiesen werden kann, ist der Berechtigte wider seinen
Willen anzunehmen nicht schuldig.
§. 246. Die Annehmlichkeit eines Bürgen ist, bey darüber
entstehendem Streite, nach den bey den gesetzlichen Cautionsleistungen
vorgeschriebenen Grundsätzen zu beurtheilen.
.§. 247. Hat aber jemand einen Bürgen als tauglich einmal
angenommen, so kann er die Bestellung einer andern Sicherheit nicht mehr
fordern.
§. 248. Verändern sich jedoch die Umstände des Bürgen zur
offenbaren Gefährdung des Gläubigers, so kann letzterer auf bessere
Sicherheitsbestellung antragen.
Bey welchen Geschäften Bürgschaften statt finden.
§. 249. Die Bürgschaft findet in Ansehung aller erlaubten
Verbindlichkeiten statt, welche durch andre Personen geleistet, oder auf eine
gewisse Summe in Anschlag gebracht werden können.
§. 250. Auch für den Nachtheil, welcher aus den unerlaubten
Handlungen eines Andern, oder aus der Vernachläßigung seiner Pflichten
entstehen könnte, kann Bürgschaft geleistet und gefordert werden.
§. 251. So weit aber die Forderung des Gläubigers an den
Hauptschuldner ganz ungültig ist, so weit ist auch die dafür geleistete
Bürgschaft unverbindlich.
§. 252. Besonders findet für einen in den Gesetzen
ausdrücklich gemißbilligten Vertrag keine Bürgschaft statt.
§. 253. Hat der Bürge den Gläubiger durch unwahre
Versicherungen verleitet, sich auf einen solchen Vertrag einzulassen, so haftet
er demselben für allen daraus entstandenen Schaden als Hauptschuldner.
§. 254. Entsteht die Ungültigkeit des Hauptvertrages bloß
aus der persönlichen Eigenschaft des Verpflichteten, so haftet der Bürge dem
Gläubiger ebenfalls als Hauptschuldner.
§. 255. Der Einwand der Unwissenheit von dieser Qualität des
Verpflichteten kann einem solchen Bürgen nicht zu statten kommen.
§. 256. Auch der, welcher für die von einer Frau unkräftig
geleistete Bürgschaft eine weitere Bürgschaft gegen den Gläubiger übernommen
hat, haftet dem Gläubiger eben so, als wenn er ihm die Bürgschaft unmittelbar
geleistet hätte.
/. Rechte und Pflichten zwischen dem Bürgen und dem
Berechtigten. Worauf die Verbindlichkeit des Bürgen sich erstrecke.
§. 257. Der Bürge haftet für den Hauptverpflichteten, so
weit dieser seiner Verbindlichkeit gegen den Berechtigten keine Gnüge leistet.
§. 258. Die Verbindlichkeit des Bürgen kann aber über den
Gegenstand, auf welchen die Bürgschaft ausdrücklich gerichtet worden, nicht
ausgedehnt werden.
§. 259. Daß sich der Bürge über die Capitalssumme, auch für
Zinsen, Früchte, Schäden, Kosten und Conventionalstrafen verpflichtet habe,
wird nicht vermuthet.
§. 260. Doch haftet der, welcher für ein zinsbares Capital
Bürgschaft leistet, auch für die rückständig gebliebenen Zinsen des letzten
Jahres.
§. 261. Wer nicht für das Capital, sondern nur für die
Zinsen sich verbürgt hat, wird von der Bürgschaft ganz oder zum Theil frey,
wenn das Capital bey dem Hauptschuldner ganz oder zum Theil verloren geht.
§. 262. Doch haftet er für die Zinsen, welche bis zur Zeit
des über den Hauptschuldner eröffneten Concurses rückständig geblieben sind; in
so fern dem Gläubiger in deren Beytreibung keine schuldbare Versäumniß zur Last
fällt.
§. 263. Eine solche bloß für die Zinsen geleistete
Bürgschaft tritt, wenn sie einmal erloschen ist, nicht wieder in ihre
Wirksamkeit, wenn gleich der Hauptschuldner zu bessern Vermögensumständen
gelangt.
§. 264. Hat aber in dem Falle des §. 261. der Bürge die
Bürgschaft für die Zinsen auf eine in sich, oder durch eine gewisse
Begebenheit, welche nothwendig eintreffen muß, bestimmte Zeit übernommen: so
haftet er für diese ganze Zeit; wenn auch das Capital früher verloren ginge.
§. 265. Wer für die Rückgabe einer Sache sich verbürgt,
haftet auch für die mit der Sache zurückzugebenden An- und Zuwüchse.
§. 266. Wer für das, was ein Anderer überhaupt, oder aus
einem gewissen Geschäfte schuldig geworden, sich verbürgt, der haftet dennoch
nur für das, was der Berechtigte zur Zeit der vollzogenen Bürgschaft von dem
Verpflichteten wirklich zu fordern hatte.
§. 267. Doch sind auch solche Verbindlichkeiten, bey welchen
nur der Termin zu deren Leistung noch nicht eingetreten war, mit darunter
begriffen.
§. 268. Wer für allen aus einem Geschäfte entstehenden
Schaden sich verbürgt hat, der haftet nicht für den entgangenen Gewinn.
§. 269. Wer aber für alles zu haften versprochen hat, was
der Verpflichtete aus einem gewissen Geschäfte zu zahlen schuldig werden
möchte, muß alle aus dem Geschäfte entstehende Verbindlichkeiten, nebst Zinsen,
Früchten, Kosten, Schäden, und entgangenem Gewinne übernehmen.
§. 270. Eine dergleichen uneingeschränkte Vertretung findet
auch alsdann statt, wenn sich der Bürge ausdrücklich als Selbstschuldner
verpflichtet hat.
§. 271. Wer dafür, daß ein Dritter ein für ihn ohne seinen
Auftrag vorgenommenes Geschäft genehmigen werde, sich verbürgt, und diese
Genehmigung nicht herbeyschaffen kann, haftet dem, welchem er die Bürgschaft
geleistet hat, für allen aus dem Rückgange des Geschäfts entstehenden Schaden.
§. 272. Für den entgangenen Vortheil aber haftet er nur
alsdann, wenn er sich dazu ausdrücklich verpflichtet, oder die Bürgschaft nach
§. 269. ohne alle Einschränkung übernommen hat.
Besonders von Amts-Cautionen.
§. 273. Wer für jemanden eine Amtscaution bestellt hat, darf
nur für die durch denselben entstehenden Defecte haften.
§. 274. Für die Zinsen dieser Defecte, ingleichen für die
Kosten der Untersuchung, haftet er nur in so fern, als er sich dafür
ausdrücklich mit verbürgt, oder nach §. 269. eine uneingeschränkte Bürgschaft
übernommen hat.
§. 275. Wenn aber auch der Bürge für Zinsen und Kosten
selbst nicht verhaftet wäre: so kann doch der Berechtigte dieserhalb an das
Vermögen des Hauptverpflichteten, vorzüglich vor dem Bürgen sich halten.
§. 276. Für die verwirkte Geldstrafe haftet der Bürge nur
alsdann, wenn er es ausdrücklich mit übernommen hat.
In wie fern der Bürge zu etwas mehrerm oder stärker als der
Hauptschuldner verpflichtet seyn könne.
§. 277. Zu etwas Mehrerm, als der Hauptverpflichtete selbst
zu leisten hat, kann der Bürge niemals angehalten werden.
§. 278. Wohl aber kann sich der Bürge zu einer bessern
Sicherheit, als der Hauptschuldner, verpflichten.
§. 279. Auch kann der Bürge, welcher für eine ihrem Betrage
nach unbestimmte Forderung Caution geleistet hat, mit dem Berechtigten, über
eine dafür auf den künftigen Vertretungsfall zu entrichtende bestimmte Summe,
im Voraus sich einigen.
§. 280. Aber auch alsdann ist der Bürge, bey entstehendem
Vertretungsfalle, die verabredete Summe nur in so fern zu bezahlen verbunden;
als ein mindrer Betrag der Hauptforderung nicht ausgemittelt werden kann.
§. 281. Was der Gläubiger um deswillen, weil er dem
Schuldner, wegen der im Gesetze bestimmten persönlichen Verhältnisse, eine
Competenz lassen muß, von demselben nicht erhalten kann, ist er auch von dem
Bürgen zu fordern nicht berechtigt.
§. 282. Außerdem aber haftet der Bürge für den Ausfall,
welchen der Gläubiger bey dem Hauptschuldner, wegen einer demselben aus andern
gesetzlichen Gründen zukommenden Competenz erleidet.
Wenn der Berechtigte sich an den Bürgen halten könne.
§. 283. In der Regel kann der Gläubiger an den Bürgen sich
nicht eher halten, als bis er, durch Verfolgung seines Rechts gegen den
Hauptschuldner, erwiesen hat, daß dieser seine Verbindlichkeit zu erfüllen,
ganz oder zum Theil nicht im Stande sey.
bey Personalforderungen.
§. 284. Ist jedoch der Hauptschuldner zu der Zeit, da der
Bürge belangt wird, auf das Anhalten anderer Gläubiger zum Arreste gebracht;
oder bey einer von solchen Gläubigern wider ihn veranlaßten Auspfändung, kein
Gegenstand der Execution bey demselben vorgefunden worden: so kann der Bürge,
welcher für eine bloße Personalforderung sich verpflichtet hat, den Einwand,
daß der Schuldner zuerst belangt werden müsse, nicht entgegensetzen.
§. 285. Eben so ist, wenn der Gläubiger die Execution wegen
einer solchen Personalforderung gegen den Hauptschuldner wirklich nachgesucht
hat, der Bericht des Executors, daß kein Gegenstand der Execution vorgefunden
worden, zum Nachweise von dem Zahlungsunvermögen des Hauptschuldners
hinreichend.
§. 286. Sind aber bey der Execution gegen den Hauptschuldner
Sachen ausgepfändet, oder in gerichtlichen Beschlag genommen worden; so muß der
Gläubiger deren öffentlichen Verkauf abwarten, ehe er den Bürgen in Anspruch
nehmen kann. .
§. 287. Besitzt der Hauptschuldner noch Activforderungen,
welche liquid, und von einem in guten Vermögensumständen stehenden Schuldner zu
zahlen, auch innerhalb Dreyer Monathe fällig sind: so muß der Gläubiger, vor
Belangung der Bürgen, den Zahlungstermin abwarten.
§. 288. Auf den Eingang solcher Anforderungen aber, deren
Richtigkeit oder Sicherheit noch zweifelhaft ist, oder deren Verfalltag später
eintritt, kann der Gläubiger, mit Belangung des Bürgen zu warten, nicht
angehalten werden.
§. 289. Besitzt der Hauptschuldner Grundstücke, so muß auch
der Personalgläubiger Sequestration oder Immission in dieselben nachsuchen, ehe
er den Bürgen belangen kann.
§. 290. Hat aber der Gläubiger binnen Drey Monathen, nach
verfügter Sequestration oder Immission, auch dadurch seine Befriedigung nicht
erhalten können: so ist er, den fernern Erfolg dieses Executionsmittels
abzuwarten, nicht schuldig.
§. 291. Kann, nach Beschaffenheit des Grundstücks und seines
Ertrags, überzeugend nachgewiesen werden, daß der Gläubiger, wegen anderer
darauf haftenden oder sonst der seinigen vorgehenden Forderungen, aus den
Einkünften desselben, innerhalb der dreymonathlichen Frist, nicht bezahlt
werden könne: so ist er dieses Executionsmittel vor Belangung des Bürgen zu
ergreifen nicht schuldig.
bey Realforderungen.
§. 292. Ist aber die Schuld, für welche die Bürgschaft
geleistet worden, eine Realschuld, so muß der Gläubiger erst alle gesetzmäßigen
Grade der Realexecution durchgehen, ehe er den Bürgen belangen kann.
§. 293. Er muß also den gerichtlichen Verkauf des
Unterpfands, und die Vertheilung des Kaufgeldes abwarten.
§. 294. Wenn sich jedoch aus Vergleichung des für das Pfand
gelöseten Kaufgelds, mit den darauf haftenden liquiden und der Forderung des
Gläubigers unstreitig vorhergehenden Schulden, sofort ergiebt, daß der
Gläubiger aus dem Kaufgelde nicht bezahlt werden könne: so ist er die
Vertheilung desselben abzuwarten nicht schuldig.
§. 295. Wenn gleich der Realgläubiger aus dem Unterpfande
nicht befriedigt werden kann: so ist er dennoch die Execution in das übrige
Vermögen des Hauptschuldners, vor Belangung des Bürgen, nachzusuchen
verpflichtet.
bey Wechselforderungen.
§. 296. Wer für eine Wechselschuld sich verbürgt nat, kann
belangt werden, sobald die Wechselexecution gegen den Hauptschuldner fruchtlos
vollstreckt ist, oder wegen seiner Entfernung nicht vollstreckt werden kann.
Fälle, wenn sich der Gläubiger sofort an den Bürgen nahen
kann.
§. 297. Der Gläubiger kann, mit gänzlicher Uebergehung des
Hauptschuldners, sich sofort an den Bürgen halten, wenn sich dieser
ausdrücklich als Selbstschuldner verpflichtet, oder dem Einwände, daß der
Hauptschuldner zuerst belangt werden müsse, gehörig entsagt hat; (§. 307. sqq.)
§. 298. Ferner alsdann, wenn der Hauptschuldner nicht mehr
in Königlichen Landen belangt werden kann;
§. 299. Auch alsdann, wenn der Hauptschuldner aurch
richterliches Erkenntniß zu einem längern als einjährigen Indulte verstattet
worden;
§. 300. Endlich alsdann, wenn über das Vermögen des
Hauptschuldners Concurs eröffnet wird.
§. 301. Doch muß in diesem letzten Falle der Gläubiger seine
Forderung, und die dafür ihm geleistete Bürgschaft, dem Richter spätestens im
Liquidationstermine anzeigen.
§. 302. In der Regel muß der Gläubiger seine Forderung, bey
dem Concurse des Hauptschuldners, so lange verfolgen, bis der Bürge zu seiner
Befriedigung rechtskräftig verurtheilt worden.
§. 303. Hat er aber schon vor eröffnetem Concurse ein
rechtskräftiges Urtel gegen den Bürgen erstritten: so ist er nicht schuldig,
sich in den Concurs einzulassen, sondern kann den fernern Betrieb der Sache dem
Bürgen anheim geben.
§. 304. Hat der Gläubiger seine Forderung bey dem Concurse
gar nicht angezeigt, und sich also damit präcludiren lassen: so wird er seines
Rechts gegen den Bürgen verlustig.
§. 305. Kann er jedoch vollständig nachweisen, daß die
Forderung, wenn sie auch angemeldet worden wäre, dennoch leer ausgegangen seyn
würde: so kann der Bürge sich mit vorstehendem Einwände nicht schützen.
§. 306. Der Einwand, daß der Hauptschuldner nach der
fruchtlosen Execution wieder zu bessern Vermögensumständen gelangt sey, kann
den Bürgen von der ungesäumten Befriedigung des Gläubigers nicht befreyen.
§. 307. Dem Einwande, daß der Hauptschuldner zuerst belangt
werden müsse, kann der Bürge gültig entsagen.
§. 308. Geschieht dergleichen Entsagung von einer sich
verbürgenden Frauensperson: so muß derselben darüber auf eben die Art, wie bey
der Bürgschaft selbst, besondere Bedeutung und Verwarnung geschehen, und wie
dieses geschehen sey, eben so in oder unter dem Haupt- oder
Bürgschaftsinstrumente vermerkt werden. (§. 221. sqq.)
§. 309. In allen Fällen, wo die Bürgschaft nicht für die
Forderung selbst, sondern ausdrücklich nur für den dem Gläubiger aus dem
Geschäfte entstehenden Schaden geleistet wird, ist die im Instrumente
geschehene Entsagung des Einwands ohne Wirkung.
Welcher Einwendungen der Bürge sich gegen den Gläubiger
bedienen könne.
§. 310. Die Rechte und Einwendungen des Hauptschuldners,
welche die Forderung selbst betreffen, kommen auch dem Bürgen gegen den
Gläubiger zu statten.
§. 311. Hat jedoch der Gläubiger, bey Belangung des
Hauptschuldners, den Bürgen mit vorladen lassen: so steht das gegen den erstern
ergangene Urtel auch dem letzern entgegen.
§. 312. Der Bürge kann alsdann nur über solche Einwendungen,
welche die Gültigkeit der von ihm geleisteten Bürgschaft betreffen, rechtliches
Gehör fordern.
§. 313. Hat der Bürge sich für das, wozu der Hauptschuldner
rechtskräftig verurtheilt werden möchte, verbürgt: so kann er den Inhalt eines
solchen gegen den Hauptschuldner ergangenen Urtels nicht ferner anfechten.
§. 314. Nur Einwendungen, welche auch der Hauptschuldner
noch in der Execution selbst entgegen setzen könnte, bleiben alsdann auch dem
Bürgen noch offen.
§. 315. Wie weit der Bürge von den gesetzmäßigen
Rechtsmitteln gegen ein Erkenntniß, welche der Hauptschuldner nicht eingewendet
hat, Gebrauch machen könne, bestimmt die Prozeßordnung.
Befreyung des Bürgen von setner Verbindlichkeit.
§. 316. Hat jemand für eine Forderung, die an einem gewissen
Termine zahlbar ist, ohne für die Dauer der Bürgschaft selbst eine gewisse Zeit
zu bestimmen, sich verpflichtet: so ist er befugt, nach Ablauf des
Zahlungstermins, den Gläubiger dahin anzuhalten, daß er die Schuld einklage,
oder ihn der fernern Bürgschaft entlasse.
§. 317. Hat aber der Bürge sich dieses Rechts nicht bedient,
so wird er dadurch, daß der Gläubiger dem Hauptschuldner Nachsicht gegeben hat,
von seiner Verbindlichkeit noch nicht frey.
§. 318. Hat sich jemand, ohne die Dauer der Bürgschaft zu
bestimmen, für eine Forderung, die erst nach vorhergegangener Aufkündigung
zahlbar, oder sonst an keinem gewissen Termine fällig ist, verpflichtet: so
dauert seine Verbindlichkeit so lange, als das Rechts des Gläubigers gegen den
Hauptschuldner.
§. 319. Doch kann ein solcher Bürge gegen den Gläubiger, auf
Belangung des Hauptschuldners, oder Entlassung von der Bürgschaft, unter eben
den Umständen antragen, unter welchen er den Hauptschuldner zu seiner Befreyung
davon anzuhalten berechtigt ist. (§. 356. sqq.)
§. 320. Hat jemand eine Bürgschaft nur auf eine gewisse
bestimmte Zeit für ein Darlehn übernommen: so erlöscht dieselbe, wenn der
Gläubiger den Hauptschuldner nicht spätestens am Dritten Tage nach Ablauf
dieser Zeit belangt, oder die Klage nicht fort gesetzt hat.
§. 321. Wohnt jedoch der Gläubiger außerhalb des Ortes, wo
das Gericht, bey welchem die Klage angestellt werden soll, seinen Sitz hat: so
kommt ihm, außer dieser dreytägigen Frist, auch noch diejenige zu statten,
welche nach dem gewöhnlichen Laufe der Posten erforderlich ist, ehe die
Klageanmeldung bey dem Gerichte eintreffen kann.
§. 322. Hat jemand eine Bürgschaft nur auf eine gewisse
bestimmte Zeit für eine Verbindlichkeit übernommen, welche, wie die
Amtspflicht, ihrer Natur nach fortwährend, oder deren Erfüllung sonst an keinen
gewissen Tag gebunden ist: so endigt sich die Verpflichtung des Bürgen mit dem
Ablaufe der bestimmten Zeit.
§. 323. Nach dem Ablaufe dieser Zeit ist der Bürge befugt,
den Berechtigten aufzufordern, daß er ihn entweder der Bürgschaft entlasse,
oder gegen den Verpflichteten rechtlich ausführe: daß und was ihm dieser in
Ansehung des Vergangenen zu leisten oder zu erstatten habe.
§. 324. Zögert der Berechtigte damit, so kann der Bürge auf
richterliche Bestimmung eines den Umständen angemessenen Zeitraums antragen,
binnen welchem der Berechtigte seine Ansprüche an den Verpflichteten
gerichtlich ausführen, oder gewärtigen müsse, daß der Bürge seiner Bürgschaft
für entlassen geachtet werde.
§. 325. Ist der Bürge entlassen, so darf er Leistungen oder
Defecte des Hauptverpfiichteten, wenn auch dieselben aus den Zeiten, für welche
die Bürgschaft geleistet war, herrühren, nicht vertreten.
§. 326. So lange aber der Bürge noch nicht entlassen ist,
haftet er für alle aus der Zeit seiner Bürgschaft sich herschreibenden
Leistungen und Defecte.
§. 327. Gegen diese Verhaftung kommt es ihm nicht zu
statten, wenn gleich der Hauptverpflichtete quittirt worden wäre; in so fern
nur der Berechtigte, auch nach ertheilter Quittung, Ausstellungen zu machen
befugt ist. (§. 146. sqq.)
Wie weit Verhandlungen zwischen dem Gläubiger und
Hauptschuldner dem Bärgen schaden, oder zu statten kommen.
§. 328. Hat der Gläubiger bey Verfolgung der Execution gegen
den Hauptschuldner ein grobes Versehen begangen, so fällt ihm der daraus
entstehende Schade zur Last.
§. 329. Haben der Gläubiger und Hauptschuldner zum
Nachtheile des Bürgen ein geheimes Verständniß unterhalten: so ist jeder von
ihnen dem Bürgen zur vollen Entschädigung verpflichtet.
§. 330. Durch die zwischen dem Gläubiger und Hauptschuldner
nach vollzogener Bürgschaft errichteten Verträge kann die Verbindlichkeit des
Bürgen, ohne dessen Einwilligung, nicht erschwert werden.
§. 331. Auch kann der Gläubiger, während der Bürgschaft, der
ihm, noch außer selbiger, von dem Hauptschuldner bestellten Sicherheit, ohne
Genehmigung des Bürgen sich nicht gegeben.
§. 332. Thut er es dennoch, so wird er seines Rechts an den
Bürgen verlustig.
§. 333. So weit jedoch der Gläubiger überzeugend nachweisen
kann, daß der Bürge durch Aufgebung der anderweitigen Sicherheit nicht verkürzt
worden sey, ist er sich femer an den Bürgen zu halten wohl befugt.
Wie weit Rechte und Pflichten aus der Bürgschaft auf die
Erben übergehn.
§. 334. Die aus der Bürgschaft zwischen dem Gläubiger und
Bürgen entstehenden Rechte und Verbindlichkeiten gehen auf die Erben von beyden
Seiten über.
§. 335. Auch bey Amtscautionen, und andern der gleichen
Bürgschaften, welche für die Erfüllung einer Verbindlichkeit geleistet worden,
haften die Erben des Bürgen; selbst wenn der Fall der Vertretung erst nach dem
Tode des Erblassers zur Wirklichkeit gelangt wäre.
§. 336. Ist aber die Verbindlichkeit des Bürgen, vermöge des
Vertrags, nur auf seine Lebenszeit eingeschränkt: so finden zwar die
Vorschriften §. 320- 327. Anwendung;
§. 337. Doch läuft die §. 320. bestimmte Frist nur von dem
Tage an, wo das Ableben des Bürgen zur Wissenschaft des Gläubigers gelangt ist.
//. Rechte zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner.
§. 338. Der Bürge tritt, so weit er den Gläubiger befriedigt
hat, in alle Rechte desselben gegen den Hauptschuldner, ohne daß er dazu einer
ausdrücklichen Cession bedarf.
§. 339. Doch muß der Gläubiger, auf Verlangen des Bürgen,
auch zu Ertheilung einer solchen ausdrücklichen Cession auf dasjenige, was er
von dem Bürgen wirklich erhalten hat, angehalten werden.
§. 340. Hat aber der Bürge, durch Vergleich oder Erlaß, den
Gläubiger mit einer geringern Summe, als die Forderung desselben wirklich
beträgt, abgefunden: so kann er, ohne ausdrückliche freywillige Cession des
Gläubigers, auf ein Mehreres, als er selbst gegeben hat, sich an den
Hauptschuldner nicht halten.
§. 341. Wer für einen Andern wider dessen Willen Bürgschaft
geleistet hat, ist lediglich nach den Regeln des vorigen Titels §. 249-252. zu
beurtheilen.
Pflicht des in Anspruch genommenen Bürgen wegen Zuziehung
des Hauptschuldners.
§. 342. Wird der Bürge von dem Gläubiger zuerst in Anspruch
genommen: so muß er dem Hauptschuldner davon unverzüglich Nachricht geben, und
dessen schriftliche Einwilligung in die Bezahlung der geforderten Summe
verlangen.
§. 343. Kann er diese Einwilligung nicht erhalten; so muß er
es auf den Prozeß ankommen lassen.
§. 344. Wird die Klage von dem Gläubiger wider den Bürgen
wirklich angestellt; so muß letzterer den Hauptschuldner zu dem Prozesse
gerichtlich mit vorladen lassen.
§. 345. Ist dies geschehen, und der Hauptschuldner hat sich
nicht gemeldet; so ist der Bürge die Sache durch die Instanzen fortzusetzen
nicht schuldig.
§. 346. Vielmehr muß der Hauptschuldner das zwischen dem
Gläubiger und Bürgen, zum Nachtheile des letzern ergangene Erkenntniß, zu
dessen Vortheil auch wider sich gelten lassen.
§. 347. Meldet sich aber der Hauptschuldner bey dem
Prozesse; so ist er, auf Verlangen des Bürgen, schuldig, denselben allein zu
übernehmen: und der Bürge ist ihn nur in so weit fortzusetzen gehalten, als er
darin seine eigenen Einwendungen gegen die Verbindlichkeit aus der Bürgschaft
ausführen will.
§. 348. Das alsdann gegen den Hauptschuldner rechtskräftig
ergangene Urtel gilt auch gegen den Bürgen, zum Vortheile des Gläubigers, in so
fern er gegen diesen dergleichen zuvor gedachte Einwendungen nicht hat
ausführen können; so wie zum Vortheile des Bürgen gegen den Hauptschuldner,
wenn er an diesen seinen Regreß nehmen will.
§. 349. Hat aber der Bürge, mit Vernachläßigung obstehender
Vorschriften §. 342-348. den Gläubiger befriedigt: so muß er alle Einwendungen,
welche der Hauptschuldner diesem entgegensetzen könnte, auch wider sich gelten
lassen.
§. 350. Wegen des Falles, wenn der Gläubiger den
Hauptschuldner zuerst belangt hat, und in wie fern das gegen diesen ergangene
Urtel auch wider den Bürgen gelte, hat es bey den Vorschriften §. 310-315. sein
Bewenden.
Pflicht des Hauptschuldners gegen den Bürgen zum Ersatze der
Schäden, Zinsen und Kosten.
§. 351. Der Hauptschuldner ist dem Bürgen auch wegen der aus
der Bürgschaft entstandenen Schäden und Kosten zur Schadloshaltung
verpflichtet.
§. 352. So weit aber der Schade durch die eigene Schuld oder
unnützen Umzüge des Bürgen verursacht worden, ist der Hauptschuldner denselben
zu vergüten nicht gehalten.
§. 353. Doch ist der Hauptschuldner auch Verzögerungszinsen,
welche der Bürge dem Gläubiger hat entrichten müssen, zu erstatten schuldig.
§. 354. Der Bürge kann nicht nur für das Capital, sondern
auch für alle Zinsen, welche er dem Gläubiger hat bezahlen müssen, von dem
Hauptschuldner gesetzmäßige Verzugszinsen fordern.
§. 355. Hat der Bürge ein zinsbares Capital für den
Hauptschuldner bezahlt: so tritt er gegen ihn, auch wegen der fernern
fortlaufenden Zinsen, in die Rechte des Gläubigers.
Pflicht des Schuldners den Bürgen von der Bürgschaft zu
befreyen.
§. 356. Nach verflossener Zahlungszeit kann der Bürge auf
Befreyung von der Bürgschaft gegen den Hauptschuldner klagen.
§. 357. Auch vor Ablauf der Zahlungsfrist ist der Bürge
berechtigt, auf Befreyung von der Bürgschaft, oder auf Sicherheitsbestellung
anzutragen: wenn der Schuldner zu verschwenden anfängt, oder sonst in Verfall
seines Vermögens geräth;
§. 358. Ferner alsdann, wenn der Schuldner Anstalt macht,
die Königlichen Lande dergestalt zu verlassen, daß er darin nicht ferner
belangt werden könnte.
§. 359. Wer für fortwährende Verbindlichkeiten, ohne
Zeitbestimmung, und ohne Vergeltung Bürgschaft geleistet hat, kann dieselbe
nach Ablauf Eines Jahres aufkündigen.
§. 360. Der Hauptverpflichtete muß alsdann, wenn ihm nicht
aus Nebenverträgen, oder sonst, besondre Rechte, die Fortsetzung der Bürgschaft
zu verlangen, zukommen, den Bürgen vor Ablauf des Zweyten Jahres von der
Bürgschaft befreyen.
§. 361. Diese Befreyung zu bewerkstelligen, kann der Bürge
den Hauptverpflichteten durch diejenigen gesetzmäßigen Zwangsmittel anhalten,
die überhaupt nach Vorschrift der Prozeßordnung statt finden, wenn jemand zu
einer ihm rechtskräftig auferlegten Handlung durch Execution genöthigt werden
soll.
§. 362. Zum Nachtheile des Berechtigten aber, gegen welchen
die Aufkündigung nicht vorbedungen worden, findet sie in der Regel, und außer
den Fällen §. 357. 358. nicht eher statt, als bis demselben eine andre
annehmliche Sicherheit bestellt ist. (§. 318. 319.
Von Prämien bey Bürgschaften.
§. 363. Der Bürge kann sich für die übernommene Bürgschaft
eine Belohnung vorbedingen.
§. 364. Die Festsetzung derselben hängt in der Regel von der
Verabredung der Parteyen lediglich ab.
§. 365. Bey Darlehnen, oder andern creditirten Geldern, darf
die vorbedungene Belohnung Ein Procent von der verbürgten Summe in der Regel
nicht über steigen.
§. 366. Auch wenn mehrere Bürgen gemeinschaftlich für eine
solche Schuld sich verbürgt haben, können sie, zusammengenommen, nur Ein
Procent zur Belohnung sich vorbedingen.
§. 367. Dagegen ist, wenn die Bürgschaft mehrere Jahre
dauert, die Bestimmung der Prämie auf Ein Procent für jedes Jahr zuläßig.
§. 368. Wegen einer Belohnung des Rückbürgen, für die
übernommene Vertretung des Hauptbürgen, finden eben diese Vorschriften
Anwendung.
§. 369. Wer eine Caution für fortwährende Verbindlichkeiten,
ohne Zeitbestimmung, gegen Vergeltung übernommen hat, ist zu einer nicht
vorbedungenen Aufkündigung gegen den Hauptschuldner nur in den Fällen des §.
357. 358. berechtigt.
§. 370. Muß der Bürge baares Geld zur Sicherheit des
Gläubigers niederlegen: so kann er, außer der vorbedungenen Belohnung, auch die
Vergütung der landüblichen Zinsen fordern.
§. 371. Doch kommen dem Schuldner diejenigen Zinsen zu gute,
welche das niedergelegte Geld bey dessen Austhuung aus dem gerichtlichen
Deposito getragen hat.
§. 372. Sind geldwerthe auf jeden Inhaber lautende Papiere
statt baaren Geldes niedergelegt worden: so ist der Schuldner dem Bürgen den
Unterschied zwischen den Zinsen dieser Papiere, und den landüblichen Zinsen, zu
vergüten gehalten.
///. Von mehrern Mitbürgen,
§. 373. Das Verhältniß mehrerer Mitbürgen, sowohl gegen den
Gläubiger und Schuldner, als unter sich, ist hauptsächlich nach dem Inhalte des
errichteten Vertrags zu beurtheilen.
§. 374. So weit aber, als dieser nichts bestimmt, finden auf
solche Mitbürgen, die sich für Einen Hauptschuldner gemeinschaftlich
verpflichten, die Vorschriften von Correal-Verbindlichkeiten Anwendung. (Tit.
V. §. 424. sqq.)
§. 375. Wer nur für einen Theil der Schuld, oder überhaupt
nur für seinen Antheil sich als Bürge verpflichtet hat, der darf seinen
Mitbürgen in keinem Falle vertreten.
§. 376. Wer für einen unfähigen Bürgen gegen den Gläubiger
sich verpflichtet, der haftet letzterem als Hauptbürge.
§. 377. Wer für einen unfähigen Bürgen die Vertretung gegen
seine Mitbürgen übernimmt, der wird in Ansehung dieser selbst als Mitbürge
angesehn.
§. 378. Wenn mehrere Personen, ein jeder besonders, die
Bürgschaft für Eine Verbindlichkeit übernehmen: so hat der Gläubiger die Wahl,
einen jeden derselben, nach Höhe der geleisteten Bürgschaft, ganz, oder auf
einen Theil der Schuld, so lange in Anspruch zu nehmen, bis er wegen seiner
ganzen Forderung befriedigt ist.
§. 379. Dagegen findet in Ansehung solcher Bürgen unter
sich, so wie keine gemeinsame Verbindlichkeit, also auch keine gegenseitige
Vertretung, statt.
IV. Von Rückbürgen.
§. 380. Der Rückbürge ist schuldig, dem Hauptbürgen alle aus
der Bürgschaft entstandenen Schäden und Kosten zu vergüten.
§. 381. Doch ist der Hauptbürge verbunden, sich zuerst an
den Hauptverpflichteten zu halten, und wenn er diesen in Anspruch nimmt, dem
Rückbürgen davon Nachricht zu geben.
§. 382. Eben so muß der Hauptbürge, wenn er von dem
Gläubiger in Anspruch genommen wird, den Rückbürgen zum Prozesse mit vorladen
lassen.
§. 383. Der Rückbürge tritt, so weit er den Hauptbürgen
befriedigt hat, auch ohne Cession, in alle Rechte desselben gegen den
Verpflichteten.
§. 384. Der Rückbürge hat, wegen der Befreyung von der
Bürgschaft, eben die Rechte gegen den Hauptbürgen, welche diesem gegen den
Gläubiger, und gegen den Hauptverpflichteten zukommen.
V. Ende der Bürgschaft.
§. 385. Sobald die Verbindlichkeit, wofür die Bürgschaft bestellt
worden, aufhört, fällt auch die Pflicht des Bürgen hinweg.
§. 386. Ist durch einen, ohne Zuziehung des Bürgen, zwischen
dem Berechtigten und Hauptverpflichteten getroffenen Vergleich die
Verbindlichkeit des letztern auf einen mindern Betrag heruntergesetzt worden,
so kommt dieses auch den Bürgen zu statten.
§. 387. So weit aber wegen Nichterfüllung des Vergleichs die
ursprüngliche Verbindlichkeit des Hauptschuldners wieder eintritt, wird auch
der Bürge für den ursprünglichen Vertrag wieder verhaftet. (Tit. XVI. §. 445.
sqq.)
§. 388. Uebrigens werden die aus der Bürgschaft entstehenden
Pflichten auf eben die Art, wie andre Verbindlichkeiten aufgehoben. (Tit. XVI.)
§. 389. Wenn der Gläubiger den ersten Bürgen seiner
Verbindlichkeit entläßt: so kommt dieses auch dem zweyten, welcher für diesen
sich verpflichtet hat, zu statten.
§. 390. Dagegen werden durch die Entlassung Eines von
mehrern Mitbürgen die Rechte und Verbindlichkeiten der übrigen, sowohl gegen
den. Entlassenen, als unter sich, nicht geändert.
§. 391. Die Verjährung, welche den Hauptschuldner von seiner
Verbindlichkeit befreyt, hebt auch die Verbindlichkeit des Bürgen auf.
§. 392. Alles, was die Verjährung gegen den Hauptschuldner
hemmt, unterbricht sie auch gegen den Bürgen.
§. 393. Hat der Bürge sich als Selbstschuldner verpflichtet,
oder dem Einwande, daß der Hauptschuldner zuerst belangt werden müsse, gültig
entsagt, so kann er sich mit einer bloß in Ansehung des Hauptschuldners
abgelaufenen Verjährung gegen den Gläubiger nicht schützen.
§. 394. Auch wird das Recht des Gläubigers gegen den Bürgen,
und eines Mitbürgen gegen den andern nicht verjährt, so lange die
Verbindlichkeit des Hauptschuldners noch nicht erloschen ist.
§. 395. Entsteht Concurs über das Vermögen des Bürgen, so
muß der Gläubiger, auch wenn der Fall der Vertretung noch nicht vorhanden wäre,
sein eventuelles Recht darauf bey dem Richter des Concurses dennoch anzeigen.
§. 396. Unterläßt er dieses, so kann er sich an die zum
Concurse gezogene Masse auch in der Folge nicht halten.
§. 397. Gelangt der Bürge nachher wiederum zu bessern
Vermögensumständen, so bleiben zwar dem Gläubiger seine Rechte gegen denselben,
gleich andern im Concurse ausgeschlossenen, oder leer ausgegangenen Gläubigern,
vorbehalten;
§. 398. War aber der Fall der Vertretung zur Zeit des
entstandenen Concurses schon wirklich vorhanden, so kommt dem Bürgen die
Rechtswohlthat der Competenz gegen den Gläubiger unter eben den Umständen zu
statten, unter welchen ein Schuldner sich deren gegen seine ältern Gläubiger
bedienen kann.
VI. Von Expromissionen,
§. 399. Wenn jemand eine fremde Schuld statt des ersten
Schuldners übernimmt, (Expromission) so fällt alle Verbindung zwischen letzterm
und dem Gläubiger hinweg.
§. 400. Zu dergleichen Uebernehmung aber wird allemal ein
schriftlicher Vertrag, und die ausdrückliche Einwilligung des Gläubigers
erfordert.
§. 401. Ist es nach der Fassung des Instruments, und nach
den Umständen zweifelhaft: ob die Parteyen eine Expromission, oder nur eine
Bürgschaft haben vollziehen wollen: so wird letzteres vermutet.
§. 402. Ist derjenige, welcher die fremde Schuld übernommen
hat, selbst Darlehnsverträge zu schließen unfähig, und dieses dem Gläubiger
nicht bekannt gewesen: so bleibt die Verbindlichkeit des ersten Schuldners bey
Kräften.
§. 403. Hat aber der Gläubiger die Unfähigkeit des ihm
vorgeschlagenen neuen Schuldners gewußt; oder doch, bey Anwendung der
gewöhnlichen Aufmerksamkeit, wissen können; und denselben gleich wohl, mit
Entlassung des vorigen Schuldners angenommen: so kann er sich in der Regel auch
an letztern nicht ferner halten. (§. 409.)
§. 404. In wie fern der befreyete Schuldner dem Uebernehmer
seiner Verbindlichkeit verpflichtet werde, ist nach dem Inhalte des zwischen
ihnen geschlossenen Vertrags oder vorgefallenen Geschäfts zu beurtheilen.
§. 405. Daß der Uebernehmer sich des Rechts, Vergütung von
dem befreyeten Schuldner zu fordern, habe begeben wollen, wird in der Regel
nicht vermuthet.
§. 406. Hat der Uebernehmer den ersten Schuldner, ohne
dessen ausdrückliche Einwilligung, von seiner Verbindlichkeit befreyet, so wird
die Sache zwischen ihnen nach den Regeln des Zweyten Abschnitts im vorigen
Titel beurtheilt.
besonders der Frauenspersonen.
§. 407. Soll eine Frauensperson die Schuld eines andern
durch Expromission übernehmen: so kann dieses gültiger Weise nur gerichtlich
geschehen.
§. 408. Auch eine gerichtliche Expromission kann die
Frauensperson unter eben den Umständen, und binnen eben der Zeit widerrufen,
als ein Geschenkgeber eine auch gerichtlich vollzogene Schenkung, wegen
Uebermaaßes zurücknehmen kann. (Tit. XL §. 1091. sqq.)
§. 409. So weit die Expromission der Frauensperson nach
obigen Regeln (§. 407. 408.) ungültig ist, oder widerrufen wird, kann der
Gläubiger an den vorigen Schuldner, welchen er bloß in Rücksicht dieser
Expromission entlassen hat, sich wieder halten.
§. 410. So weit die Frauensperson für die Expromission von
dem befreyeten Schuldner Vergütung erhalten hat, ist ihre Expromission, gleich
jeder andern, gültig und wirksam.
§. 411. Hat die Frauensperson für den ersten Schuldner
wirklich Zahlung geleistet, so kann sie dieselbe von dem Gläubiger, unter dem
Vorwande, daß ihre Expromission ungültig oder widerruflich gewesen, nicht
zurückfordern.
§. 412. Gegen den befreyeten Schuldner aber, dessen
Verbindlichkeit sie ohne Vergütung übernommen hat, bleiben ihr ihre Rechte,
entweder nach dem Zweyten Abschnitte des vorigen Titels, oder nach den Regeln
vom Widerrufe der Schenkungen, vorbehalten.
Vierter Abschnitt
Von Pfändungen
Begriff.
§. 413. Pfändung heißt die eigenmächtige Besitznehmung einer
fremden Sache, in der Absicht, sich dadurch den Ersatz eines zugefügten
Schadens zu versichern, oder künftige Schadenszufügungen und Beeinträchtigungen
seines Rechts abzuwenden.
Wenn Pfändungen zuläßig sind.
§. 414. Pfändungen sind, als eine Art der Privatgewalt nur
alsdann zuläßig, wenn ohne dieselben der Zweck der Sicherstellung wegen eines
schon erlittenen Schadens, oder der Abwendung noch bevorstehender
Beeinträchtigungen, durch richterliche Hülfe nicht erlangt werden kann.
§. 415. Sie finden also nur statt, wenn der Beschädiger oder
Störer unbekannt, unsicher, oder ein Fremder ist, der innerhalb der Provinz
nicht belangt werden kann.
§. 416. Ferner alsdann, wenn die Pfändung das einzige Mittel
ist, sich den Beweis der geschehenen Beeinträchtigung oder des erlittenen
Schadens zu versichern.
§. 417. Wegen bloß verwirkter Strafen kann eine Privatperson
nur alsdann zur Pfändung schreiten, wenn sie ein besonderes Interesse dabey
hat, daß durch Vollstreckung der Strafe ihr Recht gegen künftige
Beeinträchtigungen gesichert werde.
§. 418. Gegen Posten, Staffetten und Curiers ist keine
Pfändung erlaubt.
§. 419. Die Pfändung darf, nur auf frischer That, nachdem
die Beschädigung oder Störung erfolgt ist, geschehen.
Wo gepfändet werden könne.
§. 420. Außerhalb der Gränzen der Feldflur, auf welcher die
Beschädigung oder Störung erfolgt ist, darf der Beeinträchtigte den Beschädiger
oder Störer mit Pfändung nicht verfolgen.
§. 421. Hat jemand auf einer fremden Feldflur ein auf einen
gewissen Distrikt eingeschränktes Recht, so kann er nur innerhalb dieses
Distrikts Pfändungen vornehmen.
§. 422. Erstreckt sich das Revier, innerhalb dessen jemand
ein Recht auszuüben hat, über die Gränzen einer Feldflur hinaus: so bestimmen
die Gränzen des Reviers den Bezirk, in welchem er Pfändungen vorzunehmen
berechtigt ist.
Wie, und
§. 423. Um der Sache, welche gepfändet werden soll, sich zu
bemächtigen, sollen weder gefährliche Waffen, noch reißende Hunde gebraucht
werden.
was gepfändet werden könne.
§. 424. In der Regel sind nur Vieh, und andere bewegliche
Sachen, ein erlaubter Gegenstand der Pfändung.
§. 425. Aber auch von diesen muß nicht mehr gepfändet
werden, als nothwendig ist, um den erlittenen Schaden nach einem ungefähren
Ueberschlage zu decken, oder sich des Beweises der unternommenen
Beeinträchtigung zu versichern.
§. 426. Ist der Gepfändete erbötig, statt des zu pfändenden
Stücks ein andres Pfand, welches zu vorstehender Deckung des Pfändenden
hinreichend ist, niederzulegen; so ist der Pfändende selbiges anzunehmen, und
nöthigen Falls dem Andern bis an den nächsten Ort, wo die Niederlegung
geschehen kann, zu folgen schuldig.
§. 427. Von Fracht- und Reisewagen dürfen die geladenen
Güter, wider den Willen des Inhabers, nicht gepfändet werden.
§. 428. Wegen bloßen Uebertretens des Viehes in
ungeschlossenen Feldern findet unter Nachbarn keine Pfändung statt.
§. 429. Ganze Heerden zu pfänden ist nur alsdann erlaubt,
wenn einzelne Stücke davon nicht gepfändet werden können, oder wenn durch
Pfändung solcher einzelnen Stücke der gesetzmäßige Zweck der Pfändung gar nicht
zu erreichen stünde.
§. 430. Personen sollen nur alsdann angehalten werden, wenn
die Sachpfändung entweder gar nicht, oder nicht, ohne sich zugleich der Person
zu versichern, bewerkstelligt werden kann.
Pflichten des Pfändenden nach geschehener Pfändung.
§. 431. Der Pfänder muß die geschehene Pfändung den
Gerichten des Orts sofort anzeigen, und die gepfändeten Stücke denselben zur
Verwahrung abliefern.
§. 432. Ist der Gerichtshalter nicht gegenwärtig, so mag die
Ablieferung auch nur an die Dorfgerichte gültig geschehen.
Pflichten der Gerichte bey geschehenen Pfändungen.
§. 433. Ist die Pfändung wegen einer Beschädigung
unternommen worden, so müssen die Gerichte den Schaden sofort untersuchen und
abschätzen.
§. 434. Haben die Gerichte des Orts, wo die Pfändung
geschehen ist, oder die ganze Gemeine ein Interesse bey der Sache: so muß der
Gerichtshalter benachbarte unparteyische Gerichte zuziehn.
§. 435. Zu dieser Abschätzung muß der Gepfändete vorgeladen
werden, wenn derselbe gegenwärtig, oder dergestalt in der Nähe ist, daß er
binnen vier und zwanzig Stunden erscheinen könnte.
§. 436. Hat aber der Gepfändete sich entfernt; oder
erscheint derselbe auf die ergangene Vorladung nicht: so kann die Abschätzung
auch ohne ihn vor genommen werden.
§. 437. Der Beschädiger ist allemal schuldig, auf die
Entschädigungsklage bey den Gerichten des Orts, wo die Pfändung erfolgt ist,
sich einzulassen.
§. 438. Hat der Beschädiger auch innerhalb Dreyer Tage nach
der Abschätzung sich nicht gemeldet: so kann mit gerichtlicher Versteigerung
des Pfandes verfahren werden.
Rechte des Pfändenden aus einer gehörig geschehenen
Pfändung.
§. 439. Von dem gelöseten Kaufgelde kann der Pfänder den
Ersatz des Schadens, alle gerichtlichen und außergerichtlichen durch die
Pfändung verursachten Kosten, und das in den Provinzialgesetzen näher bestimmte
Pfandgeld fordern.
§. 440. Wenn der Schade von mehrern verursacht, und nur
einer oder etliche gepfändet worden: so kann dennoch der Pfänder seine
Entschädigung für das Ganze aus dem gelöseten Kaufgelde nehmen.
§. 441. Bey Vieh kann das Pfandgeld nicht von der ganzen
Heerde, sondern nur von den gepfändeten Stücken gefordert werden.
§. 442. Ist also in dem Falle des §. 429. oder sonst eine
ganze Heerde angehalten, oder eingetrieben worden; so müssen die Gerichte des
Orts, und in Abwesenheit des Justitiarii die Dorfgerichte, sofort bestimmen:
wie viel Stücke davon nach dem Grundsatze §. 425. bis zum Austrage der Sache
zurückbehalten werden sollen.
§. 443. Nur diese Stücke sind als gepfändet anzusehen, und
nur von diesen kann Pfandgeld gefordert werden.
§. 444. Das Pfandgeld verbleibt dem Pfänder, wenn bloß wegen
Stöhrung gepfändet worden; oder derselbe sich damit statt des Schadensersatzes
begnügen will.
§. 445. Fordert aber der Pfänder besondern Schadensersatz;
so muß er die Hälfte des Pfandgelds der gemeinen Kasse des Orts überlassen.
Rechte des Gepfändeten.
§. 446. Widerspricht der Gepfändete der Rechtmäßigkeit der
Pfändung, und dem Verkaufe der Pfandstücke, so muß ihm darüber rechtliches
Gehör verstattet werden.
§. 447. Zu dieser rechtlichen Erörterung gehört es auch,
wenn der Gepfändete behauptet, daß der wirklich vorgefallene Schade durch die
eigne Schuld und Nachläßigkeit des Pfändenden entstanden sey.
§. 448. Sobald der Gepfändete auf rechtliches Gehör anträgt,
müssen ihm die Gerichte die gepfändeten Stücke, mit Vorbehalt der Rechte des
Pfänders, abfolgen lassen.
§. 449. Steht jedoch der Gepfändete unter einer andern
Gerichtsbarkeit; oder ist er nicht für hinlänglich sicher zu achten: so kann er
die Verabfolgung der Pfänder nur gegen Bestellung einer annehmlichen Caution
für alles das, was der Beschädigte nach §. 439. zu fordern hat verlangen.
§. 450. So oft die Verabfolgung der Pfänder vor ausgemachter
Sache geschieht, muß der Gepfändete dieselben aus der gerichtlichen Verwahrung
abholen.
Von Pfändungen, die bloß zum Schutze gegen Stöhrungen
geschehen.
§. 451. Ist die Pfändung bloß in der Absicht, sich gegen
Beeinträchtigungen eines vermeintlichen Rechts zu schützen vorgenommen worden:
so kann der Pfänder nur das Pfandgeld und den Ersatz der Kosten fordern.
§. 452. Der Richter des Orts muß also die Parteyen nur
summarisch vernehmen, und die Pfandstücke dem Eigenthümer, jedoch in dem Falle
des §. 449. gegen Caution abfolgen lassen.
§. 453. Auch muß dem Pfändenden, auf sein Verlangen, eine
Recognition über die erfolgte Pfändung, und die nur mit Vorbehalt seines Rechts
geschehene Rückgabe der Pfänder, auf Kosten des Gepfändeten ausgefertigt
werden.
§. 454. Das Erkenntniß über die Rechtmäßigkeit der Pfändung,
und was dem anhängig ist, bleibt in diesem Falle bis zum Erkenntnisse in der
Hauptsache ausgesetzt.
§. 455. Die Klage über die Beeinträchtigung muß bey dem
ordentlichen Gerichtsstande, wohin die Sache auch ohne Rücksicht auf die
geschehene Pfändung gehören würde, angestellt werden.
§. 456. Ist aber der Gepfändete ein Ausländer, so muß er
Caution bestellen, daß er vor den Gerichten des Orts sich einlassen, und was
erkannt werden wird, gehörig befolgen wolle.
§. 457. Weigert er sich dessen, so soll das Pfand
gerichtlich verkauft, Pfandgeld und Kosten davon bestritten, der Ueberrest in
das gerichtliche Depositum genommen, und dem Pfänder nach §. 453. Recognition
ertheilt werden.
Excesse bey Pfändungen.
§. 458. Einer gesetzmäßig unternommenen Pfändung darf sich
niemand widersetzen.
§. 459. Wer sich dem Pfändenden im Begriffe der
vorzunehmenden Pfändung entzieht, muß das Pfandgeld doppelt, und wer sich der
Pfändung mit Gewalt widersetzt, muß dasselbe vierfach entrichten.
§. 460. Der das einfache Pfandgeld übersteigende Betrag
fällt, als Strafe, allemal der gemeinen Kasse des Orts anheim.
§. 461. Wer bey einer vorfallenden Pfändung den Andern
schimpft, schlägt, oder sonst beschädigt, soll nach aller Strenge der
Criminalgesetze bestraft werden.
§. 462. Wer unrechtmäßiger Weise gepfändet hat, muß das
Pfand dem Andern kostenfrey zurück liefern, und demselben für den verursachten
Schaden und entgangenen Gewinn vollständige Genugthuung leisten.
§. 463. Auch hat derjenige, welcher Pfändungen
widerrechtlich vornimmt, nach Bewandniß der Umstände, die gesetzmäßigen Strafen
der unerlaubten Selbsthülfe oder beleidigten Freyheit des Andern verwirkt. (Th.
II. Tit. XX. Absch. IV. XII.)
§. 464. Ist die unrechtmäßige Pfändung ohne Verübung
persönlicher Gewalt geschehen: so dient der Betrag des im Falle der
Rechtmäßigkeit zu erlegen gewesenen Pfandgeldes, zum Maaßstabe der dem
unbefugten Pfänder aufzulegenden Geldstrafe.
§. 465. Auch derjenige, welcher, nachdem er gepfändet
worden, sich eigenmächtig wieder in Besitz des Pfandes zu setzen unternimmt,
oder einer Gegenpfändung aus vermeintlichem Wiedervergeltungsrechte, sich
anmaßt, wird nach den Vorschriften §. 462-464. beurtheilt.
Fünfter Abschnitt
Von Protestationen
§. 466. In allen Fällen, wo die Pfändung nach den Gesetzen
nicht statt findet, oder der Berechtigte sich dieses Mittels nicht bedienen
will, kann er sein Recht durch eine gerichtliche Protestation gegen alle
nachtheilige Folgen verwahren.
§. 467. Er muß aber zugleich dafür sorgen, daß die
eingelegte Protestation dem Gegentheile durch die Gerichte bekannt gemacht
werde.
§. 468. Von Protestationen zur Unterbrechung der Verjährung;
zur Verhütung der für ein Realrecht auf ein Grundstück durch die Anträge und
Verfügungen eines Dritten bey dem Hypothekenbuche zu besorgenden Nachtheils;
ingleichen von Wechselprotestationen, ist das Erforderliche gehörigen Orts
vorgeschrieben. (Tit. IX. §. 603. Tit. XX. §. 417. Th. II. Tit. VII. Abschn.
VIII.)
§. 469. Bloße Vorbehalte bey Zahlungen, und andern
dergleichen Handlungen, wodurch die Erfüllung einer Verbindlichkeit geleistet
wird, sind nicht nach den Regeln von Protestationen zu beurtheilen; sondern,
ihre Wirkung ist nach der Natur der Handlung selbst, welcher sie beygefügt
werden, zu bestimmen.
Fünfzehnter Titel
Von Verfolgung des Eigenthums
Wer vindiciren könne.
§. 1. Der wahre Eigenthümer hat das Recht, seine Sache, die
seiner Gewahrsam ohne seinen Willen entnommen ist, oder vorenthalten wird, von
jedem Inhaber und Besitzer zurückzufordern.
§. 2. Wie weit dieses Rückforderungsrecht auch einem
Besitzer gegen andre Inhaber und Besitzer, und selbst gegen den Eigenthümer
zukomme, ist im Siebenten Titel bestimmt. (Tit. VII. §. 162. sqq.)
§. 3. Auch der Eigenthümer eines Rechts kann dieses
Eigenthum gegen jeden Anmaßer desselben verfolgen.
§. 4. In wie fern der Besitzer eines Rechts diesen seinen
Besitz gegen einen Andern, der sich eben desselben Rechts anmaßt, verfolgen
könne, ist nach gleichen Regeln, wie bey dem Besitze körperlicher Sachen, zu
beurtheilen.
§. 5. Der Umfang des Rechts selbst aber, und in wie fern die
darunter begriffenen Befugnisse nur gegen gewisse Personen, oder auf gewisse
Sachen, und gegen jeden Besitzer derselben ausgeübt werden können, ist nach der
Natur und Beschaffenheit des Rechts zu beurtheilen. (Tit. II. §. 131. sqq.)
§. 6. Kinder können die zu ihrem Vermögen g hörenden von dem
Vater veräußerten Grundstücke und Gerechtigkeiten, wenn die Veräußerung mit
Vernachläßigung der gesetzlichen Vorschriften geschehen ist, auch bey noch
fortdauernder väterlicher Gewalt zurückfordern.
§. 7. Eine gleiche Befugniß steht auch der Ehefrau, in
Ansehung der zum vorbehaltenen Vermögen gehörenden Stücke, ingleichen wegen der
eingebrachten Grundstücke und Gerechtigkeiten, wenn sie der Mann gegen die
Vorschrift der Gesetze einseitig veräußert hat, noch während der Ehe zu. (Th.
II. Tit. I. Abschn. V.)
§. 8. Erben können ihre eigenen von dem Erblasser
veräußerten Sachen zurückfordern.
§. 9. Sie müssen aber dem Beklagten, nach den Kräften der
Erbschaftsmasse, eben so gerecht werden, als der Erblasser dazu, wenn die
Vindication noch bey seiner Lebenszeit erfolgt wäre, verpflichtet gewesen seyn
würde.
§. 10. Sind sie Erben ohne Vorbehalt geworden, so können sie
auch ihre eigenen von dem Erblasser veräußerten Sachen nicht vindiciren.
Gegen wen die Vindication stattfinde.
§. 11. Das Recht der Rückforderung findet nur gegen den
wirklichen Besitzer oder Inhaber der Sache statt; in so fern letzterer sich
nicht durch Benennung dessen, für den er besitzt, von dem Ansprüche befreyet.
(Tit. VH. §. 165. sqq.)
§. 12. Wer sich zum Schaden des Klägers für den Besitzer der
Sache fälschlich ausgegeben hat, haftet demselben für das ganze Interesse.
§. 13. Der Kläger ist also zwar schuldig, wegen der Sache
selbst an den wahren Besitzer, in so fern dieselbe gegen diesen noch vindicirt
werden kann, sich zu halten.
§. 14. Wenn aber auch dieses geschieht, so bleibt ihm
dennoch der sich angebende falsche Besitzer, wegen alles aus dieser falschen Angabe
erwachsenden Schadens, und entgehenden Gewinns, verantwortlich.
§. 15. Eben diese Vorschriften finden auch gegen denjenigen
statt, der eine Sache unredlicher Weise an sich gebracht, und sie hiernächst
weiter veräußert hat.
§. 16. Derjenige, welcher die in Anspruch genommene Sache,
nach eingehändigter Vorladung, weiter veräußert, wird in so fern einem
unredlichen Besitzer gleich geachtet.
Wirkungen der Vindication gegen einen unredlichen oder
unrechtfertigen Besitzer.
§. 17. Wer eine fremde Sache unredlicher Weise an sich
gebracht hat, muß sie dem dazu besser berechtigten Rückforderer unentgeltlich
herausgeben.
§. 18. Ein Gleiches findet gegen jeden statt, welcher die
Sache von einer verdächtigen Person an sich gebracht hat.
§. 19. Für verdächtig sind diejenigen anzusehen, welche mit
Sachen derselben Art, von welcher die Rede ist, nicht zu handeln, oder
dergleichen nach ihrem Stande und Lebensart nicht zu besitzen pflegen.
§. 20. Was der unredliche Besitzer, oder der dem selben
gleich zu achten ist, wegen der Nutzungen, Schäden und Kosten, dem Rückforderer
zu vertreten habe, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. VII. §. 222. sqq.)
§. 21. Wer eine Sache von einem solchen, von dem er weiß,
oder muthmaßt, daß er darüber zu verfügen nicht berechtigt sey, an sich bringt,
in der Absicht, dieselbe dem rechtmäßigen Eigenthümer oder Besitzer zu
erhalten: der ist nach den Regeln des Zweyten Abschnitts im Dreyzehnten Titel
zu beurtheilen.
§. 22. Wer aber mit diesem Einwände gegen die rechtlichen
Folgen einer unrechtfertigten Erwerbung sich schützen will; der muß nachweisen,
daß er seine Absicht, die Sache für den Eigenthümer zu erhalten, bey, oder
sogleich nach der Erwerbung, deutlich an den Tag gelegt habe.
§. 23. Was wegen der Sachen, welche der Feind erbeutet, und
nachher an andre überlassen hat, Rechtens sey, ist gehörigen Orts
vorgeschrieben. (Tit. IX. §. 199. 200.)
gegen einen redlichen Besitzer.
§. 24. Wer die entfremdete Sache zwar redlicher Weise, aber
unentgeltlich, an sich gebracht hat, muß sie gleichergestalt unentgeltlich dem
rechtmäßigen Eigenthümer oder Besitzer verabfolgen.
§. 25. Wer die dem rechtmäßigen Eigenthümer oder Besitzer
abhanden gekommene Sache, von einer unverdächtigen Person, durch einen lästigen
Vertrag an sich gebracht hat, muß dieselbe zwar ebenfalls zurückgeben;
§. 26. Er kann jedoch dagegen die Erstattung alles dessen,
was er dafür gegeben, oder geleistethat, fordern.
§. 27. Die Rechte und Pflichten eines redlichen Besitzers,
in Ansehung der auf seine Besitzzeit treffenden Ausgaben, Nutzungen,
Verbesserungen, und Verschlimmerungen, sind im Titel vom Besitze bestimmt.
(Tit. VII. §. 189. sqq.)
§. 28. Hat der redliche Erwerber einer fremden Sache selbige
redlicher Weise hinwiederum veräußert: so ist er dem Eigenthümer, wenn dieser
auf andre Art nicht vollständig entschädigt werden kann, den bey der
Veräußerung gezogenen Vortheil zu verabfolgen gehalten.
§. 29. Bey Berechnung dieses Vortheils muß dem gewesenen
redlichen Besitzer alles, was er während seiner Besitzzeit anderwärts her, als
aus der Sache selbst, zu deren Erhaltung oder Verbesserung verwendet hat, zu
gute gerechnet werden.
§. 30. Auch findet dergleichen Anspruch an den gewesenen
Besitzer der Regel nach nur innerhalb Eines Jahres, nach der von ihm
geschehenen Veräußerung, statt.
§. 31. Kann der Beklagte nachweisen, daß er den bey der
Veräußerung gezogenen Vortheil durch Zufall wieder verloren habe: so ist er
auch innerhalb dieser Jahresfrist von dessen Herausgebung an den Kläger frey.
§. 32. Dagegen ist der Kläger, auch nach Ablauf der Frist,
die Herausgabe des Vortheils zu fordern berechtigt, wenn er nachweisen kann,
daß der Beklagte sich noch wirklich im Besitze desselben befinde.
Von der Angabe und Nachweisung des Besitztitels.
§. 33. In welchen Fällen derjenige, der wegen einer in
seinem Besitze befindlichen Sache angesprochen wird, zur Angabe seines
Besitztitels gehalten sey, ist gehörigen Orts festgesetzt. (Tit. VII. §. 180.
sqq.)
§. 34. Sobald der Kläger nachgewiesen hat, daß die in
Anspruch genommene Sache seinem rechtmäßigen Besitze ohne seinen Willen
entkommen sey, ist der Beklagte in allen Fällen schuldig, seinen Besitztitel,
und den, von welchem er denselben erhalten hat, anzugeben.
§. 35. Bey Erben eines solchen in Anspruch genommenen
Besitzers ist es genug, wenn sie nachweisen, daß die streitige Sache in dem
Nachlasse befindlich gewesen sey.
§. 36. Wegen der in öffentlichen Versteigerungen, in
Kaufläden, oder auf Messen und Märkten erkauften Sachen, finden überhaupt die
Vorschriften des §. 42. 43. 44. Anwendung.
§. 37. Wer in den nicht ausgenommenen Fällen seinen Vormann
und Besitztitel nicht angeben kann, muß die Sache unentgeltlich zurückgeben.
§. 38. Dagegen ist dieser Umstand allem noch nicht
hinreichend, ihn zu den übrigen Vertretungen eines unredlichen Besitzers, wegen
der Nutzungen, Schäden, und sonst, zu verpflichten.
§. 39. Wer aber auf gerichtliches Befragen, die Angabe
seines Vormannes oder Besitztitels beharrlich verweigert, ohne Umstände
nachweisen zu können, die es wahrscheinlich machen, daß ihm beydes wirklich
unbekannt oder entfallen sey; der ist in allem Betrachte für einen unredlichen
Besitzer zu achten.
§. 40. Ein Gleiches findet gegen denjenigen statt, der den
Besitz der Sache dem Richter freventlich abgeleugnet hat.
§. 41. Werden Besitz einer gestohlnen oder verlorenem Sache
verheimlicht, der begründet die Vermuthung wider sich, daß er sie unredlicher
Weise an sich gebracht habe.
Was für Sachen nicht vindicirt werden können.
§. 42. Sachen, die von dem Fisko, oder bey öffentlichen
Versteigerungen erkauft worden, sind keiner Vindikation unterworfen.
§. 43. Ein Gleiches gilt von Sachen, die in den Läden
solcher Kaufleute, welche die Gilde gewonnen haben, erkauft worden.
§. 44. Wer außerdem eine Sache auf Messen und Märkten, oder
sonst von Leuten, welche Sachen dieser Art unter obrigkeitlicher Erlaubniß
öffentlich feil haben, erkauft hat, dem kommen, wegen der nur gegen Ersatz zu
leistenden Rückgabe, die Rechte eines redlichen Besitzers zu.
§. 45. Baares cursirendes Geld kann gegen einen redlichen
Besitzer nicht zurück gefordert werden, wenn selbiges auch noch unvermischt und
unversehrt, in dem Beutel oder anderem Behältnisse, in welchem es vorhin
gewesen ist, gefunden werden sollte.
§. 46. Hat jedoch der gegenwärtige Besitzer des Geldes,
welches unter obigen Umständen noch von allem andern Gelde mit Gewißheit
unterschieden werden kann, dasselbe unentgeltlich überkommen; so muß er es dem
Eigenthümer herausgeben.
§. 47. Obige Vorschriften (§. 45. 46.) gelten auch von den
auf jeden Inhaber lautenden Papieren und Urkunden, so lange dieselben nicht
außer Curs gesetzt werden.
§. 48. Außers Curs sind solche Papiere gesetzt, wenn der
Eigenthümer sein Recht daran, auf eine in die Augen fallende Art, auf dem
Instrumente selbst vermerkt hat;
§. 49. Ingleichen alsdann, wenn auf den unter öffentlicher
Autorität ausgefertigten Papieren dieser Art, durch einen den Regeln des
Instituts gemäßen Vermerk erklärt ist, daß sie nicht mehr an jedem Inhaber zahlbar
seyn sollen.
§. 50. Privatvermerke (§. 48.) können nicht anders, als nach
vorhergegangener gerichtlicher Untersuchung, durch ein auf das Instrument
selbst gesetztes gerichtliches Attest aufgehoben, und das Papier wieder in Curs
gesetzt werden.
§. 51. Die §. 49. beschriebenen Vermerke hingegen kann nur
dasjenige Institut: welches sie gemacht hat, wieder aufheben.
§. 52. Die öffentliche Bekanntmachung der Entwendung oder
des Verlustes eines solchen Instruments, ist noch nicht hinreichend,
denjenigen, welcher das selbe vor oder nachher an sich bringt, als einen
unredlichen Besitzer darzustellen.
§. 53. Nur alsdann ist der öffentlichen Bekanntmachung diese
Wirkung beyzulegen, wenn der Eigenthümer den Besitzer überführen kann, daß
dieser davon, zur Zeit des Erwerbes, wirklich Wissenschaft gehabt habe.
§. 54. Der Eigenthümer verliert sein Recht auf eine
unbewegliche Sache, wenn er nach gesetzmäßig ergangener Edictalcitation,
dasselbe nicht gehörig anmeldet und nachweiset.
§. 55. Wie weit durch das Aufgebot gefundener Sachen das
Recht des Eigenthümers, zum Besten des Finders, und der Armencasse verloren
geht, ist gehörigen Orts festgesetzt. (Tit. IX. §. 31. sqq.)
§. 56. Die einmal gegen den Eigenthümer verjährte Sache kann
derselbe nicht zurückfordern.
Sechszehnter Titel
Von den Arten, wie Rechte und Verbindlichkeiten aufhören
§. 1. Das Eigenthum einer Sache geht durch deren physische
Veränderung nur in den Fällen verloren, welche die Gesetze ausdrücklich
bestimmen. (Tit. IX. §. 275. sqq.)
§. 2. Der gänzliche Untergang einer Sache hat von selbst den
Verlust aller darauf haftenden Rechte zur Folge.
§. 3. Entsteht jedoch aus der untergegangenen Sache eine
andere, so gehen alle Rechte, die auf jener hafteten, auch auf diese in so weit
über, als sie darauf ausgeübt werden können.
§. 4. Findet die Ausübung des vorigen Rechts auf der neu
entstandenen Sache, ihrer Natur nach, nicht statt: so muß dennoch derjenige,
welcher aus der neuen Sache Vortheil ziehen will, den Berechtigten
vernaltnißmäßig entschädigen.
§. 5. Ist durch physische, nicht aus Willkühr eines Menschen
veranlaßte Ereignisse, eine Sache nur in so weit verändert, daß die darauf
haftenden Rechte unter obwaltenden Umständen nicht ausgeübt werden können: so
ruhet das Recht bis nach gehobenem Hindernisse.
§. 6. Durch eben die Handlungen und Begebenheiten, wodurch
das Eigenthum von Sachen und Rechten auf Andere übergeht, verliert auch der
bisherige Eigenthümer seine diesfälligen Befugnisse.
§. 7. Rechte erlöschen durch Verjährung, richterliches
Erkenntniß, und durch solche Handlungen und Begebenheiten, wodurch die
Obliegenheiten des Verpflichteten getilgt worden.
§. 8. Mit Erlöschung einer Hauptverbindlichkeit werden auch
die daraus fließenden, oder zu deren Verstärkung und Sicherheit übernommenen
Nebenverbindlichkeiten, in so fern sie nicht durch Gesetze, oder ausdrückliche
Verabredungen vorbehalten sind, aufgehoben.
§. 9. Die gewissen Classen der Verbindlichkeiten,
eigentbümlichen Arten ihrer Auflösung, sind in den Gesetzen, bey den dahin
einschlagenden Materien, besonders bestimmt.
§. 10. Ueberhaupt aber werden alle Verbindlichkeiten durch
deren Erfüllung aufgehoben.
Erster Abschnitt
Von Erfüllung der Verbindlichkeiten überhaupt
Wie erfüllt werden muß.
§. 11. Eine andere Sache oder Handlung, als zu welcher der
Verpflichtete eigentlich verbunden war, kann von Seiten des Berechtigten weder
gefordert, noch demselben aufgedrungen werden.
Was Rechtens, wegen Unmöglichkeit der Erfüllung bey
Verbindlichkeiten aus Willenserklärungen; bey Verbindlichkeiten unmittelbar aus
dem Gesetze.
§. 12. Was Rechtens sey, wenn die Erfüllung einer aus
Willenserklärungen entstandenen Verbindlichkeit dem Verpflichteten auch nur
durch ein geringes Versehen unmöglich geworden, ist gehörigen Orts bestimmt.
(Tit. V. §. 360-376. Tit. XI. §. 880. sqq. Tit. XII. §. 310. 313. u.s.w.)
§. 13. Ist die Erfüllung einer unmittelbar aus dem Gesetze
entspringenden Verbindlichkeit dem Verpflichteten, auch nur durch ein geringes
Versehen, unmöglich geworden: so muß er den Berechtigten schadlos halten.
§. 14. Ist die Unmöglichkeit ohne sein Verschulden
entstanden: so haftet er dem Berechtigten nur so weit, als er aus der
unterbleibenden Erfüllung mit dessen Schaden Vortheil ziehen würde.
Zeit der Erfüllung.
§. 15. Ein jeder ist schuldig, seine Verbindlichkeiten auch
zur gehörigen Zeit zu erfüllen.
Zögerung und deren rechtliche Folgen.
§. 16. Wer dieses unterläßt, der muß die Folgen seiner
Zögerung gegen den Berechtigten vertreten.
§. 17. Ob diese Vertretung sich bloß auf den unmittelbaren
Schaden einschränke; oder auch den mittelbaren, und den entgangenen Gewinn
unter sich begreife, ist nach der Natur des vorgewalteten Geschäfts, und nach
den allgemeinen Grundsätzen des Sechsten Titels zu beurtheilen.
§. 18. Was bey der verzögerten Uebergabe einer Sache zu
leisten sey, ist, wenn die Gesetze nicht besondere Bestimmungen bey gewissen
Geschäften vorschreiben, nach den im Siebenten Titel bestimmten Verpflichtungen
eines unredlichen Besitzers zu entscheiden. (Tit. VII. §. 203. sqq.)
§. 19. Von den rechtlichen Folgen der Zögerung bey zu
leistenden Zahlungen wird im Zweyten Abschnitte dieses Titels gehandelt. (§.
64. sqq.)
§. 20. Wo die Zeit der Erfüllung weder durch
Willenserklärungen, noch durch richterlichen Ausspruch, noch durch besondere
Gesetze bestimmt ist; da muß der Berechtigte den Verpflichteten zur Erfüllung
auffordern.
§. 21. So lange dergleichen Aufforderung zur Wissenschaft
des Verpflichteten nicht gelangt ist, kann in diesen Fällen dem letztern keine
Zögerung beygemessen werden.
§. 22. Niemand kann dem Andern eine Zögerung beymessen; so
lange er selbst von seiner Seite seiner Schuldigkeit noch keine Gnüge geleistet
hat.
§. 23. Muß, nach der Natur des Geschäfts, die
Verbindlichkeit erst von der einen Seite erfüllt werden, ehe der Andere die
gegenseitige Pflicht zu leisten schuldig ist: so kann letzterer dem Ersteren
eine Zögerung nur in so fern zur Last legen, als er seines Orts seine
Obliegenheit zu erfüllen bereit und im Stande war.
§. 24. Bey wechselseitigen Zögerungen trägt derjenige,
welcher sich derselben zuerst schuldig gemacht hat, die rechtlichen Folgen
davon nur bis zu dem Zeitpunkte, wo der Verzug des Zweyten ange angen hat.
§. 25. Kann dieser Zeitpunkt nicht ausgemittelt werden, so
wird nur auf die rechtlichen Folgen der spätem Zögerung Rücksicht genommen.
§. 26. So weit die Unmöglichkeit das gänzliche Unterbleiben
der Erfüllung entschuldigt; so weit kommt sie auch dem zu statten, der seine
Verbindlichkeit nicht zur gehörigen Zeit erfüllen kann.
Ort der Erfüllung.
§. 27. Wenn weder Willenserklärungen noch die Natur des
Geschäfts, noch besondere Gesetze, den Ort der Erfüllung näher bestimmen: so
muß dieselbe da, wo der Verpflichtete sich aufhält, geleistet und angenommen
werden.
Zweyter Abschnitt Von der Zahlung
Begriffe.
§. 28. Geschieht die Erfüllung der Verbindlichkeit des
Schuldners durch Geld, oder geldgleiche auf jeden Inhaber lautende Papiere, so
wird solches eine Zahlung genannt.
§. 29. Der, welcher eine Zahlung für seine eigne Rechnung zu
fordern befugt ist, heißt der Gläubiger.
Wem gültig bezahlt werden könne.
§. 30. Nur dem Gläubiger, oder demjenigen, welchem das Recht
desselben oder dessen Ausübung übertragen ist, kann gültig gezahlt werden.
§. 31. Ist in dem Vertrage oder Instrumente, aus welchem die
durch Zahlung zu tilgende Verbindlichkeit entspringt, jemand außer dem
Gläubiger benannt, welchem die Zahlung gültig solle geleistet werden können: so
hat der Schuldner die Wahl, an welchem er zahlen wolle.
§. 32. Diese Wahl kann ihm von dem Gläubiger nicht anders,
als gegen vollständige Entschädigung, beschränkt werden.
§. 33. In eben den Fällen aber, wo wegen veränderter
Umstände der Rücktritt von einem Vertrage überhaupt stattfindet, kann auch der
Gläubiger, diese dem Schuldner gelassene Wahl widerrufen. (Tit. v. §. 377.
sqq.) ,
§. 34. Auch durch richterliche Verfügung kann der Schuldner
das Recht und die Pflicht, einem Dritten, statt des Gläubigers, Zahlung zu
leisten, überkommen.
§. 35. Es darf aber durch dergleichen Verfügung die
Verbindlichkeit des Schuldners auf keine Weise härter oder lästiger gemacht
werden.
§. 36. So weit jemand in der Verwaltung seines Vermögens
durch Gesetze oder richterliches Erkenntniß eingeschränkt ist, kann ihm keine
gültige Zahlung geleistet werden.
§. 37. Wie weit einem Ehemanne für seine Frau; einem Vater
für seine Kinder; einem Bevollmächtigten für seinen Machtgeber; einem Verwalter
für seinen Principal; den Vorstehern der Corporationen; den Administratoren des
Fiskus; und den Vormündern für ihre Pflegebefohlnen, gültig gezahlt werden
könne: ist nach den die Befugniß dieser Personen näher bestimmenden besondern
Gesetzen zu beurtheilen. (Th. II. Tit. I. Sect. V. VI. Tit. II. Sect. III. Tit.
VI. Tit. XIV. Tit. XVIII. Sect. V. Th. I. Tit. XIII. Sect. I. Tit. XIV. Sect.
II.)
§. 38. So weit jemand durch rechtsbeständige
Willenserklärungen in der Verwaltung seines Vermögens eingeschränkt ist, so
weit können ihm auch keine gültigen Zahlungen geleistet werden.
§. 39. Doch steht dieser Grund der Ungültigkeit einer
geleisteten Zahlung nur dem entgegen, welcher die dem Gläubiger gemachte
Einschränkung gewußt hat, oder sie, nach gesetzlichen Vorschriften, hätte
wissen können und sollen. (Tit. IV. §. 15. sqq.)
Wer gültig Zahlung leisten könne.
§. 40. Aus der Unfähigkeit, gültige Zahlungen anzunehmen,
folgt noch nicht die Unfähigkeit, der gleichen zu leisten.
§. 41. Vielmehr ist jede auch von einem Unfähigen geleistete
Zahlung, zum Vortheile des Zahlenden, in so weit gültig, als er sich dadurch
von einer Verbindlichkeit befreyt hat.
§. 42. Wie weit aber die von einem solchen Unfähigen
geleistete Zahlung auch zum Vortheile des Empfängers gültig sey, oder
zurückgefordert werden könne, wird unten bestimmt. (§. 166. sqq.)
§. 43. Wer die Schuld eines Andern mit oder ohne Auftrag
bezahlt, befreyt zwar denselben von seiner Verbindlichkeit;
§. 44. So weit aber das Gezahlte nach den unten folgenden
Vorschriften zurückgefordert werden kann, tritt auch die Verbindlichkeit des
vorigen Schuldners wieder ein. (§. 72. 73.)
§. 45. Die Rechte des Zahlenden gegen den Schuldner sind, je
nachdem er die Zahlung mit oder ohne Auftrag, oder wider den Willen desselben
geleistet nat, nach den Vorschriften des Ersten und Zweyten Abschnitts im
Dreyzehnten Titel zu beurtheilen.
§. 46. Ueberhaupt tritt in der Regel der Zahlende, gegen den
Schuldner, auch ohne ausdrückliche Zession, in die Rechte des bezahlten
Gläubigers.
§. 47. In so fern aber der bezahlten Forderung nach ihrer
Qualität gewisse Vorrechte beywohnen, kann der Zahlende sich dieser Vorrechte
gegen einen dritten, ohne ausdrückliche Cession, in der Regel, und wenn nicht
besondere Gesetze ein Anderes vorschreiben, nicht bedienen.
§. 48. Eben so erlangt der Zahlende, auf eine für die
Forderung durch Bürgen oder Pfand bestellte Sicherheit, die Rechte des
Gläubigers in der Regel nur durch die ausdrückliche Cession desselben.
§. 49. Unter eben den Umständen, wo der Gläubiger von seinem
Schuldner selbst Zahlung anzunehmen verbunden seyn würde, kann er die Annahme
derselben von einem Dritten, welcher statt des Schuldners zahlen will und in
die Verwaltung seines Vermögens nicht eingeschränkt ist, nicht verweigern.
§. 50. So weit der Gläubiger dergleichen Zahlung von einem
Dritten anzunehmen schuldig ist, so weit ist er auch demselben seine Rechte an
den Schuldner abzutreten verpflichtet. (Tit. XI. §. 442. 443. 444.)
§. 51. Wenn aber beyde, der Gläubiger und Schuldner, der von
einem Dritten angebotenen Zahlung widersprechen: so kann dieselbe dem Ersten
nicht aufgedrungen werden.
Wo die Zahlung geleistet werden müsse.
§. 52. Zahlungen, die sich nicht auf Verträge gründen, ist
der Schuldner nur da, wo er wohnt, zu leisten verpflichtet.
§. 53. Dergleichen Zahlungen aus öffentlichen Kassen, und an
dieselben, müssen, außer dem Falle eines Darlehns, auf der Kasse in Empfang
genommen, und in die Kasse geleistet werden.
Wann gezahlt werden müsse.
§. 54. Zu der durch Willenserklärungen oder Gesetze
bestimmten Zeit muß der Schuldner Zahlung leisten.
§. 55. Doch ist der Gläubiger, Wechselzahlungen ausgenommen,
nicht eher, als nach gänzlichem Ab laufe des bestimmten Tages, auf die Zahlung
zu klagen berechtigt.
§. 56. Vor der bestimmten Zeit ist der Gläubiger die Zahlung
anzunehmen nicht schuldig.
Von abschläglichen und Stückzahlungen.
§. 57. Noch weniger kann ihm eine bloß abschlägliche Zahlung
aufgedrungen werden.
§. 58. Daraus allein, daß der Gläubiger einen Theil der
Zahlung angenommen hat, folgt noch keine stillschweigende Verlängerung der Zahlungsfrist
in Ansehung des Ueberrestes.
§. 59. In Fällen, wo ein Gläubiger nach den Gesetzen sich
unter mehrern Schuldnern an jeden nur für seinen Antheil halten kann, ist er
auch von jedem die Zahlung seines Antheils anzunehmen verbunden.
§. 60. In welchen Fällen der Richter einen Gläubiger zur
Annahme abschläglicher Zahlungen anhalten könne, bestimmt die Prozeßordnung.
Vom Vorausbezahlen bey Alimenten.
§. 61. Alimente, sie mögen aus einem Vertrage oder letzten
Willenserklärung, oder vermöge des Gesetzes zu entrichten seyn, müssen allemal
voraus bezahlt werden.
§. 62. Wenn der Termin, auf wie lange die Vorausbezahlung
jedesmal geschehen solle, anderwärts nicht bestimmt ist, so muß ein Vierteljahr
voraus bezahlt werden.
§. 63. Hat der zu Verpflegende den Anfang des Zeitraums, auf
welchen er die Vorausbezahlung zu fordern hat, erlebt, und sind die Alimente
selbst auf ein Geldquantum bestimmt: so muß der Antheil dieses ganzen Zeitraums
entrichtet werden; wenn auch der Empfänger vor dessen Ablaufe verstorben wäre.
Folgen der Zögerung bey Zahlungen.
§. 64. Wer in Bezahlung einer schuldigen Geldsumme säumig
ist, muß Verzögerungszinsen entrichten.
§. 65. Was wegen dieser bey Darlehnen verordnet ist, gilt
auch bey andern verzögerten Zahlungen, wo nicht die Gesetze besondere
Bestimmungen vorschreiben. (Tit. XI. §. 827-834. §. 111. 116. 227. Tit. XII. §.
328. sqq.)
§. 66. Wer aus einer unerlaubten Handlung zur Entschädigung
verpflichtet ist, muß den nach Gelde festgesetzten Betrag derselben, von dem
Tage des ergangenen Urtels an, verzinsen.
§. 67. In allen Fällen, wo durch Gesetz oder
Willenserklärungen ein Zahlungstag bestimmt ist, nimmt der Lauf der
Zögerungszinsen von diesem Tage seinen Anfang.
§. 68. Eben das findet bey bedingten Zahlungen statt, so
bald die Bedingung eingetreten, und dieses dem Schuldner bekannt geworden ist.
§. 69. In beyden Fällen macht es keine Aenderung, wenn auch
der Gläubiger sich um die Zahlung nicht gemeldet, sondern stillschweigend
Nachsicht gegeben hat.
§. 70. Hat aber der Gläubiger die Zahlungsfrist ausdrücklich
verlängert, und sich wegen der Zinsen nichts vorbedungen: so können letztere
bis zum Ablaufe der Nachfrist nicht gefordert werden.
§. 71. Wenn weder ein Zahlungstag bestimmt, noch eine
außergerichtliche Aufforderung nachgewiesen ist: so laufen die Zögerungszinsen
erst vom Tage der dem Schuldner geschehenen Behändigung der Klage des
Gläubigers.
Was als Zahlung angenommen werden müsse.
§. 72. Gelder oder geldgleiche Papiere, von welchen der
Gläubiger weiß, daß der Schuldner darüber nicht verfügen könne, ist er von
demselben in Zahlung anzunehmen nicht befugt.
§. 73. Hat er es dennoch gethan, so wird er dem Eigenthümer
der Gelder oder Papiere zur Entschädigung verhaftet; er behält aber auch, so
weit er diese leisten muß, sein voriges Recht gegen den Schuldner.
Münzsorte.
§. 74. Wenn es zweifelhaft ist, in welchen Münzsorten eine
Zahlung zu leisten sey: so muß in der Regel auf den Zeitpunkt gesehen werden,
wo das Recht des Gläubigers, aus welchem er die Zahlung fordert, zuerst
entstanden ist.
§. 75. Nur bey Schadensersetzungen und andern
Verbindlichkeiten, die nicht von Anfang an auf baare Geldzahlung gerichtet
waren, sondern erst in der Folge, durch Vertrag oder richterliches Erkenntniß,
auf eine Geldsumme gesetzt werden, ist, im Mangel näherer Bestimmungen, auf die
Zeit des geschlossenen Vertrages, oder des publicirten Urtels, Rücksicht zu
nehmen.
§. 76. Jede Zahlung muß, wenn nicht besondere Verabredungen
oder Gesetze auf Gold oder Scheidemünze vorhanden sind, in dem zur Zahlungszeit
gangbaren Preußischen Silber-Courant geleistet und angenommen werden.
§. 77. Zahlungen unter Zehn Thalern müssen, im Mangel
näherer Bestimmungen, ganz in Scheidemünze, und unter Dreyßig Thalern halb in
Courant, halb in Scheidemünze angenommen werden.
§. 78. Auswärtige Münzsorten ist der Gläubiger nur alsdann
in Zahlung anzunehmen schuldig: wenn sie ausdrücklich verschrieben sind; oder
durch die Landesgesetze Cours erhalten haben.
§. 79. Bey Zahlungen, die in hiesigen Landen zu leisten
sind, kann der Schuldner auswärtige in hiesigen Landen nicht cursirende
Münzsarten zu entrichten niemals gezwungen werden.
§. 80. Ausgenommen ist der Fall, wenn auswärtige Münzsorten
als Waare gekauft worden, und dem Käufer abgeliefert werden sollen.
§. 81. Wenn in allen übrigen Fällen die verschriebene
auswärtige Münzsorte in der Zwischenzeit, bis zu der in hiesigen Landen zu
leistenden Zahlung, außer Curs gesetzt worden ist: so kann auch der Gläubiger
statt derselben hiesige Münzsorten fordern.
§. 82. Waltet zwischen den Münzsorten, in welchen der
Gläubiger die Zahlung zu fordern hat, und den jenigen, in welchen der Schuldner
sie zu leisten befugt und verpflichtet ist, ein Unterschied ob; so muß bey der
Bestimmung: wie viel in dieser letzten Münzsorte zu zahlen sey, auf die bey
Darlehnen gegebenen Vorschriften Rücksicht genommen werden. (Tit. XI. §. 778.
sqq.)
§. 83. Uebrigens hat es bey demjenigen, was wegen der zu
zahlenden Münzsorten bey Verträgen überhaupt, bey Kauf- und Darlehnsverträgen
insonderheit, bey Vermächtnissen, und andern Geschäften verordnet ist, sein
Bewenden. (Tit. V. §. 257. 258. Tit. XI. §. 56. 57. §. 787. sqq. Tit. XII. §.
450.451.)
§. 84. Auch gelten alle von den Parteyen im voraus
verabredete Bestimmungen, und zwar zum Besten des Schuldners ohne Unterschied;
zum Vortheile des Gläubigers aber nur in so fern, als darunter kein Wucher
verborgen liegt.
§. 85. Von Zahlungen im kaufmännischen und Wechselverkehre
sind nähere Bestimmungen im Kaufmannsrechte enthalten. (Th. II. Tit. VIII. Sect.
VII.)
Von Quittungen.
§. 86. Wer Zahlung geleistet hat, ist Quittung, das heißt,
ein schriftliches Bekenntniß der empfangenen Zahlung, von dem Gläubiger zu
fordern berechtigt.
§. 87. Zu einer vollständigen Quittung gehört 1) die
Beschreibung oder Benennung der getilgten Schuld; 2) die Benennung des
gewesenen Schuldners, 3) die Angabe der Zeit und des Orts, wo die Zahlung
geschehen; 4) die Unterschrift des Gläubigers, oder sonst gesetzmäßig
legitimirten Empfängers.
§. 88. Ist die Zahlung nicht durch den Schuldner selbst,
noch auf dessen Befehl oder Auftrag, sondern durch einen Andern geleistet
worden; so muß auch dieser in der Quittung benannt werden.
§. 89. Wird die Quittung auf das Schuldinstrument selbst
vermerkt, so bedarf es der Bestimmungen nicht, welche sich aus diesem ergeben.
§. 90. Was von den Umständen der Zahlung aus der Quittung
nicht zu entnehmen ist, muß der gewesene Schuldner erforderlichen Falls auf
andre Art nachweisen.
§. 91. Wenn bey Zinsenzahlungen, und bey fortwährenden
Prästationen, zwischen dem Zahler und Empfänger bisher eine gewisse, obschon
fehlerhafte. Form von Quittungen üblich gewesen: so kann der Schuldner dem
nicht am Orte gegenwärtigen Gläubiger die Zahlung gegen eine solche Quittung
zwar nicht verweigern;
§. 92. Er ist aber eine gesetzmäßige Quittung von dem
Gläubiger nachzufordern berechtigt.
§. 93. Personen, die des Schreibens nicht mächtig, oder
sonst wegen körperlicher Fehler zu schreiben verhindert sind, müssen ihre
Quittungen unter Zuziehung zweyer Instrumentszeugen, mit Kreuzen oder ihrem
sonst gewöhnlichen Handzeichen unterzeichnen.
§. 94. Bey Posten von Fünfzig Thalern, und weniger, ist die
Zuziehung auch nur Eines Instrumentszeugen hinreichend.
§. 95. Die Zeugen müssen bey ihrer Unterschrift attestiren,
daß der Zahlungsnehmer dies Zeichen in ihrer Gegenwart beygefügt habe.
§. 96. Beträgt die gezahlte Summe Fünfzig Thaler, oder mehr:
so kann der Zahlungsleister verlangen, daß die Quittung in eben der Form
ausgestellt werde, welche bey den Verträgen solcher Personen vorgeschrieben
ist. (Tit. V. §. 171. sqq.)
In wiefern die Rückgabe des Instruments oder
§. 97. Daraus allein, daß das Schuldinstrument sich in den
Händen des gewesenen Schuldners befindet, folgt, gezogene Wechsel allein
ausgenommen, noch nicht, daß die Schuld bezahlt worden.
§. 98. Erhellet jedoch, daß der Gläubiger selbst dem
Schuldner das Instrument zurückgegeben habe: so wird, daß die Schuld getilgt
sey, so lange vermuthet, als nicht eine andere Ursache der geschehenen Rückgabe
ausgemittelt werden kann.
§. 99. Wenn nicht erhellet: wie der Schuldner zum Besitze
des Instruments gelangt sey; so entsteht aus diesem Besitze zwar ebenfalls eine
Vermuthung für den Schuldner;
§. 100. Es hängt aber alsdann, nach Bewandniß der übrigen
vorwaltenden Umstände, von richterlichem Ermessen ab: in wie fern diese
Vermuthung, bey Ermangelung anderer Beweismittel, durch einen nothwendigen Eid
bestärkt, oder gehoben werden solle.
§. 101. Es ist daher der Zahlende mit der Rückgabe des
Instruments sich zu begnügen niemals schuldig; sondern er kann noch außerdem
ausdrückliche Quittung verlangen.
die Cassation desselben die Stelle der Quittung vertrete.
§. 102. Wenn das Instrument bey dem Gläubiger, oder in
dessen Nachlasse, zerrissen, zerschnitten, oder sonst cassirt vorgefunden wird:
so entsteht die rechtliche Vermuthung, daß die Forderung selbst, welche dadurch
begründet werden soll, auf eine oder die andere Art aufgehoben worden.
§. 103. Diese Vermuthung fällt aber weg, sobald nachgewiesen
werden kann, daß die Verletzung durch bloßen Zufall entstanden, oder von dem
Schuldner selbst, oder einem Dritten, ohne Einwilligung oder Genehmigung des
Gläubigers, bewirkt worden sey.
Beweiskraft der Quittungen.
§. 104. Eine gesetzmäßig eingerichtete Quittung bewirkt
sogleich, als sie dem Schuldner ausgehändigt worden, für denselben einen
rechtlichen Beweis der nach dem Inhalte der Quittung geleisteten Zahlung.
§. 105. Dem Aussteller bleibt aber das Recht, das Gegentheil
nachzuweisen, vorbehalten.
§. 106. Hat jedoch der Aussteller einen langem als
Dreymonathlichen Zeitraum verstreichen lassen, ohne den Schuldner wegen nicht
geleisteter Zahlung zu belangen, und die Quittung, als bloß in Erwartung der
Zahlung ausgestellt, zurückzufordern: so soll, in Ermangelung einer
vollständigen Aufklärung der Thatsache, der Inhaber der Quittung eher zum
Reinigungs-, als der Aussteller zum Erfüllungseide gelassen werden.
§. 107. Auch kann der Aussteller, nach Verlauf dieser Frist,
den Erben des, Schuldners über nicht erfolgte Zahlung keinen Eid zuschieben.
§. 108. Hat der Schuldner gegen Empfang der Quittung einen
Revers, daß die Schuld noch nicht bezahlt sey, ausgestellt, so verliert dadurch
die Quittung alle Beweiskraft.
§. 109. In wie fern aber der Gläubiger sowohl, als der
Schuldner, einem Dritten, welcher durch der gleichen zwischen ihnen
vorgefallene Simulation hintergangen oder verkürzt worden, dadurch verhaftet
werden, ist nach den allgemeinen Grundsätzen von Simulationen und
Hintergehungen zu beurtheilen. (Tit. IV. §. 52. sqq. Tit. XIV. §. 210. 211.)
§. 110. Befinden sich auf dem in den Händen des Gläubigers
gebliebenen Instrumente Vermerke geleisteter Zahlungen, es sey von der Hand des
Gläubigers, oder auch des Schuldners selbst, so vertreten sie die Stelle wirklicher
Quittungen.
§. 111. Der Beweis, daß gleichwohl die Zahlung nicht erfolgt
sey, ist also gegen solche Vermerke, je doch nur in eben dem Maaße, wie gegen
eigentliche Quittungen, zuläßig.
§. 112. Daß die Vermerke auf dem in den Händen des
Gläubigers zurückgebliebenen Instrumente wieder ausgestrichen sind, benimmt
denselben noch nichts von ihrer Beweiskraft.
§. 113. Erhellet aus der Quittung, daß die darin
bescheinigte Aufhebung der Verbindlichkeit nicht durch Zahlung erfolgt sey: so
muß das anderweitig zwischen dem Gläubiger und Schuldner vorgefallene Geschäft,
aus welchem die Quittung entstanden ist, näher ausgemittelt werden.
§. 114. Findet diese Ausmittelung nicht statt, so ist
dergleichen Quittung nach den Regeln von Entsagung der Rechte zu beurtheilen.
§. 115. Quittungen beweisen in der Regel nur die Zahlung der
darin ausdrücklich benannten Schuldposten.
§. 116. Bezieht sich die Quittung auf eine gehaltene
Berechnung, und wird darin bekannt, daß der Empfänger dem Aussteller nichts
mehr schuldig geblieben sey, so sind alle bis dahin zahlbar gewesene Posten für
abgethan zu achten.
§. 117. Dagegen ist auch eine solche Quittung auf
Forderungen, die zwar damals schon vorhanden, aber noch nicht fällig waren,
keinesweges zu deuten.
§. 118. Noch weniger ist dieselbe auf solche Posten zu
ziehen, von welchen der Quittirende zur Zeit der Ausstellung noch keine
Wissenschaft haben konnte.
§. 119. Ist die Quittung ausdrücklich auch auf die zur Zeit
der Ausstellung unbekannten Posten gerichtet, so muß das Geschäft nach den
Regeln der Entsagungen und Vergleiche beurtheilt werden.
§. 120. Kaufleute, die ordentliche Handlungsbücher zu führen
schuldig sind, können sich nicht entbrechen, dem zahlenden Schuldner, an
welchen sie zur Zeit der Zahlung keine Forderung mehr zu haben eingestehen,
eine allgemeine Quittung, daß bis dahin alles berichtigt sey, zu ertheilen.
§. 121. Gegen eine solche Quittung findet keine
Nachforderung älterer Posten, unter dem Vorwande, daß dieselben noch nicht
zahlbar, oder unbekannt gewesen, statt.
§. 122. Doch erstreckt sich dieses nur auf Forderungen, die
zu den kaufmännischen Geschäften des Ausstellers gehören.
§. 123. Wegen anderer Geschäfte finden auch bey Kaufleuten
die Vorschriften §. 116-119. Anwendung.
§. 124. In wie fern Zahlungen durch Vermerke auf Kerbhölzern
bewiesen werden können, ist nach den, wegen Beweiskraft der Kerbhölzer
überhaupt, in der Prozeßordnung enthaltenen,Vorschriften zu beurtheilen.
Von der Rückgabe und Mortificirung des bezahlten
Instruments.
§. 125. Außer der Quittung kann der Zahlende auch noch die
Rückgabe des über die berichtigte Schuld einseitig ausgestellten Instruments
fordern.
§. 126. Ist das Instrument abhanden gekommen, so vertritt
dessen Mortificirung die Stelle der Rückgabe.
§. 127. In dem Mortificationsscheine muß die verloren
gegangene Urkunde genau bezeichnet, und das Bekenntniß, daß der darin
gegründeten Verbindlichkeit vollständig genügt worden, enthalten seyn.
§. 128. Ist die Schuld mit Einwilligung des Schuldners an
einen Dritten gediehen: so muß der Schuldner mit einem von diesem letzten
Inhaber ausgestellten Mortificationsscheine sich begnügen.
§. 129. Ist aber die Uebertragung der Forderung an einen
Dritten ohne Consens des Schuldners geschehen: so ist der Schuldner nur gegen
einen von seinem anerkannten Gläubiger ausgestellten Mortifkationsschein
Zahlung zu leisten verpflichtet.
§. 130. Ist das Instrument an jeden Inhaber zahlbar, so kann
der Schuldner öffentliches gesetzmäßiges Aufgebot und Mortificirung, auf Kosten
des Zahlungsnehmers, verlangen.
§. 131. So lange ein nach obigen Vorschriften hinlänglicher
Mortificationsschein dem Schuldner nicht verschafft werden kann, ist derselbe
nur gegen annehmliche Caution Zahlung zu leisten verbunden, und in deren
Entstehung die zu zahlende Summe gerichtlich niederzulegen berechtigt.
§. 132. Wegen Mortificirung gerichtlich eingetragener
Instrumente hat es bey den Vorschriften der Hypothekenordnung sein Bewenden.
Rechtliche Präsumtionen aus Quittungen.
§. 132. Wenn bey terminlichen Zahlungen oder Leistungen,
durch Quittungen oder sonst, nachgewiesen werden kann, daß dieselbe für zwey
aufeinander folgende Termine von dem Schuldner abgeführt, und von dem Gläubiger
ohne Vorbehalt angenommen worden: so wird vermuthet, daß auch die ältern
Termine berichtigt sind.
§. 134. Diese Vermuthung findet statt, wenn gleich die
Berichtigung der beyden Termine nicht durch Zahlung, sondern durch Compensation
oder Erlaß, jedoch ohne Vorbehalt, geschehen ist.
§. 135. Auch hindert es nicht, wenn gleich die in den
Quittungen ausgedrückte Summe mit dem, was eigentlich hat gezahlt werden
sollen, nicht übereinstimmt.
§. 136. Dagegen ist es, um diese rechtliche Vermuthung zu
begründen, nothwendig, daß die Quittungen wirklich zu verschiedenen Zeiten
ertheilt worden.
§. 137. Auch wird die Vermuthung geschwächt, wenn zwar
Quittungen von mehrern vergangenen, aber nicht unmittelbar auf einander
folgenden Terminen vorhanden sind.
§. 138. Alsdann hängt es von richterlicher Beurtheilung ab:
in wie fern, nach Bewandniß der übrigen vorwaltenden Umstände, auf einen
Erfüllungs- oder Reinigungseid zu erkennen sey.
§. 139. Ist in allgemeinen Ausdrücken über die bis zu einem
gewissen Termine berichtigten Prästationen quittirt: so gilt die Vermuthung,
daß alle bis dahin fällig gewesene Termine berichtigt worden, wenn gleich das
in der Quittung ausgedrückte Quantum nur den Betrag des letzten fälligen
Termins ausmacht.
§. 140. Was wegen der Quittungen über bezahlte Zinsen bey
Darlehnen Rechtens sey, ist gehörigen Orts festgesetzt. (Tit. XI. §. 837, sqq.)
§. 141. Wenn in verschiedenen Quittungen über fortwährende
Prästationen die Beschaffenheit des Rechts, aus welchem sie entspringen,
verschieden angegeben worden: so muß diese Beschaffenheit, falls sie nicht auf
andere Art auszumitteln ist, nach den ältern Quittungen beurtheilt werden.
§. 142. Ist aber die Quantität, welche entrichtet werden
soll, in ältern und neuern Quittungen verschieden angegeben: so streitet die
Vermuthung für das, was in den neuern Quittungen enthalten ist.
§. 143. Ist in einer Reihe von drey aufeinander folgenden
Jahren die Zahlung oder Lieferung immer auf einerley Weise geleistet, und ohne
Vorbehalt angenommen worden: so ist zu vermuthen, daß die Zahlung auf so hoch
vergleichsweise bestimmt sey.
§. 144. Diese Vermuthung fällt aber hinweg, wenn nach den
übrigen vorwaltenden Umständen ein gültiger Vergleich zwischen dem Schuldner
und dem Empfänger nicht gedacht werden kann.
§. 145. Ueberhaupt bleibt dem Berechtigten der Nachweis, daß
die Zahlung oder Lieferung nur aus Irrthum oder aus andern Ursachen
solchergestalt angenommen worden, innerhalb der Verjährungsfrist allemal
vorbehalten.
§. 146. Bey Verbindlichkeiten, die nicht in terminlichen
Zahlungen bestehn, wirkt die Quittung über eine jüngere Schuld keine
Vermuthung, daß die ältere getilgt sey.
§. 147. Wenn jedoch Kaufleute über die Rechnung des letzten
Jahres, die am Schlusse desselben gemacht worden, ohne Vorbehalt quittirt
haben: so sind auch die Rechnungen der vorhergehenden Jahre für abgethan zu
achten.
§. 148. Ein Gleiches gilt auch bey Apothekern, Handwerkern,
und andern, welche entweder mit ihren Kunden überhaupt, oder mit dem Inhaber
der Quittung insonderheit, erweislich in dem Verhältnisse stehn, daß sie sich
mit denselben, wegen ihrer Lieferungen oder Leistungen, alljährig in einem
gewissen Termine zu berechnen und aus einander zu setzen pflegen.
Wirkungen der Zahlung.
§. 149. Eine gültig und richtig geleistete Zahlung befreyet
den Schuldner von der Verbindlichkeit, welche dadurch hat getilgt werden
sollen.
§. 150. Ist der zahlende dem Empfänger aus mehrern
Forderungen verhaftet: so muß hauptsächlich nach dem Uebereinkommen der
Parteyen beurtheilt werden, auf welche der schuldigen Posten die geleistete
Zahlung anzurechnen sey.
§. 151. Hat der Schuldner die Zahlung ausdrücklich auf eine
gewisse Post geleistet, und der Gläubiger selbige angenommen, ohne seinen
Widerspruch innerhalb der Tit. V. §. 91. sqq. bestimmten Fristen nach Empfang
des Geldes gegen den Zahlenden zu äußern; so kann er diese Zahlung nachher auf
eine andere Forderung nicht anrechnen.
§. 152. Hat der Gläubiger die ohne weitere Bestimmung
gezahlte Summe ausdrücklich auf eine gewisse Post angerechnet, und der
Schuldner hat solcher nicht binnen obgedachten Fristen nach Empfang der
Quittung widersprochen: so muß er sich diese Anrechnung auch in der Folge
gefallen lassen.
§. 153. Ist kein Uebereinkommen unter den Parteyen
vorhanden: so muß die geleistete Zahlung zu vörderst auf die damals verfallenen
Zinsen gerechnet werden.
§. 154. Hat der Schuldner auch Kosten zu entrichten: so
gehen diese den Zinsen noch vor.
§. 155. Unter mehrern Capitalsposten ist die Zahlung
vorzüglich auf diejenige zu rechnen, welche der Gläubiger zuerst eingefordert
hat.
§. 156. Ist keine derselben, oder sind sie alle zugleich
eingefordert worden: so kann der Gläubiger die gezahlte Summe auf diejenige
Post anrechnen, bey welcher ihrer Qualität nach die wenigste Sicherheit ist.
§. 157. Sind die Forderungen von gleicher Qualität: so
geschieht die Anrechnung auf diejenige, welche in Ansehung des Zinssatzes dem
Schuldner die lästigste ist.
§. 158. Tritt keiner von vorstehenden Bestimmungsgründen
ein: so muß die Zahlung auf diejenige Post, welche am längsten verfallen ist,
angerechnet werden.
§. 159. Kann auch hieraus kein Bestimmungsgrund entnommen
werden: so ist die Zahlung auf alle Schuldposten verhältnißmäßig abzurechnen.
Vom Vorbehalte bey Zahlungen.
§. 160. Wird eine Zahlung mit Vorbehalt geleistet: so bleibt
dem Zahlenden das Recht, seine Einwendungen gegen die Zahlungsverbindlichkeit
auch nachher noch geltend zu machen.
§. 161. Ein solcher Vorbehalt aber muß schriftlich erklärt,
oder in der von dem Zahlungsnehmer aus gestellten Quittung anerkannt seyn.
§. 162. Diese Vorschrift gilt auch bey Posten von fünfzig
Thalern und weniger, sobald darüber eine schriftliche Quittung ertheilt worden.
§. 163. Ist der Vorbehalt nicht in Ansehung aller
Einwendungen überhaupt geschehen: so erstreckt seine Wirkung sich nur auf
solche, die ausdrücklich vorbehalten sind.
§. 164. Will der Zahlungsnehmer sich bey dem Vorbehalte
nicht beruhigen: so steht ihm frey, den Zahlenden zur rechtlichen Ausführung
seiner Einwendungen, nach Vorschrift der Prozeßordnung, gerichtlich
aufzufordern.
§. 165. Durch eine ohne Vorbehalt geleistete Zahlung gehen
in der Regel die Einwendungen, welche der Zahlende dem Andern hätte entgegen
setzen können, verloren.
Von der Rückforderung einer aus Irrthum geleisteten Zahlung.
§. 166. Doch kann das, was auf den Grund einer vermeinten
aber nicht wirklich vorhandenen Verbindlichkeit, und also aus Irrthum, bezahlt
worden, nach den hier folgenden nähern Bestimmungen zurückgefordert werden.
§. 167. Jeder Irrthum, zu welchem der Zahlende durch den
Empfänger betrüglich verleitet worden, berechtigt den erstern zur
Rückforderung.
§. 168. Die zu früh geleistete Zahlung einer Schuld, die an
einem gewissen bestimmten Termine fällig war, kann unter dem Vorwande eines
Irrthums weder zurück, noch etwas an Zinsen für die Zwischenzeit zur
Entschädigung gefordert werden.
§. 169. Die zu früh geleistete Zahlung einer Schuld, deren
Zahlungstermin von einem künftigen der Zeit nach ungewissen Ereignisse abhing,
kann nur alsdann zurückgefordert werden, wenn der Zahlende, in Ansehung dieses
Ereignisses selbst, in einem an sich die Rückforderung begründenden Irrthume
schwebte.
§. 170. Was aus einem Geschäfte, das wegen der Unfähigkeit
des einen Theiles nach den Gesetzen für ihn unverbindlich war, vor gehobener
Unfähigkeit gezahlt worden, das kann so weit, als der Unfähige auch nicht wegen
geschehener Verwendung in seinen Nutzen verpflichtet war, zurückgefordert
werden.
§. 171. Hat ein Unfähiger eine an sich verbindliche aber
unzinsbare Schuld zu früh bezahlt: so ist er von dem Empfänger, wegen der
Zinsen für die Zwischenzeit, Vergütung zu fordern berechtigt.
§. 172. Zahlungen aus einem Geschäfte, welches gegen ein
ausdrückliches Verbotsgesetz läuft, kann zwar der Zahlende nicht zurückfordern;
§. 173. Der Fiskus aber hat das Recht, dem Empfänger den
verbotenen Gewinn zu entreißen.
§. 174. War der Zahlende eine nach den Gesetzen zur
Uebernehmung von Verbindlichkeiten unfähige Person: so kann die von selbigem
auch aus einem unerlaubten Geschäfte geleistete Zahlung zurück gefordert
werden.
§. 175. Doch bleibt derselbe, wegen seiner Theilnahme an der
unerlaubten Handlung, aus welcher die Zahlung geschehen ist, dem Fiskus zur
Strafe, gleich dem Empfänger, verhaftet.
§. 176. Bey Zahlungen aus einem bloß wegen Mangels der
gesetzmäßigen Form unverbindlichen Geschäfte, findet die Rückforderung aus
einer vorgeschützten Unwissenheit dieser gesetzlichen Vorschrif ten niemals
statt.
§. 177. Was bey Zahlungen, die aus mündlichen Verträgen
geleistet worden, Rechtens sey, ist gehörigen Orts näher bestimmt. (Tit. V. §.
155. sqq.)
§. 178. Soll außer vorstehend bestimmten Fällen eine ohne
Vorbehalt geleistete Zahlung widerrufen werden: so muß ausgemittelt seyn: 1)
daß für die Person des Zahlenden gar keine, auch nicht eine bloß moralische
Verbindlichkeit zur Zahlung vorhanden gewesen sey; 2) daß der Empfänger dadurch
einen Vortheil erlangt habe, zu welchem er gar kein Recht hatte; 3) daß die
Zahlung aus einem wirklichen Irrthume geschehen sey.
§. 179. War bey dem Zahlenden eine, wenn auch nur
unvollkommene Pflicht zur Zahlung vorhanden: so findet keine Rückforderung
statt; wenn gleich derselbe, wegen eines vorhandenen positiven Gesetzes, zur
Zahlung wider seinen Willen nicht hätte angehalten werden können.
§. 180. Erhielt der Empfänger durch die Zahlung nur das, was
ihm wirklich zukam: so ist er zur Rückgabe nicht verpflichtet; wenn gleich
nicht der Zahlende, sondern ein Anderer ihm die Zahlung hätte leisten sollen.
§. 181. Sind endlich zwar die übrigen §. 178. bestimmten
Erfordernisse vorhanden; es kann aber nicht nachgewiesen, oder sonst aus den
Umständen klar entnommen werden, daß die Zahlung wirklich aus Irrthum geschehen
sey: so ist das Geschäft nicht nach den Regem von Zahlungen, sondern von
Schenkungen zu beurtheilen.
§. 182. Ist ein Vertrag, eine letztwillige Verordnung, oder
ein Urtel, auf deren Grund jemand Zahlung geleistet hat, in der Folge für
ungültig erklärt worden: so ist zwar anzunehmen, daß die Zahlung aus Irrthum
erfolgt sey;
§. 183. Ob aber der Zahlende auch in diesem Falle ein
Rückforderungsrecht habe, hängt davon ab: ob auch die übrigen beyden
Erfordernisse des §. 178. vorhanden sind.
§. 184. Hat jemand den Vertrag, die letztwillige Verordnung,
oder das Urtel, aus welchem er eine Zahlung geleistet hatte, wegen eines
Mangels an der durch positive Gesetze bestimmten Form, selbst angefochten, und
bloß aus diesem Grunde die Nichtigkeitserklärung derselben bewirkt: so kann er
dennoch die daraus einmal geleisteten Zahlungen nicht zurückfordern. (§. 178.)
§. 185. Wer wissentlich fremde Schulden bezahlt, kann unter
dem Verwande, daß er dazu nicht verbunden gewesen, das Gezahlte nicht
zurückfordern.
§. 186. So weit aber, als die von jemanden für sich selbst
geleisteten Zahlungen, wegen seiner persönlichen Unfähigkeit, eine
Zahlungsverbindlichkeit zu übernehmen, zurückgefordert werden können; so weit
findet dergleichen Rückforderung auch in Ansehung der von einem Unfähigen für
einen Andern geleisteten Zahlungen statt. (§. 170.)
§. 187. Auch der Fähige kann die für einen Andern geleistete
Zahlung so weit zurückfordern, als der Schuldner, wenn er die Zahlung selbst
geleistet hätte, dazu berechtigt seyn würde.
§. 188. Nach diesem Grundsatze bestimmt sich also auch die
Befugniß einer Frau, die in stehender Ehe ohne Genehmigung des Mannes
geleisteten Zahlungen nach getrennter Ehe zurückzufordern.
§. 189. Wer eine Sache, die er nicht zu fordern hat, und
sich dessen bewußt ist, als Zahlung, oder sonst als Erfüllung einer
Verbindlichkeit annimmt, haftet für das Empfangene als ein unredlicher
Besitzer.
§. 190. Wer selbst im Irrthume war, ist als ein redlicher
Besitzer anzusehn.
§. 191. Wer für den ganzen Betrag einer nur zum Theil
richtigen Schuld eine Sache an Zahlungsstatt gegeben hat, kann, wenn er auch
den zu viel bezahlten Theil zurückzufordern berechtigt wäre, dennoch auf die
Rückgabe der Sache selbst nicht antragen.
§. 192. Wer von mehrern Sachen nur die eine oder die andere
zu geben schuldig ist, und aus Irrthum sie alle gegeben hat, muß bey der
Zurückforderung dem Empfänger die Wahl lassen.
§. 193. Wer eine Geldsumme oder andere verbrauchbare Sache,
die er nicht zu fordern hatte, als Zahlung annimmt, haftet dafür, in so fern
überhaupt eine Rückforderung statt findet, als für ein Darlehn.
§. 194. Hat er gewußt, daß er eine solche Zahlung nicht zu
fordern habe, so muß er davon den höchsten erlaubten Zinssatz, vom Tage des
Empfanges an, entrichten.
§. 195. Ist er selbst im Irrthume gewesen, so wird er zu
Verzögerungszinsen nur vom Tage der eingehändigten Vorladung verpflichtet.
§. 196. Hat die Erfüllung der vermeinten Verbindlichkeit in
Handlungen bestanden, wofür der Leistende belohnt zu werden pflegt: so kann
derselbe diesen Lohn unter eben den Umständen nachfordern, unter welchen er eine
geleistete Zahlung zu widerrufen berechtigt seyn würde.
§. 197. Wegen anderer aus Irrthum geleisteter Handlungen
kann der Leistende, selbst unter diesen Umständen, nur alsdann Vergütung
fordern, wenn der Andere gewußt hat, daß ihm diese Leistung nicht gebühre, und
die Handlung an sich einer Schätzung fähig ist.
§. 198. Wenn derjenige, welchem die Zahlung geschehen ist,
selbige nicht für sich selbst, sondern bloß für einen Dritten angenommen hat:
so findet die Rückforderung nur gegen den Dritten statt; es wäre denn, daß der
Empfänger betrüglich verfahren, oder die Gränzen seines Auftrages überschritten
hätte.
Von der Rückforderung geleisteter Zahlungen, wenn das, wofür
sie geschehen sind, nicht erfolgt.
§. 199. Was Rechtens sey, wenn aus einem geschlossenen
Vertrage einer der Contrahenten etwas gegeben oder geleistet hat; hiernächst
aber die Erfüllung des Vertrages von Seiten des Andern nicht stattfindet, ist
gehörigen Orts bestimmt. (Tit. V. §. 360. sqq.)
§. 200. Ist, außer dem Falle eines Vertrages, etwas in
Rücksicht eines durch den Empfänger zu erfüllenden Zwecks gegeben oder
geleistet worden, so muß der Empfänger in der Regel diesen Zweck erfüllen, oder
das Empfangene zurückgeben.
§. 201. Ist durch die eigne Schuld des Empfängers die
Erreichung des Zwecks vereitelt worden: so ist er, von dem Zeitpunkte an, da
diese seine Verschuldung eingetreten ist, je nachdem das Gegebene in einer
Sache oder Geldsumme besteht, zu den Vertretungen eines unredlichen Besitzers,
oder zur Verzinsung verpflichtet.
§. 202. Ist die Erfüllung des Zwecks, ohne alles Zuthun des
Empfängers, durch einen bloßen Zwang unmöglich geworden: so darf der Empfänger
dem Geber nur so weit gerecht werden, als das Empfangene in seinen Nutzen
verwendet ist.
§. 203. Ist die Erreichung des Zwecks durch Zuthun des
Gebers vereitelt worden: so haftet der Empfänger dem Geber nur so weit, als er
sich aus dem Empfangenen noch wirklich reicher befindet.
§. 204. Will aber in diesem Falle der Empfänger von dem
Geber die Leistung eines Interesses fordern: so muß er sich alles Empfangene
darauf anrechnen lassen.
Von Zahlungen zu einem unerlaubten Zwecke.
§. 205. Was zu einem unerlaubten Zwecke gegeben worden, kann
nur der Fiskus zurückfordern.
§. 206. Ein Gleiches gilt von dem, was zu einem wider die
Ehrbarkeit laufenden Zwecke gegeben worden, sobald dieser Zweck, und das
Verwerfliche desselben, auch dem Empfänger bekannt war.
§. 207. Was dem Geber widerrechtlicher Weise abgenöthigt
worden, muß demselben zurückgegeben werden.
§. 208. Wegen der Nutzungen und Zinsen finden die
Vorschriften §. 189. 194. Anwendung.
§. 209. Wie weit abgenöthigte Verträge ungültig sind, und
also das daraus Gegebene zurückgefordert werden könne, ist gehörigen Orts
bestimmt. (Tit. IV. §. 31. sqq.)
§. 210. Wer einer in öffentlichen Bedienungen stehenden
Person dafür, daß sie ihr Amt ausübe oder nicht ausübe, eine in den Gesetzen
nicht gebilligte Belohnung freywillig gegeben hat, kann dieselbe niemals
zurückfordern.
§. 211. Vielmehr fallen dergleichen freywillig gegebene,
oder auch nur bestimmt angebotene Belohnungen, dem Fiskus anheim.
§. 212. Wer aber durch das Verhalten des Empfängers zu einer
solchen Gabe verleitet worden, der kann dieselbe nach den Bestimmungen §. 207.
208. zurück fordern.
Dritter Abschnitt Von der Deposition
Grundsatz.
§. 213. Durch eine rechtmäßige gerichtliehe Deposition der
schuldigen Summe oder Sache, wird der Schuldner, und dessen Bürge, so wie durch
wirkliche Zahlung oder Uebergabe, von der Verbindlichkeit frey.
Wo die Deposition geschehen müsse. Wann sie statt finde.
§. 214. Die Zulassung zur Deposition ist bey den Berichten
des Zahlungsorts nachzusuchen.
§. 215. Sie findet hauptsächlich alsdann statt, wenn die
Zahlungen wegen eines in der Person des Gläubigers sich findenden Hindernisses
nicht geleistet werden kann.
§. 216. Dergleichen Hinderniß entsteht, wenn der Gläubiger,
oder sein Bevollmächtigter, zur Zahlungszeit am Zahlungsorte nicht zu finden,
oder wenn er, oder sein Bevollmächtigter, zum Empfange der Zahlung nicht
gehörig legitimirt ist.
§. 217. Versichert der Schuldner bey seiner Vernehmung
beharrlich, daß er weder den Gläubiger noch seinen Bevollmächtigten, aller
angewendeten Mühe ungeachtet, habe finden können: so muß ihn der Richter jedoch
mit Vorbehalt der Rechte des Gläubigers, zur Deposition zulassen.
§. 218. Die gerichtliche Deposition findet ferner statt,
wenn der Gläubiger die Annahme der Zahlung aus einem unerheblichen oder doch
zweifelhaften Grunde verweigert.
§. 219. Dahin gehört besonders der Fall, wenn der Gläubiger
die Richtigkeit des Grundes der Forderung zum Theil läugnet, und der Gläubiger
den anerkannten Theil derselben, auch mit Vorbehalt seines Rechts wegen des
streitigen Ueberrestes, nicht annehmen will.
§. 220. Ferner der Fall, wenn einer von mehrern nur auf
ihren Antheil verpflichteten Schuldnern, den seinigen dem Gläubiger anbietet,
und dieser die Annahme verweigert.
§. 221. Wird die Verstattung zur Deposition aus diesem
Grunde gebeten (§. 218.) so muß der Gläubiger über die vorgeschützten Ursachen
derselben vor allen Dingen rechtlich gehört werden.
§. 222. Ein Gleiches muß geschehen, wenn nur die
Legitimation des zur Zahlungszeit am Zahlungsorte gegenwärtigen Gläubigers,
oder seines Bevollmächtigten, von dem Schuldner bezweifelt, und um deswillen
auf Deposition angetragen wird.
§. 223. Können jedoch in beyden Fällen die Gründe für oder
wider die Rechtmäßigkeit der Deposition nicht sofort klar gemacht werden: so
muß der Richter die Deposition auf Gefahr des unterliegenden Theils gestatten.
§. 224. Auch muß in einem solchen Falle das Erkenntniß über
die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der Deposition bis zum Urtel in der
Hauptsache ausgesetzt werden.
§. 225. Ob die Hauptsache vor den Richter, wo die Deposition
geschehen ist, gehöre, oder nicht, bestimmt die Prozeßordnung.
§. 226. Wegen noch streitiger Gegenforderungen kann der
Schuldner zur Deposition nur unter den Erfordernissen eines gesetzmäßigen
Arrestschlags zugelassen werden.
§. 227. In wie fern ein Wechselschuldner gegen die.
Wechselexecution durch Deposition sich schützen könne, ist gehörigen Orts
bestimmt. (Th. II, Tit. VIII. Sect. VIII.)
§. 228. Durch eine rechtmäßige wirklich geleistete
Deposition geht die Gefahr der gerichtlich niedergelegten Sache auf den
Gläubiger über.
§. 229. Von Verzögerungszinsen, Conventionalstrafen und
andern nachtheiligen Folgen des Verzuges, wird der Schuldner seit dem Tage der
Präsentation seines Gesuchs frey, in so fern darauf die wirkliche Niederlegung
geschieht, und dieselbe in der Folge für rechtmäßig erkannt wird.
§. 230. Hat der Gläubiger die Annahme der Zahlung aus
rechtmäßigen Ursachen verweigert; oder werden die von dem Schuldner seiner oder
seines Bevollmächtigten Legitimation entgegengesetzen Zweifel als unerheblich
verworfen: so kann die auch wirklich erfolgte Deposition die Stelle der Zahlung
oder Uebergabe nicht vertreten; sondern sie ist auf Gefahr und Kosten des
Schuldners geschehen.
§. 231. Ein Gleiches findet statt, wenn in dem Falle des §.
217. der Schuldner die Deposition wider besseres Wissen veranlaßt hat.
§. 232. Auch kann die nur zum Theil geschehene Niederlegung
der Schuld die Stelle der Zahlung nur alsdann vertreten, wenn der Gläubiger
Abschlagszahlungen anzunehmen verbunden gewesen wäre.
§. 233. Was bey der Deposition sonst Rechtens sey, ist
theils in der Depositalordnung, theils im Titel vom Verwahrungsvertrage
vorgeschrieben. (Tit. XTV. Sect. I.)
§. 234. Auch bey unbeweglichen Sachen findet die Uebergabe
zur gerichtlichen Aufsicht und Verwahrung, mit der Wirkung, daß der
Verpflichtete dadurch seiner Verbindlichkeit entledigt werde, aus eben den
Gründen statt, welche wegen der Deposition überhaupt im Vorstehenden bestimmt
sind.
Vierter Abschnitt
Von der Angabe (=Uebergabe) an Zahlungsstatt
§. 235. Die Uebergabe einer Sache an Zahlungsstatt befreyet
den Schuldner nur so weit, als dieselbe von dem Gläubiger ausdrücklich als
Zahlung angenommen worden.
Wenn eine Angabe an Zahlungsstatt vorhanden sey.
§. 236. Daraus, daß der übergebenen Sache eine Taxe
beygefügt worden, folgt noch nicht, daß der Gläubiger dieselbe für den
bestimmten Preis an Zahlungsstatt angenommen habe.
§. 237. Vielmehr kann der Gläubiger, so lange er sich über
den Werth der angegebenen Sache mit dem Schuldner noch nicht ausdrücklich
vereinigt hat, gegen Rückgabe derselben noch allemal baare Zahlung fordern.
§. 238. So lange daher über den Preis der Sache noch kein
Einverständniß vorhanden ist, bleibt das Eigenthum davon mit allen seinen
rechtlichen Folgen dem Schuldner, und der Gläubiger haftet, bey der Verwahrung
derselben, nur für ein grobes Versehen.
§. 239. Hat aber der Schuldner dem Gläubiger zu seiner
Erklärung: ob er die Sache für den bestimmten Preis annehmen wolle, eine
längere Frist nicht ausdrücklich verstattet: so muß der Gläubiger diese
Erklärung innerhalb der Tit. V. §. 91. sqq. bestimmten Fristen abgeben.
§. 240. Unterläßt er dieses, so hängt es von dem Schuldner
ab, die Sache nach eignem Gutfinden zurückzufordern.
§. 241. Hat der Gläubiger die Tit. V. §. 91. sqq. bestimmten
Fristen verstreichen lassen, ohne die Sache dem Schuldner zurück zu geben: so
muß er, während der fortgesetzten Unterhandlungen über den Preis, bey
Verwahrung der Sache nicht bloß für ein grobes, sondern auch für ein mäßiges
Versehen haften.
§. 247. Er kann aber die Sache so lange, bis er entweder
bezahlt, oder der Ausspruch des Dritten darauf rechtskräftig festgesetzt ist,
als ein Pfand zurückbehalten.
§. 248. Kann er aus der Sache oder sonst, von dem Schuldner
seine Befriedigung nicht erhalten, so bleibt ihm zwar in diesem Falle des §.
243. sein Recht an den Bürgen noch offen;
§. 249. Er muß aber, wenn er sich dieses Rechts künftig
bedienen will, den geschehenen Aufruf der Annahme an Zahlungsstatt zu eben der
Zeit, wo er ihn gegen den Schuldner erklärt, auch dem Bürgen bekannt machen.
§. 250. Ist die §. 243. bestimmte Frist einmal verstrichen,
so bleibt der Bürge von aller Vertretung wegen der durch Annahme an
Zahlungsstatt getilgten Schuld frey; wenn gleich der Gläubiger sich noch an den
gewesenen Hauptschuldner nach Vorschrift §. 245. regressiren kann.
Fünfter Abschnitt Von Anweisungen
Begriff.
§. 251. Wenn jemand einem Andern den Auftrag macht, etwas,
welches der Auftragende von einem Dritten zu fordern hat, bey demselben für
seine eigne Rechnung zu erheben: so wird dieses eine Anweisung oder Assignation
genannt.
§. 252. So weit bey der Anweisung die Absicht zum Grunde liegt,
daß dadurch eine Schuld, mit welcher der Anweisende dem Angewiesenen verhaftet
ist, getilgt werden soll, ist das Geschäft, als ein Mittel zur Aufhebung von
Verbindlichkeiten, lediglich nach den Vorschriften des gegenwärtigen Abschnitts
zu beurtheilen.
Wirkungen derselben.
§. 242. Hat der Gläubiger die Sache für einen bestimmten
Preis einmal angenommen: so ist in so weit die Schuld getilgt; und es treten
übrigens zwischen den Parteyen eben die Rechte und Pflichten ein, welche
zwischen Käufern und Verkäufern obwalten.
§. 243. Wird jedoch die Sache innerhalb Jahresfrist, nachdem
sie an Zahlungsstatt gegeben worden, ganz oder zum Theil von einem Dritten in
Anspruch genommen, so steht dem Gläubiger frey, gegen Rückgabe der Sache sofort
baare Zahlung zu fordern, und die Ausführung des Prozesses gegen den Dritten
dem Schuldner zu überlassen.
§. 244. In Ansehung der Zwischenzeit ist sodann der
Gläubiger als redlicher Besitzer zu betrachten.
§. 245. Erfolgt der Anspruch des Dritten erst nach Ablauf
des Jahres, so hat der Gläubiger gegen den gewesenen Schuldner, in Ansehung der
Gewährsleistung, nur eben die Rechte, wie ein Käufer gegen seinen Verkäufer.
§. 246. Wird die Annahme an Zahlungsstatt in dem Falle des
§. 243. widerrufen, so kann zwar der Gläubiger, auch wenn der Dritte seinen
Anspruch an die Sache nicht erstreitet, auf die von ihm selbst aufgerufene
Annahme an Zahlungsstatt nicht mehr zurückgehen;
Form.
§. 253. Bey Summen, wo die Gesetze schriftliche Verträge
erfordern, müssen auch Anweisungen schriftlich ertheilt, und von dem, welcher
daraus Zahlung leisten soll (dem Assignaten), schriftlich angenommen werden. .
§. 254. Ist über die angewiesene Schuld ein Instrument
vorhanden: so ist der Anweisende schuldig, dasselbe dem Angewiesenen, zur
Vorzeigung bey dem Assignaten, auszuantworten.
§. 255. Doch ist diese Ausantwortung des Instruments zur
Gültigkeit des Geschäfts in der Regel nicht nothwendig. (§. 293.)
Verhältnisse zwischen dem Assignaten, dem Anweisenden und
dem Angewiesenen.
§. 256. Der Assignat ist schuldig, die auf ihn gerichtete
Anweisung in so weit anzunehmen, als er dadurch auch in Ansehung der Zeit, des
Orts, der Münzsorten. und sonst, zu einem Mehrern, als er dem Anweisenden
schuldig war, gegen den Angewiesenen nicht verpflichtet wird.
§. 257. Weigert er die Annahme ohne rechtlichen Grund, so
bleibt er dem Anweisenden zur Schadloshaftung verhaftet.
§. 258. Doch ist der Assignat eine bloß mündliche Anweisung,
auch unter Fünfzig Thalern, anzunehmen niemals verpflichtet.
§. 259. Hat der Assignat die Anweisung angenommen: so muß er
dem Angewiesenen (Assignatario) Zahlung leisten; wenn er auch dem Anweisenden
(Assignantarii) zu nichts verpflichtet wäre.
§. 260. In diesem letztern Falle sind die gemachten
Vorschüsse, und die deshalb zwischen dem Anweisenden und Assignaten
entstehenden Rechte und Verbindlichkeiten, nach den Gesetzen von
Vollmachtsaufträgen zu beurtheilen.
§. 261. Daß der angewiesene Gläubiger den Assignaten, statt
des Anweisenden, für seinen Schuldner angenommen, und letztern aller
Verbindlichkeiten entlassen habe, wird nicht vermuthet.
Anweisungen als Cession.
§. 262. Hat aber der Gläubiger den Assignaten, statt des
Anweisenden, ausdrücklich zu seinem Schuldner angenommen: so vertritt die
Anweisung die Stelle einer Angabe an Zahlungsstatt.
§. 263. Die fernern Verhältnisse zwischen dem Anweisenden
und Angewiesenen werden nach eben den Grundsätzen, wie zwischen dem Cedenten
und Cessionario, beurtheilt.
Anweisungen mit Delegation.
§. 264. Tritt bey einem solchen Geschäfte, wo der
Angewiesene den Anweisenden völlig entläßt, und statt seiner den Assignaten zum
Schuldner annimmt, auch die Einwilligung des Assignaten hinzu: so ist eine
Delegation vorhanden.
§. 265. Bey einer Delegation hört alle Verbindung zwischen
dem Anweisenden und Assignaten auf, und der Anweisende wird von der
Verbindlichkeit, dem Angewiesenen für die Richtigkeit der assignirten Post zu
haften, frey.
§. 266. Auch kann alsdann der Assignat, welcher den
Angewiesenen statt des Anweisenden zu seinem Gläubiger einmal angenommen hat,
demselben Einwendungen und Gegenforderungen, die er gegen den Anweisenden
hatte, nicht mehr entgegen setzen. (Tit. XI. §. 412.)
§. 267. Der ausdrücklichen Annahme des Assignaten zum
Schuldner, statt des Anweisenden, wird es gleich geachtet, wenn der angewiesene
Gläubiger seinen bisherigen Schuldner quittirt, und das Instrument zurückgiebt.
Bekanntmachung der geschehenen Assignation.
§. 268. Der Anweisende muß dem Assignaten die geschehene
Anweisung bekannt machen.
§. 269. Ist dieses nicht geschehen, so wird der Assignat dem
Anweisenden zu irgend einem Schadensersatz, wegen verweigerter Annahme, nicht
verantwortlich. (§. 256. 257.)
§. 270. Hat hingegen der Assignat die Anweisung ohne
Vorbehalt angenommen, so kann er die unterbliebene Bekanntmachung gegen den
Angewiesenen nicht mehr vorschützen.
§. 271. Dagegen kann aber auch der Anweisende die von dem
Assignaten auf die an sich richtige Anweisung geleistete Zahlung, bloß aus dem
Grunde, wenn derselbe von ihm keine besondere Bekanntmachung erhalten habe,
nicht anfechten.
§. 272. War in der Anweisung selbst einer besondern
Bekanntmachung gedacht; und der Assignat hat bey der Annahme schriftlich
erklärt, daß er dieselbe nur in Erwartung der versprochenen Bekanntmachung
leiste: so ist der Assignat, wenn die Bekanntmachung bis zum Zahlungstermine
nicht eingeht, oder er den Inhalt für sich nachtheilig findet, an die Annahme
nicht gebunden.
§. 273. Hat der Assignat eine ausdrücklich auf nähere
Bekanntmachung sich beziehende Anweisung, ohne dieselbe abzuwarten, angenommen
und bezahlt; so haftet er dem Anweisenden für allen Schaden, welcher vermieden
worden wäre, wenn er die Bekanntmachung abgewartet hätte.
§. 274. So lange der Assignat die Anweisung noch nicht
angenommen hat, kann derselbe noch dem Anweisenden Zahlung leisten.
Widerruf der Assignation.
§. 275. Wird die Anweisung vor erfolgter Annahme widerrufen:
so ist der Assignat zu dieser Annahme, und zur Zahlung an den Angewiesenen
nicht mehr befugt.
§. 276. War ihm jedoch zur Zeit der Annahme der Widerruf
bereits zugekommen: so ist er dem Angewiesenen Zahlung zu leisten verbunden,
und muß gegen den Anweisenden die Folgen der des Widerrufs ungeachtet
geschehenen Annahme vertreten.
Pflichten des Assignatarii wegen Einziehung der ang wiesenen
Sache oder Summe.
§. 277. Der Angewiesene muß, wenn nicht ein Anderes
verabredet worden, die angewiesene Post binnen Vierzehn Tagen, von Zeit der geschehenen
Anweisung, einzuziehen sich angelegen seyn lassen.
§. 278. Wohnt der Assignat an einem andern Orte, als wo der
Angewiesene sich aufhält: so wird diese Frist von der Zeit an gerechnet, wo die
Anweisung dem Assignaten an seinem Wohnorte vorgezeigt werden konnte.
§. 279. War die angewiesene Schuld zur Zeit der Anweisung
noch nicht zahlbar: so nimmt die Frist erst mit dem Verfalltage ihren Anfang.
Rechte und Pflichten des Assignatarii bey nicht erfolgter
Annahme.
§. 280. Weigert der Assignat die Annahme, so muß der
Angewiesene dem Anweisenden so fort Nachricht davon ertheilen, und demselben
die weitere Verfügung überlassen.
§. 281. Doch hat der Angewiesene, wenn er die assignirte
Post im Namen des Anweisenden einklagt, die Vermuthung einer Vollmacht für
sich. (Tit. XIII. §. 119. sqq.)
§. 282. Der Anweisende muß aber auch in diesem Falle, auf
Verlangen seines angewiesenen Gläubigers, die Befriedigung desselben auf andere
Art bewirken, und dieser ist nicht schuldig, den Ausgang des Prozesses gegen
den Assignaten abzuwarten.
Ingleichen bey nicht erfolgter Zahlung.
§. 283. Ist die Anweisung zwar angenommen, die Zahlung aber
binnen der bestimmten Frist nicht geleistet worden: so hat der Angewiesene die
Wahl: ob er sogleich auf den Anweisenden zurückgehen, oder sich an den
Assignaten aus der geschehenen Annahme halten wolle.
§. 284. Im ersten Falle finden die Vorschriften §. 280. 281.
282. ebenfalls Anwendung.
§. 285. Will aber auch der Angewiesene gegen den Assignaten
aus der Annahme klagen: so muß er dennoch dem Anweisenden von der
unterbliebenen Zahlung, und angestellten Klage, ohne Verzug Nachricht geben.
§. 286. Unterläßt er dieses, so muß er selbst ein geringes
bey dem Betriebe des Prozesses, oder der Execution begangenes Versehen, gegen
den Anweisenden vertreten.
§. 287. Hat aber der angewiesene Gläubiger seine gesetzmäßigen
Pflichten beobachtet: so kann er zu allen Zeiten die Fortsetzung des Prozesses
und der Execution gegen den Assignaten dem Anweisenden überlassen, und sich
nach wie vor an diesen, als seinen Schuldner halten.
§. 288. Doch muß er in diesem Falle alles das beobachten,
was die Gesetze einem Bevollmächtigten, welcher vor beendigtem Geschäfte die
Vollmacht aufgekündigt hat, vorschreiben. (Tit. XII. §. 159. sqq.)
§. 289. Läßt sich der Angewiesene mit dem Assignaten in neue
Verbindungen ein, und versäumt darüber den Betrieb der Sache innerhalb der
gesetzmäßigen Frist: so geschieht es auf seine Gefahr; und er verliert den
Regreß an den Anweisenden.
§. 290. Ein Gleiches findet unter eben den Umständen statt,
wenn der Angewiesene dem Assignaten eigenmächtig Nachsicht giebt, oder sich von
ihm weiter anweisen läßt.
§. 291. Uebrigens tritt, sobald die Anweisung angenommen
ist, der Angewiesene in alle Rechte des Anweisenden gegen den Assignaten. (§.
266.)
Ob die Annahme einer Anweisung das Anerkenntniß einer Schuld
enthalte.
§. 292. Ist die Anweisung ausdrücklich als auf eine Schuld,
womit der Assignat dem Anweisenden verhaftet sey, gerichtet, und von dem
Assignaten ohne Vorbehalt angenommen worden: so hat diese Annahme, zum Besten
des Anweisenden, die Wirkung eines erneuerten Schuldbekenntnisses.
Von Anweisungen aus circulationsfähigen Papieren.
§. 293. Entspringt die Verbindlichkeit des Assignanten gegen
den Anweisenden aus einem auf jeden Inhaber lautenden, und in den Händen des
Assignaten befindlichen Instrumente: so ist zur Rechtsbeständigkeit der
Assignation die Aushändigung dieses Instruments nothwendig.
§. 294. Der Assignat ist in solchem Falle nur demjenigen,
welcher das Instrument in Händen hat, Zahlung zu leisten befugt und schuldig.
Von mehrern Anweisungen.
§. 295. Sind auf ein und eben dasselbe in den Händen des
Assignaten für Rechnung des Anweisenden befindliche Objekt, mehrere Anweisungen
ausgestellt und angenommen worden: so hat in Ansehung dieses Objekts derjenige,
dessen Anweisung zuerst angenommen ist, den Vorzug.
§. 296. Doch bleiben den übrigen Angewiesenen ihre Rechte
gegen den Assignaten aus der Annahme desselben vorbehalten.
Von kaufmännischen Assignationen.
§. 297. Was bey kaufmännischen Assignationen gelte, ist
gehörigen Orts vorgeschrieben. (Th. n. Tit. VIII. Sect. IX.)
Von Anweisungen, die nicht zur Bezahlung einer Schuld
gegeben worden.
§. 298. Wird die Anweisung nicht zur Tilgung einer Schuld
des Anweisenden an den Angewiesenen gegeben: so finden zwar wegen der von dem
letztern zu beobachtenden Pflichten, ingleichen wegen der Verhältnisse zwischen
ihm und dem Assignaten, die Vorschriften des gegenwärtigen Abschnitts ebenfalls
Anwendung;
§. 299. In wie fern aber, wenn die Anweisung angenommen und
bezahlt worden, der Angewiesene dem Anweisenden, oder letzterer dem erstern,
bey nicht erfolgender Annahme oder Zahlung, verhaftet sey? muß nach
Beschaffenheit des unter ihnen vorgefallenen Geschäftes, aus welchem die
Anweisung entstanden ist, beurtheilt werden.
Sechster Abschnitt
Von der Compensation
Begriff.
§. 300. Die Aufhebung der Verbindlichkeiten, welche durch
gegenseitige Anrechnung dessen, was Einer dem Andern schuldig ist, erfolgt,
wird Compensation genannt.
§. 301. Sobald die Forderung, durch welche die Compensation
gesetzmäßig begründet wird, entstanden ist, wird auch die Schuld, so weit die
Compensation reicht, für erloschen geachtet.
Was für Forderungen compensirt werden können,
a) nur eigne Forderungen. Von Correalforderungen.
§. 302. Nur auf das, was jemand für sich selbst zu fordern
hat, kann das, was er dem Andern schuldig ist, abgerechnet werden.
§. 303. Gegen eine theilbare Forderung, welche Mehrern
gemeinschaftlich zusteht, kann das, was einer oder der Andere von ihnen schuldig
ist, jedoch nur auf dessen Antheil, abgerechnet werden.
§. 304. Dagegen findet die Abrechnung einer Schuld, für
welche Mehrere als Correalverpflichtete haften, gegen einen jeden derselben zum
vollen Betrage statt.
§. 305. Auch kann, unter mehrern gemeinschaftlich
verhafteten Correalschuldnern, derjenige von ihnen, welcher auf das Ganze in
Anspruch genommen wird, das, was er für seine Person an den Gläubiger zu
fordern hat, bis zum vollen Betrage der gemeinschaftlichen Schuld abrechnen.
§. 306. Mit dem aber, was ein Andrer von den Mitschuldnern
an den gemeinschaftlichen Gläubiger zu fordern hat, kann der in Anspruch
Genommene in der Regel nicht compensiren.
§. 307. Doch findet die Compensation statt, wenn der
Mitverpflichtete seine Forderung an den gemeinschaftlichen Gläubiger dem in
Anspruch genommenen Mitschuldner rechtsgültig abgetreten hat.
Von Erbschaftsforderungen.
§. 308. Wer an einen Erben etwas zu fordern hat, kann die
Forderung auf das, was er der noch ungetheilten Erbschaft schuldig ist, nur nach
Verhältniß des Erbantheils seines Schuldners in Abrechnung bringen.
§. 309. Unter eben den Umständen aber, unter welchen ein
Erbschaftsschuldner das Ganze an Einen der Miterben zu zahlen berechtigt ist,
kann er auch seine Forderung an diesen Erben zum vollen Betrage auf die Schuld
abrechnen. (Tit. XVII. Sect. II.)
§. 310. Dagegen kann der Erbschaftsschuldner, wenn einer der
Miterben nach getheilter Erbschaft das Ganze von ihm zu fordern'berechtigt ist,
dasjenige, was er an einen andern Miterben zu fordern hat, auch nicht zum Theil
compensiren.
§. 311. So weit ein Erbschaftsgläubiger seine Befriedigung
von jedem unter mehrern Miterben ganz, oder nur nach Verhältniß dessen
Erbantheils, verlangen kann; so weit kann er sich auch der Compensation gegen
einen Miterben, welcher eine eigne Forderung wider ihn einklagt, bedienen.
§. 312. Ist jedoch der, gegen dessen eigne Forderung eine
Erbschaftsschuld abgerechnet werden soll, nur Beneficialerbe, und die
Beschaffenheit des Nachlasses noch ungewiß: so muß der Erbschaftsgläubiger,
welcher damit auf das, was er dem Erben schuldig ist, compensiren will,
letzterem wegen seiner Entschädigung auf den Fall, daß der Nachlaß zur Tilgung
der Erbschaftsschuld ganz oder zum Theil nicht hinreichte, annehmliche
Sicherheit bestellen.
Von cedirten und angewiesenen Forderungen,
§. 313. Gegen eine cedirte Forderung kann der Schuldner nur
das, was er an den ersten Inhaber vor bekannt gemachter Cession zu fordern
hätte, ingleichen seine Forderungen an den dermaligen Inhaber abrechnen.
§. 314. So weit der Schuldner, bey Cessionen durch
Anerkenntniß des Cessionarii, und bey Anweisungen durch die Annahme, seiner
Einwendungen, die er gegen den Cedenten oder Anweisenden hatte, verlustig wird;
so weit kann er Forderungen, welche ihm an diese zustehn, gegen den
Cessionarium oder Angewiesenen nicht in Abrechnung bringen.
§. 315. Dagegen kann aber auch der Schuldner, welcher einen
Cessionarium für seinen Gläubiger angenommen hat, wenn dieser die Forderung
ohne seine Zuziehung weiter cedirt, die Gegenforderungen, die er an ihn hatte,
auch gegen den ferneren Cessionarium abrechnen.
§. 316. Außer diesem Falle findet die Compensation einer
Forderung, welche dem Schuldner an einen der Zwischeninhaber, den er aber zu
seinem Gläubiger nicht angenommen hat, zustand, gegen den letzten Inhaber nicht
statt.
Von Compensationen in Concursen.
§. 317. In Concursen findet die Compensation gegen den
Gläubiger statt, wenn gegenseitige Forderungen zwischen dem Gemeinschuldner,
und einem Gläubiger desselben, schon vor eröffnetem Concurse bestanden haben;
§. 318. Ferner, wenn jemand an die Concursmasse, oder an den
ganzen Inbegriff der Gläubiger, erst nach eröffnetem Concurse eine Forderung
erlangt hat, und ihr etwas schuldig geworden ist;
§. 319. Ingleichen, wenn jemand, der dem Gemeinschuldner
schon vor eröffnetem Concurse etwas schuldig gewesen, nachher ein Gläubiger der
Concursmasse geworden ist.
§. 320. Dagegen ist die Compensation in Concursen nicht
zuläßig, wenn jemand dem Gemeinschuldner vor eröffnetem Concurse etwas schuldig
war, und erst nachher eine Forderung an ihn, es sey aus einem neuen Geschäfte,
oder durch Cession eines andern Gläubigers, erlangte.
§. 321. Auch alsdann nicht, wenn jemand Gläubiger des
Gemeinschuldners vor eröffnetem Concurse gewesen, und erst nachher der Masse
etwas schuldig geworden ist.
§. 322. Doch, findet in diesem Falle (§. 321.) die
Compensation statt, wenn der Gemeinschuldner die Befugniß, zur Compensation
einer gegenwärtigen Forderung, womit er dem Gläubiger verhaftet ist, auf eine künftige
Schuld, womit dieser ihm verhaftet werden wird, dem künftigen Schuldner, schon
vor eröffnetem Concurse, ausdrücklich eingeräumt hat.
§. 323. Wenn also in einem vor eröffnetem Concurse
geschlossenen Pachtcontrakte festgesetzt worden, daß der Pächter die baar
eingezahlte Caution auf die letzten Pachtterrnine soll abrechnen können: so ist
der Pächter zu dieser Compensation befugt; wenn gleich die letzten Termine
schon in die Zeiten nach eröffnetem Concurse treffen.
§. 324. Doch kann der Pächter auch von diesem
Compensationsrechte, zum Nachtheile der auf dem gepachteten Gute gerichtlich
eingetragenen Gläubiger, nur in so fern Gebrauch machen, als er seine Caution,
und das derselben beygelegte Compensationsrecht, früher, als diese Gläubiger,
hat eintragen lassen.
§. 325. Die im Gute gernachten Verschlimmerungen, und etwa
sonst von dem Pächter zu vertretenden Mängel, kann derselbe gegen die Gläubiger
mit seiner dem Gemeinschuldner baar eingezahlten Caution niemals compensiren.
§. 326. Dagegen müssen die Gläubiger die von dem Pächter im
Gute gemachten Verbesserungen, so weit sie dieselben überhaupt zu vergüten
schuldig sind, auf die von dem Pächter rückständig gebliebenen Pachtgelder sich
allemal abrechnen lassen.
§. 327. Doch sind die eingetragenen Gläubiger, welchen durch
diese Abrechnung die Mittel zur Bezahlung ihrer Zinsen während dem Concurse
entgehen, ihre Entschädigung dafür aus der Masse, deren Substanz durch die
compensirten Verbesserungen einen Zuwachs erhalten hat, mit dem Capitale zu
gleich zu suchen wohl befugt.
Von Compensationen zwischen dem Gläubiger und Bürgen.
§. 328. Der Bürge kann, außer seinen eigenen Forderungen an
den Gläubiger, auch alles das in Abzug bringen, was der Hauptschuldner, vermöge
der Gesetze, auf die Schuld abzurechnen befugt seyn würde.
§. 329. Dagegen kann der Hauptschuldner mit dem, was der Gläubiger
dem Bürgen schuldig ist, nicht compensiren.
Von Compensation der Forderungen eines Dritten, bey
Bevollmächtigten,
§. 330. Werden Rechte im Namen eines Dritten ausgeübt, so
können, nur Forderungen, welche diesem Dritten entgegen stehn, in Abrechnung
gebracht werden.
§. 331. Gegen den Bevollmächtigten, welcher Forderungen
seines Machtgebers einzieht, findet die Abrechnung seiner eigenen Schuld nicht
statt.
bey Vormündern,
§. 332. Vormündern kann auf die Forderungen ihrer
Pflegebefohlnen das, was sie selbst schuldig sind, nicht abgerechnet werden.
§. 333. Auch findet für oder wider einen Vormund, der eigene
Forderungen einklagt, oder wegen eigener Schulden belangt wird, die
Compensation der Schulden oder Forderungen des Pflegebefohlnen nicht statt.
§. 334. Dagegen kann, wenn die Verwaltung der Vormundschaft
unter Mehrere getheilt ist, das mit einem Vormunde in Angelegenheiten der
Pflegebefohlnen rechtsgültig verhandelte Geschäft, auch für oder wider die
übrigen Vormünder, die Compensation in Ansehung der Pflegebefohlnen begründen.
§. 335. Ein Gleiches findet auch bey der unter mehrern
Personen getheilten Verwaltung des Vermögens anderer Privatpersonen oder
Gesellschaften statt. (§. 368.)
bey Eheleuten.
§. 336. Der Ehemann, welcher seine eigenen, oder Forderungen
der Ehefrau einklagt, muß sich die Schulden der letztern in so fern anrechnen
lassen, als er dieselben anzuerkennen nach den Gesetzen verpflichtet ist.
§. 337. Auch ist er gegen die Schulden der Ehefrau seine
eigenen Forderungen zu compensiren berechtigt.
§. 338. Eben so kann der Ehemann solche Forderungen der
Frau, welche bloß die während der Ehe fälligen Nutzungen und Einkünfte ihres
eingebrachten Vermögens betreffen, auf seine eigenen Schulden allemal
compensiren.
§. 339. Dagegen kann er andere Forderungen der Ehefrau auf
seine eigenen Schulden nur in so fern abrechnen, als er die Einwilligung der
Frau dazu in gesetzmäßiger Form herbeyschafft.
§. 340. Leben Eheleute in der Gütergemeinschaft: so können
auf ihre Forderungen nur solche Schulden, für welche das gemeinschaftliche
Vermögen haftet, abgerechnet werden.
§. 341. Schulden und Forderungen der Ehefrau, welche bloß
ihr vorbehaltenes Vermögen betreffen, können weder für den Mann, noch, gegen
seinen Willen, wider ihn in Abrechnung kommen.
b) Nur fällige und gleichartige Forderungen.
§. 342. Schulden, welche gegen einander abgerechnet werden
sollen, müssen so beschaffen seyn, daß der, welchem die Compensation
entgegengesetzt wird, an dem, was er mit Recht zu fordern hat, nichts verliere.
§. 343. Nur fällige und gleichartige Verbindlichkeiten
können gegen einander aufgehoben werden.
§. 344. Zwischen eigentlichen Zahlungen und andern
Leistungen findet also keine Compensation statt.
§. 345. Auch Leistungen bestimmter Sachen oder Handlungen
können gegen einander nicht compensirt werden.
§. 346. Sind aber Gegenstand, Zeit, und Ort übereinstimmend:
so kommt es auf den Ursprung der wechselseitigen Forderungen nicht an.
§. 347. Was jemand nur unter einer aufschiebenden noch nicht
eingetretenen Bedingung zu fordern hat, kann er auf das, was ohne Bedingung von
ihm bezahlt werden soll, nicht abrechnen.
§. 348. Dagegen kann das, was jemand unter einer auflösenden
Bedingung zu fordern hat, auf das, was er ohne Bedingung schuldig ist,
compensirt werden; in so fern er, der obwaltenden Bedingung ungeachtet, das
Recht hat, die Auszahlung seiner Forderung zu verlangen.
§. 349. Auch das, was jemand zu einem gewissen Zwecke zu
fordern hat, kann er, sobald die Zahlung fällig ist, gegen seine fälligen
Schulden abrechnen.
§. 350. Was an einem andern Orte zu zahlen ist, kann nur
gegen Vergütung des Interesse compensirt werden.
§. 351. Dies Interesse muß, wenn die Parteyen sich darüber
nicht einigen können, der Richter bestimmen.
§. 352. Zwischen Forderungen, die zu verschiedenen Zeiten
zahlbar sind, findet gegen den Willen des einen oder des andern Theils keine
Compensation statt.
§. 353. Wenn jedoch in Concursen jemand an den
Gemeinschuldner eine sofort fällige Forderung hat, und dagegen aus einem mit
demselben geschlossenen Geschäfte der Masse, jedoch nur dergestalt verhaftet
ist, daß seine Schuld erst nach einem gewissen Zeitverlaufe fällig wird: so
steht es ihm frey, sich des Compensationsrechts sofort zu bedienen.
§. 354. Ist aber jemand dem Gemeinschuldner zu einer bereits
fälligen Zahlung verhaftet, und hat dagegen eine Forderung an die Masse, deren
Verfalltag noch nicht eingetreten ist: so findet zwar gleichergestalt die
Compensation statt;
§. 355. Doch muss ein solcher Schuldner der Masse derselben
wegen der Zinsen für die Zwischenzeit, bis seine Forderung fällig wird, gerecht
werden.
§. 356. Wer seinem Schuldner freywillig, oder auf
richterlichen Befehl Zahlungsfristen gestattet hat, kann das, was er demselben
in der Zwischenzeit schuldig wird, auf die nächstkünftigen Zahlungstermine
abrechnen.
§. 357. Hat aber der Gläubiger, nach gestatteter
Zahlungsfrist, Schulden, womit ein Dritter seinem Schuldner verhaftet war,
freywillig übernommen: so kann er letzterem, wenn derselbe die übernommene
Schuld gegen ihn einklagt, die Compensation aus seiner eignen gestundeten
Forderung nicht entgegensetzen.
§. 358. Nur allein, wenn dem Gläubiger eine Erbschaft
angefallen ist, an welche sein alter Schuldner eine Forderung hat, kann er sich
gegen denselben, wenn er diese Erbschaftsforderung von ihm als Erben beytreiben
will, mit der Compensation seiner eignen obgleich gestundeten Forderung
schützen.
c) Nur liquide Forderungen.
§. 359. Ist die Forderung des Einen eingeräumt, oder sonst
sogleich klar, die andre aber wird von dem Gegentheile noch bestritten: so
findet die Compensation nur in so fern statt, als die bestrittene
Gegenforderung nach Vorschrift der Prozeßordnung sofort liquide gemacht werden
kann.
§. 360. So weit dieses nicht zu bewirken ist, muß der
Schuldner der liquiden Forderung Zahlung leisten, und kann, wegen behaupteter
Unsicherheit seiner Gegenforderung bey dem Andern, nur unter den im dritten
Abschnitte bestimmten Umständen zur Deposition gelassen werden.
§. 361. Wird aber die bestrittene Gegenforderung in der
Folge liquid gemacht: so findet dennoch wegen des Zeitpunktes, wo die
Compensation geschehen, und also die Forderung des Andern erloschen ist, die
Vorschrift des §. 301. Anwendung.
§. 362. Ist die Forderung liquid, die Gegenforderung aber
zwar in Ansehung ihres Grundes eingeräumt, oder sonst klar; jedoch in Ansehung
ihres Betrages noch streitig: so findet die Compensation ebenfalls nur so weit
statt, als dieser Betrag selbst sogleich klar gemacht werden kann.
Forderungen und Fälle, wo die Compensation nicht
stattfindet.
§. 363. Der, welchem etwas in Verwahrung gegeben, oder eine
nicht verbrauchbare Sache, geliehen worden, kann sich gegen die schuldige
Rückgabe mit der Compensation nicht schützen.
§. 364. Auch alsdann findet keine Compensation statt, wenn
der Verwahrer, bey der nicht mehr möglichen Rückgabe der niedergelegten Sache
selbst, den Werth derselben zu erstatten verpflichtet ist.
§. 365. Dagegen kann auf den zu erstattenden Werth der
geliehenen Sache mit andern Forderungen compensirt werden.
§. 366. Gegen schuldige Alimentgelder findet keine
Compensation, wohl aber der Einwand statt, daß die Gegenforderung zum
Unterhalte der zu verpflegenden Person verwendet worden.
§. 367. Aber auch dieser Einwand kann nur rückständigen
Verpflegungsgeldern, und nicht solchen, die für den letzten Termin fällig, oder
für die Zukunft bestimmt sind, entgegengesetzt werden.
§. 368. Forderungen an eine landesherrliche Kasse können auf
Zahlungen, die an eine andre zu leisten sind, niemals abgerechnet werden.
§. 369. Auch wenn Forderung und Gegenforderung aus einerley
Geschäfte oder Grunde herrühren, findet dennoch die Compensation nur in so fern
statt, als nach der Kasseneinrichtung die Gegenforderung aus demselben
Kassenfond zahlbar ist, an welchen die Schuld abgetragen werden muß.
§. 370. Ein Käufer welcher das Kaufgeld zur Bezahlung
gewisser Schulden des Verkäufers anzuwenden versprochen hat, kann, zum
Nachtheile dieser Gläubiger, mit andern Forderungen an den Verkäufer nicht
compensiren.
Compensation bey Handlungen.
§. 371. Nur zwischen Handlungen die einen bestimmten
Geldwerth haben, und wobey es gleichseitig ist, von wem sie geleistet werden,
kann eine Kompensation statt finden.
Entsagung der Compensation.
§. 272. Dem Einwande der Compensation kann der Schuldner für
sich selbst gültig entsagen.
§. 373. Ein bloßes auch eidliches Versprechen, baare Zahlung
zu leisten, ist für eine solche Entsagung noch nicht zu achten.
§. 374. Zum Nachtheile des Bürgen ist eine nach übernommener
Bürgschaft geschehene Entsagung des Hauptschuldners ohne Wirkung.
Compensation bey mehrern vorhandnen Forderungen.
§. 375. Ist der Schuldner seinem Gläubiger mit mehrern
Forderungen verhaftet: so finden bey der Compensation eben die Grundsätze, wie
bey der Zahlung, in so weit statt, als überhaupt die Compensation der
Gegenforderung gegen mehr als eine der Forderungen zuläßig ist.
Rechtliche Vermuthung aus der unterlaßnen Compensation.
Verjährung.
§. 376. Daraus allein, daß jemand, ohne seine Gegenforderung
in Abzug zu bringen, Zahlung geleistet hat, folgt, ohne Zutretung andrer
Umstände, noch nicht, daß die Gegenforderung unrichtig, bezahlt, oder sonst
erloschen sey.
§. 377. Daß zur Zeit der eingeklagten Forderung die
Gegenforderung schon verjährt ist, hindert die Compensation nicht, wenn nur zu
der Zeit, da die erstere zahlbar war, die Verjährung der letztern noch nicht
vollendet gewesen ist.
Siebenter Abschnitt
Von Entsagung der Rechte
Begriff.
§. 378. Die Erklärung, von einem Rechte keinen Gebrauch
machen zu wollen, wird Entsagung genannt.
§. 379. Die Entsagung eines bereits erworbenen Rechts heißt
Erlaß, die eines noch zu erwerbenden aber Verzichtsleistung.
Grundsätze.
§. 380. Was von Verträgen überhaupt gilt, findet auch auf
Entsagungen der Regel nach Anwendung.
§. 381. Erlaß und Verzichtsleistungen erfordern allemal eine
ausdrückliche Willenserklärung.
Von Entsagung der Einwendungen.
§. 382. Die Entsagung der Einwendungen aber gegen eine an
sich gültige Forderung, kann auch stillschweigend geschehen.
§. 383. Wer in einem Prozesse von seinen Einwendungen gegen
eine wider ihn ausgeklagte Forderung innerhalb der durch die Gesetze bestimmten
Fristen keinen Gebrauch macht, wird derselben auch ohne weitere Entsagung
verlustig.
§. 384. Welche Arten der Einwendungen auch nach erfolgter
rechtskräftiger Entscheidung noch gebraucht werden können, bestimmt die
Prozeßordnung.
§. 385. Wie weit jemand, der seine Verbindlichkeit erfüllt
hat, ohne von den dagegen ihm zustehenden Einwendungen Gebrauch zu machen, das
Geleistete auf den Grund dieser Einwendungen zurückfordern könne? ist nach den
in dem Abschnitte von Zahlungen vorgeschriebenen Grundsätzen zu beurtheilen.
§. 386. Uebrigens hat es wegen derjenigen Entsagung der
Einwendungen, welche in einem Vertrage geschieht, bey den Vorschriften des
Fünften Titels §. 193. sqq. sein Bewenden.
Von Entsagungen überhaupt.
§. 387. So weit ein Vertrag, der bloß mündlich erfolgten
Abschließung ungeachtet, gültig ist, so weit ist es auch eine bloß mündliche
Entsagung.
§. 388. Was von der Annahme einer Schenkung verordnet ist,
gilt auch von der Annahme eines Erlasses, oder einer Verzichtsleistung. (Tit.
XI. §. 1058. sqq.)
§. 389. Die Annahme des bey der Entsagung zurückgegebenen
Instruments dient statt einer ausdrücklich erklärten Acceptation.
§. 390. Aus der bloßen von dem Berechtigten geschehenen
Rückgabe des Instruments, über eine nicht durch eigentliche Zahlung zu
erfüllende Verbindlichkeit, folgt allein noch kein Erlaß derselben.
§. 391. Wenn jedoch der Verpflichtete einen andern Grund,
wodurch die Verbindlichkeit gehoben worden, anführt: so dient der Umstand, daß
ihm das Instrument von dem Berechtigten zurückgegeben worden, zur Unterstützung
seiner Angabe; und es kann dadurch, nach richterlichem Ermessen, und nach
Bewandniß der übrigen zutretenden Umstände, ein Erfüllungs- oder Reinigungseid
begründet werden.
§. 392. Gerichtliche Entsagungen bedürfen keiner Annahme.
Von Entsagungen, welche unentgeltlich, oder
§. 393. Eine unentgeltlich geschehene Entsagung eines
bereits erworbenen, ingleichen, eines zwar noch künftigen, aber doch so
beschaffenen Rechts, daß der Anfall desselben dem Entsagenden gewiß war, ist
einer Schenkung gleich zu achten.
gegen Entgelt geschehen.
§. 394. Ist die Entsagung gegen Entgelt geschehen: so
finden, wenn von einem noch zweifelhaften Rechte die Rede war, die Vorschriften
des folgenden Abschnitts von Vergleichen, sonst aber die Grundsätze des Titels
von Verträgen, wodurch Gelder oder Sachen für übernommene Handlungen, oder
Unterlassungen, gegeneinander versprochen weiden, Anwendung. (Tit. XI. Sect.
VIH.)
§. 395. War über das streitige Recht bereits ein Prozeß
anhängig, so ist die auch unentgeltlich geschehene Entsagung desselben nach den
Regeln von Vergleichen zu beurteilen.
Personen, welche entsagen können.
§. 396. In der Regel kann jeder, welcher Verträge schließen
kann, auch seinem Rechte entsagen.
§. 397. Die Entsagungen, eines Verschuldeten sind, in so
fern sie nach eröffnetem Concurse geschehen, zum Nachtheile der Gläubiger ohne
Wirkung.
§. 398. In wie fern frühere Entsagungen von den Gläubigern
angefochten werden können, bestimmt die Concursordnung.
Rechte und Einwendungen, welchen nicht entsagt werden kann.
§. 399. Rechten, die aus unerlaubten Handlungen bereits
entstanden sind, kann derjenige, welchem sie zukommen gültig entsagen.
§. 400. Dagegen ist eine Verzichtsleistung auf Rechte, die
aus künftigen unerlaubten Handlungen entstehen möchten, unwirksam.
§. 401. Die Entsagung solcher Einwendungen, welche aus dem
Mangel der nach Vorschrift der Gesetze zur Gültigkeit eines Geschäftes
nothwendigen Erfordernisse entspringen, hat an sich keine Kraft.
§. 402. In wie fern bey Entsagungen der Frauenspersonen
überhaupt, und der Ehefrauen insonderheit, eine gewisse gesetzliche Form
nothwendig sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. XIV. §. 220. sqq.)
Auslegungsregeln.
§. 403. Auch bey Entsagungen finden die bey
Willenserklärungen und Verträgen angenommenen allgemeinen Auslegungsregeln
statt.
§. 404. Die allgemeine Entsagung des aus einem Geschäfte
entspringenden Rechts, enthält auch die Entsagung aller darunter begriffenen
einzelnen Befugnisse; nicht aber der gegen das Geschäft selbst aus dem Gesetze
zustehenden Einwendungen.
Achter Abschnitt
Von Vergleichen
Begriff.
§. 405. Vergleiche sind Verträge, durch welche die Parteyen
die bisher unter ihnen streitig oder zweifelhaft gewesenen Rechte dergestalt
bestimmen, daß wechselseitig etwas gegeben oder nachgelassen wird.
Wer Vergleiche schließen könne.
§. 406. So weit jemand lästige Verträge zu schließen fähig
ist, so weit kann er auch auf Vergleiche sich einlassen.
Form.
§. 407. So weit Vergleiche das Eigenthum einer unbeweglichen
Sache, oder einer Grundgerechtigkeit betreffen, finden wegen der dabey zu
beobachtenden Form, die Vorschriften des Zehnten Titels §. 15. 16. 17.
Anwendung.
Nur über streitige und zweifelhafte Rechte finden Vergleiche
statt.
§. 408. So lange gegen ein Recht noch Einwendungen statt
finden können, so lange können darüber Vergleiche geschlossen werden.
§. 409. Auch die Art der Erfüllung eines rechtskräftigen
Urtels können die Parteyen durch Vergleich näher bestimmen.
§. 410. Außerdem sind Entsagungen eines unstreitigen Rechts,
wenn sie auch in der Gestalt eines Vergleichs geschehen, nur nach den
Grundsätzen des vorhergehenden Abschnitts zu beurtheilen.
§. 411. Eben so müssen, wenn die Mängel eines Geschäfts,
welche verursachen, daß daraus gar kein Recht entstanden ist, durch nachherige
Willenserklärungen gehoben werden sollen, dergleichen Erklärungen, wenn sie
auch Vergleiche genannt worden, dennoch nur nach den Grundsätzen von
Anerkenntnissen beurtheilt werden. (Tit. V. §. 185-192.)
Vergleiche über Alimente.
§. 412. Ueber rückständige Verpflegungsgelder sind
Vergleiche, wie über andere Schulden, zuläßig.
§. 413. Ueber künftige Verpflegungsgelder kann ein Vergleich
nur unter Bestätigung der ordinairen Gerichte des zu Verpflegenden geschlossen
werden.
§. 414. Doch kann nur der, welcher die Verpflegung erhalten
soll, den Mangel der gerichtlichen Bestätigung gegen einen ihm nachtheiligen
Vergleich vorschützen.
über unerlaubte Handlungen.
§. 415. Auch über das Privatinteresse aus schon begangenen
unerlaubten Handlungen kann ein Vergleich geschlossen werden.
§. 416. Dagegen hat ein Vergleich zur Verheimlichung eines
Verbrechens, welches der Richter von Amtswegen rügen muß, keine rechtliche Wirkung.
Wie weit Irrthum einen Vergleich entkräfte.
§. 417. Irrthümer in der Person, oder in dem Gegenstande des
Vergleichs, entkräften denselben, so wie jede andere Willenserklärung. (Tit.
IV. §. 75. sqq.)
§. 418. Dagegen kann ein Vergleich unter dem Vorwande eines
vorgefallenen Irrthums über die Beschaffenheit des streitigen Rechts selbst, in
der Regel nicht angefochten werden.
Betrug.
§. 419. Hat jedoch der eine Theil ein angebliches Recht
betrüglicher Weise vorgespiegelt: so kann der andere nach entdecktem Betruge
von dem Vergleiche zurücktreten.
Neu aufgefundne Urkunden.
§. 420. Ein Gleiches gilt, wenn aus neu aufgefundenen
Urkunden der gänzliche Mangel alles Rechts auf Seiten des Gegentheils klar
nachgewiesen werden kann.
§. 421. In diesem Falle findet alles Anwendung, was die
Prozeßordnung wegen Anfechtung eines rechtskräftigen Erkenntnisses aus neu
aufgefundenen Urkunden vorschreibt.
Vergleiche über Rechte, die einem Dritten gehören.
§. 422. Vergleiche über Rechte, von welchen sich in der
Folge findet, daß dieselben weder einem noch dem andern Theile, sondern einem
Dritten zukommen, sind ohne Wirkung.
§. 423. Eben so verlieren Vergleiche über die streitig
gewesenen Folgen eines an sich unbestritten gebliebenen Rechts ihre Kraft, wenn
sich findet, daß das Recht selbst, auf dessen Grund der Vergleich geschlossen
worden, nicht vorhanden sey.
§. 424. Wird der Berechtigte des Rechts selbst, über dessen
Folgen der Vergleich geschlossen worden, nachher verlustig, so kann er die
Erfüllung des Vergleichs von dem andern nicht fordern.
§. 425. In wie fern aber derjenige, auf welchen das Recht
übergeht, an den Vergleich gebunden sey; oder dessen Erfüllung fordern könne:
hängt von der Beschaffenheit des Besitzes ab, in welchem der, welcher den
Vergleich errichtete, sich befand; so wie von der Beschaffenheit des Titels,
aus welchem er seines Rechts verlustig geworden, und selbiges an den neuen
Besitzer übergegangen ist.
Vergleiche sind nicht ausdehnend zu erklären.
§. 426. Vergleiche dürfen über die Befugnisse oder Gegenstände,
auf welche sie sich beziehen, nicht ausgedehnt werden.
§. 427. Haben sich die Parteyen ausdrücklich über alle ihre
wechselseitigen Forderungen verglichen: so sind alle bisher gehabte
gegenseitige Rechte, sie mögen schon streitig gewesen seyn oder nicht, für
aufgehoben zu achten.
§. 428. Doch bleiben auch von einem solchen Vergleiche
diejenigen Posten ausgenommen, welche einem oder beyden Theilen erst nach dem
Vergleiche bekannt geworden.
Vergleiche über Rechnungen.
§. 429. Ist über eine streitige Berechnung ein Vergleich
geschlossen worden, so kann derselbe wegen angeblicher in der Rechnung
entdeckter Irrthümer, oder Unrichtigkeiten, nicht angefochten werden.
§. 430. Wegen begangenen Betrugs aber findet die Aufhebung
eines solchen Vergleichs, so wie jedes andern, statt.
§. 431. Wegen Rechnungsfehler kann der, zu dessen Nachtheile
sie gereichen, noch innerhalb zehn Jahren nach geschlossenem Vergleiche auf
Berichtigung und Vergütung antragen.
§. 432. Wegen offenbarer bloß in einem irrigen Zusammen- oder
Abziehen bestehender Rechnungsfehler, findet der Anspruch auch nach Zehn Jahren
gegen den, welcher den Vergleich geschlossen hat, nicht aber gegen seine Erben
statt.
§. 433. Ist nicht die Rechnung selbst der Gegenstand des
Vergleichs gewesen; sondern nur eine Rechnung, als ungezweifelt richtig, dabey
zum Grunde gelegt worden; und es findet sich hiernächst, daß in dieser
Irrthümer vorgefallen sind: so kann der, welchem diese Irrthümer zum Nachtheile
gereichen, noch innerhalb der Verjährungsfrist den Fehler rügen, und
Schadensersatz fordern.
§. 434. In allen diesen Fällen (§. 431. 432. 433.) steht es
dem Andern, welcher zu dieser Vergütung sich nicht entschließen will, frey, von
dem Vergleiche zurückzutreten.
§. 435. Ist in dem Vergleiche die Summe der verglichenen
Forderungen nur zur Bezeichnung derselben angeführt, und dieselbe aus Irrthum
zu hoch oder zu niedrig angegeben worden: so findet wegen des Unterschiedes
kein Anspruch statt.
Ueber Inbegriffe von Sachen.
§. 436. Ist bey einem Vergleiche über einen Inbegriff von
Sachen ein Verzeichniß zum Grunde gelegt worden: so erstreckt sich der
Vergleich nur auf die darin angeführten Stücke.
§. 437. Sind jedoch im Vergleiche die Grundsätze der
Theilung des streitig gewesenen Inbegriffs bestimmt: so müssen die im
Verzeichnisse ausgelassenen Sachen nach diesen Grundsätzen beurtheilt werden.
§. 438. Haben die Parteyen, ohne ein Inventarium zum Grunde
zu legen, sich verglichen: so finden keine weitere Berechnungen, oder Nachforderungen
statt.
§. 439. Ueberhaupt kann ein Vergleich unter dem Vorwande,
als ob ein oder der andere Theil dadurch über oder unter der Hälfte verletzt
worden, nicht angefochten werden.
Ueber Erbschaften.
§. 440. Haben Intestaterben mit solchen, die durch
Testamente oder Verträge zu Erben eingesetzt worden, sich verglichen: so werden
dadurch die Rechte der Legatarien, in so fern diese die Gültigkeit des
Testaments oder Erbvertrages nachweisen können, nicht verändert.
§. 441. Diese können daher auch an den dem Intestaterben
abgetretenen Theil des Nachlasses sich halten, wenn der Ueberrest zu ihrer
Befriedigung nicht hinreicht.
§. 442. Ueber Erbschaften aus letztwilligen Verordnungen
findet vor Publication derselben kein gültiger Vergleich statt.
§. 443. Nach erfolgter und den Parteyen bekannt gewordener
Publication aber, kann keiner derselben den Mangel der Wissenschaft von dem
Inhalte der Verordnung vorschützen.
Gerichtliche Vergleiche.
§. 444. Wegen gerichtlich geschlossener Vergleiche bleibt es
bey den Vorschriften der Prozeßordnung.
Wirkung eines Vergleichs in Ansehung des Bürgen.
§. 445. Nach einem Vergleiche bleibt der Bürge, welcher
dabey zugezogen worden, in so fern seinetwegen nichts Besonderes verabredet
ist, für die Erfüllung der von dem Hauptschuldner durch den Vergleich
übernommenen Verbindlichkeit verhaftet.
§. 446. Ist der Bürge weder bey dem Vergleiche zugezogen,
noch darin ausdrücklich entlassen worden: so wird er zwar dadurch von seiner
Vertretungsverbindlichkeit noch nicht frey;
§. 447. Der Gläubiger kann aber gegen ihn von dem Vergleiche
keinen Gebrauch machen; und es bleiben ihm alle Einwendungen gegen die
ursprüngliche Forderung, deren der Hauptschuldner durch den Vergleich verlustig
geworden ist, gegen den an ihn sich haltenden Gläubiger vorbehalten.
§. 448. Dagegen kommt dem Bürgen gegen den Gläubiger der
Einwand des Vergleichs, so wie alle übrigen Einwendungen des Hauptschuldners,
allemal zu statten.
des Pfandrechts.
§. 449. War für die verglichene Forderung ein Pfandrecht
bestellt; und es ist darüber in dem Vergleiche nichts Besonderes verabredet: so
haftet dasselbe auch ferner noch dem Berechtigten, zur Sicherheit seiner aus
dem Vergleiche an den Verpflichteten habenden Forderung.
Neunter Abschnitt
Von Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten durch deren
Umschaffung
Was Novation sey.
§. 450. Rechte und Verbindlichkeiten können auch nach ihrem
Entstehen, mit Einwilligung der Interessenten, umgeändert werden.
Grundsätze.
§. 451. Die einer schon vorhandenen Verbindlichkeit in der
Folge hinzutretenden Verabredungen sind im zweifelhaften Falle so zu deuten,
daß die ursprüngliche Verbindlichkeit so wenig als möglich geändert werde.
§. 452. Durch die bloße Ausstellung neuer Urkunden über eine
schon vorhandene Schuld wird in der Natur derselben nichts geändert.
§. 453. Eben so wenig erfolgt eine Veränderung in der Natur
der Schuld, wenn die Zahlungstermine näher oder anders bestimmt, von einer
unzinsbaren Schuld Zinsen versprochen, oder in Ansehung des Zinssatzes, oder
der für die Schuld bestellten Sicherheit, veränderte Abreden getroffen worden.
§. 454. Wird aber eine neue Verbindlichkeit ausdrücklich an
die Stelle der vorigen gesetzt; so erlöscht diese letztere durch Umschaffung
(Novation.)
§. 455. Ist die neue Verbindlichkeit so beschaffen, daß die
vorige Verbindlichkeit mit ihr zugleich nicht bestehen kann: so erlöscht die
vorige, wenn auch eine ausdrückliche Aufhebung derselben nicht erfolgt wäre.
In wiefern ein unfähiger Schuldner,
§. 456. So weit der unfähige Schuldner während der
Unfähigkeit Zahlung leisten kann; so weit gilt auch nur eine unter diesen
Umständen von ihm vorgenommene Novation. (§. 40.41.42.)
ein unfähiger Gläubiger,
§. 457. So weit einem Gläubiger, welcher in der Verfügung
über sein Vermögen eingeschränkt ist, Zahlungen mit rechtlicher Wirkung nicht
geleistet werden können, so weit kann auch der Schuldner eines solchen
Gläubigers keine demselben nachtheilige Novation mit ihm vornehmen.
einer von mehrern Mitverpflichteten, oder
§. 458. Wenn von mehrem Mitverpflichteten der Eine mit dem
Gläubiger eine Novation der ganzen gemeinschaftlichen Verbindlichkeit vornimmt:
so befreyet er dadurch die übrigen eben so, wie durch geleistete Zahlung.
Mitberechtigten noviren könne.
§. 459. Hat von mehrern Mitberechtigten der Eine allein eine
Novation mit dem gemeinschaftlichen Schuldner vorgenommen: so ist dieselbe nur
für seinen Antheil von Wirkung.
§. 460. Ausgenommen ist der Fall, wenn der Schuldner das
Ganze an diesen Mitberechtigten zu zahlen oder zu leisten befugt gewesen wäre.
§. 461. Was Rechtens sey, wenn die Novation durch
Veränderung der Person des Gläubigers oder Schuldners erfolgt, ist gehörigen
Orts bestimmt. (Tit. XL Sect. III. Tit. XIV. §. 399. sqq. Tit. XVI. §. 262. sqq.)
in der Art der Verbindlichkeit.
§. 462. Soll die Novation durch eine Veränderung in der Art
der Verbindlichkeit unter eben denselben Personen erfolgen: so muß der
Schuldner nach den Gesetzen fähig und berechtigt seyn, eine Verbindlichkeit von
dieser Art zu übernehmen (=befugt).
§. 463. Auch der Gläubiger muß fähig und befug seyn, ein
Recht von der Art, als an die Stelle seines vorigen Rechts treten soll, zu
erwerben.
§. 464. Ueberhaupt ist eine Novation, wodurch an die Stelle
einer Verbindlichkeit eine andere, welche durch Verträge gar nicht übernommen
werden kann, gesetzt wird, ohne Wirkung.
Folgen der Ungültigkeit einer Novation.
§. 465. Ist die Novation ungültig: so bleibt die vorige
Verbindlichkeit bey Kräften.
§. 466. Ein Gleiches findet statt, wenn die Novation nur
unter einer demnächst nicht eintreffenden Bedingung vollzogen worden.
Wirkungen einer gültigen Novation.
§. 467. Ist hingegen die Novation gültig: so kann die neue
Verbindlichkeit unter dem Verwande, daß die alte nicht rechtsbeständig gewesen
sey, nicht angefochten werden.
§. 468. Doch kann der Schuldner unter eben den Umständen,
unter welchen die Rückforderung einer geleisteten Zahlung statt findet, die zu
Tilgung einer ältern eingeschrittene neue Verbindlichkeit widerrufen.
§. 469. Durch eine gültige Novation erlöschen die besondern
Vorrechte, welche der aufgehobenen Verbindlichkeit vermöge der Gesetze
zukommen; und können auch durch die ausdrückliche Verabredung der Parteyen auf
die neue Verbindlichkeit von verschiedener Art nicht übertragen werden.
§. 470. Auch erlöschen andre bey der vorigen
Hauptverbindlichkeit getroffene Nebenabreden, in so fern dieselben nicht
ausdrücklich vorbehalten worden.
in Ansehung der Pfandrechte und Bürgschaften
§. 471. Ein Gleiches gilt von dem für die vorige
Verbindlichkeit bestellten, und bey der neuen nicht mit übernommenen
Pfandrechte.
§. 472. Der Bürge, welcher bey einer von dem Gläubiger mit
dem Schuldner vorgenommenen Novation nicht mit zugezogen worden, haftet nicht
für die neue Verbindlichkeit.
§. 473. Ist er aber zugezogen, und seinetwegen nichts
Besondres verabredet worden: so geht auch seine Verpflichtung aus der
Bürgschaft auf die neue Verbindlichkeit mit über.
§. 474. Wenn hingegen, wegen Ungültigkeit der Novation, die
alte Verbindlichkeit bey Kräften geblieben ist: so bleiben auch alle zu deren
Bestärkung und Sicherstellung eingeschrittene Nebenverbindlichkeiten
ungeändert.
§. 475. Liegt jedoch der Grund von der Ungültigkeit der
Novation nicht in der Person des Gläubigers; und hat dieser den Bürgen
ausdrücklich entlassen, oder das Pfand zurückgegeben, oder die eingetragene
Sicherheit löschen lassen: so kann er an den Bürgen sich nicht ferner halten,
und von seinem Pfandrechte, zum Nachtheile eines Dritten, keinen Gebrauch mehr
machen.
Zehnter Abschnitt
Von Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten durch deren
Vereinigung
Begriff der Confusion.
§. 476. Wenn die Rechte des Gläubigers und die
Verbindlichkeiten des Schuldners in Einer Person zusammen treffen, so werden
beyde durch diese Vereinigung aufgehoben.
Erfordernisse derselben.
§. 477. Zu einer solchen Vereinigung wird erfordert, daß die
Person, in der sie erfolgt, das Recht für sich selbst auszuüben, und die
Pflicht für eigne Rechnung zu leisten habe.
§. 478. Ferner, daß bey ihr das Recht und die
Verbindlichkeit aus einem unwiderruflichen Rechtsgrunde zusammen kommen.
§. 479. Ist der Vertrag oder die Handlung, wodurch die
Vereinigung erfolgt, widerruflich, so ruhen die Rechte und Pflichten nur so
lange, als die Vereinigung dauert.
§. 480. Wenn also das dem Schuldner übertragne Recht,
vermöge des Vertrages oder andern Rechtsgrundes, durch welchen selbiges auf ihn
gediehen ist, wiederum an einen Andern gelangt, so tritt der Verpflichtete
wieder in die vorige Verbindlichkeit.
§. 481. Wenn die Vereinigung durch Erbgangsrecht erfolgt
ist, und die Erbschaft einem nachgesetzten Erben herausgegeben werden muß: so
gelangen die Rechte und Verbindlichkeiten des ersten Erben gegen die Masse
wieder zu Kräften.
Confusion bey Realrechten.
§. 482. Auch Rechte auf die Sache erlöschen, wenn der
Verpflichtete das Eigenthum der berechtigten Sache, oder der Berechtigte das
Eigenthum der verpflichteten Sache aus einem unwiderruflichen Rechtsgrunde
überkommt.
§. 483. Ein Gleiches gilt von subjectiv-dinglichen Rechten
(Tit. II. §. 125.), wenn der bloß persönlich Verpflichtete zum Besitze der
berechtigten Sache gelangt; oder der Eigenthümer der berechtigten Sache die
Verbindlichkeit des persönlich Verpflichteten überkommt.
§. 484. Das subjectiv-dingliche Recht kann jedoch erhalten
werden, wenn der Verpflichtete während seines Besitzes gegen die Vereinigung
ausdrücklich protestirt, und diese Protestation in dem Hypothekenbuche der
berechtigten Sache vermerken läßt.
bey Grundgerechtigkeiten.
§. 485. Wie weit Grundgerechtigkeiten durch Vereinbarung der
berechtigten und belasteten Sache in einem Eigenthümer erlöschen, oder nicht,
ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. XXII.)
Confusion durch Erbschaft.
§. 486. Die Wirkungen der Vereinigung durch Erbgangsrecht
werden durch den Vorbehalt der Rechtswohlthat des Inventarii gehindert.
§. 487. Der Beneficialerbe behält also gegen den Nachlaß
seines Schuldners die Rechte eines andern Erbschaftsgläubigers.
§. 488. Wenn jedoch bey dem Aufgebote der Erbschaft die
Zulänglichkeit des Nachlasses sich ergiebt; so erfolgt die Vereinigung vom Tage
des eröffneten Präclusionserkenntnisses.
§. 489. Der, welcher eine Erbschaft, ohne Vorbehalt
übernimmt, kann seine Forderungen an den Erblasser, weder zum Nachtheile der
andern Gläubiger, noch der Legatarien, ferner geltend machen.
§. 490. Dadurch, daß der Schuldner Erbe des Gläubigers wird,
entsteht niemals eine Vereinigung zum Nachtheile der Erbschaftsgläubiger, der
Miterben, oder der Legatarien.
§. 491. Vielmehr muß ein Miterbe, zur Berichtigung seines
Erbtheils, die Anweisung an das, was er selbst der Masse schuldig ist, so weit
dasselbe hinreicht, annehmen.
Confusion bey mehrern Mitberechtigten oder
Mitverpflichteten.
§. 492. Wenn Rechte oder Pflichten mehrern Personen
gemeinschaftlich zukommen, so werden durch die Vereinigung, welche nur in
Ansehung des Einen unter ihnen erfolgt, die Verhältnisse der übrigen nicht
geändert.
§. 493. Wenn also auch einer von mehrern gemeinschaftlich
verpflichteten Mitschuldnern das Recht des Gläubigers erwirbt, so kann er davon
gegen die andern Mitschuldner nach wie vor Gebrauch machen.
§. 494. Doch muß er sich dabey denjenigen Antheil anrechnen
lassen, für welchen er; als Mitschuldner, demjenigen seiner Genossen, welcher
den gemeinschaftlichen Gläubiger befriedigt, verhaftet seyn würde.
Confusion zwischen dem Bürgen, Hauptschuldner und Gläubiger.
§. 495. Wenn der Bürge den Schuldner oder dieser jenen
beerbt: so ändert sich nichts in den Rechten des Gläubigers.
§. 496. Wenn der Gläubiger den Bürgen oder dieser jenen
beerbt: so werden zwar die gegenseitigen Rechte und Verbindlichkeiten aus der
Bürgschaft aufgehoben; die Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aber bleiben
unverändert.
§. 497. So weit der Gläubiger und Hauptschuldner einander
beerben, wird zugleich die Verbindlichkeit des Bürgen aufgehoben; auch wenn
derselbe schon rechtskräftig verurtheilt war, den Hauptschuldner zu vertreten.
§. 498. Dagegen verbleibt dem Bürgen sein Recht, den Ersatz
der wegen der Bürgschaft gehabten Schäden und Kosten aus dem Vermögen oder
Nachlasse des Schuldners zu fordern.
§. 499. Ein Gleiches findet statt, wenn der Bürge, vor
erfolgter Vereinigung, an den Gläubiger für den Hauptschuldner schon wirklich
Zahlung geleistet hatte.
Rechtswohlthat der Separation des Vermögens des Erben und
Erblassers bey Concursen.
§. 500. Wenn der Erbe in Concurs verfällt, so können die
Gläubiger des Erblassers darauf antragen: daß zu ihrem Besten der Nachlaß von
dem eigenthümlichen Vermögen des Erben abgesondert, und zu ihrer Befriedigung
vorzüglich verwendet werde.
§. 501. Nur das, was nach ihrer Befriedigung von dem
Nachlasse noch übrig bleibt, fällt wieder in die Concursmasse des Erben zurück.
§. 502. Durch einen solchen Antrag wird also die Vereinigung
und Vermischung des Activvermögens des Erblassers und Erben, auch wenn
letzterer von der Rechtswohlthat des Inventarii keinen Gebrauch gemacht hätte,
zum Besten der Erbschaftsgläubiger verhindert.
§. 503. Auf diese Absonderung können jedoch nur diejenigen
Gläubiger des Erblassers antragen, welche vor Ablauf eines Jahres, nach dem
Absterben des Erblassers, ihre Befriedigung von dem Erben gerichtlich
gefordert, und die Execution wider ihn bis zum eröffneten Concurse fortgesetzt
haben.
§. 504. Erbschaftsgläubiger, welche mit dem Erben eine
Novation vornehmen, werden dadurch des Absonderungsrechts verlustig.
§. 505. Haben einige Erbschaftsgläubiger ihr
Absonderungsrecht erhalten, andere aber selbiges ob gedachtermaßen eingebüßt so
werden erstere aus dem abgesonderten Nachlasse, so weit derselbe zu reicht,
befriedigt, und letztere müssen ihnen als Gläubiger des Erben, nachstehn, wenn
sie gleich sonst, nach der Qualität ihrer Forderungen, einen Vorzug hätten
verlangen können.
§. 506. Erbschaftsgläubiger, denen für ihre Forderungen ein
Pfand- oder Hypothekenrecht in einer zum Nachlasse gehörigen Sache bestellt
worden, bedürfen zur Erhaltung desselben keiner Absonderung.
§. 507. Hat jemand eine verschuldete Erbschaft ohne
Vorbehalt der Rechtswohlthat des Inventarii übernommen, und ist dadurch außer
Stand gesetzt worden, seinen eignen und den Erbschaftsgläubigern zugleich eine
Gnüge zu leisten: so können, bey einem über ihn entstehenden Coneurse, seine
Gläubiger auf die Absonderung seines eigenen Vermögens von dem Nachlasse
antragen.
§. 508. Zu dergleichen Antrage sind jedoch nur solche
Gläubiger des Erben berechtigt, deren Forderungen älter sind, als der
Erbenfall, und die diese Forderungen innerhalb Jahresfrist, nach übernommener
Erbschaft, gegen den Schuldner eingeklagt, auch die Execution bis zum
eröffneten Concurse fortgesetzt haben.
§. 509. Die Wirkung dieses Absonderungsrechts ist, daß die
Gläubiger des Erben, denen es zukommt, aus seinem abgesonderten Vermögen
vorzüglich befriedigt werden müssen.
§. 510. Nur an das, was alsdann von dem Vermögen des Erben
noch übrig bleibt, können die Erbschaftsgläubiger, denen er wegen der ohne
Vorbehalt geschehenen Erbesantretung aus eigenen Mitteln verhaftet ist,
ingleichen seine eigenen Gläubiger, denen nach §. 508. das Absonderungsrecht
nicht zukommt, sich halten.
§. 511. Auch hier bedürfen Gläubiger des Erben die mit Pfand
oder Hypothek bedeckt sind, keines Absonderungsrechts.
§. 512. Dagegen kann auch zum Nachtheile solcher
Erbschaftsgläubiger, denen der Erbe, vor eröffnetem Concurse, ein Pfand- oder
Hypothekenrecht in seinem eignen Vermögen bestellt hat, auf die Absonderung
nicht angetragen werden.
Siebzehnter Titel
Vom gemeinschaftlichen Eigenthume
Erster Abschnitt
Vom gemeinschaftlichen Eigenthume überhaupt
Allgemeine Grundsätze.
§. 1. Gemeinschaftliches Eigenthum ist alsdann vorhanden,
wenn dasselbe Eigenthumsrecht über eine Sache, oder ein Recht, mehrern Personen
ungetheilt zukommt. (Tit. VIII. §. 14.15.17.)
§. 2. Bey der Gemeinschaft des Eigenthums wird vermuthet,
daß jeder Miteigentümer gleiches Recht, und eben so viel Recht, als der andere,
an der gemeinschaftlichen Sache habe.
§. 3. Die ungleiche Theilnehmung an der Sache ändert noch
nichts in der Beschaffenheit des Rechts der verschiedenen Miteigentümer.
§. 4. Das Recht eines jeden Theilnehmers auf die
gemeinschaftliche Sache gehört zum besondern Eigentnume desselben.
Wie Gemeinschaften entstehn.
§. 5. Von den Titeln und Erwerbungsarten des Miteigentums
gilt in der Regel alles, was vom Eigenthume überhaupt verordnet ist.
§. 6. Gemeinschaften, die aus Verträgen entstanden sind,
werden nach den Regeln der Gesellschaftsverträge beurtheilt. (Sect. 111.)
§. 7. Bey Gemeinschaften, die aus Verfügungen eines Dritten
entstehn, muß vorzüglich auf die Verordnungen des Stifters Rücksicht genommen
werden.
§. 8. Bey Gemeinschaften, die aus einer zufälligen
Begebenheit entstanden sind, gelten die Vorschriften des gegenwärtigen
Abschnitts.
§. 9. Eben diese Vorschriften finden auch alsdann Anwendung,
wenn die Entscheidung weder aus der Verordnung des Stifters, noch aus dem
Gesellschaftsvertrage, noch aus den über diese beyden Arten der Gemeinschaften
gegebenen besondern Gesetzen entnommen werden kann.
Rechte der Theilnehmer überhaupt.
§. 10. Kein Theilnehmer kann, ohne Beystimmung der übrigen,
über die gemeinschaftliche Sache, deren Besitz oder Benutzung, gültige
Verfügungen treffen.
§. 11. Selbst durch die Mehrheit der Stimmen können die
übrigen Theilnehmer in ihren Rechten nicht beeinträchtigt werden.
§. 12. Wenn es aber auf Verfügungen über die Substanz der gemeinschaftlichen
Sache, oder die Art ihrer Verwaltung oder Benutzung ankommt: so entscheidet in
der Regel die Mehrheit der Stimmen.
§. 13. Der mindere Theil der Miteigentümer muß sich also dem
Schlusse der mehrern unterwerfen, oder die Aufhebung der Gemeinschaft fordern.
§. 14. Wählt der Widersprechende Letzteres: so darf in der
Zwischenzeit, bis zur vollendeten Auseinandersetzung, wider seinen Willen keine
Veränderung vorgenommen werden.
§. 15. Kann die Gemeinschaft entweder gar nicht, oder
innerhalb einer gewissen noch nicht zu Ende gelaufenen Zeit nicht aufgehoben
werden; so ist der Widersprechende befugt, auf richterliche Untersuchung: ob
die von den übrigen Theilhabern beschlossene Verfügung zum gemeinschaftlichen
Besten gereiche, anzutragen.
§. 16. Findet sich dieses nicht: so darf wider den Willen
auch nur Eines Theilhabers an der Sache, in deren Verwaltung und Benutzung
nichts geändert werden.
§. 17. Findet sich aber, daß die Verfügung zum
gemeinschaftlichen Vortheile gereiche, und dem Widersprechenden unschädlich
sey: so muß der Richter die Einwilligung des letztern ergänzen.
§. 18. Ein Gleiches muß geschehen, wenn aus der streitigen
zum gemeinschaftlichen Vortheile gereichenden Verfügung zwar einiger besondrer
Schade für den Widersprechenden entsteht, die übrigen aber, ihn dafür
vollständig schadlos zu halten, bereit und vermögend sind.
§. 19. Ob, und wie, bloß zur Erhaltung der
gemeinschaftlichen Sache Veranstaltungen zu treffen sind, muß schlechterdings
nach der Mehrheit der Stimmen entschieden werden.
§. 20. Eben so gilt die Stimmenmehrheit ohne weitere
Rückfrage, wenn die Theilnehmer darüber, daß eine Veränderung getroffen werden
müsse, einig sind, und nur über die Art, wie sie geschehen solle, gestritten
wird.
§. 21. Der Regel nach werden in allen Fällen, wo die
Stimmenmehrheit entscheiden soll, die Stimmen nicht nach den Personen, sondern
nach Verhältniß der Antheile der Interessenten gezählt.
§. 22. Wenn es aber auf bloße persönliche Gerechtsame, und
nicht auf die gemeinschaftliche Sache selbst, deren Verwaltung und Benutzung
ankommt: so geschieht die Stimmenzählung nach den Personen.
§. 23. Bey vorhandener Stimmengleichheit muß der Streit
durch Compromiß, oder wenn auch darüber die Theilnehmer sich nicht einigen
können, durch richterlichen Ausspruch entschieden werden.
§. 24. Der Schieds- sowohl als der ordentliche Richter
müssen, bey ihrer Entscheidung, nur auf das, was dem gemeinsamen Besten
sämmtlicher Theilnehmer am zuträglichsten, und hiernächst auf das, was der
eigentlichen Bestimmung der Sache am gemäßesten ist, Rücksicht nehmen.
Gewahrsam und Besitz.
§. 25. Zur Gewahrsam der Sache sind in der Regel sämmtliche
Theilnehmer zugleich berechtigt.
§. 26. Kann die Sache nicht in gemeinschaftlichen Gewahrsam
gehalten werden: so hat derjenige den Vorzug, welchem der größte Antheil an
derselben zukommt.
§. 27. Sind die Antheile gleich: so hat derjenige, in dessen
Gewahrsam, nach seiner Lage und Vermögensumständen, die Sache am sichersten
aufgehoben ist, darauf vorzüglichen Anspruch.
§. 28. Kann auch hiernach der Streit nicht entschieden
werden: so muß das Loos den Ausspruch thun.
§. 29. So weit mit der Gewahrsam der Sache theilbare, oder
solche Nutzungen, die nach Gelde geschätzt werden können, verbunden sind,
finden die Vorschriften §. 37. sqq. Anwendung.
§. 30. Ist aber mit der Gewahrsam eine untheilbare und
unschätzbare Nutzung dergestalt verbunden, daß dieselbe ohne die Gewahrsam
nicht genossen werden kann: so muß letztere unter den Theilnehmern abwechseln.
§. 31. Die Dauer der Besitzzeit eines jeden richtet sich
alsdann nach dem Verhältnisse ihres Antheils an der gemeinschaftlichen Sache.
§. 32. Wer mit der Gewahrsam den Anfang mache, und wie die
Theilnehmer darin einander folgen, ist nach Vorschrift des §. 26. und 28. zu
bestimmen.
§. 33. Ist die unschätzbare Nutzung so beschaffen, daß sie
nur in einem gewissen wiederkehrenden Zeitraume (periodisch) ganz genossen
werden kann: so kann nur nach dem Ablaufe eines solchen Zeitraums ein Wechsel
in der Gewahrsam statt finden.
§. 34. Ein Interessent, welcher in dem ihn betreffenden
Zeitraume, die unschätzbare Nutzung selbst zu genießen, durch Abwesenheit oder
sonst gehindert wird, kann sein Recht dazu, wider den Willen der andern
Theilnehmer, keinem Fremden übertragen.
§. 35. Wegen des Besitzes gemeinschaftlicher
Familienurkunden ist gehörigen Orts das Nöthige fest gesetzt. (Th. II. Tit. IV.
Sect. I.)
Verwaltung.
§. 36. Auch die Verwaltung der Sache gebührt der Regel nach
sämmtlichen Theilnehmern gemeinschaftlich.
§. 37. Findet die gemeinschaftliche Verwaltung nach der
Natur der Sache, nach dem Einverständnisse sämmtlicher Theilhaber, oder nach
einer entscheidenden Stimmenmehrheit (§. 12-18.) nicht statt: so muß ein
gemeinschaftlicher Administrator bestellt, oder die Sache für gemeinschaftliche
Rechnung verpachtet werden.
§. 38. Können die Theilhaber sich darüber: ob Pacht oder
Administration statt finden solle, nicht vereinigen, so giebt lediglich die
Mehrheit der Stimmen den Ausschlag.
§. 39. Steht es fest, daß die Verpachtung statt haben soll,
so hat die Meinung desjenigen, welcher auf öffentliche Versteigerung der Pacht
anträgt, den Vorzug.
§. 40. Steht es fest, daß ein gemeinschaftlicher
Administrator zu bestellen sey: so hängt die Auswahl der Person desselben
abermals bloß von der Mehrheit der Stimmen ab.
§. 41. Bey vorhandener Stimmengleichheit hat der von einigen
Theilnehmern zum Administrator vorgeschlagene Mitinteressent vor einem Fremden
den Vorzug.
§. 42. Außer diesem Falle findet die Vorschrift §. 23. 24.
Anwendung.
§. 43. Auch Veränderungen in der Person des Administrators
hängen von der Mehrheit der Stimmen ab.
Nutzen und Lasten.
§. 44. Die theilbaren Nutzungen einer gemeinschaftlichen
Sache müssen, im Mangel näherer Bestimmungen, allemal nach Verhältniß der Anrechte
eines jeden Interessenten getheilt werden.
§. 45. Nach gleichem Verhältnisse muß auch jeder Theilnehmer
zu den Lasten der Sache, und zu den Kosten, welche darauf zu verwenden sind,
beytragen.
§. 46. Wer sich seiner Pflicht zur nutzbaren Erhaltung der
Sache vorsetzlich entzieht, kann angehalten werden, seinen Antheil den übrigen
Miteigenthümern nach einer gerichtlich aufgenommenen Verkaufstaxe zu
überlassen.
§. 47. Ein Gleiches findet statt, wenn ein Theilnehmer
seinen Beytrag zu den gemeinschaftlichen Lasten und Kosten wegen Unvermögens
nicht aufbringen, und dieser Beytrag auch aus den wirklich fälligen Nutzungen
seines Antheils nicht genommen werden kann.
§. 48. In dem Falle des §. 46. ist der widerspenstige
Theilnehmer für die von den andern auf seinen Theil gemachten Auslagen
gesetzmässige Verzugszinsen zu entrichten verbunden.
§. 49. Außer diesem Falle aber findet für die von einigen
Theilnehmern zum Besten der übrigen gemachten Auslagen landübliche Verzinsung
statt. (Tit. XI. §. 841.)
§. 50. Der Antheil eines jeden Theilnehmers an den Nutzungen
ist sein ausschließendes Eigenthum, und die übrigen können ihm nicht
vorschreiben, was er davon für Gebrauch machen wolle.
§. 51. Nur in Fällen, wo wegen der von einem Theilnehmer zu
den Lasten und Kosten der Sache zu leistenden Beyträge, die Uebrigen auf seinen
Antheil an der Substanz Anspruch machen können (§. 46. 47.), sind sie auch an
die wirklich fälligen und ihm noch nicht verabfolgten Nutzungen sich vorzuglich
zu halten berechtigt.
Rechte und Pflichten der Gesellschafter gegen einen Dritten,
besonders aus den Handlungen einzelner Theilnehmer.
§. 52. Gemeinschaftliche Verträge der Theilnehmer mit einem
Dritten sind, in Ansehung des Letztern, nach den Vorschriften der Gesetze von
Correalverträgen, zu beurtheilen. (Tit. V. §. 424. sqq.)
§. 53. Wenn ein Theilnehmer, vermöge eines Auftrages der
Uebrigen, oder auch ohne dergleichen Auftrag, in Rücksicht der
gemeinschaftlichen Sache, etwas mit einem Fremden verhandelt; so werden die
Rechte und Pflichten, welche aus einer solchen Handlung zwischen ihm und dem
Fremden, so wie zwischen diesem und den übrigen Theilnehmern entstehe, nach den
Vorschriften des Dreyzehnten Titels im Ersten und Zweyten Abschnitte
beurtheilt.
§. 54. In Fällen, wo die Gesetze eine vermuthete Vollmacht
zulassen, hat der Theilnehmer, welcher in Rücksicht der gemeinschaftlichen
Sache etwas verhandelt, dergleichen vermuthete Vollmacht für sich. (Tit. XIII.
§. 119. sqq.)
§. 55. Was ein Theilnehmer, auch durch Verwendung des
gemeinschaftlichen Vermögens, für sich selbst und auf seinen eignen Namen
erwirbt, wird kein gemeinschaftliches Eigenthum der übrigen Theilnehmer.
§. 56. Es steht aber diesen frey, von dem Erwerbenden die
Abtretung des Miteigenthums der ganz oder zum Theil aus gemeinschaftlichem
Vermögen erworbenen Sachen oder Rechte zu fordern.
§. 57. Wollen sie dieses nicht, so muß der Erwerbende das
Verwendete mit gesetzlichen Verzugszinsen zurückgeben.
§. 58. Theilnehmer, deren Miteigenthum ohne ausdrücklichen
Vertrag entstanden ist, dürfen einander, bey ihren Handlungen oder
Unterlassungen in Rücksicht der gemeinschaftlichen Sache, nur für grobe und
mäßige Versehen gerecht werden.
§. 59. Hat aber ein Theilnehmer ohne Auftrag, oder gar wider
den Willen der Uebrigen, etwas vorgenommen, was die ganze gemeinschaftliche
Sache betrift: so haftet er für den dabey entstandenen Schaden, gleich einem
Fremden. (Tit. XIII. Sect. II. III.)
Veräußerung einzelner Antheile.
§. 60. Bey gemeinschaftlichem Eigenthume, welches weder
durch Vertrag, noch durch Verordnung eines Dritten entstanden, ist jeder
Theilnehmer sein Anrecht auch einem Fremden zu überlassen wohl befugt;
§. 61. Doch bleibt den übrigen Theilnehmern, wenn dieselben
die Gemeinschaft unter sich fortsetzen wollen, das Vorkaufsrecht vorbehalten.
§. 62. Melden sich zur Ausübung dieses Rechts mehrere
Theilnehmer: so entscheidet unter ihnen die Wahl des Ausscheidenden.
§. 63. Bey einem durch Vertrag oder Verordnung eines Dritten
entstandenen gemeinschaftlichen Eigenthume, kann jeder Theilnehmer sein Anrecht
einem Mitgenossen gültig abtreten.
§. 64. Auch ist die Abtretung des Miteigenthums an einen
Fremden, bey Gemeinschaften, welche durch Verordnung eines Dritten entstanden
sind, in der Regel zuläßig.
§. 65. Doch haben auch in diesem Falle die übrigen
Interessenten das Vorkaufsrecht nach den §. 61. 62. enthaltenen Bestimmungen.
§. 66. Können und wollen aber die übrigen Interessenten auf
die Theilung so fort antragen; oder vermögen sie einen aus der Person des neuen
Mitgenossen für sie entstehenden Nachtheil auszuweisen: so findet die
Veräußerung an einen solchen Mitgenossen nicht statt.
§. 67. Bey Gemeinschaften, die durch Vertrag entstanden
sind, haben eben diese Vorschriften §. 65. 66. in so weit Anwendung, als der
Vertrag bloß die Erwerbung eines gemeinschaftlichen Eigenthums zum Gegenstande
hatte.
§. 68. Hat aber in diesem Vertrage ein Mitglied zugleich
gewisse Handlungen und persönliche Pflichten in Rücksicht des gemeinschaftlichen
Geschäfts übernommen: so kann derselbe seinen Mitgenossen, durch Veräußerung
seines Anrechts, einen Fremden, wider ihren Willen, dazu nicht aufdringen.
Verpfändung derselben.
§. 69. In so fern als ein Theilhaber sein Anrecht an einen
Fremden zu veräußern befugt ist, kann er es auch demselben verpfänden.
§. 70. Jeder Theilhaber ohne Unterschied kann, auch einem
Fremden, nicht nur seinen Antheil an den bereits gewonnenen Nutzungen abtreten,
sondern auch demselben die künftigen Nutzungen für seinen Theil gültig
anweisen.
§. 71. Ueberhaupt sind die Gläubiger eines Theilhabers
befugt, an den Antheil der Nutzungen ihres Schuldners aus der
gemeinschaftlichen Sache sich zu halten, und dessen Herausgabe, von den übrigen
Interessenten zu. fordern.
§. 72. Es findet also auch der Arrestschlag auf Nutzungen
statt, wenn nicht gewisse Gesellschaften durch Gesetze davon ausdrücklich
ausgenommen sind.
§. 73. Auf den wirklichen Mitbesitz, oder auf die
Mitverwaltung der gemeinschaftlichen Sache, kann der bloße, auch dingliche
Gläubiger eines Theilnehmers, nicht Anspruch machen.
§. 74. Eine nothwendige Veräußerung des dem Schuldner
gehörenden Antheils an der Sache selbst, auf das Andringen seiner Gläubiger,
ist nur unter den §. 60-68. bestimmten Umständen, so wie alsdann zuläßig, wenn
auf die Theilung des gemeinschaftlichen Eigenthums angetragen werden kann.
Aufhebung der Gemeinschaften.
§. 75. Die Theilung des gemeinschaftlichen Eigenthums findet
in allen Fällen statt, wo nicht ausdrückliche Gesetze, Verträge, oder rechtsgültige
Verordnungen eines Dritten entgegenstehn.
§. 76. Das Recht auf eine solche Theilung anzutragen, kann
auch durch Verjährung nicht verloren gehn.
§. 77. Selbst alsdann nicht, wenn ein Theilnehmer der von
dem andern angetragenen Theilung widersprochen ; und letzterer sich dabey durch
noch so lange Zeit beruhigt hätte.
§. 78. Der bloße Rath oder die Warnung des Stifters, daß die
Gemeinschaft fortgesetzt werden möchte, schränkt das Recht der Theilnehmer, auf
Trennung anzutragen, nicht ein.
§. 79. In allen Fällen, wo die Aufhebung eines an sich
gültigen Vertrages in den Gesetzen verstattet ist, kann auch die
Verbindlichkeit aus Verträgen, zur Fortsetzung der Gemeinschaft, aufgehoben
werden. (Tit. V. §. 349. sqq.)
§. 80. Eben so findet die Trennung einer Gemeinschaft, deren
Fortsetzung ein Dritter an sich gültig verordnet hat, in denjenigen Fällen
statt, wo ein gültiger Vertrag, wegen Unmöglichkeit der Erfüllung, oder wegen
veränderter Umstände, aufgehoben werden kann. (Tit. V. §. 360. bis 377. sqq.)
§. 81. Was wegen Trennung einer unter Eheleuten entstandenen
Güter-Gemeinschaft Rechtens sey, ist im Titel von der Ehe vorgeschrieben. (Th.
II. Tit. I. Sect. VI. VII. Vm.)
§. 82. So weit jemand gültige Veräußerungs-Verträge zu
schließen fähig ist, kann er auch auf Theilung des gemeinschaftlichen
Eigenthums antragen.
§. 83. Sind bey einer in den Gesetzen an sich gebilligten
Theilung die Interessenten über den Zeitpunkt derselben nicht einig, so muß die
Theilung bis dahin verschoben werden, wo sie ohne Schaden der Sache, und mit
dem wenigsten Nachtheile für sämtliche Interessenten erfolgen kann.
§. 84. In der Regel ist derjenige Zeitpunkt abzuwarten, wo
sich Nutzen und Lasten der gemeinschaftlichen Sache am füglichsten gegen
einander abwägen lassen.
§. 85. Wegen bloßer Rückstände in der zur gemeinschaftlichen
Sache gehörenden Einnahme, kann die Theilung selbst nicht aufgehalten werden.
§. 86. Wenn mehrere von einander unterschiedene Sachen,
deren jede besonders genutzt werden kann, zu theilen sind: so darf deswegen,
weil einige noch nicht getheilt werden können, die Theilung der übrigen nicht
ausgesetzt bleiben.
§. 87. Was seiner Natur nach theilbar ist, und durch die
Theilung seinen Werth nicht verliert, muß, wenn nicht ausdrückliche Gesetze
entgegenstehn, oder die Interessenten sich auf andre Art deshalb vereinigen, in
Natur getheilt werden.
§. 88. Können die Interessenten wegen Zuschlagung der
einzelnen Theile sich nicht vereinigen; so entscheidet das Loos.
§. 89. Kann zwar die Sache an sich in Natur getheilt; über
die Würdigung oder Legung der Theile aber kein Uebereinkommen unter den
Interessenten getroffen werden: so ist jeder derselben auf öffentlichen Verkauf
anzutragen berechtigt.
§. 90. Dergleichen Ausgebot zum öffentlichen Verkaufe findet
in allen Fällen statt, wo die Theilung in Natur nicht erfolgen, und auch wegen
Ueberlassung der gemeinschaftlich gewesenen Sache an einen der Theilnehmer,
oder an einen Dritten, keine Vereinigung unter den Interessenten erreicht
werden kann.
§. 91. Ob für ein geschehenes Gebot der Zuschlag erfolgen,
oder die Ausbietung fortgesetzt werden solle, entscheidet die Mehrheit der
Stimmen.
§. 92. Liegt jedoch bey dem Aufgebote zum öffentlichen
Verkaufe eine Taxe zum Grunde, welche mit Zuziehung sämmtlicher Interessenten
nach Vorschrift der Prozeßordnung aufgenommen worden; und geschieht ein Gebot,
wodurch die Taxe erreicht oder gar überstiegen wird: so muß der Zuschlag
geschehen, wenn auch nur einer oder etliche Interessenten, welche keine
Mehrheit ausmachen, darauf antragen.
§. 93. Ist die Taxe nicht erreicht worden, und die Stimmen
für und wider den Zuschlag sind gleich, so findet derselbe nicht statt.
§. 94. Ist zwar die Theilung zuläßig; die Veräußerung an
einen Fremden aber verboten: so muß die untheilbare Sache durch Versteigerung
unter den Interessenten selbst ins Geld gesetzt werden.
§. 95. Bey einer solchen Bietung unter den Interessenten
kann derjenige, welcher auf die Theilung dringt, den Zuschlag an sich selbst,
wenn auch sonst seine Stimme das Uebergewicht ausmacht, doch nicht verlangen,
wenn nicht wenigstens der volle Betrag einer nach §. 92. aufgenommenen Taxe
geboten worden.
§. 96. Unter mehrern ein gleiches Gebot abgebenden
Theilnehmern entscheidet die Erklärung der übrigen. Wenn aber außer ihnen keine
Theilnehmer mehr vorhanden sind; oder die übrigen sich wegen der Entscheidung
nicht vereinigen können oder wollen: so hat derjenige, welcher das höchste
Gebot zuerst abgegeben hat, den Vorzug.
§. 97. Bey allen Theilungen müssen die Interessenten
einander für den jedem zugeschlagenen Antheil, wie bey Kaufverträgen, die
Gewähr leisten.
§. 98. Bey Theilung gemeinschaftlicher Capitalien finden
wegen der Gewährleistung die Vorschriften von Cessionen Anwendung. (Tit. XI.
Sect. III. §. 420. sqq.)
§. 99. Diese Verbindlichkeit der theilenden Miteigenthümer
gegen einander (§. 97. 98.), wird .nicht geändert, wenn gleich der Dritte, welcher
ihnen das gemeinschaftliche Eigenthum übertragen hat, wegen einer künftigen
Auseinandersetzung gewisse Vorschriften ertheilt hätte.
§. 100. Wenn aber aus dem Inhalte der Verordnung sich
ergiebt, daß der Stifter einem Interessenten, von Anfang an, gewisse Theile als
sein besondres Eigenthum habe anweisen wollen: so findet desfalls keine
Gewährsleistung statt.
§. 101. Im zweifelhaften Falle wird letzteres (§. 100.)
eher, als ersteres, (§. 99.) vermuthet.
§. 102. In so fern durch die Theilung streitige Punkte
abgemacht worden, ist sie nach den Gesetzen von Vergleichen zu beurtheilen.
§. 103. Eigenthum und Gefahr in Ansehung des Ganzen gehen
bey Theilungen nur eben so, wie bey Kaufverträgen in Ansehung körperlicher
Sachen, und bey Cessioen in Ansehung der Rechte, auf den Uebernehmer des Ganzen
über.
§. 104. Die Bestimmung der Antheile oder Abfindungen
geschieht übrigens nach Verhältniß des dem bisherigen Miteigenthümer
zugekommenen Anrechts. (§. 2. 3.)
Wirkungen derselben in Absicht eines Dritten.
§. 105. Durch die Theilung können die in Ansehung der
getheilten Sache schon erworbenen Rechte eines Dritten nicht geschmälert
werden.
§. 106. Hat der Gläubiger ein dingliches Recht auf die
gemeinschaftlich gewesene Sache erlangt: so kann er, auch wenn die Sache in
Natur getheilt worden, an jeden Theil für das Ganze sich halten.
§. 107. Für bloß persönliche Forderungen aber, die einem
Dritten an sämmtliche gewesene Theilhaber zukommen, haftet bey einer weder
durch Vertrag noch durch letztwillige Verordnung entstandenen Gemeinschaft,
nach erfolgter Trennung derselben, ein jeder der gewesenen Theilnehmer nach
Verhältniß des empfangenen Antheils.
§. 108. Wenn über den Grund des Anspruchs eines Dritten an
die gemeinschaftlich gewesene Sache, oder an die Personen der sämmtlichen
vormaligen Theilnehmer, ein Rechtsstreit entsteht, so sind letztere, in so fern
sie ihren Gerichtsstand in hiesigen Landen haben, schuldig, auch nach erfolgter
Theilung, mit dem Gläubiger sich gemeinschaftlich einzulassen.
§. 109. Ausnahmen und nähere Bestimmungen in Ansehung
solcher Theilnehmer, deren gemeinschaftliches Eigenthum aus einem
Gesellschaftsvertrage entstanden ist, so wie in Ansehung der Miterben, sind
gehörigen Orts festgesetzt. (Sect. II. III.)
§. 110. In allen Fällen, wo die gewesenen Theilhaber,
vermöge eines ausdrücklichen Vertrags, gemeinschaftlich haften, wird ihre
Verbindlichkeit gegen den Dritten durch die erfolgte Theilung in nichts
geändert.
In wie fern Theilungen angefochten werden können.
§. 111. Die Kraft und Gültigkeit einer Privattheilung ist
nach den Regeln von Vergleichen, so wie derjenigen, welche mit Zuziehung des
Richters angelegt worden, nach den Regeln der rechtskräftigen Erkenntnisse zu
beurtheilen.
§. 112. Nur so weit also, als Vergleiche oder rechtskräftige
Urtelssprüche von den Parteyen angefochten werden können; findet die Anfechtung
einer in rechtsgültiger Form abgeschlossenen Theilung statt.
§. 113. Doch kann eine gerichtliche Theilung unter dem
Vorwande, daß das Geschäft nicht vor dem gehörigen Richter behandelt worden,
nicht angefochten werden.
§. 114. Dagegen gilt bey Theilungen eines Inbegriffs von
Sachen, selbst wenn sie durch Erkenntniß bestimmt worden, dennoch eben das, was
die Gesetze bey einer durch Vergleich vollzogenen Theilung eines solchen
Inbegriffs, in Ansehung der dabey übergangenen Stücke vorschreiben. (Tit. XVI.
§. 436. sqq.)
Zweyter Abschnitt
Vom gemeinschaftlichen Eigenthume der Miterben
§. 115. Die gemeinschaftlichen Rechte der Miterben sind nach
den allgemeinen Grundsätzen vom Miteigenthume zu beurtheilen.
§. 116. Das Anrecht eines jeden an der Gemeinschaft ist
entweder durch rechtsbeständige Willenserklärung des Erblassers, oder in deren
Ermangelung unmittelbar durch Gesetze bestimmt. (Tit. XII. Th. II. Tit. I-IV.)
Von Erbschaftstheilungen. Wer darauf antragen könne.
§. 117. Jeder Erbe, dessen Antheil nicht in sich selbst,
sondern nur im Verhältnisse gegen das Ganze bestimmt ist, kann auf die Theilung
antragen.
.§. 118. Ein Verbot des Erblassers, daß sein Nachlaß niemals
getheilt werden solle, hat keine rechtliche Wirkung.
§. 119. Wohl aber kann der Erblasser die Theilung bestimmter
einzelner zum Nachlasse gehöriger Stücke untersagen, und deren fortwährende
Gemeinschaft unter den Erben verordnen.
§. 120. Wie weit dergleichen Verbot für beständig, oder nur
auf gewisse Grade von Wirkung sey, ist nach den bey Fideicommissen
vorgeschriebenen Grundsätzen zu beurtheilen. (Tit. XII. §. 53. sqq.)
§. 121. Hat der Erblasser die Aussetzung der Theilung bis
zum Ablaufe einer gewissen Zeit, oder bis zum Eintritte einer gewissen
Begebenheit vorgeschrieben: so müssen die Erben sich diese Vorschrift gefallen
lassen.
§. 122. Doch ist ein Erbe, dem der Erblasser nicht mehr als
einen ihm gebührenden Pflichttheil verlassen hat, auch an solche Verfügungen
desselben (§. 119- 121.) nicht gebunden.
Art der Theilung.
§. 123. Die Art der Theilung ist nach der Vorschrift des
Erblassers, übrigens aber nach den Regeln des vorigen Abschnitts zu bestimmen.
§. 124. Schriften und Urkunden, die weder ein zum Nachlasse
gehörendes Grundstück betreffen, noch ein in die Theilung kommendes Recht
begründen, noch an sich einen nach Gelde zu bestimmenden Werth haben,
verbleiben demjenigen, welchem der größte Antheil an der Erbschaft zukommt.
§. 125. Unter Miterben, deren Antheile gleich sind,
entscheidet über den Besitz solcher Urkunden das Loos.
§. 126. Hat der Erblasser selbst die Theilung angelegt : so
kann er die von den Miterben für ihre Antheile einander zu leistende Gewähr (§.
97. 98.) Einem oder allen erlassen; doch nicht zum Nachtheile dessen, welchem
er nur einen demselben gebührenden Pflichttheil angewiesen hat.
Rechte und Pflichten der Miterben in Ansehung der
Erbschaftsschulden und Lasten.
§. 127. Zu den die Erbschaft betreifenden Schulden und
Lasten sind die Erben gegen die Erbschaftsgläubiger gemeinschaftlich verpflichtet.
§. 128. Unter sich aber sind sie dazu, nach Verhältniß ihrer
Erbtheile beyzutragen schuldig.
§. 129. Doch kann dieser Beytrag unter den Erben selbst
durch Verfügung des Erblassers, oder durch Vertrag, auch in einem ungleichen
Verhältnisse, gültig bestimmt werden.
§. 130. Dergleichen Festsetzungen können aber die Rechte der
Gläubiger niemals, und bloße Verabredungen der Erben unter sich können auch die
Rechte der Legatarien auf den ganzen Nachlaß nicht schmälern.
besonders nach erfolgter Theilung.
§. 131. Haben die Erben vor Erfüllung ihrer
gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten in den Nachlaß sich getheilt: so hat jeder
Erbschaftsgläubiger die Wahl: ob er sich an die Erben insgesammt, oder an jeden
derselben, nach Verhältniß seines Erbtheils, oder an einen unter ihnen für das
Ganze halten wolle.
§. 132. Will er sich an die Erben insgesammt halten, so
müssen ihm dieselben in dem letzten persönlichen Gerichtsstande des Erblassers
gerecht werden. (§. 108.)
§. 133. Hält er sich an die einzelnen Erben, oder nur an
einen unter ihnen, so muß er jeden in seinem eigenen Gerichtsstande belangen.
§. 134. Auf eine höhere Summe, als der erhaltene Erbtheil
beträgt, kann kein einzelner Erbe, wenn er die Erbschaft nicht ganz ohne
Vorbehalt angetreten hat, für das Ganze belangt werden.
§. 135. In wie fern, wenn dieser Erbtheil durch Zahlungen an
andere Gläubiger bereits erschöpft ist, der Erbe nur nach Verhältniß seines
Antheils, oder gar nicht haften därfe, ist nach den im Neunten Titel §. 452.
sqq. vorgeschriebenen Grundsätzen zu bestimmen.
§. 136. Kann der Gläubiger von dem- oder denjenigen
einzelnen Erben, die er in Anspruch genommen hat, seine Befriedigung ganz oder
zum Theil nicht erhalten: so bleibt ihm dennoch sein Recht gegen die übrigen
Miterben.
Was Erben, die nach erfolgter Theilung den
Erbschaftsgläubigern nur für ihren Antheil haften wollen, zu beobachten haben.
§. 137. Wollen die theilenden Miterben einen
Erbschaftsgläubiger verpflichten, daß er sich an jeden unter ihnen nur nach
Verhältniß seines Erbtheils halten solle: so müssen sie demselben die
bevorstehende Theilung in Zeiten bekannt machen.
§. 138. In Ansehung der unbekannten Gläubiger muß diese
Bekanntmachung dreymal in die Zeitungen und Intelligenzblätter der Provinz
eingerückt werden.
§. 139. War der Erblasser ein Kaufmann, dessen Verkehr sich
auch außerhalb der Provinz erstreckte: so muß die Bekanntmachung, noch
außerdem, in den Zeitungen einer andern Königlichen Provinz erfolgen.
§. 140. Dazu muß eine Provinz gewählt werden, in welche der
Erblasser sein Verkehr hauptsächlich betrieben hat, oder die dem Auslande,
wohin er handelte, am nächsten liegt.
§. 141. Läßt ein Erbschaftsgläubiger Drey Monathe nach
geschehener Bekanntmachung verstreichen, ohne sich zu melden, so kann er, nach
erfolgter Theilung, an jeden Erben nur für seinen Antheil sich halten.
§. 142. In dem Falle des §. 139. 140. kommt den auswärtigen
Gläubigern des Erblassers eine Sechsmonatliche Frist zu gute.
§. 143. Die Frist wird, wenn die Bekanntmachung durch Briefe
geschehen, von dem Tage, wo der Brief, nach dem gewöhnlichen Laufe der Posten,
an dem Orte seiner Bestimmung hat eintreffen können, bey öffentlichen
Bekanntmachungen aber, von dem Tage der ersten Einrückung in die Zeitungen
gerechnet.
§. 144. Es hängt von den Erben ab, diese Bekanntmachung
durch die Gerichte zu veranstalten, oder sie selbst außergerichtlich, zu
besorgen.
§. 145. Ist nur letzteres erfolgt, und ein Gläubiger läugnet
die erhaltene Nachricht; so müssen die Erben die mündliche Eröffnung, oder den
Eingang des Briefes, worin die schriftliche Nachricht enthalten war, und bey
öffentlichen Bekanntmachungen, die wirklich erfolgte Einrückung derselben
gehörig nachweisen.
§. 146. Gegen einen Gläubiger, dessen Forderung den Erben
zwar bekannt, sein dermaliger Aufenthalt aber, nach ihrer an Eidesstatt
abzugebenden Versicherung, unbekannt war, ist die öffentliche Bekanntmachung
hinreichend.
Rechte der Miterben gegen einander nach erfolgter Theilung
wegen der Erbschaftsschulden und Lasten.
§. 147. So weit, nach vorstehenden Grundsätzen, ein jeder
Miterbe, auch nach der Theilung, den Erbschaftsgläubigern und Legatarien
verhaftet bleibt, hat er das Recht, von seinen Miterben den Nachweis zu
fordern: daß die von selbigen übernommenen Theile der Erbschaftsschulden und Lasten
berichtigt, oder doch die übrigen Miterben von ihrer Verbindlichkeit dazu
befreyt worden.
§. 148. Die Zeit, binnen welcher eines oder das andere
geschehen solle, muß, wenn die Parteyen sich darüber nicht vereinigen können,
nach Beschaffenheit der Umstände von dem Richter bestimmt werden.
§. 149. Jeder Miterbe ist von dem andern
Sicherheitsbestellung deshalb auf seinen Antheil zu fordern berechtigt.
§. 150. Einem Miterben, welcher der §. 147. ihm obliegenden
Pflicht in der bestimmten Zeit nach zukommen säumig ist, muß der Richter, auf
das Anrufen auch nur eines einzelnen Miterben, zu deren Erfüllung anhalten.
Rechte und Pflichten der Miterben, wegen der zur Erbschaft
gehörenden Activforderungen.
§. 151. Auch die zur Erbschaft gehörenden Activforderungen
können die Erben, so lange sie im Miteigenthume stehn, nur gemeinschaftlich
einziehn.
§. 152. Nach getheilter Erbschaft kann der Schuldner an
denjenigen Erben sicher zahlen, welcher sich im Besitze des über die Forderung
sprechenden Instruments befindet.
§. 153. Wollen die übrigen Erben verhindern, daß der
Besitzer des Instruments das Ganze für sich einziehe; so müssen sie dieses dem
Schuldner gerichtlich bekannt machen; und wenn die Post im Hypothekenbuche
eingetragen ist, auch ihre Protestation daselbst vermerken lassen.
§. 154. Ist die Schuld so beschaffen, daß kein besonderes
Instrument darüber vorhanden ist: so muß der Schuldner an denjenigen Erben
zahlen, welchem die Post bey der Theilung angewiesen worden.
§. 155. Kann keine dergleichen Anweisung vorgezeigt werden:
so ist der Schuldner berechtigt, zu verlangen, daß die Erben einen
gemeinschaftlichen Bevollmächtigten zur Einziehung der Schuld bestellen.
§. 156. Können oder wollen die Erben dieses nicht thun; oder
zweifelt der Schuldner, daß die vorgezeigte Vollmacht von sämmtlichen Erben
ausgestellt sey: so kann er sich durch gerichtliche Niederlegung der schuldigen
Sache oder Summe von seiner Verbindlichkeit befreyen.
§. 157. Die Niederlegung muß in demjenigen Gerichtsstande
geschehen, unter welchem der im Vertrage, oder durch das Gesetz, bestimmte
Zahlungsort gelegen ist.
§. 158. Die Kosten der Niederlegung müssen die Erben tragen,
sobald das Bedenken des Schuldners, welches dieselbe veranlaßt hat, nicht
offenbar unerheblich gewesen ist.
Wie es zu halten sey, wenn das Erbrecht streitig ist.
§. 159. Streiten mehrere Personen darüber, welchem von ihnen
das Erbrecht ganz oder zum Theil zustehe: so muß die Verwaltung der Erbschaft
einem gerichtlich zu bestellenden Verlassenschafts-Curator aufgetragen werden.
§. 160. Hat schon einer der Prätendenten redlicher Weise den
Besitz der Erbschaft ergriffen: so muß er darin bis zum Austrage der Sache
gelassen werden.
§. 161. Befindet sich noch keiner der Prätendenten im
Besitze der Erbschaft: so hängt es lediglich von der Beurtheilung des Richters
ab, die Curatel einem unter denselben, oder auch einem Fremden, zu übertragen.
§. 162. Sowohl der Verlassenschafts-Curator, als der im
Besitze befindliche Prätendent, müssen die Verwaltung der Erbschaft, bis zum
Ausgange des Streits, unter richterlicher Aufsicht führen.
§. 163. Sie müssen bey allen Verfügungen, welche die
Substanz des Nachlasses, oder Hauptveränderungen in der Administration
desselben betreffen, die andern Erbschafts-Prätendenten zuziehen.
§. 164. Sobald der Streit über das Erbrecht oder die
Erbtheile entschieden ist, oder alljährig, wenn dieser Streit sich in die Länge
zieht, muß der Curator den Interessenten von seiner Administration Rechenschaft
ablegen.
§. 165. Der redliche Erbschaftsbesitzer (§. 160 kann nur
nach entschiedener Sache, oder wenn er sich während des Prozesses einer
nachtheiligen Verwaltung der Erbschaft verdächtig macht, zur Rechnungslegung
angehalten werden.
§. 166. Die Theilung der Erbschaft muß ausgesetzt bleiben,
bis der Streit über das Erbrecht oder die Erbantheile völlig entschieden ist.
§. 167. Doch können diejenigen, welche von den übrigen Prätendenten
als Miterben anerkannt werden, auf die Theilung in so weit antragen, als
selbige ohne erheblichen Nachtheil für die andern, im Falle daß diese den
gemachten Anspruch rechtlich ausführen sollten, stattfinden kann.
§. 168. Wie es in Fällen, wenn Testaments- und Intestaterben
über das Erbrecht streiten, mit dem Besitze und der Verwaltung des Nachlasses
zu halten sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. XII. §. 243. sqq.)
Dritter Abschnitt
Von Gemeinschaften, welche durch Vertrag entstehn
Begriffe und Grundsätze.
§. 169. Ein Vertrag, durch welchen mehrere Personen ihr
Vermögen oder Gewerbe, oder auch ihre Arbeiten und Bemühungen, ganz oder zum
Theil, zur Erlangung eines gemeinschaftlichen Endzwecks vereinigen, wird ein
Gesellschaftsvertrag genannt.
§. 170. Der Zweck der Verbindung, und das Verhältniß der
Verbundenen bey und zur Erlangung desselben, müssen allemal, ohne Unterschied
des Gegenstandes, durch einen schriftlichen Vertrag, bey Strafe der
Nichtigkeit, festgesetzt werden.
§. 171. Ist dies nicht geschehen; gleichwohl aber durch die
gemeinschaftlichen Verwendungen der Gesellschafter bereits etwas erworben
worden: so wird ein solcher Erwerb als gemeinschaftliches Eigenthum, welches
aus einer zufälligen Begebenheit entstanden ist, nach den Regeln des Ersten
Abschnitts beurtheilt.
§. 172. Haben mehrere Personen gemeinschaftlich mit einem
Dritten einen Vertrag geschlossen: so wird, in Ermangelung eines besondern
rechtsgültigen Abkommens unter ihnen selbst, ihr Verhältniß gegen einander nach
den in dem Vertrage mit dem Dritten vorkommenden Bestimmungen beurtheilt.
§. 173. Sind auch in diesem dergleichen Bestimmungen nicht
enthalten: so finden die allgemeinen Regeln des Ersten Abschnitts Anwendung.
§. 174. Ist das, was in die Gesellschaft gebracht, oder durch
dieselben bewirkt werden soll, in dem Vertrage nicht deutlich bestimmt: so
streitet die Vermuthung mehr für die Einschränkung, als für die Erweiterung
desselben.
§. 175. Die Pflichten der Verbundenen zur Erreichung des
gemeinschaftlichen Endzwecks, so wie die Rechte derselben in Ansehung des
dadurch zu erwerbenden Vortheils, werden im zweifelhaften Falle für gleich
geachtet.
I. Von allgemeinen Gesellschaften.
§. 176. Eine allgemeine Gütergemeinschaft kann durch Vertrag
nur unter Eheleuten errichtet werden. (Th. II. Tit. I. Sect. VI.)
§. 177. Was wegen einer allgemeinen Gesellschaft des
Erwerbes unter Eheleuten Rechtens sey, ist gehörigen Orts bestimmt. (Ibid.)
§. 178. Unter andern Personen kann eine solche allgemeine
Gemeinschaft des Erwerbes nur durch einen gerichtlich geschlossenen Vertrag
gültig eingegangen werden.
§. 179. Daß dergleichen Vertrag geschlossen worden, muß
durch Anschlag an der Gerichtsstelle des Wohnorts sämmtlicher Contrahenten, so
wie durch Einrückung einer Anzeige in die Zeitungen und Intelligenzblätter der
Provinz, öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 180. Ist dieses unterblieben: so kann eine solche
Gemeinschaft einem Dritten, der sich mit einem der Interessenten in
Verhandlungen eingelassen hat, so lange er der Wissenschaft nicht überführt
werden kann, niemals zum Nachtheile gereichen.
§. 181. Uebrigens gelten, wegen der bey Schließung eines
solchen Vertrages zu beobachtenden Erfordernisse, ingleichen wegen dessen, was
zu einer Gemeinschaft des Erwerbes im zweifelhaften Falle gerechnet werden
müsse, eben die Vorschriften, wie bey Eheleuten. (Th. II. Tit. I. Sect. VI.)
§. 182. Dagegen werden die Rechte und Pflichten der
Gesellschafter, in Ansehung des Besitzes, der Verwaltung, und der Benutzung des
gemeinschaftlichen Erwerbes, im Mangel näherer Bestimmungen, lediglich nach den
Regeln des Ersten Abschnitts beurtheilt.
II. Von besondern Gesellschaften.
§. 183. Gesellschaftsverträge, welche nur auf einen
bestimmten Gegenstand, oder auf ein besonderes Gewerbe oder Geschäft gerichtet
sind, bedürfen keiner gerichtlichen Abschließung oder Bestätigung.
§. 184. Eben dies gilt auch bey Kaufleuten, welche nur zum
Betriebe eines einzelnen bestimmten Geschäftes mit einander in Verbindung
treten.
§. 185. Wenn aber eine eigentliche Societätshandlung unter
einer gemeinschaftlichen Firma errichtet werden soll: so ist ein solches
Geschäft nach den im Kaufmannsrechte darüber ertheilten nähern Vorschriften zu
beurtheilen. (Th. II. Tit. VIII. Sect. VII.)
§. 186. Bey andern besondern Gesellschaften müssen zwar die
Rechte und Pflichten der einzelnen Mitglieder, in allen Fällen, hauptsächlich
nach dem Inhalte des zwischen ihnen errichteten Vertrages bestimmt werden;
§. 187. Doch kommen Einschränkungen dieser Rechte und
Pflichten, welche von den gesetzlichen Bestimmungen abweichen, sowohl der
Gesellschaft überhaupt, als einzelnen Mitgliedern derselben, gegen einen
Dritten nur in so weit zu statten, als sie dem Dritten zu rechter Zeit bekannt
gemacht worden.
Rechte und Pflichten der Gesellschafter;
§. 188. Die Verbindlichkeit unter den Contrahenten nimmt der
Regel nach mit dem Tage des geschlossenen Vertrages ihren Anfang.
1) in Ansehung der Beyträge.
§. 189. Wenn der Vertrag nicht ein Andres bestimmt, so ist
jedes Mitglied zu dem gemeinschaftlichen Fonds in gleichem Verhältnisse
beyzutragen schuldig.
§. 190. Zu mehrern Beyträgen aber, als wozu ein jeder
Mitgenosse sich ausdrücklich verbunden hat, kann derselbe, auch unter
veränderten Umständen, von den übrigen nicht angehalten werden.
§. 191. Findet jedoch ohne dergleichen mehrern Beytrag die
Erreichung des gemeinsamen Endzwecks gar nicht statt: so kann das weigernde
Mitglied zum Austritte aus der Gesellschaft angehalten werden.
§. 192. Auch ist unter diesen Umständen, wenn nähmlich(!)
durch die ausdrücklich verabredeten Beyträge der gemeinsame Endzweck gar nicht
erreicht werden kann, jeder Mitgenosse, auch noch vor Ablauf der
contraktmäßigen Zeit, die Gesellschaft zu verlassen berechtigt.
§. 193. Sollen die Geschäfte der Gesellschaft durch neue
Beyträge nur erweitert werden; übrigens aber der Gegenstand derselben
ungeändert bleiben: so können die übrigen Mitglieder diese Beyträge nach
eigenem Gutfinden verstärken.
§. 194. Sie können aber den weigernden Mitgenossen weder zu
einer ebenmäßigen Verstärkung nöthigen, noch seiner Weigerung halber von der
Gesellschaft ausschließen.
§. 195. Vielmehr können sie nur, bey einem in dem
erweiterten Geschäfte entstandenen Gewinn, nach Verhältniß ihrer verstärkten
Beyträge, auch einen starken Antheil fordern.
§. 196. Wollen hingegen die übrigen Gesellschafter, durch
neue Beyträge, den Zweck ihrer Verbindung auf einen neuen darin bisher nicht
betriebenen Gegenstand ausdehnen: so ist derjenige, welcher seinen Beytrag dazu
verweigert, weder schuldig noch befugt, an diesen erweiterten Geschäften Theil
zu nehmen.
§. 197. Vielmehr ist in so weit die Verbindung der übrigen
Mitglieder als eine neue bloß unter ihnen bestehende Societät anzusehen.
§. 198. Der zum Betriebe des gemeinschaftlichen Geschäfts
zusammengetragene Fonds ist ab der Zeit des geschlossenen Vertrages als
gemeinschaftliches Eigenthum anzusehen.
§. 199. Sollen Grundstücke zum Fonds der Societät
beygetragen, und als gemeines Eigenthum angesehen werden: so soll deren
förmliche Zuschreibung an die Gesellschaft im Hypothekenbuche erfolgen.
§. 200. Ist dieses unterblieben, so werden dergleichen
Grundstücke nur in Ansehung der Gesellschafter unter sich, nicht aber in
Ansehung eines Dritten, gemeinschaftlich.
§. 201. Mobilien und Effekten, welche nach einer gewissen
Taxe der Gesellschaft überliefert worden, werden ebenfalls ein
gemeinschaftliches Eigenthum derselben.
§. 202. Sind Grundstücke ohne Zuschreibung, und Mobilien
ohne Taxe, der Societät überlassen, so wird vermuthet, daß sie derselben bloß
zum Gebrauche geliehen werden.
§. 203. Wer mit Leistung seiner Beyträge, die nicht in
baarem Gelde bestehen, säumig ist, muß der Gesellschaft den durch diesen Verzug
entstandenen Schaden ersetzen.
§. 204. Bey verzögerter Entrichtung der Geldbeyträge haben
die übrigen Gesellschafter die Wahl, statt des Schadensersatzes, gesetzmäßige
Verzugszin- sen zu fordern. (Tit. XI. §. 827. sqq.)
§. 205. Sobald die Gesellschaft ihren Anfang genommen hat,
sind Nutzen und Schaden den Interessenten nach Verhältniß ihrer Antheile
gemein.
2) bey dem Betriebe der Geschäfte.
§. 206. Wenn der Vertrag nicht ein Andres bestimmt, so ist
jedes Mitglied zum Betriebe der gemeinschaftlichen Angelegenheiten auf gleiche
Art befugt und verpflichtet.
§. 207. Es müssen daher in der Regel die Societätsgeschäfte
von sämmtlichen Mitgliedern gemeinschaftlich betrieben und vollzogen werden.
§. 208. Doch bedarf es der Zuziehung solcher Mitglieder, die
nur zum Geldbeytrage, nicht aber zum Betriebe der Geschäfte sich verbunden
haben, nur alsdann, wenn Handlungen unternommen werden sollen, die den
Grundsätzen des Societätsvertrages nicht gemäß sind.
§. 209. Ist im Gesellschaftsvertrage nicht bestimmt, wie bey
dem Betriebe der gemeinschaftlichen Angelegenheiten, in Fällen, wo die Stimmenmehrheit
entscheiden muß, die Stimmen gezählt werden sollen: so geschieht dieses nicht
nach dem Verhältnisse der Beyträge, sondern nach den Personen.
§. 210. Ist einem der Gesellschafter der Betrieb aller, oder
einer gewissen Art der Societätsgeschäfte, ohne weitere Bestimmung übertragen
worden: so ist das Verhältniß desselben nach den Regeln von uneingeschränkten
Vollmachtsaufträgen zu beurtheilen. (Tit. XIII. §. 98. sqq.)
§. 211. Gesellschafter sind bey dem Betriebe des
gemeinschaftlichen Gewerbes zu demjenigen Grade von Fleiß und Aufmerksamkeit
verpflichtet, den ein jeder in seinen eignen Geschäften anzuwenden pflegt.
§. 212. Ist aber einem Gesellschafter, außer seinem Antheile
am Gewinne, noch eine besondere Besoldung ohne Belohnung für die Besorgung
eines gewissen Geschäftes ausgesetzt worden; so muß er ein dabey begangenes
Versehen nach allgemeinen über das Geschäfte selbst ergangenen gesetzlichen
Vorschriften, ohne Rücksicht seiner persönlichen Eigenschaften, vertreten.
§. 213. Ein Gleiches findet statt, wenn einzelne Sachen
einem Gesellschafter zur besondern Verwahrung oder Verwaltung anvertrauet
worden.
§. 214. Vorstehende Verordnungen (§. 212. 213.) finden
jedoch nur zum Vortheile der übrigen Gesellschafter, nicht aber zur
Entschuldigung des Bevollmächtigten, Verwalters, oder Verwahrers selbst, der
etwa in seinen eigenen Geschäften einen höhern Grad von Fleiß und Aufmerksamkeit
zu äußern pflegt, Anwendung.
§. 215. Ein Gesellschafter kann sich von seiner
Verbindlichkeit zum Schadensersatze dadurch nicht befreyen, daß er der
Gesellschaft in andern Fällen besondere Vortheile erworben hat.
§. 216. Kein Gesellschafter kann den übrigen an seiner statt
einen Fremden zum Mitgliede aufdringen.
§. 217. Dadurch, daß eins der Mitglieder seinen Antheil an
dem Gewinne einem Fremden überlaßt, erlangt dieser so wenig die Rechte als die
Pflichten eines Mitgliedes.
§. 218. Ein solcher Cessionarius kann daher von den übrigen
Gesellschaftern weder Rechnungslegung, noch andre Nachweisungen über die
betriebenen Geschäfte: wohl aber die Vorlegung einer Balance über den aus dem
gemeinschaftlichen Gewerbe entstandenen Gewinn und Verlust fordern.
3) wegen der Rechnungslegung.
§. 219. Den übrigen Mitgliedern der Gesellschaft hingegen
ist jeder Mitgenosse von seinen für die Gesellschaft übernommenen Geschäften
Rechnung zu legen verpflichtet.
§. 220. Wenn bey dieser Rechnungslegung Posten vorkommen,
deren Verwendung nach den Umständen wahrscheinlich, die Beybringung eines
eigentlichen Belags oder andern Beweises aber mit erheblichen Schwierigkeiten
verbunden ist: so kann die bloß an Eidesstatt geschehene Angabe, oder die
eidliche Bestärkung des Rechnungslegers, nach richterlichem Ermessen, die
Stelle des Belages oder weiteren Nachweises vertreten.
§. 221. Auch die Erben eines verstorbenen Gesellschafters
sind über die von dem Erblasser besorgten Societätsgeschäfte Rechnung zu legen
schuldig.
§. 222. Haben die Mitglieder der Gesellschaft der Befugniß,
über das von einem unter ihnen besorgte Geschäft Rechnungslegung zu fordern,
entsagt: so hat es dabey, wenn auch die Entsagung vor der Beendigung des
Geschäfts erfolgt wäre, sein Bewenden.
§. 223. Kann jedoch ein solcher Gesellschafter eines auch
nur in einzelnen Theilen oder Verhandlungen bey dem Geschäfte begangenen
Betrugs überführt werden: so muß er über das ganze Geschäft, der geschehenen
Entsagung ungeachtet, Rechnung legen.
§. 224. Der Gesellschafter, welcher der Kasse der Societät
eigenmächtig etwas vorenthält, muß nach der Wahl der übrigen, entweder den
dadurch verursachten Schaden ersetzen, oder gesetzmäßige Verzugszinsen
entrichten.
§. 225. Jedes Mitglied ist für die zum gemeinschaftlichen
Besten aus eignen Mitteln gemachten Vorschüsse landübliche Zinsen zu fordern
berechtigt.
§. 226. Auch müssen ihm die bey Ausrichtung der
Societätsgeschäfte verwendeten Reise-, Zehrungs- und andere unvermeidliche
Kosten vergütet werden.
§. 227. Für bey solcher Gelegenheit erlittenen Schäden kann
er unter eben den Umständen, wie ein Bevollmächtigter, Ersatz fordern, (Tit.
XIII. §. 80. sqq.)
§. 228. Für die zum Besten der Gesellschaft angewendeten
Bemühungen kann er sich keine ihm nicht versprochene Belohnung anrechnen.
§. 229. Für solche Arbeiten aber, die zum gewöhnlichen
Betriebe der Societätsgeschäfte nicht gehören, und eine besondere Kunst oder
Wissenschaft erfordern, kann er den gewöhnlichen Preis in Rechnung bringen.
4) bey den Verhältnissen gegen Andre.
§. 230. Eine Gesellschaft wird in der Regel nur durch
gemeinschaftlich abgeschlossene und unterschriebene Verträge verpflichtet.
§. 231. Ist der Betrieb aller oder gewisser Geschäfte einem
der Gesellschafter von den übrigen aufgetragen worden: so verpflichtet derselbe
durch seine Handlungen oder Verträge die Gesellschaft als ein Bevollmächtigter.
(§. 210.)
§. 232. Ein Gesellschafter, welcher nicht im Namen der
Societät contrahirt, verpflichtet, wenn er auch sonst als Bevollmächtigter
anzusehn wäre, nur sich selbst, nicht aber die Gesellschaft.
§. 233. Hat jedoch ein Gesellschafter zwar nur in seinem
Namen, aber in Angelegenheiten der Societät, einen Vertrag geschlossen: so ist
er schuldig, den daraus entstandenen Vortheil der Gesellschaft zu überlassen.
§. 234. Gegen den Dritten aber, welcher mit dem
Gesellschafter bloß auf seinen eigenen Namen contrahirt hat, erlangt die
Gesellschaft aus einem solchen Vertrage kein Recht; und kann daher die von
selbigem an seinen Contrahenten geleisteten Zahlungen oder andern Verhandlungen,
wodurch die aus dem Vertrage entstandene Verbindlichkeit wieder aufgehoben
worden, nicht anfechten.
§. 235. Auch die Wissenschaft, des Dritten, daß das
Geschäft, worüber er contrahirt, die ganze Gesellschaft angehe, kann demselben
in den fernern Verhandlungen mit seinen Contrahenten nicht einschränken, so
lange dabey kein Betrug vorwaltet, oder keine gerichtliche Untersagung erfolgt
ist.
§. 236. So weit jemand einem Andern durch nützliche
Besorgung seiner Geschäfte, oder durch nützliche Verwendung verpflichtet wird,
so weit kann auch eine Gesellschaft solchergestalt verpflichtet werden.
§. 237. Wer aus diesem letzten Grunde (§. 236.) eine
rechtsgültige Forderung an die Societät erlangt hat, der kann an jeden der
Gesellschafter für seinen Antheil sich halten.
§. 238. Für den Antheil eines jeden haften die übrigen
Mitgenossen dem Gläubiger als Bürgen.
§. 239. Haben sich aber die Gesellschafter einem Dritten aus
einem ausdrücklichen, von ihnen gemeinschaftlich, oder durch ihren
Bevollmächtigten, geschlossenen Vertrage verpflichtet: so findet gegen sie die
Vorschrift von Correalverträgen Anwendung. (Tit. V. §. 424. sqq.)
§. 240. Hat jedoch der Gläubiger nur mit einem der
Gesellschafter als gemeinschaftlichem Bevollmächtigten contrahirt; so kann in
der Regel, und wenn die Vollmacht nicht ausdrücklich auf eine Verpflichtung von
dieser Art gerichtet war, Personalarrest im Wege der Execution, auch nur gegen
den Bevollmächtigten gesucht werden.
5) wegen Gewinns und Verlusts.
§. 241. Alles, was nach Abzug der gemeinschaftlichen
Schulden, der zum Betriebe des Geschäfts verwendeten Kosten, des zur
Gesellschaft gewidmeten Capitals, und der von den Mitgliedern
zusammengebrachten Beyträge, an gemeinschaftlichen Vermögen übrig bleibt,
gehört zum Gewinne der Gesellschaft.
§. 242. So weit als vorstehende Posten aus dem
gemeinschaftlichen Vermögen nicht gedeckt werden können, ist Verlust vorhanden.
§. 243. Bey Berechnung des Gewinnes und Verlustes muß auf
die fortwährende, durch den Gebrauch entstehende Abnutzung und Verminderung des
Werths der Werkzeuge, Geräthschaften und anderer Effecten, deren die
Gesellschaft zum Betriebe ihres Gewerbes sich bedient, Rücksicht genommen
werden.
§. 244. Der Antheil eines jeden Gesellschafters am Gewinne
und Verluste muß hauptsächlich nach dem Inhalte des Vertrages beurtheilt
werden.
§. 245. Ein Abkommen, wodurch einem der Gesellschafter aller
Schade, und dem andern aller Vortheil allein angewiesen wird, ist nach den
Regeln von Schenkungen zu beurtheilen.
§. 246. Kann das Abkommen als Schenkungsvertrag nicht
bestehen: so muß Gewinn und Verlust unter solchen Gesellschaften nach
gesetzlichen Grundsätzen vertheilt werden.
§. 247. Hat ein Mitglied, statt seines Antheils am Gewinne,
sich bestimmte Zinsen für ein Capital vorbedungen, ohne an der Gefahr des
Verlustes Theil nehmen zu wollen: so wird er nur als ein Gläubiger der
Gesellschaft betrachtet.
§. 248. Uebernimmt er aber verhältnißmäßigen Antheil an dem
Verluste, welcher die Gesellschaft betreffen möchte: so ist es ihm erlaubt,
sich höhere, als die sonst in den Gesetzen zugelassenen Zinsen seines Capitals
vorzubedingen.
§. 249. Durch dergleichen besondere Verabredungen unter
denjenigen, welche einmal wirkliche Mitglieder einer Gesellschaft geworden
sind, (§. 247.248.) wird jedoch das Verhältniß eines jeden derselben gegen
Fremde, denen die Gesellschaft auf eine oder die andere Art verpflichtet
worden, nicht geändert.
§. 250. Wenn hingegen jemand, ohne wirklich ein Mitglied der
Gesellschaft zu werden, derselben bloß ein Capital unter der Bedingung
anvertrauet, daß er davon höhere, als die eigentlichen gesetzlichen Zinsen
genießen: dagegen aber auch Gefahr und Verlust nach Verhältniß dieses Capitals
mit tragen wolle: so haftet derselbe den Gläubigern der Gesellschaft nur mit
seinem eingelegten Capitale; und kann ein Mehreres zu den Societätsschulden
beyzutragen nicht angehalten werden.
§. 251. Ist im Vertrage über den Antheil der Gesellschafter
am Gewinne und Verluste nichts festgesetzt: so muß derselbe nach Verhältniß
ihres Beytrages zum gemeinschaftlichen Fonds bestimmt werden.
§. 252. Haben sämtliche Mitglieder nur durch ihre Arbeit den
gemeinschaftlichen Vortheil zu befördern sich verbunden: so ist ihr Antheil am
Gewinne und Verluste gleich.
§. 253. Ist nur ein oder andres Mitglied vom Beytrage zu dem
gemeinschaftlichen Fonds entbunden worden: so wird sein im Contracte unbestimmt
gebliebener Antheil am Gewinne dem Antheile desjenigen, welcher den mindesten
Capitalsbeytrag geleistet hat, gleich gesetzt.
§. 254. Haben die übrigen Mitglieder alle gleichen
Capitalsbeytrag geleistet: so hat der von diesem Beytrage ganz entbundene
Gesellschafter am Gewinne mit ihnen gleichen Antheil.
§. 255. An dem Verlust nehmen die geldbeytragenden
Mitglieder in eben dem Verhältnisse Antheil, wie an dem Gewinne.
§. 256. Ein vom Geldbeytrage entbundener Gesellschafter kann
zur Uebertragung eines Antheils von dem an Fonds der Gesellschaft entstandenen
Verluste, außer dem Falle einer ausdrücklichen Verabredung, nicht angehalten
werden.
§. 257. Vielmehr besteht sein Antheil an dem Verluste nur in
der Entbehrung der für seine Bemühungen zum gemeinschaftlichen Besten gehofften
Belohnung.
§. 258. Sind aber einem solchen Gesellschafter die Vortheile
früherer Jahre zu Capital gut geschrieben worden; dergestalt, daß er, nach
Verhältniß dieses Capitals, an dem fernern Gewinne Theil zu nehmen berechtigt
ist: so muß er nach gleichem Verhältnisse auch zu dem Verluste mit beytragen.
§. 259. Soll der durch Verlust am gemeinschaftichen Fonds
sich ereignete Abgang wieder ergänzt werden: so geschieht der Nachtrag in eben
dem Verhältnisse, wie am Anfange der Gesellschaft das gemeinschaftliche Capital
zusammengebracht worden.
§. 260. Ist der Verlust durch die Schuld eines vom
Geldbeytrage entbundenen Mitglieds verursacht worden: so ist dieser zwar zum
Schadensersatze, nicht aber zu einem neuen Beytrage verpflichtet.
§. 261. Die Rechnung über Gewinn und Verlust muß, wenn
nichts besonders verabredet ist, nach erfolgter Beendigung des
gemeinschaftlichen Geschäfts falls aber dieses durch mehrere Jahre fortwähret,
alljährig abgeschlossen werden.
§. 262. Zum Nachtheile der vom Geldbeytrage befreyeten
Mitglieder kann der Verlust eines vorhergehenden Jahres, im Mangel
ausdrücklicher Verabredungen, bey der Berechnung über ein folgendes, von dem
Gewinne desselben nicht abgezogen werden.
§. 263. Ueber seinen Antheil am Gewinne ist jedes Mitglied
frey zu verfügen, und denselben aus der Gesellschaft herauszuziehn berechtiget.
§. 264. Auch die Mehrheit der Stimmen kann kein Mitglied zu
einer im Vertrage nicht verabredeten Zurücklassung seines Antheils am Gewinne,
zur Verstärkung des gemeinschaftlichen Fonds, wider seinen Willen verpflichten.
§. 265. Dagegen muß aber auch ein jeder Gesellschafter mit
der baaren Herauszahlung seines Antheils am Gewinne sich so lange gedulden, bis
dieselbe ohne Zerrüttung der fortzusetzenden Geschäfte statt finden kann.
§. 266. Die Gläubiger eines einzelnen Gesellschafters können
auch an seinen Antheil vom Gewinne sich halten.
§. 267. Doch müssen sie sowohl wegen Nachweisung dieses
Antheils, als wegen der Art und Zeit der Herausgabe, sich alles das gefallen
lassen, wozu der Schuldner selbst, nach dem Vertrage, oder nach den Gesetzen
verpflichtet ist.
§. 268. Wenn also, nach dem Vertrage, der Gewinn von
gewissen Jahren, oder nach einem gewissen Verhältnisse, zur Verstärkung des
Fonds in der Gesellschaft bleiben soll: so gilt ein solches Abkommen auch gegen
die Gläubiger eines einzelnen Gesellschafters.
Von dem Austritte einzelner Mitglieder.
§. 269. In der Regel steht einem jeden Mitgliede frey, die
Gesellschaft nach Gutfinden zu verlassen.
§. 270. Ist aber der Vertrag auf gewisse Jahre, oder zur
Ausführung eines gewissen bestimmten Geschäfts geschlossen worden: so muß der
Ablauf der Zeit oder das Ende des Geschäfts abgewartet werden.
§. 271. In diesem Falle findet ein Rücktritt von der
Societät nur in so weit statt; als selbiger überhaupt von andern gültigen
Verträgen zuläßig ist.
§. 272. Ferner alsdann, wenn die Gesellschaft nicht anders,
als durch neue Beyträge fortgesetzt werden kann. (§. 191. 192.)
§. 273. Ein Mitglied, welches sich der Erfüllung seiner
Pflichten beharrlich entzieht, kann noch vor Ablauf der Zeit, oder vor
Beendigung des Geschäfts, von der Gesellschaft ausgeschlossen werden.
§. 274. Noch mehr ist die Gesellschaft dazu berechtigt, wenn
ein Mitglied betrüglich gegen dieselbe gehandelt hat, als ein Verbrecher
bestraft, oder zur einen Verschwender gerichtlich erklärt worden ist.
§. 275. Wenn das auszustoßende Mitglied der aus solchem
Grunde ihm angekündigten Ausschließung widerspricht: so muß zwar demselben
rechtliches Gehör darüber verstattet werden;
§. 276. Wird aber demnächst die Ausschließung selbst für
rechtmäßig erklärt: so erstrecken sich die Wirkungen davon bis auf den Tag der
geschehenen Ankündigung zurück.
§. 277. Wenn die bestimmte Zeit verflossen ist; oder das
Geschäft, welches den alleinigen Gegenstand der Gesellschaft ausmacht,
beendigt; oder dessen Fortsetzung verboten worden: so nimmt die Gesellschaft von
selbst ein Ende.
Von dem Tode eines Gesellschafters.
§. 278. Bey Gesellschaften, deren Gegenstand und Zweck nicht
in dem Betriebe eines gemeinschaftlichen Geschäfts oder Gewerbes besteht, wird
durch den Tod eines Gesellschafters in den Verhältnissen derselben nichts
geändert.
§. 279. Vielmehr treten die Erben, sowohl in Ansehung der
Befugniß zum Austritt, als der Pflicht zur Fortsetzung der Gesellschaft,
lediglich an die Stelle des Erblassers.
§. 280. Ein Gleiches findet statt, wenn zwar der Zweck der Gesellschaft
auf ein gemeinschaftliches Geschäft oder Gewerbe gerichtet war, das verstorbene
Mitglied aber an dem Betriebe desselben nicht thätigen Antheil genommen hat.
§. 281. Sobald aber ein Mitglied, welches zu dem Betriebe
des gemeinschaftlichen Gewerbes durch Handlungen mitzuwirken hatte, verstirbt:
steht, wenn nicht im Vertrage ein Anderes ausdrücklich bestimmt ist, den Erben
des Verstorbenen sowohl, als den übrigen Mitgliedern, der Rücktritt von dem
Vertrage zu.
§. 282. Ist hingegen in dem Vertrage ausdrücklich
festgesetzt, daß die Erben in der Societät bleiben sollen: so sind diese
sowohl, als die übrigen Mitglieder, an den Vertrag gebunden.
§. 283. Auch in Ermangelung eines Vertrages verpflichtet
eine an sich rechtsgültige Verordnung des Erblassers die Erben zur Fortsetzung
der Societät; in so fern es die übrigen Mitglieder verlangen.
§. 284. Doch ist dergleichen letztwillige Verordnung in
Ansehung desjenigen, welcher von dem Verstorbenen nicht mehr, als den ihm
gebührenden Pflichttheil erbt, unverbindlich.
§. 285. Hingegen muß auch der bloße Erbe im Pflichttheile,
die aus einem Vertrage entspringende Verbindlichkeit zur Fortsetzung der
Gesellschaft gegen die übrigen Mitglieder anerkennen.
§. 286. Gegen seine Miterben kann er verlangen, daß ihm sein
Pflichttheil aus dem übrigen nicht in der Societät stehenden Vermögen, in so
fern dieses dazu hinreicht, angewiesen werde.
§. 287. Kann eine solche Abfindung geschehen: so tritt eben
dadurch der Erbe im Pflichttheile aus der Societat, und hat an dem fernern
Gewinne und Verluste keinen Antheil.
§. 288. Soll jedoch derselbe auch gegen die
Societätsglaubiger außer Verbindung kommen: so muß dies beobachtet werden, was
für den Fall vorgeschrieben ist, wenn ein einzelner Gesellschafter die noch
fortdauernde Societät verläßt. (§. 300.)
§. 289. Eine Verpflichtung, wodurch sich jemand
zurFortsetzung einer Gesellschaft für beständig, oder auf eine ganz unbestimmte
Zeit anheischig macht, ist sowohl für den Contrahenten, als für dessen Erben
unverbindlich.
§. 290. Der Abgang eines Mitglieds, von dessen Betrieb und
Einsichten die Geschäfte der Gesellschaft, oder ein gewisser Zweig derselben,
bisher hauptsächlich abgehangen haben, berechtigt auch ein jedes anderes
Mitglied zum Austritte.
Was bey dem Austritte einzelner Mitglieder zu beobachten, in
Ansehung der übrigen Mitglieder.
§. 291. Ein Mitglied, welches von seinem Rechte, aus der
Gesellschaft zu treten, Gebrauch machen will, muß seinen Vorsatz den übrigen in
Zeiten bekannt machen.
§. 292. Der wirkliche Austritt kann nur am Schlusse eines
Jahres, oder in einem solchen Zeitpunkte geschehen, wo sich Nutzen und Lasten,
Gewinn und Verlust, füglich gegen einander abwägen lassen. (§. 83. 84.)
§. 293. Die Ankündigung des Austritts muß dergestalt zeitig
erfolgen, daß die übrigen Gesellschafter, wegen Abfindung des Austretenden, und
Fortsetzung der Geschäfte unter sich, die nöthigen Anstalten treffen können.
§. 294. In Ansehung der zur Zeit des angekündigten Austritts
bereits angefangenen Geschäfte, ist der Austretende, bis zu deren völligen
Beendigung, auch nach dem Austritte noch als ein Gesellschafter anzusehen.
§. 295. In wie fern aber bis zur völligen Beendigung solcher
Geschäfte die Abfindung des Austretenden verschoben bleiben müsse, oder
derselbe darauf, gegen Sicherheitsbestellung für seinen etwahigen Antheil am
Verluste, antragen könne? muß, bey entstehendem Streite, von dem Richter nach
den Umständen, und dem Gutachten der Sachverständigen bestimmt werden.
§. 296. An Unternehmungen, welche zwar noch vor dem
wirklichen Austritte, aber doch erst nach Ankündigung desselben, wider den
Willen des Austretenden angefangen worden, nimmt derselbe, weder in Ansehung
des Gewinnes noch Verlusts, ferner Antheil.
§. 297. Zur möglichsten Vermeidung künftiger Streitigkeiten
werden die Gesellschafter hiedurch angewiesen, sogleich nach angekündigtem
Austritte sich mit dem Austretenden über die Grundsätze der künftigen
Auseinandersetzung zu verabreden.
§. 298. Besonders muß bey dieser Gelegenheit festgesetzt
werden: was für Geschäfte zu der Theilnehmung des Austretenden annoch gehören
sollen?
§. 299. Können die Interessenten sich darüber nicht
vereinigen: so werden Geschäfte, die zwar beschlossen sind, mit deren
Ausführung aber noch kein wirklicher Anfang gemacht ist, dennoch als
gemeinschaftlich angesehen; sobald schon durch den Abschluß allein Rechte und
Verbindlichkeiten für die ganze Gesellschaft wirklich entstanden sind.
in Ansehung der Societäts-Gläubiger.
§. 300. Durch den Austritt eines Mitgliedes wird dessen
Verbindlichkeit gegen die Gläubiger der Gesellschaft nicht verändert.
§. 301. Er haftet also denselben nach wie vor aus gültigen
Verträgen für das Ganze, so wie aus gesetzlichen Verpflichtungen (§. 236.) für
seinen Antheil, nach Verhältniß desjenigen, den er an der Societät gehabt hat.
§. 302. So weit der austretende Gesellschafter den übrigen
den zur Tilgung seines Antheils an den gemeinschaftlichen Schulden
erforderlichen Fonds zurückläßt, kann er fordern, daß sie in einer zu
bestimmenden Zeit die erfolgte Befriedigung dieser Societätsgläubiger, oder
seine von deren Ansprüchen bewürkte Befreyung nachweisen.
§. 303. Dabey findet alles statt, was in einem gleichen
Falle wegen der sich auseinandersetzenden Miterben verordnet ist. (§. 147.
sqq.)
Von gänzlicher Trennung und Aufhebung der Gesellschaft.
§. 304. Soll eine gänzliche Trennung der Gesellschaft
erfolgen: so müssen, wenn nicht ein Anderes verabredet ist, zuvor die bereits
angefangenen Geschäfte, auf gemeinschaftlichen Gewinn und Verlust ausgeführt
werden.
§. 305. Es kann also auch in der Regel kein Gesellschafter
seinen Capitalsbeytrag vor völlig beendigten Geschäften zurückfordern.
§. 306. Bey der Auseinandersetzung selbst finden, im Mangel
besonders verabredeter Bestimmungen, die allgemeinen Vorschriften des Ersten
Abschnitts Anwendung.
§. 307. Auch durch die gänzliche Aufhebung der Gesellschaft,
wird in den Verbindlichkeiten der gewesenen Mitglieder gegen die
Gesellschaftsgläubiger nichts geändert.
§. 308. Wenn jedoch einem solchen Gläubiger die Aufhebung
der Gesellschaft ausdrücklich bekannt gemacht worden ist, so muß derselbe, wenn
er sich aus einem mit der Gesellschaft geschlossenen Vertrage an einen der
gewesenen Mitglieder für das Ganze halten will, denselben innerhalb eines
Jahres nach geschehener Bekanntmachung in Anspruch nehmen.
§. 309. Wird die Forderung erst nach Aufhebung der
Gesellschaft fällig: so muß die Jahresfrist von dem Verfalltage an gerechnet
werden.
§. 310. Läßt der Gläubiger diese Frist verstreichen: so
haftet ihm jedes Mitglied, auch aus einem solchen Vertrage, nur nach Verhältniß
seines an der Societät gehabten Antheils.
Vierter Abschnitt
Von Gemeinheitstheilungen
Allgemeine Grundsätze.
§. 311. Die von mehrern Dorfseinwohnern(!), oder
benachbarten Gutsbesitzern, bisher auf irgend eine Art gemeinschaftlich
ausgeübte Benutzung der Grundstücke soll, zum Besten der allgemeinen
Landescultur, so viel als möglich, (§. 337.) aufgehoben werden.
§. 312. Es macht dabey keinen Unterschied: ob das Eigenthum
der solchergestalt gemeinschaftlich benutzten Grundstücke der ganzen Gemeine,
oder einzelnen Theilnehmern zusteht.
§. 313. In allen Fällen findet jedoch dergleichen
Auseinandersetzung nur in so weit statt, als dadurch die Landescultur im Ganzen
befördert und verbessert wird.
Wenn der Antrag auf eine Gemeinheitstheilung statt finde.
§. 314. Jeder Antrag darauf muß also durch das Gutachten
sachkundiger Landwirthe: daß die Theilung nicht nur an sich möglich, sondern
auch dem Ganzen vortheilhaft sey, begründet werden.
§. 315. Ein solches Gutachten ist zur Begründung des
Antrages hinreichend, wenn die Auseinandersetzung zwischen einer Gutsherrschaft
und der ganzen Dorfgemeine erfolgen soll.
§. 316. Wenn aber nur Ein Mitglied der letztern auf die
Auseinandersetzung mit den übrigen Mitgliedern anträgt: so muß es, zur
Begründung seines Gesuchs, nachweisen: daß und wie die Theilung zum Vortheile
sämmtlicher Interessenten geschehen könne.
Wer derauf antragen könne.
§. 317. In der Regel kann nur der Eigenthümer auf die
Auseinandersetzung antragen.
§. 318. Doch sind auch solche Besitzer, die ein beständiges
unwiederrufliches Nutzungsrecht haben, dergleichen Antrag zu machen berechtigt.
§. 319. Auch den Besitzern der nur in Cultur ausgethanen
Güter (Tit. XXI. Sect. IV.) kommt diese Befugniß zu.
§. 320. Doch müssen in beyden Fällen (§. 318. 319.) die
Eigenthümer der Grundstücke bey der Auseinandersetzung selbst nothwendig
zugezogen werden.
§. 321. Bloße Nießbraucher, Zeitpächter, und andere, die nur
vermöge eines der Zeit oder Art nach eingeschränkten Nutzungsrechts besitzen,
können nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Eigenthümers die
Auseinandersetzung suchen.
§. 322. Dagegen steht zwar den Eigentümern frey, auch ohne
die Bewilligung solcher Besitzer auf die Theilung anzutragen; diese aber können
verlangen, daß die wirkliche Vollziehung derselben so lange, bis ihr
Nutzungsrecht aufhört, ausgesetzt bleibe.
§. 323. Der nutzbare Eigenthümer eines Erbzinsguts kann zwar
auf die Theilung antragen: er muß aber dabey den Obereigenthümer zuziehn.
§. 324. Bey Lehnen ist die Zuziehung des Lehnsherrn erst
alsdann, wenn das Lehn nur noch auf vier Augen steht, nothwendig.
§. 325. Außer diesem Falle ist es genug, wenn nur dem
Lehnsherrn, oder seiner Lehnscurie, von der bevorstehenden Auseinandersetzung
Nachricht gegeben wird.
§. 326. Hat der Vasall lehnsfähige Descendenz: so bedarf es
keiner Zuziehung andrer Agnaten oder Mitbelehnten.
§. 327. In Ermangelung solcher Descendenz ist die Zuziehung
des nächsten Lehnsfolgers erforderlich.
§. 328. Wohnt jedoch der Lehnsfolger außerhalb der
königlichen Staaten, und ist er in denselben auch mit Gütern nicht angesessen:
so muß der nächste nach ihm, welcher innerhalb der königlichen Staaten sich
befindet, zugezogen werden.
§. 329. Sind mehrere gleich nahe Lehnsfolger vorhanden: so
ist die Zuziehung aller erforderlich.
§. 330. Doch ist der Besitzer diejenigen unter denselben,
welche weder in den königlichen Staaten wohnen, noch Güter daselbst besitzen,
zuzuziehen nicht verpflichtet.
§. 331. Die Zuziehung bloßer Lehnsanwärter ist in keinem
Falle nothwendig.
§. 332. Wer ein Grundstück nur wiederkäuflich besitzt, muß
den Wiederkaufsberechtigten zuziehen.
§. 333. Den vorstehend (§. 323-332.) benannten Interessenten
muß die bevorstehende Auseinandersetzung, zur Wahrnehmung ihrer Gerechtsame
daoey, in der Regel gerichtlich bekannt gemacht werden.
§. 334. Wenn jedoch der Besitzer eine gehörig geschehene und
zur Wissenschaft derselben wirklich gelangte Privatbekanntmachung hinlänglich
nachweist: so bedarf es keiner gerichtlichen Vorladung.
§. 335. Haben diese Interessenten bey der Theilung sich
gemeldet; so müssen sie mit ihren Einwendungen, in so fern dieselben auf einer
angeblichen Verminderung der Substanz, oder fortwährenden Verringerung ihres
Werths beruhen, rechtlich gehört werden.
§. 336. Haben sie sich aber nicht gemeldet, so müsse» sie
alles das, was mit dem gegenwärtigen Besitzer verhandelt worden, in der Folge
wider sich gelten
§. 337. Doch ist ihre ausdrückliche Einwilligung nothwendig,
wenn die ganze Sache oder auch ein Theil derselben, gegen eine andere Sache von
ganz verschiedener Art vertauscht werden soll.
Grundsätze der Theilung.
§. 338. Bey einer jeden Auseinandersetzung muß darauf
gesehen werden, daß kein Theil gegen den andren verkürzt, in seinen Nutzungen
geschmälert, oder in dem freyen Gebrauche seiner Grundstücke gehindert werde.
§. 339. Doch ist, bey Beurtheilung dessen, nicht bloß auf
einzelne Stücke und Rubriken, sondern auf den ganzen Umfang der Wirtschaft
eines jeden Interessenten, so wie sie vor und nach der Theilung sich verhält,
Rücksicht zu nehmen.
§. 340. Bey Bestimmung des Werths der zu theilenden
Grundstücke kommt nicht bloß die Beschaffenheit des Grundes und Bodens, sondern
auch die Lage, und der Zustand der Cultur in Anschlag.
§. 341. Vergütungen in Gelde ist keiner der Interessenten
sich aufdringen zu lassen schuldig.
§. 342. Nur in dem einzigen Falle muß der Uebernehmer eines
schlechter cultivirten Grundstücks Geldvergütung ausnehmen, wenn diese so
beschaffen ist, daß er dadurch den Mängeln der Cultur abzuhelfen völlig in
Stand gesetzt wird.
§. 343. Dagegen kann ein Ausfall in der Qualität durch einen
Zusatz in der Quantität vergütet werden.
§. 344. Jedoch muß auch dabey auf den Unterschied in den
Culturkosten, in der Entfernung, und andern Vortheilen oder Nachtheilen der
Lage, Rücksicht genommen und dafür billige Vergütung geleistet
§. 345. Auch die Austauschung von Grundstücken der einen
gegen Grundstücke von einer andern Gattung, müssen die Interessenten, zur
Beförderung und Erleichterung der Theilung, sich gefallen lassen.
§. 346. Doch ist kein Interessent in eine solche
Vertauschung, wodurch die ganze bisherige Art seines Wirthschaftsbetriebes
verändert werden müßte, zu willigen verbunden.
§. 347. Wenn Dorfgemeinen sich mit der Gutsherrschaft
auseinandersetzen: so müssen jedem Theile seine Grundstücke in Einer Folge angewiesen
werden.
§. 348. Kein Mitglied der Gemeinen ist schuldig, in eine
Auseinandersetzung zu willigen, wodurch er außer Stand kommen würde, die ihm
angewiesene Grundstücke mit dem bisher nur gehaltenen Gespanne und Gesinde
wirtschaftlich zu bearbeiten.
§. 349. Die Grundstücke der Kirchen, Pfarren und Küstereyen
sind, so viel als möglich, in dem Reviere der Unterthanen, oder wenn sie in
Erbpacht ausgethan sind, da, wo es den Erbpächtern am bequemsten ist
anzuweisen.
Aufhebung der auf der getheilten Gemeinheit gehafteten
Dienstbarkeitsrechte.
§. 350. Durch dergleichen Auseinandersetzungen können die
Interessenten die wohlerworbenen Rechte eines Dritten auf die getheilte Sache
nicht schmälern.
§. 351. Kann jedoch der Zweck der bessern Cultur mit
unveränderter Beybehaltung der einem Dritten auf das Grundstück zustehenden
Dienstbarkeitsrechte nicht erreicht werden; so ist der Dritte sich deren
Einschränkung oder Aufhebung, gegen hinlängliche Vergütung, gefallen zu lassen
verbunden.
§. 352. Die dabey zu beobachtenden Grundsätze sind in dem
Titel von Grundgerechtigkeiten näher bestimmt. (Tit. XXII.)
§. 353. Auch auf die Ausgleichung der unter den Theilenden
selbst statt findenden wechselseitigen Servituten, so weit dieselben den freyen
Gebrauch, der Sache hindern, muß bey der Auseinandersetzung Rücksicht genommen
werden.
§. 354. Ist wegen deren Beybehaltung nichts Besonderes
verabredet: so sind solche Dienstbarkeitsrechte, welche mit dem Zwecke der
Auseinandersetzung nicht bestehen können, nach vollzogener Theilung für
aufgehoben zu achten.
§. 355. Der Gebrauch der beyzubehaltenden Servituten muß so
bestimmt werden, daß er den Zweck der Auseinandersetzung nicht vereitle.
Von den auf der getheilten Sache gehafteten Abgaben und
Lasten.
§. 356. Uebrigens werden durch die Auseinandersetzung
gemeinschaftlich benutzter Grundstücke, öffentliche und gemeine Lasten,
ingleichen andere Privatansprüche nicht geändert.
§. 357. Vielmehr treten, wenn bey solcher Gelegenheit
einzelne zu dem belasteten Gute gehörige Grundstücke gegen andere ausgetauscht
worden, letztere, auch in dieser Rücksicht, an die Stelle der erstern.
§. 358. Die durch dergleichen Auseinandersetzungen bewirkten
Verbesserungen der Grundstücke sollen mit neuen Abgaben von Seiten des Staats
nicht belegt, noch die alten um deswillen auf irgend eine Art erhöbt werden.
§. 359. Den Theilnehmern steht es frey, sich nach
vorstehenden Grundsätzen, auch außergerichtlich, und in Güte, auseinander zu
setzen.
§. 360. Das Verfahren bey gerichtlichen
Gemeinheitstheilungen ist in der Prozeßordnung bestimmt.
§. 361. Wegen der Theilung anderer Arten von Gemeinheiten
und gemeinschaftlichen Nutzungsrechten, hat es bey den Vorschriften des Ersten
Abschnitts sein Bewenden.
Fünfter Abschnitt Von Gränzscheidungen
Wie Gränzscheidungen anzulegen.
§. 362. Sowohl bey Gemeinheitstheilungen, als in allen
andern Fällen, wo eine Bestimmung der Gränzen erforderlich ist, müssen
dieselben deutlich bezeichnet werden.
§. 363. Diese Auszeichnung, sie mag durch die Gränzreine,
Graben, Steine, Pfähle, Bäume, oder Gränzhügel bestimmt werden, muß so
beschaffen seyn, daß sie nicht leicht verrückt oder verdunkelt werden könne.
§. 364. Es ist hinlänglich, wenn die Gränzgraben oder Reine
zwischen einzelnen Besitzungen Einen Fuß, zwischen verschiedenen Feldmarken
aber Vier Fuß breit sind.
§. 365. Doch kann eine bisher bestandene grössere Breite zum
Nachtheile derjenigen, welche ein Nutzungsrecht darauf haben, solchergestalt
nicht eingeschränkt werden.
§. 366. Die Mitte des Grabens oder Reins, welcher die Gränze
bestimmt, ist für die eingentliche Gränzlinie zu achten.
§. 367. Gränzpfähle, Bäume, und Steine, müssen durch
oberhalb des Bodens eingehauene, oder durch untergelegte unverwesliche Merkmale
bezeichnet werden.
§. 368. Ein Hügel, welcher für ein Gränzzeichen angegeben
wird, hat diese Eigenschaft nur alsdann, wenn unter demselben dergleichen
Merkmale sich finden; oder wenn die Bestimmung desselben zu einem Gränzzeichen
aus andern Umständen deutlich zu entnehmen ist.
§. 369. Wege, Fußsteige, und Bäche, welche ihre Lage leicht
verändern, sollen zur Bezeichnung der Gränzen in der Regel nicht angenommen
werden.
§. 370. Wo die Bezeichnung der Gränzen nicht durch Reine
oder Graben, sondern durch Steine, Pfähle oder Hügel geschieht, müssen diese
Gränzzeichen so angelegt werden, daß der Gränzzug durch eine grade Linie von
einem zum andern bestimmt werde.
§. 371. Vorstehende Regeln sind sowohl bey Bestimmung bisher
streitig gewesener, als bey Erneuerung unstreitiger Gränzen zu beobachten.
Von Ausmittelung streitiger Gränzen.
§. 372. Auf Wiederherstellung verdunkelter und ungewiß
gewordener Gränzen ist jeder benachbarte Besitzer anzutragen wohl befugt.
§. 373. Diese Befugniß kann durch keine Verjährung
erlöschen.
§. 374. Wohl aber kann die Verjährung statt finden, wenn der
Gränzzug selbst nicht streitig ist, sondern ein Nachbar, jenseits desselben,
etwas von dem Grunde und Boden des Andern durch rechtsverjährten Besitz
erworben zu haben behauptet. (Tit. IX. §. 660. 661. 662.)
§. 375. Gränzen sind verdunkelt, wenn keine von beyden
Theilen dafür anerkannte hinlängliche Merkmale mehr vorhanden sind.
§. 376. Daraus also, daß ein oder anderer Gränznachbar, bey
seinem Grundstücke, die in ältern Registern oder Vermessungen angegebene Quantität
nicht mehr zu haben angiebt, folgt noch keine Verdunkelung der Gränzen.
§. 377. Bey Wiederherstellung verdunkelter Gränzen muß
vorzüglich auf die vorhandenen Urkunden gesehn, und nach dem Inhalte derselben
beurtheilt werden: ob die von einem oder dem Andern Theile angegebenen
Gränzzeichen dafür wirklich zu achten sind.
§. 378. Doch ist, zur Erklärung oder Ergänzung des Inhalts
der Urkunden, ingleichen, bey gänzlichem Mangel derselben, oder der darin
angegebenen Gränzzeichen, auch auf die Aussagen glaubwürdiger Zeugen Rücksicht
zu nehmen.
§. 379. Wenn die vormaligen richtigen Gränzen gar nicht
auszumitteln sind; so muß das streitige Stück unter die Gränznachbarn getheilt
werden.
§. 380. Bey dieser Theilung ist hauptsächlich auf das
Verhältniß des bisherigen Besitzstandes der Parteyen Rücksicht zu nehmen.
§. 381. Ist auch kein dergleichen ruhiger Besitzstand
vorhanden: so muß durch eine gerade Linie, von dem letzten bis zum
nächstfolgenden unstreitigen Gränzzeichen, die Gränze berichtigt werden.
§. 382. Ist jedoch ausgemittelt, daß bey dem letzten
unstreitigen Gränzzeichen die Gränze von der geraden Linie abgegangen sey, und
nur der eigentliche Punkt, bis wohin diese Abweichung sich erstreckt hat, kann
nicht mit rechtlicher Gewißheit bestimmt werden; so wird das streitige Stück
zwischen den beyden Gränznachbarn gleich getheilt.
Von Gränzerneuerungen.
§. 383. Um die Verdunkelung der Gränzen zu verhüten, ist
jeder Besitzer seine Nachbarn zu deren Erneuerung aufzufordern wohl befugt.
§. 384. Die Kosten einer solchen Gränzerneuerung müssen von
sämmtlichen Nachbarn, nach Verhältniß der Länge ihres Antheils an der
Gränzlinie, getragen werden.
§. 385. Bey einer dergleichen Gränzerneuerung ist die
Zuziehung aller Nachbarn, mit deren Gründen die neu aufzunehmende Gränzlinie in
Verbindung steht, erforderlich.
§. 386. Gegen die Nichtzugezogenen kann eine solche
Gränzerneuerung auch in der Folge nicht angeführt werden. .
§. 387. Nur bey Gränzscheidungen, nicht aber bey der bloßen
Erneuerung unstreitiger Gränzen, ist die Zuziehung der §. 323-332. bemerkten
Interessenten nothwendig.
§. 388. Dagegen soll sowohl die Erneuerung alter, als die
Bestimmung neuer Gränzen, allemal mit Zuziehung einer Gerichtsperson
vorgenommen, und ein Protokoll darüber bey den Gerichten aufbewahrt werden.
Achtzehnter Titel
Vom getheilten Eigenthume
§. 1. Wenn das Eigenthum getheilt ist, (Tit. VIII. §.
16-20.) so wird derjenige, welchem nur ein Miteigenthum an der Proprietät, aber
kein Antheil an dem zum Eigenthume gehörenden Nutzungsrechte zukommt,
Obereigenthümer genannt.
§. 2. Ueber die Proprietät der Sache (§. 10. ibid.) können
nur der Ober- und nutzbare Eigentümer gemeinschaftlich, mithin keiner derselben
ohne Zuziehung und Bewilligung des Andern, gültig verfügen.
§. 3. Das zum Eigenthume gehörige Mitbesitzungsrecht des
Obereigenthümers ruhet so lange, als der nutzbare Eigenthümer, seines Rechts
auf die Sache nicht verlustig geworden ist.
§. 4. Das zum Eigenthume gehörige Nutzungsrecht (§. 11.12.
ibid.) ist in dem besondern und ausschließenden Eigenthume des nutzbaren
Eigenthümers.
§. 5. Dieser kann also über den Gebrauch der Sache so weit
gültig verfügen, als dadurch die dem Obereigenthümer zukommenden Rechte nicht
geschmälert werden.
§. 6. Wer das nutzbare Eigenthum hat, ist berechtigt, allen
Vortheil von der Sache zu ziehn, welcher von derselben, ihrer Substanz
unbeschadet, erhalten werden kann.
§. 7. Auch außerordentliche Nutzungen, die sonst keinem, als
dem wirklichen Eigenthümer der Sache gehören, kommen dem nutzbaren Eigenthümer
zu. (Tit. IX §. 81. sqq.)
§. 8. Zu Veränderungen der ganzen Sache, wodurch sie
aufhört, dieselbe Sache zu seyn, ist der nutzbare Eigenthümer nicht berechtigt.
§. 9. Wohl aber ist er befugt, einzelne Theile oder unter
einem Inbegriffe von Sachen enthaltene Stücke zu ändern, so weit es ohne
Verminderung des Ganzen, und ohne die Hauptbestimmung desselben zu verändern,
geschehen kann.
§. 10. Selbst zur Verringerung eines Theils der Sache ist
der nutzbare Eigenthümer berechtigt, wenn ohne dergleichen Verringerung dieser
Theil der Sache gar nicht genossen werden könnte.
§. 11. Dagegen ist aber auch der nutzbare Eigentümer alle
ordentliche und außerordentliche Lasten der Sache, ohne Beytritt des
Obereigenthümers zu tragen verpflichtet.
§. 12. Die verschiedenen Bedingungen, unter welchen das
Obereigenthum von dem nutzbaren getrennt worden, bestimmen die verschiedenen
Arten des getheilten Eigenthums.
Erster Abschnitt
Vom Lehne
I. Begriffe und Grundsätze.
§. 13. Eine Sache deren nutzbares Eigenthum jemand unter der
Bedingung einer dem Obereigenthümer zu erweisenden besondern Treue, gegen den
von im zu leistenden Schutz besitzt, wird ein Lehn genannt.
§. 14. Der Obereigenthümer heißt Lehnsherr, und der nutzbare
Eigenthümer Vasall oder Lehnsmann.
§. 15. Seiten-Verwandten männlichen Geschlechts, welche
durch eine ununterbrochene Reihe männlicher ehelicher Nachkommen, von dem
ersten Erwerber des Lehns, wie der nutzbare Eigenthümer selbst, abstammen;
heißen Agnaten.
§. 16. Diejenigen, welchen entweder selbst, oder deren
Vorfahren in aufsteigender Linie, das Lehen mit dem Vasallen zugleich verliehen
worden, werden Mitbelehnte oder Gesammthänder genannt.
§. 17. Agnaten und Mitbelehnte nehmen an dem nutzbaren
Eigenthume des Lehns, welches dem Vasallen zukommt, Theil.
§. 18. Doch ruhet ihr Recht so lange, bis sie nach der
Ordnung der Lehnsfolge zum wirklichen Besitze des Lehns berufen werden.
§. 19. Zur Lehnstreue, die der Vasall seinem Lehnsherrn
schuldig ist, gehört, daß er so viel an ihm ist, den Nutzen desselben zu
befördern, Schaden und Nachtheil aber abzuwenden beflißen sey; Auch die im
Lehnsvertrage übernommenen, oder durch die Lehnsgesetze vorgeschriebenen
Dienste, und andre Obliegenheiten, treulich entrichte.
§. 20. Wenn der Lehnsherr nicht zugleich Landesherr des
Vasallen ist: so ist die Lehnstreue gegen den erstern allemal der
Unterthanentreue gegen den letzteren, auch in dem Falle, wenn beyde zusammen
nicht bestehen können, untergeordnet.
§. 21. Die Pflicht des Lehnsherrn besteht in der Gewährung
desjenigen Schutzes, ohne welchen der Vasall das Lehn gehörig zu besitzen und
zu benutzen außer Stande seyn würde.
§. 22. Wenn also der Vasall wegen des Lehnes, oder eines
dazu gehörenden Stücks in Anspruch genommen wird, so ist der Lehnsherr ihn zu
vertheidigen schuldig.
II. Unterschied zwischen gegebnen und aufgetragnen Lehnen.
§. 23. Bey Erklärung der die gegenseitigen Rechte und
Pflichten zwischen dem Lehnsherrn und Vasallen bestimmenden Gesetze und
Verträge ist darauf: ob das Lehn ursprünglich dem Vasallen von dem Lehnsherrn
verliehen, oder von ersterem dem letzteren aufgetragen worden, Rücksicht zu
nehmen.
§. 24. Im erstern Falle hat, bey zweifelhaften Bestimmungen
der Lehnsherr, so wie im letztern der Vasall, die Vermuthung für sich.
III. Was Lehn seyn könne.
§. 25. Jede Sache, bey welcher, das Ober von dem nutzbaren
Eigenthume getrennt, und jedes von verschiedenen Personen besessen werden kann,
kann auch zu Lehn gegeben und aufgetragen werden.
§. 26. Es können also nicht nur unbewegliche Sachen und
Rechte, sondern auch bewegliche Sachen, in so fern deren Substanz oder Werth
auf eine dauerhafte Art sicher gestellt wird, die Eigenschaft eines Lehns
erlangen.
§. 27. Sind bewegliche Sachen mit einer unbeweglichen
zugleich zu Lehn gegeben worden: so werden erstere als Lehnszubehör angesehen.
§. 28. Pertinenzstücke eines Lehns haben also nur in so fern
die Lehnseigenschaft, als sie dem Vasallen ausdrücklich als Lehn verliehen
worden.
§. 29. Auch wenn jemand mit einem Gute und allem Zubehör
beliehen ist, werden dennoch nur diejenigen beweglichen Pertinenzstücke, welche
entweder einen Theil des Lehns ausmachen, oder die dabey zur Zeit der ersten
Verliehung befindlich gewesen, oder in der Folge an deren Stelle getreten, oder
die durch eine spätere Investitur besonders verliehen sind, als Lehnszubehör
angesehn.
§. 30. Wenn ein Vasall nach der ersten Belehnung bewegliche
Sachen dem Lehne zugeschlagen hat, erhalten dennoch dieselben die
Lehnseigenschaft nur alsdann: wenn sie von dem Vasallen dem Lehnsherrn zu Lehn
ausdrücklich aufgetragen; oder in der überreichten Lehnsspecification als
Zubehörungen des Lehns mit aufgeführt worden.
§. 31. In wie fern aber dergleichen Pertinenzien den
Lehnsfolgern gegen oder ohne Vergütung bleiben müssen, ist nach den unten
vorgeschriebenen Grundsätzen zu beurtheilen. (§. 526.)
§. 32. Die durch Natur von außen her bewirkten Zuwüchse der
Substanz eines Lehns haben von selbst die Lehnseigenschaft.
§. 33. Zuwüchse, welche durch die Handlungen eines Menschen
von außen her beygefügt worden, werden nach den Regeln von Pertinenzstücken
beurtheilt. (§. 28. sqq.)
§. 34. Auch das schon getheilte Eigenthum einer Sache kann
von dem Besitzer ferner einem Dritten zu Lehn gegeben werden.
§. 35. Dieses gilt sowohl von dem Ober als von dem nutzbaren
Eigenthume.
§. 36. Hat der Vasall sein nutzbares Eigenthum, oder der
Lehnsherr sein Obereigenthum einem Dritten zu Lehn gegeben: so wird dieses eine
Afterbelehnung genannt.
§. 37. Wenn jemanden ein Lehn mit seinen Lehn- und
Mannschaften verliehen worden: so ist dem Vasallen die Lehnsherrlichkeit über
die davon abhangenden Aftervasallen mit übertragen.
§. 38. Ein Gleiches findet statt, wenn ein Gut, mit welchem
das Obereigenthum anderer Lehne verbunden ist, unter dem Ausdrucke: mit allen
Ehren, verliehen worden.
IV. Wer Lehne geben könne.
§. 39. So weit jemand über das volle Eigenthum einer Sache
aus eigener oder übertragener Macht zu verfügen berechtiget ist; so weit kann
er das nutzbare Eigenthum derselben, mit Vorbehalt des Obereigenthums, Andern
verleihen, oder das Obereigenthum, mit Vorbehalt des nutzbaren, einem Andern
auftragen.
§. 40. Bey Sachen, die nach vorhandenen allgemeinen Landes-
oder besondern Lehnsverträgen, oder nach hergebrachtem Gebrauche des
Lehnshofes, zu Lehn gegeben zu werden bestimmt sind, ist der Obereigenthümer
das ihm anheim gefallene nutzbare Eigenthum wiederum einem andern zu verleihen
schuldig.
§. 41. In wie fern bischöfliche und andere geistliche Lehne,
die sich während einer Vakanz eröffnen, von dem Capitel wieder verliehen werden
können, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. XI. Abschn. XII.)
§. 42. Bey der Verleihung solcher Sachen ist die Beobachtung
der bey andern Veräußerungen in gewissen Fällen, oder unter gewissen Umständen,
gesetzlich vorgeschriebenen Erfordernisse und Feyerlichkeiten nicht nothwendig.
§. 43. So wie eine Person hohem Standes einer niedern, so
kann auch eine Person niedern Standes einer höhern Lehne verleihen oder
auftragen.
V. Wer Lehn empfangen könne.
§. 44. So weit jemand eine gewisse bestimmte Sache zu
erwerben nach den Gesetzen überhaupt fähig ist; so weit kann ihm auch eine
solche Sache als ein neues Lehn verliehen werden.
§. 45. Alle übrigen Bestimmungen der Eigenschaften eines neu
aufzunehmenden Vasallen hängen von dem Gutfinden des Verleihenden ab.
§. 46. Bey schon bestellten Lehnen muß die Fähigkeit,
dieselben bey sich ereignendem Anfalle zu übernehmen, hauptsächlich nach dem
Inhalte des ursprünglichen Lehnsvertrages und der Lehnbriefe beurtheilt werden.
§. 47. So weit diese nichts Besonderes bestimmen, hängt die
Fähigkeit, ein angefallenes Lehn zu übernehmen, von der Fähigkeit zur Leistung
der damit verbundenen Pflichten ab.
§. 48. Wenn Sachen, die bestimmt sind als Lehn ausgethan zu
werden, von neuem verliehen werden sollen: so ist die Fähigkeit, sie zu
erwerben, nach eben den Grundsätzen zu bestimmen, nach welchen diese Fähigkeit
bey den vorhergehenden Vasallen zu beurtheilen war.
§. 49. Moralische Personen, welchen Lehne verliehen worden,
sind in der Regel, zur Leistung der damit verbundenen Pflichten, einen
Lehnsträger zu bestellen befugt und schuldig.
§. 50. Hiervon ist der Fall ausgenommen, wenn aus dem
Inhalte des Lehnsvertrages oder Lehnsbriefes, oder aus der Natur der darin
vorbedungenen Pflichten sich ergiebt, daß letztere von allen physischen
Personen, welche die moralische Person ausmachen, geleistet werden sollen.
§. 51. Eine gleiche Ausnahme findet statt, wenn erhellet,
daß das Lehn von allen Dienstleistungen frey ist, und die Lehnserneuerung, dem
Herkommen gemäß nur bey Veränderungen des Lehnsherrn hat gesucht werden dürfen.
§. 52. Die Fähigkeit eines Lehnsträgers muß nach eben den
Grundsätzen, wie die Fähigkeit eines Vasallen selbst, beurtheilt werden.
§. 53. Für andre Vasallen, die nur auf eine Zeitlang, oder
nur bey einer gewissen Begebenheit, ihre Lehnspflichten selbst zu leisten
unfähig sind, muß ein Bevollmächtigter zugelassen werden.
§. 54. Die Fähigkeit eines solchen Bevollmächtigten ist, wo
nicht besondre Verträge, Gesetze, oder Gewohnheiten des Lehnhofs ein Anderes
bestimmen, nur nach den allgemeinen Regeln von Vollmachtsaufträgen zu
beurtheilen.
§. 55. Der Lehnsherr ist in der Regel nicht schuldig, einen
Vasallen, der durch fortdauernde Unfähigkeit an eigner Leistung der
Lehnspflichten ganz verhindert wird, zum Besitze des Lehns zu lassen, und einen
Lehnsträger für ihn anzunehmen.
§. 56. Agnaten und Mitbelehnte hingegen können einen solchen
Vasallen, wenn ihn der Lehnsherr, seiner Unfähigkeit ungeachtet, annehmen will,
nicht ausschließen.
§. 57. Entsteht die Unfähigkeit des Vasallen erst nach schon
erlangtem Besitze des Lehns: so kann der Lehnsherr sich in der Regel nicht
entbrechen, einen tauglichen Lehnsträger für ihn anzunehmen.
§. 58. Besitzen mehrere Vasallen zugleich Ein Lehn, so muß
einer von ihnen zur Leistung der Dienste und Pflichten im Namen aller
zugelassen werden.
§. 59. Einen fremden Lehnsträger hingegen ist der Herr in solchem
Falle anzunehmen nicht verbunden.
§. 60. Wo der Lehnsherr einen Lehnsträger zuzulassen
schuldig ist; da hängt die Auswahl der Person desselben von dem Vasallen ab.
§. 61. Den gewählten Lehnsträger kann der Lehnsherr nur so
weit verwerfen, als er gegen die Tüchtigkeit desselben zur Erfüllung der
Lehnspflichten erhebliche Ausstellungen machen kann.
§. 62. Hängt es aber von dem Willen des Lehnsherrn ab, einen
Lehmsträger anzunehmen: so ist er eine ihm dazu gefällige Person zu wählen
berechtigt.
VI. Eintheilung und Arten der Lehne.
§. 63. Eigentliche Lehne heißen diejenigen, bey welchen alle
im gemeinen Lehnsrechte bestimmt Eigenschaften eines Lehns anzutreffen sind.
§. 64 Bey allen schon bestehenden Lehnen wird vermuthet, daß
dieselben gegen die von dem Vasallen übernommene Pflicht, dem Lehnsherrn
Kriegsdienste zu leisten, ursprünglich verliehen worden.
§. 65. Alle Lehne sind also, im zweifelhaften Falle für
Mannslehne zu achten.
§. 66. Adliche Lehne heißen diejenigen, von welchen der
Vasall, nach dem ursprünglichen Vertrage, Ritterdienste zu leisten verpflichtet
ist.
§. 67. Personen unadelichen Standes können also zu solchen
dem Adel bestimmten Lehnen in der Regel nicht zugelassen werden.
§. 68. Besondere Eigenschaften, oder von der Regel des
gemeinen Lehnrechts abweichende Beschaffenheiten eines Lehns, müssen auf
rechtliche Art bestiamt seyn, und erwiesen werden.
§. 69. Wenn jedoch die meisten von einem gewissen Lehnhofe
abhangenden Lehne, in einem oder anderem Stücke, von der gewöhnlichen
Beschaffenheit eines Lehns abweichen: so gilt die Vermuthung, daß eine gleiche
Abweichung auch bey den übrigen Lehnen desselben Lehnhofs statt finde.
§. 70. Die verschiedenen Arten der Sachen, welche zu Lehn
gegeben werden, bestimmen die verschiedenen Arten und Benennungen der Lehne.
§. 71. Was unter der Belehnung mit Regalien, und
insonderheit mit der Gerichtsbarkeit, begriffen sey, ist im Personenrechte
bestimmt. (Th. II. Tit. XVII. Sect. I.)
§. 72. Unter Kirchlehn wird das Patronatrecht der Kirche
verstanden.
§. 73. Das Geldlehn setzt ein Capital voraus, welches sicher
gestellt, und wovon dem Vasallen das Nutzungsrecht zu Lehn gegeben worden.
§. 74. Es sind daher Gelder, die aus einem Lehne gelöset,
oder zu dessen Erwerbung bestimmt worden, für wirkliche Lehne noch nicht zu
achten.
§. 75. Wenn einem Gläubiger das Pfandrecht auf eine zur
Sicherheit seiner Forderung übergebene Sache zu Lehn verliehen worden: so heißt
es ein Pfandlehn.
§. 76. Der Vertrag, auf dessen Grund ein solches Pfandlehn
bestellt worden, ist nur so weit gültig, als er den zur Verhütung des Wuchers
beym Pfandverkehre gegebenen Gesetzen nicht entgegen läuft.
§. 77. Aus der Verwirkung oder sonstigen Aufhebung des
Pfandlehns folgt noch nicht der Verlust das Pfandrechts, und noch weniger der
dadurch versicherten Forderung.
§. 78. Wenn aber die Forderung getilgt wird, so hört nicht
nur das Pfandrecht, sondern auch das Pfandlehn
VII. Ursprüngliche Bestellung der Lehne.
§. 79. Die Lehnseigenschaft einer Sache wird nicht
vermuthet, sondern muß durch Nachweisung eines sie begründenden rechtsgültigen
Titels dargethan werden.
§. 80. Dieser Titel beruht entweder auf Lehnsverträgen, oder
auf letztwilligen Verordnungen, oder auf der Verjährung.
§. 81. Soll ein neues Lehn durch Vertrag bestellt werden, so
müssen darin die wechselseitigen Bedingungen, unter welchen das Lehn verliehen
und besessen werden soll, bestimmt seyn.
§. 82. Diese Bedingungen müssen den allgemeinen Vorschriften
der Gesetze nicht zuwider laufen, und mit den Pflichten, die der neue Vasall
seinem Landesherrn schuldig ist, bestehen können.
§. 83. Der Vertrag muß allemal ohne Unterschied des
Gegenstandes, bey Strafe der Nichtigkeit, schriftlich errichtet werden.
§. 84. Sollen unbewegliche Güter unter Privatpersonen als
neue Lehne verliehen werden: so ist die gerichtliche Abschließung des
Vertrages, und die Vermerkung der Lehnseigenschaft im Hypothekenbuche
nothwendig.
§. 85. Ist dieser Vermerk unterblieben, so kann aus der
Lehnseigenschaft der Sache einem Dritten, welcher, dem Glauben des
Hypothekenbuches gefolgt ist, kein Nachtheil erwachsen.
§. 86. Hiesige Unterthanen sollen ihre inländischen Güter
und Gerechtigkeiten, ohne besondere Einwilligung des Landesherrn, Ausländern
weder verleihen, noch zu Lehn auftragen.
§. 87. Ueberhaupt ist zur Bestellung neuer adelicher Lehne,
so wie bey Fideicommissen, die ausdrückliche Einwilligung des Landesherrn, bey
Strafe der Nichtigkeit, von nun an erforderlich.
§. 88. Der Lehnsvertrag wird durch die Belehnung oder
Investitur vollzogen.
§. 89. Diese geschieht durch die Uebergabe der zu Lehn
verliehenen Sache von der einen, und das Angelöbniß der Lehnstreue von der
andern Seite.
§. 90. Besondere Leistungen oder Feyerlichkeiten, so wie die
Ausstellung eines Lehnsreverses, können von dem Vasallen nur so weit gefordert
werden, als es der Lehnsvertrag, oder ein wohlhergebrachter Gebrauch des
Lehnhofs mit sich bringen.
§. 91. Der Lehnsrevers dient nur zur Versicherung des
Lehnsherrn, daß der Vasall die Sache als Lehn besitzen, und der übernommenen
Lehnspflicht nachleben wolle.
§. 92. Sobald die Belehnung vollzogen ist, tritt der Vasall
in alle Rechte und Nutzungen, welche mit dem Lehne verbunden sind.
§. 93. Die zu Lehn gegebene Sache erhält zugleich alle
Eigenschaften eines Lehns, ob schon der körperliche Besitz dem Vasallen noch
nicht eigeräumt worden.
§. 94. Ueberhaupt hat die Belehnung alle Wirkungen einer
gerichtlichen Uebergabe.
§. 95. Nach vollzogener Belehnung ist der Vasall die
Ausfertigung des Lehnbriefs, und bis diese erfolgt, einen Lehnsschein zu
fordern wohl befugt.
§. 96. Der Vasall ist aber auch in der Regel schuldig, den
Lehnbrief selbst abzulösen, und hat nicht das Recht, mit dem bloßen
Lehnsscheine sich zu begnügen.
§. 97. In so fern der Lehnbrief sich nicht auf einen
schriftlichen Lehnsvertrag oder besonderes Verzeichniß bezieht, muß in
demselben alles, was zum Lehne gehört, und was dagegen geleistet werden soll,
hinlänglich bestimmt werden.
§. 98. Auch müssen darin die erforderlichen Bestimmungen
wegen der Agnaten oder Mitbelehnten enthalten seyn.
§. 99. Es wird nicht vermuthet, daß der Lehnsvertrag durch
den Lehnbrief hat abgeändert werden sollen.
§. 100. Lehnbriefe machen einen vollen Beweis zwischen dem
Lehnsherrn und Vasallen, nicht aber gegen einen Dritten, welcher sein Recht
weder von dem einen noch von dem andern herleitet.
§. 101. Auch wirkt der erste Lehnbrief einen dergleichen
Beweis für und wider die Agnaten und Mitbelehnten.
VIII. Erneuerung der Lehne.
§. 102. Auf eben die Art, wie das Lehn zuerst verliehen
worden, muß, so oft die Person des Lehnsherrn oder des Vasallen verändert wird,
die Erneuerung der Lehne von dem Vasallen nachgesucht werden.
§. 103. Wenn die Veränderung bloß darin besteht, daß mehrern
bisher in Gemeinschaft gestandenen Lehnsherren das Obereigenthum einem unter
ihnen allein, gegen Abfindung der andern, überlassen worden: so bedarf es in
der Regel keiner Erneuerung der Lehne.
§. 104. Wenn mehrere bisher in Gemeinschaft gestandene
Vasallen das Lehn innerhalb der §. 121. bestimmten Frist theilen: so ist es
nicht nothwendig, daß sie gemeinschaftlich die Lehen erneuern; sondern es ist
hinreichend, wenn dieses nur von demjenigen geschieht, welcher das Ganze
übernommen hat.
§. 105. Wenn aber die mehrern Vasallen die Gemeinschaft über
obbesagte Frist hinaus fortsetzen: so müssen sie die Lehnserneuerung
gemeinschaftlich nachsuchen; und ein Gleiches muß, nach erfolgter Theilung, von
demjenigen, welcher das Ganze übernommen hat, geschehen.
§. 106. Die Lehnserneuerung ist in der Regel nothwendig,
wenn auch nur die Person des Repräsentanten des Lehnsherrn oder Vasallen
geändert wird.
§. 107. In so fern jedoch moralische Personen die Erneuerung
ihrer in Besitz habenden Lehne nach dem Ablaufe bestimmter Jahre zu suchen
schuldig sind, bedarf es deren nicht, bey einer bloßen Veränderung in der
Person des Lehnsträgers.
§. 108. Vielmehr ist es in einem solchen Falle genug, wenn
der neue Lehnsträger dem Lehnsherrn bloß angezeigt, und bey demselben
legitimirt wird.
§. 109. Daß bey Veränderungen in der Person des Lehnsherrn
oder Vasallen auch die Agnaten oder Mitbelehnten die Lehne erneuern, ist in der
Regel nicht nothwendig.
§. 110. Bey unadlichen Lehnen ist eine Erneuerung bey
Veränderungen in der Person des Lehnsherrn in der Regel nicht, sondern nur da
nothwendig, wo besondere Gesetze, oder hergebrachte Gewohnheiten des Lehnhofs,
solches erfordern.
§. 111. Die Uebernahme eines Lehns und Abnahme des
Lehnseides kann, wenn nicht ausdrückliche Gesetze des Lehnhofes entgegen
stehen, auch durch einen dazu bestellten Specialbevollmächtigten erfolgen.
§. 112. Personen, welche wegen minderjährigen Alters unter
Vormündern stehn, empfangen durch diese die Belehnung,
§. 113. Dergleichen Vormünder müssen aber selbst lehnsfähig
seyn, wenn sie zu diesem Geschäfte gebraucht werden, oder einen Andern dazu
bevollmächtigen sollen.
§. 114. Vasallen, welche das zur Ableistung des Lehnseides
nach den Gesetzen oder Gewohnheiten des Lehnhofes erforderliche Alter bereits
erreicht haben, können, wenn sie auch noch unter väterlicher Gewalt oder
Vormundschaft stehn, die Belehnung selbst übernehmen.
§. 115. Wo, nach der Observanz des Lehnhofes, die Belehnung
des Vasallen selbst bis zur Erreichung des gehörigen Alters ausgesetzt bleiben
kann, da muß dennoch von seiner Vormundschaft die Lehen gemuthet, und zur
wirklichen Ableistung des Lehneides Indult gesucht werden.
§. 116. Die Lehnsmuthung besteht in einem wirklichen
vorläufigen Anerkenntnisse der Lehnsverbindlichkeit, und in einem Versprechen
der zu seiner Zeit nachzusuchenden förmlichen Belehnung.
§. 117. Wenn eine Familie einen gemeinschaftlichen
Lehnsträger zu haben berechtigt ist: so sind die einzelnen Mitglieder von
Lehnsmuthungen und Nachsuchung der Belehnung für ihre Person frey.
§. 118. Sie müssen aber ihr Recht an dem Lehne, bey
jedesmaliger Veränderung, entweder selbst, oder durch ihren Lehnsträger, dem
Lehnhofe anzeigen.
§. 119. Geschieht dies nicht: so haben sie zu gewärtigen,
daß sie bey vorfallenden gemeinschaftlichen Lehnsangelegenheiten übergangen
werden.
§. 120. Diese Vorschriften (§. 118.119.) gelten auch von
Agnaten und Mitbelehnten, welche von selbst eigener Erneuerung der Lehne frey
sind. (§. 109.)
§. 121. In der Regel muß die Erneuerung des Lehns binnen
Einem Jahre und Dreyßig Tagen, nachdem der Fall sich ereignet hat, nachgesucht
werden.
§. 122. Diese Frist wird von dem Tage an gerechnet, da dem
Vasallen der Anfall des Lehns, oder die Veränderung des Lehnsherrn, bekannt
geworden ist.
§. 123. Daß der Vasall den Abgang des innerhalb Landes
verstorbenen Lehnsherrn erfahren habe, wird allemal vermuthet.
§. 124. Kann hingegen der Nachfolger im Lehne einer von dem
Abgange des vorigen Vasallen früher erlangten Wissenschaft nicht überführt
werden: so läuft die Frist vom Tage der Besitznehmung des Lehns.
§. 125. Der Tag, an welchem die Veränderung sich zugetragen
hat, kann niemals in Anrechnung kommen.
§. 126. Bey denen, welche vermöge eines Vertrages zum
Besitze des Lehns gelangen, läuft die Frist vom Tage der Vollziehung desselben;
bey denen, deren Folgerecht sich auf eine letztwillige Verordnung gründet, vom
Tage der Publication; bey denen, die ein Lehn durch Meistgebot erstehn, vom
Tage des publicirten Adjudicationsbescheides; bey Begnadigungen vom Tage der
Ausfertigung.
§. 127. Gelangt jemand zu einem Lehne aus einem
Rechtsgrunde, zu dessen Vollgültigkeit der Consens des Lehnsherrn nöthig ist:
so läuft die Frist erst von dem Dato dieses ertheilten Consenses.
§. 128. Ist vor Ablauf der Frist eine abermalige Veränderung
vorgefallen: so wird die Frist von Zeit der letzten Veränderung aufs neue
gerechnet.
§. 129. Innerhalb der zur Belehnung gesetzten Frist kann
eine Verlängerung derselben gesucht, und darf ohne besonders erhebliche Gründe
nicht verweigert werden.
§. 130. Bey der ersten Verlängerung bedarf es in der Regel
keiner Bescheinigung besondrer Hinderungsursachen.
§. 131. Wird aber eine fernere Verlängerung gesucht: so muß
der Vasall erhebliche Gründe dazu anführen und bescheinigen.
§. 132. Unterläßt er dies: so verfällt er, auch wenn die
Verlängerung bewilligt worden, dennoch in die durch die Gesetze des Lehnhofs
verordneten Strafen.
§. 133. Weigert der Lehnsherr die Verlängerung der Frist: so
steht dem Vasallen frey, auf rechtliches Gehör und Erkenntniß über die
Richtigkeit und Erheblichkeit seiner Gründe sich zu berufen.
§. 134. Ist die Lehnsherrlichkeit streitig: so ist es genug,
wenn der Vasall sich bey dem Lehnshofe. oder, in Ermangelung dessen, bey
demjenigen der streitenden Theile meldet, welcher sich zu der Zeit im Besitze
des Rechts befindet.
§. 135. Weiß der Vasall nicht, oder zweifelt er: welcher den
Besitz für sich habe; so muß die Anmeldung bey derjenigen Behörde geschehen,
welcher die Entscheidung über die streitige Lehnsherrlichkeit zukommt.
§. 136. Wird demjenigen, welcher auf das Lehn Anspruch
macht, sein Recht dazu von dem Lehnsherrn bestritten: so läuft die Frist zur
Nachsuchung der Investitur von dem Tage, wo das den Streit entscheidende Urtel
rechtskräftig geworden ist.
§. 137. Streiten mehrere unter einander über das Recht zur
Lehnsfolge: so muß jeder der Prätendenten die Lehne innerhalb der gehörigen
Frist muthen; und es muß ihm darüber, mit Vorbehalt des Rechts der Uebrigen,
ein Muthschein ertheilt werden.
§. 138. Die gehörig nachgesuchte Belehnung ist der Lehnsherr
unweigerlich zu ertheilen verbunden.
§. 139. Bey Ausfertigung des neuen Lehnbriefs ist der
Lehnsherr, gegen den Inhalt des vorigen, etwas eigenmächtig zu ändern nicht
befugt.
§. 140. Auch mit Einwilligung des Vasallen kann an dem
ursprünglichen Lehnsvertrage und Lehnbriefe, zum Nachtheile der Agnaten oder
Mitbelehnten, nichts geändert werden.
§. 141. Wenn Lehnbriefe verschiedenen Inhalts sich finden:
so gilt im zweifelhaften Falle der neuere, auch zum Nachtheile des Vasallen,
welcher ihn angenommen hat, und seiner Erben; in so fern nicht erhellet, daß
die Annahme unter dem gegen den Lehnsherrn oder bey dem Lehnshofe ausdrücklich
erklärten Vorbehalte seiner Rechte geschehen sey.
§. 142. Hingegen kann der, ältern Lehnbriefen
zuwiderlaufende, Inhalt neuerer, zum Nachtheile der Agnaten oder Mitbelehnten
nur in so fern gelten, als nachgewiesen werden kann, daß die Aenderung mit
ihrer oder ihrer Erblasser Genehmigung vorgenommen worden.
IX . Verhältnisse zwischen dem Lehnsherrn und Vasallen.
1) Von der Lehnstreue.
§. 143. Durch die Belehnung übernimmt der Vasall die Pflicht
der Lehnstreue gegen den Obereigenthümer, und die mit dem Besitze des Lehns
verbundenen Dienste, oder andern Obliegenheiten.
§. 144. Die besondern Arten der Hülfs- und Ehrendienste
werden durch den Lehnsvertrag, oder durch die Gesetze und Gewohnheiten des
Lehnhofs bestimmt.
§. 145. Der Vasall ist für dergleichen Dienste in der Regel
weder Schadloshaltung, noch besondere Belohnung zu fordern berechtigt.
§. 146. Eine vorsetzliche Verletzung oder Verweigerung der
Lehnspflichten wird Felonie genannt.
§. 147. Der Vasall, welcher seinem Lehnsherrn redlich
begegnet; sich mit dessen Feinden in Verbindungen zu seinem Nachtheile einläßt,
oder ihnen Vorschub thut; den Lehnsherrn selbst, oder dessen Frau, oder die in
seinem Hause lebenden Verwandten in auf- und absteigender, oder auch im ersten
und zweyten Grade der Seitenlinie, schimpflich behängt; oder sich seiner
Lehnspflicht betrüglicher Weise ganz zu entziehen sucht, begeht eine Felonie
der ersten Classe.
§. 148. Unter Feindschaft wird hier eine jede auf Kränkung
der Person, der Ehre, der Freyheit, oder des Vermögens des Lehnsherrn
gerichtete Thätlichkeit verstanden.
§. 149. Handlungen des Vasallen, wodurch derselbe nur die
durch Gesetze vorgeschriebenen bürgerlichen und Unterthanenpflichten befolgt,
können, wenn sie auch zum Nachtheile des Lehnsherrn ausschlagen, für Felonie
niemals geachtet werden.
§. 150. Wer den schuldigen Lehnseid verweigert; die ihm
obliegenden Dienste versagt; oder die dem Lehnsherrn drohende Gefahr am Leben,
Leib, Ehre und Vermögen, so weit es in seiner Macht steht, nicht abwendet; oder
das Lehn, ohne Vorwissen des Lehnsherrn, mit Verschweigung der
Lehnseigenschaft, veräußert: der wird einer Felonie der zweyten Classe
schuldig.
§. 151. Die Verzögerung des Gesuchs um die Belehnung, und
anderer sowohl damit als mit dem Besitze des Lehns verbundener Obliegenheiten,
wird als eine Felonie der dritten Classe angesehn.
§. 152. Dahin werden auch die Fehler der zweyten Classe
gerechnet, in so fern der Vasall eines bösen Vorsatzes dabey nicht überführt
werden kann.
§. 153. Die Felonie der ersten Classe wird in der Regel mit
dem Verluste des Lehns bestraft. (§. 614, sqq.)
§. 154. Eben dieselbe Strafe folgt, der Regel nach, auch auf
eine Felonie der zweyten Classe, wenn der Vasall das nutzbare Eigenthum
ursprünglich von dem Lehnsherrn erhalten hat.
§. 155. Hat aber der Vasall das Obereigenthum der Sache
ursprünglich dem Lehnsherrn aufgetragen; so wird eine Felonie der zweyten
Classe, wo nicht Lehnsverträge, oder besondere Gesetze, ein Anderes
vorschreiben, nur mit einer Geldstrafe gebüßt.
§. 156. Eine solche Geldstrafe darf, im Mangel näherer
Bestimmungen, den Dreyjährigen Ertrag des Lehns nicht übersteigen.
§. 157. Eine Felonie der dritten Classe wird allemal nur mit
einer Geldbuße, oder sonst, nach Gewohnheit des Lehnhofs, mit einer minder
empfindlichen Strafe belegt.
§. 158. Die höchste Geldbuße soll, bey einer Felonie der
dritten Classe, den Einjährigen Betrag der Lehnseinkünfte niemals übersteigen.
§. 159. Die Strafe der Felonie ist für erlassen zu achten,
wenn der Lehnsherr binnen einem Jahre, nachdem er von dem Lehnsfehler Nachricht
erhalten, denselben nicht gerügt, oder in der Zwischenzeit Lehnsdienste oder
andere Lehnsprästationen von dem Vasallen angenommen hat.
§. 160. Gegen den Stellvertreter oder Vormund des Lehnsherrn
findet eine Felonie nur in so fern statt, als durch dieselbe Rechte gekränkt
werden, welche der Stellvertreter oder Vormund im Namen des Lehnsherrn
auszuüben befugt ist.
§. 161. Fehler eines Lehnsträgers können dem Vasallen nicht
zugerechnet werden.
§. 162. Der Lehnsträger selbst aber verliert in dem Falle
des §. 147. 150. alle Vortheile, die er jetzt und künftig aus dem Lehne zu
erwarten hatte.
§. 163. In dem Falle des §. 151. 152. verliert er nur die
Drey- oder Einjährige Belohnung, die ihm für sein Amt zugestanden worden.
§. 164. Der Lehnsherr, welcher seinem Vasallen
widerrechtlich nach dem Leben trachtet; oder seine Gewalt zum Nachtheile der
Gesundheit, Freyheit, oder Ehre des Vasallen mißbraucht, oder denselben bey dem
Besitze und Genüsse des Lehns nach bestem Vermögen zu schützen unterläßt, wird
für seine Person des Obereigenthums und der lehnsherrlichen Rechte verlustig.
(§. 640. sqq.)
§. 165. Wenn der Stellvertreter oder Vormund des Lehnsherrn
dergleichen Fehler begangen hat, so trifft nur ihn, nach Beschaffenheit
desselben, die §. 162.163. verordnete Strafe.
2) Von der Lehnsgerichtsbarkeit.
§. 166. Durch die Belehnung wird der Vasall in allen nicht
streitigen Angelegenheiten, welche das Lehn als Lehn betreffen, der
Gerichtsbarkeit des Lehnsherrn und dessen Lehnhofs unterworfen.
§. 167. Zu dieser Lehnsgerichtsbarkeit gehört auch die
Bestellung und Bestätigung eines Lehnsvormunds.
§. 168. Wie weit der Lehnsherr dabey auf den nächsten
Agnaten Rücksicht zu nehmen schuldig sey; worin die Pflichten eines solchen
Lehnscurators bestehen; und wie das Verhältniß desselben gegen den ordentlichen
Vormund des Vasallen beschaffen sey: ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit.
XVIII. Sect. IX.)
§. 169. In streitigen Angelegenheiten kommt dem Lehnsherrn
und dessen Lehnshofe eine Gerichtsbarkeit nur in so fern zu, als er zugleich
Landesherr ist; oder ihm diese Gerichtsbarkeit von dem Landesherrn ausdrücklich
oder stillschweigend eingeräumt worden.
§. 170. Auch in diesem Falle gehören zur
Lehnsgerichtsbarkeit nur Streitigkeiten zwischen dem Lehnsherrn und dem
Vasallen, den Agnaten oder Mitbelehnten, oder zwischen diesen unter sich,
welche die aus der Lehnseigenschaft entstehenden Rechte und Verbindlichkeiten
betreffen.
§. 171. Wenn der Prozeß mit einem Fremden, welcher nicht zu
der Lehnsverbindung gehört, geführt wird; oder wenn derselbe bloß die Nutzungen
und Einkünfte des Lehns zum Gegenstande hat: so gehört er vor die ordentlichen
Gerichte.
§. 172. Wenn also auch ein Gläubiger Lehnsschulden gegen den
Lehnsbesitzer einklagt: so kann der Lehnhof das Erkenntniß darüber sich in der
Regel nicht anmaßen.
§. 173. Vielmehr muß der Lehnsherr, welcher die Jurisdiction
in Lehnsangelegenheiten auch über fremde zur Lehnsverbindung nicht gehörige
Personen behauptet, die Landesherrliche Verleihung darüber, oder einen
wohlhergebrachten rechtsverjährten Besitz nachweisen.
§. 174. Wenn das Hypothekenbuch über das Lehn bey dem
Lehnshofe befindlich ist: so wird vermuthet, daß demselben die Gerichtsbarkeit
in allen die Lehnsschulden betreffenden Prozessen, auch wenn Fremde darin mit
verwickelt sind, zukomme.
§. 175. Die Lehnsgerichtsbarkeit in streitigen Fällen ist
allemal der Obergerichtsbarkeit des Landesherrn untergeordnet.
§. 176. Auch durch Lehnsreverse, worin der Vasall sich
verpflichtet, den Lehnhof als seinen alleinigen Richter anzuerkennen, und bey
den Aussprüchen desselben sich zu beruhigen, kann er dem Gebrauche der
ordentlichen Rechtsmittel nicht im Allgemeinen entsagen.
§. 177. Lehngüter, welche wiederum in freye Erbgüter
verwandelt werden, fallen der ordentlichen Gerichtsbarkeit andrer Güter von
gleicher Art anheim.
3) Von der
Veräußerung des Obereigenthums.
§. 178. Der Lehnsherr ist über sein Obereigenthum in der
Regel, auch ohne Zuziehung des Vasallen, zu verfügen berechtigt.
§. 179. Hat aber der Vasall ursprünglich das Obereigenthum
dem Lehnsherrn aufgetragen: so kann demselben ein andrer Lehnsherr wider seinen
Willen nicht aufgedrungen werden.
§. 180. Tritt also in diesem Falle der Lehnsherr sein
Obereigenthum, ohne die Einwilligung des Vasallen, einem Andern ab: so ist die
Handlung, in Beziehung auf den Vasallen, ohne Kraft.
§. 181. Versagt der veräußernde Lehnsherr dem Vasallen,
unter dem Vorwande einer solchen Abtretung des Obereigenthums, seinen Schutz:
so entstehen, zum Vortheile des Vasallen, alle Wirkungen einer von dem
Lehnsherrn begangenen Felonie. (§. 164.)
§. 182. In allen Fällen ist der Vasall einen Lehnsherrn
niedern Standes, als der bisherige war, wider seinen Willen anzuerkennen nicht
schuldig.
§. 183. Die Pflichten und Lasten des Vasallen können durch
eine willkührlich unternommene Veränderung in der Person des Lehnsherrn nicht
erschwert werden.
§. 184. Der Vasall ist daher, gegen jeden aus Veränderung
des Lehnsherrn zu besorgenden Nachtheil, Sicherheitsbestellung zu fordern
berechtigt.
§. 185. Der Lehnsherr ist schuldig, eine mit dem
Obereigenthume vorgehende Veränderung dem Vasallen, wenigstens Sechs Wochen vor
deren Vollziehung zur Wahrnehmung seiner Rechte dabey, bekannt zu machen.
§. 186. Wenn das Obereigenthum einem Grundstücke als ein
Realrecht anklebt: so geht dasselbe mit dem Grundstücke zugleich auf jeden
rechtmäßigen Erwerber des letztern über.
4) Von der
Veräußerung des Lehns.
§. 187. Der Vasall ist sein nutzbares Eigenthum am Lehne
einem Fremden eigenmächtig zu übertragen nicht befugt.
§. 188. Ist die Veräußerung mit Verschweigung der Lehnseigenschaft
geschehen: so enthält sie eine Felonie der Zweyten, sonst aber der Dritten
Classe.
§. 189. Soll jedoch dergleichen eigenmächtige Veräußerung
als eine Felonie bestraft werden: so muß der Veräußerungsvertrag nicht nur
geschlossen, sondern auch das Lehn dem fremden Erwerber wirklich übergeben
seyn.
§. 190. Ist die Veräußerung schon vor angestellter Klage des
Lehnsherrn rückgängig geworden; oder kann der Vasall nachweisen, daß er durch
Hindernisse, deren Abwendung oder Uebersteigung nicht in seiner Macht stand,
von gehöriger Nachsuchung des Lehnsherrlichen Consenses abgehalten worden: so
kann ihm eine Felonie gar nicht zugerechnet werden.
§. 191. Was in Ansehung des gesammten Lehns rechtens ist,
gilt auch in Ansehung einzelner Theile oder Stücke desselben.
§. 192. Wenn der Vasall einzelne Theile oder Stücke des
Lehns auf Erbzins, Erbpacht, oder sonst zur Cultur austhut: so ist dieses für
eine strafbare Veräußerung nicht zu achten.
§. 193. In wie fern aber der Lehnsherr, oder die Agnaten,
bey erfolgendem Rückfalle des Lehns, dergleichen Handlungen des Vasallen gelten
zu lassen schuldig sind, hängt davon ab: ob die Substanz des Lehns dadurch wirklich
vermindert oder verschlimmert worden. (§. 9.)
§. 194. Zur Abtretung des Lehns an einen Agnaten oder
Mitbelehnten bedarf es keiner Einwilligung des Lehnsherrn.
§. 195. Doch können durch dergleichen Abtretung die Rechte
des Lehnsherrn in keinem Falle geschmälert werden.
§. 196. Der Vasall ist schuldig, eine solche Abtretung dem
Lehnsherrn bekannt zu machen; und begeht, wenn er dieses unterläßt, eine
Felonie der Dritten Classe.
§. 197. Die Befugniß, das Lehn zu veräußern, welche einem
Vasallen, vermöge besondrer Lehnsgesetze, des Lehnsvertrages, oder
Lehnsbriefes, oder einer ausdrücklichen Lehnsherrlichen Einwilligung zukommt,
darf über den eigentlichen Wortverstand der in diesen Urkunden gebrauchten
Ausdrücke nicht ausgedehnt werden.
§. 198. Ist jedoch das Lehn dem Lehnsherrn ursprünglich von
dem Vasallen aufgetragen worden: so finden, bey Ausdeutung des im Lehnsvertrage
oder Lehnbriefe gemachten Vorbehalts der Veräußerung, die allgemeinen
Auslegungsregeln, wie bey andern Willenserklärungen, Anwendung.
§. 199. Im zweifelhaften Falle muß, bey aufgetragenen
Lehnen, der Lehnsvertrag oder Lehnbrief, auch in Ansehung des darin gemachten
Vorbehalts wegen der Befugniß das Lehn zu veräußern, eher zum Vorteile des
Vasallen, als des Lehnsherrn, erklärt werden.
§. 200. Hat der Lehnsherr die Erlaubniß zur Veräußerung in
allgemeinen Ausdrücken und ohne Einschränkung ertheilt: so ist allemal auch das
Recht, aber das Lehn auf den Todesfall zu verfügen, mit darunter begriffen.
§. 201. Hingegen begreift die gesetzliche Erlaubniß, ein
Lehn zu veräußern, die Befugniß, darüber auf den Todesfall zu verfügen noch
nicht in sich.
§. 202. Der Consens des Lehnsherrn muß, wenn er verbindliche
Kraft haben soll, ausdrücklich und schriftlich ertheilt werden.
§. 203. Doch enthält die von dem Lehnsherrn, in dieser
Eigenschaft, oder bey seinem Lehnhofe ertheilte Bestätigung eines Vertrages,
zugleich die Einwilligung in die darin vorbedungenen(!) Veräußerungen.
§. 204. Eine nachher hinzukommende schriftliche Genehmigung
des Lehnsherrn hat mit einer von Anfang an ertheilten Einwilligung gleiche
Kraft.
§. 205. Die Einwilligung des Lehnsherrn in die Veräußerung
des Lehns enthält noch keinen Consens m die Verschuldung desselben.
§. 206. Ueberhaupt verliert durch dergleichen Einwilligung
der Lehnsherr nichts, weder an den auf dem Lehne selbst haftenden Rechten, noch
an den ihm dafür zu leistenden Pflichten.
§. 207. Die Veräußerung muß also, in der Regel, nur an einen
solchen Besitzer geschehen, welcher zur Leistung der dem Lehnsherrn schuldigen
Pflichten fähig ist.
§. 208. War die Einwilligung ausdrücklich auf einen
benannten Erwerber gerichtet: so kann der Lehnsherr diesen nachher unter dem
Vorwande der Unfähigkeit nicht verwerfen.
§. 209. In so fern dem Lehnsherrn, nach dem Lehnsvertrage,
oder besondern Gesetzen, ein Vorkaufsrecht zukommt, ist der in die Veräußerung
überhaupt ertheilte Consens noch nicht für eine Begebung dieses Rechts zu
achten.
5) Von Afterbelehnungen.
§. 210. Der Vasall kann, auch ohne Bewilligung des
Lehnsherrn, sein nutzbares Eigenthum einem Andern zu Lehn geben.
§. 211. Doch ist er schuldig, die vorgenommene
Afterbelehnung dem Oberlehnsherrn sogleich nach deren Vollziehung anzuzeigen;
und begeht, wenn er dies unterläßt, eine Felonie der dritten Classe.
§. 212. Hat der Oberlehnsherr in die Afterbelehnung nicht
gewilligt: so wird dadurch in dem bisherigen Verhältnisse zwischen ihm, und
seinem unmittelbaren Vasallen, nichts geändert.
§. 213. Der Lehnsherr ist also die Dienste, welche ihm von
dem Lehne geleistet werden müssen, von dergleichen ohne seinen Consens
bestellten Aftervasallen anzunehmen, nicht verbunden.
§. 214. Vielmehr ist der Aftervasall nur dem Obervasallen,
als seinem unmittelbaren Lehnsherrn, mit Diensten und Pflichten verhaftet.
§. 215. Doch kann er die dem Afterlehnsherrn schuldigen
Dienste, nach dessen Anweisung, auch dem Oberlehnsherrn, wenn dieser sie von
ihm annehmen will, zu leisten sich nicht entbrechen.
§. 216. Der Obervasall, welcher eine Afterbelehnung ohne
Consens des Oberlehnsherrn ertheilt hat, muß alle Beeinträchtigungen der
Oberiehnsherrlichen Rechte, welche von Seiten des Untervasallen geschehen,
gleich seinen eignen verantworten.
§. 217. Hat also der Aftervasall eine Felonie gegen den
Oberlehnsherrn begangen, welche denselben zur Einziehung des Lehns an sich
berechtigt: so findet diese Einziehung auch zum Nachtheile des Obervasallen und
seiner Leibeslehnserben auf so lange statt, als noch der Aftervasall, oder
Leibeslehnserben von demselben vorhanden sind.
§. 218. Doch kann der Obervasall die Fehler des
Untervasallen gegen den Oberlehnsherrn, so lange noch Zeit dazu übrig ist,
verbessern, und dadurch die ihm nachtheiligen Folgen der Felonie abwenden.
§. 219. Hat sich der Obervasall, durch eine begangne Felonie
gegen den Oberlehnsherrn, des Lehns verlustig gemacht: so verliert auch der
Aftervasall sein Recht.
§. 220. Eben das findet statt, wenn auch auf andere Art das
Lehn von dem Obervasallen an den Oberlehnsherrn sich erledigt.
§. 221. Hat hingegen der Oberlehnsherr in die Afterbelehnung
gewilligt; oder ist das Lehn von der Art, daß es von je her als Afterlehn
verliehen und besessen worden: so bestimmt im erstern Falle der von dem Ober-
und Aftervasallen geschlossene, von dem Oberlehnsherrn genehmigte Vertrag; so
wie im letztern der bey der ersten Afterbelehnung ertheilte Lehnbrief, das
Verhältniß zwischen dem Oberlehnsherrn und dem Aftervasallen.
§. 222. In beyden Fällen tritt die Strafe einer begangenen
Felonie immer nur den, welcher sich derselben unmittelbar schuldig gemacht hat.
§. 223. Verliert also der Aftervasall durch eine gegen den
Oberlehnsherrn begangene Felonie sein Recht: so fällt desselbe an den
Obervasallen zurück.
§. 224. Hat hingegen der Obervasall sein Recht verwirkt: so
kann dieses dem Aftervasallen zu keinem Nachtheile gereichen.
§. 225. Vielmehr kann, sowohl in diesem, als in jedem andern
Falle, wo das Lehn an den Oberlehnsherrn sich erledigt, der bisherige
Aftervasall von diesem, so lange er das Lehn nicht wieder vergeben hat, die
unmittelbare Belehnung fordern.
§. 226. Wird aber das Lehn von dem Oberlehnsherrn wieder
verliehen: so muß der bisherige Aftervasall die unmittelbare Lehnsherrlichkeit
des neuen Obervasallen anerkennen.
§. 227. Uebrigens wird im zweifelhaften Falle vermuthet, daß
der Obervasall das Lehn unter den nähmlichen Bedingungen und Einschränkungen,
unter welchen er es selbst erlangt hat, dem Vasallen hinwiederum verliehen
habe.
6) Von Verschuldung und Belastung des Lehns.
§. 228. Der Vasall kann die Substanz des Lehns überhaupt
nicht, und die Nutzungen desselben nicht über seine Besitzzeit hinaus,
eigenmächtig mit Schulden beschweren, oder sonst belasten.
§. 229. Nur solche Schulden des Vasallen treffen, zum
Nachtheile des Lehnsherrn, das Lehn oder dessen Früchte, die entweder die
Gesetze für Lehnsschulden ausdrücklich erklären, oder in deren Aufnehmung der
Lehnsherr gewilligt hat.
§. 230. In wie fern das Lehn zur Vermehrung, Verbesserung
oder Wiederherstellung der Substanz; zur Vertheidigung desselben und seiner
Gerechtsame; zur Abfindung der Ehegattin und Töchter des Vasallen; zur
Kriegsrüstung für die Söhne; zur Beerdigung des Vasallen, und Anschaffung der
Trauer für seine Familie; zur Berichtigung des rückständig gebliebenen
Lehnscanons, Dienstlohns, und andrer das Lehn betreffenden Abgaben, auch ohne
die Einwilligung des Lehnsherrn, mit Schulden gültig belastet werden könne:
bleibt, nach Verschiedenheit der Verfassungen, der nähern Bestimmung der
Provinzialgesetze vorbehalten.
§. 231. Nach eben diesen Gesetzen muß auch beurtheilt
werden: in wie fern eine solche Schuld aus dem Lehne schlechterdings, oder nur
in Ermangelung eines zureichenden Allodialvermögens, bezahlt werden müsse.
§. 232. Im Mangel näherer Bestimmungen gilt die Regel: daß
Lehnsschulden, welche bloß die Person und Familie des Vasallen betreffen, oder
zur Tilgung gewisser ihm persönlich obliegender Verbindlichkeiten gemacht sind,
vorzüglich aus seinem Allodialvermögen oder Nachlasse, und nur bey dessen Unzulänglichkeit
aus dem Lehne zu tragen sind.
§. 233. Auch darüber: welche das Lehn schlechterdings
treffende Schulden die Substanz desselben angehn, oder nur aus den Nutzungen
getragen werden müssen, bleiben die nähern Bestimmungen den Provinzialgesetzen
vorbehalten.
§. 234. Wo aber diese nicht ein Anderes ausdrücklich
verordnen, ist überhaupt, anzunehmen, daß die gesetzlichen Lehnschulden nur aus
den Nutzungen des Lehns getragen werden dürfen.
§. 235. Zu allen durch die Gesetze gebilligten Lehnsschulden
kann der Lehnsherr seine ausdrückliche Einwilligung, wenn sie begehrt wird,
nicht versagen.
§. 236. Doch kann er nicht gezwungen werden, in die
Verpfändung der Substanz des Lehns für solche Schulden, die nach gesetzlicher
Bestimmung nur aus den Nutzungen getragen werden sollen, zu willigen.
§. 237. Außer dem Falle gesetzlicher Lehnsschulden, ist der
Lehnsherr nicht verbunden, in Verschuldungen oder andere Belastungen des Lehns
seinen Consens zu ertheilen.
§. 238. Wenn jedoch der Vasall zu den Kosten einer erheblichen
Verbesserung des Lehns, welche die Landesgesetze angeordnet, oder die
Gutsbesitzer dazu aufgefordert haben, ein Darlehn aufzunehmen genöthigt wird:
so kann er gegen den Lehnsherrn, welcher die Einwilligung dazu versagt, auf
rechtliches Gehör und Erkenntniß antragen.
§. 239. Doch kann in einem solchen Falle der Lehnsherr nur
angehalten werden, in die Verpfändung der Früchte des Lehns auf eine gewisse
Zeit zu willigen.
§. 240. Der Richter muß also, nach Beschaffenheit der
Umstände, der Wichtigkeit und Nutzbarkeit der Verbesserung, und dem
Verhältnisse der Kosten gegen die Einkünfte des Lehns, rechtlich bestimmen: auf
wie hoch, und wie lange der Lehnsherr einzuwilligen verbunden sey.
§. 241. Wird der Vasall durch Landesherrliche Befehle zu
Anstalten in dem Lehngute verpflichtet, welche nicht auf die Verbesserung des
Lehns selbst, sondern auf Erhaltung oder Beförderung des gemeinen Wohls
abzielen: so ist der Lehnsherr in ein zu den diesfälligen Kosten aufzunehmendes
Darlehn zu willigen schuldig.
§. 242. Für ein solches Darlehn ist die Substanz des Lehns
verhaftet.
§. 243. Wenn eine Schuld bloß durch die Einwilligung des
Lehnsherrn die Eigenschaft einer Lehnsschuld erlangt hat: so haftet, wenn nicht
ein Andres ausdrücklich erklärt worden, das Lehn nur bey Ermangelung eines
hinreichenden Allodialvermögens.
§. 244. Auch gilt in obgedachtem Falle die Vermuthung, daß
der Lehnsherr nicht in die Verpfändung der Substanz des Lehns, sondern nur der
Früchte desselben gewilligt habe.
§. 245. Gesetzliche Lehnsschulden, welche nur in Ermanglung
des Allodialvermögens aus dem Lehne zu tilgen sind, ändern diese ihre
Eigenschaft dadurch nicht, daß die Lehnsherrliche Einwilligung dazu erhalten
worden.
§. 246. Vielmehr wirkt dieser Consens nur so viel, daß der
Gläubiger dadurch, so wie bey andern consentirten Schulden, von dem Beweise der
Verwendung in das Lehn gegen den Lehnsherrn frey wird.
§. 247. Hat aber der Lehnsherr in eine zur Vermehrung oder
Verbesserung der Substanz des Lehns aufgenommene Schuld ausdrücklich gewilligt:
so kann der Gläubiger sich schlechterdings an das Lehn halten, und darf sich
auf das Allodialvermögen des Schuldners niemals verweisen lassen.
§. 248. Bey Schulden, welche gesetzlich aus der Substanz des
Lehns bezahlt werden müssen, können weder der Gläubiger noch der Schuldner
angehalten werden, einen ausdrücklich auf die Früchte eingeschränkten
Lehnsherrlichen Consens anzunehmen.
§. 249. Eben das findet statt, wenn die Schuld das Lehn
schlechterdings angeht, und der Lehnsherr seinen Consens nur auf den Fall der
Unzulänglichkeit des Allodii einschränken wollte.
§. 250. Zur Uebertragung einmal gültig aufgenommener Lehnsschulden
an einen neuen Gläubiger, bedarf es in keinem Falle der Lehnsherrlichen
Einwilligung.
§. 251. Der Lehnsherrliche Consens darf niemals ausdehnend
erklärt werden.
§. 252. Sind in dem Consens gewisse Termine der Abzahlung
bestimmt, und verlängert der Gläubiger dieselben, oder giebt er dem Schuldner
Nachsicht, ohne besondere Einwilligung des Lehnsherrn: so geschieht es auf
seine Gefahr.
§. 253. Hat aber der Gläubiger die in Rückstand gebliebenen
Termine zur rechten Zeit, das heißt, wenigstens innerhalb Vier Wochen nach dem
Ablaufe des Termins, eingeklagt, und die Execution deshalb gehörig fortgesetzt:
so schadet es ihm nicht, wenn gleich die Bezahlung innerhalb der im Consens
bestimmten Frist nicht hat erhalten werden können.
§. 254. Wenn der Gläubiger unter einem nur auf die Früchte
des Lehns, und nur auf gewisse Jahre gerichteten Lehnsherrlichen Consens, das
Darlehn gegeben hat, ohne gewisse Abzahlungstermine sich zu bedingen; so kann
er, wenn innerhalb dieser Jahre die Schuld nicht getilgt, oder beygetrieben
worden, auch an die Früchte, zum Nachtheile des Lehnsherrn, sich nicht ferner
halten.
§. 255. Auch wenn der Consens auf die Substanz des Lehns,
jedoch nur für gewisse Jahre, gegeben ist, erlöscht die Verbindlichkeit des
Lehnsherrn mit dem Ablaufe dieses Zeitraums.
§. 256. Doch erhält in diesem Falle (§. 255.) der Gläubiger
sein Recht gegen den Lehnsherren, wenn er, noch innerhalb Vier Wochen nach
Ablauf der Frist, die Klage anmeldet, und den Prozeß, so wie die Execution,
gehörig fortsetzt.
§. 257. Eine von den ordentlichen Gerichten des Lehnsherrn
über eine Schuld oder andern Vertrag ertheilte Bestätigung, enthält noch keinen
Lehnsherrlichen Consens, wenn nicht das Gericht zugleich der Lehnhof ist, oder
der Lehnsherr die Confirmation selbst unterschrieben hat.
§. 258. Prozesse des Vasallen, und die darin ergangenen
Entscheidungen oder getroffenen Vergleiche sind, so weit sie zum Nachtheile des
Lehns oder des Lehnsherren gereichen, für letztern unverbindlich, wenn derselbe
dabey nicht zugezogen worden.
§. 259. Alle nachtheilige Folgen des Mangels der
Lehnsherrlichen Einwilligung oder Zuziehung treffen jedoch, bey Lehngütern,
einen Dritten, der mit dem Besitzer in Verhandlungen sich eingelassen hat, nur
alsdann, wenn die Lehnseigenschaft des Grundstücks im Hypothekenbuche vermerkt
ist.
§. 260. Wer aber dem Glauben des Hypothekenbuchs, nach
gehöriger Prüfung der darin eingetragnen oder allegirten Urkunden, redlicher
Weise gefolgt ist, zu dessen Nachtheile kann der Lehnsherr von seinem nicht
eingetragenen Rechte keinen Gebrauch machen.
X. Verhältnisse der Agnaten gegen den Lehnsherrn und
Vasallen.
§. 261. Auch durch die Rechte der Agnaten und Mitbelehnten
wird die Macht des Vasallen, über das Lehn zu verfügen, eingeschränkt.
§. 262. Nur der erste Erwerber kann, mit Genehmigung des
Lehnsherrn, sowohl unter Lebendigen, als von Todeswegen, frey Verfügungen
treffen.
§. 263. Auch den von ihm selbst in die Gesammte Hand
aufgenommenen Verwandten oder Fremden, steht ein Recht des Widerspruchs dagegen
nur in so fern zu, als dasselbe durch den mit ihnen von dem Verleiher des
Lehns, oder von dem ersten Erwerber geschlossenen Lehnsvertrag begründet wird.
§. 264. Haben dieselben ihre Aufnahme zur Gesammtenhand
durch einen lästigen Vertrag gegen Entgelt erhalten: so ist auch der erste
Erwerber, in Ansehung ihrer, eben den Einschränkungen, wie jeder folgende
Lehnsbesitzer unterworfen.
§. 265. Eben das findet statt, wenn das Lehn schon dem
ersten Erwerber ausdrücklich in der Eigenschaft eines alten Lehns verliehen
worden.
1) Von den Descendenten des Vasallen.
§. 266. Die Abkömmlinge eines Vasallen müssen, wenn sie
ihres Vaters Erben geworden sind, die Verfügungen desselben, auch in Ansehung
des Lehns, vertreten.
§. 267. Verfügungen, welche bloß die Nutzungen des Lehns
betreffen, müssen dergleichen Descendenten schlechterdings gelten lassen.
§. 268. Hingegen können sie Verfügungen, wodurch die
Substanz des Lehns vermindert, oder geschmälert worden, zwar zurücknehmen; sie
müssen aber denjenigen, welcher mit ihrem Vater und Erblasser darüber
contrahirt hat, entschädigen.
§. 269. Hat also der Vater das Lehn ganz oder zum Theil
veräußert: so kann zwar der Sohn das Veräußerte von dem dritten Besitzer
zurückfordern;
§. 270. Er muß aber demselben nicht nur den dafür gegebenen
Werth ersetzen; sondern ihm auch für seine übrigen Verwendungen, nach eben den
Grundsätzen, wie der Eigenthümer einem redlichen Besitzer, gerecht werden.
§. 271. Von vorstehenden Verbindlichkeiten (§. 267-270.)
kann der Sohn, welcher einmal seines Vaters Erbe geworden ist, sich durch den
Einwand der Rechtswohlthat des Inventarii nicht befreyen.
§. 272. Dagegen ist aber auch ein solcher Sohn an
Conventionalstrafen, welche der Vater etwa auf den Fall der Zurücknahme solcher
Verfügungen (§. 268.) angelobt hat, in keinem Falle gebunden.
§. 273. Söhne, welche ihres Vaters Erben gar nicht geworden,
sind in der Regel nicht verbunden, die zum Nachtheile ihrer Rechte auf das
Lehn, durch Verminderung oder Schmälerung der Substanz desselben, von dem Vater
getroffenen Verfügungen wider sich gelten zu lassen.
§. 274. Doch ist auch ein solcher Sohn die väterlichen das
Lehn nicht angehenden Schulden, so weit das übrige Vermögen dazu nicht
hinreicht, aus den Lehnseinkünften zu bezahlen verpflichtet; und kann sich
durch Entsagung der Allodial-Erbschaft davon nicht losmachen.
§. 275. Es steht ihm vielmehr bloß frey, sich des Lehns und
der Allodial-Erbschaft zugleich zu begeben.
§. 276. Alsdann müssen die Lehnseinkünfte für Rechnung der
Gläubiger so lange verwaltet werden, bis diese befriedigt sind; oder bis die
von dem Schuldner abstammende lehnsfähige Nachkommenschaft erloschen ist.
§. 277. Es findet also eine Abtretung des Lehns an einen
Agnaten oder Mitbelehnten, oder selbst an den Lehnsherrn, zum Nachtheile der
Gläubiger nicht statt.
§. 278. Auch ein vom Vater enterbter Sohn muß, wenn er zum
Besitze des Lehns gelangt, aus den Einkünften die väterlichen Schulden, so weit
das übrige Vermögen nicht hinreicht, berichtigen.
§. 279. Der Enkel oder weitere Abkömmling aber, welcher
seinem Großvater unmittelbar im Lehne folgt, ist die Schulden des Vaters,
dessen Erbschaft er entsagt hat, aus dem großväterlichen Lehne zu entrichten
nicht verbunden.
§. 280. Testamente, oder andre letztwillige Verordnungen,
wodurch der Vater über das Lehn, zum Nachtheile seiner Leibes-Lehnserben, oder
eines derselben, etwas verfügt, gelten nur gegen diejenigen, welche zugleich
Erben in seinem übrigen Nachlasse geworden sind.
§. 281. Diese können sich auch gegen solche Verfügungen mit
dem Einwände der Rechtswohlthat des Inventarii nicht schützen.
§. 282. Für Leibes-Lehnserben, welche des Vasallen Erben im
übrigen Vermögen nicht geworden, sind seine letztwilligen Verordnungen über das
Lehn unverbindlich.
§. 283. Doch ist ein Vater aus eben den gesetzlichen
Gründen, aus welchen er seinem Sohne den Pflichttheil entziehen kann,
berechtigt, denselben für seine Person von dem Besitze und Genusse des Lehns
auszuschließen, und auf den bloßen aus den Einkünften des Lehns ihm zu
reichenden Unterhalt einzuschränken.
§. 284. Diese Competenz muß, wenn der Sohn mit dem
väterlichen Aussatze sich nicht begnügen will, auf die Hälfte der Einkünfte von
der Portion am Lehne, die ihm sonst zugefallen seyn würde, bestimmt werden.
§. 285. In allen Fällen kann der Vater die Art der Theilung
unter den Söhnen, um Streitigkeiten unter ihnen zu vermeiden, gültig anordnen.
§. 286. Er kann also bestimmen: welcher unter mehrern zum
Naturalbesitze des Lehns mit gleichem Rechte berufenen Söhnen das Lehngut
selbst erhalten, und seine Brüder abfinden solle.
§. 287. Durch Bestimmung von Uebernehmungspreisen oder
Abfindungssummen aber, kann er die Rechte der Leibes-Lehnserben, die nicht
zugleich seine Allodial-Erben geworden sind, nicht schmälern.
2) Von andern Agnaten und Mitbelehnten.
a) Rechte derselben überhaupt.
§. 288. Andre Agnaten und Mitbelehnte, welche des
Lehnsbesitzers Erben nicht geworden, sind keine der von selbigem über das Lehn
getroffenen Verfügungen, wobey sie nicht zugezogen worden, anzuerkennen
verbunden.
§. 289. Auch der Lehnsherr kann durch seine Einwilligung den
Rechten der Agnaten und Mitbelehnten nichts vergeben.
§. 290. Doch können Verfügungen über Grundstücke und
Gerechtigkeiten, welche im Hypothekenbuche eingetragen sind, nur von solchen
Agnaten und Mitbelehnten angefochten werden, welche ihr Recht an dem Lehne zu
der Zeit, da die streitige Verfügung eingetragen wurde, im Hypothekenbuche
bereits hatten vermerken lassen.
§. 291. Agnaten und Mitbelehnte also, deren Recht zu der
Zeit, da die streitige Verfügung über das Lehn im Hypothekenbuche vermerkt
wurde, dem Dritten, welcher die Verhandlung mit dem Lehnsbesitzer vornahm,
daraus nicht bekannt seyn konnte, sind nicht befugt, auch wenn die Lehnsfolge
demnächst auf sie gelangt, von diesem Rechte, zum Nachtheile des Dritten,
Gebrauch zu machen.
§. 292. Doch bleibt ihnen, wegen des an ihrem Rechte dadurch
erleidenden Abbruchs, der Regreß an das übrige Vermögen des Lehnsbesitzers,
welcher die nachtheilige Verfügung getroffen hat, vorbehalten.
§. 293. Söhne, welche noch unter väterlicher Gewalt sind,
bedürfen, zur Erhaltung ihres Rechts gegen den Dritten, keiner Eintragung
desselben.
§. 294. Sobald sie aber aus der väterlichen Gewalt auf eine
oder die andere Weise herausgehn, müssen sie ihr eignes Recht, bey Vermeidung
des §. 291. bestimmten Nachtheils, eintragen lassen.
§. 295. Aber auch solche Agnaten oder Mitbelehnte, welche
ihr Recht gegen den Dritten durch die Eintragung sich erhalten haben, können
die ihnen nachtheilige Verfügung des Lehnsbesitzers erst alsdann anfechten,
wenn die Succession in das Lehn auf sie gelangt ist.
§. 296. Doch steht ihnen frey, auch noch vorher gegen die
Verfügung Protestation einzulegen, und dieselbe dem Dritten, mit welchem der
Lehnsbesitzer die Verhandlung vornimmt, bekannt machen zu lassen.
§. 297. Ist dieses geschehen: so kann der Dritte, bey
hiernächst eintretendem Successionsfalle, gegen den protestirenden Agnaten oder
Mitbelehnten, und dessen Leibes-Lehnserben, auf die Rechte eines redlichen
Besitzers, von der Zeit an, wo die Succession an sie gediehen ist, keinen
Gebrauch machen.
§. 298. Auch steht es dem protestirenden Agnaten oder
Mitbelehnten frey, noch vor erfolgendem Anfalle, auf richterliche Untersuchung
der bey der widersprochenen Verfügung vorgefallenen Thatsachen, besonders auf
Ausmittelung des Zustandes, in welchem das Lehn zur Zeit der Veräußerung sich
befunden hat, damit die Verdunkelung dessen verhütet werde, anzutragen.
§. 299. Alsdann finden die Vorschriften der Prozeßordnung
von Aufnehmung eines Beweises zum ewigen Gedächtnisse Anwendung.
§. 300. Wenn der fremde Besitzer des Lehns Verschlimmerungen
in der Substanz desselben vornimmt: so haben die Agnaten, wenn auch die
Succession noch nicht an sie gediehen ist, wegen der ihm darunter zu setzenden
Schranken, eben das Recht, welches ihnen gegen den Lehnsbesitzer selbst zukommen
würde. (§. 577.)
§. 301. Wider einen Agnaten oder Mitbelehnten, welcher sich
hat eintragen lassen, nimmt die Verjährung der Befugniß zur Anfechtung der ohne
seine Einwilligung über das Lehn getroffenen nachtheiligen Dispositionen, erst
mit dem Tage, da das Lehn sich an ihm erledigt hat, ihren Anfang.
b) insonderheit bey Veräußerungen.
§. 302. Hat also der Lehnsbesitzer das Lehn ganz oder zum
Theil veräußert: so kann ein dabey nicht zugezogener Agnat oder Mitbelehnter
dasselbe binnen Dreyßig Jahren, nach dem auf ihn erfolgten Successionsanfalle,
zurückfordern.
§. 303. Die Rückgabe muß unentgeltlich geschehen; übrigens
aber hat der bisherige Inhaber, außer dem Falle des §. 296. die Rechte eines
redlichen Besitzers.
§. 304. Das Vorkaufs- und Näherrecht, in so fern selbiges
überhaupt statt findet, kann jeder Agnat oder Mitbelehnte, auch wenn er noch
nicht ander Succession steht, innerhalb der gesetzmässigen Frist ausüben.
§. 305. Bey Lehngütern, die schon seit mehr als Einer
Generation in einer Familie sich befinden, wird vermuthet, daß den Agnaten und
Mitbelehnten das Vorkaufs- und Näherrecht zukomme.
§. 306. Was vom Vorkaufs- und Näherrechte überhaupt, und bey
Familiengütern insonderheit verordnet ist, gilt in der Regel auch bey
Lehngütern. (Tit. XX. Sect. HI. Th. H. Tit. IV. Sect. IV.)
§. 307. Die Einwilligung in die Veräußerung überhaupt
enthält, auch bey Agnaten und Mitbelehnten, noch keine Entsagung des Vorkaufs-
und Näher-, wohl aber des Rückforderungsrechts.
§. 308. Agnaten und Mitbelehnte können durch ihre
Einwilligung in Verfügungen des Lehnsbesitzers über das Lehn den Rechten des
Lehnsherrn nichts vergeben.
§. 309. Dagegen verpflichten sie durch diese Einwilligung
ihre Abkömmlinge, in so fern dieselben damals entweder noch gar nicht
vorhanden, oder noch unter väterlicher Gewalt waren; sie mögen in der Folge
ihrer consentirenden Väter Erben geworden seyn, oder nicht.
§. 310. Durch den Consens einiger Agnaten oder Mitbelehnten
werden, weder die Uebrigen, noch selbst die Descendenten der Consentirenden,
welche damals nicht mehr unter väterlicher Gewalt standen, und auch nachher der
Consentirenden Erben nicht geworden sind, verpflichtet,
c) bey Verschuldungen.
§. 311. In vorstehender Art (§. 308. 309. 310.) müssen also
auch Agnaten und Mitbelehnte, so wie deren Leibeslehnserben, die Schulden des
Lehnsbesitzers, in welche sie gewilligt haben, wenn sie zum Besitze des Lehns
gelangen, anerkennen.
§. 312. Auch wegen Mangels der Lehnsherrlichen Einwilligung
können sie sich dieser Verbindlichkeit nicht entziehn.
§. 313. Die Einwilligung der Agnaten und Mitbelehnten in
eine Schuld des Lehnsbesitzers muß schriftlich erklärt werden.
§. 314. Wenn jedoch ein Agnat oder Mitbelehnter das von dem
Lehnsbesitzer ausgestellte Schuldinstrument, ohne weitern Beysatz, mit
unterschreibt: so ist dieses einer ausdrücklichen Einwilligung in die Schuld
gleich zu achten.
§. 315. Wenn ein Agnat oder Mitbelehnter einem von dem
Lehnsherrn oder einem andern Interessenten bereits ausgestellten
Consensinstrumente bloß beytritt: so ist anzunehmen, daß er nur unter den in
diesem Instrumente bestimmten Maaßgaben und Bedingungen eingewilligt habe.
§. 316. Wenn ein Agnat oder Mitbelehnter selbst dem
Lehnsbesitzer ein Capital auf das Lehn dargeliehen hat: so kann von ihm und
seinen Leibeslehnserben der Mangel des Consenses nicht vorgeschützt werden;
wenn auch das Capital nachher an einen andern Inhaber geliehen wäre.
§. 317. Lehnschulden, denen diese Eigenschaft vermöge des
Gesetzes zukommt, bedürfen auch keines Consenses der Agnaten oder Mitbelehnten.
(§. 230. sqq.)
§. 318. In wie fern Agnaten oder Mitbelehnte in die
Verschuldung des Lehns zu willigen verbunden sind, ist in der Regel nach eben
den Grundsätzen, wie bey dem Lehnsherrn, zu beurtheilen. (§. 235-242.)
§. 319. Auch darüber: in wie fern Lehnsschulden die Substanz
des Lehns, oder nur die Früchte desselben angehn; so wie wegen der Ausdeutung
und der Wirkungen einer von Agnaten oder Mitbelehnten ertheilten Einwilligung,
gelten die Vorschriften §. 233. 234. 244. 251-256.
§. 320. Eben so finden bey Beurtheilung der Frage: in wie
fern eine Schuld aus dem Lehne schlechterdings, oder erst bey Ermangelung eines
hinreichenden Allodialvermögens, bezahlt werden müsse? gleiche Grundsätze, wie
bey dem Lehnsherrn, Anwendung. (§. 231. 232. 243. 245. 246.)
§. 321. Hat jedoch ein Agnat oder Mitbelehnter in seinem
Consense dem Gläubiger, bey erfolgendem Successionsanfalle, die Bezahlung aus
dem Lehne ohne Vorbehalt versprochen: so kann er denselben auf den
Allodialnachlaß des Schuldners nicht verweisen.
§. 322. Ihm selbst aber bleibt, wenn sonst die Schuld so
beschaffen ist, daß sie das Lehn nicht hauptsächlich angeht, sein Regreß an
diesen Allodialnachlaß vorbehalten.
§. 323. Uebrigens sollen alle Lehnsschulden, denen ein
dingliches Recht auf Lehngüter beygelegt ist, in das Hypothekenbuch eingetragen
werden.
§. 324. Besonders gilt dieses bey denjenigen Schulden, die
aus dem Lehne, auch ohne besondere Einwilligung des Lehnsherrn und der Agnaten
oder Mitbelehnten, bezahlt werden müssen.
§. 325. Auch in Ansehung dererjenigen, die nicht aus der
Substanz, sondern nur aus den Früchten des Lehns zu bezahlen sind, muß der
Gläubiger für die Eintragung sorgen.
§. 326. Ist die Eintragung nicht geschehen: so stehen
Lehnsschulden, wenn sie gleich, vermöge des Gesetzes, das Lehn oder dessen
Früchte betreffen, oder vermöge eines von dem Lehnsfolger oder dessen Vorfahren
ertheilten Consenses, von demselben anerkannt werden müssen, dennoch allen
gehörig eingetragenen auch spätem Lehnsschulden nach.
§. 327. Verträge und andere Handlungen, wodurch das Lehn
ganz oder zum Theil veräußert wird, sollen ohne die ausdrückliche Einwilligung
des aus dem Hypothekenbuche erhellenden Lehnsherrn nicht eingetragen werden.
§. 328. Auch muß der Richter die Einwilligung der aus dem
Hypothekenbuche bekannten Agnaten zu solchen Veräußerungen vor der Eintragung
erfordern.
§. 329. Eben so muß bey Verpfändungen, wenn deren Eintragung
verlangt wird, der Gläubiger an die Beybringung des Consenses von dem
Lehnsherrn und den eingetragenen Agnaten erinnert werden.
§. 330. Wenn jedoch in den beyden letztern Fällen (§. 328.
329.) der die Eintragung Suchende, ohne den Consens beyzubringen, dennoch auf
der Eintragung besteht, so muß ihm dieselbe, auf seine Gefahr, zwar bewilligt,
der Mangel des Consenses aber in dem Recognitionsscheine ausdrücklich bemerkt
werden.
Von Beytreibung der Lehnsschulden durch Veräußerung der
Substanz.
§. 331. Wegen Lehnsschulden, für welche die Substanz des
Lehns auch ohne die besondere Einwilligung der Interessenten haftet, sind die
Gläubiger auf gerichtlichen Verkauf des Lehns selbst anzutragen wohl befugt.
§. 332. Ein Gleiches findet statt, wenn der Lehnsherr und
sämmtliche Agnaten oder Mitbelehnte in die Verpfändung der Substanz des Lehns
für eine Schuld ausdrücklich gewilligt haben.
§. 333. In allen andern Fällen kann, auch wegen an sich
gültiger Lehnsschulden, nur der Beschlag der Einkünfte des Lehns, die
Sequestration derselben zum Besten der Gläubiger, und ihre gerichtliche
Einweisung in das Lehn stattfinden.
§. 334. Dieses Recht der Gläubiger, sich an die
Lehnseinkünfte zu halten, dauert bey Forderungen, wofür diese Einkünfte auch
ohne besondern Consens der Interessenten haften, bis zu deren vollständigen Tilgung.
§. 335. Bey Schulden aber, deren Lehnseigenschaft bloß auf
der Einwilligung eigner Agnaten oder Mitbelehnten beruhet, dauert es nur so
lange, als der Schuldner, oder die consentirenden Interessenten, oder
Leibes-Lehnserben von beyden, die nach den obigen Grundsätzen ihre Handlungen
anerkennen müssen, im Besitze des Lehns sich befinden.
§. 336. Die Ordnung, in welcher die Gläubiger ihre
Befriedigung aus dem Kaufpreise, oder aus den Einkünften des Lehns verlangen
können, wird nach den Grundsätzen der Concursordnung bestimmt.
§. 337. Ein wegen Lehnsschulden gesetzmässig verkauftes Lehn
(§. 331. 332.) behält in Ansehung des Lehnsherrn die Lehnseigenschaft, und der
neue Erwerber kann darüber, in Rücksicht auf den Lehnsherrn, nur als über ein
Lehn gültig verfügen.
§. 338. Hat aber ein Lehnsherr so viel Consense ertheilt,
daß durch einen Verkauf des Guts mit der Lehnseigenschaft, die an die Substanz
desselben berechtigte Gläubiger nicht befriedigt werden können: so muß er sich
gefallen lassen, daß das Gut als freyes Allodium ausgeboten und verkauft werde.
§. 339. In Ansehung der Agnaten und Mitbelehnten hingegen
wird, in jedem Falle, ein wegen Lehnsschulden gesetzmäßig verkauftes Lehn in
den Händen des Käufers freyes Eigenthum, und kann von ihnen zu keiner Zeit
zurückgefordert werden.
§. 340. Bleibt von dem Kaufgelde, nach Abzug der vermöge §.
331. 332. aus der Substanz des Lehns zu bezahlenden Schulden, noch etwas übrig:
so tritt zwar solches nicht von selbst an die Stelle des verkauften Lehns;
§. 341. Der Lehnsherr aber, und die Agnaten oder die
Mitbelehnten sind befugt, darauf anzutragen, daß dergleichen Ueberschuß
wiederum zu einem Lehngute verwendet, oder als ein Geldlehn belegt werde.
§. 342. Diese Befugniß kommt ihnen auch alsdann zu, wenn sie
einen freywilligen Verkauf des Lehns genehmigt haben; in so fern nicht dabey
ein Anderes verabredet ist.
durch Sequestration der Früchte und Nutzungen.
§. 343. Diejenigen Gläubiger, deren Forderungen nur die
Früchte des Lehns angehen, haben an die Einkünfte des aus dem Verkaufe des
Lehns verbleibenden Ueberschusses eben das Recht, wie vorhin an die Einkünfte
des Lehns selbst.
§. 344. In allen Fällen, wo bloß die Einkünfte des Lehns zum
Besten der Gläubiger in Beschlag oder Sequestration genommen werden, bleiben
dem Lehnsherrn, wegen der aus dem Lehne zu fordern habenden Geld- oder
Natural-Lehnsabgaben, seine Rechte ungeschmälert.
§. 345. Zu den Lehnsdiensten aber bleibt der Vasall selbst
nach wie vor verpflichtet.
§. 346. Doch steht dem Lehnsherrn frey, die Bestellung eines
Lehnsträgers für ihn zu verlangen.
§. 347. Diesen muß er unter den Agnaten oder Mitbelehnten
wählen.
§. 348. Ein solcher Lehnsträger kann, außer seiner
Schadloshaltung, keine besondre Belohnung fordern.
§. 349. Auch bey einer wegen Felonie erfolgenden Erledigung
des Lehns kann der Lehnsherr solchen Gläubigern, für die er eingewilligt hat,
oder deren Forderungen gesetzliche Lehnsschulden sind, die Mittel zu ihrer
Befriedigung nicht entziehen.
Von der Lehnscompetenz.
§. 350. Wenn das Lehn sequestrirt ist: so kann der Vasall
von den Gläubigern die Aussetzung einer Competenz aus den Einkünften fordern.
§. 351. Sind die Schulden, wegen welcher die Sequestration
veranlaßt worden, von dem Besitzer selbst gemacht: so ist sein Competenzgesuch
lediglich nach den allgemeinen in der Prozeßordnung enthaltenen Vorschriften zu
beurtheilen.
§. 352. Auch kann alsdann die Competenzsumme, wider den
Willen des Gläubigers, Ein Viertel der Lehnseinkünfte in der Regel nicht
übersteigen.
§. 353. Wenn jedoch dieses Viertel dem Schuldner auch den
notdürftigsten Unterhalt nicht gewährt: so muß das zu diesem Unterhalte
Fehlende aus den sequestrirten Einkünften zugeschossen werden.
§. 354. Ist die Sequestration wegen Schulden eines
vorhergehenden Besitzers veranlaßt worden: so kann der gegenwärtige Besitzer,
in so fern er sonst, nach den Vorschriften der Prozeßordnung, auf eine
Competenz anzutragen berechtigt ist, standesmäßigen Unterhalt fordern.
§. 355. Doch darf diese Competenz, so weit sie nicht zur
bloßen Nothdurft gehört, Ein Drittel der Lehnseinkünfte nicht übersteigen.
§. 356. Söhne, die ihres Vaters Erben nicht geworden sind,
und gleichwohl nach §. 274. dessen Allodialgläubiger aus den Lehnseinkünften
befriedigen müssen, können von diesen die §. 354. bestimmte Competenz, auch
ohne Rücksicht auf die Beschaffenheit ihres anderweitigen Vermögens, fordern.
§. 357. Gegen die Lehnsgläubiger hingegen sind solche Söhne,
und gegen alle Gläubiger sind Söhne, die des Vaters Erben geworden, in Ansehung
der Competenz lediglich nach den Vorschriften §. 352. 353. zu beurtheilen.
XL Lehnssuccession.
§. 358. Zur Lehnssuccession sind nur diejenigen Personen
berechtigt, auf welche die ursprüngliche Belehnung ausdrücklich erstreckt
worden.
1) Unter den Descendenten des ersten Erwerbers.
§. 359. Die ursprüngliche Belehnung erstreckt sich aber in
der Regel auf alle lehnsfähige Nachkommen des ersten Erwerbers.
a) Successionsfähigkeit überhaupt.
§. 360. Für lehnsfähige Nachkommen werden nur diejenigen
geachtet, welche aus einer gültigen Ehe zur rechten Hand geboren worden.
Von legitimirten und
§. 361. Doch sind diejenigen, welche zwar außer einer
solchen Ehe geboren, aber durch die nachher von ihren Aeltern gültig vollzogene
Ehe zur rechten Hand legitimirt worden, nach gemeinen Lehnsrechten von der
Lehnssuccession nicht ausgeschlossen.
§. 362. Eben das gilt von Kindern, die aus einer an sich
zwar ungleichen, aber durch Landesherrliche Dispensation gültig gewordenen Ehe
geboren sind.
§. 363. Ist die Landesherrliche Dispensation nicht erfolgt:
so können solche Kinder zur Succession in adliche Lehne, ohne Unterschied, ob
dieselben bey dem Landesherrn selbst, oder bey einem Dritten zu Lehn gehn,
niemals gelangen.
§. 364. Durch Landesherrliche Legitimation aber können
unehelich geborne Kinder nur mit ausdrückliche Einwilligung des Lehnsherrn, und
der Agnaten oder Mitbelehnten, zur Lehnsfolge fähig werden.
adoptirten Kindern.
§. 365. Eben das gilt von solchen Personen, die ein
Lehnsbesitzer an Kindesstatt angenommen hat.
§. 366. In beyden Fällen (§. 364. 365.) können dergleichen
Kinder durch den Consens der zwey nächsten Agnaten das Recht erlangen, den
Namen und das Wappen der Familie zu führen.
§. 367. In Ansehung der Succession aber kann ein Agnat oder
Mitbelehnter den übrigen durch seinen Consens nichts vergeben.
§. 368. Wenn also der Fall eintritt, wo ein nicht
consentirender Agnat, oder dessen Nachkommen, zur Succession gelangt seyn
würden, wenn die Successionsordnung durch die Aufnahme solcher Kinder nicht
wäre unterbrochen worden: so muß das Lehn den erstern wirklich eingeräumt
werden; und die letztern, so wie ihre Descendenten, müssen denselben weichen.
§. 369. So lange aber die Succession in den Linien solcher
Agnaten oder Mitbelehnten, welche consentirt haben, stehen bleibt, oder wieder
dahin gelangt, kann solchen legitimirten oder angenommenen Kindern, und ihren
an sich lehnsfähigen Nachkommen, der Besitz des Lehns nicht geweigert werden.
Von Personen, die das Klostergelübde abgelegt haben.
§. 370. Nachkommen des ersten Erwerbers, welche zur Zeit des
erfolgenden Anfalls das Gelübde der Armuth abgeleistet haben, können auf das
Lehn keinen Anspruch machen. (Th. II. Tit. XI. Abschn. XVIII.)
§. 371. Vielmehr fällt das Lehn auf denjenigen, welcher dazu
gelangen würde, wenn die durch das Gelübde gebundene Person den Anfall gar
nicht erlebt
§. 372. Hat jedoch dieser innerhalb eines Jahres und Dreyßig
Tagen, nach geschehener Erledigung des Lehns, die Entbindung von dem Gelübde
auf rechtsgültige Art erhalten: so gelangt sie zur Succession.
§. 373. Eine später erfolgende Entbindung berechtigt den
einmal Ausgeschlossenen nicht, das Lehn von dem welchem es nach dem Grundsatze
des §. 371. angefallen ist, und dessen lehnsfähigen Nachkommen zurückzufordern.
§. 374. Uebrigens aber tritt der Entbundene wiederum in alle
Rechte, welche ihm als Agnaten oder Mitbelehnten, bey künftigen
Successionsfällen, in Beziehung auf den letzten Besitzer zukommen.
Von Wahn- und Blödsinnigen.
§. 375. Wahn- und Blödsinnige werden blos um deswillen von
der auf sie gelangten Lehns-Succession in der Regel nicht ausgeschlossen.
§. 376. Es muß aber einem solchen Nachfolger ein
Lehns-Curator bestellt, und durch diesen für die gehörige Entrichtung der
Lehnspflichten gesorgt werden.
§. 377. Die gewöhnliche Verwaltung des Lehns und der
Einkünfte verbleibt auch alsdenn dem für den Besitzer bestellten Vormunde.
§. 378. Wie weit aber dieser den Lehns-Curator zuziehn
müsse, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. XVIII. §. 1001. 1002.)
§. 379. Andre körperliche Gebrechen schließen von der
Lehns-Succession niemals aus; sondern berechtigen nur den Lehnsherrn, auf
Bestellung eines Lehnsträgers, zur Entrichtung solcher Pflichten zu dringen, zu
deren eignen Erfüllung der Besitzer durch das Gebrechen untüchtig gemacht wird.
Fähigkeit in Ansehung des Geschlechts.
b) Successionsordnung selbst.
§. 380. In der Regel sind nur männliche Nachkommen des
ersten Erwerbers zur Lehnsfolge berechtigt. (§. 422. sqq.)
§. 381. In der Lehns-Succession haben vollbürtige und
Halbbrüder von Vaters Seite in der Regel gleiche Rechte.
§. 382. Enkel und Urenkel treten allemal in die Stelle ihrer
vorher verstorbenen Väter.
§. 383. Ueberhaupt findet in die Lehne, nach gemeinen
Rechten, die Succession nach Linien, und nicht nach Graden statt.
§. 384. Soll es auf die Nähe des Grades der Verwandschaft
mit dem letzten Besitzer ankommen; so muß dieses durch den ursprünglichen
Lehnbrief, durch gültige Familienverträge, oder durch Provinzialgesetze
bestimmt seyn.
§. 385. Wo solchergestalt das Recht der Erstgeburt, des
Seniorats, Majorats oder Minorats festgesetzt worden, finden die Vorschriften,
wie bey ähnlichen Successionen in Familien-Fideicommissen, Anwendung. (Th. II.
Tit. IV. Sect. IV.)
§. 386. Die durch Gesetze oder rechtsgültige
Willenserklärungen einmal bestimmte Successionsordnung kann nur durch förmliche
Familienschlüsse, unter Einwilligung des Lehnsherrn, geändert werden.
§. 387. Nach gemeinen Lehnrechten folgen also dem letzten
Vasallen zuvörderst seine lehnsfähigen Nachkommen nach den Stämmen, ohne
Unterschied des Grades.
§. 388. Hinterläßt der verstorbene Vasall keine lehnsfähige
Nachkommen: so sind diejenigen Agnaten zur Lehnssuccession berechtigt, welche
mit ihm von Einem nächsten gemeinschaftlichen Stammvater herkommen.
§. 389. Diejenigen also, welche von dem Vater des
Verstorbenen abstammen, schließen diejenigen aus, welche nur zur
großväterlichen Linie desselben gehören.
§. 390. Eben so werden diejenigen, welche nur durch den
Aelter-Vater des Verstorbenen zu Einer Linie mit ihm sich ziehn, von
denjenigen, welche von seinem Großvater abstammen, ausgeschlossen.
§. 391. Mehrere Agnaten, die mit dem Verstorbenen Einen
gemeinschaftlichen nächsten Stammvater haben, und also demselben der Linie nach
gleich nahe sind, folgen in das Lehn gemeinschaftlich, und theilen selbiges
unter sich nach den Stämmen oder Linien.
§. 392. Es werden daher so viel Portionen gemacht, als
Linien sind, die sich mit dem letzten Besitzer zu Einem gemeinschaftlichen
nächsten Stammvater ziehn.
§. 393. In den Linien selbst treten die Descendenten, ohne
Unterschied des Grades, aus eignem Rechte, an die Stelle ihrer Väter, wenn
diese vor dem letzten Besitzer gestorben sind.
§. 394. Sie nehmen also, wenn ihrer mehrere sind, von der
Portion der Hauptlinie zusammen so viel, als der, an dessen Stelle sie treten,
erhalten haben würde, wenn er den Tod des letzten Besitzers erlebt hätte.
§. 395. Bey dieser Lineal-Succession macht es keinen
Unterschied: ob das Lehn schon einmal getheilt worden, oder nicht.
§. 396. Wenn also auch eine Linie schon einmal abgefunden
worden: so steht doch dieses ihrem Rechte nicht entgegen, sobald sie nach den
Gesetzen der Lineal-Succession anderweit zum Lehne berufen wird.
§. 397. Hat aber bey Theilungen ein abgefundener Agnat allen
künftigen Anfällen für sich und seine lehnsfähigen Nachkommen ausdrücklich
entsagt: so können auch diese, selbst, wenn sie des Entsagenden Erben oder
Erbes-Erben nicht geworden sind, auf dergleichen fernere Anfälle keinen
Anspruch machen.
c) In wie fern die aufsteigende Linie zur Succession
gelange.
§. 398. Tritt ein Vater das ihm zugefallene Lehn einem von
seinen Söhnen ab: so fällt dieses Lehn, wenn der Sohn oder lehnsfähige
Nachkommen desselben nicht mehr vorhanden sind, an den Vater zurück.
§. 399. Hat aber der Vater das Lehn seinen Söhnen überhaupt
abgetreten: so bleibt er so lange davon ausgeschlossen, als noch Einer seiner
Söhne, oder deren lehnsfähige Nachkommen übrig sind.
§. 400. Dagegen tritt er, nach gänzlichem Abgange seiner
lehnsfähigen Descendenz, wieder in das Lehn, und schließt alle übrigen Agnaten
aus.
§. 401. Diejenigen, welche mit dem ersten Erwerber nur durch
die aufsteigende oder Seiten-Linie verwandt sind, haben in der Regel kein
Successionsrecht in das Lehn.
§. 402. Ist aber das Lehn dem ersten Erwerber ausdrücklich
in der Eigenschaft eines alten Lehns verliehen worden: so gelangen zwar, nach
Abgang seiner lehnsfähigen Nachkommenschaft, auch andre Agnaten desselben zur
Succession;
§. 403. In so fern jedoch nicht ein Anderes ausdrücklich
bestimmt ist, erstreckt sich das Recht zur Lehnsfolge nur auf die vollbürtigen
oder väterlichen Halb-Brüder des ersten Erwerbers, und die von ihnen
abstammenden Agnaten.
§. 404. Auch unter solchen Agnaten findet in der Regel die
Succession nach Stämmen und Linien statt.
§. 405. Die aufsteigende Linie des ersten Erwerbers, und
deren lehnsfähige Nachkommen, haben also in dem Falle des §. 402. auf das Lehn
in der Regel keinen Anspruch.
§. 406. Hat aber der erste Erwerber, zur Zeit der erhaltenen
Belehnung, keine Brüder gehabt; oder ist das Gut, noch ehe es die
Lehnseigenschaft erhielt, schon ein Stamm- oder Familiengut gewesen, so
gelangen in Ermangelung, oder nach dem Abgange der Brüder, und ihrer
lehnsfähigen Nachkommen, auch die Ascendenten des ersten Erwerbers, und deren
lehnsfähige Nachkommen, zur Succession.
§. 407. Auch in Ansehung dieser Agnaten findet die
Linealsuccession statt, dergestalt, daß diejenigen, welche von dem Großvater
des ersten Erwerbers abstammen, die Linie des Aeltervaters, und diese die
weiter hinaufsteigenden Linien ausschließen.
§. 408. Stirbt in dem Falle des §. 402, der erste Erwerber
ohne lehnsfähige Nachkommen zu hinterlassen, und ist alsdann sein Vater noch am
Leben: so gelangt dieser zum Besitze des Lehns, und schließt die Brüder des
Erwerbers aus.
§. 409. Uebrigens wird, bey der ganzen Lehnssuccession, nach
dem Zeitpunkte der erfolgten Erledigung des Lehns bestimmt: wer an der
Succession, und in welchem Maaße ein jeder daran Theil nehme.
§. 410. Doch werden diejenigen, welche innerhalb des
Dreyhundert-Zweyten Tages nach geschehener Erledigung, diesen Tag selbst nicht
mitgerechnet, geboren worden, dafür, daß sie schon zur Zeit des Anfalls
wirklich vorhanden gewesen, angenommen.
2) Succession der Mitbelehnten.
§. 411. Wo zur Erhaltung der Lehnrechte der von dem ersten
Erwerber abstammenden Agnaten, eine Mitbelehnung oder Investitur mit der
Gesammtenhand erforderlich sey, ist in den Provinzialgesetzen bestimmt.
§. 412. Wo diese Gesetze solches nicht ausdrücklich
erfordern, da sind Agnaten und Mitbelehnte die Lehne erst alsdann zu erneuern
verbunden, wenn sie wirklich zur Succession berufen werden.
§. 413. Sind die Mitbelehnten Agnaten des ersten Erwerbers;
und mit der Formul: nach rechter Sippzahl, belehnt: so folgt nach gänzlicher
Erlöschung der lehnsfähigen Descendenz des ersten Erwerbers nur derjenige
Mitbelehnte, welcher dem letzten Vasallen dem Grade nach der nächste ist.
§. 414. Außer diesem Falle hat es, auch in Ansehung der
mitbelehnten Agnaten des ersten Erwerbers, bey den Regeln der Linealsuccession
sein Bewenden.
§. 415. Sind die mitbelehnten Personen aus andern
Geschlechtern: so haben, wenn nichts Besonderes in dem ursprünglichen
Lehnsvertrage oder Lehnsbriefe festgesetzt worden, diejenigen, welche früher
zur Gesammtenhand aufgenommen sind, vor den später aufgenommenen den Vorzug.
§. 416. Sind sämmtliche mitbelehnte Familien zugleich
aufgenommen worden: so wird dennoch im zweifelhaften Falle vermuthet, daß sie
in derjenigen Ordnung, wie sie im Lehnbriefe hinter einander aufgeführt sind,
auf einander folgen.
§. 417. Erhellet aber aus der Fassung des Lehnbriefes, daß
die Ordnung, in welcher sie darin hinter einander genannt sind, ihre
Folgeordnung in in der Succession nicht bestimmen solle: so gelangen sie, nach
Abgang der lehnsfähigen Nachkommen des ersten Erwerbers, zu gleicher Zeit zur
Lehnsfolge.
§. 418. In den mitbelehnten Familien selbst geschieht die
Succession nach Linien, in Beziehung auf den ersten Erwerber.
§. 419. Ist in der absteigenden Linie des ersten Erwerbers
die Primogenitur, oder eine andere besondere Successionsart, entweder gleich
bey Bestellung des Lehns, oder doch in der Folge, vor der Aufnahme anderer
Familien in die Mitbelehnschaft, eingeführt gewesen: so wird vermuthet, daß eben
diese Successionsart auch in den mitbelehnten Familien stattfindet.
§. 420. Mitbelehnte schließen in der Regel alle weibliche
Lehnsfolger aus.
§. 421. Zur Erhaltung des Successionsrechts ist die
Eintragung desselben in das Hypothekenbuch sowie bey Mitbelehnten, als bey
Agnaten, zwar ratsam (§. 290. sqq.), aber nicht nothwendig.
3) Succession in Weiberlehne.
§. 422. Ist ein Lehn zu Weiberlehn verliehen, so wird, in
Ermangelung andrer durch den Inhalt des ersten Lehnbriefs, oder durch besondere
Gesetze des Lehnhofs vorgeschriebener Bestimmungen, angenommen, daß diejenigen,
welche von dem ersten Erwerber nur durch Weiber abstammen, erst nach gänzlichem
Abgang seiner männlichen Nachkommen zur Succession gelangen.
§. 423. Ein Gleiches findet selbst alsdann statt, wenn der
erste Erwerber des Lehns eine Frauensperson gewesen ist.
§. 424. In diesem Falle gilt aber die Vermuthung, daß das
Lehn ein Weiberlehn sey; so lange das Gegentheil aus den Lehnbriefen und
Lehnsurkunden nicht erhellet.
§. 425. Hat bey Weiberlehnen der letzte männliche Nachkomme
des ersten Erwerbers Söhne von Töchtern oder Enkelinnen hinterlassen: so
succediren diese nach den Linien, und schließen alle Descendenten weiblichen
Geschlechts, selbst ihre Mütter und Großmütter, aus.
§. 426. Hat er keine Söhne von Töchtern oder Enkelinnen
hinterlassen: so verbleiben seine Töchter des ersten Grades zwar auf Lebenslang
im Besitze und Genusse des väterlichen Lehns;
§. 427. Sterben sie aber, ohne männliche Nachkommen zu
hinterlassen, so fällt das Lehn an die alsdann vorhandnen von dem Ersten
Erwerber durch Weiber abstammenden männlichen Descendenten.
§. 428. Sind deren mehrere, so theilen sie sich in das Lehn
nach den Hauptlinien, die sich auf den ersten Erwerber beziehn; und in den
Antheil einer jeden Hauptlinie theilen sich hinwiederum die auf einen
gemeinschaftlichen Stammvater sich beziehenden Unterlinien; überall nach den
Regeln der Linealsuccession,
§. 429. Personen weiblichen Geschlechts, die nur durch
Weiber von dem ersten Erwerber abstammen, gelangen also nicht eher zur
Succession, als bis auch keine männliche Descendenten durch Weiber von dem
ersten Erwerber mehr vorhanden sind.
§. 430. Wenn übrigens, auch bey getheilten Lehnen, weibliche
Descendenten des ersten Erwerbers in der einen Linie, durch männliche
Nachkommen desselben in einer andern Linie einmal ausgeschlossen worden: so
bleiben dieselben ausgeschlossen; selbst, wenn in dieser andern Linie die
männlichen Descendenten durch Männer abgehn; und das ganze Lehn bleibt bey den
in dieser Linie durch Weiber von dem ersten Erwerber abstammenden Nachkommen.
§. 431. In allen Fällen, wo solchergestalt das Lehn, oder
ein Theil davon, auf eine Person aus der weiblichen Descendenz des letzten
Vasallen, oder des ersten Erwerbes gediehen ist, schließt in der Folge deren
männliche Descendenz die weibliche wiederum aus.
§. 432. Es wird also eine solche Person, durch welche das
Lehn auf ein neues Geschlecht gebracht worden, in Ansehung der Succession, als
ein neuer Erwerber betrachtet, und das Lehn verfällt auf ihre Descendenz eben
so, wie selbiges von dem ursprünglichen Erwerber bis auf sie verfallen ist.
von der
§. 433. Wenn jedoch eine Frau, durch welche das Lehn auf
ihre männliche Descendenz gebracht worden, mehrere Söhne hinterlassen hat, und
einer derselben ohne Leibes-Lehnserben verstirbt: so succendiren seine
vollbürtigen und Halbbrüder Mutter Seite mit gleichem Rechte; und mit
Ausschließung der Halbbrüder von Vaters Seite.
§. 434. Ist die Descendenz derjenigen Frauensperson, durch
welche das Lehn auf ein andres Geschlecht gediehen war, gänzlich ausgegangen:
so fällt das Lehn an die übrigen von dem ersten Erwerber durch Weiber
herstammenden Descendenten.
§. 435. Auch unter diesen findet die Linealsuccession mit
Anwendung der Grundsätze §. 422. bis 429. statt.
§. 436. So wie nach dieser das Lehn, oder ein Theil
desselben, auf ein neues Geschlecht gelangt, werden in Ansehung dieses neuen
Geschlechts die Vorschriften des §. 431. 432. 433. wiederum beobachtet.
4) Succession
bey Erblehnen.
§. 437. Ist bey einem Lehne die Successionsordnung der
gemeinen Rechte vorgeschrieben: so wird solches ein Erblehn genannt.
§. 438. Im zweifelhaften Falle finden, auch bey einem
Erblehne, die Vorschriften der gemeinen Rechte nur in Ansehung der Art zu
succediren, nicht aber in Ansehung der successionsfähigen Personen statt.
§. 439. Es schließen also auch in solchen Lehnen, bey
übrigens gleichem Rechte zur Succession, männliche Verwandten die weiblichen
aus.
§. 440. Auch bey Erblehnen hat der Vasall, in Ansehung der
Befugniß letztwillig darüber zu verordnen, keine mehrern Rechte, als der
Besitzer eines eigentlichen Mannlehnes.
§. 441. Abweichungen von vorstehenden Regeln, und nähere
Bestimmungen derselben bleiben sowohl bey eigentlichen, als bey uneigentlichen
Lehnen, den Provinzialgesetzen vorbehalten.
§. 442. Uebrigens deutet die Belehnung eines Vasallen für
sich, seine Leibes- und Lehnserben, noch kein Erblehn an.
§. 443. Ist aber die Belehnung unter dem Ausdrucke:
"für sich und seine rechten Erben, sie seyen genannt wie sie wollen"
oder "zu rechtem Erbe oder Erbgute" geschehen, so ist ein solches
Lehn für ein Erblehn zu achten.
5) Von
Anwartschaften.
§. 444. Die bloße Anwartschaft auf ein Lehn bewirkt nur ein
persönliches Recht gegen denjenigen, welcher dieselbe verliehen hat.
§. 445. Die zugleich ertheilte Eventualbelehnung aber
enthält die Einräumung eines dinglichen Rechts auf das Lehn, für den Fall, wenn
selbiges an den Lehnsherrn eröffnet wird.
§. 446. Gehörte das Obereigenthum zum freyen Vermögen des
Verleihenden: so haben die von ihm ertheilten Anwartschaften und
Eventualbelehnungen, auch in Ansehung seiner Nachfolger, alle Wirkungen
gültiger Verträge.
§. 447. Besaß hingegen der Verleihende das Obereigenthum nur
als Lehn oder Fideicommiß: so sind dessen Nachfolger die von ihm ertheilten
Anwartschaften und Eventualbelehnungen nur in eben dem Maaße anzuerkennen
verbunden, als sie überhaupt Verfügungen desselben über das Lehn oder
Fideicommiß gelten zu lassen schuldig sind.
§. 448. Ist auch von einem solchen Obereigenthümer auf ein
Lehn, welches als Lehn ausgethan zu werden bestimmt ist, die Eventualbelehnung
jemanden wegen seiner Verdienste um den Staat ertheilt worden: so müssen die
Nachfolger des Verleihenden dieselbe in allen Fällen anerkennen.
§. 449. Ein Gleiches gilt, wenn ein Privatlehnsherr auf ein
solches Lehn jemanden, wegen besondrer um die Lehnsherrliche Familie sich
erworbener Verdienste, die Anwartschaft oder Eventualbelehnung ertheilt hat.
§. 450. Bey Lehnen, welche ursprünglich von dem ersten
Vasallen dem ersten Lehnsherrn aufgetragen worden, muß jeder Nachfolger im
Obereigenthume Anwartschaften, welche sein Vorfahr auf das Ansuchen eines
Vasallen ertheilt hat, gelten lassen.
§. 451. Hat der Repräsentant einer mit dem Obereigenthume
versehenen moralischen Person die Eventualbelehnung über ein Lehn, welches als
Lehn ausgethan zu werden pflegt, unter Beystimmung der Corporation, bey welcher
das Obereigenthum beruhet, jemanden verliehen: sokann ein nachfolgender
Repräsentant dieselbe nicht aufheben.
§. 452. Ueberhaupt gelten alle Anwartschaften und
Eventualbelehnungen desjenigen, welcher das Lehn zuerst ausgethan hat.
§. 453. Auch der mit Eventualbelehnung versehene Anwärter
steht allen Mitbelehnten, und bey Weiberlehnen, der weiblichen Descendenz des
ersten Erwerbers nach.
§. 454. Das Recht der Anwartschaft erstreckt sich in der
Regel auf die Lehnsfähigen Nachkommen des Anwärters.
§. 455. Uebrigens aber bestimmt der Anwartebrief die Rechte
seines Inhabers.
§. 456. Dem Lehnsbesitzer muß von jeder ertheilten
Anwartschaft und Eventualbelehnung, zur Beobachtung seiner Nothdurft, durch den
Lehnsherrn, oder dessen Lehnhof, Nachricht gegeben werden.
§. 457. Doch ist, wenn dieses unterlassen worden, die
Unterlassung den Rechten des Anwärters unschädlich.
§. 458. Unter mehrern Anwärtern hat derjenige den Vorzug,
welcher zugleich eine Eventualbelehnung für sich hat.
§. 459. Sind sie sämmtlich mit Eventualbelehnung versehen;
so geht der ältere dem jüngeren vor.
§. 460. Sind sie alle nur mit persönlichen Anwartschaften
versehen, so bestimmt die Zeit der Ertheilung derselben den Vorzug.
§. 461. Hat der jüngere die wirkliche Belehnung vor einem
ältern erhalten: so ist die Sache unter ihnen nach den Vorschriften des Zehnten
Titels §. 18-25. zu beurtheilen.
§. 462. Eine bloß allgemeine Anwartschaft auf ein künftig
vacant werdendes Lehn giebt dem Inhaber gar kein Recht auf irgend ein
bestimmtes Lehn.
§. 463. Ist aber jemand mit einer Anwartschaft auf das
zunächst erledigte Lehn versehen; so hat dieselbe mit einer besondern auf ein
bestimmtes Lehn ertheilten Anwartschaft gleiche Kraft.
§. 464. Ein solcher Anwärter kann also, so lange er noch
nicht wirklich versorgt ist, bey jeder entstehenden Vacanz sich melden.
§. 465. Concurrirt er dabey mit andern, die eine besondre
Anwartschaft auf dieses Lehn haben, so muß das Vorrecht unter ihnen nach der
Vorschrift §. 458-461. bestimmt werden.
§. 466. Anwartschaften und Eventualbelehnungen verstehen
sich in der Regel nur auf den Fall, wenn das Lehn für immer an den Lehnsherrn
erledigt wird.
§. 467. Fällt aber das Lehn, wegen Felonie oder sonst, nur
auf eine Zeitlang an den Lehnsherrn zurück, dergestalt, daß dieser selbiges,
unter gewissen Umständen, an die Nachkommen oder Mitbelehnten des ersten
Erwerbers wiederum würde herausgeben müssen: so hat der Anwärter für diese
Zwischenzeit nur in so fern ein Recht auf das Lehn, als ihm dergleichen in dem
Anwartebriefe wirklich beygelegt worden.
§. 468. Ist eine Eventualbelehnung auf eignes Ansuchen, oder
mit ausdrücklicher Einwilligung des Lehnsbesitzers ertheilt worden: so hat ein
solcher Belehnter, außer was die Successionsordnung betrifft, gleiche Rechte
mit andern Lehnsagnaten und Gesammthändern.
§. 469. Außer diesem Falle aber kommt dem Eventualbelehnten
so wenig, als überhaupt dem Anwärter, ein wirkliches gegenwärtiges Recht auf
das Lehn zu.
§. 470. Seine Zuziehung ist also bey Veräusserungen und
Verpfändungen des Lehnes nicht nothwendig.
§. 471. Vielmehr muß er das Lehn in dem Zustande übernehmen,
in welchem sich dasselbe zur Zeit der Erledigung an den Lehnsherrn befindet.
§. 472. Selbst wenn das Lehn dem Anwärter indem Zustande
versprochen worden, in welchem es sich zur Zeit der ertheilten Anwartschaft,
oder Eventualbelehnung befunden hat, kann dennoch derselbe von diesem
Versprechen gegen einen Dritten, der in der Zwischenzeit an sich gültige Rechte
auf das Lehn, oder auf Pertinenzstücke desselben erworben hat, keinen Gebrauch
machen.
§. 473. Dagegen sind die Rechte des Anwärters gegen den
Verleihenden, und dessen Erben, nach der Beschaffenheit des Vertrages, welcher
bey der Anwartschaft zum Grunde liegt, zu beurtheilen.
§. 474. War dieses ein blos wohlthätiger Vertrag: so ist die
Sache zwischen ihnen nach den Regeln von Schenkungen zu beurtheilen.
§. 475. Es kann also der Anwärter, selbst wenn er die
Eventualbelehnung erhalten hat, von dem verleihenden oder dessen Erben keine
Gewährsleistung fordern.
§. 476. Lag aber bey der Anwartschaft ein lästiger Vertrag
zum Grunde: so ist der Anwärter, wenn er bey eintretendem Falle gar nicht zur
Succession gelangen kann, von dem Verleihenden, und dessen Erben,
Schadloshaltung zu fordern berechtigt.
§. 477. Hingegen kann auch ein solcher Anwärter, wegen des
Zustandes, in welchem das Lehn sich an den Lehnsherrn erledigt, nur in dem
Falle des §. 472. auf Entschädigung gegen den Verleihenden und dessen Erben
antragen.
XII. Theilung des Lehns.
§. 478. Mehrere nach vorstehenden Grundsätzen gleich
berechtigte Lehnsfolger gelangen in der Regel zum gemeinschaftlichen Besitze
und Genusse des Lehns.
§. 479. Können oder wollen dieselben m dieser Gemeinschaft
nicht bleiben, und besteht das Lehn aus mehrem Stücken, die an sich als
besondre Sachen, ohne daß sie aufhören dieselbe Sache zu seyn, besonders
besessen werden können: so muß die Theilung, der Regel nach, so viel als
möglich in Natur erfolgen.
§. 480. Mehrere zu einem Lehne gehörige Güter oder
Capitalien müssen also, der Regel nach, in Natur getheilt werden.
§. 481. Außerdem finden Naturaltheilungen bey lehnbaren
Grundstücken nur unter Genehmigung des Landesherrn statt.
§. 482. Dieser ist berechtigt, dahin zu sehen, daß Güter und
Grundstücke nicht in all zu kleine Theile, zum Schaden des gemeinen Wesens,
zertrennt werden.
§. 483. Nähere Bestimmungen hierüber bleiben den
Provinzialgesetzen vorbehalten.
§. 484. Kann das Lehn gar nicht getheilt werden; oder sind
die Interessenten darüber einig, daß nur Einer von ihnen das Ganze behalten,
und die übrigen abfinden solle: so hat derjenige den Vorzug, welcher den
übrigen die vortheilhafteste Abfindung gewährt.
§. 485. Kann nach dieser Vorschrift keine Vereinigung
getroffen werden: so muß das Loos entscheiden.
§. 486. Jede Lehnstheilung, sie geschehe in Natur, oder
durch Abfindung, setzt eine Vereinigung unter den Interessenten über den Werth
des Lehns, oder in deren Ermangelung eine aufgenommene Taxe voraus.
§. 487. In Fällen, wo eine Naturaltheilung unter den
Interessenten erfolgt, muß der Werth des Ganzen, und also auch der einzelnen
Theile, nach den bey Abschätzungen überhaupt in der Provinz geltenden Grundsätzen
bestimmt werden.
§. 488. In Fällen, wo einer der Interessenten das Ganze,
gegen Abfindung der übrigen, freywillig übernimmt, hängt die Bestimmung des
Uebernehmungspreises lediglich von dem Einverständnisse der Parteyen, und
allenfalls von einer unter ihnen anzustellenden Licitation ab.
§. 489. In Fällen aber, wo einer der Theilnehmer, entweder
vermöge der bey diesem Lehne eingeführten Successions-Ordnung, oder nach dem
Ausfalle des Looses, das Ganze übernehmen muß, wird der Werth nach der
vorhandenen Lehnstaxe bestimmt.
§. 490. Ist keine Lehnstaxe vorhanden: so wird der Werth
nach den bey der Lehnscurie üblichen Taxationsgrundsätzen angeschlagen.
§. 491. Sind auch keine dergleichen durch Obseryanz
bestätigte Taxationsgrundsätze vorhanden: so ist zwar der Werth nach der bey
Güterabschätzungen in der Provinz überhaupt geltenden Taxordnung zu bestimmen.
§. 492. Doch müssen dabey, unter mehrern, bey einer Rubrik,
für die Provinz oder den Kreis vorgeschriebenen Ertragssätzen und Preisen, zum
Vortheile des Uebernehmers allemal die niedrigsten angenommen werden.
§. 493. Wenn nicht ein Anderes verabredet ist: so muß die
Portion der Abgefundenen im Lehne stehen bleiben, und diese müssen sich mit den
Zinsen davon begnügen.
§. 494. Geschieht die Uebernehmung freywillig: so gehört die
Bestimmung des Zinssatzes zu dem Abkommen unter den Interessenten.
§. 495. Muß aber einer von ihnen das Lehn übernehmen; und es
findet auch über den Zinssatz kein gütliches Einverständniß statt: so ist
derjenige Satz anzunehmen, nach welchem, bey Festsetzung des
Uebernehmungspreises selbst, der Ertrag zu Capital angeschlagen worden.
§. 496. In die Abfindungen, welche im Lehne stehen bleiben,
wird nach eben den Regeln, wie in das Lehn selbst, succedirt.
§. 497. Zur Succession in diese Abfindungen ist jedoch weder
eine besondre Belehnung, noch eine Erneuerung der Lehne, auch in Fällen, wo sie
sonst in Ansehung des Lehns selbst erfordert wird, nothwendig.
§. 498. So weit aber außer den auf das Lehn selbst
eingetragenen Agnaten, oder Mitbelehnten, noch andre, welche auf die Abfindung
ein besonderes Successionsrecht haben, vorhanden sind, finden, wegen der
Verbindlichkeit der letztern, sich eintragen zu lassen, die Vorschriften §.
290. sqq. Anwendung.
§. 499. Sind den Abgefundenen ihre Portionen baar
herausgezahlt worden: so hat das Gezahlte, im Mangel besondrer Verabredungen,
nicht die Lehnseigenschaft; sondern wird das freye Eigenthum der Empfänger.
§. 500. Wegen der auch solchen Abgefundenen auf das Lehn
selbst verbleibenden Agnations- und Mitbelehnschafts-Rechte, hat es bey den
Vorschriften §. 396. 397. sein Bewenden.
§. 501. Hat der abfindende Lehnsbesitzer zu solchem Behufe
Schulden auf das Lehn gemacht: so müssen die Abgefundenen und deren
Descendenten, wenn sie in der Folge zur Succession im Lehne selbst gelangen,
diese Schulden anerkennen; auch wenn sie darein nicht ausdrücklich gewilligt
haben.
§. 502. Ist unter den Theilenden verabredet, daß die den
Abgefundenen herauszuzahlenden Geldportionen wiederum zu Lehn angelegt werden
sollen: so haben dergleichen Posten, unter den theilenden Linien, die
Eigenschaft eines Fideicommisses.
§. 503. Der Lehnsherr aber kann darauf nur in so fern
Anspruch machen, als ihm dieselben zu Lehn ausdrücklich aufgetragen; und die zu
andern Linien gehörigen Agnaten nur in so fern, als sie in die Mitbelehnschaft
dazu aufgenommen worden.
§. 504. Hat jedoch der Lehnsherr in die zum Behuf der
Abfindung auf das Lehn gemachten und zur Zeit des Anfalls noch ungetilgten
Schulden gewilligt: so fallen ihm, nach Abgang der theilenden Linien, die
anderweit zu Lehn angelegten Abfindungen anheim.
§. 505. Eben das gilt von Agnaten oder Mitbelehnten andrer
Linien, welche in die Verschuldung des Lehns, zum Behuf der Abfindung gewilligt
haben.
XIII. Auseinandersetzung zwischen Lehnsfolgern und
Allodialerben.
1) Ueberhaupt.
§. 506. Die Succession in das Lehn geht mit dem Augenblicke,
wo der bisherige Besitzer verstirbt, auf den Nachfolger über.
§. 507. Diesem müssen die Erben des letzten Besitzers das
Lehn so ausantworten, wie dasselbe von dem ersten Erwerber auf ihren Erblasser
gediehen ist.
§. 508. In der Regel gelten bey der Auseinandersetzung
zwischen dem Lehnsfolger, und den Erben des letzten Besitzers, eben die bey
Auseinandersetzungen zwischen dem Nießbraucher und Eigenthümer vorgeschriebnen
Grundsätze. (Tit. XXI. Sect. I.)
§. 509. Ausnahmen davon müssen entweder durch ausdrückliche
Gesetze, oder durch das Verhältniß des Lehnsfolgers, welcher nur ein nutzbares,
durch die Rechte des Lehnsherrn und der Agnaten eingeschränktes Eigenthum
überkommt, bestimmt seyn.
2) Wegen der
Nutzungen.
§. 510. Wegen der Nutzungen des letzten Jahres gelten
durchgehends die bey dem Nießbrauche ertheilten Vorschriften.
3) Wegen des Inventarii.
§. 511. Wegen des zum Lehne gehörigen beweglichen Beylasses
muß das Lehnsinventarium zum Grunde gelegt werden.
§. 512. Sind in einer Rubrik dieses Inventarii mehrere
Stücke derselben Art, als der Lehnsfolger zu fordern hat, vorhanden: so sind
die nächsten nach der besten zum Lehnsinventario zu rechnen.
§. 513. Sind überhaupt mehrere Stücke vorhanden, als das
Lehnsinventarium besagt: so gehören dieselben den Allodialerben; in so fern sie
nicht von dem Erblasser, oder einem der vorhergehenden Besitzer dem Lehnsinventario
ausdrücklich zugeschlagen worden.
§. 514. Erfolgt die Auseinandersetzung zwischen dem
Lehnsherrn und den Erben des letzten Vasallen: so finden auch, wegen eines
gegen das ursprüngliche Lehns-Inventarium vorhandenen Ueberschusses, die
Vorschriften §. 27-30. Anwendung.
§. 515. Ist kein Lehnsinventarium vorhanden, und es erhellet
auch nicht, daß bey der ersten Bestellung des Lehns dergleichen mit übergeben
worden: so kann der Lehnsfolger kein Inventarium fordern.
§. 516. Erhellet zwar so viel, daß bey dem Lehne
ursprünglich ein Inventarium vorhanden gewesen; es kann aber nicht ausgemittelt
werden, was dazu gehört habe: so muß der Lehnsfolger mit den zum nothdürftigen
Gebrauche und zur nothdürftigen Bewirtschaftung erforderlichen Stücken sich
begnügen.
§. 517. Es gilt also, im Mangel eines schriftlichen
Lehnsinventarii, von allen vorhandenen zur Bewirthschaftung des Gutes nicht
notwendigen Beylaßstücken, im zweifelhaften Falle die Vermuthung, daß sie zum
Allodio gehören.
§. 518. Fehlt etwas an den Beylaßstücken, welche die
Allodialerben dem Lehnsfolger gewähren sollen: so muß dasselbe aus dem übrigen
Nachlasse ergänzt werden.
§. 519. Die Ergänzung ist auf Stücke von mittlerer Güte, wie
sie gewöhnlich bey dergleichen Hauptsachen angetroffen werden, zu richten.
§. 520. Kann der Ersatz des Fehlenden aus dem
Allodialnachlasse nicht beygetrieben werden: so ist der Lehnsfolger schuldig,
dem Lehnsherrn, und den beyden nächsten Agnaten oder Mitbelehnten davon Anzeige
zu machen.
§. 521. Mit deren Zuziehung muß gerichtlich festgesetzt
werden, binnen welcher Zeit der neue Lehnsbesitzer das Inventarium aus den
Nutzungen zu ergänzen schuldig, oder dazu ein aus diesen Nutzungen terminlich
zurück zu zahlendes Darlehn aufzunehmen berechtigt sey.
§. 522. Dem Lehnsfolger kann in dergleichen Fällen niemals
angemuthet werden, mehr als den Zehnten Theil der Lehnseinkünfte zur Ergänzung
des Inventarii, oder Abstoßung eines dazu aufgenommenen Darlehnes, jährlich zu
verwenden.
§. 523. Ist aber diese jährliche Summe einmal bestimmt
worden: so muß es dabey, auch wenn in ein oder andrem Jahre ein Ausfall an den
Nutzungen sich ereignet, sein Bewenden haben.
§. 524. Hat der Lehnsfolger die gerichtliche Regulirung nach
vorstehenden Anweisungen (§. 521. 522. 523.) binnen Jahresfrist nach beendigtem
Concurs über den Nachlaß des vorigen Besitzers, nachzusuchen verabsäumt: so
können hiernächst dessen Erben gegen die Gewähr des vollständigen Inventarii
an den weitem Lehnsfolger, sich mit dem Einwände, daß ihr
Erblasser dasselbe von seinem Vorfahren nicht vollständig erhalten habe,
keinesweges schützen.
§. 525. Haben in dem letzten Jahre, vor dem Ableben des
vorigen Besitzers, solche Unglücksfälle am Inventario sich ereignet, welche
denselben zur Aufnehmung einer gesetzlichen Lehnsschuld berechtigt hätten; und
hat derselbe von dieser Befugniß noch keinen Gebrauch gemacht: so sind die
Allodialerben dem Lehnsfolger wegen eines solchen Mangels am Inventario nicht
verantwortlich.
§. 526. Vielmehr finden in diesem Falle die Vorschriften §.
520-524. Anwendung.
4) Wegen der Meliorationen.
§. 527. Hat der Besitzer das Lehn durch Anschaffung
unbeweglicher Pertinenzstücke verbessert, und seine Absicht, dieselben dem
Lehne für beständig einverleiben zu wollen, ausdrücklich erklärt: so können die
Erben keine Vergütung fordern.
§. 528. Doch muß dergleichen Erklärung, wenn das Lehn in
Grundstücken besteht, auf den Antrag des Erwerbenden im Hypothekenbuche
vermerkt seyn; und ist, wenn die Eintragung ermangelt, für die Erben
unverbindlich.
§. 529. Ist aber das neu erworbene Pertinenzstück so
beschaffen, daß es nicht als eine für sich bestehende Sache, sondern nur mit
einem andern Gute zugleich benutzt werden kann: so bedarf es, zu dessen
Einverleibung, weder einer ausdrücklichen Erklärung noch Eintragung.
§. 530. Ist die Erwerbung unentgeltlich geschehen. so können
die Allodialerben von dem Lehnsfolger keine Vergütung fordern; wenn der
Erblasser ihnen dieselbe nicht ausdrücklich und schriftlich vorbehalten hat.
§. 531. Auch darf, wenn ein solcher Vorbehalt wirklich
geschehen ist, der Lehnsfolger dennoch nur den wahren nach einer Taxe zu
bestimmenden Werth vergüten.
§. 532. Zu eben dieser Vergütung ist er gehalten, wenn der
verstorbene Lehnsbesitzer das untrennbare Pertinenzstück (§. 529.) durch einen
lästigen Vertrag gegen Entgelt erworben hat.
§. 533. In beyden Fällen muß nur auf den gemeinen
landüblichen Werth, nicht aber auf den außerordentlichen, welchen das
Pertinenzstück wegen seeiner Verbindung mit dem Hauptgute gewähret, Rücksicht
genommen werden.
§. 534. Ist auf vorstehende Art keine Einverleibung erfolgt,
so steht es in der Wahl des Lehnsfolgers, ob er dergleichen Pertinenzstücke bey
dem Lehne behalten, oder den Erben die Zurücknahme desselben gestatten.
§. 535. Will der Lehnsfolger das Pertinenzstück bey dem
Lehne behalten, und kann er sich mit den Erben über den Preis nicht vereinigen:
so muß die Uebernehmung nach einer gerichtlichen Taxe erfolgen.
§. 536. Doch muß auch alsdann das Pertinenzstück nur als
eine für sich bestehende Sache, und nicht nach seiner Verbindung mit dem
Hauptgute, abgeschätzt werden.
§. 537. Eine solche gerichtliche Taxe ist allemal
nothwendig, wenn der neue Lehnsbesitzer zugleich an der Allodialerbschaft des
vorigen Theil nimmt.
§. 538. Ist solchergestalt ein dergleichen Pertinenzstück
einmal zum Lehne geschlagen worden: so wird es auch in der Folge dabey, und
jeder nachherige Lehnssuccessor muß dasselbe mit dem Lehne zugleich, gegen die
bestimmte Vergütung an die Erben seines Vorfahren übernehmen.
§. 539. Dies dauert so lange, bis das Pertinenzstück auf die
§. 527. 528. beschriebene Art dem Lehne völlig einverleibt worden.
§. 540. Was der Erblasser für wieder herbeygebrachte
Lehnspertinenzien bezahlt hat, muß seinen Erben allemal erstattet werden; wenn
der verstorbene Vasall, und der Lehnsfolger, von demjenigen, der die
Veräußerung vorgenommen hatte, gemeinschaftlich abstammen.
§. 541. Ist ein ehemals gültig veräußertes Pertinenzstück
wieder herbeygebracht worden: so findet, wegen einer deshalb den Allodialerben
zukommenden Vergütung, eben das statt, was wegen neu erworbener Pertinenzstücke
verordnet ist.
§. 542. Bey Auseinandersetzungen mit dem Lehnsherrn bleibt
es auch wegen der zugeschlagenen Pertinenzstücke bey den Vorschriften §. 27-30.
§. 543. Andere Verbesserungen des Lehns darf der Lehnsfolger
den Erben des vorigen Besitzers in der Regel nicht vergüten.
§. 544. Haben jedoch, zur Vergütung der von dem Vasallen
unternommenen Meliorationen, die damaligen zwey nächsten Agnaten oder
Mitbelehnten sich verpflichtet: so können die Allodialerben diese Vergütung
fordern; wenn gleich andere als die Consentirenden, oder deren Descendenten,
zur Succession wirklich gelangen.
§. 545. Was für Agnaten oder Mitbelehnte dabey zuzuziehen
sind, ist nach den wegen Verschuldung der Fideicommisse vorgeschriebenen
Grundsätzen zu bestimmen. (Th. II. Tit. IV. Sect. III.)
§. 546. Soll die Vergütungsverbindlichkeit auch dem
Lehnsherrn, bey entstehendem Erledingungsfalle, obliegen: so muß auch dieser
zugezogen werden.
§. 547. Auch müssen die Interessenten über gewisse Termine
sich einigen, in welchen, nach Verhältniß des von dem jedesmaligen Besitzer aus
der Verbesserung zu ziehenden Vortheils, die Vergütungsverbindlichkeit
abnehmen, und endlich ganz erlöschen solle.
§. 548. Die Regulirung der Sache muß, wenn daraus die §.
544. bestimmte Verbindlichkeit für alle Lehnsfolger entstehen soll, gerichtlich
geschehen.
§. 549. Können die Interessenten sich über diese
Bestimmungen in Güte nicht vereinigen: so müssen dieselben durch richterliches
Erkenntniß festgesetzt werden.
§. 550. Dabey finden eben die Grundsätze statt, welche für
den Fall, wenn der Vasall zur Bestreitung der Kosten einer durch Landesgesetze
angeordneten Verbesserung ein Darlehn aufnehmen will, §. 238. 239. 240.
vorgeschrieben worden.
§. 551. Die Agnaten oder Mitbelehnte, welche solchergestalt
in eine vorzunehmende Verbesserung willigen, sind berechtigt, darauf
anzutragen, daß ihnen bey deren Ausführung eine Mitaufsicht zugestanden, oder
nach Vollendung derselben, Ausweis darüber ertheilt werde.
§. 552. Hat der Lehnsbesitzer diese Vorschriften (§.
544-551.) nicht beobachtet: so sind nur diejenigen Agnaten und Mitbelehnte,
welche sich zur künftigen Vergütung verpflichtet haben, für sich und ihre
Leibes-Lehnserben dazu verbunden.
§. 553. Ist in einem solchen Falle die Vergütung der
Verbesserungskosten nur überhaupt, und ohne weitere hinlängliche Bestimmung
versprochen worden: so finden, wegen Ausmittelung der zu vergütenden Summe,
eben die Grundsätze statt, die in dem Falle vorgeschrieben sind, wenn der
redliche Besitzer Verbesserungskosten von dem Eigenthümer fordert. (Tit. VII.
§. 204. sqq.)
5) Wegen der Verschlimmerungen.
§. 554. Hat der letzte Besitzer das Lehn durch Veräußerung
unbeweglicher Pertinenzstücke verschlimmert: so hat es bey der dem Lehnsfolger
zustehenden Befugniß, dieselben von dem dritten Besitzer zurückzufordern, sein
Bewenden; und der Allodialnachlaß bleibt letzterem zu seiner Schadloshaltung
verhaftet.
§. 555. Ist der dritte Besitzer wegen seiner Entschädigung
an den Lehnsfolger, als einen Nachkommen des Veräußerers, sich zu halten
berechtigt (§. 268-271.), so tritt dieser bey dem Allodialnachlasse als
Gläubiger an seine Stelle.
§. 556. Hat der verstorbene Lehnsbesitzer die Gebäude, durch
Vernachläßigung der wirthschaftlich zu machenden Reparaturen, in Verfall
gerathen lassen, so müssen die Ausbesserungskosten, nach dem Anschlage der
Sachverständigen, aus dem Allodialnachlasse getragen werden.
§. 557. Sind die Gebäude, deren Unterhaltung dem
jedesmaligen Lehnsbesitzer obliegt, im Lehnsinventario verzeichnet: so
erstreckt sich die im §. 556. bestimmte Verbindlichkeit der Allodialerben auf
alle diese Gebäude, und auf die Wiederherstellung derselben in einen solchen
Stand, wie sie nach diesem Inventario beschaffen seyn sollen.
§. 558. Sind aber die Gebäude im Inventario nicht
verzeichnet: so dürfen die Allodialerben nur die Wiederherstellung solcher
Gebäude übernehmen, die zur ordentlichen Wohnung des Besitzers bestimmt, und
zum gehörigen Betriebe der Gutswirthschaft erforderlich sind.
§. 559. Auch dürfen in diesem Falle die
Wiederherstellungskosten nur so angeschlagen werden, wie es der wirtschaftliche
Bedarf eines solchen Guts erfordert.
§. 560. Wegen der durch Unglücksfälle oder Alter, ohne
grobes oder mäßiges Versehen des letzten Besitzers, ruinirten Gebäude, sind die
Erben dem Lehnsfolger zu keiner Vergütung gehalten.
§. 561. Hat aber der Erblasser dergleichen nothwendige Wohn-
oder Wirtschaftsgebäude länger als Ein Jahr liegen lassen, ohne zu deren
Wiederherstellung die nöthigen Anstalten zu treffen: so müssen die Erben dem
Lehnsfolger einen verhältnißmäßigen Beytrag dazu leisten.
§. 562, Um diesen Beytrag, wenn ein gütliches Einverständniß
darüber nicht statt findet, näher zu bestimmen, muß der ganze Betrag der
Wiederherstellungskosten ausgemittelt, und sodann nach den unten §. 585. sqq.
folgenden Regeln beurtheilt werden: wie viel der Erblasser, wenn er nach Ablauf
Eines Jahres ein so hohes Darlehn zur Wiederherstellung aufgenommen und verwendet
hätte, darauf, während der nachherigen Zeit seines Besitzes, aus den
Lehnseinkünften hätte zurückzahlen müssen.
§. 563. Außer dem, was vorstehend wegen der Pertinenzstücke
und Gebäude verordnet ist, kann den Allodialerben für andere aus
vernachläßigter Cultur, oder sonstiger unwirthschaftlicher Benutzung, angeblich
entstandenen Verringerungen kein Ersatz abgefordert werden.
§. 564. Wenn jedoch die Waldungen, gegen die Regeln der
Forstwirtschaft, durch übertriebene Holzverkäufe dergestalt verwüstet worden,
daß daraus eine Verminderung auf geraume Zeit, und wenigstens Zwanzig Jahre
hinaus, an dem Ertrage des Lehns entstanden ist: so muß der Allodialnachlaß
dafür Schadloshaltung leisten.
§. 565. Diese Schadloshaltung besteht darin, daß nach der
Wahl des Lehnsfolgers, entweder der Werth des von dem Verstorbenen
unwirthschaftlich verkauften Holzes, nach der Abschätzung der Sachverständigen,
oder der Betrag des von ihm für dergleichen unwirthschaftlichen Verkauf
gezognen Geldes, dem Lehne aus dem Allodialnachlasse vergütet werden muß.
§. 566. Dies Vergütungscapital muß dem Lehne zugeschlagen,
und als ein Geldlehn belegt werden.
§. 567. Dergleichen Geldlehn verfällt auf alle Agnaten und
Mitbelehnten, nach eben der Ordnung, wie dieselben zur Succession in dem
Hauptlehne gelangen.
§. 568. In Ansehung des Lehnsherrn aber, erlangt ein solches
dem Lehne zugeschlagenes Capital die Lehnseigenschaft nur unter den §. 30.
bestimmten Umständen.
§. 569. Wenn außerdem das Hauptlehn an den Lehnsherrn sich
erledigt: so verbleibt das zugeschlagene Capital dem Allodialnachlasse des
letzten Besitzers aus der zum Lehne berechtigt gewesenen Familie.
§. 570. Doch kann der Lehnsherr, wenn zur Zeit der
Erledigung die durch die Holzverwüstung an der Substanz des Lehns entstandne
Deterioration noch nicht wieder hergestellt ist, den Ersatz des Fehlenden aus
dem Allodialnachlasse fordern.
§. 571. Was von Waldungen verordnet ist, gilt auch bey
andern Rubriken, durch deren Verwüstung der Ertrag des Lehns eine solche
dauernde Verminderung erlitten hat.
§. 572. Ein Gleiches findet statt, wenn wegen
vernachläßigter Unterhaltung der Dämme, und andrer Wasserbaue, eine
fortwährende Deterioration durch Ueberschwemmungen oder Versandungen entstanden
ist.
§. 573. Von dem in beyden Fällen (§. 571. 572.) nach der
Abschätzung der Sachverständigen, auszumittelnden Entschädigungs-Capitale, muß
der Werth des Grundes und Bodens, so wie desjenigen, was nach der Deterioration
etwa an die Stelle der verwüsteten Rubrik getreten ist, abgezogen werden.
§. 574. Ueberhaupt muß bey allen solchen Abschätzungen von
Lehnsverringerungen niemals auf den höchsten, sondern immer nur auf einen
gewöhnlichen Mittelwerth Rücksicht genommen werden.
§. 575. In allen Fällen, wo der Allodialerbe für eine durch
die Schuld des Erblassers entstandene Lehnsverringerung haften muß, kann er die
von dem Erblasser gemachten und noch vorhandenen Meliorationen, wenn er auch
sonst dafür nach obigen Grundsätzen (§. 543. sqq.) keine Vergütung fordern
könnte, auf den zu ersetzenden Betrag compensiren.
§. 576. Hat der Lehnsfolger über die Meliorations- und
Deteriorations-Ansprüche, unter Zuziehung des Lehnsherrn und des alsdann an der
Succession stehenden Agnaten, sich mit dem Landerben verglichen: so müssen alle
nachherige Lehnsbesitzer diesen Vergleich anerkennen.
§. 577. Uebrigens hat, wenn ein Lehnsbesitzer durch
unwirtschaftliche Benutzung das Lehn verringert, wegen der ihm darunter zu
setzenden Schranken, der jedesmalige nächste Lehnsfolger eben die Rechte, wie
der Eigenthümer gegen den Nießbraucher. (Tit. XXI. Sect. I.)
§. 578. Steht der nächste Lehnsfolger noch unter der
väterlichen Gewalt des wirklichen Besitzers: so kommt diese Befugniß dem
nächsten nach ihm zu.
§. 579. Unter mehrern gleich nahen Lehnsfolgern kann jeder
auch für sich allein, und ohne Beytritt der übrigen, sich dieses Rechts
bedienen.
6) Wegen der Schulden.
§. 580. Bey Absonderung der Schulden, welche nur den
Allodialnachlaß des letzten Besitzers angehn, von denjenigen, welche aus dem
Lehne entweder hauptsächlich, oder bey unzureichendem Allodialvermögen, bezahlt
werden müssen, finden die Vorschriften §. 228. sqq. und §. 311. sqq. Anwendung.
§. 581. So weit der verstorbene Lehnsbesitzer das Lehn von
den Schulden zu befreyen verbunden war, so weit kann, wenn er seine
Verbindlichkeit nicht erfüllt hat, der Lehnsfolger, welcher diese Schulden
gegen die Gläubiger übernehmen und vertreten muß, aus dem Allodialnachlasse
Vergütung fordern.
§. 582. Wenn also zu Bezahlung einer Lehnsschuld Termine
regulirt waren: so ist die Allodialmasse den Lehnsfolger, in so weit als
derselbe Termine aus der Besitzzeit des Erblassers übernehmen muß, dafür
schadlos zu halten verbunden.
§. 583. Von Schulden, welche die Substanz des Lehns angehn,
und zu deren Rückzahlung keine Termine bestimmt sind, ist ein Lehnsbesitzer das
Lehn zu befreyen in der Regel nicht verpflichtet.
§. 584. Es kann also seinen Allodialerben bloß deswegen,
weil er solche Schulden nicht bezahlt hat, keine Vergütung abgefordert werden.
§. 585. Dagegen hat jeder Lehnsbesitzer die Pflicht, solche
Lehnsschulden, die nur die Einkünfte des Lehns betreffen, wenn gleich zu deren
Abstoßung keine Termine ausdrücklich festgesetzt sind, aus den Nutzungen des
Lehns nach und nach, so weit es möglich ist, zu berichtigen, und das Lehn davon
zu befreyen.
§. 586. Dazu ist er, wenn keine anderweitige Bestimmungen
vorhanden sind, den Vierten Theil der reinen Einkünfte des Lehns anzuwenden
verbunden.
§. 587. So weit also die Allodialerben nicht nachweisen
können, daß der Erblasser dieser seiner Verbindlichkeit nachgekommen sey; so
weit müssen sie dem Lehnsfolger, der diese unbezahlt gebliebenen Schulden gegen
die Gläubiger übernehmen, und aus den Einkünften vertreten muß, Vergütung
leisten.
§. 588. Wenn bestimmt werden soll: wie viel das Quantum
betrage, welches der verstorbene Lennsbesitzer, nach diesen Grundsätzen, zur
Abstoßung von Lehnsschulden anwenden sollen: so muß der Ertrag des Lehns
während seiner Besitzzeit aus den Rechnungen, und wenn diese nicht vorhanden
sind, nach den erhobenen Pachtgeldern, oder nach einem wirthschaftlichen
Ertragsanschlage, ausgemittelt werden.
§. 589. Von diesem Ertrage müssen nicht nur alle Wirthschaftsausgaben,
öffentliche, gemeine und Lehnslasten, sondern auch die Zinsen der die Substanz
des Lehns treffenden Capitalien, abgezogen werden.
§. 590. Erst von dem, was nach allen diesen Abzügen dem
Lehnsbesitzer, als reiner Ertrag, zu seiner freyen Disposition übrig geblieben
ist, macht der Vierte Theil dasjenige Quantum aus, was er zu Schuldenabzahlung
hätte verwenden sollen.
§. 591. Auf dieses Quantum müssen, zu seinem und seiner
Allodialerben Gunsten, diejenigen Zahlungen, die er auf solche Schulden, wozu
Termine bestimmt sind, wirklich geleistet hat, oder welche die Allodialmasse
auf den Grund des §. 582. dem Lehnsfolger schon vergüten muß, angerechnet
werden.
§. 592. Hat ein Lehnsbesitzer mehrere Schulden bezahlt, als
er nach vorstehenden Grundsätzen zu bezahlen verbunden war: so können dennoch
seine Allodialerben deshalb keine Vergütung von dem Lehnsfolger fordern.
§. 593. Ausgenommen sind die Fälle, wenn der Erblasser von
Lehnsschulden, zu deren Bezahlung aus den Einkünften Termine regulirt waren,
solche Termine, die in die Besitzzeit des Nachfolgers treffen, zum voraus
bezahlt hat;
§. 594. Ferner, wenn er Schulden, welche die Substanz
angehn, bezahlt, und dabey ausdrücklich und schriftlich erklärt hat, daß er
seinen Erben den Ersatz aus dem Lehne vorbehalte;
§. 595. Ferner, wenn er solche die Substanz angehende im
Hypothekenbuche eingetragene Schulden bezahlt hat, ohne die Löschung derselben
nachzusuchen, oder doch seinen Willen, daß er die Löschung suchen wolle,
deutlich zu äußern.
§. 596. Hat der Erblasser eine Schuld bezahlt, die nur
vermöge der Einwilligung der Agnaten und Mitbelehnten das Lehn anging,
ungeachtet weder er selbst, noch seine Vorfahren, in diese Schuld gewilligt
hatten: so können seine Erben Ersatz dafür von demjenigen Lehnsfolger fordern,
für welchen diese Schuld aus seiner eignen oder seiner Vorältern Einwilligung
verbindlich war.
§. 597. In allen diesen Fällen (§. 593-596.) treten die
Erben an die Stelle und in die Rechte des von ihrem Erblasser bezahlten
Gläubigers.
§. 598. Doch können sie nur das von dem Erblasser bezahlte
Capital, nebst dem von seinem Ableben an ferner fortlaufenden Zinsen, niemals
aber diejenigen Zinsen, die der Erblasser entrichtet hat, zurückfordern.
§. 599. Wegen alles dessen, was der Lehnsfolger aus dem
Allodialnachlasse zu fordern hat, gebührt demselben ein in der Concursordnung
näher bestimmtes Vorrecht.
§. 600. Dagegen haben die Allodialerben, wegen der
Forderungen an das Lehn, kein Zurückbehaltungsrecht.
§. 601. Es steht ihnen aber frey, ihre Ansprüche so lange,
bis dieselben näher erörtert, und wegen deren Abfindung rechtlich verfügt
worden, im Hypothekenbuche vermerken zu lassen; oder bis zu deren Berichtigung
auf gerichtliche Verwaltung des Lehns anzutragen.
XIV. Veränderung und Einschränkung der Lehnseigenschaft.
§. 602. Die Lehnseigenschaft eines Dinges kann, mit
Einwilligung sämmtlicher Interessenten, von einer Sache auf die andere
übertragen werden.
§. 603. Was in die Stelle des ersten Lehns tritt, erhält in
Ansehung der Rechte der Interessenten, eben die Eigenschaft, welche das vorige
gehabt hat.
§. 604. Soll aber die neue Sache die Lehnseigenschaft auch
in Ansehung jedes andern erhalten: so muß diese Eigenschaft, wenn es ein
unbewegliches Gut ist, im Hypothekenbuche eingetragen werden.
Von Lehnsstämmen.
§. 605. Die Interessenten bey einem Lehne können, mit
gemeinschaftlicher Bewilligung, die Lehnseigenschaft desselben auf einen
gewissen Theil einschränken.
§. 606. Doch gilt von dergleichen Einschränkungen eben das,
was von Verfügungen über das Lehn überhaupt verordnet ist. (§. 262. sqq.)
§. 607. Ist unter den Interessenten in einem schon
vorhandenen Lehne ein Lehnstamm festgesetzt worden: so wird dadurch die
Lehnseigenschaft des ganzen Gutes im zweifelhaften Falle nicht verändert.
§. 608. Vielmehr erhält dadurch der Besitzer nur die
Befugniß, das Lehn auf den, den festgesetzten Lehnstamm übersteigenden Theil
seines Werths, auch ohne Einwilligung der Agnaten oder Mitbelehnten, gültig zu
verschulden.
§. 609. Hat er von dieser Befugniß bey seiner Lebenszeit
keinen Gebrauch gemacht: so haben seine Allodialerben auf diesen Ueberschuß des
Lehnswerths keinen Anspruch.
§. 610. Ist aber bey Festsetzung des Lehnsstammes
ausdrücklich verabredet worden, daß nur das bestimmte Quantum Lehn seyn solle:
so erlangt das Gut selbst, in Ansehung der contrahirenden Interessenten, die
Eigenschaft eines freyen Eigenthums, und der Lehnsstamm selbst ist als ein
Geldlehn zu betrachten. (§. 73. sqq.)
§. 611. Ist mit den bey Theilungen, oder sonst, aus einem
Lehne herausgezahlten Geldern ein anderes Gut angeschafft, und das
herausgezahlte Quantum darauf als ein Lehnsstamm eingetragen worden: so behält,
im zweifelhaften Falle, das neue Gut selbst die Eigenschaft eines freyen
Eigenthums. (§. 340-343. 502- 505.)
§. 612. Der darauf versicherte Lehnsstamm hingegen hat die
Eigenschaft eines Geldlehnes.
§. 613. In einen solchen Lehnsstamm wird also in der Regel eben
so succedirt, wie in das Hauptgut, aus welchem er herausgezahlt worden. (§.
502-506.)
XV. Verlust des Lehns durch Felonie.
§. 614. In welchen Fällen der Vasall durch Felonie das
nutzbare Eigenthum des Lehns verwirke, ist oben bestimmt. (§. 153. sqq.)
§. 615. Durch eine Felonie der ersten Classe verwirkt der
Vasall das Lehn für sich und seine lehnsfähigen Nachkommen.
§. 616. Durch eine Felonie der zweyten Classe, selbst wenn
sie an sich mit dem Verluste des Lehnes zu strafen wäre, verwirkt der Vasall
dasselbe nur für seine Person; nicht aber für seine Nachkommen, welche sich des
Vergehens nicht theilhaftig gemacht haben.
§. 617. Vielmehr müssen diesen für die Zwischenzeit, wo der
Lehnsherr das eingezogene Lehn besitzt und genießt, Alimente daraus, in
Ermangelung eines anderweitigen hinlänglichen Vermögens, gereicht werden.
§. 618. Die Agnaten oder Mitbelehnten werden durch eine von
den Vasallen ohne ihre Theilnehmung begangene Felonie, ihres Rechts an das Lehn
in keinem Falle verlustig.
§. 619. Sobald also die Succession an einen Lehnsfolger
gelangt, welcher die Strafe der Felonie des Vasallen nach obigen Grundsätzen
mit zu tragen nicht schuldig ist, muß der Lehnsherr demselben das eingezogene
Lehn zurückgeben.
§. 620. So lange der Lehnsherr das Lehn solchergestalt in
Besitz hat, muß er davon alle gesetzmäßigen, oder mit seiner Einwilligung
darauf gelegten Lasten und Verbindlichkeiten eben so tragen, wie jeder andre
Lehnsbesitzer.
§. 621. Hat der Käufer eines Lehns sich desselben vor völlig
geleisteter Zahlung des Kaufgeldes wieder verlustig gemacht: so muß der
Lehnsherr, bey erfolgender Einziehung, dem Verkäufer den Rückstand berichtigen.
§. 622. Muß demnächst das Lehn nach Vorschrift §. 619. einem
Lehnsfolger zurückgegeben werden: so muß ihm der Lehnsherr dasselbe in dem
Zustande, wie er es von dem vorigen Vasallen überkommen hat, gewähren.
§. 623. Er kann also in der Zwischenzeit nur so weit
Veräußerungen vornehmen, oder sonst das Lehn mit neuen Lasten und
Verbindlichkeiten belegen, als ein andrer Lehnsbesitzer dazu berechtigt ist.
§. 624. Die Einziehung eines Lehns wegen begangener Felonie,
setzt voraus, daß diese von dem Lehnsherrn gerügt, und nach gehörter Sache auf
den Verlust des Lehns erkannt worden.
§. 625. Ist der Vasall verstorben, ehe zur Strafe der
Felonie auf die Einziehung des Lehns, wenigstens in erster Instanz, rechtlich
erkannt war: so findet, auch in dem Falle des §. 615. dergleichen Erkenntniß
zum Nachtheile seiner Leibes-Lehnserben nicht mehr statt.
§. 626. Ist der Lehnsherr verstorben, ehe er die begangene
Felonie gerichtlich gerügt hat: so können seine Nachfolger diese Klage nicht
mehr anstellen.
§. 627. Dagegen macht das Absterben eines bloßen
Repräsentanten des Lehnsherrn in der Befugniß, auf die Einziehung des Lehns
anzutragen, keinen Unterschied.
§. 628. Hat bey der Handlung, wodurch die Felonie begangen
worden, der Lehnsherr das Leben verloren: so ist der Nachfolger die von
selbigem nicht etwa noch erlassene Felonie zu rügen berechtigt.
§. 629. Ist die Felonie ausdrücklich erlassen worden: so
können weder der Lehnsherr, noch dessen Nachfolger dieselbe ferner rügen.
§. 630. Hat der Lehnsherr von der Zeit an, wo er die
begangene Felonie in Erfahrung gebracht hat, ein ganzes Jahr, ohne sie
gerichtlich zu rügen, verstreichen lassen: so ist dieselbe für erlassen zu
achten.
§. 631. Kann aber die Zeit, wo der Lehnsherr von der Felonie
Wissenschaft erhalten hat, nicht ausgemittelt werden: so erlöscht das Recht,
auf die Einziehung des Lehns zu klagen, erst nach Ablauf einer Fünfjährigen
Frist, von Zeit des begangenen Lehnsfehlers.
§. 632. Ist der Lehnsherr eine moralische Person: so kann
der Repräsentant derselben eine gegen den Lehnsherrn begangene Felonie, ohne
Einwilligung dererjenigen, welche er repräsentirt, nicht erlassen.
§. 633. Dagegen findet die Fünfjährige Präscription aus dem
§. 631. auch gegen einen solchen Lehnsherrn statt.
§. 634. Durch den Verlust der Klage auf die Einziehung eines
ohne Consens des Lehnsherrn veräußerten Lehns, geht das Recht des Lehnsherrn,
dasselbe bey eintretendem anderweitigen Erledigungsfalle von dem Dritten
Inhaber zurückzufordern, noch nicht verloren.
§. 635. Was wegen einer von dem Lehnsbesitzer begangenen
Felonie verordnet ist, gilt auch von derjenigen, deren sich ein Agnat oder
Mitbelehnter schuldig gemacht hat.
§. 636. Doch äußert ein gegen denselben auf Verlust seines
Rechts ergangenes Urtel seine Wirkung erst alsdann, wenn der Verbrecher selbst,
und in dem Falle, des §. 615. jemand von seinen Leibes-Lehnserben, nach Ordnung
der Lehnssuccession, zum Besitze des Lehns gelangen würde.
§. 637. Wenn der Vasall, oder der zur Lehnsfolge
Berechtigte, seinem Vorgänger nach dem Leben getrachtet; oder eine Verrätherey
an einem seiner Mitvasallen begangen hat: so wird er, für seine Person, des
Lehns unwürdig.
§. 638. Dieses fällt alsdann demjenigen anheim, welcher zum
Besitze desselben, nach ihm, der nächste ist.
§. 639. Hat aber der Vasall sich des Hochverraths gegen
seinen Landesherrn, der nicht zugleich der Lehnsherr ist, schuldig gemacht: so
fallen die Nutzungen des Lehns, so lange der Verbrecher, oder Leibes-Lehnserben
von ihm vorhanden sind, dem Fiskus anheim.
§. 640. Hat der Lehnsherr durch eine gegen den Vasallen
begangene Felonie (§. 164.) die als freyes Eigenthum besessene
Lehnsherrlichkeit verloren: so wird das Lehn in Beziehung auf ihn frey; und
behält die Lehnseigenschaft nur in Beziehung auf die Agnaten und Mitbelehnten. (§.
654. sqq.)
§. 641. Besaß aber der die Felonie begehende Lehnsherr das
Obereigenthum selbst als Lehn oder Fideicommiß; so ruhen die Lehnsherrlichen
Rechte nur so lange, bis ein anderer Lehns- oder Fideicommißfolger zum Besitze
des Obereigenthums gelangt.
§. 642. Auch die Kinder eines solchen Lehnsherrn dürfen die
von ihrem Vater begangene Felonie nicht verantworten.
XVI. Aufhebung des Lehns
1) durch Entsagung des Vasallen.
§. 643. Wenn der Lehnsvertrag nicht ein Anderes ausdrücklich
besagt, so kann der Vasall sich seines Rechts auf das Lehn auch einseitig
begeben.
§. 644. Die Entsagung des Rechts auf ein durch die
Investitur noch nicht übernommenes Lehn, kann bloß zu Gunsten des nächsten
Lehnsfolgers von Wirkung seyn.
§. 645. Hat aber der Vasall ein Lehn durch die Investitur
schon wirklich übernommen, und entsagt hiernächst derselben, zu Gunsten eines
Andern, als des nächsten Lehnsfolgers: so ist eine solche Handlung lediglich
nach den Grundsätzen von Veräußerung der Lehne zu beurtheilen. (§. 302. sqq.)
§. 646. Durch die Entsagung auf ein angefallenes, oder auch
schon wirklich übernommenes Lehn, sie mag nun ausdrücklich zu Gunsten eines
bestimmten Subjekts, oder auch ohne weitern Beysatz geschehen: seyn, verliert
der Entsagende noch nicht sein Recht auf künftige Anfälle; in so fern er nicht
auch auf diese ausdrücklich Verzicht geleistet hat.
§. 647. Wie weit ein verschuldeter Lehnsbesitzer dem Lehne
zum Nachtheile seiner Allodialgläubiger entsagen könne, ist nach eben den
Grundsätzen zu beurtheilen, welche wegen der Befugniß eines verschuldeten
überhaupt, mit seinem Vermögen zu schalten, in der Concursordnung
vorgeschrieben sind.
§. 648. Nach eben diesen Grundsätzen muß auch die Befugniß
eines Verschuldeten, auf einen an ihn sich erledigenden Lehnsanfall, vor oder
nach eröffnetem Concurse, Verzicht zu thun, bestimmt werden.
§. 649. Fällt das Lehn, dessen sich jemand begeben hat, in
der Folge wieder an den Entsagenden zurück, so muß er selbiges mit allen den
Schulden und Lasten wiederum übernehmen, die er davon zur Zeit der Entsagung zu
entrichten verbunden war.
§. 650. So weit der Zwischenbesitzer dergleichen Schulden
bezahlt hat, ohne die Absicht, den Entsagenden davon befreyen zu wollen,
ausdrücklich erklärt zu haben, können dessen Allodialerben von letzterem, als
nunmehrigem neuen Uebernehmer des Lehns, Vergütung fordern.
2) durch
Entsagung des Lehnsherrn.
§. 651. Auch der Lehnsherr kann seinen Lehnsherrlichen
Rechten in der Regel einseitig entsagen.
§. 652. Die Entsagung des Lehnsherrn wirkt eine gänzliche
Aufhebung der Lehnsverbindlichkeit nur alsdann, wenn der Entsagende selbst die
Lehnsherrlichkeit als ein freyes Eigenthum besessen hat.
§. 653. Soll die Aufhebung der Lehnbarkeit gegen eine dem
bisherigen Lehnsherrn dafür zu leistende Vergütung erfolgen: so kann der
Vasall, sich dieselbe gefallen zu lassen, wider seinen Willen nicht gezwungen
werden.
§. 654. Durch Aufhebung der Lehnsverbindung von Seiten des
Lehnsherrn wird in den Rechten der Agnaten und Mitbelehnten nichts geändert.
§. 655. Wohl aber erlöschen alle von dem Lehnsherrn
ertheilte, und bey der Allodification nicht ausdrücklich ausgenommene
Anwartschaften und Eventualbelehnungen.
§. 656. Das allodificirte Lehn wird also in den Händen des
letzten Besitzers, der Reihe nach dem ursprünglichen Lehnsvertrage zur
Succession berechtigte Verwandten, und keine Mitbelehnte mehr hat, ein völlig
freyes Eigenthum.
3) durch
Verjährung.
§. 657. Durch bloße Unterlassung der Ausübung
Lehnsherrlicher Rechte wird die Lehnseigenschaft einer Sache nicht aufgehoben,
noch ein Lehn in freyes Eigenthum verwandelt.
§. 658. Hat jedoch der Besitzer seinen Willen, die Sache als
freyes Eigenthum zu besitzen, durch öffentliche Handlungen geäußert, und der
Lehnsherr hat bey dieser ihm bekannt gewordenen Aeußerung durch den zur
gewöhnlichen Verjährung wider ihn erforderlichen Zeitraum sich beruhigt: so ist
die Befreyung in der Lehnsverbindlichkeit erworben.
§. 659. Aber auch diese Art der Verjährung findet nicht
statt, so lange das Recht des Lehnsherrn aus dem Hypothekenbuche erhellet.
§. 660. Die gegen den Lehnsherrn vollendete Verjährung steht
den Agnaten und Mitbelehnten desselben, die seine Erben nicht geworden sind,
nicht entgegen.
§. 661. Dagegen kommt sie auch den Agnaten und Mitbelehnten des
verjährenden Vasallen zu statten.
§. 662. Durch eine bloß gegen den Lehnsherrn vollendete
Verjährung, wird in den Rechten zwischen dem Vasallen und seinen Agnaten oder
Mitbelehnten nichts geändert.
§. 663. Durch bloße Verweigerung abgeforderter Lehnsdienste,
in so fern selbige nicht mit einer ausdrücklichen Abläugnung der
Lehnseigenschaft überhaupt verknüpft ist, gelangt der Vasall noch nicht in den
Besitz der Freyheit von der Lehnsverbindlichkeit selbst.
§. 664. Wohl aber kann die Befreyung von solchen
Lehnsdiensten durch dergleichen Verjährung erworben werden.
§. 665. Hat ein Fremder ein in das Hypothekenbuch
eingetragenes Grundstück, oder eine dergleichen Gerechtigkeit, bey welcher aber
die Lehnseigenschaft nicht vermerkt ist, nach gehöriger Prüfung der Urkunden,
auf welche der eingetragene Titel des gegenwärtigen Besitzers sich gründet, aus
einem an sich rechtsgültigen Titel, redlicher Weise, als Allodium an sich
gebracht: so erwirbt er das freye Eigenthum davon, durch die gewöhnliche
Verjährung, gegen alle und jede Lehnsberechtigte, vom Tage der Eintragung
seines Besitztitels.
§. 666. War aber die mit der Lehnseigenschaft belegte Sache
selbst ins Hypothekenbuch nicht eingetragen: so verlieren die Lehnsberechtigten
ihre Rechte gegen den dritten redlichen Erwerber, mittelst der Verjährung durch
Nichtgebrauch, nur von dem Tage an, wo jeder derselben sein Recht gegen den
Besitzer ausüben konnte.
§. 667. So lange hingegen die Lehnseigenschaft der Sache aus
dem Hypothekenbuche erhellet, kann zum Besten des Besitzers eine Verjährung
gegen den Lehnsherrn, und solche Agnaten oder Mitbelehnte, die ihr Recht haben
eintragen lassen, nicht anfangen.
§. 668. Dagegen hat es bey den Lehnen, die als solche in das
Hypothekenbuch eingetragen sind, in Ansehung der Agnaten und Mitbelehnten,
welche die Eintragung ihres Rechts verabsäumt haben, bey den Vorschriften §.
290. 291. sein Bewenden.
§. 669. In wie fern der Lehnsherr das nutzbare Eigenthum
durch Verjährung erwerben könne, ist nach den allgemeinen Vorschriften von der Verjährung
durch Besitz zu beurtheilen.
4) Durch den Abgang aller Lehnsberechtigten.
§. 670. Das Lehn wird erledigt, wenn sämmtliche dazu
bestimmt gewesene Nachfolger mit Tode abgegangen sind.
§. 671. Ein Gleiches geschieht, wenn der letzte
Lehnsbesitzer und Lehnsberechtigte seinem Rechte entsagt, oder das Lehn durch
Felonie verwirkt.
§. 672. Waltet keine besondere Verbindlichkeit ob, nach
welcher der Lehnsherr das erledigte Lehn wiederum anderweit zu verleihen
schuldig ist: so fällt ihm das volle Eigenthum desselben anheim.
§. 673. Ist das erledigte Lehn nur ein Afterlehn gewesen: so
fällt nur das nutzbare Eigenthum an den Afterlehnsherrn zurück.
§. 674 War das Obereigenthum selbst ein Lehn: so erledigt
sich dasselbe, nach gänzlichem Abgange aller zu dessen Besitze berufenen
Lehnsfolger, an den, von welchem dieses Eigenthum verliehen worden.
§. 675. War das Obereigenthum ein Fideicommiß: so geht
dasselbe, nach Erlöschung aller zum Fideicommisse berufenen Interessenten, auf
die Allodialerben des letzten Besitzers über.
§. 676. Eben dieß geschieht in allen Fällen, wo das
Obereigenthum selbst nur die Eigenschaft eines Allodii hat.
5) Durch Consolidation.
§. 677. Dadurch, daß die Rechte des Lehnsherrn und Vasallen,
auf einige Zeit, in der Person eines Repräsentanten des Lehnsherrn, oder des
Beliehenen, vereinigt werden, wird die Lehnseigenschaft der Sache nicht
geändert.
6) Durch den Untergang der Sache.
§. 678. Mit dem völligen Untergange des Lehns wird der
Vasall von allen Lehnspflichten entbunden.
§. 679. Ist nur ein Theil des Lehns untergegangen; oder
etwas Anderes an dessen Stelle getreten: so kann der Vasall auf
verhältnißmäßige Heruntersetzung der von dem Lehne zu leistenden Dienste oder
anderer Prästationen (Tit. XVI. §. 2. sqq.) antragen.
Zweyter Abschnitt Von Erbzinsgütern
Begriffe- und Grundsätze.
§. 680. Wenn jemanden der Besitz und Genuß eines
Grundstücks, gegen eine davon zu entrichtende gleichförmige und beständige
Abgabe verliehen worden: so wird ein solches Grundstück ein Zinsgut genannt.
§. 681. In der Regel gebührt dem Besitzer deß Grundstücks
das volle und nur mit der Abgabe belastet Eigenthum desselben.
§. 682. Wenn erhellet, daß der zinsbare Besitzer nicht
Eigenthümer sey: so wird angenommen, daß dem Empfänger der Abgabe das volle,
jedoch durch das Nutzungsrecht des Besitzers eingeschränkte Eigenthum gebühre.
(Tit. XXI. Sect. IV.)
§. 683. Wenn aber dem Besitzer das nutzbare Eigenthum des
Grundstücks gegen die dafür zu entrichtende Abgabe verliehen, und dem Empfänger
dieser Abgabe das Obereigenthum vorbehalten ist: so wird ein solches Grundstück
ein Erbzinsgut, der nutzbare Eigenthümer Erbzinsmann, und der Obereigenthümer
Erbzinsherr genannt.
§. 684. Ob ein solches getheiltes Eigenthum vorhanden sey,
ist hauptsächlich nach dem Inhalte der Urkunde, auf welche das Recht des
Besitzers sich gründet, zu beurtheilen.
§. 685. Sobald bestimmt ist, daß die Abgabe zum
Anerkenntnisse des Obereigenthums des Empfängers entrichtet werden solle,
sobald ist der Besitzer als Erbzinsmann anzusehn.
§. 686. Wenn erhellet, daß das Grundstück dem ersten
Besitzer, als ein noch nicht in Cultur gesetztes Land, unter der Bedingung,
dasselbe in Cultur zu setzen, und dafür eine gewisse ein für allemal bestimmte
Abgabe zu entrichten, eingeräumt worden: so sind die dunkeln Ausdrücke des
ersten Verleihungsbriefes nach den Regeln vom Erbzinsrechte auszudeuten.
§. 687. Diese Vermuthung für die Erbzinseigenschaft eines
Grundstücks wird verstärkt, wenn die erste Verleihung von einer Kirche,
Commune, oder einer andern moralischen Person geschehen ist.
Was in Erbzins gegeben werden könne.
§. 688. Die Erbzinseigenschaft kann nur bey Grundstücken und
nutzbaren Gerechtigkeiten angenommen werden.
Wer in Erbzins verleihen könne.
§. 689. Neue Verleihungen zu Erbzinsrechte können nur von
demjenigen geschehen, der über das nutzbare Eigenthum der Sache zu verfügen
berechtigt ist.
§. 690. So weit jemand zu Veräußerungen einer höhern
Genehmigung bedarf, so weit ist dieselbe auch zur Bestellung eines
Erbzinsrechts erforderlich.
Form.
§. 691. Der Vertrag über dergleichen neue Verleihungen eines
Erbzinsrechts muß allemal gerichtlich geschlossen werden.
§. 692. Auch wenn in einer letztwilligen Verordnung jemanden
ein Erbzinsrecht beschieden worden, muß derselbe darüber mit den Erben des
Verleihers einen förmlichen Vertrag gerichtlich abschließen.
§. 693. Ist in dergleichen letztwilligen Verordnung der Betrag
des zu entrichtenden Zinses weder in sich selbst, noch beziehungsweise,
hinlänglich bestimmt: so ist die ganze Verfügung unwirksam.
Auf wen die Verleihung des Erbzinsrechts sich erstrecke.
§. 694. Bey eigentlichen Erbzinsgütern wird angenommen, daß
das nutzbare Eigenthum dem Besitze für sich und seine Erben verliehen sey.
§. 695. Soll das Recht des Erbzinsmannes nur auf gewisse
Grade der Verwandschaft, oder auf gewisse Generationen eingeschränkt seyn: so
muß dieses aus dem Verleihungsbriefe deutlich erhellen.
Rechte und Pflichten des Erbzinsmannes. Insonderheit bey
Veräußerungen.
§. 696. Dem Erbzinsmanne gebühren alle Rechte des nutzbaren
Eigenthümers. (§. 5-12.)
§. 697. Er ist berechtigt, das ihm zustehende nutzbare
Eigenthum nach seiner Nothdurft zu belasten, und sowohl unter Lebendigen, als
von Todeswegen, zu veräußern.
§. 698. Zu Veräußerungen unter Lebendigen ist jedoch die
Einwilligung des Erbzinsherrn erforderlicn.
§. 699. Diese Einwilligung muß ausdrücklich und schriftlich
ertheilt werden.
§. 700. Hat jedoch der Erbzinsherr das
Veräußerungsinstrument mit unterschrieben, oder dasselbe als Gerichtsherr
bestätigt: so ist dieses einer ausdrücklichen Einwilligung gleich zu achten.
§. 701. Der Erbzinsherr kann die Einwilligung nur alsdann
versagen, wenn der neue Besitzer unfähig ist. dem Gute durch sich selbst, oder
durch Andre, gehörig vorzustehen, und die darauf haftenden Lasten zu
entrichten.
§. 702. Ist die Veräußerung ohne den Consens des Erbzinsherm
geschehen: so kann letzterer zu allen Zeiten darauf antragen, daß der neue
unfähige Besitz wiederum entsetzt, und das Gut an einen Andern, der selbigem
gehörig vorstehen kann, gebracht werde.
§. 703. So lange dies nicht geschehen ist, bleibt dem
Erbzinsherrn die Befugniß, wegen der aus dem Gute ihm gebührenden Abgaben und
Leistungen, auch an die Person und das übrige Vermögen des ohne seinen Consens
abgegangenen Erbzinsmannes sich zu halten.
§. 704. Ist in einer letztwilligen Verordnung das Erbzinsgut
einem unfähigen Besitzer beschieden worden; und gehört derselbe zu den nächsten
gesetzlichen Erben des Verstorbenen: so kann der Erbzinsherr nur die Bestellung
eines tüchtigen Lehnsträgers verlangen.
§. 705. Ist aber der in einer solchen Verordnung ernannte
unfähige Besitzer keiner von den nächsten gesetzlichen Erben des Verstorbenen:
so kann der Erbzinsherr verlangen, daß das Gut innerhalb Jahresfrist an einen
tüchtigen Besitzer gebracht werde.
§. 706. Geschieht dies nicht, so kann er auf öffentlichen
gerichtlichen Verkauf an einen solchen Besitzer antragen.
bey Verpfändungen.
§. 707. Zu Verpfändungen bedarf der Erbzinsmann an sich
keiner Einwilligung des Obereigenthümers.
§. 708. Dieser ist aber auch, wenn das Erbzinsgut an ihn
sich erledigt, die darauf haftenden Schulden nur so weit anzuerkennen und zu
übernehmen verbunden, als dasjenige, was er alsdann an gezahltem Angelde, und
zu vergütenden Meliorationen, nach §. 791. sqq. herausgeben müßte, zu deren
Abstoßung hinreicht.
§. 709. Mehrere Schulden, ingleichen andre Lasten, mit
welchen der Erbzinsmann das Gut belegt hat, ist der Obereigenthümer, bey
eintretendem Rückfalle, nur so weit anzuerkennen schuldig, als er darein
ausdrücklich gewilligt hat.
Vorkaufsrecht des Erbzinsherrn.
§. 710. Der Erbzinsherr hat bey jedem Verkaufe des Guts
innerhalb zweyer Monathe das Vorkaufsrecht. (Tit. XX. Abschn. III.)
§. 711. Dieses Recht aber fällt hinweg, wenn der Erbzinsherr
in den Verkauf an eine bestimmte Person ausdrücklich einwilligt.
§. 712. Durch einen allgemeinen Consens in den Verkauf
überhaupt, verliert er noch nicht das Recht in die Stelle und Bedingungen des
näher angezeigten Käufers einzutreten.
§. 713. Von allen vorstehend dem Obereigenthümer
vorbehaltnen Rechten kann derselbe zum Nachtheile eines Dritten nur alsdann
Gebrauch machen, wenn er sein Obereigenthum in das Hypothekenbuch hat eintragen
lassen.
Laudemien.
§. 714. Jeder neue Erbzinsmann ist dem Obereigenthümer das
Laudemium, oder die Lehnwaare zu entrichten verbunden.
§. 715. Auch bey Erbverpachtungen eines Erbzinsguts muß das
Laudemium bey jedem Antritte eines neuen Erbzinsmannes und Erbverpächters
entrichtet werden.
§. 716. Nur Erben in absteigender Linie sind der Regel nach
von dieser Abgabe frey.
§. 717. Auch wenn ihnen das Gut schon unter Lebendigen
abgetreten wird, dürfen sie die Lehnwaare davon nicht entrichten.
§. 718. Diejenigen, welche vermöge eines Gesetzes, eines
Vertrages, oder einer letztwilligen Verordnung, das Gut mit einem andern gemeinschaftlich
besessen haben, entrichten, wenn ihnen nach dessen Tode der alleinige Besitz
zufällt, die Lehnwaare vollständig; in so fern sie dieselbe nicht schon bey
Erlangung des Mitbesitzes für ihren Antheil bezahlt haben.
§. 719. Obige Verordnungen, in welchen Fällen das Laudemium
entrichtet werden solle, gelten nur in so fern, als nicht in dem Erbzinsbriefe,
oder durch eine bey einem gewissen Erbzinsgute wohl hergebrachte Gewohnheit,
ein Andres bestimmt ist.
§. 720. Die Lehnwaare muß, wo nicht andre Bestimmungen
vorhanden sind, mit Zwey vom Hundert des Kaufgelds entrichtet werden.
§. 721.Doch ist der Werth des mit verkauften Inventarii von
dem Kaufschillinge in so weit abzurechnen, als der Erbzinsmann dergleichen, bey
der ersten Uebernehmung des Guts, von dem Erbzinsherrn nicht erhalten hat; oder
nicht aus irgend einem andern besondern Rechtsgrunde zu dessen Zurücklassung
bey dem Gute besonders verpflichtet ist.
§. 722. Dagegen muß, wenn der Erbzinsmann ohne Einwilligung
des Obereigenthümers das Gut mit einer jährlichen Abgabe oder
Grundgerechtigkeit belastet, und also den Kaufwerth desselben vermindert hat,
der Capitalswerth einer solchen Last dem Kaufpreise, bey Bestimmung des
Laudemii, zum Besten des Erbzinsherrn, beygerechnet werden.
§. 723. Uebernimmt der neue Erbzinsmann die auf dem Gute
haftenden Schulden, noch außer dem versprochenen Kaufgelde: so sind auch diese,
ohne Unterschied: ob sie von dem Erbzinsherrn bewilligt worden, oder nicht, dem
Kaufpreise bey Bestimmung des Laudemii zuzuschlagen.
§. 724. Wenn der Käufer, außer dem Kaufpreise, dem Verkäufer
noch andre einer Schätzung nach Gelde fähige Vortheile bewilligt hat: so findet
auch deren Zurechnung zu dem bedungenen Kaufgelde, bey Bestimmung des Laudemii
statt.
§. 725. Ist der Kaufpreis, zur Verkürzung des Laudemii,
durch eine Simulation in dem Kaufinstrumente zu niedrig angegeben worden: so
muß selbiges von der verschwiegenen Summe doppelt entrichtet werden.
§. 726. Haben die Parteyen die Kaufsumme in dem Instrumente,
zur Ausschließung des dem Erbzinsherrn zukommenden Vorkaufsrechts, zu hoch
bestimmt: so kann letzterer von diesem Rechte, noch binnen zwey Monathen,
nachdem die Simulation zu seiner Wissenschaft gelangt ist, Gebrauch machen.
§. 727. Geht das Gut, ohne Bestimmung eines Kaufschillings,
vermöge irgend eines andern Rechtsgrundes, auf einen neuen Erbzinsmann über: so
wird die Lehnwaare nach dem neuesten Kaufpreise bestimmt.
§. 728. Ist aber das Gut vorher niemals, oder innerhalb der
letzten Dreyßig Jahre nicht verkauft, noch sonst dessen Werth bestimmt worden:
so muß dasselbe, bey ermangelndem Uebereinkommen der Parteyen, nach den in der
Provinz angenommenen Abschätzungs-Grundsätzen gewürdigt werden.
§. 729. Doch ist bey einer solchen Taxe, so wie bey Lehnen,
nur auf die niedrigsten Sätze und Preise Rücksicht zu nehmen. (§. 492.)
§. 730. Bey einer Veränderung in der Person des
Obereigenthümers findet die Entrichtung einer Lehnwaare, in der Regel, nicht
statt.
§. 731. Die Lehnwaare ist der neue Besitzer erst nach
erfolgter gerichtlichen Zuschreibung des Gutes zu entrichten schuldig.
§. 732. Auch ist der neue Besitzer in der Regel einen neuen
Erbzinsbrief zu lösen verbunden.
§. 733. In diesem müssen die Zubehörungen des Guts, der
Erbzins, und die übrigen etwanigen besondern Verpflichtungen des Erbzinsmannes,
um die Verdunkelung derselben zu verhüten, mit möglichster Genaufgkeit
verzeichnet seyn.
§. 734. Doch darf der Erbzinsherr in dem Inhalte der
bisherigen Erbzinsbriefe, wider den Willen des neuen Erwerbers, so wenig als
bey Lehnbriefen, etwas ändern.
§. 735. Dagegen ist aber auch der Erbzinsherr die auf den
Grund der ältern Erbzinsbriefe in den neuen verzeichneten Zubehörungen des
Gutes gegen den Erbzinsmann zu vertreten nicht gehalten.
§. 736. Wird die Erwerbung, auch nach erfolgter Zuschreibung,
als nichtig und unkräftig wieder aufgehoben: so kann das bezahlte Laudemium
wieder zurückgefordert werden.
§. 737. Wird hingegen der Streit, welcher zwischen dem
gegenwärtigen Besitzer, und dem vorigen, oder auch einem Dritten, über die
Gültigkeit der Erwerbung entstanden ist, dahin abgemacht, daß der gegenwärtige
Besitzer das Gut dem Ansprechenden gegen eine Abfindung überläßt: so kann
ersterer das gezahlte Laudemium nicht zurückfordern.
§. 738. Auch ein nach geschehener Zuschreibung freywillig
erfolgender Rücktritt der Contrahenten wird als ein neues Kaufsgeschäft
angesehen.
§. 739. Wird hingegen ein vom Anfange an nur bedingungsweise
geschlossener Kauf, durch den Eintritt der auflösenden Bedingung wieder
rückgängig: so muß die Lehnwaare wieder zurückgegeben werden.
§. 740. Wer vermöge eines vorbehaltenen Wiederkaufsrechts
ein ehemals besessenes Erbzinsgut wieder an sich bringt, muß dennoch das
Laudemium entrichten.
§. 741. Auch kann der Wiederverkäufer, wenn nicht ein Andres
verabredet worden, den Ersatz desjenigen Laudemii, welches er bey seiner
Erwerbung bezahlen müssen, von dem Wiederkäufer nicht fordern.
§. 742. Haben die Erben des letzten Besitzers die Lehnwaare
gemeinschaftlich entrichtet: so kann dieselbe, bey einer nachher erfolgenden
Theilung, von demjenigen, welchem das Gut zugeschrieben wird, nicht noch einmal
gefordert werden.
§. 743. Mehrern Erben eines Erbzinsmannes muß ein Jahr Zeit
gelassen werden, sich zu entschließen: ob sie das Gut ferner gemeinschaftlich
besitzen, oder dasselbe einem von ihnen, gegen Abfindung der übrigen,
zuschlagen wollen.
§. 744. Wenn sie aber auch innerhalb dieser Frist mit der
Auseinandersetzung nicht zu Stande kommen können: so kann ihnen dazu eine
Nachfrist von gleicher Dauer nicht versagt werden.
§. 745. Vor Ablauf dieser Frist kann der Obereigenthümer die
Erben zur gemeinschaftlichen Berichtigung der Lehnwaare nicht anhalten.
§. 746. Ist hingegen die doppelte Frist verstrichen: so sind
nicht nur die gemeinschaftlich besitzenden Erben zur gemeinschaftlichen
Entrichtung der Lehnwaare verbunden; sondern diese muß auch, wenn demnächst
einer unter ihnen das Gut allein übernimmt, von diesem besonders berichtigt
werden.
Canon.
§. 747. Der Erbzins wird nicht zur Vergeltung der Nutzungen,
sondern vielmehr zum Anerkenntnisse des Obereigenthums, entrichtet.
§. 748. Er kann in baarem Gelde, oder auch in Naturalien
bestehn.
§. 749. Der Erbzinsmann ist den Erbzins zur bestimmten Zeit
unweigerlich abzuführen verbunden.
§. 750. Ist der Zahlungstermin im Erbzinsbriefe nicht näher
bestimmt: so wird vermuthet, daß der Zins jährlich zwischen Michaelis und
Martini erlegt werden müsse.
§. 751. Der auf Naturalien festgesetzte Zins muß jederzeit
in der besten Sorte von Früchten, welche auf dem Gute gewonnen worden, entrichtet
werden.
§. 752. Der Zins kann ohne Einwilligung beyder Theile nicht
umgeändert, noch Geld statt Naturalien, oder Naturalien statt Geldes, gefordert
oder entrichtet werden.
§. 753. So lange keine dergleichen ausdrückliche Umänderung
mit Bewilligung beyder Theile erfolgt ist, kann jeder derselben auf die
ursprüngliche Art der Prästation zurückgehn; wenn gleich seit vielen Jahren die
Berichtigung des Zinses in einer andern Art wäre geleistet und angenommen
worden.
§. 754. Der Erbzinsmann darf, wegen einer mit der
Zinszahlung in keiner Verbindung stehenden Gegenforderung, den Zins nicht
zurückhalten.
§. 755. Wird das Erbzinsgut von mehrern nutzbaren
Eigenthümern zugleich besessen: so haftet zur Bezahlung des Zinses Einer für
Alle und Alle für Einen.
§. 756. Ist aber das Gut, nebst den darauf haftenden
Pflichten, mit Bewilligung des Erbzinsherrn unter mehrere Mitbesitzer
vertheilt: so haftet jeder nur für seinen Antheil.
§. 757. Der einmal ursprünglich festgesetzte Erbzins kann
unter keinerley Vorwande erhöht werden.
Remission am Erbzinse.
§. 758. Dagegen ist aber auch der Erbzinsmann, wegen
erlittener Unglücksfälle und Verlustes an den Nutzungen, Erlaß am Zinse zu
fordern nicht berechtigt.
§. 759. Hat das Gut, ohne Verschulden des Besitzers, in
einem und anderem Jahre weniger eingebracht, als der Zins beträgt: so kann der
Erbzinsmann bloß Nachsicht fordern.
§. 760. Ein Gleiches findet statt, wenn der Erbzinsmann der
schon wirklich eingesammelten Früchte des Gutes durch Zufall oder höhere Gewalt
gänzlich beraubt worden.
§. 761. Ist auch für solche ungewöhnliche Unglücksfälle
aller Nachsicht im Vertrage ausdrücklich entsagt worden: so hat es dabey sein
Bewenden.
§. 762. Haben aber unverschuldeter Zufall oder höhere Gewalt
den Erbzinsmann ein oder mehrere Jahre hindurch völlig außer Stand gesetzt,
sein nutzbares Eigenthum überhaupt auszuüben: so kann ihm für diese Zeit kein
Zins abgefordert werden.
§. 763. Durch den unverschuldeten gänzlichen Verlust oder
Untergang des verliehenen Grundstücks, wird der Erbzinsmann seiner
Verbindlichkeit zur Entrichtung der Abgabe, so weit dieselbe zur Zeit des
entstandenen Unfalls noch nicht versessen oder fällig war, entledigt.
§. 764. War ein Gebäude in Erbzins verliehen, und wird
dasselbe durch Feuer oder andern Zufall ganz vernichtet: so wird der
Erbzinsmann von seiner Verbindlichkeit zur Entrichtung des Zinses frey.
§. 765. Dagegen fällt aber auch der Bauplatz dem
Obereigenthümer zur freyen Verfügung anheim.
§. 766. Will der Erbzinsmann von dem Platze zum
Wiederaufbaue des Gebäudes Gebrauch machen. so muß ihm selbiger dazu zwar
gelassen werden; er muß aber auch den Erbzins davon nach wie vor ungeschmälert
entrichten.
§. 767. Für die zum Wiederaufbaue erforderliche Zwischenzeit
kann ihm jedoch kein Zins abgefordert werden.
§. 768. War dem Erbzinsmanne nur Grund und Boden zum Aufbaue
eines Gebäudes in Erbzins verliehen: so wird durch die Vernichtung des Gebäudes
in seiner Verbindlichkeit zur Entrichtung des Zinses an sich nichts geändert.
§. 769. Doch kann er in diesem Falle zur Bezahlung desselben
eine verhältnißmäßige Nachsicht fordern.
§. 770. Ist der Zins nicht von einem ganzen Grundstücke in
Pausch und Bogen zu entrichten; sondern von einzelnen darunter begriffenen
Theilen oder Stücken ein besondrer Zins vorbedungen worden: so zieht der
Verlust oder Untergang eines solchen Theils oder Stücks die Befreyung von dem
dafür zu erlegenden Zinse nach sich.
Verlust des Erbzinsrechts durch Nichtbezahlung des Zinses.
§. 771. Wer sich seiner Pflicht gegen den Erbzinsherrn,
wegen Erlegung des Zinses, oder sonst, unredlicher Weise zu entziehen sucht,
wird seines Erbzinsrechts selbst verlustig.
§. 772. Ein Gleiches findet statt, wenn der Erbzinsmann mit
der Bezahlung der Zinsen Drey Jahre lang im Rückstande bleibt.
§. 773. Diese Dreyjährige Frist gilt bey allen
Erbzinsgütern, ohne Unterschied der persönlichen Qualität des Erbzinsherrn.
§. 774. Ist jedoch in dem Erbzinsbriefe eine längere oder
kürzere Frist, nach deren Verlauf die versäumte Zahlung den Verlust des Rechts
nach sich ziehen solle, ausdrücklich bestimmt: so hat es dabey sein Bewenden.
§. 775. Nur gesetzliche Entschuldigungsursachen, (§. 759.
760.) oder Umstände, die den Erbzinsmann ohne alles sein Verschulden an der
Entrichtung des Zinses verhindert haben, können ihn gegen die nachtheiligen
Folgen der Versäumniß schützen.
§. 776. Der Mangel am Vermögen zur Entrichtung des Zinses
kann niemals als Entschuldigung gelten.
§. 777. Hat der Erbzinsherr Abschlagszahlungen angenommen:
so wird die verwirkte Strafe für erlassen angesehn.
§. 778. Ein Gleiches findet statt, wenn der Erbzinsmann, auf
die an ihn ergangne Privaterinnerung, den ganzen Rückstand binnen Vierzehn
Tagen, nachdem ihm dieselbe zugekommen ist, entrichtet.
§. 779. Hat der Erbzinsherr, ohne dergleichen
Privaterinnerung, sogleich auf Einziehung des Gutes geklagt: so kann der
Erbzinsmann dadurch, daß er so fort nach eingehändigter Vorladung, und noch vor
dem ersten Termine, die Zahlung des Rückstandes baar anbietet, die Strafe der
Versäumniß abwenden.
§. 780. Innerhalb dieser Frist muß der Erbzinsherr auch von
einem Dritten den angebotenen Rückstand annehmen; wenn gleich dieser dazu mit
keinem besondern Auftrage von dem Schuldner selbst versehen wäre.
§. 781. Später hingegen ist der Obereigenthümer die
angebotene Zahlung des Rückstandes weder von dem Schuldner selbst, noch von
einem Dritten, anzunehmen verbunden: sondern er kann auf der Einziehung des
Gutes bestehen.
§. 782. Ist der säumige Erbzinsmann vor Anstellung der Klage
verstorben: so muß der Erbzinsherr seine Erben wegen des Rückstandes erinnern,
und selbigen annoch(!) binnen Sechs Wochen nach geschehener Erinnerung von
ihnen annehmen.
§. 783. Geschieht die Erinnerung vor Ablauf der gesetzlichen
Ueberlegungsfrist: so werden die Sechs Wochen nur von dem Ende dieser Frist
angerechnet.
§. 784. War bey dem Tode des Erbzinsmannes die
Einziehungsklage schon angestellt; aber noch nicht rechtskräftig darüber
erkannt: so können die Erben, wenn sie binnen Sechs Wochen nach dem Ablaufe der
Ueberlegungsfrist die baare Zahlung des Rückstandes anbieten, die bevorstehende
Einziehung noch abwenden.
§. 785. Ist der Obereigenthümer, ohne sein Recht gegen den
säumigen Erbzinsmann geltend zu machen, mit Tode abgegangen: so kann dasselbe
dennoch von seinen Erben ausgeübt werden.
§. 786. Minderjährige und Andre, denen die Gesetze die eigne
Verwaltung ihres Vermögens versagen, gehen durch die von ihren Vormündern oder
Administratoren versäumte Zinszahlung ihres Rechts noch nicht verlustig.
§. 787. Vielmehr kann in einem solchen Falle der Erbzinsherr
nur auf Bezahlung des Rückstandes, nebst Verzögerungszinsen, und auf Bestrafung
des säumigen Verwalters antragen.
§. 788. Ein Gleiches findet statt, wenn von mehrern
Mitbesitzern ein gemeinschaftlicher Lehnsträger mit Einwilligung des
Erbzinsherrn bestellt worden.
§. 789. Auch kann in diesem Falle der Erbzinsherr zugleich
die Bestellung eines andern Lehnsträgers verlangen.
§. 790. Ist das nutzbare Eigenthum, nebst der
Verbindlichkeit zur Zinszahlung, mit Bewilligung des Obereigenthümers, unter
mehrere Besitzer vertheilt: so trifft der Verlust des Rechts den säumigen
Mitbesitzer nur für seinen Antheil.
§. 791. Der Obereigenthümer, welcher das Gut einzieht, muß
dem gewesenen Erbzinsmanne das bey Uebernehmung etwa gezahlte Angeld, nicht
aber die Lehnwaare, zurückgeben; und demselben, wegen der gemachten
Verbesserungen, gleich einem redlichen Besitzer, gerecht werden.
§. 792. Auch in Ansehung der Verringerungen findet eben das
Verhältniß, wie zwischen dem Eigenthümer und einem redlichen Besitzer, statt.
§. 793. Hat aber der Erbzinsmann sich nicht bloß einer
Vernachläßigung seiner Pflichten schuldig gemacht; sondern denselben
vorsetzlich zuwider gehandelt: so wird er von dem Zeitpunkte an, wo er einen
solchen Vorsatz geäußert hat, auch in Ansehung der Verbesserungen und
Verschlimmerungen, als unredlicher Besitzer angesehn.
Verlust des Erbzinsrechts durch schlechte Verwaltung.
§. 794. Hat der Erbzinsmann das Gut dergestalt
unwirthschaftlich verwaltet, oder vernachläßigt, daß die darauf haftenden
Lasten von den Einkünften nicht mehr bestritten werden können: so ist der
Obereigenthümer solches einzuziehen berechtigt.
§. 795. Hat der Erbzinsmann das Gut dergestalt ruinirt, daß
der Obereigenthümer von seinem Rechte, selbiges einzuziehen, keinen Gebrauch
machen will; und kann kein andrer Uebernehmer auf die bisherigen Bedingungen
gefunden werden: so haftet das übrige Vermögen des Erbzinsmannes, sowohl für
die Kosten der Wiederherstellung, als für den am Zinse in der Zwischenzeit sich
ereignenden Ausfall.
§. 796. Doch genießt der Erbzinsherr, dieser Ansprüche
halber, in dem übrigen Vermögen des Schuldners kein besonderes Vorrecht.
§. 797. Fängt der Erbzinsmann an, durch schlechte
Wirthschaft und Vernachläßigung das Gut zu ruiniren: so ist der Obereigenthümer
berechtigt, darauf anzutragen, daß ihm in seinen Verfügungen gerichtlich
Schranken gesetzt; oder er zur Sicherheitsbestellung gegen die androhende
Verwüstung des Guts angehalten werde.
§. 798. Kann der Erbzinsmann keine annehmliche Sicherheit
bestellen, und fährt derselbe, der ergangenen gerichtlichen Verfügungen
ungeachtet, in seiner schlechten Verwaltung fort: so hat der Obereigenthümer
das Recht, auf die Einziehung des Guts, noch vor dem gänzlichen Verfalle
desselben, anzutragen.
durch Confiscation.
§. 799. Hat der Erbzinsmann sein Vermögen an den Fiskus
verwirkt, oder ist dasselbe durch seinen unbeerbten Abgang ein herrnloses Gut
geworden: so fällt das Erbzinsgut an den Obereigenthümer zurück.
§. 800. Doch muß dieser alsdann den auf das Gut, auch ohne
seinen Consens, eingetragenen Gläubigern gerecht werden.
§. 801. Eben so muß er dem Fiskus für die
Verbesserungskosten, und das etwa erhaltene Angeld, nach §. 791. Vergütung
leisten.
§. 802. Gründet sich der Anfall auf ein von dem Erbzinsmanne
begangenes die Vermögens-Confiscation nach sich ziehendes Verbrechen: so
bleiben dem Fiskus die Einkünfte des Guts, so lange der Verbrecher noch am
Leben ist.
durch Verlassung des Guts.
§. 803. Hat außer diesem Falle der Erbzinsmann das Gut
gänzlich verlassen: so ist der Obereigenthümer, nach fruchtlos erfolgter,
allenfalls öffentlicher, Aufforderung desselben, auf die Einziehung des Guts
anzutragen berechtigt.
§. 804. Auch in diesem Falle finden, wegen der den Erben
oder Gläubigern des Erbzinsmannes, oder dem Fisco zu leistenden Vergütungen,
die Vorschriften des §. 791. Anwendung.
§. 805. Dagegen ist alsdann der Obereigenthümer nur die mit
seiner Bewilligung auf das Gut eingetragenen Schulden anzuerkennen verbunden.
durch Entsagung.
§. 806. Entsagt der Erbzinsmann seinem Rechte freywillig: so
fällt das Gut an den Obereigenthümer zurück.
§. 807. Doch ist eine solche Entsagung, in. allen Fällen,
zum Nachtheile der ohne Consens des Obereigenthümers auf das Gut versicherten
Gläubiger; und zum Nachtheile der Gläubiger des Erbzinsmannes überhaupt, in
denjenigen Fällen ungültig, in welchen die Gesetze die zum Schaden der
Gläubiger unternommenen Handlungen eines Verschuldeten für unwirksam erklären.
§. 808. Dagegen kann aber auch der Obereigenthümer, die
Entsagung anzunehmen, wider seinen Willen nicht genöthigt werden.
durch Ablauf der Zeit.
§. 809. Läuft die Zeit ab, oder erlöschen die
Geschlechtsfolgen, auf welche das Erbzinsgut nur verliehen worden: so erledigt
sich das Gut von selbst an den Obereigenthümer.
§. 810. Die Auseinandersetzung zwischen diesem und dem
letzten Erbzinsmanne, oder dessen Erben, in Ansehung der Verbesserungen,
Verringerungen, und Nutzungen, erfolgt alsdann durchgehends nach den beym
Nießbrauche vorgeschriebenen Grundsätzen. (Tit. XXI. Sect. I.)
§. 811. Der Obereigenthümer ist alsdann nur die mit seiner
Einwilligung auf das Gut versicherten Schulden zu übernehmen verpflichtet.
durch Verjährung.
§. 812. Wie die Befreyung von der Erbzinsverbindlichkeit
durch Verjährung erworben werden; oder das Recht, rückständige Zinsgefälle oder
Laudemien zu fordern, durch Verjährung erlöschen könne, ist nach den bey Lehnen
vorgeschriebenen Grundsätzen zu beurtheilen.
Von bloßen Zinsgütem.
§. 813. Daraus, daß auf einem Gute, dessen volles Eigenthum
dem Besitzer zusteht, ein beständiger und unablöslicher Zins haftet, folgen,
außer der Befugniß des Zinsberechtigten, sich deshalb an das Gut und jeden
Besitzer desselben zu halten, weiter keine besondere Verhältnisse zwischen ihm
und dem Gutsbesitzer.
§. 814. Vielmehr wird ein solcher Zinsberechtigter überall
nur einem andern Realgläubiger gleich geachtet, und genießt im Concurs über das
Vermögen des Schuldners, das nach der verschiednen Beschaffenheit des Zinses in
der Concurs-Ordnung näher bestimmte Vorrecht.
§. 815. Wenn aber erhellet, daß das Eigenthum des Guts dem
Besitzer, oder dessen Vorfahren, von dem Zinsberechtigten, oder dessen
Vorfahren, unter Vorbehalt des Zinses ursprünglich verliehen worden: so hat ein
solcher vorbehaltner Zins mit dem im gegenwärtigen Abschnitte beschriebnen
Erbzinse in der Regel gleiche Rechte. (§. 747. sqq.)
§. 816. Auch muß von einem solchen Zinsgute, bey
Besitzveränderungen, das Laudemium eben so, wie von einem Erbzinsgute,
entrichtet werden.
§. 817. Die übrigen gesetzlichen Bestimmungen hingegen,
welche bey Erbzinsgütern aus dem Erbzinsherrn zustehenden Obereigenthume
fließen, finden bey Gütern, deren volles Eigenthum nur unter dem Vorbehalte
eines Zinses verliehen worden, auch Anwendung.
§. 818. Insonderheit können dergleichen Güter, wegen
verabsäumter Entrichtung des Zinses, und wegen der übrigen §. 794. sqq.
angeführten Ursachen, von dem Zinsberechtigten nicht eingezogen werden.
§. 819. Die nähern Bestimmungen wegen solcher Zinsgüter, bey
welchen kein getheiltes Eigentum anzutreffen ist, bleiben den
Provinzialgesetzen vorbehalten.
Neunzehnter Titel
Von dinglichen und persönlichen Rechten auf fremdes
Eigenthum überhaupt
§. 1. Das Eigenthum einer Sache oder eines Rechts kann durch
Befugnisse, die einem Andern in Beziehung auf dieselben zukommen, eingeschränkt
und belastet werden.
§. 2. Persönliche Rechte zu einer fremden Sache äußern ihre
Wirkung auf dieselbe nur so lange, als die Sache sich noch im Besitze des
persönlich Verpflichteten befindet.
§. 3. Ist die Sache, zu welcher jemanden ein bloß
persönliches Recht zustand, an einen Dritten veräußert worden; und dieser hat
die persönliche Pflicht des vorigen Besitzers nicht mit übernommen: so ist der
persönlich Berechtigte in der Regel nur von seinem Schuldner Schadloshaltung zu
fordern befugt.
§. 4. Wenn also zwey oder mehrere, zu ein und eben derselben
Sache, von dem Besitzer derselben ein persönliches Recht erlangt hatten: so
schließt zwar derjenige, dessen persönliches Recht durch die Einräumung des
Besitzes in ein dingliches übergegangen ist, den andern aus;
§. 5. Kann aber der Besitznehmer überführt werden, daß ihm
das zu derselben Sache erlangte persönliche Recht des andern zur Zeit der
Besitzergreifung schon bekannt gewesen sey: so kann er sich seines durch die
Uebergabe entstandenen dinglichen Rechts gegen denselben nicht bedienen.
§. 6. Vielmehr muß zwischen ihnen die Frage: welchem von
beyden durch die Einräumung des Besitzes ein dingliches Recht beyzulegen sey?
lediglich nach der Beschaffenheit ihres beyderseitigen persönlichen Rechts zur
Sache entschieden werden.
§. 7. Die aus dinglichen Rechten auf fremde Sachen
entstehenden Verpflichtungen muß in der Regel jeder Besitzer derselben
anerkennen. (Tit. II. §. 137. sqq.)
§. 8. Ist aber der Besitzer der Sache nicht zugleich
persönlich verpflichtet: so dauert seine Verbindlichkeit nur so lange, als er
sich in dem Besitze der verpflichteten Sache befindet.
§. 9. Der Eigenthümer kann in seiner Verfügung, sowohl über
die Substanz, als über den Gebrauch und die Nutzung seiner Sache, durch
dergleichen fremde Rechte eingeschränkt seyn.
§. 10. Ein Rechtsstreit, durch welchen die Richtigkeit eines
dinglichen Rechts auf die Substanz einer fremden Sache ausgemittelt werden
soll, kann nur mit dem Eigenthümer oder vollständigen Besitzer derselben gültig
verhandelt werden.
§. 11. Bey getheiltem Eigenthume ist ein solcher mit dem
Untereigenthümer allein geführter Rechtsstreit, gegen den Obereigenthümer, und
so umgekehrt, von keiner Wirkung.
§. 12. Bey näherer Bestimmung der Rechte auf fremdes
Eigenthum muß zuvörderst auf den Inhalt der Willenserklärungen, wodurch sie
bestellt worden; hiernächst aber auf die Natur und den Zweck des Geschäfts, und
die darüber ergangenen gesetzlichen Vorschriften gesehen werden.
§. 13. Dagegen geben, bey dergleichen Rechten, die
unmittelbar aus dem Gesetze entstehen, nur diese Vorschriften den
Bestimmungsgrund an die Hand, so weit sie durch gültige Willenserklärungen
nicht ausdrücklich geändert sind.
§. 14. Einschränkungen und Belastungen des Eigenthums werden
niemals vermuthet.
§. 15. Ist das Daseyn einer Einschränkung klar; die Art
derselben aber streitig und zweifelhaft: so findet die Vermuthung für diejenige
Art der Einschränkung statt, welche dem Eigenthümer am wenigsten lästig ist.
§. 16. Ist es also zweifelhaft: ob der Verpflichtete in
seiner Sache etwas zu thun, oder nur etwas zu dulden verpflichtet sey, so wird
letzteres angenommen.
§. 17. Auch wenn die Art und Gattung des Rechts auf eine
fremde Sache an sich bestimmt ist, muß dennoch dasselbe, im zweifelhaften
Falle, so viel es seine Natur und der ausdrücklich erklärte Zweck seiner
Bestellung zulassen, zum Besten des Eigenthümers eingeschränkt werden.
§. 18. Doch ist dabey dahin zu sehen, daß der Berechtigte an
dem nützlichen Gebrauche seines Rechts nicht gehindert, oder ihm dasselbe gar
vereitelt werde.
§. 19. Der Eigenthümer kann also das dem Einen eingeräumte
dingliche Recht einem Zweyten nur in so fern zugestehn, als es ohne Nachtheil
des zuerst Berechtigten geschehen kann.
§. 20. Kann das Recht, mit gleicher Wirkung für den
Berechtigten, auf mehr als eine Art ausgeübt werden: so ist allemal diejenige
zu wählen, welche dem Eigenthümer am wenigsten lästig oder nachtheilig ist.
§. 21. Ungewöhnlicher dem Eigenthümer zur Beschwerde
gereichender Arten der Ausübung, kann der Berechtigte sich ohne Einwilligung
des Eigenthümers, oder einen andern besondern Rechtsgrund, nicht anmaßen.
§. 22. Rechte, welche nur zur Nothdurft einer bestimmten
Person oder Sache bewilligt worden, können auf andre Personen oder Sachen
einseitig nicht übertragen werden.
§. 23. Ist dergleichen Einschränkung nicht vorhanden: so
hängt die Uebertragung eines solchen Rechts von dem Gutfinden des Berechtigten
in so weit ab, als die Verpflichtung und Belastung des Eigenthümers dadurch
nicht vergrößert oder erschwert wird.
§. 24. Sind Rechte in Ansehung einer fremden Sache jemanden
zum Gebrauch nach seiner Nothdurft eingeräumt worden: so ist allemal auf die
zur Zeit der Einräumung vorgewalteten Umstände Rücksicht zu nehmen.
§. 25. Durch bloß willkührliche in dem vorhergehenden
Zustande nicht gegründete Veränderungen der persönlichen Umstände des
Berechtigten, darf als die Last des Verpflichteten nicht erschwert werden.
§. 26. Auf Rechte, die jemanden zu seiner persönlichen
Nothdurft eingeräumt worden, haben seine Hausgenossen für ihre Personen keinen
Anspruch.
§. 27. Ist aber das Recht einer Familie beygelegt, so nehmen
auch die in der Folge hinzukommenden Mitglieder derselben daran Theil.
§. 28. Ist jemanden dergleichen Recht zu seiner Nothdurft,
ohne weitere Bestimmung, als ein Theil seiner Besoldung eingeräumt: so ist
anzunehmen, daß ihm dasselbe für sich und seine Familie, mit Inbegriff seines
Gesindes, so lange er im Amte steht, zukomme.
§. 29. Rechte auf fremde Sachen erlöschen in der Regel
mittelst der Verjährung durch bloßen Nichtgebrauch.
§. 30. Durch freywillige Entsagung auf den Gebrauch seines
Rechts, wird der Berechtigte von seiner dagegen übernommenen Verbindlichkeit
nicht frey.
§. 31. Wird er aber ohne seine Zuthun außer Stand gesetzt,
sich seines Rechts ferner zu bedienen: so befreyt ihn dieses auch von der
dagegen übernommenen Verbindlichkeit.
§. 32. So lange jemand die Verbindlichkeit, gegen welche ihm
ein Recht auf eine fremde Sache eingeräumt worden, erfüllt, kann keine
Verjährung wider ihn anfangen, wenn er auch von seinem Rechte keinen Gebrauch
gemacht hätte.
§. 33. Rechte auf und zu fremden Sachen erlöschen, wenn das
Recht desjenigen, welcher sie bestellt hat, aufhört; und die Sache an einen
Andern fällt, der auf selbige, schon vor der Einräumung jener Befugnisse, einen
gegründeten Anspruch hatte.
Zwanzigster Titel Von dem Rechte auf die Substanz einer
fremden Sache
Erster Abschnitt
Vom Rechte des Unterpfandes
Begriff.
§. 1. Das dingliche Recht, welches jemanden auf eine fremde
Sache zur Sicherheit seiner Forderung eingeräumt worden, und vermöge dessen er
seine Befriedigung, selbst aus der Substanz dieser Sache verlangen kann, wird
ein Unterpfandsrecht genannt.
Titel zum Pfandrechte.
§. 2. Das Recht, die Bestellung einer solchen Sicherheit zu
fordern, kann durch Willenserklärungen und Gesetze begründet werden.
§. 3. Welchen Forderungen die Gesetze unmittelbar das Recht
beylegen, daß der Gläubiger auch ohne besondre Einwilligung des Schuldners, auf
die Bestellung eines Unterpfandrechts dafür antragen könne, ist bey den
verschiednen Geschäften, woraus diese Forderungen entstehn, im Gesetzbuche
bestimmt.
§. 4. Auch außerdem kann der Gläubiger in allen Fällen, wo
er Cautionsleistung für sein Recht von dem Schuldner zu fordern befugt ist, auf
die Bestellung eines wirklichen Unterpfandsrechts, selbst wider den Willen des
Schuldners, bey dem Richter antragen.
§. 5. Wie im Wege der Execution ein Pfandrecht entstehe,
bestimmt die Prozeßordnung.
Erwerbungsart des Pfandrechts.
§. 6. Der vorstehendermaaßen entstandene Titel zum
Pfandrechte, giebt für sich allein noch kein wirkliches dingliches Recht auf
eine gewisse bestimmte Sache; sondern es muß, um dieses zu erlangen, annoch die
gesetzmäßige Erwerbungsart hinzukommen.
§. 7. Geschieht die Einräumung dieses dinglichen Rechts
durch Uebergabe der Sache: so ist ein Pfandrecht im engern Sinne vorhanden.
§. 8. Geschieht dieselbe durch gerichtliche Eintragung auf
Grundstücke, und solche Gerechtigkeiten, welche die Gesetze den unbeweglichen
Sachen gleich achten: so hat der Gläubiger das Recht einer Hypothek.
§. 9. So lange weder Uebergabe noch Eintragung erfolgt ist,
kann zwar der Gläubiger die seiner Forderung im Gesetze beygelegten Vorrechte,
auf das Vermögen des Schuldners, und die darin befindlichen Sachen ausüben;
§. 10. Er kann aber dieselben auf Sachen, die rechtsgültiger
Weise aus dem Vermögen des Schuldners herausgegangen sind, gegen einen Dritten
Besitzer derselben nicht verfolgen.
Für was für Ansprüche ein Pfandrecht bestellt werden könne.
§. 11. Für jeden an sich rechtsbegründeten Anspruch kann
durch Pfand oder Hypothek gültig Sicherheit bestellt werden.
§. 12. Ist der Anspruch in sich ungültig: so ist auch die
dafür bestellte Sicherheit ohne Wirkung.
§. 13. Wird jedoch eine von Anfang ungültige Forderung in
der Folge zu Recht beständig: so erlangt auch die dafür bestellte Sicherheit,
von Zeit der Bestellung an, ihre volle Kraft.
§. 14. So weit wegen künftiger Ansprüche Caution gefordert
und geleistet werden kann; so weit können dergleichen Ansprüche auch durch
Pfand oder Hypothek sicher gestellt werden. (Tit. XIV. §. 5-8 Sect. III.)
Wer ein Pfandrecht bestellen könne.
§. 15. So weit jemand über eine Sache zu verfügen fähig und
berechtigt ist; so weit kann er auch damit durch Pfand oder Hypothek gültig
Sicherheit bestellen.
§. 16. Ueberkommt der Verpfänder das Recht, über die Sache
solchergestalt zu verfügen, erst nacn geschehener Verpfändung: so erlangt
letztere dadurch von selbst ihre Wirksamkeit.
§. 17. Ist aber in der Zwischenzeit einem Drittenein an sich
gültiges Recht auf oder zu der Sache, von dem, welcher darüber zu schalten
befugt war, eingeräumt worden: so kann der Pfandgläubiger gegen diesen Dritten
seines dinglichen Rechts sich nicht bedienen.
§. 18. Mangelte es dem Verpfänder, zur Zeit des bestellten
Pfandrechts, an der persönlichen Fähigkeit, über die Sache solchergestalt zu
verfügen: so erlangt das Pfandrecht, nach gehobener Unfähigkeit, nur durch ein
an sich verbindliches Anerkenntniß seine Gültigkeit. (Tit. V. §. 37. 38.)
§. 19. Eine Zurückerstreckung dieser Gültigkeit auf einen
frühern Zeitpunkt kann zwar in Ansehung des Schuldners, nicht aber eines
Dritten, welcher in der Zwischenzeit ein Recht auf die Sache erlangt hat statt
finden.
§. 20. Wie weit Verpfändungen einer gemeinschaftlichen Sache
in Ansehung des Ganzen, oder einzelner Antheile, gültig sind, ist nach den
Vorschriften des Siebenzehnten Titels Sect. I. zu beurtheilen.
§. 21. Mit der Sache selbst sind in der Regel auch deren
Pertinenzstücke, Zuwächse, und Früchte, für verpfändet zu achten.
Wirkung des Pfandrechts
§. 22. Wer eine durch Pfand oder Hypothek bestellte
Sicherheit einmal angenommen hat, muß sich damit bis zur Zahlungszeit begnügen.
§. 23. Er kann aber bessere Sicherheit fordern, wenn durch
Zuthun des Schuldners, durch Zufälle von außen her, oder durch erst offenbar
gewordene Mängel und Fehler der Sache, der Werth derselben so gemindert wird,
daß sie die bedungene Sicherheit nicht mehr vollständig gewähren kann.
§. 24. Der Eigenthümer der verpfändeten Sache kann darüber
so weit, als es den Rechten und der Sicherheit des Gläubigers unnachtheilig
ist, frey verfügen.
besonders wegen der Veräußerung der verpfändeten Sache.
§. 25. Nach eingetretenem Zahlungstermine aber ist der
Gläubiger auf Veräußerung der verpfändeten Sache, nach Vorschrift der Prozeßordnung,
anzutragen berechtigt.
§. 26. Ist ausdrücklich verabredet, daß der Gläubiger den
Verkauf der verpfändeten Sache zu verlangen nicht berechtigt seyn solle: so ist
ein solcher Vertrag so zu deuten, daß der Gläubiger seine Befriedigung nur aus
den Früchten und Nutzungen suchen könne.
§. 27. Erhellet aus der Natur des Geschäfts, oder aus der
Beschaffenheit des Pfandes, daß dieses nicht die Absicht der Contrahenten
gewesen seyn könne: so hat ein solcher Nebenvertrag nur die Wirkung, daß der
Gläubiger nicht eher, als wenn über das Vermögen des Schuldners Concurs
entsteht, auf die Veräußerung des Pfandes antragen kann.
§. 28. Der Verkauf des Pfandes muß in der Regel gerichtlich
an den Meistbietenden geschehen.
§. 29. Ein Vertrag, daß es dem Gläubiger frey stehen solle,
bey ausbleibender Zahlung das Pfand außergerichtlich zu verkaufen, ist zwar an
sich zu Recht beständig;
§. 30. Ist jedoch dergleichen Vertrag gleich bey Schließung
des Pfandcontrakts, oder sonst vor der Verfallzeit, errichtet worden: so kann
der Gläubiger das Pfand nicht unter dem Betrage einer mit Zuziehung des
Schuldners, durch Sachverständige aufgenommenen Taxe außergerichtlich
verkaufen.
§. 31. Wenn der Schuldner, nach eingetretenem
Zahlungstermine, sich den außergerichtlichen Verkauf durch den Gläubiger ohne
weitern Vorbehalt gefallen läßt: so hat es dabey sein Bewenden.
§. 32. Doch ist in beyden Fällen (§. 30. 31.) außer der
Einwilligung des Schuldners, auch die des etwanigen von diesem verschiedenen
Eigenthümers der verpfändeten Sache nothwendig.
§. 33. Ein Vertrag, daß bey ausbleibender Zahlung die
verpfändete Sache dem Gläubiger für die Schuld, oder für einen im voraus
bestimmten Werth zufallen soll, ist in Ansehung beyder Theile ohne Wirkung.
§. 34. Wenn aber nach eingetretenem Verfalltage der
Gläubiger und Schuldner über den Werth, wofür die verpfändete Sache dem erstern
überlassen seyn solle, sich vereinigen: so hat ein solches Abkommen zwischen
ihnen verbindliche Kraft.
§. 35. Ein Vertrag, daß das von dem Hauptschuldner
eingelegte Pfand dem Bürgen verfallen solle, wenn dieser von der Bürgschaft
nicht befreyt würde, ist ungültig.
Vom Eintrittsrechte eines Jüngern Pfandgläubigers oder eines
Bürgen.
§. 36. Die gerichtliche Veräußerung einer gültig
verpfändeten Sache kann von andern, die darauf ebenfalls ein Recht erlangt
haben, nur durch vollständige Befriedigung des Pfandgläubigers abgewendet
werden.
§. 37. Der Pfandgläubiger ist schuldig, einem jeden, der ein
dingliches Recht auf die Sache, ingleichen dem, welcher für die Schuld Bürgschaft
geleistet hat, gegen eine solche vollständige Befriedigung sein Pfandrecht
abzutreten.
§. 38. Er kann sich diesem auch durch die Vorschützung eines
nach §. 34. mit dem Schuldner getroffenen Abkommens nicht entziehn.
§. 39. Doch ist er zur Annahme der Zahlung, und Abtretung
seines Pfandrechts, erst nach abgelaufnem Zahlungstermine verbunden.
§. 40. Dagegen kann er beydes, selbst alsdann, wenn der
gerichtliche Verkauf bereits nachgesucht worden, nicht weigern; sobald ihm auch
die dabey schon aufgelaufnen Kosten mit erstattet werden.
§. 41. Der jüngere Pfandgläubiger kann, durch diesen
Eintritt in die Stelle des von ihm befriedigten ältern Gläubigers, seiner
eignen ursprünglichen Forderung kein Vorrecht vor denjenigen verschaffen,
welche zwar später als dieser, aber früher als er, ein gültiges Realrecht auf
die Sache erlangt haben.
§. 42. Bey dem gerichtlichen Verkaufe des Pfandes ist zwar
das Gebot des Gläubigers, gleich jedem andern; das Mitgebot des Schuldners aber
nur gegen baare Zahlung zuläßig.
Wie weit der Gläubiger, außer seinem Pfandrechte, auch an
das übrige Vermögen, oder an die Person des Schuldners sich halten könne.
§. 43. So weit der Gläubiger durch den Verkauf oder Zuschlag
der verpfändeten Sache befriedigt worden, entstehen daraus alle Wirkungen einer
von dem Schuldner unmittelbar geleisteten Zahlung. (Tit. XVI. §. 149. sqq.)
§. 44. Dagegen wird der Schuldner durch die bloße Bestellung
eines Unterpfandes von seiner Verbindlichkeit noch nicht frey.
§. 45. Vielmehr kann der Gläubiger, nach eingetretnem
Zahlungstermine, auch an die Person seines Schuldners, und dessen übriges
Vermögen sich halten.
§. 46. Doch kann der Schuldner, in so fern er alsdann noch
Eigenthümer der verpfändeten Sache ist, darauf antragen, daß der Gläubiger
zuerst aus dieser seine Befriedigung suchen solle.
§. 47. Will aber der Gläubiger seinem Pfandrechte entsagen:
so kann er sofort in das übrige Vermögen des Schuldners, oder auch, nach den
Vorschriften der Wechsel- und Executionsordnung, auf die Person desselben richterliche
Hülfe nachsuchen.
§. 48. Hat der Schuldner zwischen der Zeit der Verpfändung,
und des Verfalltages, das Eigenthum der verpfändeten Sache an einen Andern
übertragen: so kann der Gläubiger, mit Vorbehalt seines Pfandrechts gegen den
Dritten, zuerst auf Vollstreckung der Execution gegen den Schuldner antragen.
§. 49. Das Recht des Gläubigers, sich zuerst an das Pfand zu
halten, findet statt, ohne Unterschied: ob dasselbe von dem Schuldner, oder von
einem Dritten bestellt worden.
§. 50. Doch hat letzterer die Vermuthung für sich, daß er
nicht weiter, als das Pfand reicht, sich dem Gläubiger habe verpflichten
wollen.
§. 51. Erhellet hingegen, daß der Verpfänder eine Bürgschaft
für die Schuld überhaupt geleistet, und nur zur Sicherheit derselben das Pfandrecht
bestellt habe: so ist zwar im übrigen die Verbindlichkeit des Verpfänders nach
den Gesetzen von Bürgschaften zu beurtheilen;
§. 52. Es kann aber auch in einem solchen Falle der
Gläubiger sich an das Pfand nicht anders oder eher halten, als er den Bürgen in
Anspruch zu nehmen berechtigt ist.
§. 53. Die Pflicht, dem Gläubiger zu gestatten, daß er seine
Befriedigung sofort aus der verpfändeten Sache nehme, geht zwar, der Regel
nach, auf jeden Eigenthümer derselben über;
§. 54. Weiter aber, als die verpfändete Sache reicht, ist
ein solcher dritter Eigenthümer dem Gläubiger, welchem er sich nicht etwa noch
ausserdem persönlich verpflichtet hat, zu haften nicht schuldig.
Aufhebung des Pfandrechts
1) wenn der
Hauptanspruch getilgt, oder erloschen ist,
2) wenn die
bestimmte Zeit verlaufen ist.
§. 55. Außer den allgemeinen Arten, wie Rechte und
Verbindlichkeiten überhaupt aufgehoben werden können, erlöscht das Pfandrecht
insonderheit alsdann, wenn der Anspruch, für welchen die Sicherheit bestellt
worden, getilgt oder erloschen ist.
§. 56. Hat jemand für eine fremde Verbindlichkeit durch
Pfand oder Hypothek ausdrücklich nur auf eine in sich bestimmte Zeit Sicherheit
bestellt; so finden die bey Bürgschaften, die nur auf eine gewisse Zeit
eingeschränkt worden, überhaupt ertheilten Vorschriften Anwendung. (Tit. XIV.
§. 320. sqq.)
§. 57. Hat der Schuldner die Sicherheit durch Verpfändung
seiner eignen Sache bestellt: so wird, im zweifelhaften Falle, vermuthet, daß
durch Beyfügung der Zeit nur der Zahlungstermin, nicht aber die Dauer des
dinglichen Rechts, hat bestimmt werden sollen.
§. 58. Erhellet aber aus der Fassung des Vertrages, daß es
wirklich die Absicht der Contrahenten gewesen sey, durch Beyfügung der Zeit die
Dauer des Realrechts zu bestimmen: so hat dennoch ein solcher Vertrag, zum
Nachtheile des Gläubigers, keine Wirkung.
§. 59. Ist jedoch in der Zwischenzeit das Eigenthum der
verpfändeten Sache auf einen dritten Besitzer übergegangen: so hat dieser mit
demjenigen, der von Anfang an für eine fremde Verbindlichkeit Sicherheit
bestellt hat, gleiche Rechte.
besonders bey Pfandrechten, die auf der Einwilligung eines
Dritten beruhen.
§. 60. Ist zur Verpfändung einer Sache die Einwilligung
eines Dritten erforderlich: so hängt es von diesem ab, bey Ertheilung derselben
zugleich die Dauer ihrer Gültigkeit zu bestimmen.
§. 61. Ist dem Consense eine auflösende Bedingung oder
derselben gleich geltende Zeitbestimmung beygefügt: so hat von dem Augenblicke
an, wo dieselben zur Wirklichkeit gelangen, der Einwilligende eben das Recht,
welches dem nur auf eine bestimmte Zeit sich verpflichtenden Bürgen beygelegt
ist. (Tit. XIV. §. 320. sqq.)
§. 62. Wegen der zur Verpfändung eines Lehns von dem
Lehnsherrn oder den Agnaten ertheilten Consense, hat es bey den besondern
Bestimmungen des Achtzehnten Titels §. 252. sqq. sein Bewenden.
§. 63. Dadurch, daß mit dem Ablaufe der Zeit, oder dem
Eintritte der Bedingung, der Consens seine Wirksamkeit verliert, geht das
Pfandrecht des Gläubigers nur so weit, als dessen Wirkungen dem Consentirenden
nachtheilig seyn würden, verloren.
§. 64. War aber der Consens nicht bloß zur Gültigkeit der
Verpfändung, sondern zur Gültigkeit der Schuld selbst nothwendig; und erlöscht
also letztere mit der Kraft des Consenses zugleich: so hört auch das ganze
Realrecht auf.
§. 65. Der Consens in Verpfändungen muß, sobald die
Forderung Fünfzig Thaler übersteigt, schriftlich ertheilt werden.
§. 66. Der Schuldner ist verpflichtet, diesen Consens dem
Gläubiger zuzustellen und auszuhändigen.
§. 67. In der einmal ertheilten Einwilligung kann nachher,
zum Schaden des Gläubigers, nichts geändert werden.
3) durch die Annahme einer andern Sicherheit.
§. 68. Durch Bestellung oder Annahme einer fernern
Sicherheit wird die vorige noch nicht aufgehoben.
§. 69. Ein Pfandgläubiger begiebt sich also bloß dadurch,
daß er die Bestellung eines Bürgen fordert, oder annimmt, noch nicht seines
Pfandrechts.
§. 70. Aus der Aufhebung des Pfandrechts folgt noch keine
Entsagung des Anspruchs, für welchen ersteres bestellt worden.
I. Vom eigentlichen Pfandrechte.
1) Gegenstand.
§. 71. Das Pfandrecht im engern Sinne kann, mittelst
Einräumung des Besitzes, auf bewegliche und unbewegliche Sachen bestellt
werden,
§. 72. Auch die Verpfändung fremder Sachen kann, unter Einwilligung
ihres Eigenthümers, gültig geschehen.
Von Verpfändung fremder Sachen.
§. 73. Sind fremde Sachen ohne diese Einwilligung zum Pfande
gegeben worden: so kann der Eigenthümer dieselben zwar von dem Pfandinhaber
zurück fordern;
§. 74. Doch haftet dem Gläubiger auch alsdann das dingliche
Recht, welches der Verpfänder aus der Sache hatte, zu seiner Sicherheit.
§. 75. Die Dauer und Wirkungen dieser Sicherheiten aber
erstrecken sich nicht weiter, als das Recht des Verpfänders selbst.
§. 76. Wird der Eigenthümer des Verpfänders Erbe: so besteht
das Pfandrecht des Gläubigers in Ansehung seiner eben so, als wenn die
Verpfändung von Anfang an mit seiner Einwilligung geschehen wäre.
§. 77. Hat aber der Eigenthümer Rechte auf oder zu der ohne
seinen Consens verpfändeten Sache, schon vor dem Erbanfalle Andern übertragen:
so kann der Pfandinhaber gegen diese von seinem Pfandrechte keinen Gebrauch
machen.
§. 78. Wird der Verpfänder des Eigenthümers Erbe: so hat es
bey der Vorschrift des §. 16. sein Bewenden.
§. 79. Hat der Eigenthümer des Pfandes, nach geschehener
Verpfändung, für die Schuld sich verbürgt: so enthält dieses eine Genehmigung
der Verpfändung, sobald erhellet, daß ihm letztere bey Uebernehmung der
Bürgschaft bekannt gewesen sey.
§. 80. Ist der Gläubiger zum Besitze des Pfandes nach der
Bestimmung Tit. XV. §. 25. redlicher Weise gelangt, so ist er zur Ausantwortung
des Pfandes an den Eigenthümer, nur gegen Entrichtung dessen, was er dem
Schuldner darauf wirklich gegeben hat, verpflichtet.
§. 81. Wegen der auf das Pfand selbst verwendeten Kosten,
und sonst überall, hat er gegen den Eigenthümer die Rechte eines jeden
redlichen Besitzers.
§. 82. Die Bezahlung auch schon verfallener Zinsen aber kann
er von dem Eigenthümer nicht fordern.
§. 83. Löst der Eigenthümer das Pfand solchergestalt durch
baare Zahlung aus: so tritt er in so weit in alle Rechte des Gläubigers gegen
den Verpfänder.
§. 84. Gegen die dem Eigenthümer alsdann zu leistende
Befriedigung kann sich der Verpfänder mit dem Einwände, daß die Schuld, nach
dem mit dem Gläubiger geschlossenen Hauptvertrage, noch nicht fällig sey,
keinesweges schützen.
§. 85. So weit der Pfandgläubiger wegen Zinsen und Kosten
von dem einlösenden Eigenthümer nicht befriedigt wird, kann er sich an den
Verpfänder halten; in so fern nicht etwa die Kosten ihm selbst, wegen eines
ohne Zuziehung des Verpfänders mit dem Eigenthümer geführten unnützen
Prozesses, zur Last fallen.
§. 86. Ist die fremde Sache, nicht wegen einer schon
vorhandenen Verbindlichkeit, sondern nur wegen eines künftigen Anspruchs
verpfändet: so muß der Pfandinhaber dieselbe zwar, auch in dem Falle des §.
80., dem wahren Eigenthümer unentgeltlich herausgeben;
§. 87. Er ist aber alsdann das mit dem Schuldner
geschlossene Hauptgeschäft, zu dessen Sicherheit das Pfand gegeben worden,
wieder aufzuheben berechtigt.
§. 88. Kann oder will er dieses nicht: so ist der Schuldner
auf andre Art Sicherheit zu bestellen verpflichtet.
§. 89. Wer wissentlich fremde Sachen als seine eignen
verpfändet, der begeht ein Verbrechen, und ist nach den Criminalgesetzen von
Entwendungen zu bestrafen. §. 90. Gleiche Strafen treffen denjenigen, welcher
von seinem Schuldner wissentlich fremde Sachen, ohne Consens des Eigenthümers,
als Pfand annimmt.
§. 91. Wer bey Annehmung fremder Sachen zum Stande, ohne
Bewilligung des Eigenthümers, sich ein grobes oder mäßiges Versehen zu Schulden
kommen läßt, ist in Ansehung der unentgeltlichen Zurückgabe einem unredlichen
Besitzer gleich zu achten.
§. 92. Insonderheit findet dieses gegen denjenigen statt,
welcher Pfänder, die einem Andern eigenthümlich gehören von verdächtigen
Personen angenommen hat. (Tit. XV. §. 19.)
2) Form.
§. 93. Wegen der Form des Hauptvertrages, zu dessen
Sicherheit das Pfandrecht bestellt wird, hat es zwar bey den allgemeinen
gesetzlichen Vorschriften sein Bewenden;
§. 94. Zur Einräumung des Pfandrechts selbst aber ist, bey
beweglichen Sachen, die bloße Uebergabe ohne weitere besondre Form hinreichend.
§. 95. Ist bey Uebergebung des Pfandes ein Empfangschein von
dem Gläubiger ausgestellt, und von dem Schuldner angenommen worden: so vertritt
derselbe die Stelle des fehlenden schriftlichen Hauptcontrakts.
§. 96. Doch müssen aus einem solchen Empfangscheine die
wesentlichen Bedingungen des mündlichen Hauptvertrages zu entnehmen seyn.
§. 97. Ist der Hauptvertrag, zu dessen Versicherung das
Pfand bestellt worden, wegen Vernachläßigung der gesetzlichen Form nichtig: so
erwirbt zwar der Empfänger kein Pfandrecht;
§. 98. Doch kann der Pfandgeber die Sache bloß gegen
Erstattung dessen, was er darauf wirklich erhalten hat, zurückfordern.
§. 99. Soll eine unbewegliche Sache zum Pfande gegeben
werden: so ist die bloße Naturalübergabe zur Einräumung des wirklichen
Pfandrechts noch nicht hinreichend.
§. 100. Vielmehr muß annoch die gerichtliche Verlautbarung,
und der Vermerk des bestellten Pfandrechts im Hypothekenbuche hinzukommen.
§. 101. In so fern bey gewissen Arten von Sachen besondre
gesetzliche Förmlichkeiten wegen deren Veräußerung vorgeschrieben sind, müssen
dieselben auch bey ihrer Verpfändung, so weit sie nach der Natur des
Pfandgeschäfts statt finden können, beobachtet werden.
§. 102. Daraus allein, daß obige Vorschriften (§. 100. 101.)
nicht beobachtet worden, kann der Schuldner selbst kein Recht herleiten, den
Gläubiger des einmal eingeräumten Besitzes wieder zu entsetzen.
§. 103. Vielmehr ist er, wenn sonst ein gültiger
schriftlicher Vertrag über die Einräumung eines solchen Pfandrechts vorhanden
ist, die ermangelnden Förmlichkeiten, auf jedesmaliges Erfordern des
Gläubigers, nachzuholen verpflichtet.
3) Vollziehung des Pfandgeschäftes durch Uebergabe.
§. 104. Die Uebergabe des Pfandes muß in der Regel so
geschehen, daß die Sache in die körperliche Gewahrsam des Gläubigers wirklich gelange
und darin verbleibe.
§. 105. Wird die Sache in der Naturalgewahrsam des
Schuldners gelassen, oder dahin zurückgegeben; damit er sie im Namen des
Gläubigers besitzen solle: so ist kein Pfandrecht vorhanden.
§. 106. In welchen Fällen durch bloße symbolische Uebergabe
(Tit. VII. §. 61. sqq.) ein gültiges Pfandrecht bestellt werden könne, ist
unten festgesetzt. (§. 271. sqq.)
§. 107. Auch wenn durch die symbolische Uebergabe noch kein
Pfandrecht entsteht, erwirbt dennoch der Gläubiger dadurch die Befugniß, bey
dem Richter darauf anzutragen, daß ihm die solchergestalt übergebene bestimmte
Sache, so weit sie hinter dem Schuldner noch befindlich ist, in seine
Naturalgewahrsam überliefert werde.
§. 108. Sobald dieses geschehen ist, gelangt das Pfandrecht
selbst zur Wirklichkeit.
§. 109. Diejenigen, deren Pfandrecht auf gewisse bestimmte
Sachen unmittelbar aus dem Gesetze entspringt, bedürfen keiner symbolischen
Uebergabe, um sich durch richterliche Hülfe gegen den Schuldner in den
Naturalbesitz dieser Sachen zu setzen-.
§. 110. Gleiche Bewandniß hat es mit denjenigen, denen in
einem an sich gültigen Vertrage eine gewisse bestimmte Sache zum Pfände
verschrieben worden.
§. 111. Aber auch diese (§. 109. 110.) erlangen ein
dingliches Recht auf die Sache erst durch die wirkliche Besitzergreifung.
§. 112. Wird durch das Gesetz, oder den Vertrag, ein nur
allgemeines Pfandrecht begründet: so kann der Berechtigte die Auslieferung
gewisser bestimmter Sachen nur alsdann fordern, wenn er Cautionsbestellung zu
verlangen befugt ist.
Verpfändung künftiger Sachen.
§. 113. Künftige Sachen, die nicht übergeben werden können,
können sich nicht verpfändet werden.
§. 114. Auch die Verpfändung künftiger Früchte kann ohne die
Uebergabe der fruchttragenden Sache selbst nicht vor sich gehn.
§. 115. So weit jedoch eine symbolische Uebergabe künftiger
Sachen oder Früchte statt hat, findet die Vorschrift §. 107.108. Anwendung.
4) Rechte und Pflichten des Pfandinhabers.
a) Besitz
§. 116. Durch ein gehörig bestelltes Pfandrecht erlangt der
Gläubiger die Befugniß, das Pfand so lange in Besitz und Gewahrsam zu behalten,
bis der Hauptverbindlichkeit, zu deren Versicherung es gegeben worden, eine
Gnüge geschehen ist.
§. 117. Der Pfandinhaber hat also alle Rechte und Pflichten
eines unvollständigen Besitzers. (Tit. VII. §. 169. sqq.)
b) Vindication.
§. 118. So lange er sich dieses Besitzes nicht freywillig
begeben hat, ist er befugt, das ihm entzogne Pfand von einem jeden, auch von
dem Schuldner selbst, zurückzufordern.
§. 119. Doch findet diese Rückforderung gegen einen dritten
redlichen Besitzer nur unter eben den Umständen und Bestimmungen statt, unter
welchen der Eigenthümer seine Sache von einem solchen Besitzer vindiciren kann.
(Tit. XV. §. 24. sqq.)
§. 120. Setzt der Schuldner selbst den Gläubiger, durch
Gewalt oder List, aus dem Besitze des Pfandes: so begeht er ein Verbrechen, und
soll dafür nach Vorschrift der Criminalgesetze von Entwendungen bestraft
werden.
c) Verwahrung.
§. 121. Der Pfandinhaber ist schuldig, die verpfändete Sache
als ein guter Hausvater aufzubewahren, und dabey für alles grobe oder mäßige
Versehen zu haften.
§. 122. Nur zu diesem Grade des Versehens ist der,
Pfandinhaber auch alsdann verpflichtet, wenn der Verpfänder nicht der Schuldner
selbst, sondern ein Dritter ist; sobald nicht ein Andres ausdrücklich
verabredet worden.
d) Gebrauch.
§. 123. Ohne Genehmigung des Verpfänders darf der
Pfandinhaber von der Sache keinen Gebrauch machen.
§. 124.Thut er es dennoch: so muß er nicht nur allen selbst
durch das geringste Versehen entstanden Schaden ersetzen; sondern auch den
durch den Gebrauch gehaltenen Vortheil herausgeben oder darf, nach
richterlichem Ermessen, billige Vergütung leisten.
§. 125. War das Pfand versiegelt oder verschlossen
niedergelegt: so findet gegen den Pfandinhaber, bey eigenmächtigem: Gebrauche
desselben, alles statt, was gegen den Verwahrer fremder Sachen in gleichem
Falle verordnet ist. (Tit. XTV. §. 26. sqq.)
§. 126. Auch ist der Verpfänder, wider dessen Willen der
Gläubiger das Pfand gebraucht hat, nach richterlichem Ermessen, entweder die
Leistung) einer besondern Caution gegen allen fernern dergleichen Mißbrauch,
oder die gerichtliche Niederlegung auf Kosten des Gläubigers, zu fordern berechtigt.
e) Weiterer Versatz.
§. 127. Ohne ausdrückliche Einwilligung des Verpfänders ist
der Pfandinhaber die ihm verpfändete bewegliche Sache weiter zu versetzen nicht
befugt.
§. 128. Hat der Verpfänder in den weitern Verkaufe.
gewilligt: so kann er von seinem Eigenthums- und Rückforderungsrechte, zum
Nachtheile des zweyten Pfandinhabers, keinen Gebrauch machen.
§. 129. Auch durch einen mit Bewilligung des Verpfänders
geschehenen weitern Versatz erlangt der zweyte Pfandinhaber, in Beziehung auf
den ersten Verpfänder, kein andres Recht, als was gegen diesen dem ersten
Pfandinhaber zusteht.
§. 130. Soll also: der erste Verpfänder an einen Vertrag
gebunden seyn, wodurch das Pfand dem zweyteo Pfandinhaber auf eine höhere Summe
verpflichtet, oder ein ihm nachtheiliger Zahlungstermin festgesetzt, wird so
muß er in diese Bedingungen des zweyten Versatzes ausdrücklich gewilligt haben.
§. 131. Ist der weitere Versatz ohne die Einwilligung des
ersten Verpfänders geschehen: so muß der erste Pfandinhaber jeden Zufall tragen,
von welchem die Sache bey dem zweyten betroffen wird; sobald nicht erhellet,
daß eben dieser Schade sich auch in der Gewahrsam des ersten Inhabers ereignet
haben würde.
§. 132. Zwischen dem zweyten Pfandinhaber und dem ersten
Verpfänder findet in diesem Falle eben das statt, was wegen Verpfändung fremder
Sachen, ohne Bewilligung des Eigenthümers, verordnet ist. (§. 73. sqq.)
§. 133. So lange jedoch der erste Pfandinhaber noch nicht
befriedigt worden, ist der zweyte nicht befugt, das Pfand, auch gegen Erstattung
dessen, was er selbst darauf zu fordern hat, dem ersten Verpfänder ohne die
Einwilligung des ersten Pfandinhabers zurückzugeben.
§. 134. Versagt der erste Pfandinhaber diese Einwilligung:
so kann der erste Verpfänder nur aus gerichtliche Niederlegung des bey dem
zweyten eingelösten Pfandes, oder auf Cautionsleistung nach Vorschrift §. 126.
antragen.
§. 135. Wenn der Pfandinhaber das Pfand ohne Einwilligung
des Verpfänders weiter versetzt hat, so ist letzterer befugt, dasselbe noch vor
Ablauf des bedungnen Zahlungstermins, durch vollständige Befriedigung des
ersten Pfandinhabers, als seines eigentlichen Gläubigers, wieder einzulösen.
§. 136. Das im Hypothekenbuche eingetragene Pfandrecht auf
eine unbewegliche Sache kann, gleich einer eingetragenen Hypothek, auch ohne
besondre Einwilligung des Schuldners, weiter verpfändet oder veräußert werden.
§. 137. Doch ist der Pfandinhaber dem Verpfänder von einer
solchen Verfügung Nachricht zu ertheilen schuldig.
§. 138. Hat der Pfandinhaber, ohne besondre Einwilligung des
Verpfänders, den Besitz und die Verwaltung des Grundstücks einem Andern
übertragen: so muß er dessen Handlungen gegen den Verpfänder, gleich seinen
eignen, vertreten.
f) Verwaltung und antichretische Nutzung.
§. 139. Ist eine fruchttragende Sache zum Pfände gegeben
worden: so hat, im Mangel besondrer Verabredungen, der Pfandinhaber das Recht
und die Pflicht, dieselbe zu verwalten, und die Früchte und Nutzungen davon
einzuziehen.
§. 140. Die nach Abzug der Kosten übrig bleibenden
Nutzungen, muß er zuerst auf die vorbedungenen Zinsen, und sodann auf den
Hauptstuhl seiner Forderung sich abrechnen.
§. 141. Die Annahme eines nutzbaren Pfandes enthält also,
wenn nicht ein Andres ausdrücklich verabredet ist, die Einwilligung des
Gläubigers, Ablösungszahlungen auf sein Capital, so weit die jährlichen
Ueberschüsse hinreichen, anzunehmen.
§. 142. Auch bey der Verwaltung eines solchen Pfandes muß
der Inhaber ein mäßiges Versehen vertreten.
§. 143. Ueber die Verwaltung selbst ist er dem Verpfänder
Rechnung abzulegen schuldig.
§. 144. Diese Rechnungslegung muß in der Regel bey der
Rückgabe des Pfandes erfolgen.
§. 145. Ist aber ein Haus, ein Landgut, ein Inbegriff
nutzbarer Sachen, oder sonst ein Grundstück, oder eine Gerechtigkeit von nicht
ganz geringem Ertrage, verpfändet worden: so kann der Verpfänder die
Rechnungslegung alljährig fordern.
§. 146. Auch wo die Rechnung erst bey der Rückgabe des
Pfandes gelegt wird, muß sie dennoch alljährig abgeschlossen werden;
dergestalt, daß die §. 140. vorgeschriebene Anrechnung der Nutzungen, zuerst
auf die Zinsen, und dann auf das Capital, mit dem Ablaufe eines jeden Jahres
erfolge.
§. 147. Wenn solchergestalt durch die gezogenen Nutzungen
der Pfandinhaber nach und nach befriedigt worden: so muß er dem Verpfänder
davon Anzeige machen, und demselben das Pfand zurückgeben.
§. 148. Thut er dieses nicht, so muß er die ferner erhobenen
Nutzungen, nach den höchsten vermöge des Standes des Inhabers zuläßigen Sätzen
verzinsen.
§. 149. Weigert er dem Verpfänder, auf sein Anmelden die
Rückgabe des Pfandes: so wird er von dem Zeitpunkte seiner Befriedigung an als
ein unredlicher Besitzer angesehen.
§. 150. Uebrigens sind die Pflichten des Pfandinhabers einer
fruchttragenden Sache, nach den von Verwaltung fremder Güter überhaupt
vorgeschriebenen Grundsätzen zu beurtheilen. (Tit. XIV. Sect. II.)
§. 151. Für die Verwaltung selbst kann keine besondre
Belohnung angesetzt werden, wenn dergleichen nicht ausdrücklich bedungen
worden.
§. 152. Dadurch, daß eine Sache zum Pfande gegeben worden,
wird in den darauf bereits haftenden Realansprüchen nichts geändert.
§. 153. Der Pfandinhaber muß also für diese Ansprüche, aus
der Sache und deren Nutzungen, gleich dem Verpfänder, gerecht werden.
§. 154. Dagegen ist der Verpfänder nicht befugt, die Rechte
des Pfandinhabers durch Auflegung neuer Reallasten zu schmälern.
§. 155. Aus der bloßen Einwilligung des Pfandinhabers in die
Auflegung solcher neuen Reallasten, folgt noch nicht, daß er sich, in Ansehung
derselben, seines Vorrechts begeben habe.
§. 156. Besteht jedoch die neue Reallast in einer
fortlaufenden alljährig oder sonst zu gewissen Zeiten wiederkehrendem
Prästation aus den Nutzungen der Sache: so ist der Pfandinhaber, welcher in
derem Auflegung ohne Vorbehalt gewilligt hat, selbige aus den Nutzungen,
vorzüglich vor den ihm selbst daraus zukommenden Hebungen, zu entrichten
verbunden.
§. 157. An- und Zuwüchse verpfändeter beweglicher Sachen,
sie mögen durch Natur oder Kunst entstehen, sind, im Mangel besondrer
Verabredungen, für mitverpfändet zu achten.
§. 158. Wie weit dergleichen An- und Zuwüchse bey
unbeweglichen zum Pfände eingeräumten Sachen als mitverpfändet anzusehen sind,
muß nach den Regeln des Hypothekenrechts beurtheilt werden. (§. 443. sqq.)
h) Rückgabe des Pfandes.
§. 159. Nach gehörig geleisteteter Erfüllung der
Hauptverbindlichkeit, ist der Schuldner die Rückgabe des dafür gegebenen Pfands
zu, fordern berechtigt.
§. 160. Nur so weit, als vor Ablauf der gehörigen Zeit Zahlung
geleistet werden kann, kann auch das dafür eingelegte Pfand zurückgefordert
werden.
§. 161. Verursacht die Herbeyschaffung des Pfandes außer der
Zeit, dem Pfandinhaber besondere Kosten: so ist der Schuldner dieselben zu
ersetzen verpflichtet,
§. 162. Hat aber der Pfandinhaber das Pfand ohne
Einwilligung des Schuldners weiter versetzt; oder sonst den Verwahrungsort
desselben unbefugter Weise verändert: (Tit. XIV. §. 14. 15. 16.) so kann er für
die daraus entstehenden Kosten der Herbeyschaffung keinen Ersatz fordern.
§. 163. Nur gegen vollständige Erfüllung der
Hauptverbindlichkeit, kann der Gläubiger zur Rückgabe des Pfandes angehalten
werden.
§. 164. Zu dieser vollständigen Erfüllung gehört auch die
Entrichtung der aus dem Hauptgeschäfte schuldig gewordenen Zinsen und Kosten;
§. 165. Ferner die Rückgabe oder Mortification des über das
Pfand ausgestellten Empfangscheins; (Tit. XVI. §. 125. sqq.)
§. 166. Ingleichen der Ersatz der zur Erhaltung des Pfandes
nothwendig oder nützlich verwendeten Auslagen.
§. 167. Für Verbesserungen verpfändeter Sachen kann der
Inhaber in der Regel nur in so fern Ersatz fordern, als der Verwahrer fremder
Sachen dergleichen zu verlangen berechtigt ist. (Tit. XTV. §. 41. 44. 45.)
§. 168. In so fern aber der Verpfänder die Sache zugleich zu
verwalten hatte, ist er, auch in Ansehung der gemachten Verbesserungen, als ein
Verwalter fremder Güter anzusehen. (Tit. XIV. Sect. II.)
§. 169. Ist eine fehlerhafte Sache zum Pfände gegeben worden;
und hat der Verpfänder die ihm bekannten Fehler dem Pfandgläubiger nicht
angezeigt: so ist letzterer, wegen des ihm dadurch entstandenen Schadens, auch
an das Pfand sich zu halten berechtigt.
§. 170. Gegen diesen Ersatz kann sich der Verpfänder durch den
Vorwand der Unwissenheit, die er bey Anwendung der gewöhnlichen Aufmerksamkeit
hätte vermeiden können, nicht schützen.
§. 171. Wegen Forderungen, die dem Gläubiger aus einem
andern Geschäfte an den Schuldner oder Verpfänder zustehn, kann sich ersterer an
das Pfand nicht halten.
§. 172. Nur in Fällen, wo der Gläubiger, wegen solcher
anderweitigen Forderungen an den Verpfänder, Arrest anzulegen berechtigt seyn
würde, kann er die Ausantwortung des Pfandes versagen.
§. 173. Doch kann auch in diesen Fällen der Verpfänder auf
die Ablieferung des Pfandes in gerichtliche Verwahrung antragen.
§. 174. Nur in Fällen, wo der Gläubiger abschlägliche
Zahlungen anzunehmen verpflichtet ist, kann er auch angehalten werden, einen
Theil der verpfändeten Sache herauszugeben. (Tit. XVI. §. 57. sqq.)
§. 175. Doch gilt dieses nur alsdann, wenn die verpfändeten
Stücke nicht zusammen ein Ganzes ausmachen, sondern der Werth eines jeden
einzeln bestimmt ist.
§. 176. Auch ist er zu dieser Herausgabe eines Theils der
verpfändeten Sachen nur in so fern schuldig, als sämmtliche verfallene Zinsen
bezahlt sind, und der Rest des Pfandes, nach der Taxe, den doppelten Betrag des
Restes der Schuld, mit Beyrechnung zweyjähriger Zinsen, erreicht oder
übersteigt.
§. 177. Nimmt der Gläubiger eine Abschlagszahlung freywillig
an: so kann er, wenn nicht ein Anderes verabredet ist, einen Theil des Pfandes
herauszugeben nicht angehalten werden.
§. 178. Wenn einer von mehrern Mitschuldnern nur seinen
Antheil bezahlt: so kann er die Rückgabe des ganzen Pfandes, auch wenn er
allein der Verpfänder wäre, nicht fordern.
§. 179. In wie fern er aber die Rückgabe eines Theils
fordern könne, ist nach den Vorschriften §. 174-177. zu bestimmen.
§. 180. Der Gläubiger ist das Pfand nur an den Schuldner,
oder dessen Erben oder Special-Bevollmächtigten, zu verabfolgen befugt, und
verpflichtet.
§. 181. Eine von mehrern Schuldnern verpfändete
gemeinschaftliche Sache darf einem derselben, wenn er auch die ganze Schuld zu
bezahlen erböthig(!) ist, dennoch ohne ausdrückliche Bewilligung der übrigen
nicht verabfolgt werden.
§. 182. Ist also bey der Legitimation desjenigen, welcher
das Pfand zurückfordert, ein Bedenken: so muß der Pfandgläubiger dasselbe
gerichtlich niederlegen. (Tit. XVI. Sect. III.)
§. 183. Das von dem Bürgen eingelegte Pfand muß, wenn auch
der Hauptschuldner Zahlung leistet, doch nicht diesem, sondern dem Bürgen
zurückgegeben werden.
§. 184. Der Pfandinhaber muß dem Verpfänder für ein bey der
Rückgabe des Pfandes begangnes grobes oder mäßiges Versehen haften.
§. 185. Ist durch ein solches Versehen des gewesenen
Inhabers das Pfand in die Hände eines Dritten gekommen: so steht zwar dem
Verpfänder auch gegen diesen das Rückforderungsrecht in eben dem Maaße zu, wie
die Gesetze dasselbe einem jeden Eigenthümer oder vollständigen Besitzer
beylegen; (Tit. XV.)
§. 186. Kann er aber das Pfand von diesem Dritten entweder
gar nicht, oder nur gegen Ersatz und mit Kosten zurück erhalten: so muß ihn der
gewesene Pfandinhaber dafür entschädigen.
§. 187. Der Gläubiger kann die Verabfolgung des Pfandes an
den Verpfänder, unter dem Vorwande eines ihm selbst oder einem Dritten daran
zukommenden bessern Rechts, nur in den Fällen, und mit den Maaßgaben
verweigern, wie dergleichen Zurückbehaltung bey einem Verwahrer fremder Sachen statt
findet. (Tit. XIV. §. 68. sqq.)
§. 188. Das eingelöste Pfand muß der Regel nach in eben dem
Stande, in welchem es übergeben worden, zurück gewährt werden.
§. 189. Alle daran durch grobes oder mäßiges Versehen
gemachten Beschädigungen muß der Pfandinhaber ersetzen. (§. 121.122.)
§. 190. In wiefern der Verpfänder den Betrag dieser
Entschädigung von dem Pfandschillinge sofort abziehn, oder einen
verhältnißmäßigen Theil des letztern mit Arrest beschwingen und gerichtlich
niederlegen könne, ist nach den Vorschriften der Gesetze von Compensationen,
Arrestanlegungen und Depositionen überhaupt, zu beurtheilen.
§. 191. War mit dem Besitze des Pfandes zugleich die
Verwaltung desselben verknüpft: so ist der Pfandinhaber, auch wegen seiner
Obliegenheiten bey der Rückgewähr, als ein Verwalter fremder Güter anzusehen.
§. 192. Sind Pfänder verschlossen oder versiegelt
niedergelegt worden: so finden, in Ansehung der Rückgabe, eben die Vorschriften
Anwendung, als wenn dergleichen Sachen jemanden in Verwahrung gegeben sind.
(Tit. XIV. §. 26. sqq.)
§. 193. Auch wegen eines Verlustes des Pfandes, welcher sich
im Besitze des Pfandinhabers ereignet, findet dasjenige statt, was für den
Fall, wenn eine niedergelegte Sache bey dem Verwahren verloren geht, verordnet
ist. (Ebend. §. 35-40.)
§. 194. Hat der Pfandnehmer in dem über die Ablieferung des
Pfandes ausgestellten Empfangschein einen gewissen Werth desselben angegeben:
so muß er in allen Fällen, wo es auf den Ersatz des Werths ankommt, dergleichen
Angabe wider sich gelten lassen.
§. 195. Erhellet aber aus der Fassung, daß der im
Empfangscheine ausgedrückte Werth sich bloß auf die Angabe des Verpfänders
gründe: so ist der Pfandnehmer, wenn er kein Sachverständiger ist, an diese
Angabe nicht gebunden; sondern muß, im vorkommenden Falle, mit dem Nachweise
eines mindern Werths gehört werden.
§. 196. Der Verpfänder muß in allen Fällen mit dem von ihm
nach Inhalt des Empfangscheines angegebenen Werthe sich begnügen; und kann nur
alsdann, wenn der Inhaber den Verlust des Pfandes vorsetzlicn veranlaßt hat,
den Werth der besondern Vorliebe fordern.
i) Veräußerung.
§. 197. Wenn der Schuldner das Pfand zur Verfallzeit nicht
einlöst: so ist der Gläubiger die gerichtliche Veräußerung desselben
nachzusuchen befugt;
§. 198. Doch muß der Schuldner zuvor rechtlich gehört, und
zur Wiedereinlösung des Pfandes, gleich jedem Beklagten, vorgeladen werden.
§. 199. Wie dabey, ingleichen bey der gerichtlichen
Veräußerung des Pfandes selbst, durch Auction oder Subhastation zu verfahren
sey, bestimmt die Prozessordnung.
§. 200. So lange der gerichtliche Zuschlag noch nicht
erfolgt ist, kann der Verpfänder das Pfand, jedoch nur gegen baare Zahlung der
gesammten Forderung des Pfandinhabers, mit Inbegriff der bereits aufgelaufenen
Gerichtskosten, annoch einlösen.
§. 201. Wenn mehrere Pfandstücke, die nicht zusammen ein
Ganzes ausmachen, für eine Schuld eingelegt worden: so dürfen doch nur so viele
davon, als zur Befriedigung des Gläubigers erforderlich sind, veräußert werden.
§. 202. Findet nach Beschaffenheit der Pfandstücke, ein und
eben dieselbe Art des gerichtlichen Verkaufs bey allen statt: so müssen zwar
alle zugleich dazu ausgeboten werden;
§. 203. Im Verkaufstermine selbst aber ist mit dem Zuschlage
nur so weit zu verfahren, als es nöthig ist, um die zur Befriedigung des
Gläubigers erforderliche Summe, mit Inbegriff der Kosten, herbeyzuschaffen.
§. 204. In welcher Ordnung mit dem Zuschlage der einzelnen
Stücke zu verfahren sey, hängt, wenn der Verpfänder im Verkaufstermine gegenwärtig
ist, von der Erklärung desselben ab.
§. 205. Ist der Verpfänder nicht gegenwärtig; so bestimmt
der Richter die Folgeordnung.
§. 206. Dieser muß mit denjenigen Stücken, deren Veräußerung
dem Schuldner am wenigsten nachtheilig seyn dürfte, den Anfang machen.
§. 207. Ist, nach Beschaffenheit der Pfandstücke, bey
einigen Subhastation, bey andern aber nur Auction erforderlich: so bestimmt der
Betrag der Forderung des Gläubigers im Verhältnisse gegen die Taxe der
einzelnen Pfandstücke: ob nur mit der Auction der Anfang gemacht; oder ob
sämmtliche Pfandstücke zugleich durch Subhastation feil geboten werden sollen.
§. 208. Im letztern Falle finden die Vorschriften §.
203-206. Anwendung.
§. 209. Im erstern Falle wird nicht eher zur Subhastation
geschritten, als bis sich gefunden hat, daß die Auctionslosung zur Befriedigung
des Gläubigers nicht hinreichend sey.
§. 210. Aus dem gelöseten Werthe der veräußerten Waldstücke
muß dem Gläubiger alles das berichtiget werden, was er von dem Schuldner auf
den Fall der Einlösung, nach §. 163-169. zu fordern berechtigt ist.
§. 211. Die Kosten des Prozesses und der Veräußerung müssen
von dem gelöseten Gelde vorweg abgezogen werden.
§. 212. Was nach Abzug dessen und nach vollständiger
Befriedigung des Gläubigers noch übrig bleibt, wird dem Schuldner
zurückgegeben.
§. 213. Ein vor dem Verfalltage geschlossener Vertrag, daß
der Gläubiger den bey der Veräusserung des Pfandes sich ergebenden Ueberschuß
gewinnen, dagegen aber auch einen dabey entstehenden Ausfall an seiner
Forderung tragen solle, ist für beyde Theile unverbindlich.
§. 214. Auch diejenigen Pfandstücke, welche zur Befriedigung
des Gläubigers nicht erforderlich gewesen sind, müssen dem Verpfänder, nach
erfolgtem Verkaufe der übrigen, und angelegter Berechnung zurückgegeben werden.
§. 215. So weit der Gläubiger die Herausgabe des Pfandes
selbst, wegen andrer Forderungen, zu weigern befugt seyn würde (§. 172. 173.)
so weit kann er dieses Recht auch auf den dem Schuldner sonst kommenden
Ueberschuß des Kaufgeldes, ingleichen auf die zur Deckung des Pfandschillings
nicht mehr erforderlichen Stücke ausüben.
§. 216. Bey gerichtlich veräußerten Pfändern, ist der
Gläubiger dem Käufer zur Gewährsleistung nur so weit verpflichtet, als dieselbe
bey gerichtlichen Veräußerungen überhaupt statt findet. (Tit. XI. §. 344.)
§. 217. Hat aber der Gläubiger das Pfand, vermöge eines mit
dem Schuldner getroffenen Abkommens, (§. 29. sqq.) außergerichtlich veräußert:
so ist er dem Käufer zur Gewährsleistung, gleich jedem andern Verkäufer
verpflichtet.
§. 218. Ist der außergerichtliche Verkauf mit Zuziehung des
Verpfänders geschehen: so haftet der Verpfänder hauptsächlich, der Pfandinhaber
hingegen als Bürge, dem Käufer für die Eviction.
§. 219. Den bey einem außergerichtlichen Verkaufe
verbleibenden Ueberschuß des Pfandwerths, muß der Pfandinhaber dem Verpfänder
sogleich nach geschehenem Verkaufe herauszahlen.
§. 220. Zögert er damit: so muß er dafür, vom Tage des
Verkaufs, die gesetzmäßigen Zögerungszinsen entrichten.
§. 221. Unter eben den Umständen, unter welchen der
Verpfänder den Gläubiger nöthigen kann, sich im Wege der Execution zuerst an
das Pfand zu halten, (§. 46. sqq.) hat er auch das Recht, nach abgelaufenem
Zahlungstermine, auf die gerichtliche Veräußerung des Pfandes, selbst wider den
Willen des Pfandinhabers anzutragen.
4) Vorrecht im
Concurs.
§. 222. Die Rechte und Pflichten des Pfandgläubigers werden
durch einen über das Vermögen des Verpfänders entstandenen Concurs nicht
geändert.
§. 223. Vielmehr genießt der Pfandinhaber alsdann die in der
Concursordnung näher bestimmten Vorrechte.
5) Nebenverträge.
§. 224. Die Rechte und Pflichten des Pfandgläubigers und
Schuldners können von den Parteyen durch Nebenverträge, so weit solche nicht in
den Gesetzen verboten sind, anders bestimmt werden.
§. 225. Dem Schuldner ist erlaubt, sich vorzubedingen, daß
der Gläubiger seine Befriedigung nicht aus der Substanz, sondern bloß aus den
Nutzungen des Pfandes nehmen solle.
§. 226. Dem Gläubiger kann die Verbindlichkeit, von den
gezognen Nutzungen des Pfandes Rechnung abzulegen, durch einen zur Verfallzeit
geschlossenen Vertrag gültig erlassen werden.
§. 227. Dagegen ist zur Gültigkeit eines frühern Vertrages,
vermöge dessen der Gläubiger das Pfand statt der Zinsen seiner Forderung, ohne
Rechnungslegung nutzen soll, die richterliche Bestätigung nothwendig.
§. 228. Vor der Bestätigung muß der Richter sorgfältig
prüfen: ob unter diesem Vertrage nicht ein heimlicher Wucher verborgen liege.
§. 229. Bey der Beurtheilung: in wie fern dergleichen Wucher
vorhanden sey, muß auf das Verhältniß des Ertrages gegen die erlaubten Zinsen des
Vorschusses, und auf die mindere oder mehrere Zuverläßigkeit der statt der
Zinsen zu erhebenden Nutzungen, Rücksicht genommen werden.
§. 230. Daraus also, daß der Ertrag nach dem Anschlage die
erlaubten Zinsen übersteigt, folgt allein noch nicht die Unzuläßigkeit eines
solchen Abkommens.
§. 231. Uebersteigt der nach wirtschaftlichen Grundsätzen
ausgemittelte reine Ertrag die erlaubten Zinsen um mehr als Ein Drittel; so
darf die Bestätigung nicht ertheilt werden.
§. 232. Hängt dagegen der Ertrag ganz oder doch
hauptsächlich vom Zufalle ab: so ist das Geschäft nach den Regeln von gewagten
Verträgen zu beurtheilen.
§. 233. Die gerichtliche Bestätigung soll in der Regel bey
dem Richter der Sache nachgesucht werden.
§. 234. Der persönliche Richter des Schuldners, so wie der
Richter des Orts, wo der Vertrag geschlossen worden, sollen diese Bestätigung
nur in so fern ertheilen, als ihnen von den Contrahenten hinlängliche
Nachrichten, um die Zuläßigkeit eines solchen Vertrages nach obigen Grundsätzen
(§. 228. sqq.) zu beurtheilen, vorgelegt werden können.
§. 235. Ist ein Vertrag, wonach der Gläubiger die Nutzungen
des Pfandes, statt der Zinsen, ohne Rechnungslegung genießen soll, nicht
gerichtlich bestätigt worden: so ist derselbe für beyde Theile unverbindlich.
§. 236. Hat also der Gläubiger das Pfand in Besitz und Genuß
wirklich übernommen; so ist er, des Vertrages ungeachtet, Rechnung zu legen
befugt und schuldig.
§. 237. Ein Gleiches findet statt, wenn ein dergleichen
Pfandgeschäft unter dem Namen eines Wiederkaufs verborgen worden. (Tit. XI. §.
321. sqq.)
§. 238. Ist aber der Vertrag einmal gültig geschlossen
worden: so sind beyde Theile bis zum Ablaufe der contraktmäßigen Zeit daran
gebunden; und keiner von ihnen kann, wenn auch durch veränderte Umstände eine Erhöhung
oder Verminderung des gewöhnlichen Ertrages verursacht worden, davon einseitig
abgehn.
§. 239. Ist bey Bestellung eines solchen nutzbaren
Pfandrechts, wegen der Erhaltungs- und Verbesserungskosten der Substanz, nichts
Besondres verabredet worden: so ist der Pfandinhaber in so weit als ein Pächter
anzusehen.
§. 240. Ein Vertrag, wodurch der Schuldner dem Ersatze aller
von dem Pfandinhaber verursachten Beschädigungen zum voraus entsagt, ist für
erstern unverbindlich;
§. 241. Doch kann die Vertretungspflicht des Pfandinhabers
auf solche Beschädigungen, die aus Vorsatz oder grobem Versehen zugefügt
worden, durch Vertrag gültig eingeschränkt werden.
§. 242. Was von einem statt der Zinsen bestellten nutzbaren
Pfandrechte §. 227. sqq. verordnet ist, gilt auch alsdann, wenn der Vertrag
dahin geht, daß durch die auf einen gewissen Zeitraum ohne Rechnungslegung
eingeräumte Nutzung des Pfandes, die Capitalsforderung selbst getilgt seyn
solle.
6) Aufhebung des Pfandrechts.
§. 243. Außer den allgemeinen Arten der Aufhebung der Rechte
und Verbindlichkeiten überhaupt, und der Pfandrechte insonderheit (§. 55. sqq.)
können letztere auch durch Verjährung verloren gehen.
§. 244. Der Gläubiger verliert sein Pfandrecht, wenn er den
Besitz des Pfandes verloren, und sein Recht zur Rückforderung desselben
innerhalb der gesetzmäßigen Frist nicht ausgeübt hat.
§. 245. Diese Verjährung durch Nichtgebrauch steht dem
Gläubiger auch in Ansehung des Schuldners selbst, und seiner Erben, mit der im
Neunten Titel §. 568. 569. bestimmten Wirkung entgegen.
§. 246. So lange hingegen das Pfand, als ein solches, sich
noch im Besitze des Gläubigers befindet, kann das Pfandrecht desselben durch
keine Verjährung verloren gehn.
§. 247. So lange das Pfandrecht dauert, kann auch keine
Verjährung der Schuld zum Besten des Schuldners anfangen.
§. 248. Dagegen finden in Ansehung der versessenen
Zinsentermine, und desjenigen Theils der Schuld, welcher aus dem Pfande nicht
bezahlt werden kann, die gewöhnlichen Regeln von der Verjährung statt.
§. 249. Wenn auch der Eigenthümer der Sache durch Verjährung
geändert wird: so hat doch diese Veränderung auf das Pfandrecht des
Pfandgläubigers keinen Einfluß.
§. 250. Der Pfandgläubiger selbst kann eine Verjährung zum
Erwerbe des Eigenthums des Pfandes niemals anfangen.
§. 251. Wohl aber kann dieses von seinen Erben geschehen,
wenn die übrigen Erfordernisse der Verjährung bey ihnen vorhanden sind. (Tit.
VII. §. 40. 41.42.)
§. 252. Eine solche Verjährung nimmt mit dem Tage des
Erbanfalls ihren Anfang.
§. 253. Wer sich des Besitzes der verpfändeten Sache
freywillig und ohne Vorbehalt entschlägt, der verliert sein Pfandrecht.
§. 254. Auch ein Vorbehalt, mit welchem das Pfand dem
Schuldner, oder einem Andern ausgeantwortet wird, kommt dem Gläubiger nur gegen
den Empfänger, nicht aber gegen einen Dritten, zu statten.
§. 255. Daraus, daß der Gläubiger den ihm eingeräumten
Besitz eines unbeweglichen Pfandes wieder aufgegeben hat, folgt noch nicht der
Verlust seines im Hypothekenbuche eingetragnen dinglichen Rechts.
§. 256. Wer den Besitz eines Pfandes gegen den Schuldner,
oder den vindicirenden Eigenthümer vorsetzlich läugnet, wird seines Pfandrechts
zur Strafe verlustig.
§. 257. Wie weit durch den Untergang eines unbeweglichen
Pfandes das Pfandrecht selbst verloren gehe, ist nach den vom Verluste der
Rechte durch Untergang überhaupt vorgeschriebenen Grundsätzen zu beurtheilen.
(Tit. XVI. §. 2. 3.)
§. 258. In wie fern der Pfandinhaber eines in Verfall
gerathenen Gebäudes, bey verweigerter Wiederherstellung desselben, seines
Pfandrechts verlustig werde, ist im Titel vom Eigenthume näher bestimmt. (§.
Tit. VIII. §. 44. sqq.).
§. 259. Durch den gänzlichen Untergang eines beweglichen
Pfandes hört das Pfandrecht des Gläubigers auf, und eine von dem Schuldner
statt der verlornen angeschaffte neue Sache von derselben Art tritt in so weit
nicht an die Stelle der vorigen.
§. 260. Doch kann der Gläubiger, dessen Pfand ohne seine
Schuld verloren gegangen ist, von dem Schuldner Zahlung, oder Bestellung einer
andern Sicherheit fordern,
§. 261. Ist das bewegliche Pfand nicht ganz verloren
gegangen; sondern nur vermindert, oder in eine Sache von andrer Art verändert
worden: so wird das Pfandrecht auch auf dem Ueberreste, oder auf der
veränderten Sache.
§. 262. Wird die von dem Pfandgläubiger seiner Befriedigung
halber vorgenommene Veräußerung rückgängig; und gelangt das Pfand wiederum in
seinen Besitz: so tritt auch das Pfandrecht wieder in seine Wirksamkeit.
II. Vom Pfandgewerbe.
§. 263. Wer das Geldverleihen auf Pfänder als ein Gewerbe
treiben will, muß sich dabey der besondern Aufsieht der Polizeyobrigkeit des
Orts unterwerfen; und die solchem Gewerbe in den Gesetzen vorgeschriebene
besondre Form beobachten.
§. 264. Er muß sich also bey der Obrigkeit melden, und die
Eintragung in das über die öffentlichen Pfandverleiher zu haltende Register, so
wie die Ertheilung eines Erlaubnißscheins zu diesem Gewerbe, nachsuchen.
§. 265. Christliche Kaufleute, ingleichen Juden, welche
christliche Rechte erlangt haben, sind als öffentliche Pfandverleiher noch
nicht anzusehen, wenn sie gleich bey Gelegenheit eines Darlehns, oder andern
kaufmännischen Geschäfts, Pfänder nehmen.
§. 266. Dagegen sind alle andre Privatpersonen, welche mehr
als Dreymal, binnen Jahresfrist, Geld gegen Pfand verliehen haben, dafür, daß
sie den Pfandverkehr als ein Gewerbe treiben, zu achten: und daher als solche,
wenn sie ferner auf Pfänder leihen wollen, sich in die Register eintragen zu
lassen verpflichtet.
§. 267. Eben das gilt von denjenigen, die auch nur Einmal
dergleichen Darlehne gemacht; sich aber dabey die bloß den öffentlichen
Pfandverleihern erlaubten höhern Zinsen vorbedungen haben.
§. 268. Oeffentliche Pfandverleiher müssen sowohl die
allgemeinen Verordnungen des gegenwärtigen Titels, als die zur Sicherung des
Publici gegen Wucher und Betrug abzielenden Verordnungen des für dies Gewerbe
besonders ergangenen Reglements genau beobachten.
§. 269. Dagegen haben sie auch der in eben diesem Reglement
bestimmten Vorrechte, sowohl im Prozesse, als wegen des ihnen gestatteten hohem
Zinsfußes, sich zu erfreuen.
§. 270. Diejenigen, welche nach §. 266. 267. als öffentliche
Pfandverleiher sich eintragen zu lassen schuldig sind, und es nicht thun,
können auf diese Vorrechte nicht Anspruch machen; und müssen dennoch die den Pfandverleihern
in dem Reglement ertheilten besondern Vorschriften, bey Vermeidung der auf den
Unterlassungsfall verordneten nachtheiligen Folgen, beobachten.
III. Verpfändungen beweglicher Sachen ohne körperliche
Uebergabe.
I) Ueberhaupt.
§. 271. Verpfändungen durch symbolische Uebergabe finden nur
bey Sachen statt, wo entweder die Natur des Gegenstandes keine eigentliche
körperliche Uebergabe zuläßt, oder wo die Gesetze die Parteyen ausdrücklich
davon dispensiren.
§. 272. Aber auch bey solchen Sachen kann die Verpfändung
ohne körperliche Uebergabe nur im so fern mit rechtlicher Wirkung erfolgen, als
ihr Besitz auf den Pfandgläubigers durch solche Zeichen übertragen werden kann,
aus welchen diese mit dem Besitze vorgefallene Veränderung auch für andre, außer
den contrahirenden Parteyen, ersichtlich ist.
§. 273. Es muß also in einem solchen Falle nicht nur eine
schriftliche Erklärung des Schuldners, den Besitz dem Gläubiger übertragen zu
wollen, entweder im Pfandvertrage selbst, oder in einer eignen Urkunde vorhanden
seyn; sondern auch eine symbolische Uebergabe hinzukommen.
§. 274. Es müssen aber auch noch außerdem zwischen dem
Verpfänder und Pfandgläubiger solche Maaßregeln genommen werden, daß kein
Dritter, ohne eignes grobes Versehen, verleitet werden könne, zu glauben, als
ob dem Verpfänder über die Sache und deren Besitz annoch die freye Disposition
zustehe.
§. 275. Sind diese Maaßregeln unzureichend: so kann der
Pfandgläubiger gegen einen Dritten, welcher zum Naturalbesitze redlicher Weise
gelangt ist, von seinem: Pfandrechte keinen Gebrauch machen.
§. 276. Ist, wegen Unzulänglichkeit dieser Maaßregeln, ein
Dritter verleitet worden, mit dem Verpfänder über die Sache in Verträge sich
einzulassen; so bleibt zwar, so lange, noch keine Naturalübergabe an diesen
Dritten erfolgt ist, das Pfandrecht des Gläubigers in seiner Kraft;
§. 277. Der Pfändgläubiger muß aber einem solchen
Contrahenten, wegen alles demselben daraus entstehenden wirklichen Schadens, in
so fern der Verpfänder selbst dazu nicht vermögend ist, gerecht werden.
§. 278. Von dieser Vertretung kann jedoch ein solcher Pfandgläubiger
durch Entsagung seines Pfandrechts sich befreyen.
§. 279. Auch fällt diese Vertretung ganz hinweg wenn der
Dritte Contrahent sich eines groben Versehens schuldig gemacht hat.
§. 280. Für ein grobes Versehen von Seiten des Dritten ist
es zu achten, wenn derselbe diejenigen Mittel, welche ihm die folgenden
Vorschriften zur Einziehung näherer Erkundigungen über eine geschehene
Verpfändung an die Hand geben, vernachläßigt hat.
2) Insonderheit bey ausstehenden Forderungen.
§. 281. Ausstehende Forderungen können nur durch
Aushändigung der darüber auf einen gewissen Inhaber ausgestellten Urkunden
gültig verpfändet werden.
§. 282. Ist dieses geschehen, und der Schuldner der
verpfändeten Post hat an den Verpfänder Capitalszahlungen geleistet, ohne sich
das Instrument zurückgeben; oder die Abschlagszahlungen darauf vermerken zu
lassen: so kann er sich damit gegen den Pfandinhaher nicht schützen; sondern
muß sich deshalb an den Verpfänder, als seinen eigentlichen Gläubiger, halten.
§. 283: Wenn also nur das verpfändete Capital dem
Pfandinhaber zur Sicherheit haften soll: so ist eine ausdrückliche
Bekanntmachung an den Schuldner zwar rathsam, aber nicht nothwendig.
§. 284. Sollen hingegen dem Pfandgläubiger auch die Zinsen
einer solchen Activforderung mit verpfändet seyn: so muß derselbe dafür sorgen,
daß die geschehene Verpfändung dem Schuldner von dem Pfandgeber ausdrücklich
bekamt gemacht werde.
§. 285. Was bey Verpfändungen solcher Forderungen, die im
Hypothekenbuche eingetragen sind, zu beobachten sey, wird unten bestimmt. (§.
511. sqq.)
§. 286. Banknoten, Pfandbriefe, und andre auf jeden Inhaber
lautende Instrumente, können zwar an sich durch körperliche Uebergabe gültig
verpfändet werden;
§. 287. Wenn jedoch dergleichen Instrumente nicht außer
Cours gesetzt sind: so dauert das dingliche Recht des Pfandgläubigers auf
selbige nur so lange, als sie sich wirklich in seiner Gewahrsam befinden; und
hat gegen einen dritten Besitzer nur unter den im Fünfzehnten Titel §. 53.
beschriebenen Umständen statt.
§. 288. Sollen Activforderungen, über welche kein Instrument
vorhanden ist, verpfändet werden: so ist die Bekanntmachung an den Schuldner
derselben dazu nothwendig.
§. 289. Sind Activforderungen nur verpfändet worden: so kann
der Pfandgläubiger auf deren Einziehung nur unter eben den Umständen antragen,
unter welchen er die Veräußerung des Pfandes zu suchen berechtigt ist.
§. 290. Besteht die verpfändet gewesene Activforderung nicht
in baarem Gelde, sondern in Naturalien, oder andern Sachen: so bekommt der
Gläubiger, durch deren Einziehung, auf diese Sachen nur die Rechte eines
eigentlichen Pfandinhabers.
§. 291. Will er sich also daraus bezahlt machen: so muß
wegen deren Veräußerung alles das beobachtet werden, was wegen Veräußerung der
Pfänder überhaupt vorgeschrieben ist.
§. 292. Bestehen jedoch diese verpfändet gewesenen und
eingezogenen Naturalien in Getreyde, oder andern Erzeugnissen, die einen
gewissen marktgängigen Preis haben: so muß der Gläubiger sich den Werth
derselben nach dem mittleren Marktpreise der nächsten Stadt, zur Zeit der
Einziehung, anrechnen lassen.
§. 293. So weit der Gläubiger sein Recht an den Verpfänder
einem Dritten abtreten kann; so weit kann er auch die ihm zum Unterpfande
gegebene Forderung ferner versetzen.
§. 294. Es muß aber dabey alles, was bey der ersten
Verpfändung vorgeschrieben ist, ebenfalls beobachtet werden.
§. 295. Der zweyte Pfandinhaber kann auf die verpfändete
Forderung kein mehreres oder größeres Recht erlangen, als dem ersten eingeräumt
worden.
§. 296. Der Schuldner der verpfändeten Forderung ist weder
befugt, noch verbunden, dem Pfandinhaber, ohne ausdrückliche Anweisung des
Verpfänders, oder ohne richterlichen Befehl, Zahlung zu leisten.
§. 297. Ist ihm die geschehene Verpfändung bekannt gemacht
worden: so findet im übrigen zwischen ihm und dem Pfandinhaber eben das statt,
was wegen des Verhältnisses zwischen dem abgetretenen Schuldner und dem
Cessionario vorgeschrieben ist. (Tit. XI. §. 402. sqq.)
§. 298. Ueberhaupt können die Rechte und Pflichten des
Schuldners, auch wegen des Zahlungstermins, durch Verpfändungen so wenig, als
durch Cessionen, erschwert werden.
3) bey Kähnen und Strohmschiffen.
§. 299. Kähne und andere dergleichen Schiffsgefäße, die
nicht zur Fracht-Schifffahrt gebraucht werden, können nur, gleich andern
beweglichen Sachen, durch die Naturalübergabe in die Gewahrsam des Gläubigers
verpfändet werden.
4) bey Frachtschiffen.
§. 300. Bey Seeschiffen und allen andern Schiffsgefäßen,
welche zur Fracht-Schifffahrt bestimmt sind, findet eine Verpfändung auch durch
symbolische Uebergabe statt.
§. 301. An Orten, wo Seegerichte sind, können dergleichen
Verpfändungen nur vor diesen; an andern Orten aber vor einem jeden Gerichte,
oder auch vor einem Justizcommissario, gültig vollzogen werden.
§. 302. Der Verpfänder muß den Beibrief, ingleichen den
Kaufbrief, oder das Certifikat, und überhaupt diejenigen Urkunden, worauf sein
Eigenthumsrecht sich gründet, im Originale vorlegen.
§. 303. Unter diese Urkunden muß die geschehene Verpfändung
von dem Gerichte oder dem Justizcommissario verzeichnet werden.
§. 304. Der Pfandnehmer erhält eine beglaubte Abschrift
dieser Urkunden, und des unter den Originalien befindlichen Vermerks; in welchem
zugleich, daß eine dergleichen Abschrift ertheilt worden, ausdrücklich erwähnt
werden muß.
§. 305. Durch die Uebergabe dieser beglaubten Abschrift wird
die Verpfändung selbst vollzogen.
§. 306. Eine ausdrückliche Bekanntmachung an den Capitain,
Schiffer oder Steuermann ist nicht nothwendig; sie muß aber auf Verlangen des
Pfandgläubigers erfolgen.
§. 307. So lange die §. 304. bezeichnete Abschrift in den
Händen des Gläubigers sich befindet, und eine geschehene Wiederaufhebung des
Pfandrechts unter den Originalien in der §. 303. vorgeschriebenen Form nicht
verzeichnet ist; so lange kommen dem Gläubiger auf das verpfändete Schiff die
Rechte eines wirklichen Pfandinhabers zu.
§. 308. Auch ist derselbe dergleichen Pfandrecht auf eben
die Art, wie bey verpfändeten Activforderungen vorgeschrieben worden, weiter zu
versetzen wohl befugt. (§. 281. sqq.)
§. 309. Das Pfandrecht des Gläubigers erstreckt sich jedoch
nicht auf die für ein solches Schiff gezeichnete Versicherung.
§. 310. Wer auch auf diese ein Pfandrecht sich verschaffen
will, muß sich die Original-Police aushändigen lassen; und solche Vorkehrungen
treffen, daß die Vergütung von dem Versicherer an niemand andern, als an ihn,
oder seine Ordre, gezahlt werden könne.
§. 311. Auch auf die von dem Schiffe verdienten Frachtgelder
erlangt der Gläubiger, durch die bloße Verpfändung des Schiffes selbst, noch
kein Pfandrecht.
§. 312. Vielmehr muß derjenige, welcher dergleichen Recht
erlangen will, sich die Urkunden, aus denen die Fracht gefordert werden kann,
ausantworten lassen; und im übrigen die §. 310. wegen der Versicherungsgelder
gegebene Vorschrift befolgen.
§. 313. Ist ein Schiff auf vorstehende Art (§. 300. sqq.)
mehrern Gläubigern verpfändet worden: so gehen die nach dem Dato des
gerichtlichen Vermerks ältern Pfandrechte den jüngern vor.
§. 314. Bodmerey, welche ein fremder Schiffer in hiesigen
Landen, oder ein hiesiger Schiffer in auswärtigen Häfen nimmt, ist an die
gegenwärtigen Vorschriften nicht gebunden.
§; 315. Andre Bodmerey hingegen, besonders die, welche der
Rheder in hiesigen Landen nimmt, muß gleich den Verpfändungen, auf den
Schiffsurkunden verzeichnet werden.
§. 316. Alsdann richtet sich das Vorrecht zwischen dem
Pfandinhaber und Bodmereygeber nach dem Datum des Vermerks.
§. 317. Hat der Bodmereygeber sein Darlehn solchergestalt
unter den Original-Schiffsurkunden nicht verzeichnen lassen: so steht er allen
Pfandgläubigern, ohne Unterschied der Zeit des gemachten Darlehns, in der Regel
nach. (§. 321.)
§. 318. Wer zum Baue oder Ausbesserung eines Schiffs
Materialien geliefert, Arbeiten gethan, oder Gelder vorgeschossen hat, ist
befugt, die Einräumung eines Pfandrechts auf das Schiff, durch Verzeichnung
seines Anspruchs auf die Original-Schiffsurkunden, zu fordern.
§. 319. So lange aber die wirkliche Verpfändung
solchergestalt in der gesetzmäßigen Form noch nicht vollzogen ist, bleibt ihm
nur das in der Concursordnung bestimmte Privilegium hinter den Pfandgläubigern.
§. 320. Ist jedoch ein Schiff während der Reise auf Credit
ausgebessert worden: so hat dergleichen Vorschuß, in so fern er nicht durch
Assecuranz oder Haverey-Rechnung vergütet wird, vor allen, auch den wirklichen
Pfandschulden, den Vorzug.
§. 321. Eben so geht Bodmerey welche der Schiffer auf der
Reise im Nothhafen genommen hat, allen, auch frühern Verpfändungen, vor.
§. 322. Aber auch eine solche Bodmerey steht den nach §.
320. zur Ausbesserung des Schiffs, während der Reise, später geleisteten
Vorschüssen nach.
§. 323. Es ist aber das Vorzugsrecht der von dem Schiffer im
Nothhafen genommenen Bodmerey (§. 321.) oder gemachten Reparaturschulden (§.
320.) nur auf Ein Jahr eingeschränkt.
§. 324. Dieses Jahr wird bey der Bodmerey von dem Tage, da
der Bodmereybrief zahlbar, und bey Reparaturschulden, von dem Tage, da das
Schiff in den Hafen, wohin es gehört, zurück gekommen ist, angerechnet.
§. 325. Die Bergegelder, ingleichen die Heuer des Schiffers
und des Schiffsvolks, jedoch beyde nur von der letzten Reise, gehen allen
Verpfändungen und andern Schiffsschulden vor.
§. 326. Auch die auf der letzten Reise vorgefallne große
Haverey hat vor allen Verpfändungen und Bodmereyschulden der Rheder, ingleichen
vor der von dem Schiffer im Nothafen früher genommenen Bodmerey, und vor den
frühern Reparaturschulden den Vorzug.
§. 327. Was vorstehend von Verpfändung ganzer Schiffe und
Schiffsgefäße verordnet ist, gilt auch von Verpfändung einzelner Schiffsparten;
in so fern überhaupt ein Rhedereygenosse, oder der gemeinschaftliche Disponent
der Rheder, nach den Gesetzen dazu berechtigt ist.
§. 328. In allen Fällen, wo das Pfandrecht sich nur auf Eine
oder mehrere einzelne Schiffsparten erstreckt, sind die Mitrheder befugt, von
dem Gläubiger, gegen Bezahlung der Schuld, die Abtretung des Pfandes zu
fordern.
5) bey Kaufmannswaaren.
§. 329. Auch bey gewissen Waarenartikeln, welche der
Gegenstand eines kaufmännischen Verkehrs sind, kann eine Verpfändung durch
symbolische Uebergabe geschehen.
§. 330. Doch gilt dieses nur von solchen Waaren, die nach
ihrer Natur, oder nach der in Handelsstädten üblichen Art ihrer Aufbewahrung,
oder weil sie sich in der Gewahrsam des Verpfänders selbst nicht befinden,
entweder gar nicht, oder doch nicht ohne erhebliche Unbequemlichkeiten und
Kosten, dem Pfandgläubiger körperlich übergeben werden können.
§. 331. Auch sind zu dergleichen symbolischen Verpfändungen
nur Kaufleute berechtigt, die mit solchen Waarenartikeln Handlung treiben.
§. 332. Ferner Fabrikanten, welche die von ihnen für eigne
Rechnung verfertigten Waaren, einzeln oder im Ganzen, an Andre absetzen.
§. 333. Desgleichen Besitzer adlicher Güter und Pächter
Königlicher Aemter, welche Getreide oder andere Gutserzeugnisse in den
Marktstädten aufschütten oder einsetzen.
§. 334. Bey andern Privatpersonen hingegen, welche nur ein-
oder andresmal dergleichen Waaren kaufen oder verkaufen, hat es bey der Regel,
daß keine Verpfändung ohne körperliche Uebergabe geschehen könne, sein
Bewenden.
§. 335. Ausnahmen hiervon, nach der besondern Verfassung des
Handelsverkehrs gewisser Provinzen, bestimmen die Provinzialgesetze.
§. 336. Wie bey symbolischen Waarenverpfändungen der
allgemeinen Vorschrift §. 274. eine Gnüge zu leisten sey, wird zwar nach
Bewandniß der Umstände, und nach Beschaffenheit des Gegenstandes, den
Verabredungen der Parteyen, so wie bey entstehendem Streite, dem vernünftigen
Ermessen des Richters hauptsächlich überlassen.
§. 337. Doch soll der Richter bey der Beurtheilung: in wie
fern die von den Parteyen genommenen Maaßregeln für zu- oder unzureichend zu
achten sind, auf nachstehende gesetzliche Anweisungen vorzüglich Rücksicht
nehmen.
§. 338. Sollen einer Privatperson Waaren verpfändet werden,
die in einem gewissen Gebäude, oder Orte, für eines Dritten Zugang oder
Disposition verschlossen sind: so muß die symbolische Uebergabe durch Aushändigung
der Schlüssel an den Pfandgläubiger erfolgen.
§. 339. Der Pfandgläubiger muß aber auch die Schlüssel
dergestalt aufbewahren, daß sie dem Verpfänder zur freyen Verfügung nicht in
die Hände fallen.
§. 340. Macht die Beschaffenheit der Waare eine Bearbeitung
derselben während der Verpfändungszeit nothwendig: so muß der Pfandinhaber
dafür sorgen, daß diese Bearbeitung in seiner eignen oder eines von ihm
bestellten Aufsehers Gegenwart geschehen.
§. 341. Wird nur ein Theil solcher Waaren verpfändet: so muß
derselbe von dem zur freyen Verfügung des Schuldners bleibenden Ueberreste
abgesondert, und in ein eignes verschlossenes Gelaß, wozu der Pfandgläubiger
den Schlüssel erhält, geschafft werden.
§. 342. Können oder wollen die Parteyen dergleichen
Absonderung nicht vornehmen: so müssen sie den Schlüssel einem
gemeinschaftlichen Aufseher anvertrauen, und denselben von der Verpfändung
benachrichtigen.
§. 343. Können die Parteyen auch darüber sich nicht einigen:
so muß das Behältniß, in welchem der ganze Vorrath sich befindet, mit doppelten
von einander verschiedenen Schlössern versehen, und einer der Schlüssel dem
Pfandgläubiger eingehändigt werden.
§. 344. Findet über solche Maasregeln (§. 341. 342.343.)
keine Vereinigung unter den Parteyen statt: so kann die Verpfändung selbst
keinen Fortgang haben.
§. 345. Sind die Waaren in einem mehreren Kaufleuten
gemeinschaftlichen Speicher oder Magazine befindlich: so muß der Verpfänder dem
Gläubiger einen Schein zustellen, welcher von dem Eigenthümer des Speichers,
oder dessen bestellten Aufseher vollzogen, und in welchem anerkannt ist: daß
die verpfändete Waare wirklich daselbst für Rechnung des Verpfänders
niedergelegt sey.
§. 346. Dieser Schein muß doppelt ausgestellt, beyde
Exemplare müssen mit einem kurzen Vermerke der Verpfändung von dem Gläubiger
und Schuldner unterschrieben, und ein Exemplar muß dem Eigenthümer oder
Aufseher des Speichers eingehändigt werden.
§. 347. Der Pfandgläubiger muß dafür sorgen, daß diese
Einhändigung geschehe, und dem Eigenthümer oder dem Inhaber der Schlüssel des
Speichers aufgetragen werde: weder dem Verpfänder, noch einem Dritten, etwas
von solcher Waare, ohne Vorzeigung des in den Händen des Gläubigers gebliebenen
Empfangscheines, und ohne Abschreibung auf selbigen, abfolgen zu lassen.
§. 348. Dergleichen Auftrag muß der Eigenthümer des
Speichers, oder Inhaber der Schlüssel, bey eigner Vertretung genau befolgen,
und sich dazu schriftlich verpflichten.
§. 349. Sind die Waaren unter öffentlicher Aufsicht auf
Packhöfen, in Magazinen, oder Niederlagen befindlich: so muß der Schuldner den
über die geschehene Ablieferung erhaltnen Schein dem Gläubiger zustellen.
§. 350. Letzterer muß dafür sorgen, daß die geschehene
Verpfändung dem zur Aufsicht über dergleichen Verwahrungsörter bestellten
Beamten bekannt gemacht werde.
§. 351. Dieser muß die ihm geschehene Anzeige in seinen
Büchern da, wo die erfolgte Niederlegung der Waaren selbst eingetragen ist,
bemerken, und darüber ein Bekenntniß, mit der Versicherung: die Waare an
niemand, ohne Vorwissen des Pfandgläubigers, verabfolgen zu wollen, ausstellen.
§. 352. Ob dies Bekenntniß unter dem Ablieferungsscheine
selbst, (§. 329.) zu vermerken, oder besonders auszustellen sey, hängt von der
Verfassung solcher öffentlichen Aufbewahrungsanstalten ab.
§. 353. Wird ein besondrer Schein darüber ausgestellt: so
muß derselbe, gleich dem Ablieferungsscheine, dem Gläubiger eingehändigt
werden.
§. 354. Wo nach den Handlungsverfassungen eines Orts, manche
Waarenartikel ohne Zuziehung gewisser öffentlich dazu bestellter Personen einem
Dritten nicht zugemessen, zugewogen, oder sonst körperlich übereignet werden
können, muß der Verpfänder, außer den §. 329. sqq. vorgeschriebenen
Bestimmungen, diesen Personen von der geschehenen Verpfändung Nachricht geben,
und dieselben bedeuten, daß die Waaren, ohne Vorwissen des Pfandgläubigers,
einem Dritten nicht zugeeignet werden sollen.
§. 355. Ueber diese Bekanntmachung und Bedeutung müssen die
Beamten ein schriftliches Zeugniß ausstellen, welches dem Gläubiger
eingehändigt werden muß.
§. 356. Holzwaaren, die sich auf dem Lager befinden, können
durch Bezeichnung der zugänglichen Stücke mit einer Marke des Pfandnehmers,
demselben übergeben werden.
§. 357. Es muß aber dieser Bezeichnung noch eine
ausdrückliche Bekanntmachung und Anweisung an die Holzwärter oder Aufseher,
dergleichen Holz ohne Vorwissen des Pfandgläubigers an niemanden zu
verabfolgen, hinzukommen.
§. 358. Holzwaaren, die in der Zurichtung oder auf dem
Transporte sind, werden durch Ausantwortung der darüber in den Händen des
Verpfänders befindlichen Contrakte, oder andrer das Eigenthum derselben
begründender Urkunden, verpfändet.
§. 359. Es muß aber auch den Regimentern, oder den Flößern,
Schiffern, und Steuerleuten, die Verpfändung bekannt gemacht werden, mit der
Anweisung, das in der Arbeit oder auf dem Transporte begriffene Holz ohne
Vorwissen des Pfandgläubigers an niemanden zu verabfolgen.
§. 360. Auf gleiche Weise können auch Waaren, die in der
Zurichtung, auf der Bleiche, in der Farbe, oder bey dem Tuchscheerer sich
befinden, durch Ausantwortung der von den Inhabern darüber ausgestellten
Empfangscheine, und durch Bekanntmachung an diese Inhaber, verpfändet werden.
§. 361. In den §. 356-360. bestimmten Fällen muß die
Bekanntmachung und Anweisung an die daselbst benannten Personen, durch die
Gerichte, oder durch einen Justiz-Commissarium geschehen, und darüber ein
förmliches Protokoll aufgenommen werden.
§. 362. Von diesem Protokolle muß das Original dem
Pfandgläubiger zugestellt, denjenigen Personen aber, welchen die Bedeutung
geschehen ist, eine Abschrift davon in Händen gelassen werden.
§. 363. In allen Fällen, wo die Verpfändung einem Dritten
bekannt gemacht wird (§. 342. u. fdg.), ist derselbe zugleich ausdrücklich
darüber zu vernehmen: ob die Waare seines Wissens noch gar nicht, oder auf wie
hoch nur, an einen andern Gläubiger schon verpfändet sey.
§. 364. Seine Erklärung darüber ist der von ihm
auszustellenden Bescheinigung, oder dem über seine Bedeutung aufgenommenen
Protokolle einzuverleiben.
§. 365. Waaren und andere Sachen, auf welche der Bank ein
Pfandrecht bestellt ist, können auf den Ueberrest ihres Werths einem
Privatgläubiger verpfändet werden.
§. 366. Die Uebergabe geschieht alsdann durcn Aushändigung
des von der Bank an den Verpfander ertheilten Empfangscheins; ohne dessen
Rückgabe, oder gerichtliche Mortificirung, nach den Verfassungen der Bank, die
an selbige verpfändeten Waaren niemals frey gegeben werden.
6) bey eingehenden Waaren.
§. 367. Eingehende Waaren, die noch auf dem Wasser- oder
Landtransporte begriffen sind, können nur durch Aushändigung des Connoissements
und der Faktur zugleich, an den Gläubiger gültig verpfändet werden.
§. 368. Uebrigens aber ist es die Sache des Gläubigers, aus
der mit dem auswärtigen Absender geführten Correspondenz des Schuldners, oder
sonst, sich hinlänglich zu versichern, daß die Waare für Rechnung und Gefahr
des Schuldners abgesendet, oder daß der Betrag derselben dem Absender bezahlt,
oder sonst vergütet worden.
§. 369. Kann das Connoissement dem Gläubiger nicht
ausgehändigt werden, weil dasselbe zur Besorgung der Assekuranz versendet ist:
so kann zwar die Verpfändung auch durch Uebergabe der Faktur allein gültig
geschehen;
§. 370. Es muß aber dem auswärtigen Correspondenten, in
dessen Händen das Connoissement sich befindet, von der geschehenen Verpfändung
mit der nächsten Post Nachricht gegeben werden.
§. 371. Unterläßt der Pfandnehmer für diese gehörige
Bekanntmachung zu sorgen: so kann er, wenn inzwischen auf die versicherten
Waaren ein anderes Darlehn genommen worden, gegen einen solchen Gläubiger von
seinem Pfandrechte keinen Gebrauch machen.
§. 372. Sind eingehende Waaren solchergestalt gültig
verpfändet worden: so bleibt dem Gläubiger sein Pfandrecht darauf, wenn gleich
der Schuldner in Concurs verfällt, ehe die Waare noch wirklich an dem Orte
ihrer Bestimmung angekommen ist.
§. 373. Hat aber der Besteller der Waare, vor dem Eingange
derselben, solchergestalt noch nicht darüber disponirt: so verbleibt es bey den
Vorschriften der Concursordnung.
7) bey ausgehenden Waaren.
§. 374. Ausgehende Waaren können ebenfalls durch Uebergabe
der in den Händen des Absenders befindlichen Ladungsscheine, und anderer über
die von ihm geschehene Versendung sprechenden Urkunden, verpfändet werden.
§. 375. Auch in diesem Falle ist es die Sache des
Pfandgläubigers, sich aus der Correspondenz oder sonst zu überzeugen, daß die
Versendung für Rechnung des Schuldners geschehen sey.
§. 376. Er muß ferner, bey Verlust seines Pfandrechts, dafür
sorgen, daß der Commissionair oder Spediteur, an welchen die Waaren addreßirt
sind, spätestens den zweyten Posttag nach geschehener Verpfändung, davon
benachrichtigt werde.
§. 377. Schiffer und Fuhrleute sind, die von ihnen geladnen
Waaren zu verpfänden, nicht berechtiget.
§. 378. Wer sich also mit einem Schiffer oder Fuhrmanne in
Contrakt über dergleichen Waaren einlassen will, muß sich zuvörderst durch ein
Attest von den Gerichten, oder andern zu dergleichen Geschäften bestellten
Beamten des Abgangsorts, hinlänglich versichern, daß die Waaren von dem
Schiffer oder Fuhrmanne für eigne Rechnung geladen, oder ihm von dem
Eigenthümer die Befugniß, darüber zu disponiren, beygelegt worden.
§. 379. Doch hat es wegen der Fälle, wo ein Schiffer,
während der Reise, auf die geladnen Waaren, für Rechnung der Befrachter
Darlehne oder Bodmerey zu nehmen befugt ist, bey den Vorschriften des
Kaufmannsrechts sein Bewenden.
8) bey Verpfändungen an die Bank.
§. 380. Bey Verpfändungen der §. 329. sqq. beschriebenen
Waarenartikel an die Bank ist ebenfalls die symbolische Uebergabe erforderlich.
§. 381. Außerdem aber sollen alle dergleichen Verpfändungen
in die bey jedem Banko Comtoir von vereideten Beamten zu führenden Pfandbücher
eingetragen werden.
§. 382. Die Banko-Comtoirs sind gehalten, einem jeden, der
sich durch Consens des Eigenthümers, oder auf andere Art, wegen eines bey der
Sache habenden erlaubten Interesse ausweisen kann, Auskunft darüber zu
ertheilen: ob ein gewisser Waarenartikel, über welchen der Anfragende ein
Geschäft schließen will, bey ihnen ganz oder zum Theil verpfändet sey.
§. 383. Sind die Waaren in einer andern Provinz, als wo der
Eigenthümer wohnt: so erfordert es die Sicherheit eines solchen Contrahenten,
die Anfrage an die Comtoirs beyder Provinzen ergehen zu lassen.
§. 384. Hiernach sind also die übrigen, nach §. 336. sqq.
zur Sicherung des Publici gegen Gefährde zu nehmenden Maaßregeln, bey
Verpfändungen an die Bank nicht nothwendig.
§. 385. Nur wenn ein- oder ausgehende Waaren der Bank
verpfändet werden sollen, ist dieselbe die, andern Privat-Pfandnehmern §. 367.
sqq. ertheilten, Vorschriften ebenfalls zu beobachten schuldig.
§. 386. Uebrigens aber bleibt es der Bank überlassen, was
für Maaßregeln sie in jedem vorkommenden Falle mit dem Verpfänder treffen
wolle, um zu verhindern, daß die ihr verpfändeten Waaren einem dritten
redlichen Besitzer körperlich übergeben werden.
§. 387. Sind diese Maaßregeln unzureichend: so findet die
Vorschrift §. 275. sqq. auch gegen die Bank Anwendung.
§. 388. Ein Kaufmann, welcher seinen Pfandgläubiger, durch
heimlichen Verkauf und Naturalübergabe der symbolisch verpfändeten Waaren an
einen Dritten, um sein Recht bringt, soll als ein Betrüger, nach Vorschrift der
Criminalgesetze bestraft, und sein Urtel an der Börse, zur Warnung des Publici,
öffentlich bekannt gemacht werden.
§. 389. Gleiche Strafen sollen denjenigen treffen, welcher
durch Schließung von Verträgen über Waaren, mit Verschweigung des darauf
bestellten Pfandrechts, entweder dem Pfandgläubiger, oder dem dritten
Contrahenten, Schaden und Nachtheil zuzieht.
IV. Hypothekenrechte.
1) Gegenstände derselben.
§. 390. Hypothekenrechte können nur auf Grundstücke und
solche Gerechtigkeiten, welche die Gesetze den unbeweglichen Sachen gleich
achten, erworben werden. (Tit. II. §. 8. 9.)
§. 391. Auch findet die Erwerbung eines solchen Rechts nur
auf diejenigen Grundstücke und Gerechtigkeiten statt, die in den öffentlichen
Hypothekenbüchereingetragen sind.
§. 392. Alle in einem Distrikte gelegene Immobilien, welche
besonders besessen, veräußert, oder mit dinglichen Verbindlichkeiten belegt
werden können, müssen in das Hypothekenbuch des Distrikts eingetragen werden.
§. 393. Jedem solchen Grundstücke ist in dem Hypothekenbuche
eine gewisse Nummer, und ein eignes Folium zu bestimmen.
§. 394. Pertinenzstücke und Gerechtigkeiten, welche zu
gewissen Hauptgrundstücken geschlagen sind, und nur mit selbigen zugleich
besessen oder ausgeübt werden, erhalten kein besonderes Folium.
§. 395. Dagegen müssen Gerechtigkeiten, die für sich selbst
bestehen, und auch ohne den Besitz eines Grundstücks ausgeübt werden können, im
Hypothekenbuche in besondre Tabellen eingetragen werden.
§. 396. Wie die Hypothekenbücher einzurichten, und die
Eintragung der Grundstücke und Gerechtigkeiten in dieselben zu bewerkstelligen
sey, ist in der Hypothekenordnung vorgeschrieben.
§. 397. Zur Führung des Hypothekenbuchs, und zu Eintragungen
in selbiges, sind der Regel nach nur diejenigen Gerichte, unter deren Sprengel
die Sache gelegen ist, befugt.
§. 398. Ausnahmen davon bestimmen die Provinzial-Gesetze.
2) Titel zur Erlangung eines Hypothekenrechts.
§. 399. Wegen des Titels, wodurch die Befugniß, auf
Einräumung eines wirklichen Hypothekenrechts anzutragen, begründet werden kann,
gelten zuvörderst die §. 2-5. ertheilten allgemeinen Vorschriften.
§. 400. Wenn durch Gesetz auch nur ein allgemeines
Pfandrecht begründet worden: so kann dennoch der Berechtigte dessen Eintragung
auf die Immobilien des Verpflichteten nachsuchen.
§. 401. Dagegen kann ein gesetzliches Pfandrecht, welches
nur auf gewisse Gegenstände eingeschränkt ist, auf andre Immobilien, ohne die
besondre Einwilligung des Schuldners, nicht eingetragen werden.
§. 402. Ein Vertrag, durch welchen das gesammte Vermögen,
oder auch gewisse benannte Immobilien des Schuldners, dem Gläubiger verpfändet
worden, berechtigt letztern noch nicht, seine Forderung gerichtlich eintragen
zu lassen.
§. 403. Vielmehr ist dazu eine besondre und ausdrückliche
Einwilligung des Schuldners erforderlich.
§. 404. In allen Fällen muß das Hauptrecht, welches durch
die Hypothek versichert werden soll, dem Berechtigten gegen denjenigen zustehn,
welcher als vollständiger Besitzer der Sache im Hypothekenbuche eingetragen
ist.
§. 405. Ist also zu der Zeit, wo die Eintragung gesucht
wird, der Schuldner als Eigenthümer der Sache im Hypothekenbuche nicht
vermerkt: so findet auch die Einräumung einer gültigen Hypothek für den
Gläubiger nicht statt.
§. 406. Doch hat, wenn nach erfolgter Hypothekbestellung,
der Schuldner als Eigenthümer der Sache in das Hypothekenbuch wirklich
eingetragen wird, die allgemeine Vorschrift §. 16. 17. Anwendung.
§. 407. Die vor Berichtigung des Besitztitels eingetragenen
Hypotheken folgen hinter einander, nach der Zeit der geschehenen Eintragung.
§. 408. Ist aber bey der hiernächst erfolgten Eintragung des
Besitztitels für den Schuldner, zugleich ein dingliches Recht für denjenigen,
welcher zur Zeit der Eintragung jener Hypotheken, als Eigenthümer der Sache in
dem Hypothekenbuche vermerkt war, mit eingetragen worden: so geht ersteres den
letztern vor.
§. 409. Der Richter, welcher Hypothekenrechte gegen einen
solchen, der noch nicht als Eigenthümer im Grundbuche vermerkt ist, einträgt,
haftet für allen aus einer solchen ordnungswidrigen Eintragung erwachsenden
Schaden.
§. 410. Jede auf den Grund eines an sich rechtsgültigen
Titels, gegen den eingetragnen Besitzer erfolgte Hypothekenbestellung, behält ihre
Kraft, wenn sich gleich in der Folge findet, daß dieser Besitzer nicht der
wahre Eigenthümer gewesen sey. (Tit. X. §. 7-11.)
3) Erwerbungsart durch die Eintragung.
§. 411. Nur durch die wirkliche Eintragung in die
öffentlichen Grundbücher wird das Hypothekenrecht selbst erworben.
§. 412. So lange daher ein gesetzliches, oder auch ein durch
rechtsgültige Willenserklärungen bestelltes Pfandrecht noch nicht eingetragen ist;
so lange hat dasselbe noch nicht die Eigenschaft eines dinglichen Rechts.
§. 413. Doch wirkt ein gesetzliches noch nicht eingetragenes
Pfandrecht so viel, daß derjenige, welchem dasselbe zukommt, sich, mit
Uebergehung der Zwischengrade der Execution, sogleich an die noch im Vermögen
seines Schuldners befindlichen Immobilien halten kann.
§. 414. Gleiche Wirkungen hat ein durch Willenserklärungen
bestelltes, obgleich nicht eingetragenes Pfandrecht, wenn in der
Willenserklärung gewisse Grundstücke benannt, und diese zur Zeit der Execution
in dem Vermögen des Schuldners noch vorhanden sind.
§. 415. Die Gültigkeit des Hypothekenrechts hängt an und für
sich von der Gültigkeit des Anspruchs ab, zu dessen Sicherheit dasselbe
bestellt worden.
§. 416. So lange daher der angebliche Schuldner der
Forderung selbst widerspricht; so lange findet die Eintragung einer Hypothek
dafür nicht statt.
Von Protestationen gegen präjudicirliche Eintragungen.
§. 417. Doch kann der Gläubiger, gegen die nachtheiligen
Folgen dieses Widerspruchs, durch Eintragung einer Protestation wider alle
nachherige Verpfändungen sich decken.
§. 418. Dergleichen Protestation aber soll nur von dem
angenommen werden, welcher eine solche Forderung, wodurch ein rechtsgültiger
Titel zur Erlangung eines Hypothekenrechts an sich begründet wird, durch
unverdächtige Urkunden, oder sonst, einigermaßen bescheinigt hat.
§. 419. Insonderheit ist die Eintragung einer Protestation
zuläßig, wenn der Eintragung des Anspruchs selbst der Mangel einer noch zu
ergänzenden Formalität, welche nur mehrerer Zuverläßigkeit und Beglaubigung
wegen bey einer Handlung erfordert wird, entgegen steht.
§. 420. Betrifft aber der Mangel ein zum Wesen und zur
Gültigkeit der Handlung, oder des Anspruchs, nach den Gesetzen nothwendiges Erforderniß:
so findet auch die Eintragung einer Protestation nicht statt.
§. 421. Durch eine gehörig eingetragene Protestation erhält
der Gläubiger das Recht, die Forderung selbst, nach gehobenem Widerspruche,
oder ergänzter Formalität, an dem Orte, wo die Protestation vermerkt ist, zu
allen Zeiten eintragen zu lassen.
Von Einwendungen, welche gegen eingetragne Forderungen statt
finden.
§. 422. Dadurch allein, daß ein Anspruch in das
Hypothekenbuch eingetragen worden, verliert der Schuldner noch nicht die ihm
sonst gegen dessen Gültigkeit zustehenden Einwendungen.
§. 423. In so fern jedoch ein Dritter auf eine solche
Forderung, nach deren Eintragung, ein Recht durch einen lästigen Vertrag
erworben hat, kann der Schuldner gegen diesen Dritten von solchen Einwendungen,
die er demselben vorher nicht kund gethan hat, keinen Gebrauch machen.
§. 424. Will daher der Schuldner sich seine Einwendungen
wider die eingetragene Forderung auch gegen jeden Dritten erhalten: so muß er
dieselben im Hypothekenbuche ebenfalls vermerken lassen.
§. 425. Ist dergleichen Vermerk, binnen Vier Wochen nach
geschehener Eintragung der Post selbst, in das Hypothekenbuch eingeschrieben
worden: so erhält derselbe die Rechte des Schuldners auch gegen denjenigen,
welcher schon vorhin auf Verhandlungen über einen solchen Anspruch mit dem
Gläubiger sich eingelassen hatte.
§. 426. Wer also auf eine eingetragene Post, durch Cession,
Verpfändung, oder sonst, mit völliger Sicherheit ein Recht erwerben will, der
muß die ersten Vier Wochen nach der Eintragung abwarten; und sodann sich
überzeugen: daß in der Zwischenzeit keine Einwendungen oder Protestationen
dagegen im Hypothekenbuche vermerkt worden.
4) Form der Eintragungen.
§. 427. Die Form der Eintragungen, wodurch eine Hypothek
erworben werden kann, ist in der Hypothekenordnung vorgeschrieben.
5) Vertretung der das Hypothekenbuch führenden Behörde.
§. 428. Fehler gegen diese gesetzmäßige Form müssen die zur
Führung der Hypothekenbücher angeordneten Behörden vertreten.
§. 429. Dagegen haften diese Behörden keinesweges für Fehler
oder Mängel in dem Ansprüche selbst, zu dessen Sicherheit die Hypothek bestellt
worden.
§. 430. Liegt aber der Grund, warum durch die Eintragung gar
kein Hypothekenrecht erworben werden können, in einem in die Augen fallenden
Fehler des Instruments, dem es an einem nach den Gesetzen nothwendigen
Erfordernisse gebricht: so haften die Hypothekenbuchführer demjenigen, der im
Vertrauen auf ihre Rechtskenntnisse, bey einer solchen fehlerhaften Eintragung
sich beruhigt hat.
§. 431. Für die Zulänglichkeit der durch die Hypothek dem
Gläubiger verschafften Sicherheit kann von den Führern des Hypothekenbuchs
keine Vertretung gefordert werden.
§. 432. Sie machen sich aber verantwortlich, wenn ein von
ihnen ausgestellter Hypothekenschein mit dem Inhalte des Hypothekenbuchs, so
wie dieser zur Zeit der Ausstellung beschaffen war, nicht übereinstimmt.
§. 433. Ehe der Richter wegen eines von ihm begangenen
Fehlers in Anspruch genommen werden kann, muß zuvörderst derjenige haften,
welcher sich mit dem Schaden des Gläubigers widerrechtlich bereichern würde.
§. 434. Gleich diesem haftet derjenige, welcher durch seinen
Betrug die fehlerhafte Handlung des Richters veranlaßt hat.
§. 435. Nur unter eben den Umständen, unter welchen, vermöge
der Gesetze, ein Gläubiger, mit Uebergehung des Hauptschuldners, sich sofort an
den Bürgen halten kann, ist derjenige, welcher durch eine fehlerhafte
Eintragung Schaden leidet, in den Fällen des §. 428. 430. 432. den Richter
sogleich in Anspruch zu nehmen berechtigt. (Tit. XIV. §. 297. sqq.)
6) Wirkungen des Hypothekenrechts.
§. 436. Durch eine gehörig erfolgte Eintragung erlangt der
Gläubiger das Recht, sich wegen seiner Forderung zur Verfallzeit an die
verpfändete Sache zu halten.
§. 437. Die Rechte und Pflichten eines Pfandgläubigers also,
welche aus dem Besitze entspringen, kommen dem Hypothekengläubiger nicht zu.
§. 438. Der Schuldner kann daher, auf die einem Gläubiger
zur Hypothek verhaftete Sache, auch einem andern ein Hypothekenrecht gültig
einräumen.
§. 439. Selbst ein Vertrag, daß die Sache keinem Andern mehr
zur Hypothek verschrieben werden solle, ist ohne rechtliche Wirkung (§. 24.).
§. 440. Wie weit der Hypothekengläubiger für die
Unterhaltung der verpfändeten Substanz, bey dem Unvermögen des Eigenthümers, zu
sorgen verpflichtet sey, ist nach den allgemeinen Vorschriften im Achten Titel
§. 44. sqq. und nach den Polizeygesetzen jedes Orts zu bestimmen.
§. 441. Dagegen hat aber auch der Gläubiger das Recht, wenn
der Besitzer der Sache durch erhebliche Verringerungen ihrer Substanz seine
Sicherheit schmälert, seine Befriedigung noch vor der Verfallzeit zu fordern.
§. 442. Will er von diesem Rechte keinen Gebrauch machen;
oder gestattet es die Natur des versicherten Anspruchs nicht: so kann der
Gläubiger darauf antragen, daß dem Besitzer in seinen nachtheiligen
Dispositionen durch richterliche Verfügung Schranken gesetzt werden.
Auf was das dingliche Recht des Hypothekengläubigers sich
erstrecke.
§. 443. Das dingliche Recht des Hypothekengläubigers
erstreckt sich auf das ganze Grundstück, und alle zur Zeit der Eintragung dabey
befindlichen Pertinenzstücke.
§. 444. Was für ein mitverpfändetes Pertinenzstück der
verschriebenen Sache oder Gerechtigkeit zu achten sey, muß bey entstehendem
Streite, nach den Vorschriften des Zweyten Titels §. 42. sqq. beurtheilt
werden.
§. 445. In so fern jedoch bewegliche Pertinenzstücke, in der
Zwischenzeit von der Eintragung, bis zur wirklichen Vollstreckung der
richterlichen Execution, von der Hauptsache getrennt worden, geht die darauf
gehaftete dingliche Verpflichtung auf den dritten Besitzer nicht mit über.
§. 446. Sind dagegen andre bewegliche Pertinenzstücke in
dieser Zwischenzeit hinzugekommen: so werden dieselben, in so fern sie zur Zeit
der Execution noch wirklich vorhanden sind, dem dinglichen Rechte des
Hypothekengläubigers mit unterworfen.
§. 447. Sollen unbewegliche Pertinenzstücke des verpfändeten
Guts nicht mit verpfändet seyn: so müssen dieselben bey der Verschreibung und
deren Eintragung ausdrücklich ausgeschlossen werden.
§. 448. Auf Güter und Grundstücke, die eine besondre Nummer
im Hypothekenbuche haben, und auf welche die Eintragung nicht geschehen ist,
erlangt der Gläubiger kein dingliches Recht; wenn sie gleich eben demselben
Schuldner gehören, und in der Verschreibung ausdrücklich mit zur Hypothek
eingesetzt worden.
§. 449. Sind daher in dem Instrumente mehrere Güter und
Grundstücke zur Hypothek verschrieben: so muß der Gläubiger bey dem Gesuche um
Eintragung ausdrücklich bemerken: auf welche derselben er die Eintragung
verlange; und der Richter, oder die Hypothekenbuch führende Behörde, kann ihn
zu einer solchen bestimmten Angabe allenfalls ausdrücklich auffordern.
§. 450. Verfügt alsdann diese Behörde die an sich zuläßige
Eintragung nicht auf alle benannte Grundstücke: so macht sie sich dem Gläubiger
wegen eines ihm daraus entstehenden Schadens verantwortlich.
§. 451. Doch ist auch der Gläubiger schuldig, wenn der
vorgefallne Fehler aus dem Recognitionsscheine über die geschehene Eintragung
ersichtlich ist, demselben der Behörde zur Abhelfung, so weit sie alsdann noch
stattfinden kann, unverzüglich anzuzeigen.
§. 452. Ist diese Anzeige von ihm binnen Sechs Wochen, nach
dem ihm der Recognitionsschein behändigt worden, nicht geschehen: so muß er
sich den aus spätern Eintragungen andrer Gläubiger für ihn entstehenden
Nachtheil selbst beymessen.
§. 453. Ist die Eintragung auf die mehrern verschiedenen
Güter zu unterschiedenen Zeiten geschehen: so erlangt der Gläubiger auf jedes
derselben das Hypothekenrecht nur von der Zeit der auf dieses Gut erfolgten
Eintragung.
§. 454. Unbewegliche Pertinenzstücke, welche erst nach
erfolgter Eintragung, aus fremden Eigenthume dem Hauptgute beygefügt worden,
sind dem dinglichen Rechte des Gläubigers nicht mit unterworfen.
§. 455. Geschieht auf selbige in der Folge eine neue
Eintragung der auf dem alten Gute haftenden Schuld: so erlangt der Gläubiger,
nur von dieser Zeit an, das Hypothekenrecht in Ansehung eines solchen
Pertinenzstückes.
§. 456. Ist gegen die Erwerbung des neuen Pertinenzstücks
ein Andres, welches dem dinglichen Rechte des Gläubigers unterworfen war, von
der Substanz getrennt worden: so kann der Gläubiger an das neue Pertinenzstück,
statt des abgetretenen sich halten.
§. 457. Er kann aber auch, mit Entsagung auf das neue
Pertinenzstück, sein dingliches Recht gegen den Besitzer des abgetretenen
verfolgen.
§. 458. Sind bey Berichtigung streitiger Gränzen, oder bey
Gemeinheitstheilungen, Pertinenzstücke unbeweglicher Güter gegen einander ausgetauscht
worden: so finden die Vorschriften §. 456. 457. keine Anwendung.
§. 459. Vielmehr treten, auch in Beziehung auf die
Hypothekengläubiger, die neuen Pertinenzstücke an die Stelle der vorigen.
§. 460. Sind bey solchen Gränzberichtigungen, oder Gemeinheitstheilungen,
Pertinenzstücke eines Guts gegen eine baare ein- für allemal zu entrichtende
Vergütung abgetreten worden: so müssen die Gerichte, welche das Geschäft
dirigiren, ein solches Abkommen den Hypothekengläubigern zur Wahrnehmung ihrer
Gerechtsame, bekannt machen.
§. 461. Diesen steht alsdann frey, zu verlangen, daß der
Schuldner die ihm ausgesetzte baare Vergütung entweder zur Wiederherstellung
ihrer durch die Abtretung geschmälerten Sicherheit, oder zur Abstoßung der
zuerst eingetragenen Capitalsposten, so weit sie dazu hinreicht, verwende.
§. 462. Kann oder will der Schuldner weder eines noch das
andere bewerkstelligen: so sind die:Hypothekengläubiger befugt, ihre
Capitalien, auch noch vor der Verfallzeit, aufzukündigen.
§. 463. Sie müssen aber von diesem Rechte binnen Sechs
Wochen, nach der ihnen zugekommenen Notification, Gebrauch machen.
§. 464. Thun sie das, so bleibt ihnen ihr hypothekarisches
Recht auf das abgetretene Pertinenzstück bis zum Austrage der Sache vorbehalten.
§. 465. Verabsäumen sie aber die gesetzliche Frist: so
erlöscht ihr Hypothekenrecht auf das abgetrennte Pertinenzstück.
§. 466. Wenn neu hinzugekommene Pertinenzstücke auf eine
rechtsgültige Weise besonders verpfändet worden (§. 454. sqq.): so muß, bey
einer erfolgten Veräußerung, die Vertheilung des Kaufgeldes unter die
verschiednen Gläubiger nach Verhältniß der Taxe eines jeden Stücks geschehen.
§. 467. Das Recht eines Hypothekengläubigers erstreckt sich,
in Ansehung seiner ganzen Forderung sowohl auf das Ganze, auf welches dasselbe
durch die Eintragung bestellt worden, als auf die einzelnen Theile desselben.
§. 468. Er kann also, wenn ihm mehrere Grundstücke verhaftet
sind, oder wenn das durch Eintragung verpfändete Grundstück durch
Erbgangsrecht, oder auf andere Art getheilt worden, wegen seiner ganzen
Forderung, an jedes Grundstück, oder an jeden getrennten Theil desselben sich
halten.
§. 469. Durch Veränderungen in der Substanz der verpfändeten
Sache wird das Recht des Hypothekengläubigers nicht geändert.
§. 470. An- und Zuwüchse, sie mögen durch Natur oder durch
die Handlung eines Menschen entstehn, in so fern letztere nicht Pertinenzstücke
sind, die aus fremdem Eigenthume der Sache beygefügt worden, sind dem
Hypothekenrechte des eingetragenen Gläubigers mit unterworfen.
§. 471. Die auf ein Grundstück bestellte Hypothek begreift
in der Regel auch alle darauf befindliche, selbst die nach, der Eintragung neu
errichteten Gebäude, mit unter sich.
§. 472. Ist aber jemanden ausdrücklich nur Grund und Boden
zur Hypothek verschrieben; und hat ein Dritter, außer dem Eigenthümer des
Grundes, Gebäude darauf errichtet: so sind diese, zum Nachtheile des Erbauers,
für mitverpfändet zwar nicht zu achten;
§. 473. Doch muß der Eigenthümer der Gebäude den auf Grund und
Boden versicherten Gläubigern bis auf den ganzen Werth des Bodens, nach der
höchsten Taxe, gerecht werden.
§. 474. In so weit können also diese Gläubiger auch an das
Gebäude sich halten; und gehen sogar, bey einem entstehenden Concurs- oder
Liquidationsprozesse, den auf das Gebäude später eingetragnen Gläubigern vor.
§. 475. Die Früchte und Nutzungen der verpfändeten Sache
haften dem Hypothekengläubiger in so fern, als sie sich, zur Zeit der
Executionsvollstreckung, noch unabgesondert von der Substanz befinden.
§. 476. So lange also der Hypothekengläubiger die von der
Substanz abgesonderten Früchte und Nutzungen, oder die an deren Stelle
tretenden Pacht- und Miethgelder, noch nicht in gerichtlichen Beschlag genommen
hat, so lange kann der Eigenthümer gültig darüber verfügen.
§. 471. Hingegen sind Verträge und andere Handlungen,
wodurch der Schuldner über künftige Früchte und Nutzungen irn Voraus verfügt so
weit, als dieselben zum Nachtheile der alsdann schon eingetragnen
Hypothekengläubiger gereichen würden, unkräftig.
§. 478. Will jemand, der in dergleichen Verhandlungen mit
dem Besitzer über künftige Früchte und Nutzungen sich einläßt, sich dabey gegen
die Widersprüche künftig einzutragender Hypothekengläubiger decken: so muß er
das Geschäft selbst im Hypothekenbuche vermerken lassen.
§. 479. Ist dieses nicht geschehen, so kann er von seinem
Rechte auf die künftigen Früchte und Nutzungen, zum Nachtheile der auch später
eingetragenen Gläubiger; keinen Gebrauch machen.
§. 480. Ein Pächter also, welcher die Pacht auf mehr als Ein
Quartal an den Gutsbesitzer voraus bezahlt hat, kann diese Zahlung den damals
schon eingetragenen Gläubigern, welche darein nicht gewilligt haben, nicht
entgegen setzen.
§. 481. Gegen die später einzutragenden kann er sich damit
nur alsdann schützen, wenn er die geleistete Vorausbezahlung im Hypothekenbuche
hat vermerken
Für was die Hypothek dem Gläubiger hafte.
§. 482. Das Recht, sich an die verschriebene Sache zu
halten, gebührt dem Gläubiger sowohl in Ansehung des Hauptstuhls seiner
Forderung, als in Ansehung der davon vorbedungenen Zinsen.
§. 483. Dagegen erstreckt sich das dingliche Recht des
Gläubigers nicht auf bloße Verzögerungszinsen.
§. 484. Wegen der Kosten zur Ausklagung und Beytreibung der
Forderung, hat der Gläubiger kein dingliches Recht: wenn ihm nicht dasselbe in
dem Hauptinstrumente ausdrücklich vorbehalten, und dieser Vorbehalt im
Hypothekenbuche mit vermerkt worden.
§. 485. Hat jemand mit seinem Grundstücke Caution für sein
eignes Amt bestellt; so haftet das Grundstück auch für die Kosten zur
Ausmittelung des Defekts.
§. 486. Ist aber diese Caution auf ein gewisses Quantum
eingeschränkt: so haben die Kosten nur so weit, als sie aus diesem Quanto mit
bestritten werden können, ein dingliches Recht.
§. 487. Ist wegen der Kosten ein besondrer ausdrücklicher
Vorbehalt gemacht, und mit eingetragen worden: so findet die Vorschrift §. 484.
Anwendung.
§. 488. Das verschriebene Grundstück haftet für die Kosten
der Hypothekenbestellung selbst, in allen Fällen nur alsdann, wenn es zum
Unterpfande dafür ausdrücklich mit eingesetzt, und dieses im Hypothekenbuche
mit vermerkt worden.
§. 489. Doch ist der Schuldner für die Kosten der
Hypothekenbestellung und Eintragung, wenn nicht ein Anderes besonders
verabredet worden, allemal Persönlich verhaftet.
7) Arten der Ausübung des Hypothekenrechts,
§. 490. Der Gläubiger kann sein Recht auf die Hypothek durch
Sequestration, Immission, und Subhastation geltend machen.
§. 491. Wie dabey zu verfahren sey, ist in der Prozeßordnung
vorgeschrieben.
besonders gegen den dritten Besitzer.
§. 492. Der Hypothekengläubiger kann sein Recht auf die
verpfändete Sache auch gegen einen dritten Besitzer derselben ausüben.
§. 493. Gegen einen im Hypothekenbuche eingetragnen
Gläubiger kann niemand mit dem Vorwande, daß er redlicher Besitzer, und ihm von
dem Ansprüche nichts bekannt gewesen sey, sich schützen.
§. 494. Auch hat der Gläubiger, wenn gleich die Sache sich
in den Händen eines dritten Besitzers befindet, dennoch die freye Wahl: ob er
sogleich an diese, oder zuerst an die Person seines Schuldners sich halten
wolle.
§. 495. Auch wenn er letzteres wählt, bleibt ihm dennoch
sein Recht auf die Sache, so lange er von dem Schuldner noch nicht vollständig
befriedigt worden, vorbehalten.
8) Ordnung und Vorzugsrechte der eingetragnen Forderungen.
§. 496. Durch die bloße Einwilligung des
Hypothekengläubigers in die Veräußerung oder weitere Verpfändung der Sache an
einen Dritten, wird das Recht desselben in nichts geändert.
§. 497. Soll also, durch die Erklärung des Gläubigers, eine
später eingetragne Post den Vorzug vor der Forderung desselben erhalten: so muß
dieses Vorzugsrecht schriftlich eingeräumt, und im Hypothekenbuche vermerkt
werden.
§. 498. Ist der Vermerk unterblieben: so steht die Erklärung
des Gläubigers zwar ihm und seinen Erben, nicht aber einem dritten Inhaber der
Forderung, entgegen.
§. 499. Was zu beobachten sey, wenn eine Frauensperson der
Forderung eines Andern das Vorzugsrecht vor der ihrigen einräumt, ist im Titel
von Bürgschaften bestimmt. (Tit. XIV. §. 230.)
§. 500. An und für sich wird also, wenn eine Sache mehrern
zur Hypothek verschrieben, und zu ihrer aller Befriedigung unzureichend ist,
das Vorzugsrecht unter ihnen lediglich nach der Ordnung der geschehenen
Eintragung bestimmt.
§. 501. Was der Richter zu thun habe, wenn mehrere Posten um
eine und eben dieselbe Zeit zur Eintragung angemeldet werden, und wie alsdann
die Folge derselben zu bestimmen sey, ist in der Hypothekenordnung
vorgeschrieben.
§. 502. Hat der Richter bey Befolgung dieser Vorschriften
gefehlt: so bleibt es dennoch bey der im Hypothekenbuche einmal angenommenen
Folgeordnung.
§. 503. Derjenige aber, welcher durch ein solches Versehen
des Richters gefährdet worden, kann von diesem, jedoch nur unter den §.
451.452. festgesetzten Bestimmungen, Schadloshaltung fordern.
§. 504. Bey eintretender Unzulänglichkeit einer mehrern zur
Hypothek verschriebenen Sache, haben nur zweyjährige Zinsen-Rückstände mit der
Hauptforderung gleiche Rechte.
§. 505. Aeltere Zinsen-Rückstände müssen sämmtlichen übrigen
auch bloß persönlichen Capitalsschulden nachstehen.
§. 506. Wie weit, bey entstandenem Concurs- oder
Liquidations-Prozesse, die fortlaufenden Zinsen der eingetragenen Hypotheken
aus den Nutzungen der verpfändeten Sache berichtigt werden müssen, bestimmt die
Concursordnung.
§. 507. Eben daselbst ist vorgeschrieben, wie weit in einem
solchen Falle die vorräthigen Bestände den eingetragenen Gläubigern, oder zur
gesammten Concursmasse, gehören.
§. 508. Nach eben diesen Vorschriften muß bestimmt werden,
wenn bloß im Wege der Execution, mehrere Gläubiger sich an die vorräthigen
Bestände halten wollen, in wie fern das Vorrecht der eingetragenen Gläubiger
sich auf dieselben erstrecke.
§. 509. Die Kosten, welche bey einem entstehenden Concurs-
oder Liquidations-Prozesse auf die Veräußerung des verschriebenen Grundstücks
verwendet worden, müssen von dem dafür gelöseten Kaufgelde vorweg abgezogen
werden.
§. 510. Dagegen muß im Concurse, auch der
Hypothekengläubiger die Kosten zur Ausführung seines Anspruchs gegen seine
Mitgläubiger selbst tragen.
d) Von Cessionen und Verpfändungen.
§. 511. So weit der Gläubiger über die eingetragene
Forderung selbst verfügen kann, so weit ist er auch die dafür bestellte
Hypothek einem Andern abzutreten und zu verpfänden berechtigt.
§. 512. Was bey Cessionen eingetragener Forderungen Rechtens
sey, ist im Eilften Titel vorgeschrieben. (Tit. XI. Sect. III.)
§. 513. Die Eintragung einer gehörig geleisteten Cession in
das Hypothekenbuch ist zur Gültigkeit des Geschäfts nicht nothwendig.
§. 514. Hat jedoch der Cessionarius die Eintragung zu suchen
verabsäumt: so muß er die daraus entstehenden nachtheiligen Folgen, in den
durch die Hypothekenordnung näher bestimmten Fällen, wider sich gelten lassen.
§. 515. Bey Verpfändungen eingetragener Hypotheken finden
zuvörderst die allgemeinen Vorschriften von Verpfändungen ausstehender
Forderungen überhaupt Anwendung. (§. 280. sqq.)
§. 516. Außerdem gilt, wegen der Eintragung solcher
Verpfändungen, alles das, was vorstehend wegen der Cessionen verordnet ist. (§.
513. und 514.)
§. 517. Die Kosten der Verpfändung und ihrer Eintragung muß,
im Mangel besondrer Verabredungen, der Verpfänder tragen.
§. 518. Die Kosten einer Cession und deren Eintragung
müssen, wenn nichts Besonderes verabredet ist, von dem Cedenten und Cessionario
zu gleichen Theilen getragen werden.
§. 519. Hat jedoch der Schuldner wegen geschehener
Aufkündigung sich um einen andern Gläubiger beworben: so muß, wenn nicht ein
Anderes verabredet ist, der Schuldner die Cessions- und Eintragungskosten
entrichten.
10) Von Löschungen.
§. 520. So weit der Anspruch, für welchen die Hypothek
bestellt worden, getilgt wird, so weit erlöscht zwar in der Regel auch das
dingliche Recht des Gläubigers;
§. 521. Der Schuldner ist daher auch befugt, auf die
Löschung der getilgten Post im Hypothekenbuche, nach Vorschrift der
Hypothekenordnung, anzutragen.
§. 522. Unterläßt er es aber, so kann er die Verhandlungen
eines Dritten, worin derselbe mit dem eingetragenen Gläubiger redlicher Weise,
auf den Glauben des Hypothekenbuchs, unter Beobachtung der gesetzlichen
Vorschriften, sich eingelassen hat, zum Nachtheile dieses Dritten nicht
anfechten.
§. 523. Will daher der Schuldner, welchem der Gläubiger
seinen Consens in die Löschung der eingetragenen Post versagt, gegen alle
dergleichen Verfügungen des Gläubigers sich decken: so muß er, bis zum Austrage
der Sache, seinen Widerspruch dagegen im Hypothekenbuche vermerken lassen.
§. 524. Durch eine gehörig erfolgte Löschung wird das
dingliche Recht des Gläubigers aufgehoben; auch wenn der Anspruch selbst, für
welchen es bestellt worden, noch nicht getilgt wäre.
§. 525. Die Einwilligung des Gläubigers in die Löschung ist
also zum Beweise, daß die Schuld selbst getilgt sey, für sich allein noch nicht
hinreichend.
§. 526. Ist die Löschung einer eingetragenen Post zur
Ungebühr erfolgt: so verliert zwar der Gläubiger dadurch noch nicht sein aus
der Eintragung erhaltenes dingliches Recht;
§. 527. Doch kann er davon zum Nachtheile derjenigen, welche
sich erst nach erfolgter Löschung haben eintragen lassen, keinen Gebrauch
machen.
§. 528. Hingegen können diejenigen, welche zur Zeit der
Löschung schon eingetragen waren, daraus keinen Vortheil ziehen.
§. 529. Wohl aber kommt eine solche Löschung denjenigen zu
statten, welche sich eine nachstehende schon vorher eingetragene Forderung,
erst nach erfolgter Löschung, abtreten oder verpfänden, und die Cession oder
Verpfändung im Hypothekenbuche haben vermerken lassen.
§. 530. Gläubigern, die sich gar nicht haben eintragen
lassen, kommt gegen den Inhaber einer eingetragen gewesenen Forderung, deren
zur Ungebühr erfolgte Löschung nicht zu statten.
§. 531. Wegen alles aus einer ungebührlichen Löschung
wirklich entstehenden Schadens, bleibt dem Hypothekengläubiger der Regreß an
denjenigen, durch dessen Schuld selbige geschehen ist, vorbehalten.
§. 532. Die Kosten der Löschung ist, im Mangel besonderer
Verabredungen, der gewesene Schuldner, oder wenn alsdann die Sache in den
Händen eines dritten Besitzers sich befindet, dieser, mit Vorbehalt der
Rückforderung von dem Schuldner, zu tragen verpflichtet.
§. 533. Hat der dritte Besitzer die Hypothekenschuld
ausdrücklich mit übernommen: so kann er, wenn nichts Besonderes verabredet ist,
die Löschungskosten von dem gewesenen Schuldner nicht zurückfordern.
§. 534. So lange eine im Hypothekenbuche eingetragene
Forderung nicht wieder gelöscht worden, so lange kann die Verjährung derselben
nicht angefangen werden.
§. 535. Doch findet das, was desfalls von Pfändern verordnet
ist, auch bey Hypotheken Anwendung. (§. 246. 247. 248.)
Zweyter Abschnitt
Vom Zurückbehaltungsrechte
§. 536. Das Zurückbehaltungsrecht besteht in der Befugniß
des Inhabers einer fremden Sache, selbige so lange in seiner Gewahrsam zu
behalten, bis er wegen seiner Gegenforderung befriedigt worden.
§. 537. Dieses Recht setzt also voraus, daß derjenige,
welcher es ausüben will, redlicher Weise zum Besitze der Sache gelangt sey; und
nach Beschaffenheit seines Titels, den Besitz wieder zu räumen, an und für sich
verpflichtet seyn würde.
§. 538. Der unredliche Besitzer einer Sache kann sich des
Zurückbehaltungsrechts darauf niemals anmaßen.
§. 539. Die Forderung, wegen welcher das Zurückbehaltungsrecht
ausgeübt werden soll, muß in Ansehung der Sache selbst, oder aus dem Geschäfte,
vermöge dessen dieselbe in die Hände des Besitzers gekommen ist, entstanden
seyn.
§. 540. Sie muß zu eben der Zeit, wenn die Rückgabe der
Sache erfolgen sollte, fällig seyn.
§. 541. Sie muß wenigstens so weit bescheinigt seyn, als
nach den Gesetzen zur Anlegung eines Arrests erforderlich ist.
§. 542. Unter vorstehenden Erfordernissen (§. 539. 540.
541.) kann auch der Inhaber einer Capitalssumme, wegen einer an den Eigenthümer
derselben ihm zustehenden Gegenforderung, selbst alsdann, wenn ihm sonst das
Compensationsrecht nicht zustehen würde, das Zurückbehaltungsrecht ausüben.
(Tit. XVI. Sect. VI.)
§. 543. Wegen Forderungen, die auf die Sache, oder auf das
Geschäft keine Beziehung haben, findet das Zurückbehaltungsrecht in der Regel
nicht statt. (Tit. XIV. §. 79. Tit. XX. §. 172. 173.)
§. 544. Ausnahmen von dieser Regel müssen durch
ausdrückliche gesetzliche Vorschriften begründet seyn.
§. 545. Wem das Zurückbehaltungsrecht zukommt, der muß gegen
seinen die Sache wiederfordernden Schuldner, im Besitze derselben bis zu seiner
erfolgten Befriedigung geschützt werden.
§. 546. Gegen einen Dritten, der die Räumung des Besitzes zu
verlangen an sich befugt ist, kann das Zurückbehaltungsrecht in der Regel nicht
ausgeübt werden.
§. 547. Entspringt jedoch die Forderung des Inhabers aus
einer zum Nutzen der Sache geschehenen Verwendung; so steht das
Zurückbehaltungsrecht dem Inhaber gegen einen jeden zu, der mit dem Besitze der
Sache, zugleich den Vortheil aus dieser Verwendung überkommen würde.
§. 548. Doch muß in einem solchen Falle der Vortheil,
welcher durch die Verwendung gestiftet worden, noch wirklich vorhanden seyn.
§. 549. Auch kann dieses Recht nur, nach Verhältniß des
wirklich noch vorhandenen Vortheils, gegen die verwendete Summe ausgeübt
werden.
§. 550. Ist also auf die Sache mehr verwendet worden, als
der davon noch vorhandne Vortheil werth ist: so bestimmt nur der Betrag des
letztern die Summe, nach deren Höhe dem Inhaber das Zurückbehaltungsrecht gegen
einen Dritten zukommt.
§. 551. So lange jedoch über den Betrag der nach obigen
Grundsätzen (§. 548. 549.) dem Inhaber zukommenden Forderung zwischen ihm und
dem Dritten noch gestritten wird: kann der Inhaber sich des
Zurückbehaltungsrechts auf den ganzen Betrag seiner Verwendung bedienen.
§. 552. In allen Fällen, das Zurückbehaltungsrecht mag gegen
den Schuldner oder einen Dritten ausgeübt werden, erstreckt sich dasselbe nur
so weit, als es zur Deckung des dem Inhaber zukommenden Anspruchs erforderlich
ist.
§. 553. Uebersteigt also der Werth der Sache den Betrag der
Forderung: so kann der Inhaber nur einen verhältnißmäßigen Theil der Sache
zurückbehalten.
§. 554. Ist die Sache untheilbar: so steht dem Rückforderer
frey, darauf anzutragen, daß selbige, auf Gefahr und Kosten des Unterliegenden,
in gerichtliche Verwahrung genommen werde.
§. 555. Kann der Rückforderer für den Betrag des Anspruchs
annehmliche Sicherheit bestellen: so ist er auf Herausgabe der ganzen
untheilbaren Sache anzutragen berechtigt.
§. 556. Ueberhaupt ist in allen Fällen, wo die Forderung,
wegen welcher das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden soll, noch bestritten
wird, der Inhaber schuldig, die Sache dem Rückforderer gegen Bestellung einer
dergleichen annehmlichen Sicherheit herauszugeben.
§. 557. Ist aber die Forderung klar: so kann der Inhaber nur
gegen wirklich erfolgende Befriedigung zur Herausgabe der auch untheilbaren
Sache angehalten werden.
§. 558. So lange sich der Inhaber vermöge des
Zurückbehaltungsrechts im Besitze der Sache befindet, hat er wegen der
Verwahrung, des Gebrauchs, und der Verwaltung derselben, alle Obliegenheiten
eines Pfandinhabers.
§. 559. Durch die Verabfolgung der Sache, auf welche das
Zurückbehaltungsrecht jemanden zusteht, geht dieses Recht verloren.
§. 560. Auch durch eine Protestation bey der Ablieferung der
Sache an den Schuldner, oder einen Dritten, wird dieses Recht nicht erhalten.
§. 561. Ist aber der Inhaber durch Gewalt oder List des
Besitzes entsetzt worden: so verbleibt ihm sein Recht, und er kann auf
Wiedereinräumung des Besitzes gegen den Entsetzenden antragen.
§. 562. Wird die Sache dem Inhaber von den Gerichten
abgefordert; so bleibt ihm sein Recht so lange vorbehalten, als dieselbe, oder
ihr Werth, in gerichtlicher Verwahrung sich befinden.
§. 563. Geschieht aber die gerichtliche Abforderung der
Sache zu dem Ende, damit dieselbe einem Andern zum Besitze übergeben werde: so
kann der Inhaber sein Zurückbehaltungsrecht daran nur durch eine Protestation
decken.
§. 564. Diese Protestation muß spätestens binnen Acht Tagen,
nach geschehener Ablieferung, bey den Gerichten selbst eingelegt werden.
§. 565. Durch eine solche Protestation erhält sich der
Berechtigte die Befugniß, auf Wiedereinräumung des Besitzes der Sache, oder auf
Niederlegung derselben in gerichtliche Gewahrsam anzutragen.
§. 566. Ist aber Concurs über das Vermögen des Schuldners entstanden:
so hört das Zurückbehaltungsrecht auf; und der, welchem selbiges beygewohnt
hat, erlangt dadurch vor andern Gläubigern keinen Vorzug.
§. 567. Von dem Zurückbehaltungsrechte der Wittwen und
Allodialerben eines Lehn- oder Fideicommiß-Besitzers ist das Erforderliche
gehörigen Orts vorgeschrieben (Tit. XVm. §. 600.601. Th. n. Tit. IV. Sect.
III.).
Dritter Abschnitt
Vom Vorkaufs- Näher- und Wiederkaufsrechte
Begriff.
§. 568. Das Vorkaufsrecht ist die Befugniß, eine von dem
Eigenthümer an einen Dritten verkaufte Sache, unter den Bedingungen des
geschlossenen Kaufs, oder unter gewissen im voraus bestimmten Bedingungen,
käuflich zu übernehmen.
Persönliches und
§. 569. Ein durch Vertrag oder letztwillige Verordnung
bestelltes Vorkaufsrecht, ist in der Regel nur ein persönliches Recht, wodurch,
nur der gegenwärtige Eigenthümer und dessen Erben verpflichtet werden.
dingliches Vorkaufsrecht.
§. 570. Die Eigenschaft eines dinglichen Rechts erlangt
dasselbe, bey unbeweglichen Sachen, erst durch die Eintragung in das
Hypothekenbuch.
§. 571. Zu dieser Eintragung bedarf es, wenn das Recht
einmal gültig bestellt worden, keiner besondern Einwilligung des Eigenthümers.
§. 572. Auf bewegliche Sachen kann ein Vorkaufsrecht, in der
Eigenschaft eines dinglichen Rechts, durch Vertrag oder letztwillrge Verordnung
gar nicht bestellt werden.
§. 573. Ein aus dem Gesetze unmittelbar entspringendes
Vorkaufsrecht hingegen verpflichtet jeden Besitzer, auch ohne Eintragung.
§. 574. Beruht jedoch der Grund, warum eine unbewegliche
Sache diesem Rechte unterworfen ist, darauf, weil derselben die Lehns-, die
Erbzins- oder eine andre dergleichen Eigenschaft bey wohnt: so muß wenigstens
diese Eigenschaft in dem Hypothekenbuche vermerkt seyn.
Fälle, wo die Ausübung dieses Rechts statt findet oder
nicht.
§. 575. Das Vorkaufsrecht kann in der Regel nur bey
wirklichen Verkäufen, nicht aber bey andern Arten der Veräußerung, ausgeübt
werden.
§. 576. Doch ist die Angabe an Zahlungsstatt, ingleichen
jede Veräußerung des zum Eigenthume gehörenden Nutzungsrechts, welche gegen
baares Entgeld geschiehet, in dieser Rücksicht einem wirklichen Verkaufe gleich
zu achten.
§. 577. Wenn es zweifelhaft ist, ob eine Veräußerung für
einen Kauf, oder für Tausch, Schenkung, oder ein anderes dergleichen Geschäft
zu achten sey: so wird im zweifelhaften Falle gegen den Kauf vermuthet.
§. 578. Ist der Kauf unter einer solchen Hauptbedingung
geschlossen, die kein anderer, als der gegenwärtige Käufer, erfüllen kann: so
bleibt das Vorkaufsrecht außer Anwendung.
§. 579. Nebenbedingungen, die einer Schätzung nach Gelde
fähig sind, schließen den Vorkaufsberechtigten, der diese Schätzung noch über
das vorbedungene Kaufgeld zu entrichten erbötig ist, nicht aus.
§. 580. Auf Nebenbedingungen, die, als Verträge betrachtet,
gar keine Verbindlichkeit zur Erfüllung bey sich führen, wird, zum Nachtheile
des Vorkaufsberechtigten, keine Rücksicht genommen. (Tit. V. §. 51.70-73.)
§. 581. Die Bedingung, den Verkäufer zu verpflegen, ist für
eine solche, wodurch das Vorkaufsrecht ausgeschlossen wird, zu achten.
§. 582. Ist aber die Verpflegung auf gewisse Summen oder
Quantitäten von Naturalien, ohne Rücksicht auf persönliche Verbindlichkeiten
oder Verhältnisse des Verpflegenden, bestimmt: so kann der Berechtigte, gegen
Uebernehmung eben dieser Prästationen, sein Vorkaufsrecht ausüben.
§. 583. Auch eine andere unbestimmt versprochene Verpflegung
schließt den Vorkauf nicht aus, wenn der Verkäufer ausdrücklich erklärt, daß er
diese Verpflegung auch von dem Vorkaufsberechtigten annehmen wolle.
§. 584. Das Vorkaufsrecht findet nicht statt, wenn der
Besitzer die Sache seinem nächsten gesetzlichen Erben noch unter Lebendigen
käuflich überläßt.
§. 585. Außer diesen Fällen kann das Vorgeben einer
besondern Zuneigung des Verkäufers gegen den Käufer, den Vorkaufsberechtigten
an der Ausübung seines Rechts nicht hindern.
§. 586. In vorstehenden Fällen (§. 578. 581. 584) ruht die
Befugniß des Vorkaufsberechtigten, in so fern ihm selbige unmittelbar aus dem
Gesetze, oder als ein dingliches Recht zukommt, nur für den gegenwärtigen Fall;
und kann bey dem nächstfolgenden Verkaufe, bey welchem keiner von diesen
Hindernissen eintritt, wieder ausgeübt werden.
Verhältnisse mehrerer Vorkaufsberechtigten unter einnander.
§. 587. Sind mehrere zum Vorkaufe berechtigt und erbötig: so
hat der, dessen Befugniß unmittelbar aus dem Gesetze entspringt, vor den
übrigen den Vorzug.
§. 588. Entsteht bey allen das Vorkaufsrecht unmittelbar aus
dem Gesetze: so geht der Miteigenthümer dem Verwandten, dieser dem
Obereigenthümer, und der Obereigenthümer allen übrigen gesetzmäßig Berechtigten
vor.
§. 589. Entsteht bey allen das Vorkaufsrecht aus
Willenserklärungen: so steht der nur persönlich Berechtigte demjenigen nach,
der sein Vorkaufsrecht hat eintragen lassen.
§. 590. Unter mehrern Eingetragenen entscheidet auch hier
die Erstigkeit des Eintragungs-Gesuchs.
§. 591. In welcher Ordnung das Vorkaufsrecht, so weit es ein
Familienrecht ist, von mehrern dazu berufenen Mitgliedern der Familie ausgeübt
werde, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. IV. Sect. IV.)
§. 592. Kann der Vorzug unter mehrern sich meldenden
Berechtigten, nach obigen Vorschriften (§. 587-591.) nicht entschieden werden:
so hängt es von der Wahl des Verkäufers ab, welchem unter ihnen er den Vorkauf
vorzüglich gestatten wolle.
§. 593. Kann oder will der Verkäufer sich darüber nicht
erklären: so entscheidet das Loos.
In wiefern das Recht Andern abgetreten werden könne, oder
§. 594. Das Vorkaufsrecht kann Andern, die für sich selbst
dazu nicht befugt sind, nicht abgetreten werden.
§. 595. Aeußert sich ein scheinbarer Verdacht, daß der
Berechtigte den Vorkauf bloß unter seinem Namen zu Gunsten eines andern
Unberechtigten ausüben wolle: so steht dem Käufer frey, auf richterliche
Untersuchung und Entscheidung darüber anzutragen, und zum Beweise einer solchen
Simulation auch der Eideszuschiebung sich zu bedienen.
auf die Erben übergehe.
§. 596. Das aus Willenserklärungen entstehende Vorkaufsrecht
geht nur unter denjenigen Umständen, wo es beym Wiederkaufsrechte verordnet
ist, auf die Erben über. (Tit. XI. §. 314-318.)
Begabung des Vorkaufsrechts.
§. 597. Wer sich seines Vorkaufsrechts einmal ohne Vorbehalt
begeben hat, kann selbiges in der Folge nicht mehr ausüben.
§. 598. Ist jedoch die Begebung nur in unbestimmten
Ausdrücken geschehen, und das im Hypothekenbuche eingetragene Vorkaufsrecht
nicht gelöscht worden: so bleibt dasselbe dem Berechtigten auf künftige Fälle
dennoch vorbehalten.
§. 599. Ist das Vorkaufsrecht jemanden auf eine gewisse Zeit
beigelegt: so wird Vermuthet, daß diese Zeitbestimmung nur zu Gunsten des
Besitzers der dem Vorkaufe unterworfnen Sache beygefügt sey.
§. 600. Das Vorkaufsrecht erlöscht also, wenn der Berechtigte
dasselbe binnen der gesetzten Frist nicht hat ausruhen können oder wollen.
§. 601. Erhellet aber, daß die Zeitbestimmung zu Gunsten des
Berechtigten beygefügt sey: so ist der Besitzer nicht befugt, demselben durch
einen frühern Verkauf, dessen Bedingungen er nicht erfüllen kann oder will,
sein Recht zu vereiteln.
Obliegenheiten des Berechtigten.
§. 602. Wer das ihm noch zukommende Vorkaufsrecht ausüben
will, muß alle die Bedingungen erfüllen, wozu der erste Käufer sich
verpflichtet.
§. 603. Dies gilt besonders auch von den wegen Zahlung, oder
Sicherstellung und Verzinsung des Kaufpreises, getroffenen Verabredungen.
§. 604. Dagegen ist der erste Käufer nicht befugt, nach
einmal geschehener Bekanntmachung, das in dem wirklich geschlossenen Vertrage
verabredete Kaufgeld zum Nachtheile des Vorkaufsberechtigten zu erhöhen.
§. 605. Ist ein gewisser Preis, für welchen die Ausübung des
Vorkaufsrechts statt finden solle, durch Vertrag oder letztwillige Verordnungen
im Voraus bestimmt: so hat es dabey in Ansehung beyder Theile sein Bewenden.
§. 606. Ob und was in diesem Falle der Vorkaufsberechtigte,
außer dem im Voraus bestimmten Kaufpreise, für gemachte Verbesserungen zu
vergüten schuldig sey, ist nach den beym Wiederkaufe vorgeschriebenen Regeln zu
bestimmen. (Tit. XI. §. 303. 304. 305.)
§. 607. Ist die mit dem Vorkaufsrechte belastete Sache, mit
einer andern zugleich, für einen und eben denselben unzertrennten Preis
verkauft worden: so muß der Berechtigte sich auch diese Bedingung gefallen
lassen, oder von dem Vorkaufe abstehen.
Obliegenheiten des Verpflichteten.
§. 608. Der Verkäufer der mit dem Vorkaufsrechte belasteten
Sache ist schuldig, dem Berechtigten, von dem Abschlusse des Kaufs Nachricht zu
geben, und ihm eine getreue Abschrift der Punctation zuzustellen.
§. 609. Der Berechtigte muß seine Erklärung darüber, bey
Verlust seines Rechts, in Ansehung beweglicher Sachen, binnen derjenigen Frist
abgeben, welche die Gesetze bey Verträgen zur Annahme eines geschehnen Antrags
bestimmen. (Tit. V. §. 94-101.)
Bekanntmachung.
§. 610. Bey Grundstücken und Gerechtigkeiten muß diese
Erklärung binnen Zwey Monathen von dem Tage an abgegeben werden, wo die
Bekanntmachung des geschloßnen Kaufs, und der Bedingungen desselben, dem
Berechtigten zugestellt worden,
§. 611. In allen Fällen, wo das Vorkaufsrecht die
Eigenschaft eines dinglichen Rechts hat, muß die Bekanntmachung gerichtlich,
oder durch einen Notarium, geschehen.
§. 612. Bey Berechtigten, deren Aufenthalt unbekannt ist,
tritt ein offnes Patent an die Stelle der besondern Bekanntmachung.
§. 613. Dergleichen Patent kann jedoch nur unter denjenigen
Umständen und Maaßgaben bewilligt werden, unter welchen die Edictalcitation
eines abwesenden Beklagten nach der Prozeßordnung statt findet.
§. 614. Das Patent muß an gewöhnlicher Gerichtsstelle
angeschlagen, auch den Zeitungen und Intelligenzblättern der Provinz, bey
beweglichen Sachen Einmal, bey unbeweglichen aber Dreymal, einverleibt werden.
§. 615. Bey gerichtlichen Verkäufen muß der anstehende
Bietungstermin dem Berechtigten auf vorstehende Art. §. 611-614 besonders
bekannt gemacht werden.
§. 616. In diesem Falle muß der Berechtigte seine Erklärung:
ob er die Sache für das darauf gefallene höchste Gebot übernehmen wolle, im
Bietungstermine selbst, bey Verlust seines Rechts, abgeben.
§. 617. Wer nur ein persönliches Vorkaufsrecht, und selbiges
bey dem Richter nicht angemeldet hat, kann sich nicht beschweren, wenn er zu
dem gerichtlichen Verkaufe nicht besonders vorgeladen worden.
§. 618. So lange der Berechtigte sich über die Ausübung
seines Rechts noch nicht erklärt hat, können der Verkäufer, und der erste
Käufer, mit gegenseitiger Einwilligung von dem Kaufe wieder zurücktreten.
§. 619. Doch müssen sie den Berechtigten, wegen der in der
Zwischenzeit etwa gemachten Vorkehrungen zur Ausübung seines Rechts, schadlos
halten.
§. 620. Dagegen können der Verkäufer, und der erste Käufer,
nach einmal geschehener Bekanntmachung, in den Bedingungen des Contrakts zum
Nachtheile des Berechtigten nichts mehr ändern.
§. 621. Nur allein, wenn der Verkäufer dem ersten Käufer
einen Theil des Kaufgeldes ohne besondere Sicherheit creditiert hat, kann er
dafür von dem, welcher den Vorkauf ausüben will, hinlängliche
Sicherheitsbestellung fordern,
§. 622. Ein Gleiches gilt auch von andern Bedingungen des
Contrakts, deren Erfüllung, aus persönlichem Vertrauen gegen den Käufer, nicht
durch besondere Sicherheit gedeckt ist.
§. 623. Wenn der Berechtigte sich einmal erklärt hat, den
Vorkauf ausüben zu wollen: so wird der erste Käufer von seiner Verbindlichkeit
frey.
§. 624. Wenn also der Berechtigte die Bedingungen nicht erfüllen
kann; und der erste Käufer den Kauf nicht halten will: so haftet jener dem
Verkäufer für allen ihm daraus entstehenden Schaden.
§. 625. Will aber der erste Käufer bey dem Kaufe stehen
bleiben: so kann der Berechtigte den Vorkauf gegen den ersten Käufer nicht
ferner ausüben, wenn er auch in der Zwischenzeit in den Stand, die Bedingungen
zu erfüllen, gelangt wäre.
Befugnisse des Berechtigten nach erfolgter Uebergabe an
einen Dritten bey dem persönlichen Vorkaufsrechte.
§. 626. Wer ein bloß persönliches Vorkaufsrecht hat, kann
die ohne sein Vorwissen verkaufte Sache, wenn dieselbe dem Käufer einmal
übergeben worden, von demselben nicht zurückfordern.
§. 627. Wohl aber kann er von dem Verkäufer Schadloshaltung
fordern.
§. 628. Wenn erhellet, daß der Verkäufer vorsetzlich, und in
der Absicht, das Recht des Vorkaufsberechtigten zu kränken, die Bekanntmachung
des Kaufs an denselben unterlassen habe: so haftet er demselben nicht bloß für
den verursachten Schaden, sondern auch für den entgangnen Gewinn.
§. 629. Die Erben desjenigen, welcher das persönliche
Vorkaufsrecht eingeräumt hatte, haften bey einem von ihnen selbst ohne
Bekanntmachung geschehenen Verkaufe, dem Berechtigten nur in so fern, als sie
einer Wissenschaft von der durch den Erblasser ihm eingeräumten Befugniß
überführt werden können.
§. 630. Kann der Käufer überführt werden, vor erhaltner
Uebergabe gewußt zu haben, daß einem Andern ein persönliches Vorkaufsrecht
zustehe: so kann er, zum Nachtheile desselben, die erfolgte Uebergabe nicht
vorschützen.
Bey dem dinglichen Rückforderungsrecht.
§. 631. Wer ein gesetzliches oder dingliches Vorkaufsrecht
hat, ist befugt, die ohne gehörige Bekanntmachung, oder vor Ablauf der
gesetzmäßigen Frist, einem andern Käufer übergebene Sache von demselben
gerichtlich zurückzufordern.
§. 632. Will der Berechtigte dieses Recht gegen den Käufer
und Besitzer ausüben: so muß er demselben alles das, was dieser dem Verkäufer
an Kaufgelde bezahlt hat, sogleich bey der Uebergabe, ohne Abzug entrichten.
§. 633. Die Kaufskosten hingegen, und was sonst bey der
Besitzveränderung an Laudemien oder andern Gebühren hat entrichtet werden
müssen, ist der Rückforderer zu erstatten nicht schuldig.
§. 634. Dagegen ist er die von dem Käufer verausgabten
Kosten zum. Aufgebote des Guts, und Erlangung eines Präclusionsurtels gegen die
Realprätendenten, zu vergüten gehalten.
§. 635. Ist vor der Ausübung des Rückforderungsrechts das
Gut schon weiter für einen höhern Preis verkauft worden: so ist der
Rückforderer doch nur den ersten Kaufpreis zu entrichten verbunden.
§. 636. Ist aber der Preis, für welchen der gegenwärtige
Besitzer das Gut gekauft hat, niedriger als der erste, so kommt dieses auch dem
Rückforderer zu statten.
§. 637. Wegen des von dem Verkäufer etwa gestundeten
Kaufgeldes tritt der Rückforderer, jedoch unter der §. 621.622. enthaltnen
Bestimmung, in die Rechte und Verbindlichkeiten des ersten Käufers.
§. 638. Ein zu Gunsten des ersten Käufers von dem Verkäufer
geschehener Erlaß oder Entsagung kommt dem Rückforderer nicht zu statten.
§. 639. Kann der Käufer und Besitzer überführt werden, daß
ihm sowohl die Existenz des Vorkaufsrechts, als die Person desjenigen, dem
selbiges zukam, bekannt gewesen sey; und daß er nicht dafür gesorgt, daß dieser
Vorkaufsberechtigte zur Ausübung seiner Befugniß gesetzmäßig aufgefordert
werde: so ist ein solcher Käufer, im Verhältnisse gegen den Rückforderer, in
Ansehung der während seiner Besitzzeit sich ereigneten Verbesserungen und
Verschlimmerungen der Substanz, einem unrechtfertigen Besitzer (Tit. VII. §.
239. 240.) gleich zu achten.
§. 640. War dem Käufer nur überhaupt aus dem
Hypothekenbuche, oder sonst, bekannt, daß die Sache mit einem Vorkaufsrechte
belastet sey; es fällt ihm aber weiter nichts, als die unterlaßne Besorgung der
gesetzmäßigen Aufforderung derjenigen, denen dieses Recht zusteht, zur Last: so
wird ein solcher Käufer, sowohl in Ansehung der Früchte und Nutzungen, als in
Ansehung der gemachten Verbesserungen, für einen redlichen Besitzer angesehen.
§. 641. In Ansehung der Verschlimmerungen aber muß auch ein
solcher Besitzer für ein mäßiges Versehen haften.
§. 642. Von dem Zeitpunkte an, wo der Rückforderer seine
Erklärung, von seinem Rechte Gebrauch machen zu wollen, dem Besitzer
gerichtlich hat bekannt machen lassen, hat auch ein solcher Besitzer (§. 640.),
in Ansehung der Substanz, alle Obliegenheiten eines unredlichen Besitzers.
§. 643. In Ansehung der Früchte und Nutzungen aber bleiben
ihm, bey Grundstücken, seine bisherigen Rechte, bis zum Ende desjenigen
Wirtschaftsjahres, in welchem die Bekanntmachung geschehen ist.
Verlust des Rückforderungsrechts.
§. 644. Zu Ausübung des vorstehend beschriebenen
Rückforderungsrechts kann der Besitzer den Berechtigten zu allen Zeiten
auffordern.
§. 645. Von dieser Aufforderung, und der Verbindlichkeit des
Berechtigten, sich darüber zu erklären, gilt alles das, was wegen der ersten
Bekanntmachung des geschloßnen Kaufs oben §. 603. sqq. verordnet ist.
§. 646. Ist keine dergleichen Aufforderung erfolgt so
erlöscht das Rückforderungsrecht nur mittelst einer gesetzmäßigen Verjährung
durch Nichtgebrauch.
§. 647. Diese Verjährung nimmt bey Grundstücken und
Gerechtigkeiten, die im Hypothekenbuche eingetragen sind, durchgehends, und
ohne Unterschied der Fälle, ihren Anfang mit dem Tage, da der erste Kauf in das
Hypothekenbuch eingeschrieben worden.
§. 648. Ist das Vorkaufs- und Rückforderungsrecht selbst im
Hypothekenbuche eingetragen; so kann dasselbe durch den bloßen Nichtgebrauch
niemals erlöschen.
§. 649. Was in Ansehung des Vorkaufs- und Näherrechts bey
Familiengütern statt finde, ist im Zweyten Theile verordnet. (Th. II. Tit. IV.)
Vorkaufsrecht unter Nachbarn.
§. 650. Auf Güter, die ehemals zusammengehört haben,
ingleichen wegen der bloßen Nachbarschaft und Lage, findet nach gemeinen
Rechten, kein Vorkaufs- oder Näherrecht statt.
§. 651. Wenn jedoch ein zu einem ganzen Gute gehörendes
einzelnes Grundstück, mit den Grundstücken eines andern Guts dergestalt
eingeschlossen oder vermischt liegt, daß aus dieser Lage zwischen den
beiderseitigen Besitzern leicht Uneinigkeiten und Prozesse entstehen könnten:
so soll, wenn dergleichen Grundstück einzeln verkauft wird, dem Besitzer des
andern Gutes ein Vorkaufsrecht daran zustehen.
§. 652. Der Besitzer eines solchen Grundstückes ist also
schuldig, dasselbe dem Besitzer des andern Guts zuerst zum Kaufe anzutragen.
§. 653. Können sie sich über den Preis nicht einigen: so
steht zwar dem Besitzer frey, das Grundstück auch einem Dritten zu überlassen;
§. 654. Entschließt er sich aber mit einem mindern als dem
erst geforderten Preise zufrieden zu seyn: so muß er diesen veränderten
Entschluß, vor der Uebergabe an den Dritten, dem benachbarten Gutsbesitzer
anzeigen.
§. 655. Ist, obigen Vorschriften zuwider, das Grundstück,
ohne Vorwissen des Nachbars, dem Dritten wirklich übergeben worden, so kann
ersterer selbiges binnen Sechs Monathen nach der Uebergabe, gegen Erstattung
des dafür gezahlten Preises, von dem neuen Besitzer zurückfordern.
§. 656. Doch hat in diesem Falle der Besitzer gegen den
Rückforderer alle Rechte eines redlichen Besitzers.
§. 657. Was in Ansehung des Wiederkaufs Rechtens sey, ist
gehörigen Orts bestimmt. (Tit. XI. §. 296. sqq.)
Ein und zwanzigster Titel
Von dem Rechte zum Gebrauche oder Nutzung fremden Eigenthums
§. 1. Das Recht ein fremdes Eigenthum zu gebrauchen, oder
Früchte und Nutzungen daraus zu ziehen, kann durch Willenserklärungen,
unmittelbar durch Gesetze, oder auch durch Verjährung begründet werden.
§. 2. So weit der Berechtigte sich im wirklichen Besitze der
zu gebrauchenden oder zu nutzenden Sache befindet, hat seine Befugniß die
Eigenschaft eines dinglichen Rechts.
§. 3. Die Verpflichtung, ihm die Ausübung des dinglichen
Rechts zu gestatten, geht also auf jeden neuen Eigenthümer der belasteten
Sache, welcher sein Recht von dem Besteller des Gebrauchs- oder Nutzungsrechts
herleitet, mit über.
§. 4. Bey Grundstücken und Gerechtigkeiten, hat die
Eintragung des Rechts in das Hypothekenbuch, die Wirkungen des körperlichen
Besitzes der Sache.
§. 5. Nutzungsrechte, die weder mit dem Besitze der Sache
verbunden, noch im Hypothekenbuche eingetragen sind können in der Regel nur so
lange ausgeübt werden, als die belastete Sache sich in den Händen desjenigen,
der dem Berechtigten persönlich verpflichtet war, oder seiner Erben befindet.
(Tit. XIX. §. 5. 6.)
§. 6. Wer jedoch Sachen übernimmt, die vermöge des Gesetzes
unmittelbar dem Nutzungsrechte eines Andern unterworfen sind; auf den geht die
Verpflichtung gegen den Berechtigten mit über; sobald es dem Uebernehmer
bekannt war, oder ohne sein eignes grobes oder mäßiges Versehen nicht unbekannt
seyn konnte, daß der bisherige Eigenthümer gegen den Berechtigten in einem
solchen persönlichen Verhältnisse, woraus vermöge des Gesetzes ein
Nutzungsrecht entspringt, sich befinde.
§. 7. Die aus der Verjährung entstehenden Nutzungsrechte
können nur mittelst der Verjährung durch Besitz erworben werden; und haben alsdann
allemal die Eigenschaft eines dinglichen Rechts.
§. 8. Bey den durch Verträge erworbenen Gebrauchs- und
Nutzungsrechten, wird im zweifelhaften Falle vermuthet, daß der Eigenthümer
außer dem, was die Natur des Geschäfts mit sich bringt, nicht mehr von seinem
Rechte habe abtreten wollen, als in dem Vertrage deutlich ausgedrückt worden.
§. 9. Ferner ist im zweifelhaften Falle anzunehmen, daß der
Eigenthümer das Gebrauchs- oder Nutzungsrecht nur gegen eine verhältnißmäßige
Vergütung gestattet habe.
§. 10. Ist also das Nutzungsrecht durch einen lästigen
Vertrag bestellt: so muß im zweifelhaften Falle darauf gesehen werden, daß der
Berechtigte einen Genuß erhalte, welcher mit dem, was er dafür gegeben, oder
geleistet hat, in billigem Verhältnisse stehe.
§. 11. Wer den Gebrauch oder die Nutzung einer Sache hat,
muß diejenigen Kosten und Lasten tragen, ohne welche er der daraus zu ziehenden
Vortheile nicht genußbar werden kann.
§. 12. Er muß die Sache während seines Genusses in dem
Stande erhalten, in welchem er sie empfangen hat, und sie, nach Endigung seines
Rechts, in eben der Beschaffenheit zurückgeben.
§. 13. Die nach dem natürlichen Laufe der Dinge durch den
ordentlichen Gebrauch entstehenden Verringerungen, ist der Berechtigte zu
vertreten nicht schuldig.
§. 14. Auch haftet er nicht für eine solche Verringerung,
oder Vernichtung der Sache, die sich ohne sein Verschulden ereignet.
§. 15. Für welchen Grad des Versehens der Berechtigte haften
müsse, ist nach der Natur des Vertrages, aus welchem sein Recht entspringt, und
den darüber im Titel von Verträgen ertheilten Vorschriften zu beurtheilen.
(Tit. V.)
§. 16. Bey Nutzungsrechten aus letztwilligen Verordnungen,
oder unmittelbar aus dem Gesetze, haftet der Berechtigte in der Regel für ein
mäßiges Versehen.
§. 17. Ist jemanden der Genuß eines Inbegriffs von Sachen
eingeräumt worden: so muß er auch die durch Natur oder Zufall abgegangenen
Stücke aus den Nutzungen des Inbegriffs selbst, so weit es daraus geschehen
kann, wieder ergänzen.
§. 18. In wie fern diese Ergänzung auch anderwärts her, als
aus den Nutzungen des Inbegriffs erfolgen müsse, ist nach den verschiedenen
Arten der Nutzungsrechte, und der zur Nutzung eingeräumten Sachen, in den
Gesetzen besonders bestimmt.
§. 19. Eine nicht ausdrücklich vorbedungene Caution ist der
Eigenthümer, in der Regel, von dem Nutzungsberechtigten zu fordern nicht
befugt.
§. 20. Sobald aber wahrscheinliche Besorgnisse eines
Mißbrauchs oder einer Vernachläßigung eintreten, kann der Berechtigte durch den
Richter angehalten werden, den Eigenthümer gegen die bevorstehende Beschädigung
oder Verringerung der Substanz hinlänglich sicher zu stellen.
§. 21. Ist dem Berechtigten durch die fehlerhafte
Beschaffenheit der Sache ein Nachtheil erwachsen: so haftet der Eigenthümer
dafür in so fern, als er bey Abschließung des Vertrages, oder sonst, ein nach
den Gesetzen ihm zuzurechnendes Versehen begangen hat. (Tit. V. §. 277-284.)
Erster Abschnitt
Vom Nießbrauche
Begriff.
§. 22. Das vollständige Nutzungsrecht, oder die Befugniß,
eine fremde Sache nach der Art eines guten Hauswirths, ohne weitere
Einschränkung, zu nutzen oder zu gebrauchen, wird der Nießbrauch genannt.
Rechte des Nießbrauchers.
§. 23. Der Nießbraucher ist zwar in der Regel, gleich dem
nutzbaren Eigenthümer, alle sowohl gewöhnlichen als ungewöhnlichen Nutzungen
von der Sache zu ziehen berechtigt.
§. 24. Auch erstreckt sich sein Recht auf alle, selbst auf
die erst während der Dauer desselben entstandenen An- und Zuwüchse.
§. 25. Er darf aber, ohne Einwilligung des Eigenthümers,
selbst einzelne Theile der Substanz, in eine von der vorigen ganz verschiedenen
Form nicht umändern. (Tit. XVIII. §. 9. 10.)
§. 26. Hat er es gleichwohl gethan: so muß, nach geendigtem
Nießbrauche, die Sache, nach dem Verlangen des Eigenthümers, auf Kosten des
Nießbrauchers wieder in den vorigen Stand gesetzt werden.
§. 27. Kann dieses nicht geschehen, so haftet der
Nießbraucher dem Eigenthümer für alles aus einer solchen eigenmächtigen
Veränderung entstandnen Nachtheil.
§. 28. Auch noch während der Dauer des Nießbrauchs hat der
Eigenthümer das Recht, den Nießbraucher anzuhalten, daß er die eigenmächtig
veränderte Sache wieder in den vorigen Stand setze.
§. 29. Auf Früchte und Nutzungen, die bey dem Anfange des
Nießbrauchs von der Sache schon abgesondert, ingleichen auf Zinsen, Hebungen,
und andre Prästationen, welche damals schon fällig oder versessen waren, hat
der Nießbraucher, als solcher, keinen Anspruch.
§. 30. Nutzungen, die ohne Verringerung der Substanz nicht
gezogen werden können, gehören in der Regel nicht zum Nießbrauche.
§. 31. Sie werden aber dazu gerechnet, wenn dergleichen
Verringerungen, bey einer gewöhnlichen Verwaltung, nach dem ordentlichen Laufe
der Natur, binnen einer gewissen Zeit von selbst wieder ersetzt werden.
§. 32. Es gehört also das Holz in einem ordentlich
eingetheilten und bewirthschafteten Walde in so weit zum Nießbrauche, als die
Schläge oder Haue in die Zeit desselben fallen.
§. 33. Windbrüche gehören dazu nur in so weit, als sie auf
die ordinaire Forstnutzung anzurechnen sind.
§. 34. Außerdem muß der Eigenthümer das dafür gelösete Geld,
entweder zu einer auch dem Nießbraucher vortheilhaften Verbesserung des Guts
anwenden; oder demselben die Zinsen davon, so lange sein Nießbrauch dauert,
überlassen.
§. 35. Einzelne auf Aeckern, Wiesen, oder Angern stehende
Baumstämme, darf sich der Nießbraucher in der Regel nicht zueignen.
§. 36. Doch kann er auf die Einschlagung dieser Bäume, in so
fern dieselbe nach wirtschaftlichen Grundsätzen nothwendig, oder zuträglich
ist, und auf die Nutzung des daraus gelöseten Werths, nach näherer Bestimmung
des §. 34. antragen.
§. 37. Bey solchen unterirdischen Erzeugnissen, welche zu
den Regalien gerechnet werden, gebührt dem Nießbraucher bloß die Nutzung der
auf das Eigenthumsantheil fallenden Ausbeute.
§. 38. Dagegen haftet aber auch der Eigenthümer für den zur
Fortsetzung der Arbeit erforderlichen Zuschuß; so weit derselbe aus der während
dem Nießbrauche gewonnenen Ausbeute nicht bestritten werden kann.
§. 39. Andere unterirdische Produkte, welche zu den Regalien
nicht gerechnet werden, sind dem Rechte des Nießbrauchers in der Regel
unterworfen.
§. 40. Ueberhaupt kann letzterer die auch zum Nießbrauche an
sich nicht gehörenden Erzeugnisse dennoch so weit nutzen, als es zur Unterhaltung
der Sache erforderlich ist.
§. 41. Aufgefundene Schätze hat der Nießbraucher, als
solcher, selbst in Ansehung der Zinsen oder Nutzungen, keinen Anspruch.
§. 42. Wem auf ein ganzes Vermögen oder Nachlaß ein
Nießbrauchsrecht bestellt worden, der genießt auch den vollen Ertrag der dazu
gehörenden Leibrenten.
§. 43. Auch die von einem Dritten, zu Gunsten des
Eigenthümers, veranstalteten Vermehrungen oder Verbesserungen der Sache, ist
der Nießbraucher zu nutzen wohl befugt.
§. 44. Hat jedoch der Wohlthäter ein Andres ausdrücklich
erklärt: so hat es dabey sein Bewenden.
§. 45. Die Ausübung der auf einem Gute haftenden Ehrenrechte
gebührt in der Regel dem Eigenthümer.
§. 46. Sind aber Lasten mit diesen Ehrenrechten verbunden:
so muß der Eigenthümer entweder auch diese tragen; oder, wenn er letzteres
nicht will, die Ausübung der Ehrenrechte, gegen Tilgung der Lasten dem
Nießbraucher überlassen.
Obliegenheiten des Nießbrauchers in Ansehung der Gebäude.
§. 47. Der Nießbraucher muß die zu seinem Nutzungsrechte
gehörenden Gehäude in dem Stande, wie er dieselben überkommen hat,
wirthschaftlich unterhalten.
§. 48. In so fern er, bey Antritt seines Nießbrauch, für die
Aufnahme einer beglaubten Beschreibung des damaligen Zustandes der Gebäude
nicht gesorgt hat, wird vermuthet, daß ihm selbige in gutem Baustande
überliefert worden.
§. 49. Für bloße, auch Hauptreparaturen, welche der
Nießbraucher wirklich vorgenommen hat, ist er nur in so fern, als sich der
Eigenthümer dazu durch einen gültigen Vertrag anheischig gemacht hat, Vergütung
zu fordern berechtigt.
§. 50. Gebäude, welche durch einen ohne grobes oder mäßiges
Versehen des Nießbrauchers sich ereignenden Zufall zu Grunde gehen, ist
derselbe auf seine Kosten wieder herzustellen nicht schuldig.
§. 51. Auch Hauptreparaturen, die aus einem solchen Zufalle
entstehen, auf seine Kosten zu veranstalten, kann ihm nicht zugemuthet werden.
§. 52. Für Hauptreparaturen sind diejenigen zu achten, deren
Kosten, mit Inbegriff der ins Geld gerechneten Materialien, den Vierten Theil
der Nutzungen desjenigen Jahres, in welchem der Zufall sich ereignet hat,
übersteigen.
§. 53. Will der Nießbraucher die Reparatur nicht übernehmen:
so muß er geschehen lassen, daß das Gebäude auf Kosten und für Rechnung des
Eigenthümers abgetragen werde.
§. 54. Inwiefern der Eigenthümer ein solches Gebäude wieder
herzustellen, oder abzutragen schuldig sey, ist nach den Vorschriften des
Achten Titels §. 37. sqq., und den Polizeygesetzen eines jeden Orts zu
beurtheilen.
§. 55. Will der Nießbraucher das ohne seine Schuld
eingegangene, oder einer Hauptreparatur bedürfende Gebäude, zu seinem Gebrauche
wieder herstellen: so muß er die Kosten dazu vorschießen.
§. 56. Will er sich den Ersatz dieser Kosten nach geendigtem
Nießbrauche versichern: so muß er sich die Einwilligung des Eigenthümers in den
vorzunehmenden Bau, oder in die zu veranstaltende Hauptreparatur verschaffen.
§. 57. Der Eigenthümer ist nur in die Wiederherstellung oder
Ausbesserung solcher Gebäude, die zur Wohnung und wirthschaftlichen Benutzung nothwendig
sind, zu willigen verbunden.
§. 58. Auch ist er nur zu einer Wiederherstellung in der Art
und Beschaffenheit, wie das Gebäude vorhin gewesen ist, seinen Consens zu
ertheilen verbunden.
§. 59. Verweigert der Eigenthümer seine Einwilligung; oder kann
er sich über den Betrag der zu verwendenden Kosten mit dem Nießbraucher nicht
einigen: so muß darüber von dem Richter, nach dem Befunde und Gutachten
vereideter Sachverständigen erkannt werden.
§. 60. Materialien, die aus dem Gute selbst genommen werden
können, ingleichen Dienste, die zu dem ordinairenWirthschaftsbetriebe nicht
erforderlich sind, muß der Nießbraucher, auch bey solchen Bauen und
Reparaturen, ohne Vergütung beytragen.
§. 61. Gebäude, die zur Zeit des angetretenen Nießbrauchs
schon im Baue begriffen, aber noch unvollendet waren, ist der Nießbraucher
befugt, nach dem vorhandnen und genehmigten Plane auf seine Kosten fortsetzen,
und vollführen zu lassen.
§. 62. Nach geendigtem Nießbrauche kann er den Ersatz der
dazu anschlagsmäßig verwendeten Kosten fordern.
§. 63. War das angefangene Gebäude bloß zur Pracht oder zum
Vergnügen bestimmt; und widerspricht der Eigenthümer dem Ausbaue ausdrücklich:
so kann der Nießbraucher für die, eines solchen Widerspruchs ungeachtet, auf
den Ausbau verwendeten Kosten, keinen Ersatz verlangen.
§. 64. Hat sich aus der bey dem Antritte des Nießbrauchs
aufgenommenen Beschreibung der Gebäude (§. 48.) ergeben, daß selbige schon
damals im baufälligen Zustande waren: so ist zwar der Nießbraucher, in so fern
ihm nicht ein besondres Recht dazu aus dem Vertrage oder der letztwilligen
Verordnung zukommt, den Eigenthümer zur Wiederherstellung dieser Gebäude
anzuhalten nicht befugt.
§. 65. Er kann aber die Wiederherstellung auf seine Kosten
vornehmen, und demnächst den Ersatz dieser Kosten, nach geendigtem Nießbrauche,
unter der §. 56-60. enthaltenen Bestimmung fordern.
§. 66. Auch ist er in diesem Falle selbst den Ersatz der auf
kleinere Reparaturen verwendeten Kosten, in so fern dieselben in baaren
Auslagen bestehn, zu fordern berechtigt.
§. 67. Hat der Nießbraucher eine solche Beschreibung der
Gebäude bey dem Antritte seines Nießbrauchs aufnehmen zu lassen verabsäumt: so
soll er, wenn hiernächst die Gebäude zu Grunde gehn, oder Hauptreparaturen
daran sich finden, mit dem Vorgeben, daß dieses aus dem schlechten Zustande, in
welchem die Gebäude übernommen worden, herrühre, nicht gehört werden.
in Ansehung der übrigen Zubehörungen,
§. 68. Eben die Verbindlichkeiten, welche dem Nießbraucher
zur wirthschaftlichen Unterhaltung der Gebäude obliegen, ist er auch bey den
übrigen Zubehörungen und Rubriken der Sache zu erfüllen schuldig.
§. 69. Er muß also bey Ergänzung des eingehenden
Viehinventarii aus dem Zuwachse; bey Nachpflanzung eingegangener Obstbäume; bey
Unterhaltung des Wirthschaftsgeräths, und sonst überall, die Pflichten eines
gewöhnlichen guten Hauswirths beobachten.
wegen Verzinsung der auf der Sache haftenden Schulden,
§. 70. Die Zinsen der auf der Sache haftenden Schulden muß
der Nießbraucher berichtigen.
§. 71. Ist der Nießbrauch auf eine ganze Verlassenschaft,
als einen Inbegriff von Sachen und Rechten, bestellt: so muß der Nießbraucher
auch persönliche Schulden des Erblassers verzinsen.
§. 72. Nach eingeräumtem Nießbrauche aber, kann der
Eigenthümer, durch neue persönliche oder Realschulden, das Recht und den Genuß
des Nießbrauchers nicht schmälern.
§. 73. Wer jedoch sein Nießbrauchsrecht auf eine
unbewegliche Sache nicht hat eintragen lassen, der kann den auch später
eingetragenen Gläubigern, welche dem Glauben des Hypothekenbuchs gefolgt sind,
nicht wehren, sich wegen ihrer Zinsen an die Nutzungen der Sache zu halten.
§. 74. Er kann aber, wegen des dadurch ihm entgehenden
Genusses, von dem Eigenthümer Vergütung fordern.
wegen Berichtigung der Capitalien.
§. 75. Für die Berichtigung aufgekündigter Capitalsposten
muß der Nießbraucher so weit sorgen, als ihm deren Verzinsung obliegt.
§. 76. Er kann aber zu solchen Capitalszahlungen die zu dem
Vermögensinbegriffe gehörenden Aktivforderungen verwenden, oder auch die
Substanz der Sache selbst verpfänden.
§. 77. Doch ist zu solchen Verfügungen (§. 75. und 76.) die
Zuziehung und Einwilligung des Eigenthümers in der Regel erforderlich.
§. 78. Versagt der Eigenthümer seine Einwilligung ohne
Grund, und läuft der Nießbraucher Gefahr, durch das Andringen der Gläubiger in
seinem Besitze und Genüsse beeinträchtigt zu werden: so ist er auf Ergänzung
dieses Consenses durch den Richter anzutragen berechtigt.
§. 79. Hat der Nießbraucher Capitalszahlungen aus eignen
Mitteln geleistet: so tritt er, auch ohne Cession, in die Rechte des von ihm
befriedigten Gläubigers.
wegen persönlicher Prästationen,
§. 80. Müssen wegen der zum Nießbrauche eingeräumten Sache,
einem Dritten gewisse persönliche Prästationen geleistet werden, welche auf die
Nutzungen gar keine Beziehung haben: so liegen dieselben dem Eigenthümer ob.
§. 81. Im zweifelhaften Falle aber wird vermuthet, daß auch
solche Prästationen sich auf das Nutzungsrecht beziehen, und also von dem
Nießbraucher zu leisten sind.
bey Prozessen,
§. 82. Auf Prozesse, welche die Substanz der Sachen deren
Pertinenzstücke und Gerechtigkeiten betreffen, ist dennoch der Nießbraucher
sich einzulassen, und die Kosten vorzuschießen verbunden.
§. 83. Er muß aber den Eigenthümer dabey zuziehen, und kann
durch dessen Unterlassung den Rechten desselben nichts vergeben.
§. 84. Die vorgeschossenen Kosten kann er, wenn ihm der
Nießbrauch unentgeltlich bestellt ist, erst nach Endigung desselben
zurückfordern; außerdem aber finden die allgemeinen Grundsätze von
Evictionsleistungen auch hier Anwendung. (Tit. XI. §. 136. sqq.)
§. 85. Wenn ein Prozeß die Rechte des Eigenthümers
dergestalt ausschließend betrifft, daß der Nießbraucher gar kein Interesse
dabey hat: so ist letzterer weder auf einen solchen Prozeß sich einzulassen,
noch die Kosten desselben vorzuschießen verbunden.
§. 86. Er muß aber die Kosten vorschießen, und kann erst bey
der künftigen Rückgabe Ersatz fordern: wenn ihm eine ganze Erbschaft zum
Nießbrauche eingeräumt ist.
in Ansehung anderer Lasten und Abgaben.
§. 87. Auch alle übrigen gewöhnlichen und ungewöhnlichen
Lasten und Abgaben von der Sache muß der Nießbraucher tragen.
§. 88. Kann er jedoch nachweisen, daß die ungewöhnlichen
Lasten und Abgaben alle während der Dauer seines Nießbrauchs gezogenen
Nutzungen, nach Abzug der davon entrichteten gewöhnlichen Lasten, überstiegen
haben: so ist er befugt: die Vergütung dieses Ueberschussesvon dem Eigenthümer
zu fordern.
§. 89. Es muß aber, bey der in einem solchen Falle
anzulegenden Berechnung, der Nießbraucher auch solche Nutzungen, die er als ein
guter Hauswirth hätte ziehen können, und durch sein eigenes mäßiges Verschulden
nicht gezogen hat, sich anrechnen lassen.
§. 90. Der Nießbraucher kann, ohne Bewilligung des
Eigenthümers, der Sache keine bleibenden Lasten auflegen.
Von der Verjährung bey dem Nießbrauche.
§. 91. Es kann also auch, so lange der Nießbrauch dauert,
niemand eine Verjährung, wodurch Rechte auf die Sache erworben werden sollen,
zum Nachtheile des Eigenthümers anfangen.
§. 92. Auch kann ein Recht, welches mit der zum Nießbrauche
eingeräumten Sache verbunden ist, durch eine gegen den Nießbraucher angefangene
Verjährung durch Nichtgebrauch, gegen den Eigenthümer nicht erlöschen.
§. 93. Wohl aber werden, wenn eine Verjährung zum Nachtheile
des Eigenthümers schon vor bestelltem Nießbrauche angefangen worden, die Jahre
des Nießbrauchs in die gesetzmäßige Frist mit eingerechnet.
§. 94. Das Recht des Eigenthümers auf die zum Nießbrauche
gegebne Sache geht durch den bloßen Nichtgebrauch nicht verloren.
§. 95. Hat jedoch ein Nießbraucher seinen Willen, die Sache
als Eigenthümer zu besitzen, durch öffentliche Handlungen geäußert; und der
Eigenthümer hat bey dieser ihm bekannt gewordenen Aeußerung durch
rechtsverjährte Zeit sich beruhigt: so hat der Nießbraucher das Eigenthumsrecht
durch Verjährung erworben.
§. 96. Doch kann diese Verjährung gegen den Eigenthümer, so
lange das Recht desselben im Hypothekenbuche eingetragen ist, nicht angefangen
werden.
§. 97. Auch kann derjenige, welchem der Nießbrauch zuerst
eingeräumt worden, diese Verjährung gegen den Eigenthümer niemals anfangen;
sondern dieselbe findet nur zu Gunsten seines Nachfolgers so weit er in gutem
Glauben ist, Anwendung. (Tit. VII §. 40.41.42.)
§. 98. Dienstbarkeiten und andre Rechte, können für die zum
Nießbrauche eingeräumte Sache, durch den Nießbraucher zum Besten des
Eigenthümers erworben werden.
Rechte und Pflichten des Eigenthümers während der Dauer des
Nießbrauchs.
§. 99. Der Eigenthümer darf, so lange der Nießbrauch dauert,
nichts vornehmen, wodurch das Nuztungsrecht des Andern auf irgend eine Art
eingeschränkt oder geschmälert wird.
§. 100. Doch bleibt dem Eigenthümer frey, solche
Veränderungen mit der Sache zu treffen, welche ohne Nachtheil des
Nutzungsberechtigten ausgeführt werden können.
Nießbrauch von Capitalien.
§. 101. Capitalien, welche zum Nießbrauche eingeräumt
worden, ist der Nießbraucher ohne die Willigung des Eigenthümers einzuziehn,
oder sonst darüber zu verfügen, nicht berechtigt.
§. 102. Thut er es dennoch: so geschieht es auf seine
Gefahr, und er muß jeden an solchen Capitalien nachher sich ereignenden Verlust
und Ausfall vertreten.
§. 103. Auch giebt dergleichen eigenmächtige von dem
Nießbraucher unternommene Verfügung dem Eigenthümer das Recht, auf
Cautionsbestellung wider ihn anzutragen.
§. 104. Wie weit der Eigenthümer die von dem Schuldner an
den Nießbraucher geleistete Zahlungen wider sich gelten lassen müsse, ist nach
den Grundsätzen von Zahlungen überhaupt zu beurtheilen. (Tit. XVL Sect.II.)
§. 105. Hat aber der Nießbraucher keine eigenmächtige
Veränderung mit dem Capitale vorgenommen: so haftet er nur für einen daran
durch sein grobes oder mäßiges Versehen entstandenen Verlust.
§. 106. Müssen solche Capitalien, wegen erfolgter
Aufkündigung, oder sonst, eingezogen werden: so ist der Eigenthümer, wegen
deren anderweitigen Belegung, mit dem Nießbraucher Rücksprache zu nehmen
verbunden.
§. 107. Die Beurtheilung der Sicherheit, gegen welche ein
solches Capital von neuem belegt werden soll, hängt hauptsächlich von dem
Eigenthümer ab.
§. 108. Kann und will aber der Nießbraucher für die
Sicherheit des Capitals annehmliche Caution leisten: so muß der von ihm
vorgeschlagenen Art der Belegung, der Vorzug gegeben werden.
§. 109. Will der Eigenthümer das Capital selbst an sich
nehmen: so ist der Nießbraucher nur gegen Bestellung annehmlicher Caution, und
nur gegen die bey einer solchen Sicherheit in der Provinz gewöhnliche
Verzinsung, darein zu willigen schuldig.
§. 110. Uebrigens kann jeder Nießbraucher sein Nutzungsrecht
zwar auch durch Andre ausüben, das Recht selbst aber kann er Andern nicht
abtreten.
Rückgewähr der zum Nießbrauche eingeräumt gewesenen Sache.
§. 111. Nach geendigtem Nießbrauche muß die Sache, mit allen
dazu gehörenden Beylaßstücken, zurückgegeben werden.
§. 112. Ist bey der Einräumung des Nießbrauchs ein
Verzeichniß über den Beylaß aufgenommen worden: so wird dieses bey der Rückgabe
lediglich zum Grunde gelegt.
§. 113. Auf die Anfertigung eines solchen Inventarii bey der
Uebergabe, in welchem zugleich die Beschaffenheit oder der Werth der
vorhandenen Beylaßstücke angegeben seyn muß, ist sowohl der Nießbraucher, als
der Eigenthümer anzutragen berechtigt.
§. 114. Im zweifelhaften Falle müssen die dazu
erforderlichen Kosten von beyden Theilen zur Hälfte getragen werden.
§. 115. Ist aber jemanden der Nießbrauch eines ganzen
Vermögens beschieden: so muß der Nießbraucher die Kosten des Inventarii allein
tragen.
§. 116. Hat bey einem durch letztwillige Verordnung
bestellten Nießbrauche, der Erblasser die Aufnehmung eines solchen Inventarii
verboten: so muß dennoch der Nießbraucher ein Privatverzeichniß aufnehmen, und
dasselbe gerichtlich, allenfalls versiegelt, niederlegen.
§. 117. Hat der Erblasser auch ein Privatverzeichniß
verboten: so erhält der Nießbraucher die Sache, so wie sie steht und liegt; und
muß sie demnächst mit allen zu einer ordentlichen gewöhnlichen Bewirthschaftung
nothdürftig erforderlichen Beylaßstücken zurückgeben.
§. 118. Doch bleibt ihm die Nachweisung, daß auch diese
Stücke ganz oder zum Theil bey der Sache nicht befindlich gewesen, vorbehalten.
§. 119. Hat außer diesem Falle (§. 117.) der Nießbraucher
die Sache ohne Inventarium übernommen: so wird vermuthet, daß er alles, was zur
vollständigen Benutzung derselben erforderlich ist, erhalten habe.
§. 120. Was für Stücke eigentlich zu einer solchen
vollständigen Benutzung erforderlich sind, muß, nöthigen Falls, nach dem
Ermessen vereideter Sachverständigen bestimmt werden.
§. 121. Von seinen Obliegenheiten wegen der Rückgabe des
Inventarii, wird der Nießbraucher auch durch einen daran sich ereigneten
Unglücksfall nicht befreyt.
§. 122. Finden sich bey der Rückgewähr mehrere Stücke, als
nach dem Inventario übergeben worden, oder nach dem Befunde der
Sachverständigen zur vollständigen Benutzung erforderlich sind: so werden
dieselben als das Eigenthum des abgehenden Nießbrauchers angesehn.
§. 123. Wegen der Beschaffenheit der zurück zu gebenden
Stücke gilt, wenn dieselbe nicht aus dem Inventario erhellet, die Vermuthung,
daß Stücke von mittlerer Art und Güte dem Nießbraucher übergeben worden, und
also auch dergleichen von ihm zurück gegeben werden müssen.
Verbesserungen.
§. 124. Wegen Verbesserungen der zum Nießbrauche eingeräumt
gewesenen Sache können der Nießbraucher, oder dessen Erben, nur in so fern
Vergütung fordern, als dieselben mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung
des Eigenthümers gemacht worden.
§. 125. Haben die Interessenten wegen der zu vergütenden
Summe sich nicht im voraus geeinigt: so muß über die Verbesserungskosten
ordentlich Rechnung gelegt werden.
§. 126. Dabey kann der Nießbraucher auch solche aus der
Sache selbst genommenen Materialien, die er sonst zu seinem Vortheile auf andre
Art hätte nutzen können, mit in Anschlag bringen.
§. 127. Für Arbeiten und Dienste der zum Gute gehörenden
Unterthanen und Dienstleute, in so fern dieselben ohne Nachtheil des
ordentlichen Wirthschaftsbetriebes geleistet worden, so wie für seine eignen
Bemühungen, kann der Nießbraucher keine Vergütung fordern.
§. 128. Unter eben den Umständen und Maaßgaben, wo der
Lehnsbesitzer antragen kann, daß zu einer vorzunehmenden Verbesserung der
verweigerte Consens der Agnaten durch den Richter ergänzt werde, kann der
Nießbraucher die Ergänzung der von dem Eigenthümer geweigerten Einwilligung
nachsuchen. (Tit. XVIII. §. 238. sqq.)
§. 129. In eben den Fällen, wo der Lehnsbesitzer, wegen
einer auf Landesherrlichen Befehl zu machenden fortdauernden Anstalt, die keine
Verbesserung des Guts ist, das Lehn verschulden kann, ist der Nießbraucher die
auf eine solche Anstalt wirthschaftlich verwendeten Kosten, nach geendigtem
Nießbrauche, von dem Eigenthümer zurück zu fordern berechtigt. (Ebend.)
§. 130. Außer diesen Fällen können der Nießbraucher und
dessen Erben, Verbesserungen, die ohne des Eigenthümers Einwilligung gemacht
worden, wenn über die Vergütung derselben kein Abkommen statt findet, bloß
zurücknehmen.
§. 131. Aber auch diese Zurücknahme ist nur in so fern
zuläßig, als die Sache in denjenigen Stand, in welchem sie sich vor der
Verbesserung befunden hat, wieder gesetzt wird.
Verringerungen.
§. 132. Verringerungen der zum Nießbrauche eingeräumt
gewesenen Sache müssen, der Nießbraucher, oder dessen Erben, dem Eigenthümer in
so fern vergüten, als sie durch grobes oder mäßiges Versehen entstanden sind.
§. 133. Pertinenzstücke, welche der Nießbraucher, ohne
Einwilligung des Eigenthümers, veräußert hat, kann letzterer entweder von dem
dritten Besitzer nach den im Fünfzehnten Titel vorgeschriebenen Grundsätzen
zurück fordern; oder sich wegen des Werths derselben an den Nießbraucher oder
dessen Nachlaß halten.
§. 134. Auch muß der Nießbraucher die Kosten tragen, welche
zur Wiederherstellung und Ausbesserung der durch seine Schuld in Verfall
gerathenen Gebäude, so weit ihm die Unterhaltung derselben nach den Grundsätzen
§. 47. sqq. oblag, nach dem Befunde der Sachverständigen erforderlich sind.
§. 135. Was von Gebäuden verordnet ist, gilt auch von
Dämmen, Teichen, Gräben, Brücken, Mühlen, Wasserleitungen, Wegen, Gehegen und
Verzäunungen.
§. 136. Dagegen kann wegen andrer aus vernachläßigter Cultur
oder sonstiger unwirthschaftlicher Verwaltung vorgeblich entstandener
Verringerungen, der Eigenthümer keinen Ersatz fordern.
§. 137. Doch findet das, was wegen des Ersatzes einer durch
Verwüstung des Waldes, und anderer dergleichen Rubriken, auf mehrere Jahre
hinaus entstandenen Verminderung des Ertrages, bey einem Lehngute
vorgeschrieben ist, auch bey den zum Nießbrauche überhaupt eingeräumten Gütern
Anwendung. (Tit. XVHI. §. 564. sqq.)
§. 138. Ein Gleiches gilt von der Vergütung, welche die
Erben eines verstorbenen Lehnsbesitzers dafür leisten müssen, daß durch
Ueberschwemmungen und Versandungen, welche wegen unterlassener
wirthschaftlicher Unterhaltung der Dämme und anderer Wasserbaue enstanden sind,
das Gut an seinem Ertrage, auf mehrere Jahre hinaus, einen erheblichen Abfall
erlitten hat. (Ebend. §. 572. sqq.)
§. 139. Es versteht sich von selbst, daß das, was an den
angeführten Orten von dem Rechte der Agnaten auf das ausgemittelte Entschädigungs-Quantum
vorgeschrieben ist, bey dem Nießbrauche eines freyen Allodialguts nicht
Anwendung finde.
§. 140. Wenn während der Dauer des Nießbrauchs, der
Nießbraucher die Sache durch unwirtschaftliche Verwaltung und Benutzung
verringert: so hat der Eigenthümer das Recht, dergleichen Betragen gerichtlich
zu rügen; und sowohl auf die Wiederherstellung der etwa schon entstandenen
Verschlimmerungen der Substanz, als auf angemessene Einschränkung des
Nießbrauchers in seinen künftigen Verfügungen anzutragen.
§. 141. Sind die deshalb erlassenen richterlichen
Verfügungen ohne Wirkung: so ist der Eigenthümer auf gerichtliche Sequestration
zu dringen berechtigt.
§. 142. Diese Sequestration ist jedoch dergestalt
einzurichten, daß dem Nießbraucher der Genuß der Sache, so weit es mit der
Sicherheit des Eigenthümers bestehen kann, gelassen werde.
Auseinandersetzung wegen der Nutzungen,
§. 143. In Ansehung der Nutzungen, welche zur Zeit des
geendigten Nießbrauchs noch vorhanden war, finden bey der Bestimmung, in wie fern
sie dem Nießbraucher verbleiben, oder dem Eigenthümer anheim fallen, eben die
Grundsätze, wie zwischen dem Eigenthümer und redlichen Besitzer, Anwendung.
(Tit. VII. §. 189. sqq.)
§. 144. Es müssen daher auch, bey Landgütern, und andern
nutzbaren Grundstücken, die Nutzungen früherer Jahre dem Nießbraucher gelassen;
die des letzten Wirthschaftsjahres aber, in welchem der Nießbrauch aufgehört
hat, zwischen dem Nießbraucher und Eigenthümer getheilt werden.
aus frühem Jahren,
§. 145. Zu den Nutzungen früherer Jahre wird auch das in
selbigen geschlagene und verkaufte Holz gerechnet, wenn gleich dasselbe noch
nicht abgeführt worden.
§. 146. Ist das in frühern Jahren geschlagene Holz zwar noch
nicht verkauft; aber doch schon nach einer Ablage gebracht worden: so verbleibt
es dem Nießbraucher oder dessen Erben.
§. 147. Ist endlich das Holz zwar in frühern Jahren
geschlagen, aber weder verkauft, noch abgeführt: so gehört dasselbe dem
Eigenthümer.
§. 148. Doch muß derselbe dem Nießbraucher, oder dessen
Erben, das bezahlte baare Schlager- oder anderweitige Arbeitslohn vergüten.
§. 149. Was vom Holze verordnet ist, gilt auch von Mauer-
und Ziegelsteinen, von gebranntem Kalke, und andern zum Nießbrauche gehörenden
Erzeugnissen, welche der Nießbraucher in frühern Jahren hat zubereiten, und zum
Gebrauche geschickt machen lassen.
im letzten Jahre,
§. 150. Wegen der Nutzungen des letzten Jahres kommt es
darauf an: ob das zum Nießbrauche eingeräumt gewesene Grundstück ein Landgut
sey, oder nicht.
bey Landgütern,
§. 151. Ist selbiges ein Landgut: so muß es bis zum Ende des
Wirthschaftsjahres, für gemeinschaftliche Rechnung des Nießbrauchers und
Eigenthümers, ver- waltet werden.
§. 152. Können die Interessenten über die Bestellung eines
gemeinschaftlichen Verwalters sich nicht einigen, so bleibt die Administration
dem Nießbraucher oder dessen Erben; welchen der Eigenthümer nur auf seine
Kosten einen Rechnungsführer an die Seite setzen kann.
§. 153. Aller zum Nießbrauche gehörende Ertrag des Guts, vom
Anfange des Wirthschaftsjahres an, muß dabey in Einnahme kommen.
§. 154. Doch darf der Werth solcher Naturalien, welche der
Nießbraucher schon verzehrt hat, oder noch während der fortgesetzten
Administration, zu seinem und seiner Familie Unterhalt wirthschaftlich
verwendet, zur baaren Einnahme nicht gezogen werden.
§. 155. Zur Ausgabe gehören zuvörderst alle in dem Laufe des
Wirthschaftsjahres zu entrichtende ordentliche und außerordentliche Abgaben.
§. 156. Ferner die nach obigen Grundsätzen aus dem
Nießbrauche zu entrichtende Zinsen.
§. 157. Endlich alle und jede zu einer ordentlichen
gewöhnlichen Führung und Fortsetzung der Wirthschaft erforderliche Ausgaben.
§. 158. Dahin werden auch die Kosten eines nach §. 152.
bestellten gemeinschaftlichen Verwalters gerechnet.
§. 159. Zu außerordentlichen Verbesserungen darf, ohne
Einwilligung beyder Theile, von den Einkünften dieses Wirthschaftsjahres nichts
verwendet werden.
§. 160. Doch kann der Eigenthümer die Fortsetzung bereits
angefangener Verbesserungen, aber nur auf seine Kosten, verlangen.
§. 161. Am Ende des Wirthschaftsjahres ist das bis zur
nächsten Erndte erforderliche Futter; ingleichen so viel an Getreyde, als bis
eben dahin zur Speisung des Gesindes und der Arbeiter, ingleichen zu den
Wirthschaftsdeputaten nöthig ist, zurück zu lassen.
§. 162. Getreyde zum Betriebe der Branntweinbrennerey sind
der Nießbraucher, oder dessen Erben, gar nicht, und Getreyde zur Brauerey nur
in so fern, als Bier zur Erndte, oder andern Wirthschaftsnothdurften gebrauet
wird, zurückzulassen schuldig.
§. 163. Für diese Vorräthe können der Nießbraucher, oder
dessen Erben, bey Ermangelung eines besondern Vertrages, keine Vergütung
fordern, oder in der gemeinschaftlichen Rechnung etwas dafür in Geldeinnahme
stellen.
§. 164. Vielmehr müssen sie, wenn kein hinlänglicher Vorrath
vorhanden ist, das Fehlende, nach den zur Zeit der Uebergabe an den Eigenthümer
stehenden Marktpreisen in so fern vergüten; als erhellet, daß der Mangel durch
den während des Wirthschaftsjahres geschehenen Verkauf solcher Naturalien enstanden
sey.
§. 165. Wegen der Einnahmen und Ausgaben, welche in die
Zeiten vor geendigtem Nießbrauche treffen, soll den Angaben des Nießbrauchers,
oder den von ihm zurückgelassenen Rechnungen und Anzeichnungen, auch ohne
eidliche Bestärkung, so lange geglaubt werden, bis deren Unrichtigkeit
nachgewiesen ist.
§. 166. Der nach Abzug aller Ausgaben übrig bleibende reine
Ertrag wird, nach Verhältniß der vor und nach Endigung des Nießbrauchs
verflossenen Zeit, zwischen dem Eigenthümer und dem Nießbraucher, oder dessen
Erben getheilt.
§. 167. In gleichem Verhältnisse muß auch der Schade
getragen werden, wenn die Ausgabe die Einnahme überstiegen hat.
§. 168. Ist zur Zeit des geendigten Nießbrauchs das Gut
verpachtet: so muß der reine Betrag des Pachtgeldes, welcher nach Abzug der §.
155-158. beschriebenen Ausgaben übrig bleibt, in eben diesem Verhältnisse
getheilt werden.
§. 169. Ist das zum Nießbrauche eingeräumt gewesene
Grundstück zwar an sich ein Städtisches; damit aber zugleich Ackerbau und
Viehzucht verbunden: so finden die obigen wegen eines Landguts gegebenen
Vorschriften, in Ansehung der gesammten im letzten Wirtschaftsjahre von einem
solchen Grundstücke fallenden Früchte und Nutzungen Anwendung.
bey andern Grundstücken, Gerechtigkeiten und Kapitalien.
§. 170. Von Grundstücken, mit welchen keine Landwirthschaft
verbunden ist, ingleichen von Gerechtigkeiten und ausstehenden Capitalien,
werden alle Nutzungen und Lasten bis zum Ablaufe des Vierteljahrs, in welchem
der Nießbrauch aufgehört hat, zum Vermögen oder Nachlasse des Nießbrauchers
gerechnet.
§. 171. In dieser Rücksicht nimmt das Jahr mit dem ersten
Junius seinen Anfang.
§. 172. Uebrigens wird ein jeder Nießbraucher, welcher sich,
nach Endigung seines Rechts, eines widerrechtlichen Verzugs bey der Rückgabe
der Sache schuldig macht, von diesem Zeitpunkte an, durchgehends und in jeder
Rücksicht, als ein unredlicher Besitzer angesehn.
§. 173. Sind verbrauchbare Sachen zum Nießbrauche gegeben
worden: so wird vermuthet, daß nur eben so viel Sachen von gleicher Beschaffenheit
zurückgegeben werden sollen. (Tit. II. §. 120.121.)
§. 174. Erhellet aber, daß nach dem Willen des Bestellers
eben dieselben Sachen zurückgewährt werden sollen: so muß der Eigenthümer sich
mit dem begnügen, was davon, und in dem Stande, wie es alsdann, nach
wirthschaftlichem Gebrauche, noch wirklich vorhanden ist.
§. 175. Der Nießbraucher ist in diesem Falle die Abnutzung
nur so weit zu vertreten schuldig, als er sie durch Vorsatz oder grobes
Versehen veranlaßt hat.
Endigung des Nießbrauchs.
§. 176. Jeder Nießbrauch hört mit dem Tode des Berechtigten
auf, und geht in der Regel auf die Erben desselben nicht über.
§. 177. Auch wenn der Nießbrauch auf eine gewisse Zeit, oder
bis zu einem gewissen Erfolge verliehen wäre, erreicht selbiger dennoch mit dem
frühern Ableben des Nießbrauchers seine Endschaft.
§. 178. Sind die Erben des Berechtigten zum Nießbrauche
ausdrücklich mit berufen: so ist dieses dennoch, im zweifelhaften Falle, nur
von den Erben des ersten Grades zu verstehen.
§. 179. Ist der Nießbrauch einer Gemeine, Corporation, oder
andern moralischen Person beschieden: so dauert er so lange, als dieselbe
moralische Person noch vorhanden ist.
§. 180. Dagegen können aber auch dergleichen moralische
Personen einen solchen fortwährenden Nießbrauch nur in Ansehung derjenigen
Sachen erlangen, in Ansehung welcher sie das Eigenthum zu erwerben nach den
Gesetzen fähig sind.
§. 181. Dem Nießbraucher steht es zu allen Zeiten frey,
seinem Rechte an den Eigenthümer zu entsagen.
§. 182. Ist jedoch der Nießbrauch durch einen lästigen
Vertrag bestellt: so finden, wegen einseitiger Entsagung desselben, die
allgemeinen Regeln über den Rücktritt von Verträgen Anwendung.
§. 183. Auch kann, bey dem aus dem Gesetze unmittelbar
entstehenden Nießbrauche, der Nießbraucher, durch Entsagung seines Rechts, von
den Pflichten, zu deren Vergütung ihm der Nießbrauch angewiesen worden, sich
nicht befreyen.
§. 184. Uebrigens findet wegen Aufhebung und Verlust des
Nießbrauchs durch Verjährung, durch den Untergang der Sache, und durch
Consolidation, eben das statt, was in Ansehung anderer Rechte überhaupt
vorgeschrieben ist.
§. 185. Ist jemanden der Nießbrauch einer Sache bloß nach
seiner Bedürfniß verliehen: so finden die Vorschriften des Neunzehnten Titels
§. 22. 24-28. Anwendung.
§. 186. Auch bey einem solchen Nutzungsrechte müssen die von
der Sache zu entrichtende Lasten und Abgaben von den Nutzungen erst abgezogen
werden, ehe der Berechtigte daraus seine Bedürfniß nehmen kann.
Zweyter Abschnitt
Von der Erbpacht
Begriff.
§. 187. Der Vertrag, vermöge dessen jemand das vollständige
Nutzungsrecht einer fremden Sache gegen einen damit im Verhältnisse stehenden
Zins erblich überkommt, wird ein Erbpacht-Contrakt genannt.
§. 188. Das Erbpachtrecht ist in der Regel immerwährend, und
geht auf alle Erben des Besitzers ohne Unterschied über.
§. 189. Doch ändert es das Wesen des Geschäftes nicht, wenn
auch der Vertrag nur auf gewisse Grade oder Generationen geschlossen worden.
Erbpachtzins.
§. 190. Bey Beurtheilung des Verhältnisses zwischen dem
Ertrage des Pachtstückes, und dem daraufgelegten Zinse, muß auf die Zeit des
eingegangenen Vertrages, und die damals vorgekommenen Umstände Rücksicht
genommen werden.
§. 191. Daraus also, daß ein solches Verhältniß gegenwärtig
nicht mehr vorhanden ist, folgt noch nicht, daß das Geschäft für keine Erbpacht
anzusehen sey.
§. 192. Ist es zweifelhaft: ob dem erblichen Besitzer ein
wirkliches Erbpachts- oder nur ein erbliches, jedoch eingeschränktes
Nutzungsrecht übertragen worden; so wird letzteres vermuthet.
§. 193. Der Erbpachtzins ist in der Regel unabänderlich, und
kann nicht erhöht werden.
§. 194. Ist jedoch festgesetzt, daß nach Ablauf eines
bestimmten Zeitraumes ein neuer Nutzungsanschlag aufgenommen, und darnach der
Zins für den folgenden Zeitraum bestimmt werden solle: so verliert das Geschäft
bloß dadurch noch nicht die Eigenschaft einer Erbpacht.
Erbstandsgeld.
§. 195. Wenn erhellet, daß bey dem Anfange des Geschäfts ein
Erbstandsgeld gezahlt worden: so wird vermuthet, daß selbiges für die Erbgerechtigkeit
gegeben, und ein unwiderrufliches Eigenthum des Erbverpächters geworden sey.
§. 196. Ohne ausdrückliche Verabredung kann also der
Erbpächter die Interessen des Erbstandsgeldes auf seinen zu entrichtenden Zins
nicht abrechnen.
§. 197. Auch wird er dadurch, daß er ein Erbstandsgeld
entrichtet hat, von der Verbindlichkeit, Caution zu bestellen, in Fällen, wo er
sonst nach den Gesetzen dazu verpflichtet ist, nicht frey.
§. 198. Wenn aber erhellet, daß das Erbstandsgeld bloß als
Caution für den Verpächter eingezahlt worden, so kommen die davon fallenden
Zinsen dem Erbpächter zu gute.
Rechte und Pflichten des Erbpächters.
§. 199. Der Erbpächter hat, in Ansehung der erpachteten
Sache, alle die Rechte und Pflichten, welche im vorigen Abschnitte einem
Nießbraucher beygelegt sind.
§. 200. Doch fallen diejenigen Rechte und Pflichten des
Nießbrauchers, welche auf die dem Eigenthümer künftig zu leistende Rückgabe
Beziehung haben, bey dem Erbpächter, dessen Recht fortwährend ist, hinweg.
§. 201. Die Erbpachtsgerechtigkeit ist das volle Eigenthum
des Pächters, und es kann von ihm darüber, so weit er nicht durch den Inhalt
des Contrakts eingeschränkt ist, frey verfügt werden.
§. 202. Doch ist, bey Veräußerungen unter Lebendigen, die
Einwilligung des Erbverpächters in der Regel eben so, wie bey Erbzinsgütern der
Consens des Erbzinsherrn erforderlich. (Tit. XVIII. §. 698-703.)
§. 203. Dagegen ist der neue Erbpächter zur Erlegung einer
in dem ursprünglichen Contrakte nicht vorbedungenen Lehnwaare nicht verpflichtet.
Rechte des Erbverpächters bey zurückbleibender Zahlung des
Zinses bey schlechter Wirthschaft,
§. 204. Hat der Erbpächter, bey dem Eintritte des zweyten
Jahres, die Erbpacht des vorhergehenden noch nicht abgeführt: so ist der
Verpächter auf Sequestration des Grundstücks zu seiner Sicherheit anzutragen
berechtigt.
§. 205. Nur wenn der Erbpächter die Bewirthschaftung des
Pachtstücks dergestalt gröblich vernachläßigt, daß der Verpächter Gefahr läuft,
den versessenen und künftigen Zins daraus nicht mehr erhalten zu können, ist
letzterer auf den gerichtlichen Verkauf der Erbpachtgerechtigkeit selbst
anzutragen befugt.
bey abgeläugneter Qualität der Sache.
§. 206. Ein Gleiches findet statt, wenn der Erbpächter seine
Verbindlichkeit zur Entrichtung der Erbpacht, wider besseres Wissen unredlicher
Weise abläugnet.
Heruntersetzung des Zinses.
§. 207. Hat das Erbpachtstück in seinem Ertrage, durch
unvermeidlichen Zufall, eine solche fortwährende Verringerung erlitten, daß die
bestimmte Erbpacht daraus nicht mehr genommen werden kann: so muß dieselbe bis
auf den wirklichen reinen Ertrag des Pachtstücks herunter gesetzt werden.
§. 208. Bey Berechnung dieses reinen Ertrages ist der
notwendige Unterhalt des Erbpächters, und seiner Familie, nur so weit, als
dieselben bey der Bewirthschaftung des Guts Dienste leisten, von den Nutzungen
unter den Wirthschaftsausgaben in Abzug zu bringen.
§. 209. Der Nachlaß am Zinse dauert nur so lange, als das
Gut in den zum Abtrage der vorigen Erbpacht erforderlichen Stand noch nicht hat
wiederhergestellt werden können.
§. 210. Wegen bloßer die Früchte und Nutzungen des
Pachtstücks betreffenden Unglücksfälle, kann der Erbpächter, im Mangel einer
ausdrücklichen Verabredung, keinen Nachlaß, sondern nur unter eben den
Umständen, wie der Erbzinsmann Nachsicht fordern. (Tit. XVIII. §. 759. 760.)
Erlaß des Zinses.
§. 211. Hat ein unvermeidlicher Zufall den Erbpächter, ohne
alles sein Verschulden, ganz außer Stand gesetzt, sein Recht, ein oder mehrere
Jahre lang, durch sich selbst, oder durch Andere auszuüben: so kann ihm für diese
Zeit kein Zins abgefordert werden.
Rechte des Verpächters bey entstehendem Unvermögen des
Pächters, wenn der Erbpächter das Gut verläßt.
§. 212. Wird der Pächter unvermögend, die Pacht
fortzusetzen: so ist der Verpächter auf gerichtlichen Verkauf der Erbpachtgerechtigkeit
anzutragen berechtigt.
§. 213. Ein Gleiches findet statt, wenn der Erbpächter das
Gut Schulden halber verläßt, und zur fortgesetzten Bewirthschaftung desselben
keine Anstalten vorkehrt.
§. 214. Aus dem gelöseten Kaufgelde ist der Erbverpächter
seine Befriedigung, wegen des etwa rückständigen Zinses, oder sonst durch die
Schuld des gewesenen Erbpächters ihm entstandner Schäden und Kosten, zu nehmen
befugt.
§. 215. Der Ueberrest verbleibt dem gewesenen Erbpächter,
dessen Erben oder Gläubigern.
Von der Rückgabe des Einstandsgeldes.
§. 216. Das Einstandsgeld, welches der Erbpächter, bey dem
Anfange der Erbpacht, als ein Einkaufsgeld für die Erbgerechtigkeit erlegt hat,
ist der Verpächter, wenn der Contrakt ohne sein Verschulden wieder aufgehoben
wird, zurückzugeben nicht verbunden.
§. 217. Dagegen kann er aber auch dem neuen Erbpächter, zum
Nachtheile des vorigen, seiner Erben oder Gläubiger, kein abermaliges
Einstandsgeld abfordern.
§. 218. Ist das ursprüngliche Einstandsgeld nur als Caution
bestellt worden: so muß dasselbe bey erfolgender Aufhebung des Contrakts
zurückgegeben werden.
§. 219. Doch ist der Verpächter darauf nicht nur den
rückständigen Zins, sondern auch seine übrigen aus dem Geschäfte entspringenden
Forderungen an den gewesenen Erbpächter, zu compensiren wohl befugt.
§. 220. Besonders gilt dieses wegen der Schadloshaltung,
welche der Erbverpächter dafür zu fordern hat, daß wegen des durch die Schuld
des bisherigen Besitzers verringerten Ertrages, das Pachtstück dem neuen Erbpächter
für einen mindern, als den bisherigen Zins, überlassen werden muß.
Rechte des Erbverpächters auf das übrige Vermögen des
Pächters.
§. 221. Auch an das übrige Vermögen des Erbpächters kann der
Verpächter, wegen der aus dem Geschäfte ihm zustehenden Forderungen, sich
halten.
§. 222. Wegen des rückständigen Zinses bleibt ihm das in der
Concursordnung näher bestimmte Vorrecht.
§. 223. Wegen seiner andern Forderungen aber hat er sich, in
dem übrigen Vermögen des gewesenen Erbpächters, eines besondern gesetzlichen
Vorrechts nicht zu erfreuen.
Von vacanten Erbpachtgerechtigkeiten.
§. 224. In Fällen, wo Güter und Verlassenschaften, als
herrnlos oder verwirkt, dem Staate anheim fallen, muß die erledigte
Erbpachtgerechtigkeit, für Rechnung des Fiskus, einem andern annehmlichen
Erbpächter unter gleichen Bedingungen überlassen werden.
Rechte des Erbpächters in Prozessen.
§. 225. Der Erbpächter kann das aus dem Vertrage ihm
zukommende Nutzungsrecht, ohne Zuziehung des Eigenthümers, gegen einen jeden
gerichtlich verfolgen.
§. 226. Bey Prozessen aber, welche die Substanz,
Pertinenzstücke und Gerechtigkeiten des Guts betreffen, finden die Vorschriften
vom Nießbrauche §. 82. sqq. Anwendung.
Dritter Abschnitt
Von dem eingeschränkten Gebrauchs- und Nutzungs-Rechte
fremder Sachen
§. 227. Einschränkungen des Nutzungsrechts werden theils
durch die Natur des Geschäfts, theils durch Verträge oder letztwillige
Verordnungen bestimmt.
§. 228. Ist es zweifelhaft: ob jemanden ein Nießbrauch, oder
nur ein eingeschränktes Nutzungsrecht verliehen worden: so gilt die Vermuthung
für letzteres.
I. Leihvertrag.
§. 229. Wird eine Sache jemanden bloß zum Gebrauche, unter
der Bedingung, daß eben dieselbe Sache zurück gegeben werde, unentgeltlich
eingeräumt: so ist ein Leihvertrag vorhanden.
§. 230. Es gehört zum Wesen dieses Vertrages, daß die Zeit
der Rückgabe entweder in sich selbst, oder durch die Art, oder den Zweck des
eingeräumten Gebrauchs, bestimmt sey.
Precarium.
§. 231. Ist weder die Art und der Zweck des Gebrauchs, noch
die Dauer desselben bestimmt: so ist derjenige, welchem der Gebrauch eingeräumt
worden, für einen bloßen Inhaber zu achten.
§. 232. Er ist also die Sache, auf jedesmaliges Erfordern
des Einräumenden, zu allen Zeiten zurück zu geben schuldig.
§. 233. Ein Gleiches findet statt, wenn eine unbewegliche
Sache, oder ein Recht, der Gegenstand des Contrakts, und dieser nicht
schriftlich abgefaßt ist.
Recht zur Rückforderung bey dem Leihvertrage.
§. 234. Ist aber ein wirklicher und gültiger Leihvertrag
vorhanden: so kann die Sache in der Regel erst nach verlaufener Zeit, oder nach
geendigtem Gebrauche, zurück gefordert werden.
§. 235. Doch ist der Verleiher berechtigt, die Sache auch
früher zurück zu fordern, wenn ihm dieselbe wegen einer Veränderung in seinen
eignen Umständen, die er zur Zeit der Verleihung nicht voraus sehen konnte,
unentbehrlich wird.
§. 236. Für den Nachtheil, welchen der Leiher alsdann durch
die frühere Entbehrung des Gebrauchs leidet, ist der Verleiher zu haften nicht
schuldig.
§. 237. Sobald der Leiher eigenmächtiger Weise die ihm
geliehene Sache einem Andern zum Gebrauche einräumt; oder sie zu einem andern
Zwecke, als wozu sie ihm gegeben worden, anwendet: ist der Verleiher dieselbe
zurück zu fordern berechtigt.
Rechte und Pflichten des Leihers,
§. 238. Der bloße Leiher kann sich der Zuwüchse, Nutzungen,
und Früchte der geliehenen Sache nicht anmaßen.
§. 239. Bringt die Beschaffenheit der Sache und des
verstatteten Gebrauchs es mit sich, daß der Leiher auch die Früchte und
Nutzungen genieße; oder ist ihm dieser Genuß ausdrücklich gestattet: so kann
das Geschäft, wenn es auch ein Leihvertrag genannt worden, dennoch nicht nach
den Regeln dieses Vertrages beurtheilt werden.
§. 240. Vielmehr finden, je nachdem der verstattete Genuß
uneingeschränkt, oder eingeschränkt war, die Regeln vom Nießbrauche, oder von
Pachten und Miethungen Anwendung.
§. 241. Der Leiher ist die gewöhnlichen Erhaltungskosten der
Sache während seines Gebrauchs zu tragen verbunden.
§. 242. Ereignen sich, während seiner Besitzzeit, Umstände, die
einen außerordentlichen Aufwand zur Erhaltung der Sache erfordern: so ist zwar
der Leiher dem Verleiher Anzeige davon zu machen, und ihm, mit Rückgabe der
Sache, die Besorgung dessen zu überlassen befugt.
§. 243. Kann oder will er aber dieses nicht: oder ist der
Verleiher nicht so in der Nähe, daß er die Sorge für die Erhaltung der Sache
noch zu rechter Zeit übernehmen könnte: so ist der Leiher dazu verbunden.
§. 244. Doch kann er die darauf verwendeten Kosten, von dem
Verleiher, nach den gesetzlichen Vorschriften von Besorgung fremder
Angelegenheiten ohne ausdrücklichen Auftrag, zurückfordern. (Tit. XIII. Sect.
II.)
besonders wegen Zurückgebung der geliehenen Sache,
§. 245. Der Leiher ist die geliehene Sache zu allen Zeiten,
auch noch vor Ablauf der verabredeten Frist, und vor beendigtem Gebrauche,
zurück zu geben berechtigt; wenn nicht klar erhellet, daß die Zeitbestimmung
lediglich zu Gunsten des Verleihers beygefügt sey.
§. 246. Die Rückgabe der Sache muß allemal in dem Stande,
wie sie gegeben worden, erfolgen.
§. 247. Gegen die schuldige Rückgabe kann sich der Leiher
nur durch solche Einwendungen schützen, welche einem Verwahrer fremder Sachen
zu statten kommen. (Tit. XIV. Sect. L)
wegen des von ihm zu vertretenden Grades der Schuld.
§. 248. Ist die Sache während seines Besitzes beschädigt,
oder gar verloren worden: so muß er dabey für jedes, auch das geringste
Versehen, haften.
§. 249. Hat aber der Verleiher aus dem Geschäfte irgend
einigen Vortheil; oder kann ausgemittelt werden, daß er selbiges zuerst in
Vorschlag gebracht, und den Leiher zu dessen Eingehung aufgefordert habe: so
haftet dieser nur für ein mäßiges Versehen.
§. 250. Bey einer Gefahr, welche des Leihers eigne Sache
zugleich trifft, ist derselbe die geliehene Sache vorzüglich zu retten, und
wenn er seiner eignen Sache den Vorzug giebt, den Schaden oder Verlust der
geliehenen zu vertreten schuldig.
wegen des Zufalls.
§. 251. Auch haftet der Leiher selbst für einen zufälligen
Schaden, wenn er eigenmächtig die Sache zu einem andern, als dem bestimmten
Zwecke gebraucht; oder den Gebrauch derselben einem Andern überläßt; oder mit
der Rückgabe säumig ist; in so fern nähmlich, wenn diese Umstände nicht
vorgewaltet hätten, der Zufall die Sache nicht würde getroffen haben.
§. 252. Außer diesen Fällen muß zwar ein ohne alles
Verschulden des Leihers sich ereignender Zufall von dem Verleiher getragen
werden;
§. 253. Doch muß der Leiher, wegen ungesäumter Anzeige eines
solchen Zufalls, eben das beobachten, was in einem gleichen Falle dem Verwahrer
fremder Sachen vorgeschrieben ist. (Tit. XIV. Sect. I. §. 34 sqq.)
§. 254. Wird die verlorene und von dem Leiner ersetzte Sache
in der Folge wieder gefunden: so steht es in der Wahl des Verleihers: ob er die
Sache zurücknehmen, und den dafür erhaltenen Werth herausgeben; oder letztern
behalten, und die Sache dem Leiher überlassen wolle.
§. 255. Für die inzwischen entbehrten Nutzungen der Sache
kann eben so wenig, als für das von dem Verleiher bis dahin genutzte Geld,
Vergütung gefordert werden.
§. 256. Die Kosten der Auffindung der Sache tragt derjenige,
der die Sache selbst behält.
Pflichten des Verleihers.
II. Vom Mieth- und Pachtvertrage.
§. 257. Der Verleiher ist seines Orts dem Leiher nur für ein
grobes Versehen zu haften schuldig.
§. 258. Wenn für den Gebrauch der geliehenen Sache ein
bestimmter Preis bedungen wird: so heißt das Geschäft ein Miethungsvertrag.
§. 259. Eine Sache heißt verpachtet, wenn dieselbe jemanden
gegen einen bestimmten Zins, nicht nur zum Gebrauche, sondern auch zur Nutzung
überlassen worden.
§. 260. Ist eine fruchttragende Sache mit einer andern, die
nur durch den Gebrauch der Substanz genutzt werden kann, zugleich und in Einem
Contrakte eingeräumt worden; so giebt bey der Bestimmung das Geschäft nach den
Regeln des Pacht- oder Miethcontrakts zu beurtheilen sey, die Beschaffenheit
der Hauptsache den Ausschlag.
§. 261. Im zweifelhaften Falle wird bey städtischen
Grundstücken ein Mietvertrag, bey Landgütern eher eine Pacht angenommen.
Mieth- oder Pachtzins.
§. 262. Besteht dasjenige, was für den Gebrauch oder die
Nutzung der gemietheten oder gepachteten Sache bezahlt wird, in baarem Gelde,
so heißt es Mieth- oder Pachtzins.
§. 263. Von dergleichen Zins gilt alles das, was wegen des
Kaufpreises vorgeschrieben ist. (Tit. XI. §. 46. sqq.)
§. 264. Wird statt des Pachtzinses eine in sich bestimmte
Quantität von Früchten gegeben: so ändert dieses nichts in der Natur des
Geschäfts.
§. 265. Ist aber, statt des Pachtzinses, ein gewisser nur im
Verhältnisse gegen das Ganze bestimmter Antheil (pars quota) von Früchten
vorbedungen worden: so ist ein solches Geschäft zwar übrigens nach den Regeln
des Pachtcontrakts zu beurtheilen;
§. 266. Es finden aber, wegen Vertheilung der Früchte
zwischen dem Pächter und Verpächter, die Regeln des Gesellschaftsvertrages
Anwendung. (Tit. XVII. Sect. III.)
Form des Vertrages.
§. 267. In wie fern bey Miethen und Pachtungen ein schriftlicher
Vertrag erforderlich sey, ist nach dem Betrage des verabredeten Pacht- oder
Miethzinses zu bestimmen.
§. 268. Soll der Contrakt auch länger als Ein Jahr dauern:
so giebt dennoch nur der Betrag einer Einjährigen Miethe den Maaßstab zur
Bestimmung: in wie fern es eines schriftlichen Contrakts bedürfe.
§. 269. Ist in Fällen, wo es eines schriftlichen Vertrages
bedarf, derselbe bloß mündlich geschlossen, aber durch die Uebergabe schon
vollzogen worden: so ist er nur auf Ein Jahr gültig.
Rechte und Pflichten des Miethers und Pächters.
§. 270. Durch den Mieth- oder Pachtcontrakt erlangt der
Miether oder Pächter nur den gemeingewöhnlichen Gebrauch, oder die gewöhnliche
Nutzung der Sache.
§. 271. Außerordentlicher, oder solcher Nutzungen, welche
mit einer Verminderung der Substanz verbunden sind, kann sich der Pächter nur
in so fern anmaßen, als ihm dieselben ausdrücklich überlassen worden.
§. 272. Die verpachtete muß so, wie die vermiethete Sache,
den Pächter oder Miether in brauchbarem Stande überliefert werden.
§. 273. Geschieht dieses nicht: so kann der Pächter oder
Miether dem Verpächter oder Vermiether dazu, und zum Ersatze des aus der
contraktwidrigen Beschaffenheit der Sache entstandenen Nachtheils, gerichtlich
anhalten; oder die Annahme verweigern, und von dem Vertrage ganz abgehn.
§. 274. Hat er die Sache in brauchbaren Stand setzen lassen:
so gebühren ihm, wegen Zurückforderung der darauf nothwendig und nützlich
verwendeten Kosten, die Rechte eines solchen, der fremde Geschäfte ohne Auftrag
besorgt hat. (Tit. XIII. §. 234-237.)
§. 275. Hat jedoch ein Pächter, wohl wissentlich, ein
verfallenes oder verwüstetes Gut in Pausch und Bogen gepachtet, ohne zu dessen
Wiederherstellung sich etwas vorzubedingen: so kann er von dem Verpächter
dergleichen Wiederherstellung nicht fordern.
§. 276. Auch kann er, wegen der von ihm selbst darauf
verwendeten Kosten, weder Abzüge von der Pacht machen, noch sonst einigen
Ersatz verlangen, als in so fern dergleichen im Contrakte ausdrücklich
verabredet ist.
§. 277. Besondere Bequemlichkeiten, oder vorhin nicht
gewöhnlich gewesene Nutzungen, ist der Vermiether oder Verpächter nur in so
fern zu gewähren schuldig, als er sich dazu ausdrücklich verpflichtet hat.
Grad der Verschuldung.
§. 278. Bey sich ereignenden Beschädigungen an der
verpachteten oder vermietheten Sache, ist der Pächter, oder Miether, auch für
ein mäßiges Versehen zu haften schuldig.
§. 279. Nur dann, wenn er die gepachtete oder gemiethete
Sache zu einem andern Behufe, als wozu sie ihm überlassen worden, anwendet, muß
er auch ein geringes Versehen vertreten.
Verbesserungen.
§. 280. Wegen Vergütung oder Zurücknahme gemachter
Verbesserungen, findet in der Regel eben das statt, was beym Nießbrauche
verordnet ist, (§. 124. sqq.)
§. 281. Doch kann der Pächter oder Miether den Verpächter
oder Vermiether zur Einwilligung in zu machende Verbesserungen in keinem Falle
nöthigen.
§. 282. Wenn dagegen auf hohem Befehl Anstalten und
Einrichtungen auf dem verpachteten Gute, nicht sowohl zur Verbesserung des Ertrages
desselben, als vielmehr des gemeinen Bestens wegen gemacht werden müssen: so
ist der Pächter die auf solche Anstalten zweckmäßig verwendeten Kosten von dem
Verpächter zurück zu fordern berechtigt.
§. 283. Muß die Pacht, ohne Verschulden des Pächters, vor
dem Ablaufe der bedungenen Zeit geräumt werden: so kann der Pächter für die
auch ohne besondre Einwilligung des Verpächters gemachten, zur Zeit der Räumung
noch wirklich vorhandenen Verbesserungen, eine verhältnismäßige Vergütung
fordern.
§. 284. Wenn nähmlich der Pächter nachweisen kann, daß er in
dem ersten Drittel der contraktmäßigen Pachtzeit Verbesserungen, deren Nutzen
sich erst in spätern Jahren äußern kann, gemacht habe: so sollen die Kosten auf
die Jahre, welche die Pacht, vermöge des Contrakts, nach Ablauf des ersten
Drittels noch hätte dauern sollen, vertheilt, und der auf die noch
rückständigen Jahre kommende Antheil dem Pächter erstattet werden.
§. 285. Wenn also z. B. ein Pächter, welcher auf Neun Jahre
gepachtet hat, in den ersten Drey Jahren Tausend Thaler auf dergleichen
Meliorationen verwendet hätte, und die Pacht mit dem Ablaufe des Sechsten
Jahres räumen müßte: so ist er annoch Fünfhundert Thaler Meliorationskosten zu
fordern berechtigt.
§. 286. Der Betrag der Verbesserungskosten ist in diesem
Falle nach den Vorschriften des Siebenten Titels §. 209. zu bestimmen.
Conservationskosten.
§. 287. Wegen der von dem Pächter oder Miether zur Abwendung
einer der Substanz der Sache drohenden Schadens zweckmäßig verwendeten Kosten,
hat derselbe die einem Uebernehmer fremder Geschäfte beygelegten Rechte. (Tit.
XIII. §. 234-237.)
Lasten und Abgaben.
§. 288. Bey eigentlichen Miethungen ist der Miether zu
Lasten und Angaben von der Sache, die er nicht ausdrücklich übernommen hat,
nicht verpflichtet.
§. 289. Insonderheit müssen die Lasten der Einquartierung in
der Regel nicht von dem Miether, sondern von dem Vermiether getragen werden.
§. 290. Unter diesen Lasten, deren Ersatz der Miether, wenn
er sie vorgeschossen hat, von dem Vermiether nach dieser Vorschrift fordern
kann, sind nur solche Verpflegungskosten, welche die Einquartierung vermöge
allgemeiner oder besonderer Verordnungen zu verlangen berechtigt ist, mit
begriffen.
§. 291. Bey Miethungen ist der Vermiether, im Mangel
besondrer Verabredungen, schuldig, die Sache während der contraktmäßigen Zeit
in brauchbarem Stande zu unterhalten, und also auch die nöthigen Reparaturen,
welche durch den erlaubten Gebrauch, oder durch Zufall entstanden sind, zu
übernehmen.
§. 292. Bey eigentlichen Pachtungen, die in Pausch und Bogen
geschlossen worden, trägt der Pächter alle von der Sache zu entrichtenden
Lasten und Abgaben, die dem Verpächter nicht ausdrücklich vorbehalten sind.
§. 293. Doch haftet auch in diesem Falle der Verpächter,
ohne besondern Vorbehalt, für die Interessen der Hypothekschulden, und für die
aus Verträgen oder letztwilligen Verordnungen auf der Sache haftenden Zinsen,
und fortlaufenden Prästationen.
§. 294. Hat der Pächter nach einem Anschlage gepachtet: so
wird vermuthet, daß er nur die darin von dem Ertrage abgezogenen Lasten und
Abgaben übernommen habe.
§. 295. In allen Fällen muß der Pächter diejenigen Abgaben
tragen, welche von den Früchten allein, bey deren Verwendung oder Veräußerung,
ohne Rücksicht auf die Substanz des Guts, und auf die Person des das Pachtgeld
ziehenden Verpächters, zu entrichten sind.
§. 296. Wie weit die Sorge für die Unterhaltung der Sache in
brauch- und nutzbarem Stande, dem Pächter oder dem Verpächter obliege, wird
unten näher bestimmt. (§. 433. sqq.)
Bestimmungen wegen Entrichtung und Erlassung des Pacht- und
Miethzinses.
§. 297. Der Pacht- und Miethzins muß, wenn nicht ein Andres
verabredet ist, vierteljährig entrichtet werden.
§. 298. Der Rückstand zweyer Termine berechtigt den
Verpächter oder Vermiether, dem andern Theil den Contrakt, noch vor Ablauf der
bedungenen Zeit, aufzukündigen.
§. 299. Ist der Miether eines Gebäudes durch höhere Gewalt,
oder durch einen nicht in seiner Person sich ereignenden Zufall auf längere
Zeit, als Einen Monath, des Gebrauchs desselben ganz oder zum Theil entsetzt
worden: so kann er von dem Vermiether verhältnißmäßigen Erlaß am Zinse fordern.
§. 300. Dies gilt insonderheit, wenn in Fällen, wo die
Einquartierungslasten den Miether nicht treffen (§. 289.), derselbe die
gemiethete Wohnung auf Einen Monath, oder länger, die Einquartierung ganz oder
zum Theil hat überlassen müssen.
§. 301. Ist der Pächter einer Gerechtigkeit durch einen
solchen §. 299. bestimmten Zufall, zur Ausübung seines Nutzungsrechts auf Drey
Monathe, oder länger, völlig außer Stand gesetzt worden: so kann er auf einen
Nachlaß am Pachtzinse, nach Verhältniß der Zeit, Anspruch machen.
§. 302. Ein Gleiches gilt von dem Pächter einer andern
nutzbaren Sache, die kein Landgut ist.
§. 303. Wenn jedoch, nach der Natur der verpachteten Sache
oder Gerechtigkeit, in dem Zeitraume, während dessen der Pächter an der
Ausübung seines Nutzungsrechts verhindert worden, ohnehin keine Nutzungen
gefallen seyn würden: so findet auch kein Anspruch auf Erlaß statt.
§. 304. Ist durch die entstandene Verhinderung dem Pächter
zwar nicht die Hebung wirklicher Nutzungen entzogen worden: wohl aber die
nöthige Zeit zu den Anstalten, welche die Hebung künftiger Nutzungen erfordert,
verloren gegangen: so kann er, nach dem Betrage des erweislich dadurch
leidenden Verlusts, Remission fordern.
§. 305. Der Verpächter, welcher den Erlaß nach Verhältniß
der Zeit, oder in dem Falle des vorigen Gesetzes (§. 304.) nicht einräumen
will, kann auf Vorlegung einer Rechnung über die Einnahme eines ganzen Jahres
antragen.
§. 306. Alsdann muß aber auch der Verpächter dem Pächter so
viel am Zinse erlassen, als nach Ausweis dieser Rechnung durch die wirkliche
Einnahme des ganzen Jahres nicht gedeckt ist.
§. 307. Ist der Pächter eines Landguts durch einen solchen
§. 299. beschriebenen Zufall, zur Ausübung seines Nutzungsrechts, auf Ein oder
mehrere Jahre, völlig außer Stand gesetzt worden: so kann ihm für diese Zeit
kein Pachtzins abgefordert werden.
§. 308. In welchen Fällen außerdem ein solcher Pächter
Remission fordern könne, wird unten bestimmt. (§. 478. sqq.)
Von Sublocationen.
§. 309. Der Miether einer Sache ist nicht befugt, den ihm
eingeräumten Gebrauch der Sache einem Andern, ohne Einwilligung des
Vermiethers, zu überlassen.
§. 310. Insonderheit darf der Miether einer Wohnung, ohne
Consens des Vermiethers, Andere dann für Geld nicht aufnehmen.
§. 311. Der Vermiether ist berechtigt, seinen Consens zu
versagen, wenn der einzunehmende Untermiether ein unehrbares, oder ein dem
Hause oder der Wohnung schädliches Gewerbe treibt.
§. 312. Kann der Vermiether keinen solchen Grund seiner
Weigerung nachweisen: so steht dem Miether frey, auch wenn die contraktmäßige
Zeit noch nicht verlaufen ist, die Miethe aufzukündigen.
§. 313. Auch der Pächter ist nicht befugt, ohne die
Einwilligung des Verpächters Unterpächter anzunehmen.
§ 314. Nur bey Pachtungen, welche mehrere Wirthschaftsrubriken
oder Vorwerke unter sich begreifen, kann der Pächter einzelne Rubriken oder
Vorwerke auch ohne ausdrücklichen Consens des Verpächters, m Unterpacht
austhun.
§. 315. Hat der Miether oder Pächter einen Unterpächter oder
Untermiether eigenmächtiger und unbefugter Weise angenommen: so ist der
Vermiether oder Verpächter auf dessen Entsetzung zu allen Zeiten anzutragen
berechtigt.
§. 316. Wenn aber auch dieses nicht geschieht; oder wenn der
Verpächter oder Vermiether in die Annahme eines Unterpächters oder
Untermiethers gewilligt hat: so haftet dennoch der Hauptmiether oder Pächter
nach wie vor, nicht nur für den ganzen Zins, sondern auch für alle von dem
Untermiether oder Pächter angerichteten Beschädigungen.
§. 317. Doch kann der Verpächter oder Vermiether, wegen
dieser Beschädigungen, auch den Unterpächter oder Miether unmittelbar in
Anspruch nehmen.
§. 318. Hingegen hat er auf den Zins, welchen dieser dem
Hauptpächter oder Miether zu zahlen übernommen hat, ohne besondre ausdrückliche
Verabredung, kein Recht; sondern er kann, wegen seiner an letztern habenden
Forderungen, nur durch den Weg eines ordentlichen Arrestschlages an diesen Zins
sich halten.
§. 319. Eben diese Vorschriften (§. 316-318.) finden auch in
dem Falle des §. 314., wenn einzelne Rubriken oder Vorwerke, mit oder ohne
besondern Consens des Verpächters, in Unterpacht ausgethan worden, Anwendung.
§. 320. Auch wenn der Verpächter oder Vermiether sich in
Ansehung der ganzen Sache die Bestellung eines Unterpächters oder Untermiethers
ausdrücklich hat gefallen lassen, folgt daraus doch noch nicht, daß er den
Hauptpächter oder Miether seiner Verbindlichkeiten entlassen habe.
§. 321. Uebrigens dauert in allen Fällen das Recht des
Unterpächters oder Untermiethers nicht länger, als das des Hauptpächters oder
Miethers.
§. 322. Ist jedoch der Verpächter oder Vermiether einem
zwischen diesen auf längere Zeit geschlossenen Vertrage ausdrücklich
beygetreten: so tritt, mit Ablauf der Zeit des Hauptpächters oder Miethers, der
Unterpächter oder Untermiether, in Ansehung des Verpächters oder Vermiethers,
an die Stelle des erstern.
§. 323. Die Rechte und Pflichten zwischen dem Haupt- und
Unterpächter oder Miether werden lediglich nach dem zwischen ihnen bestehenden
besondern Contrakte beurtheilt; welcher aus dem Hauptcontrakte nur in so fern
erklärt oder ergänzt werden kann, als in jenem auf diesen ausdrücklich Bezug
genommen worden.
Endigung der Pacht oder Miethe
1) mit dem Ablauf der bestimmten Zeit.
§. 324. Ist die Pacht- oder Miethzeit im Vertrage bestimmt:
so geht dieselbe mit dem festgesetzten Termine zu Ende, ohne daß es einer
besondern Aufkündigung bedarf.
Stillschweigende Verlängerung.
§. 325. Wenn also gleich nach Ablauf des Termins der Pächter
oder Miether noch länger im Besitze bleibt: so folgt aus diesem fortgesetzten
Besitze noch nicht die Verlängerung des Contraktes; so lange der Verpächter
oder Vermiether seinen Consens dazu ausdrücklich, oder durch Handlungen, die
eine stillschweigende Einwilligung nach den Gesetzen begründen können, (Tit. IV.
§. 58. sqq.) nicht erklärt hat.
§. 326. Einer solchen stillschweigenden Einwilligung ist es
gleich zu achten, wenn der Pächter seine Absicht, die Pacht fortzusetzen, dem
Verpächter ausdrücklich erklärt, und dieser binnen Vierzehn Tagen, nachdem
dergleichen Erklärung ihm zugekommen ist, seinen Widerspruch dagegen nicht
geäußert hat.
§. 327. Auch enthält die Annahme eines fernern Pacht- oder
Miethzinses, die stillschweigende Einwilligung des Verpächters oder Vermiethers
in die Verlängerung des Contrakts.
§. 328. Die stillschweigend erfolgte Verlängerung wird in
der Regel auf Ein Jahr verstanden.
§. 329. Ist jedoch in einem auf mehrere Jahre geschlossenen
Contrakte, der Zins auf die mehreren Jahre zusammen genommen bestimmt: so
erstreckt sich die stillschweigende Verlängerung auf die ganze Dauer der ersten
contraktmäßigen Zeit.
§. 330. Ist bey verpachteten Landgütern der Acker in gewisse
Felder eingetheilt: so wird die stillschweigend fortgesetzte Pacht um so viel
Zeit für verlängert geachtet, als erforderlich ist, daß der Pächter sämtliche
Felder nach landüblichem Wirthschaftsgebrauche nutzen könne.
§. 331. Auch bey Stadtäckern, die in gewisse Brachen
getheilt sind, findet diese Vorschrift Anwendung.
§. 332. Ist nach obigen Bestimmungen (§. 325. 326. 327.)
eine Pacht, des fortgesetzten Besitzes ungeachtet, nicht für verlängert zu
achten: so hat der Pächter, vom Tage der abgelaufenen Pacht an, die
Obliegenheiten eines Verwalters fremder Sachen; und vom Tage des ihm
zugekommenen Widerspruchs des Verpächters an, die Pflichten und Lasten eines unredlichen
Besitzers.
§. 333. Auch auf den Miether, welcher nach Ablauf der
contraktmäßigen Zeit, ohne eine gültige Verlängerung, im Besitze der Sache
bleibt, findet diese Vorschrift §. 332. Anwendung.
§. 334. Muß er, auf Verlangen des Vermiethers, den Besitz
während des Laufes eines Quartals räumen: so kann ihm für die Zwischenzeit, vom
Anfange des Quartals an, kein Zins abgefordert werden.
§. 335. So weit er aber, nach Ablauf des Termins, den Besitz
ganze Quartale hindurch fortgesetzt hat, muß er für diese Quartale den Zins
nach Bestimmung des Contrakts entrichten.
§. 336. Was vorstehend §. 324. sqq. über den Fall, wenn eine
gewisse Zeit im Contrakte bestimmt worden, verordnet ist, gilt auch alsdann,
wenn die Dauer der Pacht oder Miethe nach einem gewissen Ereignisse, oder nach
einer Begebenheit bestimmt war.
§. 337. War jedoch der Zeitpunkt, wann die Begebenheit oder
das Ereigniß eintreten würde, ungewiß: so muß nach dessen Erfolg dem Pächter
oder Miether noch eine verhältnißmäßige Zeit zur Räumung des Besitzes gestattet
werden.
§. 338. Diese Zeit ist, im zweifelhaften Falle, nach den
gesetzmäßigen Aufkündigungsfristen zu bestimmen.
§. 339. Ein bis zur Volljährigkeit des Eigenthümers gültig
geschloßner Pacht- oder Mieths-Contrakt, muß bis zum Ablaufe der gesetzmäßigen
Jahre fortgesetzt werden, wenn gleich der Eigenthümer früher für großjährig
erklärt worden.
2) Nach vorhergegangener Aufkündigung.
§. 340. Ist im Contrakte die Dauer der Pacht oder Miethzeit
gar nicht bestimmt: so muß derjenige, welcher vom Contrakte wieder abgehen
will, dem Andern davon zur gehörigen Zeit Anzeige machen.
§. 341. Wenn jedoch im Contrakte zwar keine Dauer bestimmt,
aber doch der Betrag der Miethe nach einem gewissen Zeiträume, z. B.
monathlich, jährlich u.s.w abgemessen worden: so kann der Verpächter oder
Vermiether, durch eine frühere Aufkündigung, den Miether oder Pächter in dem
Laufe eines solchen Zeitraums, z. B. in dem Laufe des Monaths oder Jahres,
seines Besitzes nicht entsetzen.
§. 342. Ist die Frist zur Aufkündigung weder im Contrakte
selbst, noch durch, besondre Proyinzial- oder Statutarische Gesetze bestimmt:
so muß dieselbe, bey Pachtungen unbeweglicher Sachen und Gerechtigkeiten, Sechs
Monathe vor der Räumung erfolgen.
§. 343. Bey Land- und Ackergütern aber muß die Aufkündigung
Sechs Monathe vor dem Ablaufe des Wirthschaftsjahres geschehen.
§. 344. Bey Miethungen unbeweglicher, und bey Pachtungen
beweglicher Sachen, muß die Aufkündigung in den ersten Drey Tagen desjenigen
Quartals erfolgen, mit dessen Ablaufe der Besitz geräumt werden soll.
§. 345. Bey Miethungen beweglicher Sachen ist, wenn nicht
der Fall des §. 341. eintritt, eine Aufkündigung von Vier und zwanzig Stunden
hinreichend.
§. 346. Wenn aus den Umständen und der bekannten Absicht des
Miethers deutlich erhellet, daß der Miether den Gebrauch der gemietheten
beweglichen oder unbeweglichen Sache nur auf so lange, bis diese hinlänglich
bestimmte Absicht erreicht seyn würde, habe übernehmen wollen: so kann er
sofort, nach Erreichung dieser Absicht, die Sache ohne alle Aufkündigung
zurückgeben.
§. 347. Zur Bezahlung des Zinses ist er alsdann nur nach
Verhältnis der Zeit, da er die Sache wirklich gebraucht hat, verpflichtet.
§. 348. Es ist nicht nothwendig, daß die Aufkündigung
schriftlich geschehe; sondern hinreichend, wenn dieselbe, und daß sie zur
Wissenschaft des Gegentheils wirklich gelangt sey, auf andre Art erwiesen
werden kann.
§. 349. Widerspricht der Andre einer gehörig geschehenen
Aufkündigung nicht innerhalb Acht Tagen, nachdem sie ihm bekannt geworden ist:
so wird angenommen, daß er sich dieselbe habe gefallen lassen; und es findet
dagegen keine fernere Einwendung statt.
Fälle, wo die Aufkündigung auch innerhalb der
contraktmäßigen Zeit statt findet.
1) wegen notwendiger Veräußerung.
§. 350. Auch innerhalb der contraktmäßigen Zeit muß der
Pächter oder Miether sich die Aufkündigung gefallen lassen, wenn der Fall einer
nothwendigen gerichtlichen Veräußerung der Sache eintritt.
§. 351. Ein Pächter ist alsdann mit Ende des
Wirthschaftsjahres zu räumen schuldig, wenn ihm die Aufkündigung Sechs Monathe
vor dem Ablaufe dieses Jahres geschehen ist.
§. 352. Geschieht aber die Aufkündigung später: so kann er
vor dem Ende des nächstfolgenden Wirthschaftsjahres zur Räumung nicht
angehalten werden.
§. 353. Bey eigentlichen Miethungen, ist der Miether erst
nach Ablauf eines Vierteljahrs vom Ausgange desjenigen Quartals, in welchem der
Verkauf geschehen ist, zu räumen verbunden.
§. 354. Will er selbst die Miethe mit Ablauf desjenigen
Quartals, in welchem der Zuschlag erfolgt ist, aufgeben: so kann ihm solches
nicht gewehrt werden.
§. 355. Wegen des dem Pächter oder Miether erweislich
entstehenden Schadens, aus der vor dem Ablaufe der contraktmäßigen Zeit
nothwendig gewordenen Räumung, kann derselbe an das Vermögen des Verpächters
oder Vermiethers sich halten.
§. 356. Hat er seinen Contrakt im Hypothekenbuche eintragen
lassen: so gebühren ihm wegen dieser Entschädigung die Rechte der dritten
Classe;
außerdem aber keine besondre Vorrechte im Concurse.
§. 357. Wenn weder von Seiten der Gläubiger, noch des neuen
Käufers, eine Aufkündigung erfolgt: so kann der Pächter oder Miether, bloß der
erfolgten nothwendigen Veräußerung wegen, seiner Seits von dem Vertrage nicht
abgehen.
§. 358. Durch einen freywilligen Verkauf wird in den Rechten
und Pflichten des Miethers oder Pächters nichts geändert.
§. 359. War die Pacht oder Miethe, zu der Zeit des Verkaufs,
durch Uebergabe noch nicht vollzogen: so finden zwischen dem Pächter oder
Miether, und dem Käufer, die allgemeinen Vorschriften des Neunzehnten Titels §.
3-6. Anwendung.
§. 360. Muß, nach diesen Vorschriften, der Pächter oder
Miether dem Käufer nachstehn: so kann er von dem Verkäufer, wegen des aus
Nichterfüllung des Contrakts entstehenden Schadens, Vergütung fordern.
§. 361. Der Pächter oder Miether kann bey einer, vor der
Uebergabe, ohne seine Zuziehung erfolgten freywilligen Veräußerung, von dem
Contrakte allemal abgehen.
§. 362. Doch ist er alsdann Schadloshaltung zu fordern nicht
berechtigt.
2) Wegen
notwendiger Reparaturen,
§. 363. Wegen eines an der gemietheten Sache vorfallenden
nothwendigen Hauptbaues, welcher, so lange der Miether die Sache in Besitz hat,
nicht geführt werden kann, muß sich derselbe auch vor dem Ablaufe der
contraktmäßigen Zeit zur Räumung verstehen.
§. 364. War aber der Schade schon zur Zeit des geschlossenen
Contrakts vorhanden, und konnte derselbe dem Vermiether, ohne sein eignes
grobes oder mäßiges Versehen nicht verborgen bleiben: so ist letzterer dem
Miether zur Schadloshaltung verpflichtet.
§. 365. Ein Gleiches findet statt, wenn der Bau durch
Vernachläßigung der dem Vermiether obliegenden, und ihm von dem Miether zur
gehörigen Zeit angezeigten kleinern Reparaturen, nothwendig geworden ist.
3) Durch den
Tod des Pächters oder Miethers.
§. 366. Verstirbt ein Pächter: so sind seine Erben, wenn
nicht der Vertrag auf dieselben ausdrücklich mit gerichtet worden, die Pacht
nur noch Ein Jahr lang, nach dessen Tode, fortzusetzen verbunden.
§. 367. Sie müssen aber, wenn sie sich dieser Rechtswohlthat
bedienen wollen, die gesetzliche Aufkündigungszeit beobachten.
§. 368. Stirbt der Pächter während des Laufes eines
Wirthschaftsjahres: so nimmt die Frist, nach welcher die Erben von dem
Contrakte abgehen können, erst von dem Ende desselben Wirthschaftsjahres ihren
Anfang.
§. 369. Auch der Verpächter kann den Erben des Pächters den
Contrakt in eben der Art aufkündigen.
§. 370. Doch finden alsdann, wegen der für Verbesserungen zu
leistenden Vergütung, die Vorschriften des §. 283. sqq. Anwendung.
§. 371. Stirbt ein Miether während der contraktmäßigen Zeit:
so sind dessen Erben nur noch ein halbes Jahr lang, von dem Ablaufe desjenigen
Quartals, in welchem der Tod erfolgt ist, an den Vertrag gebunden.
§. 372. Die bloße Mitunterschrift der Frau unter dem Miethcontrakte
verpflichtet dieselbe noch nicht, die Miethe nach des Mannes Tode länger
fortzusetzen; sobald sie eine solche durch diesen Todesfall in ihren Umständen
vorgefallene Veränderung nachweisen kann, vermöge welcher ihr aus der
Fortsetzung des Contrakts ein erheblicher Nachtheil entstehen würde.
§. 373. Auch der Vermiether kann bey erfolgtem Ableben des
Miethers zurücktreten; doch muß er den Contrakt den Erben in der §. 344.
bestimmten Frist aufkündigen.
§. 374. Wenn mehrere gemeinschaftlich eine Sache gepachtet
oder gemiethet haben: so macht der Tod des Einen von ihnen in den Rechten und
Pflichten der übrigen gegen den Vermiether oder Verpächter keine Aenderung.
§. 375. Auch wird durch den Tod des Vermiethers oder
Verpächters in den Befugnissen und Obliegenheiten des Miethers oder Pächters
nichts geändert.
4) Durch eine
Veränderung in der Person oder den Umständen des Miethers.
§. 376. Wird der Miether, durch eine nicht freywillige
Veränderung in seiner Person oder Umständen, außer Stand gesetzt, von der
gemietheten unbeweglichen Sache ferner Gebrauch zu machen: so kann er gegen
Vergütung einer halbjährigen Miethe, von dem Ablaufe des Quartals, in welchem
die Aufkündigung erfolgt ist, von dem Contrakte abgehn.
§. 377. Aber auch von dieser Vergütung kann er sich
befreyen, wenn er dem Vermiether einen Untermiether stellt, gegen welchen
derselbe keine erhebliche Einwendungen nachweisen kann.
§. 378. Wenn bey entstehendem Kriege die Truppen ins Feld
rücken: so sind die dazu gehörenden Personen an ihre Miethcontrakte nur bis zum
Ablaufe desjenigen Quartals, in welchem der Ausmarsch erfolgt, gebunden.
§. 379. Bey andern Personen giebt ein ausbrechender Krieg
weder dem einen noch dem andern Theile einen rechtmäßigen Grund, von dem Mieth-
oder Pachtcontrakte abzugehen.
§. 380. Wegen der bey Pachtungen von Landgütern statt
findenden Ausnahme ist das Nöthige unten festgesetzt. (§. 553. sqq.)
§. 381. Wenn in Kriegszeiten der Pächter oder Miether durch
feindliche Gewalt und Uebermacht gezwungen wird, Pacht- oder Miethzinsen an den
Feind zu berichtigen: so ist er nicht schuldig, selbige dem Verpächter oder
Vermiether noch einmal zu bezahlen.
§. 382. Wegen solcher Termine, mit deren Entrichtung an den
Verpächter oder Vermiether er säumig gewesen ist, kommt ihm dergleichen von dem
Feinde abgedrungene Zahlung nicht zu statten.
5) Wegen
Veränderungen in der Sache.
§. 383. Ist die gemiethete Sache zu dem bestimmten
Gebrauche, ganz, oder doch größtentheils, ohne Verschulden des Miethers,
untüchtig geworden: so kann der Miether noch vor Ablauf der contraktmäßigen
Zeit von dem Vertrage wieder abgehn.
§. 384. Die von ihm zu leistende Zinszahlung wird nach
Verhältniß der Zeit, wo er die Sache noch hat brauchen, oder nutzen können
bestimmt.
§. 385. Hat der Vermiether durch sein grobes oder mäßiges
Versehen die Unbrauchbarkeit der Sache veranlaßt: so ist der Miether
Schadloshaltung zu fordern berechtigt.
§. 386. Wegen veränderter Umstände in der Person des
Vermiethers, findet vor Ablauf der contraktmäßigen Zeit keine Aufkündigung
statt.
6) Wegen
Mißbrauchs der Sache.
§. 387. Wegen Mißbrauchs der gemietheten oder gepachteten
Sache, kann der Pächter oder Miether, während der contraktmäßigen Zeit, des
Besitzes nur alsdann entsetzt werden, wenn derselbe die Sache zu einem andern,
als dem ausdrücklich bestimmten Gebrauche verwendet; oder wenn aus dem
Mißbrauche eine erhebliche Beschädigung der Substanz mit Grunde zu besorgen
ist.
7) Wegen
Erlöschung des Rechts des Vermiethers oder Verpächters.
§. 388. War der Verpächter oder Vermiether über die Sache
nur auf seine Lebens- oder irgend eine andre bestimmte Zeit zu verfügen
berechtigt: so ist der Nachfolger den Contrakt fortzusetzen nicht verbunden.
§. 389. Doch muß derselbe dem Pächter oder Miether den
gesetzmäßigen Aufkündigungstermin, zur Bewerbung um ein anderweitiges
Unterkommen gestatten.
§. 390. Von dem Verpächter oder Vermiether, oder dessen
Erben, kann ein solcher Pächter oder Miether, wegen des aus der frühern Räumung
der Sache ihm erwachsenden Nachtheils, nur alsdann Entschädigung fordern, wenn
ihm die Eigenschaft des bloß zeitigen Rechts verheimlicht, oder Schadloshaltung
ausdrücklich versprochen worden.
8) Wegen der
von dem andern Theile verweigerten Erfüllung.
§. 391. In wie fern auch bey Pachtungen und Miethungen, eine
vor oder bey der Uebergabe erfolgende Weigerung des einen Theils, den Contrakt
gehörig zu erfüllen, den andern zum Rücktritte berechtige, ist nach den
allgemeinen Grundsätzen des Titels von Verträgen zu bestimmen. (Tit. V. §. 393.
sqq.).
§. 392. Ist aber der Contrakt durch die Uebergabe einmal
vollzogen: so findet der einseitige Rücktritt nur in den Fällen des §. 396-403.
des angeführten Titels, nicht aber in den Fällen des §. 404-407. statt.
§. 393. Auch in denjenigen Fällen, wo der Rücktritt an sich
zuläßig ist, kann derselbe dennoch nur nach vorhergegangener gesetzmäßiger
Aufkündigung erfolgen.
§. 394. Die Rechte und Pflichten der Parteyen für die Zeit,
während welcher die Pacht oder Miethe gedauert hat, werden auch in diesen
Fällen nur nach dem Inhalte des Contrakts beurtheilt.
Rechte im Concurs.
§. 395. Uebrigens hat der Vermiether oder Verpächter, wegen
seines Zinses und andrer Forderungen, auf die von dem Miether oder Pächter
eingebrachten, und zur Zeit der Endigung des Contrakts in dem Hause oder Gute
noch vorhandnen Sachen und Effekten, die Rechte eines Pfandgläubigers.
§. 396. Dagegen hat der Pächter, wegen der ihm gebührenden
Vergütungen, ein nach den Vorschriften des Zweyten Abschnitts im vorigen Titel
näher zu bestimmendes Zurückbehaltungsrecht.
§. 397. Der Miether kann ein solches Zurückbehaltungsrecht
nicht auf die Sache selbst, sondern nur auf den Zins des letzten Termines
ausüben.
III. Vom Miethen des Gesindes.
§. 398. Von Miethungen des Gesindes und der Arbeiter, ingleichen
von verdungenen Werken, ist gehörigen Orts das Nöthige festgesetzt. (Th. I.
Tit. XI §. 895-980. Th. II. Tit. V.)
IV. Von Pachtungen der Landgüter.
§. 399. Was bisher von Pachtungen überhaupt verordnet ist,
gilt auch, in so fern hiernächst nicht abändernde Bestimmungen vorkommen, von
Pachtungen der Landgüter.
§. 400. Unter Landgütern werden auch hier solche verstanden,
mit welchen Ackerbau und Viehzucht verbunden ist.
Form.
§. 401. Pachtcontrakte über Landgüter müssen allemal, wenn
auch das verabredete jährliche Pachtgeld die Summe von Fünfzig Thalern nicht
übersteigt, schriftlich errichtet werden.
§. 402. Ist dieses nicht geschehen: so findet die Vorschrift
des §. 269. Anwendung.
§. 403. Beträgt das verabredete jährliche Pachtgeld
Zweyhundert Thaler, oder mehr: so soll der Contrakt entweder gerichtlich, oder
doch vor einem Justizcommissario geschlossen werden.
§. 404. Die zugezogene Gerichtsperson ist verpflichtet,
darauf zu sehen, daß der Vertrag deutliche und bestimmte Verabredungen der
Parteyen, sowohl über das, was dem Pächter zur Nutzung eingeräumt wird, und was
er dagegen zu zahlen oder zu leisten hat, als insonderheit über die demselben
bey entstehenden Unglücksfällen zukommende Vergütung, enthalten möge.
§. 405. Ist ein solcher Contrakt nicht auf die §. 403.
vorgeschriebene Art errichtet worden: so sind die dunkeln und mangelhaften
Bestimmungen des Vertrages allemal eher zum Nachtheile des Verpächters, als des
Pächters, auszudeuten.
§. 406. Auch gilt die Pacht nur auf Ein Jahr, und kann mit
dem Ablaufe jeden Jahres, nach vorhergegangner gesetzmäßiger Aufkündigung,
wieder aufgehoben werden.
§. 407. Wenn nicht ein ganzes Gut, sondern nur einzelne Aecker
oder andere Pertinenzstücke eines Guts verpachtet worden: so ist es
hinreichend, wenn die Vorschrift des §. 401. beobachtet wird.
Rechte des Pächters in Ansehung der ihm zukommenden
Nutzungen.
§. 408. Sind die dem Pächter zur Nutzung überlassenen Gegenstände
in dem Vertrage oder Anschlage näher bestimmt: so kann derselbe auf Rubriken,
die dabey mit Stillschweigen übergangen worden, nur in so fern Anspruch machen,
als selbige mit andern zum Genusse eingeräumten untrennbar verbunden sind.
§. 409. Ist aber der Vertrag ohne dergleichen nähere
Bestimmung in Pausch und Bogen geschlossen: so hat der Pächter den
gemeingewöhnlichen Genuß aller bey dem Gute bisher genutzten Grundstücke,
Hebungen und Rechte, die einen nach Gelde zu berechnenden Ertrag gewähren.
§. 410. Bloßer Ehrenrechte hingegen, welche entweder gar
nicht, oder doch nicht gewöhnlich, und in der Regel, eine nach Geld
anzuschlagende Nutzung bringen, kann auch ein solcher Pächter sich nicht
anmaßen.
§. 411. Insonderheit können weder die Gerichtsbarkeit
selbst, noch die davon abhangenden Gerichtsgebühren und Strafgefälle verpachtet
werden.
§. 412. Wohl aber findet, wegen andrer nach den Gesetzen
erlaubten Nutzungen der Gerichtsbarkeit, die Verpachtung statt.
Pflichten in Ansehung der Lasten und Abgaben.
§. 413. Hat der Pächter die von dem Gute zu entrichtenden
Lasten und Abgaben nach einem gewissen Anschlage, oder Verzeichnisse
übernommen: so bleiben die darin verschwiegenen Prästationen, in so fern sie
nicht zum gewöhnlichen wirtschaftlichen Betriebe gehören, noch von den Früchten
allein, ohne Rücksicht auf die Substanz, zu entrichten sind, dem Verpächter zur
Last.
§. 414. Hat aber der Pächter die Lasten und Abgaben ohne
nähere Bestimmung übernommen: so ist der Verpächter nur für die Interessen der
Hypothekenschulden, und für die aus Verträgen oder Testamenten auf dem Gute
haftenden Zinsen, und fortlaufenden Prästationen, zu sorgen verbunden.
Rechte und Pflichten wegen des Beylasses.
§. 415. Bey einer jeden Pacht wird vermuthet, daß alle
Inventarienstücke, welche zur Cultur und Benutzung des Guts bisher bestimmt
gewesen sind, dem Pächter zum Gebrauche überlassen worden.
§. 416. Die bey dem Gute bleibenden Inventarienstücke müssen
vor der Uebergabe genau beschrieben, und landüblich abgeschätzt werden.
§. 417. Ist dies nicht geschehen: so finden die Vorschriften
§. 119. 120. Anwendung.
Gewähr, die der Verpächter zu leisten hat.
§. 418. Sowohl bey der Uebergabe, als während der Pachtzeit,
muß der Verpächter dem Pächter die ungehinderte Benutzung der ihm verpachteten
Grundstücke und Rechte gewähren.
§. 419. Auch muß er denselben gegen alle darauf gemachte
Ansprüche, in so fern dadurch die Nutzungen solcher Grundstücke oder Rechte
geschmälert werden, vertreten und schadlos halten.
§. 420. Ist nach einem Anschlage gepachtet worden, und wird,
nach geschlossenem Contrakte, das Nutzungsrecht in einer oder anderer Rubrik
durch Zufall oder Landesherrliche Befehle geschmälert: so muß der Verpächter
den dadurch entstehenden Ausfall nach Verhältniß des Anschlags- gegen das
Pachtquantum vergüten.
§. 421. Ist die Pacht in Pausch und Bogen geschlossen: so
muß dem Pächter der dadurch bey einer solchen Rubrik entstandne Ausfall, nach
Verhältniß der ehemaligen Nutzungen, im Durchschnitt der nächstvorhergehenden
Drey Jahre, vergütet werden.
§. 422. Ist nach einem Anschlage gepachtet worden: so muß
der Verpächter die Richtigkeit der darin als fixirt und beständig angegebenen
Zinsen und Hebungen vertreten.
§. 423. Dagegen haftet er in der Regel nicht für die
Zahlbarkeit solcher bestimmten Abgaben.
§. 424. Muß jedoch dem Zinspflichtigen, unter seiner eignen
Beystimmung, oder nach richterlichem Ermessen, ein Erlaß zugestanden werden: so
trägt denselben der Verpächter nach dem §. 420. bestimmten Verhältnisse.
§. 425. Sind die verpachteten Grundstücke nach einem
gewissen in dem Vermessungsregister bestimmten Maaße angegeben: so muß dieses
Maaß vertreten werden.
§. 426. Ist die Aussaat und der Wiesenertrag nicht nach der
Vermessung, sondern nach Scheffeln und Fudern bestimmt: so wird, wenn auch der
Pächter einen daran sich befindenden Abgang behauptet, der Verpächter dennoch
von der Vertretung frey, wenn er darthun kann, daß das angegebene Quantum
vorher gewöhnlich ausgesäet, oder an Fudern gewonnen worden.
§. 427. Als gewöhnlich wird dasjenige angesehen, was bey
Aeckern im Durchschnitte der nächstvorhergehenden Sechs Jahre gesäet, und bey
Wiesen im Durchschnitte der nächstvorhergehenden Drey Jahre geerndtet worden.
§. 428. Muß wegen fehlenden Maaßes an den verpachteten
Grundstücken, Schadloshaltung geleistet werden: so ist dieselbe nach Verhältniß
des fehlenden, gegen das angeschlagne Quantum, und nach Verhältniß des
Pachtzinses gegen den Betrag des Anschlags, zu bestimmen.
§. 429. Für die im Anschlage angegebene Qualität und Güte
der Grundstücke, haftet der Verpächter nur in so fern, als er sich, bey deren
unrichtigen Angabe, eines Betrugs gegen den Pächter schuldig gemacht hat.
§. 430. Der von der Cultur und von Naturbegebenheiten
abhangende Ertrag der verpachteten Nutzungsrubriken darf niemals vertreten
werden.
§. 431. Ist ohne Anschlag gepachtet worden: so ist der
Verpächter nur die Substanz des Guts und dessen Zubehör, nicht aber einen
gewissen Betrag fixirter Zinsen, oder ein gewisses Maaß der verpachteten
Grundstücke, zu gewähren verbunden.
§. 432. Ob nach einem Anschlage, oder nur in Pausch und
Bogen gepachtet sey, ist nach den bey Käufen angenommenen Grundsätzen zu
bestimmen (Tit. XL §. 212. 213.)
Pflichten des Pächters bey der Conservation und
Bewirtschaftung des Guts.
§. 433. Ein jeder Pächter ist schuldig, das ihm verpachtete
Gut durch alle Rubriken in nutzbarem Stande zu erhalten.
§. 434. Besonders muß er darauf Acht haben, daß die Gränzen
nicht verrückt, oder sonst das Gut und dessen Rechte auf irgend eine Art
verkürzt werden.
§. 435. Ist ihm eine besondre Art der Administration im
Contrakte vorgeschrieben: so muß er sich schlechterdings darnach achten.
§. 436. Ueberhaupt darf er, ohne Einwilligung des Verpächters,
Hauptveränderungen in der eingeführten Wirthschaftsart, die auch auf die Zeiten
nach geendigter Pacht Einfluß haben, nicht vornehmen.
§. 437. Er ist nicht berechtigt, den Unterthanen und
Dienstleuten an dem, was sie vorhin gehabt haben, etwas abzuziehen, oder
denenselben mehr Recht, als ihnen gebührt, einzuräumen.
§. 438. Noch weniger darf er ihnen neue Lasten auflegen,
oder die gewöhnlichen erschweren.
§. 439. So oft er diesen Vorschriften zuwider handelt, wird
er zum Schadensersatze, sowohl gegen den Verpächter, als gegen desselben
Dienstleute and Unterthanen, verhaftet.
Wegen Unterhaltung der Gebäude.
§. 440. Besonders ist der Pächter die Wirtschaftsgebäude in
Dach und Fach, so wie die Dämme, Teiche, Wege, Gräben, Brücken, Verzäunungen,
Gehege, Mühlen, und Wasserleitungen, in gutem Stande zu erhalten schuldig.
§. 441. Alle Reparaturen, die durch ein auch nur geringes
Versehen des Pächters entstehen, ist er selbst zu übernehmen verbunden.
§. 442. Auch für den durch seine Familie und Gesinde angerichteten
Schaden haftet der Pächter in diesen und allen übrigen Fällen, nach den im
Sechsten Titel §. 60. sqq. vorgeschriebenen allgemeinen Grundsätzen.
§. 443. Andre Reparaturen, die ohne sein Verschulden
entstehen, muß er in so fern tragen, als sie bloß mit den Materialien des Guts,
und durch die Arbeit des Gesindes und der Dienstleute bestritten werden können.
§. 444. Reparaturen und Baue, die nicht mit dem Gesinde und
den Dienstboten allein zu bestreiten sind; oder wozu Materialien, welche das
Gut selbst nicht erzeugt, angeschafft werden müssen, ist der Verpächter zu
besorgen verpflichtet.
§. 445. Der Pächter muß ihm aber diese Reparaturen ohne
Zeitverlust anzeigen, und seine weitere Anordnung erwarten.
§. 446. Ist der Pächter hierin, oder auch in Besorgung der
ihm selbst obliegenden kleinen Reparaturen (§. 444.) säumig: so haftet er für
den daraus entstehenden größern Schaden.
§. 447. Auch bey den dem Verpächter obliegenden Reparaturen
ist der Pächter mit den Materialien des Guts, und mit den Diensten der Unterthanen,
so weit letzteres ohne Unterbrechung des Wirthschaftsbetriebes geschehen kann,
zu helfen verpflichtet.
§. 448. Zu Reparaturen verpachteter Mühlen, ist der Müller
in der Regel nur mit seinen persönlichen Diensten und Kunstkenntnissen
unentgeltlich beyzutragen schuldig.
Bey der Cultur der Wiesen.
§. 449. Der Verstrauchung, und andern durch den Maulwurf
oder sonst veranlagten Beschädigungen der Wiesen, muß der Pächter ohne
Zeitverlust abzuhelfen bemüht seyn.
§. 450. In wie fern den durch Ueberschwemmungen verursachten
Versandungen, auf seine oder des Verpächters Kosten abzuhelfen sey, muß nach
den Vorschriften §. 441-444. bestimmt werden.
Bey der Düngung.
§. 451. Stroh und andere zur Vermehrung des Düngers dienliche
Materialien darf der Pächter nicht verkaufen, und nur in so weit von dem Gute
wegnehmen, als sie zur Landeslieferung erfordert werden.
Bey dem Viehstande.
§. 452. Den übernommenen Viehstand darf er, während seines
Besitzes, zum Nachtheile des Düngers nicht weiter vermindern, als letzterer von
ihm auf andere Art wieder ersetzt wird.
§. 453. Den Abgang am Viehstande, welcher sich durch Alter,
Gebrauch, oder durch ein grobes oder mäßiges Versehen des Pächters ereignet,
muß er selbst tragen, und für dessen Ergänzung sorgen.
§. 454. Ein Gleiches findet statt, wenn nur ein oder das
andre Stück durch Krankheiten, die nicht ansteckend sind, verloren geht.
§. 455. Wenn aber durch Seuchen, Feuer, oder andre
ungewöhnliche Unglücksfälle, ein Verlust am Viehinventario sich ereignet: so
trifft derselbe den Verpächter als Eigenthümer dieser Stücke.
§. 456. Bey einem Schaafsterben verliert der Pächter das
Erste und das Dritte, der Verpächter aber das Zweyte und das Vierte Viertel der
Heerde.
§. 457. Lämmer kommen dabey nicht eher in Anschlag, als bis
selbige mit zur Heerde gezählt werden.
§. 458. Ist bey dem Anschlage selbst auf außerordentliches
Schaafsterben mit gerechnet, und also der Nutzungsertrag um so viel geringer
angenommen worden: so kann der Pächter für dergleichen Sterben keinen Ersatz
fordern.
§. 459. So weit das gefallene Vieh durch eine in der Provinz
bestehende Versicherungs-Gesellschaft vergütet wird, muß der Pächter mit der
bestimmten Taxe sich begnügen, und dafür binnen Einem Jahre das abgegangene Vieh
wieder anschaffen.
§. 460. Wo dergleichen Gesellschaften nicht vorhanden sind,
oder der Unglücksfall unter die von selbigen zu vergütenden Fälle nicht gehört;
da erhält der Pächter den Ersatz von seinem Verpächter.
§. 461. Ist das Vieh nach einer Taxe übergeben worden: so
muß der Pächter mit dem angeschlagenen Werthe sich begnügen; außerdem aber kann
er den Ersatz in Natur fordern.
§. 462. Ist der in Natur zu leistende Ersatz nicht noch vor
Ablauf des Vierteljahrs, in welchem der Verlust dem Verpächter angezeigt
worden, erfolgt: so ist der Pächter die Anschaffung des abgegangenen Viehes
sich selbst zu besorgen berechtigt.
§. 463. Bey Seuchen wird das Vierteljahr, wenn auch die
Anzeige früher geschehen ist, doch nur von dem Zeitpunkte an gerechnet, wo die
deshalb veranlaßt gewesene Sperre wieder aufgehoben worden.
§. 464. Den Einkaufspreis des vom Pächter wieder
angeschafften Viehes muß der Verpächter vergüten; in so fern nicht ausgemittelt
werden kann, daß Stücke von besserer Art und Güte, als die abgegangenen waren,
wieder angeschafft worden.
§. 465. Diesen Einkaufspreis, so wie in dem Falle des §.
461. den angeschlagenen Werth, kann der Pächter von dem nächsten Pachttermine
in Abzug bringen.
In Ansehung des Wirthschaftsgeräthes.
§. 466. Auch die durch Unglücksfälle verloren gegangene
Stücke des Wirthschaftsgeräthes muß der Verpächter, als Eigenthümer, ersetzen.
§. 467. Bey der Bestimmung des Ersatzes wird die Taxe des
Inventarii zum Grunde gelegt.
§. 468. Es wird jedoch angenommen, daß dergleichen Geräthschaften
innerhalb Zehn Jahren sich gänzlich abnutzen.
§. 469. Der Ersatz wird also nur nach Verhältniß des
Zeitverlaufs, von der aufgenommenen Taxe, bis zum erfolgten Verluste bestimmt.
§. 470. Ist keine Taxe vorhanden: so muß der Werth des
verlornen Stücks zur Zeit des Verlustes, auf andere Art ausgemittelt werden.
§. 471. Inventarienstücke, welche durch Alter, Gebrauch,
oder Nachläßigkeit des Pächters, und nicht durch einen ungewöhnlichen
Unglücksfall verloren gehen, fallen dem Pächter zur Last.
§. 472. Der Verlust an Super-Inventarienstücken, sowohl bey
dem Viehe, als andern Geräthschaften, trifft allemal den Pächter allein.
§. 473. Ist der Pächter dergleichen Super-Inventarium zu
halten berechtigt; und sind die dazu gehörenden Stücke nicht besonders ausgezeichnet:
so muß der sich ereignende Verlust nach Verhältniß der Zahl, die von beyden
Seiten zur Zeit des Unglücksfalles vorhanden war, von dem Verpächter und
Pächter getragen werden.
§. 474. Gehört das Vieh- und Feldinventarium dem Pächter
eigentümlich: so trägt er auch allen jeden daran sich ereignenden Verlust.
§. 475. Ein Gleiches findet statt, wenn der Pächter das
Inventarium als eisern übernommen hat.
§. 476. Daraus allein, daß das Inventarium dem Pächter nach
einer Taxe übergeben worden, folgt noch nicht, daß er selbiges als eisern
übernommen habe.
Verlust des Pachtrechts, wegen unwirthschaftlicher
Verwaltung.
§. 477. Sobald der Pächter seinen Obliegenheiten in
wirthschaftlicher Verwaltung des Guts dergestalt zuwider handelt, daß daraus,
nach dem durch das Gutachten vereideter Sachverständigen zu bestimmenden
richterlichen Ermessen, ein erheblicher Schade für die Substanz des Guts zu
besorgen ist: so kann derselbe außer der Schadensvergütung, auch der Pacht
selbst durch richterliche Hülfe entsetzt werden.
Remissionsforderung
a) bey Pachtungen überhaupt.
§. 478. Außer dem allgemeinen Grundsatze §. 307. kann der
Pächter einen Nachlaß an dem Pachtzinse fordern, wenn der gewöhnliche Ertrag
des Guts durch außerordentliche Unglücksfälle beträchtlich vermindert worden.
§. 479. Diese Befugniß fällt aber weg, wenn Unglücksfälle,
die an und für sich zu den außerordentlichen gehören, in der Gegend, wo das Gut
liegt, oder vermöge der innern Natur und Beschaffenheit des Guts selbst, nicht
ungewöhnlich sind; und aus den Umständen erhellet, daß darauf in dem Anschlage,
oder bey Bestimmung des Pachtzinses, bereits Rücksicht genommen worden.
§. 480. Der Pächter, welcher auf den Grund eines erlittnen
Unglücksfalles Remission fordern will, muß denselben sofort, nachdem er sich
ereignet hat, und ohne Zeitverlust, dem Verpächter anzeigen.
§. 481. Dem Verpächter steht frey, sich von der Wirklichkeit
und Erheblichkeit des angegebenen Unglücksfalles durch eigne Besichtigung zu
überzeugen, oder auf vorläufige gerichtliche Untersuchung darüber, nach
Vorschrift der Prozeßordnung, anzutragen.
§. 482. Befindet sich der Verpächter außerhalb der Provinz;
und hat er auch den Pächter an einen Bevollmächtigten in Pachtangelegenheiten
nicht verwiesen: so muß der Pächter, indem er die §. 480. vorgeschriebene
Anzeige macht, zugleich auf die gerichtliche Untersuchung nach §. 481. selbst
antragen.
§. 483. Hat der Pächter die vorgeschriebene Anzeige in
Zeiten zu thun unterlassen: so kann er in der Folge, unter dem Schutze eines
solchen vorgeblichen Unglücksfalles, keinen Nachlaß weiter verlangen.
§. 484. Dergleichen Remission findet ferner nur alsdann
statt, wenn nicht nur in derjenigen Wirthschaftsrubrik, welche der Unglücksfall
betroffen hat, ein erheblicher Verlust nachgewiesen, sondern auch ausgemittelt
ist, daß dieser Verlust durch den reichlichem Ertrag der übrigen Rubriken nicht
ersetzt worden.
§. 485. Der Pächter kann also nur in so fern Remission
fordern, als er nachzuweisen vermag, daß das Gut, in dem laufenden
Wirthschaftsjahre, durch alle Rubriken zusammen genommen, nach Abzug der
Ausgaben, nicht so viel, als der Pachtzins ausmacht, getragen habe.
§. 486. Das, was solchergestalt an dem Pachtzinse fehlt, ist
der Verpächter zu erlassen verbunden.
§. 487. Es muß also der Pächter, welcher auf einen Nachlaß
Anspruch machen will, eine vollständige, mit hinlänglichen Beweisen versehene
Administrationsrechnung für das laufende Jahr, dem Verpächter vorzulegen,
bereit und im Stande seyn.
§. 488. In dieser Rechnung muß der Pächter auch dasjenige,
was er von den Gutserzeugnissen zu seinem und seiner Familie Unterhalt
verwendet hat, nach den mittleren Marktpreisen der nächsten Stadt in Einnahme
stellen.
§. 489. Was er zur Saat und Ackerbestellung für das laufende
Jahr verwendet hat, ist er in die Geldausgabe zu legen nicht berechtigt.
§. 490. Dagegen muß von den Erzeugnissen des laufenden
Jahres dasjenige in Abzug gebracht werden, was etwa während des Laufes
desselben, noch zur Ackerbestellung, ingleichen zum Futter für das Vieh, und
zur Speisung des Gesindes und der Deputanten bis zur nächsten Erndte,
erforderlich ist.
§. 491. Ist auch dieses nicht vorhanden: so kann der Pächter
so viel an Gelde, als er zur Anschaffung des Fehlenden wirthschaftlich
verwenden muß, in Ausgabe bringen.
§. 492. Dagegen müssen die, nach Abzug dieser
Wirthschaftsnothdurften, etwa noch vorhandenen Vorräthe, nach den am Schlusse
des Wirthschaftsjahres stehenden Preisen zu Gelde gerechnet, und der baaren
Einnahme zugeschlagen werden.
§. 493. Vorräthe von Rubriken, die gar nicht zum Verkaufe
angeschlagen sind, kommen auch hier, weder bey der Ausgabe noch Einnahme, in
Rechnung.
§. 494. Eben so wenig kann auf Ausgaben, Einnahmen, oder Bestände,
welche in ein früheres Wirthschaftsjahr gehören, Rücksicht genommen werden.
§. 495. Dagegen sind alle fixirte Zinsen und Hebungen des
laufenden Wirthschafsjahres dem Pächter in Einnahme zu stellen, wenn sie auch
noch nicht wirklich eingekommen sind; es wäre denn, daß der Pächter auch den
Zinspflichtigen, vermöge des Gesetzes, einen Nachlaß zugestehen müßte.
§. 496. Ein Gleiches gilt von andern ausstehenden Resten für
verkaufte Wirthschaftserzeugnisse aller Art; in so fern dieselben, wegen
Unvermögens der Schuldner, nicht für offenbar verloren zu achten sind.
§. 497. Uebrigens ist bey einer solchen Rechnung nicht auf
das, was etwa nach dem Anschlage einkommen, oder ausgegeben werden sollen, oder
auf die im Anschlage angenommenen Preise, sondern bloß auf die wirkliche
Einnahme und Ausgabe Rücksicht zu nehmen.
§. 498. Ausstellungen gegen diese Rechnungen, wegen
schlechten unordentlichen und nachläßigen Wirthschaftsbetriebes, finden nur in
so fern statt, als sich der Pächter ein grobes oder mäßiges Versehen hat zu
Schulden kommen lassen.
§. 499. Ein Pächter, welcher dergleichen Rechnung nicht
vorlegen kann, oder will, ist wegen der in einzelnen Wirthschaftsrubriken ihn
betroffenen Unglücksfälle irgend einigen Nachlaß zu fordern nicht berechtigt.
b) Partiairemissionen bey Mißwachs,
§. 500. Nur allein, wenn der Pächter an dem noch auf dem
Felde befindlichen Getreyde durch äußere Zufälle, als durch Frost, Dürre,
Hagelschlag, Mäusefraß, Heuschrecken, Ueberschwemmung u.s.w. einen Mißwachs
oder Verlust erlitten hat, steht es ihm frey, statt der vorzulegenden
Administrationsrechnung, nur allein für diese Rubrik eine verhältnißmäßige
Remission zu verlangen.
§. 501. Diese Befugniß findet aber nur alsdann statt, wenn
der Pächter von der beschädigten Getreydesorte nicht so viel gewonnen hat, als
zur Saat für das folgende Wirthschaftsjahr, und zur Wirthschaftsnothdurft bis
zur nächsten Erndte erforderlich war.
§. 502. So viel als hierzu fehlt, ist der Verpächter am
Pachtzinse zu erlassen schuldig.
§. 503. Ist nach einem Anschlage gepachtet worden: so werden
für diesen besondern Remissionsfall, der Anschlag, und die darin angenommenen
Preise, bey der Berechnung zum Grunde gelegt.
§. 504. Ist ohne Anschlag gepachtet worden: so muß der
Ausfall und das Bedürfniß auf andre Art ausgemittelt, und das Fehlende nach den
in der Provinz und dem Distrikte gesetzlich vorgeschriebenen oder landüblich
angenommenen Abschätzungsgrundsätzen, ins Geld gerechnet werden.
§. 505. Was der Pächter zu seinem, seiner Frau, und seiner
noch unmündigen Kinder Unterhalte von der beschädigten Getreydesorte nöthig
hat, wird in diesem Falle den daraus zu bestreitenden Wirthschaftsnothdurften
beygerechnet.
§. 506. Wegen Beschädigungen an Brachfrüchten, kann der
Pächter weder auf Vorlegung einer Administrationsrechnung antragen, noch
weniger eine besondre Remission fordern.
§. 507. Ist jedoch nach einem Anschlage gepachtet, und sind
darin auch Brachfrüchte mit angeschlagen worden: so findet bey einem daran sich
ereignenden außerordentlichen Unglücksfalle eben das, was bey andern angeschlagenen
Getreyderubriken statt.
§. 508. Ueberhaupt kann auf Beschädigung solcher
Wirthschaftsrubriken, welche in dem Anschlage nicht mit aufgeführt, und sonst
nicht in Anrechnung gebracht worden, irgend einige Remissionsforderung in
keinem Falle gegründet werden.
§. 509. Sind wegen der bey Unglücksfällen zu bewilligenden
Remissionen besondre Verabredungen unter den Parteyen getroffen worden: so hat
es dabey lediglich sein Bewenden.
§. 510. Hat der Pächter durch eine solche Verabredung aller
Remission entsagt: so kann er dergleichen, auch wegen der ungewöhnlichen
Unglücksfälle, nicht fordern.
§. 511. Hat er aber nur gewisse benannte Arten von
Unglücksfällen übernommen: so bleiben ihm, wegen andrer Fälle, seine Rechte
vorbehalten.
c) bey
Viehsterben,
§. 512. Bey einem durch Viehsterben sich ereigneten
Unglücksfalle kann der Pächter eines ganzen Guts keine besondere Remission
fordern.
§. 513. So weit aber daraus eine Unzulänglichkeit des
Ertrags des Guts, im Ganzen genommen, entsteht, ist er auf Vorlegung einer
Administrationsrechnung nach Vorschrift §. 478. sqq. anzutragen berechtigt.
§. 514. Hat jemand das Vieh auf einem Gute allein gepachtet,
und geht dasselbe ganz oder zum Theil, durch einen Unglücksfall, welchen der
Verpächter vertreten muß, verloren (§. 455. sqq.): So muß ihm der Zins davon
nach Verhältniß der Zeit, und nach dem Gutachten vereideter Sachverständigen,
erlassen werden.
§. 515. Doch muß er alsdann die zur Unterhaltung des
gepachteten Viehstandes ihm angewiesenen Realitäten, nach gleichem Verhältnisse,
entweder dem Verpächter überlassen, oder demselben berechnen.
d) bey
Brandschaden,
§. 516. Ist ein Brandschade durch Unachtsamkeit oder
Vernachläßigung des Pächters entstanden: so kann letzterer nicht nur keine
Vergütung fordern, sondern muß auch dem Verpächter den verursachten Schaden aus
eignen Mitteln ersetzen.
§. 517. Ein Gleiches findet statt, in den durch die Gesetze
bestimmten Fällen, wo die Dienstherrschaft für einen durch ihr Gesinde
angerichteten Brandschaden haften muß, wenn das Feuer durch die Dienstboten des
Pächters verursacht worden. (Tit. VI. §. 60. sqq.)
§. 518. Ist aber der Brandschade ohne des Pächters Schuld
entstanden: so gehört solcher unter diejenigen Unglücksfälle, wegen welcher
derselbe nach obigen allgemeinen Grundsätzen (§. 478. sqq.) Remission fordern
kann.
§. 519. Doch bedarf es keiner Vorlegung einer
Administrationsrechnung, wenn der Pächter nachweisen kann: von einer
geerndteten Getreydesorte durch den Brand so viel verloren zu haben, daß nicht
so viel davon, als zur Saat und Wirthschaft bis zur nächsten Erndte erfordert
wird, übrig geblieben sey.
§. 520. Alsdann kann er für diese einzelne Rubrik nach
näherer Bestimmung §. 501-507. Erlaß fordern.
§. 521. Hat jedoch der Pächter von der Getreydesorte, welche
der Schade getroffen hat, schon vorhin etwas abgesetzt: so muß er das daraus
Gelösete auf die ihm zukommende Vergütung sich abrechnen lassen.
§. 522. Auf verbranntes überjähriges Getreyde kann nur in so
fern Rücksicht genommen werden, als der Pächter dergleichen Vorrath
zurückgewähren soll, und der Brandschade im letzten Jahre vor der Rückgewähr
sich ereignet hat.
§. 523. Was vorstehend von Brandschäden verordnet ist, gilt
auch von einem an den schon eingesammelten Früchten, durch Ueberschwemmungen,
und Gewalt des Wassers, erlittenen Verluste.
§. 524. Den Wiederaufbau der ohne Schuld des Pächters
abgebrannten, oder auf andere Art zu Grunde gerichteten Gebäude, ist der
Verpächter nach Möglichkeit zu beschleunigen verbunden.
§. 525. Läßt er es dabey an der gehörigen Betriebsamkeit,
oder an den nöthigen Kosten fehlen: so trifft ihn aller durch solchen Verzug
dem Pächter erweislich verursachte Schade.
§. 526. Bey dergleichen Wiederaufbaue ist der Pächter dem
Verpächter mit Fuhren und Handdiensten vom Gute in so weit zu statten zu kommen
schuldig, als er dieselben ohne Nachtheil seiner Wirthschaft entbehren kann.
§. 527. Für diese Hülfe kann der Pächter nur in so weit
Vergütung fordern, als er für dergleichen bey der Wirthschaft entbehrliche
Dienste, ein Dienstgeld von den Unterthanen zu verlangen berechtigt seyn würde.
§. 528. Auch wenn die Gutswirthschaft ohne Dienste von
Unterthanen, bloß mit eignem Gespanne und Gesinde betrieben wird, ist der
Pächter bey solchem Wiederaufbaue, unter der §. 526. bestimmten Maaßgabe, damit
zu helfen verpflichtet.
§. 529. Dagegen kann ihm nicht zugemuthet werden,
Materialien des Guts, die er für seine eigne Rechnung zu verkaufen berechtigt
ist, zum Wiederaufbau abgebrannter Gebäude unentgeltlich zu verabfolgen.
§. 530. Ist jedoch nach einem Anschlage gepachtet worden: so
muß der Pächter dergleichen Materialien, so weit sie nothwendig sind, für den
Anschlagspreis liefern.
e) bey
Fischereyen,
§. 531. Wer einen Fischteich besonders gepachtet hat, kann
nur in so fern Remission fordern, als der durch Ueberschwemmung oder andern
Unglücksfall entstandene Verlust die Hälfte des Besatzes übersteigt.
§. 532. Für Beschädigungen der wilden Fischerey kann niemals
Vergütung gefordert werden.
f) bey Mühlen,
§. 533. Der Mangel am Winde, welcher bloß nach dem Laufe der
Natur sich ereignet, enthält keinen Grund zur Remissionsforderung für den
Pächter einer Windmühle.
§. 534. Für den durch Mangel oder allzuhohen Anwachs des
Wassers, ohne Verschulden des Mühlenpächters, entstehenden Stillestand einer
Wassermühle, kann derselbe, nach Verhältniß der Dauer des Stillestandes,
Remission fordern.
§. 535. So weit aber ein solcher Wassermangel oder Ueberfluß
unter die in der Gegend gewöhnlichen Begebenheiten gehört, ist der Pächter
dergleichen Erlaß zu verlangen nicht berechtigt.
§. 536. Auf einen Stillestand, welcher nur Vierzehn Tage
oder kürzer gedauert hat, wird in keinem Falle Rücksicht genommen.
§. 537. Die Vorschriften §. 534. 535. finden ebenfalls
Anwendung, wenn eine Mühle wegen nothwendiger Reparaturen, die ohne Verschulden
des Pächters veranlaßt worden, auf länger als Vierzehn Tage zum gänzlichen
Stillestande genöthigt wird.
§. 538. Bey Bestimmung der Remission, welche der Pächter für
einen solchen Stillestand, in den Fällen des §. 534 und 537. zu fordern hat,
wird in der Regel nur auf diejenige Zeit, durch welche die Mühle länger als
Vierzehn Tage hat stille stehen müssen, Rücksicht genommen.
§. 539. Hat aber der Mühlenpächter schon einmal in demselben
Pachtjahre einen solchen kürzeren Stillestand ohne Vergütung übertragen müssen:
so werden, bey einem folgenden Remissionsfalle, auch diese Vierzehn Tage ihm zu
gute gerechnet.
§. 540. Sind die dem Mühlenpächter angeschlagnen
Zwangsmahlgäste dem Mühlenzwange nicht mehr unterworfen, oder während der
Pachtzeit davon freygesprochen worden: so kann der Pächter verhältnißmäßigen
Erlaß am Zinse fordern.
§. 541. Ein Gleiches findet statt, wenn die Zahl der
angeschlagnen Mahlgäste durch Landplagen, oder andere Unglücksfälle, dergestalt
vermindert worden, daß die Mühle, aus Mangel an Mahlwerk, länger als Vierzehn
Tage in Einem Jahre hat still stehen müssen.
§. 542. Wegen des Zurückbleibens bloß frey williger und
nicht angeschlagner Mahlgäste, kann der Pächter in der Regel auf keine
Remission Anspruch machen.
§. 543. Wenn aber durch die §. 541. bemerkten Umstände, oder
durch die während der Pachtjahre geschehene Anlegung einer neuen Mühle in
derselben Gegend, welche der Verpächter nicht hat verhindern können oder
wollen, ein solcher Abgang der freywilligen Mahlgäste ohne Schuld des Pächters
verursacht worden, daß die gepachtete Mühle, aus Mangel an Mahlwerk, länger als
Vierzehn Tage in Einem Jahre hat still stehen müssen: so ist der Pächter, nach
Verhältniß der Zeit des längern Stillestandes der Mühle, Remission zu fordern
berechtigt.
§. 544. In Fällen, wo die Remissionsforderung dadurch
begründet wird, daß der Verpächter dem Pächter die anschlagsmäßige Nutzung
nicht hat gewähren können, muß der Verpächter auch die Unterhaltung des Werks,
und der zum Betriebe desselben erforderlichen Leute, letztere bis zur
gewöhnlichen Aufsagezeit, vergüten.
§. 545. Muß der gänzliche Stillestand einer Mühle gemeiner
Landesangelegenheiten wegen erfolgen: so muß der Pächter mit der
Landesherrlichen Vergütung sich begnügen.
§. 546. Erfolgt gar keine Landesherrliche Vergütung: so
finden die Vorschriften §. 534. Anwendung.
§. 547. Sind dem Müller, außer der Mühle selbst, auch andre
Rubriken an Aeckern, Wiesen u.s.w. für einen und eben denselben Pachtzins mit
verpachtet: so muß derselbe, wenn er wegen Stillestandes Remission fordert, die
aus diesen andern Rubriken gezogenen Nutzungen, auf das zu erlassende Quantum,
nach Verhältniß des ganzen Pachtzinses, sich anrechnen lassen.
§. 548. Ist vorauszusehen, daß der durch Zufall veranlaßte
Stillestand der Mühle länger als Sechs Monathe dauern werde: so ist der
Verpächter sowohl, als der Pächter, von dem Contrakte wieder abzugehen
berechtigt.
§. 549. Wenn von mehrern Mahlgängen nur ein Theil derselben
zum Stillestand genöthigt worden: so kann der Müller Nachlaß am Pachtzinse nur
in so fern fordern, als er den Zins mit den übrigen Gängen nicht hat gewinnen
können.
§. 550. Es muß daher in einem solchen Falle, nach den
allgemeinen Grundsätzen §. 478. sqq. Administrations-Rechnung abgelegt werden.
§. 551. In allen Fällen, wo der Stillestand der Mühle
dadurch verursacht worden, daß der Verpächter die anschlagsmäßige Nutzung nicht
hat gewähren können; oder daß derselbe durch sein eignes grobes oder mäßiges
Versehen den Zufall, durch welchen die Mühle zum Stillestand genöthigt worden,
veranlaßt hat: kann der Pächter, außer der Remission, auch den Ersatz des ihm dadurch
entzogenen sichern Gewinnes fordern.
§. 552. Hat aber die Mühle, wegen nothwendiger Anlagen in
dem Gute des Verpächters, eine Zeitlang geschützt werden müssen: so muß der
Müller mit der §. 534. sqq. bestimmten Remission sich begnügen.
g) bey Kriegsschaden.
§. 553. Ist im Pachtcontrakte auf den Fall eines während der
Pachtjahre entstehenden Krieges nichts verabredet: so soll, wenn dieser Fall
eintritt, dem Verpächter sowohl, als dem Pächter, frey stehen, den Contrakt
aufzukündigen.
§. 554. Diese Befugniß findet jedoch nur statt, wenn die
ganze Armee, und nicht bloß ein oder andres einzles Corps derselben, des
instehenden Krieges halber in Bewegung gesetzt wird.
§. 555. Derjenige Theil, welcher von dieser Befugniß
Gebrauch machen will, muß bey Verlust derselben, seinen Entschluß dem andern
binnen Sechs Wochen von dem Tage an, wo die Ausschreibungen in der Provinz,
wegen der des Krieges wegen zu leistenden Lieferungen oder Fuhren, oder andrer
zu tragenden Lasten, ergangen sind, anzeigen.
§. 556. Auf eine solche Anzeige müssen die Parteyen sich vor
allen Dingen über die Grundsätze der Vergütung für etwa erfolgende
Kriegesschäden zu vereinigen suchen, und dieselben mit möglichster Genaufgkeit
festsetzen.
§. 557. Findet dergleichen Vereinigung nicht statt: so kann
der kündigende Theil auf der Räumung der Pacht mit dem Ablaufe des
Wirthschaftsjahres, in welchem die Kündigung erfolgt ist, bestehen.
§. 558. Ist die Kündigung im letzten Quartale eines
Wirthschaftsjahres geschehen: so muß auch noch das darauf folgende
Wirthschaftsjahr ausgehalten werden.
§. 559. In allen Fällen, wo die Pacht fortgesetzt worden,
gelten wegen Vergütung der Kriegesschäden, so weit darüber keine besondre
hinlängliche Verabredungen vorhanden sind, folgende gesetzliche Vorschriften:
§. 560. Alle Beschädigungen der Substanz des Guts und des
Inventarii, und alle Abgaben und Lasten, welche bey Gelegenheit des Krieges der
Substanz aufgelegt worden, treffen den Verpächter; und ein deshalb geleisteter
Vorschuß muß dem Pächter vergütet werden.
§. 561. Die Beschädigungen der Früchte, und die von diesen
zu entrichtenden Lasten und Abgaben, muß der Pächter tragen; und kann dafür nur
in den durch das Gesetz bestimmten Fällen Vergütung fordern.
§. 562. Feindliche Brandschatzungen und Contributionen, in
so fern letztere nicht ausdrücklich auf die Personen geschlagen sind, treffen
in der Regel den Verpächter als Eigenthümer.
§. 563. Naturallieferungen an den Feind müssen dem Pächter
nach dem Anschlage vergütet werden.
§. 564. In Ermangelung eines Pachtanschlages wird die
Cammertaxe, und wo auch, dergleichen nicht vorhanden ist, die gemeine Landtaxe
zum Grunde gelegt.
§. 565. Hat aber der Pächter mehr liefern müssen, als er aus
eignem Zuwachse, nach Abzug der Wirthschafts-Nothdurften, bestreiten konnte: so
ist der Verpächter schuldig, ihm diesen Ueberschuß nach dem Einkaufspreise zu
vergüten.
§. 566. Die Lieferungen an Mehl, und andern verarbeiteten
Naturalien, werden nur nach dem Preise des Roggens u.s.w. in Anschlag gebracht.
§. 567. Für die Lieferungen an Heu, Stroh, und andern nicht
zum Verkaufe, sondern nur zur Wirtschaft angeschlagenen Naturalien, kann der
Pächter keine besondere Vergütung fordern.
§. 568. Für Lieferungen und Abgaben an die Truppen des
Landesherrn, oder dessen Bundesgenossen, muß der Pächter mit der
Landesherrlichen Vergütung sich begnügen.
§. 569. Wird keine Landesherrliche Vergütung bewilligt: so
finden eben die Grundsätze, wie bey feindlichen Lieferungen, statt.
§. 570. Ist die Landesherrliche Vergütung am Ende des Wirthschaftsjahres
noch nicht erfolgt: so kann der Pächter auf den Betrag derselben Nachsicht am
Pachtzinse fordern.
§. 571. Wegen Fouragirungen auf dem Felde, in den Scheuren,
oder auf den Böden, ist der Pächter auf Remission anzutragen nur in so fern berechtigt,
als ihm dergleichen, wegen einer am Getreyde durch Mißwachs oder Feuer
erlittenen Beschädigung, nach den Grundsätzen §. 502-507. und 519-522. zukommen
würde.
§. 572. Bey Einquartierungen, welche über Drey Tage dauern,
kann der Pächter den Ersatz der Hälfte von den zu deren Verpflegung und
Beköstigung verwendeten Ausgaben verlangen.
§. 573. Für geleistete Kriegs- und Transportfuhren kann der
Pächter nur in so weit eine besondre Remission fordern, als er, um dieselben zu
bestreiten, und dabey doch die Wirtschaft gehörig fortzusetzen,
außerordentliche Verwendungen hat machen müssen.
§. 574. Dies findet besonders statt, wenn der Pächter, nach
dem Beyspiele aller, oder der meisten übrigen Landwirthe in derselben Gegend,
die ihm abgeforderten Fuhren an Andre gegen Bezahlung verdungen hat.
§. 575. In diesen Fällen muß der Verpächter die
wirthschaftlich gemachte außerordentliche Verwendung, oder die Summe, welche
dem Uebernehmer der Fuhren wirklich hat bezahlt werden müssen, sich am
Pachtzinse abrechnen lassen.
§. 576. Das auf solchen Fuhren verlorne oder gänzlich
unbrauchbar gewordene Zug-, ingleichen alles von Freunden oder Feinden
weggenommene Vieh aber, muß dem Pächter eben so vergütet werden, als wenn
dasselbe durch Seuchen oder andern Unglücksfall verloren gegangen wäre. (§.
454. sqq.)
§. 577. Alles andre, was der Pächter, zur Abwendung
feindlicher Beschädigungen von dem Gute, und dessen Beylasse, nützlich
verwendet hat, muß ihm, auch wenn der Zweck dadurch nicht erreicht worden, von
dem Verpächter vergütet werden.
§. 578. Ist die Verwendung nicht bloß zum Besten der
Substanz oder des Inventarii, sondern zugleich zur Sicherheit der Früchte und
Nutzungen, oder der Person des Pächters, seiner Familie, oder seines
eigenthümlichen Vermögens, geschehen: so muß dieselbe von beyden Theilen zur
Hälfte getragen werden.
§. 579. Feindliche Executionskosten, wenn sie wegen der nach
den obigen Bestimmungen dem Verpächter zur Last fallenden Abgaben oder
Leistungen veranlaßt worden, fallen letzterem zur Last, wenn nicht klar
erhellet, daß der Pächter sich die Execution durch sein grobes Verschulden
zugezogen habe.
§. 580. Was der Pächter von seinen eignen Sachen und
Effekten, durch Plünderung, oder sonst, im Kriege verliert, trifft ihn allein.
§. 581. Eben so trägt er auch alle Kosten, welche zur
Abwendung feindlicher Beschädigungen, bloß von seiner Person, seiner Familie,
oder seinen eignen Sachen und Effekten, verwendet werden.
§. 582. Sind durch den Krieg die Gutsunterthanen außer Stand
gesetzt worden, ihre Zinsen und Abgaben zu entrichten: so hat es bey der
Vorschrift des §. 495. sein Bewenden.
§. 583. Für die dadurch verlornen Dienste kann der Pächter
so weit Erlaß fordern, als ihm dieselben nach Gelde angeschlagen sind.
§. 584. Sind die Dienste nicht angeschlagen; der Pächter hat
aber, wegen des Ausfalls derselben, mehr Gesinde, oder Gespann, als gewöhnlich
zur Fortsetzung der Wirthschaft halten müssen: so kann er für diese außerordentlichen
Verwendungen Vergütung fordern.
§. 585. In allen Fällen, wo der Pächter mit den nach §. 563.
564. 571. 573. 574. 575. 584. ihm zukommenden Vergütungen sich nicht begnügen,
oder für die nach §. 567. von ihm allein zu tragenden Kriegsschäden Remission
fordern will, muß er, nach Vorschrift §. 487. sqq., eine vollständige
Administrationsrechnung über das ganze Jahr, in welchem die Kriegsschäden sich
ereignet haben, vorlegen.
§. 586. In dieser Rechnung müssen alle Vergütungen, welche
der Pächter bereits erhalten, oder von andern, außer dem Verpächter, noch zu
fordern hat, mit in Einnahme gestellt werden.
§. 587. Fordert der Pächter auf diesem Wege Remission für
die erlittenen Kriegsschäden überhaupt, so kann er für einzelne Arten derselben
die ihm sonst nach den Gesetzen dafür zukommende Vergütung nicht verlangen.
§. 588. Vielmehr muß er alsdann mit dem nach §. 486. ihm
gebührenden Erlasse am ganzen Pachtzins sich begnügen.
§. 589. Dagegen müssen ihm die nach §. 562. 572. 577. 578.
579. für den Verpächter gemachten Auslagen, auch in diesem Falle besonders
vergütet werden.
§. 590. Uebrigens muß die Vorschrift §. 480. 482 wegen der
von dem Remissionsfalle dem Verpächter oder den Gerichten zu machenden Anzeige,
auch hier beobachtet werden.
§. 591. Unter die Fälle, wo die Anzeige den Gerichten
geschehen muß, gehört auch der, wenn durch die Kriegsunruhen die Communication
zwischen ihm und dem Verpächter gesperrt oder unsicher ist.
§. 592. Wenn in dem Falle des §. 565. der Pächter für
prästirte feindliche Lieferungen Vergütung nach dem Einkaufspreise fordert: so
kann der Verpächter auf die Vorlegung einer vollständigen
Administrationsrechnung, nach §. 487. sqq., antragen.
§. 593. Geschieht dieses: so fallen für dies
Wirthschaftsjahr auch alle andre besondre Remissionen weg; und der Abschluß der
Rechnung entscheidet allein: ob und wie viel an Vergütung dem Pächter zukomme.
§. 594. Eine im Contrakte allgemein geschehene Uebernehmung
aller Unglücksfälle, kann auf die Kriegschäden, und eine ebenfalls nur in allgemeinen
Ausdrücken geschehene Uebernehmung der Kriegsschäden, kann auf diejenigen,
welche die Substanz allein treffen (§. 562. 563. 576. 577.) nicht ausgedehnt
werden.
§. 595. In wie fern ein Pächter, wegen der nach §. 478. sqq.
überhaupt ihm zukommenden Vergütungen und Remissionen, Abzüge von den fälligen
Pachtterminen zu machen berechtigt sey, ist nach den Regeln von Compensationen
zu beurtheilen.
§. 596. Wie bey Untersuchung und Ausmittelung der
Remissionen, und bey Bestimmung der Befugniß des Pächters, selbige von dem
fälligen Pachtzinse abzuziehen, verfahren werden solle, ist in der
Prozeßordnung vorgeschrieben.
Von der Rückgewähr nach geendigter Pacht.
§. 597. Nach geendigten Pachtjahren ist der Pächter das Gut,
und dessen Zubehör, nach eben dem Anschlage und Inventario, nach welchem ihm
selbiges übergeben worden, zurück zu gewähren schuldig.
§. 598. Ein Gleiches findet statt, wenn der Contrakt vor
Endigung der Pachtzeit aufgehoben, oder der Pächter seiner Pacht entsetzt
werden muß.
§. 599. Muß die Entsetzung des Pächters in dem Laufe eines
Wirthschaftsjahres erfolgen: so ist er dennoch den Pachtzins des ganzen Jahres
zu entrichten verbunden; das Gut aber wird, bis zu dessen Ablaufe, für seine
Rechnung verwaltet.
§. 600. Können Pächter und Verpächter sich über die
Einrichtung dieser Administration nicht sogleich vereinigen: so muß dieselbe
gerichtlich regulirt werden.
§. 601. Ist das Inventarium nach einer Taxe übergeben
worden: so muß dennoch bey der Rückgewähr, in Ansehung jeder Sorte von
Inventarienstücken, auf die Anzahl derselben, und nur bey Bestimmung der von
einer oder der andern Seite zu leistenden Vergütungen, auf den Werth der
gesammten Inventarienstücke von dieser Sorte gesehen werden.
§. 602. Der Verpächter ist also nicht schuldig, eine größere
Anzahl von Inventarienstücken in jeder Sorte zurückzunehmen, oder für die
zurückgewährte geringere Anzahl, mit der Anrechnung des höhern Werths derselben
sich zu begnügen.
§. 603. Für Stroh, Brenn-, Bau- und Schirrholz, und andre
rohe Wirthschaftsvorräthe, welche aus dem Gute selbst genommen, aber nicht zu
den Rubriken des Pachtanschlages gehörig sind; ingleichen für den vorräthigen
aus dem Gute selbst gewonnenen Dünger, kann der Pächter keine Vergütung
fordern.
§. 604. Hat jedoch der Pächter auf die Zubereitung solcher
Vorräthe baare Auslagen verwenden müssen, so gebühret ihm deren Erstattung.
§. 605. Ist dem Pächter das Inventarium ohne Taxe übergeben
worden: so muß sich der Verpächter mit der bloßen Anzahl der Stücke, in so fern
sie nur noch in brauchbarem Stande sind, begnügen.
§. 606. Der Pächter darf aber in diesem, so wie in jedem
andern Falle, vor beendigter Rückgewähr keine Inventarienstücke unter dem
Vorwande, daß sie zum Superinventario gehörten, von dem Gute wegschaffen.
§. 607. Vielmehr muß er, wenn mehr Stücke, als zum
Inventario gehören, vorhanden sind, dem Verpächter die Wahl darunter lassen.
§. 608. Doch ist dieser, in jeder Rubrik, nur die nächsten
nach den besten zu wählen berechtigt.
§. 609. Ist in dem Falle des §. 605. die erforderliche Anzahl
von Stücken nicht vorhanden: so müssen die fehlenden in Natur ersetzt werden.
§. 610. Hat der Pächter eine stärkere Aussaat nach dem
Ackermaaße zurückgeliefert, als ihm bey dem Antritte der Pacht übergeben
worden: so kann er nicht nur für den Saamen, nach dem Marktpreise der nächsten
Stadt zur Zeit der Aussaat, sondern auch für das Ackerlohn, nach dem
Landesgebrauche, Vergütung fordern.
§. 611. Eben diese Vergütung muß er aber auch dem Verpächter
leisten, wenn er weniger an Aussaat, als er empfangen hat, zurückliefert.
§. 612. Auf gleiche Weise muß das Verhältniß des
Düngungsstandes und der Pflugarten, bey der Gewähr und Rückgewähr, gegen
einander ausgemittelt, durch Sachverständige gewürdigt, und dafür Vergütung
geleistet werden.
§. 613. Doch kann der Pächter für dergleichen mehrere
Bestellung (§. 609. 612.) nur in so fern Vergütung fordern, als dieselbe, nach
dem Befunde der Sachverständigen, den Grundsätzen einer vernünftigen
Wirthschaftsführung gemäß ist.
§. 614. Ist bey der Uebergabe der Pacht, in Ansehung der
Aussaat, des Düngungsstandes, und der Pflugarten, kein Verzeichniß aufgenommen
worden: so muß der Pächter diejenigen Grundstücke, welche, nach der
eingeführten Feldereintheilung, für das Jahr nach Endigung der Pacht zu
bestellen gewesen, in ordinairer wirthschaftlicher Cultur zurückliefern.
§. 615. Hat der Pächter diese Bestellung verabsäumt: so muß
er Saamen und Ackerlohn nach der Bestimmung §. 610. vergüten.
§. 616. Er aber, seines Orts, kann wegen angeblich besserer
Bestellung keinen Ersatz fordern.
§. 617. Will der Verpächter mit den wegen mangelhafter oder
schlechter Ackerbestellung nach §. 611. 615. ihm zukommenden Vergütungen sich
nicht begnügen: so steht ihm frey, mit Begebung derselben, für den Ausfall, der
aus diesem Verschulden des Pächters bey der nächsten Erndte sich findet, Ersatz
zu fordern.
§. 618. Dieser Anspruch findet aber nur alsdann statt, wenn
der bey der Ackerbestellung begangne Fehler, zur Zeit der Rückgewähr, auch auf
Kosten des Pächters, nicht mehr verbessert werden kann.
§. 619. Auch muß der Verpächter, wenn er einen solchen
Anspruch sich vorzubehalten gedenkt, seine Erklärung darüber sogleich bey der
Rückgewähr abgeben, und auf genaue gerichtliche Untersuchung des
Bestellungszustandes derjenigen Stücke, bey welchen er einen solchen Ausfall
besorgt, antragen.
§. 620. Nach geendigter Erndte muß der Ertrag derselben mit
demjenigen, welcher in diesem Jahre, nach Beschaffenheit der Witterung und
übrigen Umstände, bey gehörig erfolgter Bestellung hätte gewonnen werden
können, verglichen; und solchergestalt die dem Verpächter zukommende
Entschädigung nach dem Gutachten vereideter Sachverständigen bestimmt werden.
§. 621. Besteht das Verschulden des abgehenden Pächters
darin, daß er nicht alle Stücke, die er hätte bestellen sollen, gehörig
bestellt hat: so ist die Entschädigung des Verpächters dergestalt zu bestimmen,
daß mit Zuziehung der Sachverständigen ausgemittelt werde: wie viel in diesem
Jahre ein Stück von gleicher Art und Größe, in derselben Lage und Gegend,
getragen habe.
§. 622. Hat der Pächter, bey seinem Abgange, noch
rückständige Zinsen, oder andere Abgaben von den Gutseinwohnern zu fordern: so
ist der Verpächter schuldig, ihm rechtliche Hülfe zu deren Beytreibung
wiederfahren zu lassen.
§. 623. Wenn der Pächter eines Landguts Gewährsmängel an den
ihm verpachteten Rubriken zu bemerken glaubt: so liegt ihm ob, den Verpächter
noch vor Ablauf des Jahres, in welchem diese Mängel sich hervorgethan haben,
davon Anzeige zu machen.
§. 624. Alsdann hängt es von ihm ab: ob er die ihm dafür
zukommende Vergütung sofort, oder nach einem Zeitverlaufe einklagen; so wie von
dem Verpächter: ob er den Pächter zur Anstellung dieser Klage gerichtlich
auffordern wolle.
§. 625. Hat aber der Pächter die Anzeige solcher
Gewährsmängel bis zu dem Zeitpunkte der Rückgewähr verschoben: so soll er bey
dieser damit nicht weiter gehört werden.
Vierter Abschnitt
Von den zur Cultur ausgesetzten Gütern und Grundstücken
§. 626. Wenn in Zukunft Güter und Grundstücke weder in Zeit-
noch Erbpacht, sondern bloß zur Benutzung und Cultur, gegen gewisse dem
Eigenthümer vorbehaltene Vortheile ausgethan werden sollen: so ist auch über
ein solches Geschäft ein schriftlicher Vertrag erforderlich.
§. 627. Ist keine schriftliche Errichtung geschehen: so ist
auch der durch die Uebergabe vollzogne mündliche Vertrag dennoch nur auf Ein
Jahr gültig.
§. 628. Sind dergleichen Güter und Grundstücke, in vorigen
Zeiten, ohne allen schriftlichen Vertrag zur Cultur und Benutzung ausgethan
worden; oder ermangelt es in dem schriftlichen Vertrage an nähern Bestimmungen
über die gegenseitigen Rechte und Pflichten: so müssen letztere nach den
besondern Verfassungen einer jeden Provinz beurtheilt werden.
§. 629. In der Regel kann der Besitzer über das Grundstück
selbst, ohne ausdrückliche Einwilligung seines Grundherrn, weder unter
Lebendigen, noch von Todeswegen gültig verfügen.
§. 630. Vielmehr muß er mit den gewöhnlichen Nutzungen des
Grundstücks, so wie dieselben einem Zeitpächter zukommen würden, sich begnügen.
§. 631. Nachlaß an den für den Genuß des Grundstücks zu
entrichtenden Abgaben, kann er nur unter eben den Umständen, wie ein
Erbpächter, fordern. (§. 207-211.)
§. 632. Er ist, das Grundstück wirthschaftlich zu benutzen,
und in baulichem Stande zu unterhalten verpflichtet.
§. 633. Wenn er dieser Obliegenheit entgegen handelt, oder
in Leistung der übernommenen Zinsen und Dienste wiederspenstig ist, macht er
sich seines Rechts auf das Grundstück verlustig,
§. 634. Im zweifelhaften Falle ist anzunehmen, daß
dergleichen Grundstücke auf die Erben des Besitzers in absteigender Linie, ohne
Unterschied des Geschlechts; und bey deren Ermangelung, auf die überlebende
Ehegattin übergehen solle.
§. 635. Unter mehrern zur Nachfolge im Besitze
gleichberechtigten Erben, hat der Grundherr die Auswahl desjenigen, den er für
den tauglichsten hält, dem Gute vorzustehen.
§. 636. Hat der verstorbene Besitzer verordnet, welches von
seinen Kindern das Gut übernehmen solle: so müssen, wenn der Grundherr gegen
den ernannten Uebernehmer nichts zu erinnern findet, die übrigen Kinder bey der
väterlichen Willensmeinung sich beruhigen.
§. 637. Kann die Bewirthschaftung des Guts noch keinem der
dazu berechtigten Erben, wegen Minderjährigkeit derselben, übertragen werden:
so ist der Grundherr befugt, den Besitz und Genuß davon auf so lange, bis einer
von den Erben das zu dessen Uebernehmung erforderliche Alter erreicht hat,
einem Andern zu übertragen.
§. 638. Ist eine Mutter dieser minderjährigen Erben
vorhanden, die mit Hülfe eines zweyten Ehemannes, oder auf andre Art, dem Gute
gehörig vorstehen kann: so hat diese auf einen solchen einstweiligen Besitz
desselben vorzüglich Anspruch.
§. 639. In allen Fällen muß den minderjährigen Erben, so
lange sie sich selbst noch nicht fortbringen können, in Ermangelung andern
Vermögens, der nothdürftige Unterhalt aus dem Gute angewiesen werden.
§. 640. Dergleichen aus dem Gute verpflegte Erben haben
alsdann, so lange ihre Verpflegung dauert, gegen den einstweiligen fremden
Besitzer die Pflichten der Pflegekinder. (Th. II. Tit. II. Sect. XII.)
§. 641. Mit dem Gute zugleich, geht das dazu ursprünglich
ausgesetzte Vieh-, Feld- und Wirthschafts-Inventarium auf jeden Erben und
Besitzer über.
§. 642. Verläßt der letzte Besitzer keine zur Nachfolge im
Besitze berechtigten Erben; oder sind dieselben insgesammt, aus andern
Ursachen, als wegen Mangels des erforderlichen Alters, dem Gute vorzustehen
unfähig: so fällt dasselbe an den Grundherrn zurück.
§. 643. Ein Gleiches findet statt, wenn bey vorhandnen, aber
noch minderjährigen Erben, kein einstweiliger Uebernehmer des Guts nach
Vorschrift §. 637. sqq. ausgemittelt werden kann.
§. 644. Ferner alsdann, wenn der Besitzer selbst dem Gute
nicht mehr gehörig vorzustehen vermag; und auch keine Abkömmlinge von ihm, die
selbiges übernehmen könnten, vorhanden sind.
§. 645. Steht den vorhandnen Abkömmlingen nur der Mangel des
erforderlichen Alters entgegen: so ist der Grundherr einen einstweiligen
Besitzer, nacn Vorschrift §. 637., zu bestellen berechtigt.
§. 646. Es muß aber alsdann dem vorigen Besitzer, wenn
derselbe wegen Alters, oder sonst ohne seine Schuld, in das Unvermögen gerathen
ist, der nothdürftige Unterhalt aus dem Gute angewiesen werden.
§. 647. In allen Fällen, wo das Gut an den Grundherrn
gänzlich zurückfällt, (§. 633. 642. 644.) muß dieser dem abgehenden Besitzer,
oder dessen anderweitigen Erben, alle darin erweislich gemachten Verbesserungen
vergüten.
§. 648. Der Besitzer, welcher kein Unterthan des Grundherrn
ist, kann das Gut, wenn er demselben ferner vorzustehen sich nicht getrauet,
dem Grundherrn zurückgeben.
§. 649. Er muß aber damit das Ende des Wirthschaftsjahres
abwarten, und das Gut völlig in dem Stande, wie ihm selbiges übergeben worden,
zurück gewähren.
§. 650. Was wegen solcher Grundbesitzer, die zugleich
Unterthanen des Grundherrn sind, statt finde, ist im Siebenten Titel des
Zweyten Theils vorgeschrieben.
Zwey und zwanzigster Titel
Von Gerechtigkeiten der Grundstücke gegen einander
Gesetzliche und andre.
§. 1. Den gesetzlichen Einschränkungen des Eigenthums ist
ein jeder Grundbesitzer sich zu unterwerfen verbunden. (Tit. VIII. §. 33. sqq.)
§. 2. Für Einschränkungen und Belastungen dieser Art kann
kein Grundbesitzer eine im Gesetze ihm nicht ausdrücklich vorbehaltene
Entschädigung fordern.
notwendige Einschränkungen des Eigenthums.
§. 3. Auch solche Einschränkungen muß jeder Grundbesitzer
sich gefallen lassen, ohne welche ein andres Grundstück ganz oder zum Theil
völlig unbrauchbar seyn würde.
§. 4. Für dergleichen zum Gebrauche eines Grundstücks
nothwendig gewordene Vergünstigungen, kann der Eigenthümer des belasteten
Grundstücks billige Vergütung fordern.
§. 5. Bey Bestimmung dieser Vergütung muß auf den Schaden,
welchen das belastete Grundstück durch die nothwendige Einschränkung leidet,
Rücksicht genommen werden.
§. 6. Können die Interessenten sich darüber nicht
vereinigen: so muß die Vergütung auf eine jährliche dem belasteten Grundstücke
von dem Begünstigten zu leistende Abgabe bestimmt werden.
§. 7. Die Bestimmung selbst geschieht alsdann durch
Schiedsrichter, wozu jeder Theil Einen vorschlägt, und der Richter den Obmann
ernennt.
§. 8. Durch willkührliche Veränderungen in der Gestalt,
Hauptbestimmung, oder Nutzungsart seines Grundstücks, kann niemand den Andern
zu dergleichen Einschränkungen verpflichten.
§. 9. Doch dürfen Vergünstigungen, welche zu erheblichen
Verbesserungen eines andern Grundstücks nothwendig sind, in so fern nicht
versagt werden, als der Eigenthümer dadurch in dem bisherigen freyen Gebrauche
seiner Sache nicht gestört, noch an nützlichen Verbesserungen, die er selbst in
dieser Sache vornehmen könnte, gehindert wird.
§. 10. Sowohl die Belastungen dieser Art, (§. 3. 9.) als die
nach §. 4., 5., 6. zu leistende Vergütung, dauern nur so lange, als die
Nothdurft des begünstigten Grundstücks vorhanden ist.
Grundgerechtigkeiten.
§. 11. Außer den in bevorstehenden §. 1. 3. 9. bestimmten
Fällen, kann der Eigenthümer eines Grundstücks in der freyen Ausübung seiner
Eigenthumsrechte nur von demjenigen, welcher dazu ein besondres Recht erworben
hat, eingeschränkt werden.
§. 12. Kommt dergleichen Befugniß einem Grundstücke gegen
das andere zu: so wird solches eine Grundgerechtigkeit genannt.
Erwerbung derselben.
§. 13. Grundgerechtigkeiten können durch rechtsgültige
Willenserklärungen eingeräumt, auch durch Verjährung erworben werden.
§. 14. Bey dieser letzten Erwerbungsart muß besonders
nachgewiesen seyn, daß der Besitzer des berechtigten Grundstücks die streitige
Befugniß als ein wirkliches Recht, und nicht vermöge einer bloßen
Vergünstigung, in Besitz genommen, und durch rechtsverjährte Zeit
ununterbrochen ausgeübt habe. (Tit. VII. §. 81-85. §. 93. 94. 95. §. 127. §.
96-108. Tit. IX. §. 589. 590. §. 596. sqq.)
§. 15. Ist zur Ausübung der von dem angeblich Berechtigten
behaupteten Befugniß, eine neue Anlage in dem belasteten Grundstücke gemacht
worden: so gilt die Vermuthung, daß dem Begünstigten eine wirkliche
Grundgerechtigkeit hat eingeräumt werden sollen.
§. 16. Grundgerechtigkeiten, deren Daseyn, aus einer zu
ihrer Ausübung in der belasteten Sache vorhandnen fortwährenden Anlage, von einem
jeden erkannt werden kann, bedürfen keiner Eintragung in das Hypothekenbuch;
und gehen, auch ohne diese, auf jeden Besitzer der belasteten Sache über.
§. 17. Ein Gleiches findet auch von andern
Grundgerechtigkeiten statt, durch welche der Nutzungsertrag des belasteten
Grundstücks nicht geschmälert wird.
§. 18. Grundgerechtigkeiten hingegen, welche den
Nutzungsertrag des belasteten Grundstücks schmälern, und gleichwohl durch keine
in die Augen fallende Kennzeichen oder Anstalten angedeutet werden, muß der
Berechtigte in das Hypothekenbuch des belasteten Grundstücks eintragen lassen.
§. 19. Besonders gilt dieses von Hütungs- und
Holzungs-Gerechtigkeiten.
§. 20. Doch steht die unterbliebene Eintragung dem
Berechtigten in der Ausübung seines Rechts gegen denjenigen, gegen welchen er
selbiges erworben hat, und gegen dessen Erben, so lange sie das belastete
Grundstück besitzen, nicht entgegen.
§. 21. Auch innerhalb zweyer Jahre nach dem Tage, wo die
Veräußerung des belasteten Grundstücks an einen dritten Besitzer in das
Hypothekenbuch eingetragen worden, kann der Berechtigte sein Recht gegen diesen
noch geltend machen, und die Eintragung desselben nachsuchen.
§. 22. Ist aber auch diese Frist verlaufen: so kann eine
solche Grundgerechtigkeit, (§. 18.) die nicht eingetragen, und auch von dem
neuen Besitzer nicht ausdrücklich übernommen worden, gegen diesen nicht ferner
ausgeübt werden.
§. 23. Wie der Berechtigte, dem die behauptete
Grundgerechtigkeit bestritten wird, und der also vor Austrag der Sache die
Eintragung nicht erhalten kann, sich gegen den Ablauf der Frist durch
Eintragung einer Protestation zu decken habe, ist in der Hypothekenordnung
bestimmt.
§. 24. Nach Verlauf zweyer Jahre von Publication dieses
Gesetzbuchs, kann eine solche Grundgerechtigkeit (§. 18.) durch Verjährung
nicht mehr anders erworben werden, als wenn letztere gegen eben denselben
Besitzer des belasteten Grundstücks angefangen und vollendet worden.
Arten der Grundgerechtigkeiten.
§. 25. Aus den verschiedenen Arten und Beziehungen, wie ein
Grundbesitzer, in Ausübung seiner Eigenthumsrechte, zum Vortheile eines andern
Grundstücks eingeschränkt werden kann, entstehen die verschiedenen Arten der
Grund-Gerechtigkeiten.
Umfang u. Schranken der Grundgerechtigkeiten überhaupt.
§. 26. Was von Rechten auf fremdes Eigenthum überhaupt
verordnet ist, findet in der Regel auch bey Grundgerechtigkeiten Anwendung.
(Tit. XIX.)
§. 27. Bey Grundgerechtigkeiten, die aus Verträgen, oder
letztwilligen Verordnungen entspringen, bestimmt der Inhalt des Vertrages oder
der Disposition, den Gegenstand und die Gränzen des Rechts.
§. 28. Grundgerechtigkeiten, die durch Verjährung erworben
worden, erstrecken sich nur so weit, als der Besitz während des Laufes der
Verjährung gegangen ist.
§. 29. Eine Grundgerechtigkeit, welche ohne Nachtheil des
Berechtigten auf einen bestimmten Theil des belasteten Grundstücks ausgeübt
werden kann, muß, auf den Antrag des Verpflichteten, auf diesen Theil
eingeschränkt werden.
Pflichten des Besitzers des belasteten Grundstücks,
besonders wegen Unterhaltung und
§. 30. Daß der Besitzer des belasteten Grundstücks thätige
Hülfe zur Ausübung der Grundgerechtigkeit zu leisten schuldig sey, wird nicht
vermuthet.
§. 31. Er darf aber in seinem Grundstücke nichts vornehmen,
wodurch der Andre in Ausübung seiner Grundgerechtigkeit gehindert, oder ihm
dieselbe vereitelt werden könnte.
§. 32. Auch muß er gestatten, daß in seinem Grundstücke die
zur Ausübung der Gerechtigkeit nöthigen Anstalten und Reparaturen von dem
Berechtigten vorgenommen werden.
§. 33. Doch muß der Berechtigte zu diesen Anstalten und
Reparaturen die Zeit und Art so wählen, wie es, ohne Kränkung oder Hemmung
seines eignen Rechts, dem verpflichteten Grundstücke am wenigsten nachtheilig
ist.
§. 34. Auch muß er die vorhabende Anstalt oder Reparatur dem
Verpflichteten dergestalt zeitig anzeigen, daß derselbe die nöthigen
Vorkehrungen, zur Abwendung eines bey solcher Gelegenheit an seiner Sache zu
besorgenden Schadens, treffen könne.
§. 35. Hat der Berechtigte die Grundgerechtigkeit durch
einen lästigen Vertrag erworben: so ist der Verpflichtete schuldig, sein
Grundstück auf eigne Kosten in der Verfassung zu erhalten, daß der Berechtigte
seine Befugniß darauf ausüben könne.
§. 36. Aber auch außer diesem Falle muß der Verpflichtete,
zur Unterhaltung der belasteten Sache in diesem Zustande, verhältnißmäßigen
Beytrag leisten, wenn er von der Sache einen Gebrauch von eben der Art, wie der
Berechtigte, hat, und sich dessen ferner bedienen will.
Wiederherstellung der belasteten Sache.
§. 37. Auch in denjenigen Fällen, wo die Unterhaltung der
Sache dem Verpflichteten wirklich obliegt (§. 35.), ist derselbe dennoch nicht
verbunden, wenn die Sache durch bloßen Zufall oder höhere Gewalt so verändert
worden, daß die Ausübung der Grundgerechtigkeit darauf nicht mehr statt finden
kann, dieselbe auf eigne Kosten wiederherzustellen.
§. 38. Er muß aber diese Wiederherstellung dem Berechtigten
nach §. 32. gestatten, und wenn er sich derselben Art des Mitgebrauchs ferner
bedienen will, zu den Wiederherstellungskosten nach §. 36. beytragen.
§. 39. Ist der Verpflichtete die Wiederherstellung zu
besorgen nicht vermögend, oder nicht schuldig; und kann dieselbe auch von dem
Berechtigten nicht bewirkt werden: so muß der Verpflichtete die für Einräumung
des Rechts empfangene Vergütung erstatten.
§. 40. Ist dafür etwas in Pausch und Bogen gegeben worden:
so muß der ganze Betrag des Empfangenen zurückgegeben werden.
§. 41. Sind Zinsen oder andre fortwährende Leistungen
vorbedungen worden; so fallen dieselben für die Zukunft weg.
§. 42. Hört die durch Zufall oder höhere Gewalt erfolgte
Veränderung der Sache, wodurch die Ausübung der Grundgerechtigkeit verhindert
worden, in der Folge wieder auf: so wird auch diese, so wie die dagegen
übernommene Vergütung, wieder hergestellt.
Wie Grundsgerechtigkeiten aufhören.
§. 43. Außer den allgemeinen Arten, wie Rechte verloren
gehen können, erlöschen Grundgerechtigkeiten durch stillschweigende
Einwilligung, wenn der Berechtigte wissentlich geschehen läßt, daß in der
verpflichteten Sache Anstalten und Einrichtungen, welche die Ausübung seines
Rechts gerade zu unmöglich machen, getroffen werden.
§. 44. Offenbart sich aber der Nachtheil erst in der Folge:
so kann der Berechtigte auf eine den Umständen angemessene Abänderung,
innerhalb der Verjährungsfrist, antragen.
§. 45. In wie fern daraus, daß der Berechtigte in der
belasteten Sache Anstalten, welche die Ausübung seiner Grundgerechtigkeit
hindern oder erschweren wissentlich hat treffen lassen, eine stillschweigende
Einwilligung desselben in eine solche Einschränkung seines Rechts folge, ist
nach vorstehenden Grundsätzen (§. 43., 44.) zu beurtheilen.
§. 46. Grundgerechtigkeiten können gegen Entschädigung des
Berechtigten aufgehoben werden, wenn Anstalten und Einrichtungen, die zum
allgemeinen Besten vom Staate angeordnet worden, solches nothwendig machen.
§. 47. In Fällen, wo der Eigenthümer sich eine Einschränkung
seiner Eigenthumsrechte zur Nothdurft eines andern Grundstücks gefallen lassen
muß, ist auch der Inhaber einer Grundgerechtigkeit schuldig, die Einschränkung
oder gänzliche Aufhebung derselben geschehen zu lassen. (§. 3. sqq.)
§. 48. In wie fern die Aufhebung der der Landwirthschaft
schädlichen Grundgerechtigkeiten zur Verbesserung der Landescultur statt finde,
ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. XVII. §. 350. sqq.)
§. 49. So lange eine Grundgerechtigkeit im Hypothekenbuche
eingetragen ist, kann dieselbe, außer den §. 44., 45. bestimmten Fällen,
mittelst der Verjährung durch bloßen Nichtgebrauch nicht verloren gehen.
§. 50. Grundgerechtigkeiten hingegen, deren Eintragung nach
§. 16. 17. nicht nothwendig ist, erlöschen mittelst der Verjährung durch
Nichtgebrauch, wenn sie nicht eingetragen, und in dem Falle des §. 16. die
Anstalt oder Anlage, aus welcher ihr Daseyn ersichtlich war, weggeschafft
worden.
§. 51. Doch nimmt im letztern Falle die Verjährung erst von
demjenigen Zeitpunkte, wo ausgemittelt ist, daß die Anlage nicht mehr vorhanden
gewesen sey, ihren Anfang.
§. 52. Grundgerechtigkeiten können, gleich andern dinglichen
Rechten, durch Confusion verloren gehn. (Tit. XVI. Sect. X.)
§. 53. Derjenige also, in dessen Person das Eigenthum der
berechtigten und verpflichteten Sache zusammen kommt, ist befugt, die auf
letzterer eingetragenen Grundgerechtigkeiten löschen zu lassen, oder die das
Daseyn derselben bezeichnende Anlage fortzuschaffen.
§. 54. Ist dieses aber nicht geschehen, und die
verpflichtete Sache gelangt demnächst wieder an einen besondern Besitzer: so
tritt die vorige Grundgerechtigkeit wieder in ihre Wirkung.
I. Grundgerechtigkeiten auf Gebäude.
§. 55. Das Recht auf die eigenthümliche Mauer eines Andern
zu bauen, oder einen Balken auf dieselbe zu legen, muß als eine
Grundgerechtigkeit, besonders erworben werden.
§. 56. Eine solche Mauer muß der Eigenthümer unterhalten,
oder das Eigenthum derselben aufgeben, und es dem Berechtigten überlassen.
§. 57. Wenn der Eigenthümer einer Mauer, die das Gebäude
eines Andern unterstützt, dieselbe ausbessert, oder von neuem aufführt: so muß
er das Gebäude so lange auf seine Kosten unterstützen.
§. 58. Hat aber ein bloßer Zufall den Bau nothwendig
gemacht; oder wird selbiger von dem Verpflichteten bloß zum Besten des
Berechtigten geführt: so muß letzterer für die Unterstützung seines Gebäudes in
der Zwischenzeit, bis der Bau vollendet werden kann, selbst sorgen.
§. 59. Auch die als Grundgerechtigkeit jemanden zukommende
Befugniß der Dachtraufe, oder des Ausgusses auf das benachbarte Grundstück, muß
allemal so eingerichtet werden, daß der Nachbar dadurch so wenig Nachtheil, als
möglich, erleide.
§. 60. Ist zur Abführung der Flüssigkeiten ein Canal
erforderlich: so muß derselbe bedeckt, und mit einem eisernen Gitter versehen
werden.
§. 61. Wer das Traufrecht hat, muß dennoch geschehen lassen,
daß der Nachbar in der nach allgemeinen Vorschriften zulässigen Nähe an seinem
Gebäude heraufbaue; wenn er nur unter der Traufe bleibt, und selbige unter sein
Dach nimmt.
§. 62. Das Recht der freyen Aussicht schließt die Befugniß
in sich, auch in einer an des Verpflichteten Hof oder Garten unmittelbar
anstossenden Mauer neue Fenster zu öffnen.
II. Bey Wegen, und Fußsteigen, Viehtrieben, Durchfahrten
u.s.w.
§. 63. Gebahnter Fußsteige auf offenen Feldern kann ein
jeder sich bedienen.
§. 64. Hat aber der Eigenthümer den gemeinen Gebrauch
solcher Fußsteige durch Gräben, Kreuze, Schlagbäume, oder andre dergleichen
Merkmale untersagt: so kann nur derjenige, welchem eine besondere Vergünstigung
eingeräumt worden, davon Gebrauch machen.
§. 65. Wer das Recht hat, über das Grundstück des Andern zu
gehen, darf sich dessen weder zum Reiten, noch zum Fahren, auch mit einrädrigen
Karren, bedienen.
§. 66. Wer aber das Recht hat, auf einem Wege zu fahren,
darf auch darauf reiten, mit Karren fahren, und Vieh an Stricken darüber
führen.
§. 67. Dagegen folgt aus der Befugniß, über des Andern
Grundstück zu fahren, noch nicht das Recht, Vieh darüber zu treiben.
§. 68. Eben so wenig folgt aus der Befugniß, über des Andern
Grundstück Vieh zu treiben, ein Recht, über dasselbe zu fahren.
§. 69. Aus der Wegegerechtigkeit folgt noch nicht die
Befreyung von Damm- oder Brückengeld, oder andern Abgaben der Durchreisenden.
§. 70. Wem das Recht, über ein fremdes Grundstück zu gehen,
zu reiten, oder zu fahren, zukommt, der muß sich genau auf dem bestimmten Wege
halten, und darf unter keinerley Vorwande Nebenwege suchen.
§. 71. Dagegen kann er sich, wenn sein Recht nicht auf einen
gewissen bestimmten Zweck ausdrücklich eingeschränkt ist, des Weges zu allen
seinen Bedürfnissen ohne Unterschied, nicht aber zu ganz neuen Anlagen (§. 8.)
bedienen.
§. 72. Wer das Recht des Viehtriebes hat, muß solchen
dergestalt einrichten, daß das Vieh durch Uebertreten, oder sonst, keinen
Schaden verursache.
§. 73. Verzäunungen aber, oder andre Verrückungen, ist der
Berechtigte auf seine Kosten anzulegen, oder zu unterhalten, nicht verbunden.
§. 74. Will der Besitzer des belasteten Grundstücks
dergleichen bisher von ihm unterhaltene Anstalten wieder eingehen lassen: so
ist der Berechtigte zum Widerspruche dagegen nicht befugt; und muß dennoch die
nach §. 72. ihm obliegende Verbindlichkeit beobachten.
§. 75. Wenn jedoch der zum Viehtriebe eingeräumte Weg nicht
die erforderliche Breite hat, (§. 79.) und daher von dem Besitzer des
belasteten Grundstücks bisher, zur Verhütung des Uebertretens, solche Anstalten
unterhalten worden: so ist der Verpflichtete, dieselben wider den Willen des
Berechtigten eingehen zu lassen, nicht befugt.
§. 76. Ist jemanden die Durchfahrt durch einen Thorweg
verstattet worden: so kann letzterer in der Folge, ohne Einwilligung des
Berechtigten, weder verengt, noch erniedrigt werden.
§. 77. Die Breite der Fußsteige, Wege und Viehtriebe, wird
hauptsächlich durch die bey Einräumung des Rechts getroffenen Verabredungen
bestimmt.
§. 78. In Ermangelung solcher verabredeten oder in
Provinzialgesetzen enthaltnen Bestimmungen, ist die Breite eines Fußsteiges auf
Drey Fuß, und wenn darauf geritten, oder mit Karren gefahren werden soll, auf
Vier Fuß zu bestimmen.
§. 79. Auf Wege zum Fahren, ist eine Breite von Acht Fuß in
der geraden Linie, und von Zwölf Fuß in der Biegung; auf Viehtriebe hingegen
die doppelte Breite eines Weges zu rechnen.
III. Hütungsgerechtigkeit.
§. 80. Wer das Recht hat, sein Vieh auf den Grundstücken
eines andern Guts zu hüten, muß sich desselben so bedienen, daß der Eigenthümer
dadurch an der Substanz der Sache keinen Schaden leide, und an der Landesart
gewöhnlichen Cultur und Benutzung nicht gehindert werde.
§. 81. Andere Arten der Benutzung kann der Besitzer des
belastenen Guts nur in so fern ausüben, als der erforderliche Weidebedarf des
Berechtigten dadurch nicht geschmälert, oder dieser entgehende Bedarf, durch
Anweisung eines andern gleich gut gelegnen Stücks, vollständig vergütet wird.
§. 82. Der Hütungsberechtigte kann den Eigenthümer eines mit
der Hütung belasteten Waldes nicht hindern, den Wald so weit zu bebauen, als es
zur Veranstaltung der erforderlichen Forstaufsicht nothwendig ist.
§. 83. Der Berechtigte ist schuldig, sein Vieh nur unter
Aufsicht eines Hirten auf die Weide zu bringen; oder sonst hinreichende
Anstalten zur Verhütung aller durch dasselbe zu verursachenden Beschädigungen
zu treffen.
§. 84. Auch wenn das Vieh in kleinerer Anzahl nach einzelnen
Hütungsflecken ausgetrieben wird, muß diese Pflicht von dem Hütungsberechtigten
beobachtet werden.
§. 85. Vernachläßigt der Berechtigte diese Obliegenheit: so
haftet er für allen und jeden durch das Vieh, auch bloß zufällig, angerichteten
Schaden.
§. 86. Wegen der anzulegenden, zu unterhaltenden, und wieder
aufzuhebenden Verzäunungen u.s.w. finden die Vorschriften §. 73. 74. Anwendung.
§. 87. Unreines und mit ansteckenden Krankheiten behaftetes
Vieh darf auf die Hütung nicht gebracht werden.
§. 88. Auch das sogenannte Schmiervieh ist der Verpflichtete
in Gegenden, wo dergleichen Vieh nicht durchgängig gehalten wird, auf der
Hütung zu dulden nicht verbunden.
§. 89. Es wird niemals vermuthet, daß jemand dem Andern die
Hütungsgerechtigkeit mit Ausschluß seines eignen Viehes habe einräumen wollen.
§. 90. Ist die Anzahl des vorzutreibenden Viehes nicht
bestimmt: so mag der Berechtigte so viel Stücke, als er mit dem von den
berechtigten Grundstücken gewonnenen Futter durchwintern kann, auf die Hütung
bringen.
§. 91. Ein solcher Hütungsberechtigter darf sich also der
Weide so wenig für fremdes, als selbst für solches eignes Vieh bedienen,
welches er etwa von andern eigenthümlichen oder gepachteten Grundstücken
durchwintern könnte.
§. 92. Hat jedoch eine ganze Gemeine das Hütungsrecht: so
muß der Besitzer des belasteten Grundstücks auch solches Vieh einzelner
Mitglieder zulassen, welches von gepachteten Grundstücken der zur berechtigten
Gemeine gehörenden Feldflur durchgewintert wird.
§. 93. Ist der Berechtigte ein nicht mit eignem Ackerbaue
versehenes Mitglied der Gemeine: so darf er nur so viel Vieh auf die Hütung
bringen, als Leuten aus seiner Classe, an demselben Orte, zu halten gewöhnlich
erlaubt wird.
§. 94. Bey der Beurtheilung: wie viel Vieh der Berechtigte
mit eignem Futter durchwintern, und also auf die Hütung bringen könne, werden
nur solche Zehenten, die zur Zeit der Einräumung des Rechts bey dem
berechtigten Gute schon befindlich waren, ihm zu gute gerechnet.
§. 95. Später erworbene Zehenten kann er sich nur dann zu
gute rechnen, wenn er dieselben von einem andern zu derselben Hütung
berechtigten Gute an sich gebracht hat.
§. 96. Ist der Berechtigte kein Grundbesitzer, sondern es
wird von ihm nur zum Behufe seines Gewerbes Vieh gehalten: so darf er die Weide
nur für das zu seinem Gewerbe und zu seinem eignen Bedürfniß erforderliche Vieh
nutzen.
§. 97. Vieh, welches zum Handel bestimmt ist, darf er in der
Regel nicht auf die Hütung bringen.
§. 98. Auch wenn die Anzahl des Viehes, welches der Berechtigte
vortreiben darf, bestimmt ist, kann dennoch das von diesem gefallene junge
Vieh, so lange es säugt, von der Hütung nicht ausgeschlossen werden.
§. 99. Steht dem berechtigten Gute die Hütungsgerechtigkeit
ohne Bestimmung einer gewissen Art des Viehes zu: so begreift sie alles Zug-
Rind- und Schaafvieh unter sich.
§. 100. Schweine, und andere Arten von Vieh, dürfen auf eine
solche Hütung nur in so fern gebracht werden, als die Einräumung des Rechts
sich darauf ausdrücklich mit erstreckt, oder dieselben seit rechtsverjährter
Zeit darauf mit vorgetrieben worden.
§. 101. Ist dem Berechtigten die Hütung nur für eine gewisse
Art von Vieh eingeräumt: so darf er Vieh von andrer Art nur in so fern auf
dieselbe bringen, als er durch Zufall, oder höhere Gewalt, diese Art von Vieh
an die Stelle des andern zu halten, auf eine Zeitlang genöthigt worden.
§. 102. War auch die Zahl des vorzutreibenden Viehes
bestimmt: so muß die Zahl der neuen Art nach wirthschaftlichen Grundsätzen mit
derselben in Verhältniß stehen; dergestalt, daß das verpflichtete Grundstück
nicht mehr als vorhin belästigt werde.
§. 103. Wird durch Zufall oder höhere Gewalt die
Beschaffenheit des mit der Hütung belasteten Grundstücks dergestalt verändert,
daß die bisherige Anzahl des Viehes nicht mehr darauf erhalten werden kann, so
muß der Berechtigte sich eine Verminderung seines vorzutreibenden Viehstandes,
nach eben dem Verhältnisse, wie der Eigenthümer selbst, getanen lassen.
§. 104. Wird für die Hütung etwas an Gelde oder Naturalien
entrichtet: so muß, in dem angeführten Falle, diese Angabe verhältnißmäßig
herunter gesetzt werden.
§. 105. Ist aber die Anzahl des Viehes von Seiten des
Berechtigten bestimmt: so trifft eine nothwendig gewordene Verminderung des
Viehstandes zuerst den Eigenthümer des belasteten Grundstücks.
§. 106. Hat der Eigenthümer seinen Viehstand durch neue
Wirthschafts-Anstalten und Einrichtungen dergestalt vermehrt, daß die Hütung
für die bisherige Anzahl des Viehes nicht mehr hinreicht: so muß er den Ausfall
auch alsdann, wenn die Anzahl des Viehes von Seiten des Berechtigten nicht
bestimmt war, allein tragen.
§. 107. Der Berechtigte darf, durch unzeitige Behütung der
Felder und Wiesen, den Eigenthümer nicht beeinträchtigen.
§. 108. Die Behütung ist für unzeitig zu achten, so lange
dadurch das belastete Gut in seinen übrigen Nutzungen würde beschädigt werden.
§. 109. Die Hütung auf Wiesen findet zu geschlossenen Zeiten
niemals statt.
§. 110. Wann diese geschlossene Zeit im Frühjahre anfange,
und wie lange sie daure, ist nach der hergebrachten Gewohnheit jeden Orts, und
wo diese nicht entscheidet, nach dem Gutachten vereideter Sachverständigen ein-
für allemal festzusetzen.
§. 111. Auf eben die Art muß bestimmt werden, zu welcher
Zeit ein- oder zweyschürige Wiesen, nach der Heu- oder Grummet-Erndte,
betrieben werden mögen.
§. 112. Nasse durchbrüchige Wiesen müssen auch im Herbste
mit der Hütung verschont werden.
§. 113. Feldwiesen muß der Hütungsberechtigte so lange
schonen, als die Aecker, zwischen welchen sie liegen, nicht betrieben werden
dürfen.
§. 114. Ist er dergleichen Wiesen auch im Brachfelde zu
behüten nicht berechtigt: so muß sie der Eigenthümer einzäunen, oder sonst
befrieden.
§. 115. Der Eigenthümer des belasteten Grundstücks ist die
Cultur seines Ackers zum Vortheile des Berechtigten zu verschieben nicht
schuldig.
§. 116. Er darf aber auch seine Brache, zur Schmälerung der
Hütung, nicht anders als landüblich benutzen.
§. 117. Ist durch Verträge, oder hergebrachte Gewohnheiten,
eine gewisse Zeit zum Anfange und zur Dauer der Hütung bestimmt: so hat es
dabey sein Bewenden.
§. 118. Doch sind dergleichen Verträge und Gewohnheiten, so
weit sie den wegen der Wiesen §. 109-114. gegebenen Vorschriften zuwider
laufen, unverbindlich.
§. 119. Jeder Interessent, welcher in der zur Hütung
bestimmten Feldmark Aecker besitzt, ist einen Theil derselben zum Anbaue der
Futterkräuter oder Gartengewächse einzuhegen berechtigt.
§. 120. Er muß aber die Einhegung auf eigne Kosten besorgen
und unterhalten.
§. 121. Er muß den einzuhegenden Fleck so wählen, daß
dadurch die Trift auf die übrigen Hütungsgründe nicht gehindert oder erschwert
werde.
§. 122. Dagegen steht ihm auch frey, den eingehegten Fleck
wiederum zur Hütung aufzugeben, und dafür einen andern schicklichen Fleck
einzuhegen.
§. 123. Wie groß der Antheil, den jeder Interessent aus der
gemeinen Hütung solchergestalt ausziehn mag, zu bestimmen sey, bleibt den
Festsetzungen der Provinzial-Gesetze, und so lange diese noch nichts darüber
verordnet haben, dem Gutachten vereideter Sachverständigen vorbehalten.
§. 124. Diese müssen bey ihrem Gutachten hauptsächlich
darauf Rücksicht nehmen, daß, wenn jeder der Interessenten sich eben dieses
Rechts verhältnißmäßig bedienen wollte, dennoch eine in gewöhnlichen Jahren zur
Hütung nach wirthschaftlichen Grundsätzen hinreichende Oberfläche übrig bleibe.
§. 125. Ein Theil der Hütung kann für das Zugvieh eingehegt
werden.
§. 126. Die Einhegung ist nach Verhältniß des Zugviehes,
gegen die übrige gesammte zur Hütung berechtigte Heerde, zu bestimmen.
§. 127. Sobald das Zugvieh außer der Hegeweide gehütet wird,
ist das Gehege für aufgehoben zu achten.
§. 128. Wo mehrere Arten von Vieh zu demselben Hütungsreviere
berechtigt sind, da können die Schaafe nur hinter dem Zug- und Rindviehe auf
die Hütung getrieben werden.
§. 129. Schweine, Gänse, und anderes Federvieh, folgen erst
hinter den Schaafen, in so fern denselben nicht nach der Observanz des Orts
eine besondre Hütung angewiesen ist.
§. 130. Ziegen darf der Hütungsberechtigte auf solche Plätze
nicht bringen, wo Beschädigung am Holze, an Bäumen, oder Hecken, zu besorgen
ist.
§. 131. Hat aber der Eigenthümer des belasteten Grundstücks
neue Anlagen dieser Art gemacht: so liegt ihm ob, dieselben gegen besorgliche
Beschädigungen zu decken.
§. 132. Uebrigens kann der bloß zur Hütung Berechtigte weder
auf Rohr oder Schilfnutzung Anspruch machen, noch sich des Mähens auf dem
Hütungsreviere auf irgend eine Art anmaßen.
Von der Koppelhütung.
§. 133. Wenn mehrern auf dem Grundstücke eines Dritten die
gemeinschaftliche Hütung zukommt: so sind ihre Verhältnisse untereinander in
Ansehung dieses gemeinsamen Rechts nach dem Ersten Abschnitte des Siebenzehnten
Titels zu bestimmen.
§. 134. Ein Gleiches gilt, wenn ein Hütungs-Revier den
Besitzern mehrerer Grundstücke, sowohl in Ansicht des Eigenthums, als der
Hütung, gemein ist.
§. 135. Wenn zwischen den Besitzern angrenzender im
ausschließenden Eigenthume eines jeden befindlichen Grundstücke die
gemeinschaftliche Hütung auf diesen Grundstücken statt findet: so wird
dergleichen Koppelweide in der Regel als eine wechselseitige Grundgerechtigkeit
angesehn.
§. 136. Wenn aber diese wechselseitige Hütung nicht
regelmäßig und beständig auf eben demselben, sondern nur zuweilen, und bald auf
diesen bald auf andern Stücken ausgeübt worden: so wird angenommen, daß dabey
nur nachbarliche Freundschaft und Gutwilligkeit zum Grunde liege.
§. 137. In diesem Falle steht also jedem Interessenten frey,
davon nach Gutfinden wieder abzugehen.
Aufhebung der Hütungsgerechtigkeiten.
§. 138. Unter eben den Umständen und Bedingungen, wie die
Theilung gemeinschaftlich benutzter Grundstücke statt findet, können auch die
der Landescultur nachtheiligen Hütungsgerechtigkeiten und Koppelweiden
aufgehoben werden. (Tit. XVIL Abschn. IV.)
§. 139. Nur der Eigenthümer des belasteten Grundstücks ist
dergleichen Aufhebung zu verlangen befugt.
§. 140. Bey wechselseitigen oder Koppelhütungen kann jeder
Theil diese Befugniß ausüben.
§. 141. Die Aufhebung einer Hütungsgerechtigkeit findet nur
in so fern statt, als der Berechtigte seinen Viehstand, den er auf die Hütung
zu bringen befugt war, mit Inbegriff der ihm anzuweisenden Vergütung, ferner zu
unterhalten im Stande bleibt.
§. 142. Bey Bestimmung der dem Berechtigten anzuweisenden
Schadloshaltung, muß auf den Umfang seines Rechts an sich, und auf die
landübliche Art dasselbe zu benutzen, Rücksicht genommen werden.
§. 143. Es hat also weder die Fahrläßigkeit eines oder des
andern bisherigen Besitzers, noch dessen ungewöhnlicher Fleiß in der Benutzung
des Rechts, auf die Bestimmung Einfluß.
§. 144. Eine Vergütung in Gelde ist der Hütungsberechtigte
anzunehmen niemals verbunden.
§. 145. Dorfgemeinen, oder einzelne Rustikalbesitzer, sind
nicht befugt, eine dergleichen Vergütung ohne die ausdrückliche Einwilligung
des Grundherrn anzunehmen.
IV. Schäfereygerechtigkeit.
§. 146. Die Schäfereygerechtigkeit, oder die Befugniß,
Schaafe auf der ganzen Feldmark zu hüten, ist in der Regel, wo nicht
Provinzialgesetze oder Verfassungen ein Andres bestimmen, als ein Vorrecht der
Gutsherrschaften anzusehen.
§. 147. Dieses Recht bedarf in keinem Falle der Eintragung
in das Hypothekenbuch.
§. 148. Bey neu angelegten Dörfern findet eine solche
Schäfereygerechtigkeit nur in so fern statt, als der Grund und Boden schon
vorhin damit belastet gewesen, oder dieselbe, bey Anlegung der neuen Colonie,
ausdrücklich vorbedungen worden.
§. 149. Es wird nicht vermuthet, daß eine Gutsherrschaft das
Recht habe, Schaafe von andern außer der Feldmark gelegenen Vorwerken, auf die
Hütung zu bringen.
§. 150. Dagegen kann der Gutsherrschaft, welcher die
Schäfereygerechtigkeit ohne Einschränkung zukommt, keine Anzahl von Schaafen,
nach dem Verhältnisse der Durchwinterung mit eignem Futter, vorgeschrieben
werden.
§. 151. Wo aber mehrern die Schäfereygerechtigkeit auf eben
derselben Feldmark gebühret, da wird unter ihnen die Anzahl der vorzutreibenden
Schaafe, nach dem Grundsatze der Durchwinterung mit eignem Futter bestimmt.
§. 152. An Orten, wo auch die andern Dorfbewohner das Recht
haben, Schaafe auf die Hütung zu bringen, muß die Gutsherrschaft ihren
vorzutreibenden Schaafstand so einrichten, daß den Schaafen der Unterthanen ihr
Weidebedarf nicht entzogen werde.
§. 153. Dagegen dürfen aber auch die Dorfseinwohner die Zahl
der Schaafe, so einem jeden von ihnen, nach den Provinzialgesetzen, Verträgen,
oder der hergebrachten Gewohnheit des Orts, zu halten erlaubt ist, nicht übersteigen.
§. 154. Es steht bey der Herrschaft: ob sie die Schaafe der
übrigen Dorfsbewohner mit in ihre Heerde nehmen wolle.
§. 155. An Orten, wo dieses nicht geschieht, müssen die
Schaafe der übrigen Dorfsbewohner in einer gemeinschaftlichen Heerde gehütet
werden.
§. 156. Hat die Gutsherrschaft Rustikaläcker in Cultur: so
muß sie zu dem Lohne des Schaafhirten der Unterthanen verhältnißmäßig
beytragen, wenn sie gleich ihre sämmtliche Schaafe durch einen besondern
Schäfer hüten läßt.
§. 157. Wo der Hordenschlag üblich ist, da kann in der Regel
den zur Schaafhütung berechtigten Unterthanen der Vortheil davon, nach
Verhältnis ihrer Schaafe, nicht versagt werden.
§. 158. Durch eine Gemeinheitstheilung an und für sich wird
die Schäfereygerechtigkeit noch nicht aufgehoben.
§. 159. Soll die Aufhebung erfolgen: so muß der
Gutsherrschaft eine solche Entschädigung angewiesen werden, bey welcher sie im
Stande bleibe, den seit den letzten Drey Jahren wirklich vorgetriebenen, oder
den mit eignem Futter durchzuwinternden Schaafstand, ferner zu unterhalten.
§. 160. Ob die Entschädigung nach dem wirklich
vorgetriebenen, oder nach dem durchzuwinternden Schaafstande berechnet werden
solle, hängt von der Wahl der Herrschaft ab.
§. 161. In allen Fällen müssen die von den Dorfseinwohnern
mit Futterkräutern oder Gartengewächsen bestellte Stücke mit der Schaafhütung
verschont werden.
§. 162. Doch dürfen die Dorfseinwohner das durch Gesetze,
(§. 119. sqq.) Verträge, oder hergebrachte Gewohnheiten bestimmte Ackermaas,
mit dergleichen Bestellung nicht überschreiten, noch der Herrschaft dadurch den
freyen Vortrieb verhindern.
§. 163. Zerstreute Grundstücke dieser Art müssen von den
Eigenthümern eingehegt, oder sonst befriedet werden.
§. 164. Vor Weihnachten dürfen die Schaafe, ohne besondre
Einwilligung der Ackerbesitzer, auf die junge Saat nicht getrieben werden.
§. 165. Auch nach Weihnachten ist dergleichen Saathütung nur
bey hartem und trocknem Froste zuläßig.
§. 166. Besonders muß die Saat, so lange sie mit Glatteis
und Reif belegt ist, mit der Schaafhütung verschont werden.
§. 167. Sobald der Boden durch die Sonne aufzuthauen
anfängt, müssen die Schaafe von der Saathütung wegbleiben.
§. 168. Im Monathe Februar dürfen, bey heller Witterung, die
Schaafe nicht länger, als zwey Stunden nach Sonnenaufgang auf den Saatfeldern
geduldet werden.
§. 169. Wegen der Ordnung, in welcher auf noch nicht
bestellten, oder schon geräumten Feldern, die Schaafe dem übrigen zur Hütung
berechtigten Viehe folgen, hat es bey der obigen gesetzlichen Vorschrif (§.
128.) und wegen der Zeiten, wo ihnen diese Hütung aufgegeben werden muß, bey
den hergebracnten Gewohnheiten jedes Orts, sein Bewenden.
Von Schonungen bey der Waldhütung.
§. 170. Wenn ein Wald in Schläge oder Haue ordentlich
eingetheilt ist, und solchergestalt forstmäßig beholzt wird: so müssen die
jungen Haue in der Hütung so lange geschont werden, bis für das Holz keine
Beschädigung mehr von dem Viehe zu besorgen ist.
§. 171. Auch einen bisher unordentlich und unwirthschaftlich
beholzten Wald kann der Eigenthümer in Schläge eintheilen, und von den
Hütungsberechtigten verlangen, daß sie dieselben so weit schonen, als es zur
Conservation des Waldes nothwendig ist.
§. 172. Die Zahl der anzulegenden Schläge, und wie lange ein
jeder derselben geschont werden müsse, ist nach Beschaffenheit des Bodens, und
der Holzarten, durch das Gutachten vereideter Forstverständigen zu bestimmen.
§. 173. Wenn aber der ganze Wald ruinirt wäre: so kann doch
der Eigenthümer denselben nicht auf einmal in Schonung legen; sondern er muß
die Eintheilung so machen, daß die Wiederherstellung des Waldes nach und nach
erfolgen könne, und dennoch den Hütungsberechtigten die Nothdurft, zur
Unterhaltung ihres berechtigten Viehstandes, nicht entzogen werde.
§. 174. Wenn die Wiederherstellung des Waldes nicht möglich
ist, ohne den Viehstand, welcher auf die Hütung gebracht werden kann,
einzuschränken: so müssen die Hütungsberechtigten eine solche Einschränkung auf
so lange, als es nach dem Befinden vereideter Sachverständigen nothwendig ist,
sich gefallen lassen.
§. 175. Feldhütungen zum Holzanwuchse zu hegen, ist der
Eigenthümer nur in so fern befugt, als es ohne allen Abbruch der Nothdurft für
die Hütungsberechtigten geschehen kann.
§. 176. Will der Eigenthümer mehr in Schonung legen, als er
nach vorstehenden Grundsätzen zu thun befugt seyn würde; zugleich aber den
Hütungsberechtigten dasjenige, was ihnen durch die anzulegende größere Schonung
an ihrem Weidebedarf abgehen würde, an einen andern gelegnen Ort auf so lange
anweisen, bis der in Schonung gelegte größere Fleck wieder aufgegeben, werden
kann: so müssen die Hütungsberechtigten sich solches gefallen lassen.
§. 177. Hat der Eigenthümer schon so viel Schonungen
angelegt, als ihm erlaubt ist: so findet die Anlegung neuer Schonungen nur in
so weit statt, als eben so viel von den gehegten Stücken wiederum zur Hütung
aufgegeben wird.
§. 178. Doch findet auch in diesem Falle die Vorschrift des
§. 176. Anwendung.
§. 179. Die angelegten Schonungen müssen von dem Eigenthümer
durch Gräben, Zäune, oder auf andere Art, gehörig befriedet, oder doch die
Gränzen derselben so kennbar bezeichnet und verwischt werden, daß die
Hütungsberechtigten diese Gränzen, ohne eignes mäßiges Versehen, nicht
überschreiten können.
§. 180. Ist dieses geschehen: so ist der Eigenthümer das in
solche Schonungen übertretende Vieh zu pfänden berechtigt.
§. 181. Das bey solchen Pfändungen zu entrichtende höhere
Pfandgeld, ist in den Provinzialgesetzen und Forstordnungen bestimmt.
§. 182. Unter diesem Pfandgelde ist der Schadensersatz für
das Ueberhüten mit begriffen.
§. 183. Will aber der Eigenthümer sich mit dem bloßen
Pfandgelde nicht begnügen; sondern für den durch das Hüten in der Schonung verursachten
Schaden besondern Ersatz, nach der Schätzung vereideter Sachverständigen
fordern: so kann er, außer diesem Ersatze nur das Ordinaire in der Provinz
vorgeschriebene Pfandgeld verlangen.
§. 184. Das Pfandgeld muß der Eigenthümer des übergetretenen
Viehes entrichten, mit Vorbehalt seines Regresses an den Hirten, durch dessen
Verschulden die Schonung verletzt worden ist.
§. 185. Fordert aber der Eigenthümer des Forstes, nach §.
183., besondere Entschädigung: so haftet der Eigenthümer des Viehes nur für das
ordinaire Pfandgeld; und für das Verschulden des Hirten nur in so fern, als
nach den allgemeinen Grundsätzen des Sechsten Titels, jemand den durch Andere
verursachten Schaden erstatten muß. (Tit. VI. §. 56. sqq.)
§. 186. Hirten, Schäfer und anderes Gesinde, welche
Schonungen behüten, oder das übertretende Vieh nicht sofort abkehren, sollen,
außer dem Schadensersatze, mit nachdrücklicher Leibes- und allenfalls
Festungs-Strafe, nach näherer Bestimmung des Criminalrechts, belegt werden.
(Tit. XX. Abschn. XVI.)
V. Mastungsrecht.
§. 187. Das Mastungsrecht kommt in der Regel, wo nicht
Provinzialgesetze ein Anderes ausdrücklich bestimmen, dem Eigenthümer der Bäume
zu.
§. 188. So lange die Mästung dauert, müssen die Reviere, wo
die Schweine sich befinden, mit der übrigen Hütung geschont werden.
§. 189. Es folgt also an Orten, wo Mästung ist, das übrige
Vieh erst hinter den Schweinen.
§. 190. Die Schonungszeit der Masthölzer nimmt der Regel
nach mit dem Tage Bartholomäi ihren Anfang, und dauert bis zu Weihnachten.
§. 191. In der Mitte des Augusts muß, mit Zuziehung des
Hütungsberechtigten, durch Forstverständige bestimmt werden: ob volle oder nur
Sprengmast vorhanden sey.
§. 192. Die Schonung der Masthölzer muß aber nicht nur bey
voller Mast geschehen, sondern auch alsdann, wenn die Sprengmast zur Nothdurft
des Eigenthümers, oder zu Einführung fremder Schweine, zulänglich ist.
§. 193. Wenn aber jemanden das Mastungsrecht in einem
fremden Forste als eine Grundgerechtigkeit zukommt: so kann er sich desselben
der Regel nach nur bey voller Mast bedienen.
§. 194. Wenn nur Sprengmast ist: so muß er mit dem Lesen der
Eicheln, Bucheln, und anderer dergleichen zur Schweinefütterung tauglichen
wilden Baumfrüchte sich begnügen.
§. 195. Die Mastgerechtigkeit ist unter einer selbst
unbestimmten Hütungsgerechtigkeit nicht mit begriffen.
§. 196. Der Mastberechtigte kann den Eigenthümer des Waldes,
und die Holzungsberechtigten nicht hindern, auch Masthölzer nach forstmäßigen
Grundsätzen zu schlagen.
VI. Holzungsgerechtigkeit.
§. 197. Wer das Holz in einem Walde ohne Einschränkung
genutzt hat, ist im zweifelhaften Falle für den Eigenthümer des Waldes;
derjenige aber, dem nur eine eingeschränkte Nutzung zusteht, für den bloßen
Besitzer einer Grundgerechtigkeit zu halten.
§. 198. Haben sie insgesammt das Holz mit gleicher Freyheit
oder Einschränkung genutzt: so wird vermuthet, daß sie sich alle im
Miteigenthume des Waldes befinden.
§. 199. Erhellet aber, wem die Bäume eines Walde gehören;
und ist nur das Eigenthum über Grund und Boden streitig: so gilt die Vermuthung
für den Eigenthümer der Bäume.
§. 200. Wer nur Eigenthümer der Bäume ist, kann, außer der
Holz- und Mästung, weiter keiner Rechte auf Grund und Boden sich anmaßen.
§. 201. Wem das Recht, das benöthigte Holz aus eines Andern
Walde zu nehmen, als eine Grundgerechtigkeit, ohne weitere Einschränkung oder
Bestimmung, zukommt; der ist nicht nur Brenn-, sondern auch Bauholz aus dem
Walde zu holen befugt.
§. 202. Das Recht aber, Rohr und Schilf zu hauen, gehört in
der Regel nicht mit zur Holzungsgerechtigkeit.
§. 203. Auch schränkt sich dergleichen unbestimmte
Holzungsgerechtigkeit nur auf das Bedürfniß des begünstigten Grundstücks ein;
und der Berechtigte kann sich derselben weder zum Verkaufe, noch zur Versorgung
anderer unberechtigten Besitzungen, zu nutze machen.
§. 204. Der Berechtigte kann sein Bedürfniß nicht auf
mehrere Jahre vorausnehmen, sondern dasselbe nur für jedes Wirthschaftsjahr
besonders fordern.
§. 205. Das einem Gute als Grundgerechtigkeit unbestimmt beygelegte
Holzungsrecht, begreift die persönlichen Bedürfnisse des Besitzers und seiner
Familie nur alsdann, wenn er auf dem Gute wohnt, nicht aber, wenn er sich
anderswo aufhält, unter sich.
§. 206. Die persönlichen Bedürfnisse des auf dem Gute
wohnenden Pächters oder Wirthschaftsbeamten sind darunter allemal mit
begriffen.
§. 207. Ist dem Besitzer des berechtigten Grundstücks die
Befugniß, auch seine persönlichen Bedürfnisse aus dem Walde zu nehmen
ausdrücklich beygelegt: so finden die Regeln vom Nutzungsrechte Anwendung.
(Tit. XXI.)
§. 208. Die Befugniß, Bauholz aus einem Walde zu nehmen,
erstreckt sich, in so weit sie eine Grundgerechtigkeit ist, nur auf dasjenige,
was zur Unterhaltung oder Wiederherstellung der zur Zeit der Verleihung des
Rechts vorhanden gewesenen Wohn- und Wirthschaftsgebäude erforderlich ist.
§. 209. Zu neuen Anlagen also darf der belastete Wald das
Bauholz nicht hergeben.
§. 210. Wenn aber auch die veränderten Umstände, oder
vermehrten Bedürfnisse des berechtigten Guts, eine Verlegung oder Erweiterung
der anfänglich vorhanden gewesenen Gebäude nothwendig machen: so kann auch dazu
das erforderliche Bauholz aus dem belasteten Walde genommen werden.
§. 211. Wenn einer ganzen Dorfschaft oder Gemeine das
Holzungsrecht verliehen worden: so kommt selbiges in der Regel nur den
angesessenen Wirthen, nicht aber den Einliegern oder Häuslingen zu.
§. 212. Die Zahl der angesessenen Grundbesitzer, im Ganzen
genommen, kann, zum Nachtheile des belasteten Waldeigenthümers, über die zur
Zeit der Verleihung vorhanden gewesene Anzahl nicht vermehrt werden.
§. 213. Auch die zum Bau- Brenn- Nutz- und Leseholz
Berechtigten, müssen sich nach der vorgeschriebenen Forstordnung richten.
§. 214. Ohne Vorwissen des Waldaufsehers sind sie nicht
befugt, Holz zu fällen und abzuführen.
§. 215. Zum Raff- und Leseholze wird nur dasjenige Holz
gerechnet, welches in trocknen Aesten abgefallen ist, oder in abgeholzten
Schlägen an Abraum zurückgelassen worden.
§. 216. Stämme, die vor Alter umgefallen sind, werden zum
Lagerholz gerechnet.
§. 217. Wer nur zum Raff- und Leseholz berechtigt ist, kann
weder auf Lagerholz, noch auf Windbrüche Anspruch machen.
§. 218. Dem Waldeigenthümer kommt es zu, für diejenigen,
welche nur Raff- und Leseholz aus dem Walde zu nehmen berechtigt sind, gewisse
Holztage zu bestimmen, und außer denselben ihnen den freyen Eingang in den Wald
zu untersagen.
§. 219. Wer nur zum Raff- und Leseholze berechtigt ist, darf
keine Aexte, Beile, oder andere Instrumente, wodurch stehende Bäume oder Aeste
herunter gebracht werden können, mit in den Wald nehmen.
§. 220. Wird er mit einem solchen Instrumente betroffen: so
hat er nicht nur den Verlust desselben, sondern außerdem noch die in den
Provinzial-Forstordnungen näher bestimmten Strafen verwirkt.
§. 221. Die Befugniß, Streu zu rechen, oder Kiehn zu holen,
ist unter dem Rechte zum Raff- und Leseholze nicht mit begriffen.
§. 222. Wer aus Gewinnsucht mehr Raff- und Leseholz
einsammelt, als seine persönlichen und Wirthschaftsbedürfnisse erfordern, und
einen solchen Ueberschuß verkauft, der soll das Erstemal um den doppelten
Betrag des zu viel eingesammelten und verkauften Holzes bestraft werden.
§. 223. Im Wiederholungsfalle macht er sich seines Rechts
für seine Besitzzeit verlustig.
§. 224. Die bloß zum Raff- und Leseholze Berechtigten
können, in Ermangelung desselben, stehendes selbst abgestandenes Holz nicht
fordern.
§. 225. Hat aber der Waldbesitzer in der Benutzung des
Waldes solche Anstalten und Vorkehrungen gemacht, daß dadurch den Raff- und
Leseholz-Berechtigten die Ausübung ihres Rechts vereitelt worden: so muß er
ihnen stehendes Holz zu ihrer Northdurft so lange anweisen, bis der Mangel an
Raff- und Leseholz aufhört.
§. 226. Der Holzungsberechtigte kann den Eigenthümer des
Waldes von dessen Gebrauch, unter dem Vorwande der Unzulänglichkeit desselben
für ihre beyderseitigen Bedürfnisse, nicht ausschließen.
§. 227. Vielmehr muß, wenn dergleichen Unzulänglichkeit
wirklich vorhanden ist, ein jeder von beyderley Interessenten, eine nach dem
Bedarfe der beyderseitigen Wirthschaften verhältnißmäßig zu bestimmende
Einschränkung sich gefallen lassen.
§. 228. Doch ruhet in einem solchen Falle die Befugniß des
Eigenthümers, Holz aus dem Walde zu verkaufen, so lange, bis der Mangel gehoben
ist.
§. 229. Hat der Eigenthümer des Waldes die Unzulänglichkeit
durch üble Wirtschaft und übertriebenen Verkauf selbst verursacht: so muß er
dem Holzungsberechtigten nachstehn.
§. 230. Auch ist der Holzungsberechtigte, um einem solchen
Mangel vorzubeugen, darauf anzutragen befugt, daß der Eigenthümer des Waldes
angehalten werde, den Wald in ordentliche Schläge einzuteilen.
§. 231. Ist der Holzungsberechtigte nur auf eine gewisse
Holzart eingeschränkt: so hört sein Recht auf, wenn die bestimmte Holzart in
dem Walde nicht mehr anzutreffen ist.
§. 232. Er kann jedoch den Eigenthümer zur Wiederanpflanzung
dieser Holzart anhalten.
§. 233. Hat der Eigenthümer den Mangel durch seine Schuld
verursacht: so muß er den Berechtigten auf so lange, bis der Bedarf desselben
von der bestimmten Art im Walde wieder vorhanden ist, entschädigen.
§. 234. Diese Entschädigung muß der Regel nach durch Holz von
andrer Art, nach einem durch Forstverständige zu bestimmenden Verhältnisse,
wenn aber auch dergleichen nicht vorhanden ist, in baarem Gelde geleistet
werden.
§. 235. Bey einer unbestimmten Holzungsgerechtigkeit kann
der Eigenthümer des Waldes verlangen, daß dieselbe, in Ansehung des
Brennholzes, auf ein mit der rechtmäßigen Benutzung im Verhältnisse stehendes
bestimmtes Holzdeputat festgesetzt werde.
§. 236. In Ansehung des Bauholzes aber kann dergleichen
Festsetzung nicht anders, als durch gütliches Einverständniß der Parteyen
erfolgen.
§. 237. Der Holzungsberechtigte kann zwar das zu seiner
Bedürfniß ihm angewiesene Holz in der Regel nicht verkaufen, sondern muß, wenn
er es gethan hat, den Werth des Holzes dem Eigenthümer des Waldes vergüten.
§. 238. Wenn ihm aber sein Bedarf in einer, so entlegenen
Gegend angewiesen wird, daß die Herbeyholung desselben mehr als eine Tagereise
erfordert: so muß der Eigenthümer des Waldes, auf geschehene Anzeige, sich
gefallen lassen, daß der Holzberechtigte sich seine Bedürfniß mehr in der Nähe
anschaffe, und dazu den Werth des angewiesenen entlegenen Holzes mit verwende.
§. 239. Will der Eigenthümer des Waldes dies nicht geschehen
lassen: so muß er den Berechtigten, statt des Holzes in Natur, den Werth nach
der Forsttaxe entrichten.
VII. Andre Arten von Grundgerechtigkeiten.
§. 240. Das Recht, auf fremdem Grunde und Boden Kalk zu
brennen, schließt die Befugniß, das dazu benöthigte Holz unentgeltlich zu
fordern nicht in sich.
§. 241. Das Recht, auf fremdem Grunde und Boden Erde,
Steine, Lehm u.s.w. zu holen, muß jederzeit so ausgeübt werden, daß den
Aeckern, Wiesen, Hütungen und Holzpflanzungen kein Schade dadurch geschehe.
§. 242. Sind dazu nicht gewisse bestimmte Reviere
ausgesetzt: so muß der Berechtigte sich zuvor bey dem Verpflichteten melden,
und die Anweisung eines schicklichen Orts abwarten.
§. 243. Wer das Recht hat, auf fremdem Grunde und Boden
Gebäude, Bäume, und Holzungen zu haben, der kann darüber gleich einem
Eigenthümer, frey verfügen.
§. 244. Das Fundament der Gebäude, so wie die Wurzeln der
Bäume, kann er sich, mit Ausschließung des Grundeigenthümers, vollständig zu
Nutze machen.
§. 245. Auch ist er berechtigt, die abgebrannten,
verfallenen, oder sonst ruinirten Gebäude wieder aufzubauen; an die Stelle der
ausgegangnen Bäume neue zu pflanzen; und den Wald forstmäßig zu nutzen, und zu
verbessern.
§. 246. Uebrigens aber muß der Berechtigte auf die
Oberfläche des Bodens sich einschränken; und kann weder den bisherigen Raum
erweitern, noch die Hauptbestimmung desselben ohne die Einwilligung des
Grundeigenthümers verändern.
§. 247. Von dem Rechte, den Zehenten fremder Erzeugnisse zu
fordern, wird bey Gelegenheit der geistlichen Zehenten gehandelt. (Th. II. Tit.
XI. Abschn. XI.)
§. 248. Wegen der Jagdtgerechtigkeit auf fremdem Grunde und
Boden, so wie von Koppeljagdten, ist das Nöthige bereits oben verordnet. (Th.
I. Tit. IX. §. 158-169.)
Begriff u. allgemeine Grundsätze.
§. 1. Die Zwangsgerechtigkeit im allgemeinen Sinne ist die
Befugniß, Andere im Gebrauche ihrer Freyheit zu handeln, zum Vortheile des
Berechtigten einzuschränken.
§. 2. Hier aber wird unter Zwangsgerechtigkeit eine Befugniß
verstanden, den ihr unterworfenen Personen die Anschaffung oder Zubereitung
gewisser Bedürfnisse bey jedem Andern, als dem Berechtigten, zu untersagen.
§. 3. Dergleichen Zwangsgerechtigkeit kann sowohl gewissen
physischen oder moralischen Personen zukommen, als mit dem Besitze eines
gewissen Grundstücks verbunden seyn.
§. 4. In so fern diese Befugniß dem Berechtigten gegen alle
Einwohner eines gewissen Bezirks, oder gegen gewisse Classen derselben zusteht,
heißt sie ein Bannrecht.
§. 5. Was von Rechten auf fremdes Eigenthum verordnet ist,
gilt auch in der Regel von dem Rechte zur Einschränkung fremder Handlungen.
(Tit. XIX.)
§. 6. Wie der Besitz solcher Rechte erworben werden könne,
ist gehörigen Orts bestimmt. (Tit. VIL §. 86. 87.)
§. 7. Daraus allein, daß sich jemand, auch seit undenklichen
Zeiten, der Freyheit, welche Personen seines Standes zukommt, nicht bedient
hat, kann deren Verlust nicht gefolgert werden.
§. 8. Wenn jemand eine Befugniß, die ihm ausschließungsweise
zukommt, einem Andern auszuüben gestattet: so folgt daraus noch nicht, daß er
sich der Mitausübung dieser Befugniß begeben, noch auch, daß er dem Begünstigten
das damit verbundene Zwangsrecht gegen Andere übertragen habe.
§. 9. Hat jedoch der Begünstigte die Ausübung einer solchen
Befugniß durch einen lästigen Vertrag erworben: so gilt die Vermuthung, daß der
Concedent sich, zwar nicht der eignen Mitausübung, wohl aber des Rechts, einem
Dritten eben dergleichen Concession zu ertheilen, begeben habe.
§. 10. Hat jemand die Nutzung der Sache, auf welcher eine
Zwangsgerechtigkeit haftet, einem Andern ohne Vorbehalt eingeräumt: so muß er
sich, so lange diese Nutzung dauert, aller Mitausübung des Rechts, durch sich
selbst, und durch Andere, enthalten.
§. 11. Daraus, daß der Staat, zur Unterstützung einer
gewissen Handlung oder Fabrike, die Einführung fremder Waaren verboten hat,
folgt noch nicht ein Recht für den Begünstigten, andre Landeseinwohner von
gleichen Handels- oder Fabriken-Unternehmungen auszuschließen.
§. 12. Bey Banngerechtigkeiten, welche dem Berechtigten auf
einen gewissen Distrikt vom Staate verliehen sind, gilt die Vermuthung, daß sie
dem Berechtigten gegen alle Einwohner des Distrikts, ohne Unterschied des
Standes, oder der Gerichtsbarkeit, welcher sie unterworfen sind, zukomme.
§. 13. Ausnahmen in Ansehung gewisser Stände oder Classen
von Einwohnern, bestimmen die Provinzialgesetze.
§. 14. Die Zwangsgerechtigkeit an sich, enthält noch nicht
die Befugniß, den ihr unterworfenen Einwohnern die eigne Zubereitung ihrer
Bedürfnisse zu untersagen.
§. 15. Kann der Zwangsberechtigte den Bedürfnissen des
Verpflichteten keine Gnüge leisten: so muß er sich gefallen lassen, daß
letzterer sich seine Nothdurft auf andere Weise verschaffe.
§. 16. Doch muß der Verpflichtete, ehe er sich dieser
Befugniß bedient, dem Berechtigten die Nothwendigkeit seines Bedürfnisses
gehörig anzeigen.
§. 17. Wenn der Berechtigte seine Befugniß zur Bedrückung
des Verpflichteten mißbraucht: so kann er derselben, nach vorhergegangner
Warnung, durch Urtel und Recht verlustig erklärt werden.
§. 18. Haben mehrere an, dem gemißbrauchten Rechte Antheil:
so trifft diese Strafe nur denjenigen, welcher sich des Mißbrauchs schuldig
gemacht hat.
§. 19. Haben die mehrern Mitberechtigten die
Zwangsgerechtigkeit gemeinschaftlich ausgeübt: so muß der Mißbraucher sich der
Mitausübung für die Zukunft enthalten.
§. 20. Hatten sie sich aber in die Ausübung des Rechts
getheilt: so werden diejenigen verpflichteten Personen, welche zum Antheile des
Mißbrauchers bisher gehörten, von der Zwangsgerechtigkeit frey.
§. 21. Haftete die Zwangsgerechtigkeit auf einem
Grundstücke, welches nicht zum freyen Eigenthume des Mißbrauchers gehörte: so
ruht die Ausübung der Zwangsgerechtigkeit nur so lange, als das Besitzrecht des
Mißbrauchers dauert.
§. 22. Auch Zwangs- und Banngerechtigkeiten können mittelst
der Verjährung durch Nichtgebrauch erlöschen. (Tit. VII. §. 128. Tit. IX. §.
543. 544. 578.)
I. Von dem Mühlenzwange.
§. 23. Wie die Mühlengerechtigkeit erworben werde, ist
gehörigen Orts bestimmt. (Th. II. Tit. XV. Abschn. V.)
§. 24. Aus dem Rechte, eine Mühle zu haben, folgt noch nicht
die Befugniß, Andre zu zwingen, daß sie sich derselben bedienen müssen.
§. 25. Doch ist in der Regel jede Dorfgemeine sich zu der
Mühle desselben Dorfs zu halten schuldig.
§. 26. Sind bey einem Dorfe mehrere Mühlen vorhanden: so
haben die Einwohner desselben die Wahl, zu welcher derselben sie sich halten
wollen.
§. 27. Doch müssen sie, wenn nur eine davon der
Gutsherrschaft gehört, in der Regel dieser vor den übrigen den Vorzug geben.
§. 28. Wenn mehrere Dörfer unter einer Gutsherrschaft
stehen, und diese mehrere Mühlen habe, so sind die Einwohner eines jeden Dorfs
an ihre Dorfsmühle nicht gebunden, sondern können auch einer andern Mühle
derselben Gutsherrsehaft sich bedienen.
§. 29. Dagegen kann eine Gutsherrschaft, welche mehrere
Mühlen hat, der Ordnung wegen eine Eintheilung machen, zu welcher derselben,
ein jeder Wirth im Dorfe sich halten solle.
§. 30. Alle diese Vorschriften (§. 26-29.) finden jedoch nur
in so fern statt, als einem oder dem andern Mühlenbesitzer nicht eine wirkliche
Zwangsgerechtigkeit beygelegt ist.
§. 31. In so fern nach allgemeinen oder Provinzialgesetzen
auch Eximirte dem eigentlichen Mühlenzwange unterworfen sind, in so fern müssen
diejenigen, die in einem Dorfe leben, sich auch den vorbesohriebenen
Gutsherrschaftlichen Rechten unterwerfen.
Befugniß und Obliegenheiten des Inhabers einer Zwangsmühle.
§. 32. Der Inhaber einer Zwangsmühle ist befugt, das
Getreyde von seinen Zwangsmahlgästen durch sein Gespann abholen zu lassen, und
wieder zurück zu liefern, ohne daß die Obrigkeit oder andre Müller des Orts ihn
daran hindern dürfen.
§. 33. Er ist aber dazu nur in so fern schuldig, als er
diese Verbindlichkeit ausdrücklich übernommen hat; oder ihm in dem Anschlage
seiner Erbpachtmühle die Kosten zur Unterhaltung des Gespanns in Abzug gebracht
sind.
§. 34. Der Inhaber einer Zwangsmühle ist schuldig, die
Zwangspflichtigen gehörig zu fördern.
§. 35. Die Mahlgäste müssen nach der Ordnung, wie sie sich
melden, jedoch die Zwangspflichtigen, und unter diesen die Bäcker zuerst, vor
den bloß freywilligen Mahlgästen, abgefertigt werden.
§. 36. Länger als Drey Tage ist ein Zwangspflichtiger auf
die Abfertigung zu warten nicht schuldig.
Fälle, wenn Zwangsmahlgaste zum Ausmahlen berechtigt sind.
§. 37. Kann der Müller die Mahlpflichtigen binnen dieser
Zeit nicht abfertigen: so muß er ihnen eine schriftliche Erlaubniß, anderwärts
zu mahlen, ertheilen.
§. 38. Ohne dergleichen Erlaubnißschein darf kein Müller
fremde zwangspfiichtige Mahlgäste annehmen.
§. 39. Verweigert der Müller den Erlaubnisschein, so sind
die Dorfgerichte des Orts schuldig, dem Mahlgast ein Attest, daß er die
vorgeschriebene Zeit hindurch auf seine Förderung vergeblich gewartet habe, auf
Kosten des Müllers auszustellen.
§. 40. Können die Mahlpflichtigen, wegen Krieges-, Räuber-,
Wasser- oder andrer Gefahr, das Getreyde nicht sicher zur Zwangsmühle bringen:
so sind sie, auch ohne Erlaubnißschein, anderwärts zu mahlen berechtigt.
Rechtliche Folgen des untüchtigen Mahlens.
§. 41. Wegen untüchtigen Mahlens muß der Mühlenberechtigte
verhältnißmäßig bestraft, oder nach bewandten Umständen seines Zwangsrechts, in
der §. 17-21. näher bestimmten Art, verlustig erklärt werden.
§. 42. Ist die Strafe in besondern Mühlenordnungen nicht
näher bestimmt: so ist dieselbe das erstenmal auf den einfachen; das zweyte auf
den doppelten; und das drittemal auf den vierfachen Betrag des verursachten
Schadens festzusetzen; im fernern Wiederholungsfalle aber auf den Verlust des
Rechts zu bestimmen.
§. 43. Ist der Müller, welcher sich solchergestalt den
Verlust seines Rechts zugezogen hat, ein Erbpacht- oder Erbzins-Besitzer: so
ist der Erbzinsherr oder Erbverpächter befugt, ihn zum Verkaufe der Mühle oder
der Erbpacht-Gerechtigkeit, allenfalls durch gerichtliche Subhastation,
anzuhalten.
§. 44. Ist er nur Zeitpächter: so hat der Verpächter das
Recht, ihn der Pacht noch vor Ablauf der contraktmäßigen Zeit zu entsetzen.
§. 45. Was vorstehend vom untüchtigen Mahlen verordnet ist,
findet auch statt, wenn der Müller die Mahlpflichtigen betrügt, oder auf
gesetzwidrige Art belästigt.
§. 46. Insonderheit auch alsdann, wenn er sich einer
Uebertretung der von der Landes-Polizeybehörde vorgeschriebenen Sätze und Taxen
schuldig macht.
Strafe der Mahlgäste, welche unbefugter Weise ausmahlen.
§. 47. Der Mahlpflichtige, welcher unbefugter Weise
ausmahlt, muß dem Berechtigten den dadurch entzogenen Lohn, es sey an Gelde
oder Getreyde, ersetzen.
§. 48. Außerdem verfällt er in eine verhältnißmäßige
Geldstrafe, deren nähere Bestimmung den Provinzialgesetzen und Mühlenordnungen
vorbehalten bleibt.
§. 49. Wo diese nichts vorschreiben, da muß die Strafe auf
den Betrag desjenigen, was nach §. 47. dem Berechtigten zu ersetzen ist,
bestimmt werden.
§. 50. Auch der Müller, welcher unbefugter Weise fremde
Zwangspflichtige Mahlgäste annimmt, hat eine nach gleichen Grundsätzen zu
bestimmende Strafe verwirkt.
§. 51. Der Mühlenberechtigte, welcher sein Zwangsrecht einem
Andern abgetreten, oder zum völligen Gebrauche überlassen hat, ist selbst
innerhalb des Mühlenbezirks für mahlpflichtig zu achten.
§. 52. Das Mühlenzwangsrecht kann auf eine andere Mühle
weder für beständig, noch auf eine Zeitlang übertragen werden, sobald daraus
den Mahlpflichtigen irgend eine mehrere Belästigung erwachsen würde.
II. Brau- u. Schenkgerechtigkeit, Ausschank und Krugverlag.
§. 53. Die Braugerechtigkeit ist die Befugniß, Bier zum
Verkaufe zu verfertigen.
§. 54. Die Schenkgerechtigkeit begreift das Recht, Getränke
sowohl in Fässern, als in kleineren Quantitäten zu verkaufen, unter sich.
§. 55. Der Ausschank oder die Krugnahrung enthält nur die
Befugniß, Getränke in Gläsern, Flaschen, oder andern kleinem Quantitäten zu
verkaufen.
§. 56. Der Krugverlag besteht in der Befugniß, eine gewisse
Schenkstätte mit dem daselbst auszuschenkenden Getränke zu versorgen.
§. 57. Weder die Brau- noch Schenkgerechtigkeit begreifen an
sich ein Zwangsrecht unter sich.
§. 58. Dagegen enthält der Krugverlag die Befugniß, dem
Inhaber der Schenkstätte zu untersagen, daß er das auszuschenkende Getränke
nirgend anders hernehmen dürfe.
§. 59. Wem in einem gewissen Bezirke die Braugerechtigkeit
ausschenkend zukommt, der ist nicht nur alles Brauen innerhalb dieses Bezirks,
sondern auch das Einbringen des außerhalb dieses Bezirks gebraueten Bieres, zu
untersagen berechtigt.
§. 60. Ausländische Biere, deren Einbringung überhaupt der
Staat nicht verboten hat, können auch im Braubezirke, jedoch bloß zur eignen
Comsumtion des Einbringers, eingeführt werden.
Von der Kesselbrauerey und dem Haustrunke.
§. 61. Daß die Einwohner eines dem Zwangs-Braurechte
unterworfenen Bezirks zum Haustrunke oder zur Kesselbrauerey berechtigt sind,
wird in der Regel nicht vermuthet.
§. 62. Wo die Kesselbrauerey statt findet, da enthält sie
nur die Befugniß, sich das benöthigte Getränke selbst zu verfertigen.
§. 63. Ob unter dem Rechte des Haustrunks die Befugniß, sich
sein Getränke auch auf andre selbst beliebige Art anzuschaffen, begriffen sey,
wird in den Provinzialgesetzen bestimmt.
§. 64. Eben daselbst wird festgesetzt: welchen in einem
Braubezirke sich befindenden Einwohnern die Kesselbrauerey, oder das Recht des
Haustrunks zukomme; auch in welcher Art, und zu welchen Zeiten diese Befugnisse
ausgeübt werden können.
Verhältnisse obiger Gerechtigkeiten, in so fern sie
Zwangsrechte sind.
§. 65. Die jemanden auch ausschließend zukommende
Braugerechtigkeit begreift die Befugniß, der Anlegung neuer Schenkstätte in dem
Bezirke, und der Verlegung alter zu widersprechen, noch nicht unter sich.
§. 66. Wer aber eine ausschließende Schenkgerechtigkeit hat,
der kann nicht nur der Anlegung neuer Schenkstätte in seinem Bezirke, sondern
auch der Verlegung alter, welche zwar außerhalb des Bezirks liegen, aber zu
seinem offenbaren Schaden an einem andern Orte in- oder außerhalb des Bezirks
errichtet werden sollen, widersprechen.
§. 67. Ein gleiches Recht des Widerspruchs kommt, wo mehrere
Mitberechtigte in einem Bezirke zur Ausübung der ausschließenden
Schenkgerechtigkeit angesetzt sind, jedem derselben gegen die von einem seiner
Mitberechtigten vorzunehmende Verlegung seiner Schenkstätte zu.
§. 68. Wer die auf seine eigne Consumtion nicht
eingeschränkte Braugerechtigkeit hat, dem kommt in der Regel auch das Recht zu,
sein Bier zu verschenken und faßweise zu verkaufen.
§. 69. Dagegen folgt aus dem Schenkrechte noch keine
Braugerechtigkeit.
§. 70. Wenn in einem Bezirke dem Einen die Brau- und dem
Andern die Schenkgerechtigkeit ausschließungsweise zukommt: so ist ersterer
auch in seinem Brauhause zu schenken nicht befugt.
§. 71. Daraus, daß der Brau- oder Schenkberechtigte einem
Andern den Ausschank verliehen hat, folgt noch nicht, daß er sich der
Mitausübung desselben begeben habe.
§. 72. Hat aber der zum Ausschanke Berechtigte sein Recht
durch einen lästigen Vertrag erworben: so ist im zweifelhaften Falle
anzunehmen, daß der Verleihende dieses Recht auch Andern mitzutheilen nicht
befugt sey.
§. 73. Aus der Braugerechtigkeit folgt in der Regel die
Befugniß, ein eignes Brau-, Malz- und Darrhaus zu haben.
§. 74. Ist aber an einem Orte ein gemeinschaftliches
Brauhaus vorhanden, so gilt die Vermuthung, daß alle Brauberechtigten daselbst
sich dessen zu bedienen verbunden sind.
§. 75. Wer das ausschließende Recht hat, einen gewissen
Bezirk mit Getränke zu verlegen, muß dafür sorgen, daß selbiges in gehöriger
Güte und Menge bequem zu haben sey.
§. 76. Handelt er dieser seiner Schuldigkeit nicht gemäß: so
muß er dazu durch, den Umständen angemessene, Polizeystrafen angehalten werden.
§. 77. Auch muß, sobald der Brauberechtigte schlechtes und
untaugliches Bier verfertigt, den Zwangsverpflichteten von den Gerichten des
Orts, nach erfolgter Prüfung der Angabe, die Erlaubniß, sich ihr Getränke
anderwärts her anzuschaffen, unweigerlich ertheilt werden.
§. 78. Diese Erlaubniß dauert so lange, bis der Berechtigte
nachgewiesen hat, daß er nunmehr wiederum taugliches Getränke verfertige.
§. 79. Wenn derjenige, der durch das Verfertigen schlechten
Getränks zu einer solchen gerichtlichen Verfügung mehr als einmal Anlaß gegeben
hat, die Braugerechtigkeit in Erbzins, Erb- oder Zeitpacht besitzt: so finden
die Vorschriften §. 43. 44. Anwendung.
§. 80. Kein Brau- oder Schenkberechtigter ist befugt, sein
Getränke in einem fremden Bezirke, welcher dem ausschließenden Rechte eines
Dritten unterworfen ist, verfahren, oder herumtragen zu lassen.
§. 81. Thut er dieses: so verfällt er in die durch Landes-
Polizey- und Accisegesetze bestimmten Strafen.
§. 82. Wo es an einer nähern Bestimmung ermangelt, ist die
Strafe auf die Confiscation des Getränkes, oder dessen Werths, festzusetzen.
§. 83. Dagegen kann dem Brau- oder Schenkberechtigten nicht
gewehrt werden, auch fremden Zwangspflichtigen, außerhalb ihres Bezirks, in
seiner eignen Schenkstätte, Getränke, so sie daselbst verzehren wollen,
abzulassen.
§. 84. Wissentlich aber darf er dergleichen fremden
Zwangspflichtigen, Getränke zum Einbringen in ihren Bannbezirk, nicht
verabfolgen.
§. 85. Hat er es gethan: so hat er die nach §. 81. 82. zu
bestimmenden Strafen verwirkt.
§. 86. Wo städtische Braugerechtigkeiten auf gewissen
Grundstücken haften, da können selbige ohne diese Grundstücke nicht veräußert
werden.
§. 87. Doch kann der Berechtigte die Ausübung seines Rechts,
von einer Zeit, oder von einem Falle zum andern, einem Dritten übertragen.
§. 88. Wer bloß zum Ausschanke berechtigt ist, hat deswegen
noch nicht die Befugniß, das Getränke Faßweise zu verkaufen.
§. 89. Die Schenkgerechtigkeit gegen die Person des
Verpflichteten kann nur innerhalb des angewiesenen Bezirks ausgeübt werden.
III. Von der Branntweinbrennerey-Gerechtigkeit.
§. 90. Was von der Braugerechtigkeit, und den übrigen sich
darauf beziehenden Rechten verordnet ist, gilt auch von der Befugniß,
Branntwein zu brennen.
§. 91. Die Branntweinbrennerey-Gerechtigkeit, auch wenn sie
jemanden ausschließend zukommt, begreift kein ausschließendes Recht zur
Verfertigung künstlicher abgezogner Wasser, oder andrer geistigen Getränke
unter sich.
§. 92. Wer jedoch der Zwangsgerechtigkeit unterworfen ist,
darf dergleichen Getränke nur zu seinem eignen Gebrauche verfertigen; und muß
den dazu erforderlichen Branntwein von dem Berechtigten nehmen.
Befugnisse des zur Kesselbrauerey oder zum Haustrunke
Berechtigten.
§. 93. Wer zur Kesselbrauerey oder zum Haustrunke berechtigt
ist, kann sich dieser Befugniß, in so fern ihm keine besondre Einschränkungen
in Ansehung der Zeit, der Art, oder der Quantität gemacht sind, für sich, und
die in seinem Hause lebenden Kinder, auch bey Hochzeiten, Kindtaufen, und
Begräbnissen bedienen.
§. 94. Weder der zur Kesselbrauerey, noch der zum Haustrunke
Berechtigte, darf das von ihm verfertigte Getränke seinen Arbeitern an
Zahlungsstatt geben.
§. 95. Seinem Gesinde und Lohnarbeitern dergleichen
Getränke, neben dem Lohne, unentgeltlich zu reichen, steht einem jeden frey.