(I) Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten.
Zweiter Theil.
Verfahren in nicht streitigen Angelegenheiten.
Dritter Theil
Pflichten der Justizbedienten.
Neue Ausgabe
Berlin
Bei G. Reimer.
1822.
(II) (leer)
(III) Inhaltsverzeichniß von dem Zweiten und Dritten Theile der Allgemeinen Gerichtsordnung.
Zweiter Theil.
Von den gerichtlichen Verfahren in nicht streitigen Angelegenheiten.
Erster Titel. Von Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt, und was dazu gehöre.
Seite 4-12.
Zweiter Titel. Von den Verfahren bei den Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt.
S. 12-38.
Dritter Titel. Von dem Verfahren bei Aufnehmung und Bestätigung der Verträge und anderer Verhandlungen unter Lebendigen.
S. 38-64.
Vierter Titel. Von dem Verfahren bei Aufnehmung der Testamente und anderer letztwilliger Verordnungen.
S. 64-73.
Fünfter Titel. Von dem Verfahren bei Siegelungen und Inventuren in Sterbefällen.
S. 73-105.
Sechster Titel. Von dem Verfahren bei Aufnehmung gerichtlicher Taxen.
S. 105-121.
(IV) Inhaltsverzeichniß.
Dritter Theil.
Von den Pflichten der bei der Justiz angesetzten Personen.
Erster Titel. Von den Landesjustizkollegien überhaupt, deren Verrichtungen und Pflichten.
Seite 121-141.
Zweiter Titel. Von dem Amte der Präsidenten und Direktoren.
S. 141-156.
Dritter Titel. Von dem Amte der Räthe bei den Justizkollegien.
S. 156-182.
Vierter Titel. Von dem Amte der Referendarien und Auskultatoren.
S. 182-197
Fünfter Titel. Von den Subalternen bei den Justizkollegien.
S. 197- 228.
Sechster Titel. Von dem Amte der fiskalisch Bedienten.
S. 228-234.
Siebenter Titel. Von dem Amte der Justizkommissarien und Notarien.
S. 234-293.
Achter Titel. Von den Justizbedienten, und Kanzelleireglement.
S. 293-364.
(1) Allgemeine Gerichtsordnung
für die Preußischen Staaten.
Zweiter Theil.
Von dem gerichtlichen Verfahren in nicht streitigen Angelegenheiten.
(2) (leer)
(3) Außer der Instruktion und Entscheidung der eigentlichen Prozesse, ist den Gerichten auch die Besorgung anderer rechtlicher Angelegenheiten der Einwohner des Staats aufgetragen. Dahin gehört besonders
I. die Sorge für diejenigen Personen, welche nach den Gesetzen unter Vormundschaft genommen werden müssen;
II. die Direktion des Hypothekenwesens, und Führung der Hypothekenbücher in denjenigen Provinzen, wo dieses Geschäft nicht etwa, vermöge besonderer Landesverfassungen, Ständischen Kollegien anvertraut ist;
III. die Verwaltung des gerichtlichen und vormundschaftlichen Depositorii;
IV. Die Besorgung der sogenannten Actuum voluntariae jurisdictionis.
Ueber die Angelegenheiten der drei ersten Klassen sind die Gerichte in den ergangenen Vormundschafts-, Hypotheken- und Deposital-Ordnungen mit der nöthigen Anweisung versehen. Ueber das Verfahren aber bei den Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit sollen gegenwärtig nähere Vorschriften ertheilt werden.
(4) Gerichtsordn. II Theil. Erster Titel.
Erster Titel.
Von Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt und was dazu gehöre.
Was Handlungen der
freiwilligen Gerichtsbarkeit sind.
§. 1.
Zu den Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden hier sowohl diejenigen gerechnet, welche, ob sie gleich keine Prozesse sind, dennoch nach vorhandenen gesetzlichen Vorschriften vor Gerichten vollzogen werden müssen; als diejenigen, zu deren gerichtlicher Vollziehung die Partheien sich, mehrerer Gewißheit und Beglaubigung wegen, aus freiem Willen entschließen.
§. 2.
Einige derjenigen Handlungen, deren gerichtliche Vollziehung die Gesetze verordnen, müssen nothwendig bei dem gehörigen Richter vorgenommen werden; bei anderen steht es den Partheien frei, dieselben bei einem jeden gehörig besetzten Gerichte vorzunehmen. Endlich giebt es auch einige solche Handlungen, bei welchen die Gesetze den Partheien die Wahl lassen: ob sie dieselben gerichtlich, oder vor einem Justizkommissario und Notario vollziehen wollen.
Welche Handlungen
A. nothwendig gerichtlich,
und zwar 1. vor dem Richter der Sache,
§. 3.
Zu den Handlungen, welche nothwendig vor dem gehörigen Gerichte vollzogen werden müssen, gehören:
I . Diejenigen, welche die Veräußerung, Verpfändung oder Belastung eines Grundstücks, oder einer andern zur Eintragung in das Hypothekenbuch qualificirten unbeweglichen Sache betreffen,.
In so fern
l) durch Verträge oder andere dergleichen Verhandlungen über das Eigenthum eines solchen
(5) Handlungen d. freiw. Gerichtsbarkeit.
unbeweglichen Guts verfügt werden soll, muß der Vertrag selbst, nach der Wahl der Partheien, entweder vor irgend einem besetzten Gerichte (wenn es auch nicht das ordentliche Gericht der Sache wäre), oder vor einem Justizkommissario und Notario aufgenommen und vollzogen werden. In allen Fällen aber müssen die Partheien dergleichen Verträge und Verhandlungen demjenigen Richter, unter dessen Jurisdiktion die Sache liegt, vorzeigen, und sich dazu nochmals bekennen, auch in Provinzen, wo es hergebracht ist, die förmliche Bestätigung darüber nachsuchen (A. L. R. Th. I. Tit. X. §. 6-17.). Wo über gewisse Güter und Grundstücke das Hypothekenbuch nicht von demjenigen Gerichte, unter dessen Real-Jurisdiktion sie stehen, sondern von einer andern Behörde geführt wird, geschieht die Vorlegung solcher Kontrakte oder sonstiger Verhandlungen bei dieser letztgedachten Behörde, welche dabei alles das, was in der Folge dem Richter in Ansehung solcher Geschäfte wird vorgeschrieben werden, ebenfalls beobachten muß. Diese Behörde muß dem eigentlichen Richter der Sache von der vorgefallenen Besitzveränderung, sobald dieselbe im Hypothekenbuche wirklich eingetragen ist, von Amts wegen Nachricht geben; und versteht es sich übrigens von selbst, daß auch solche Hypothekenbuchführende Kollegien, wenn sie auch keine eigentliche Gerichte sind, dennoch mit Subjekten, welche die erforderlichen Rechtskenntnisse besitzen, und zur Justiz gehörig verpflichtet worden, besetzt seyn müssen.
Anh. §. 412. Kontrakte über
Domainenpertinenzen, welche von den Finanzbehörden aufgenommen und bestätigt
sind, bedürfen der gerichtlichen Verlautbarung nur in so fern, als der Richter
gegründete Veranlassung findet, von Amts wegen dagegen Erinnerungen zu machen,
und die Kontrahenten deshalb näher zu vernehmen, um künftigen Streitigkeiten
und anderen nachtheiligen Folgen pflichtmäßig vorzubeugen.
(6) Gerichtsordn. II. Theil. Erster Titel.
Anh. §. 413. Wenn Verträge
wegen Veräußerung, Verpfändung, oder Belastung liegender Gründe, bei dem
Gericht aufgenommen worden, in dessen Gerichtsbezirke solche belegen sind, und
Alles enthalten, was bei der nach den Provinzialgesetzen zum völligen Abschluß
nothwendigen Verlautbarung erfordert wird; so ist eine nochmalige gerichtliche
Anerkennung und Verlautbarung des Vertrages nicht erforderlich, vielmehr genügt
es, wenn am Schlusse des Protokolls bei dem Vermerk der erfolgten Vorlesung und
Genehmigung desselben hinzugefügt wird, daß dadurch zugleich die Verlautbarung
bewirkt werde.
Anh. §. 414. Auch die von
Kommissarien des Realrichters mit der obigen Maaßgabe aufgenommenen Kontrakte
sind für verlautbart zu achten.
2) Von anderen Verträgen über Immobilien bedürfen nothwendig einer Vollziehung und Verlautbarung vor dem Richter der Sache:
a. Verträge über Verjährung (A. L. R. Th. I. Tit. IX. §. 566.);
b. die Austhuung eines Grundstücks in Erbzins oder Erbpacht (Th. I. Tit. XVIII. §. 691.u.f.);
c. die Bestellung eines nutzbaren Pfandrechts auf ein Grundstück (Th. I. Tit. XX. §. 227. u. f.).
Was hingegen
3) alle anderen Verträge und Verhandlungen über Immobilien betrifft, wodurch eine unbewegliche Sache mit einer Hypothek, einer Dienstbarkeit oder einer andern bleibenden Reallast belegt werden soll; so können dieselben zwar auch außergerichtlich vorgenommen, sie müssen aber, wenn sie die Eigenschaft eines dinglichen Rechts wirklich begründen sollen, der das Hypothekenbuch führenden Behörde angezeigt und in das Hypothekenbuch wirklich eingetragen werben. (A. L. R. Th. I. Tit. XX. §. 8-10. §. 411. u. f. Tit. XXI. F. 1824. Allgemeine Hypothekenordnung.)
Uebrigens versteht es sich von selbst, daß, wenn dergleichen eine unbewegliche Sache betreffende
(7) Handlungen d. freiw. Gerichtsbarkeit.
Handlungen, bei Gelegenheit eines anderen Hauptgeschäfts, und als ein Theil desselben vorkommen, z. B. wenn bei Gelegenheit einer Erbsonderung über die zum Nachlasse gehörigen Grundstücke und deren Vertheilung unter die Erben, Verfügungen getroffen werden, die Natur und Eigenschaft des Hauptnegotii zwar darüber entscheide: ob dasselbe nothwendig bei dem Richter der Sache vorgenommen werden müsse.
Wenn aber auch dieses nicht wäre, so muß dennoch derjenige Theil des Geschäfts, welcher das Grundstück betrifft, bei dem Richter der Sache zur Bestätigung verlautbart oder resp. zur Eintragung in das Hypothekenbuch angezeigt werden.
Anh. §. 415. Sind Urkunden
von Behörden, deren Beamten zwar keine gerichtliche, aber doch öffentliche
Glaubwürdigkeit gebührt, ausgestellt und besiegelt worden; so bedarf es der
gerichtlichen Beglaubigung der Unterschrift einer solchen öffentlichen Behörde
zum Behuf der Eintragung ihrer Erklärungen in das Hypothekenbuch nicht.
§. 4.
Wenn zwischen Gutsherrschaften und Unterthanen neue Dienstregister und Urbarien errichtet worden sind, so müssen dieselben demjenigen Gerichte, unter dessen Jurisdiktion das adliche Gut gehört, zur Prüfung und Bestätigung eingereicht werden (A. L. R. Th. II. Tit. VII. §. 141. u. f.).
II. vor Seegerichten,
§. 5.
II. Handlungen, wodurch über das Eigenthum eines Seeschiffes verfügt oder dasselbe verpfändet werden soll, gehören, wenn sie an Orten vorkommen, wo Seegerichte sind, vor diese; an anderen Orten aber können sie vor einem jeden Gerichte oder auch vor einem Justizkommissario und Notario vollzogen werden. Vor die Seegerichte gehört auch die Ausfertigung der Beylbriefe, der Certificate,
(8) Gerichtsordn. II. Theil. Erster Titel.
Seeproteste und anderer Schiffsurkunden (A. L. R. Th. I. Tit. XX. §. 300. n. f. Th. II. Tit. VIII. §. 1392. u. f. §. 2408.).
III vor dem ordentlichen
persönlichen Richter,
§. 6.
III. Vor dem ordentlichen persönlichen Richter müssen vollzogen werden
1) die Verträge, wodurch die Gütergemeinschaft unter Eheleuten an Orten, wo sie nach den Gesetzen nicht Statt findet, eingeführt, oder da, wo sie Statt findet, ausgeschlossen werde soll (A. L. R. Th. II. Tit. I. §. 356-359. §. 422-426.).
Anh. §. 416. Die Bestätigung
der Verträge, wodurch die Gütergemeinschaft unter Eheleuten eingeführt oder
ausgeschlossen werden soll, gehört vor den Richter des Orts, wo die Verlobten
nach geschlossener Ehe ihren Wohnsitz nehmen, und im Zweifel vor den
persönlichen Richter des Bräutigams.
2) Die Errichtung von Familienstiftnngen und beständigen Fideikommissen; jedoch mit Vorbehalt der Verlautbarung dieser letzteren, in so fern sie Grundstücke betreffen, vor dem Richter der Sache, in so fern derselbe von dem persönlichen Richter verschieden ist. Liegen die zum Fideikommisse gewidmeten Sachen unter verschiedenen Gerichtsbarkeiten, so muß die Verlautbarung bei einer jeden derselben erfolgen (Ebend. Tit. IV. §. 29-33. §. 62-71.).
3) Die Aussetzung eines Altentheils oder Auszugs (Th. I. Tit. IX. §. 602-605.).
4) Die Erklärung eines Vaters, wodurch sein noch minderjähriger Sohn der väterlichen Gewalt entlassen werden soll (Th. II. Tit. II. §. 216-217.).
5) Die Ertheilung der Certificate über die Wechselfähigkeit eines Menschen, der sonst nach seinem Stande und Gewerbe keine gültige Wechselverpflichtung übernehmen kann (Th. II. Tit. VIII. §. 731-747.).
(9) Handlungen d. freiw. Gerichtsbarkeit.
6) Die Vergleiche über künftige Verpflegungsgelder (Th. I. Tit. XVI. §. 413.).
IV. vor dem Obergerichte der
Provinz vollzogen werden müssen.
§. 7.
IV. Es giebt ferner einige Handlungen, welche nur von dem Obergerichte der Provinz gültig vollzogen werden können. Dahin gehört
1) die Bestätigung des Ehekontraktes bei einer unter landesherrlicher Erlaubniß zu schließenden Ehe zur linken Hand (Th. II. Tit. I. §. 838.);
2) die Bestätigung einer Annahme an Kindesstatt (Th. II. Th. II. §. 667.).
§. 8.
Die Legitimationen unehelicher Kinder, und die Majorennitätserklärungen noch nicht volljähriger Pflegebefohlenen, müssen zwar, der Regel nach, und wenn nicht durch besondere Provinzialverfassungen dergleichen Aktus einer andern Behörde ausdrücklich übertragen sind, bei Hofe ausgefertigt werden. Die Untersuchungen aber, welche zur nähern Prüfung eines solchen Gesuchs erforderlich sind, gehören vor den ordentlichen persönlichen Richter, welcher dieselben, wenn es einen Pflegebefohlenen betrifft, dem Obervormundschaftlichen Gerichte überlassen muß (A. L. R. Th. II. Tit. II. §. 601-611. Tit. XVIII. §. 713-727.). Wegen der bloßen Legitimationen, zum Behufe des bessern Fortkommens, hat es bei der gesetzlichen Vorschrift Th. II. Tit. II. §. 664. sein Bewenden.
B. Handlungen, die überhaupt
nur eine gerichtliche Vollziehung erfordern.
§. 9.
Eine zweite Klasse von Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit machen diejenigen aus, wo die Gesetze zwar die Vollziehung vor Gericht erfordern, den Partheien aber die Wahl lassen, an welches gehörig besetzte Gericht sie sich deshalb wenden wollen. Dahin gehören besonders
(10) Gerichtsordn. II. Theil. Erster Titel.
1) die Verträge der Blinden und Taubstummen (Th. I. Tit. V. §. 171.).
2) Erbschaftskäufe (Ebend. Tit. XI. §. 473.).
3) Verkäufe künftiger Sachen, sobald der Kaufpreis die Summe von 100 Thaler übersteigt, und nicht beide Kontrahenten Kauf- und Handelsleute sind (Ebend. §. 582. 583.).
4) Schenkungen, wenn sie die Kraft und Wirksamkeit der gerichtlichen haben sollen (Ebend. §. 1063-1069. §. 1094-1096.).
5) Testamente (Ebend. Tit. XII. §. 66-207.).
6) Erbverträge (Ebend. §. 621-623.).
7) Bürgschaften der Frauenspersonen (Ebend. Tit. XIV. §. 221-244.).
8) Verträge zwischen Eheleuten in stehender Ehe, wodurch die Frau zu etwas, wozu sie nach den Gesetzen nicht verpflichtet ist, dem Manne, oder, zu dessen Vortheile, einem Dritten verbindlich gemacht werden soll; z. B. Bürgschaften, Expromissionen, Abtretung der Vorrechte des Eingebrachten (Th. II. Tit. I. §. 198-201. §. 272. 273.).
9) Die Bestellung eines Erbschatzes in Grundstücken oder Kapitalien (Ebend. §. 282.).
10) Die Errichtung einer Einkindschaft (Th. II. Tit. II. §. 721.).
C. Handlungen die entweder
gerichtlich oder vor einem Justizkommissario vollzogen werden müssen.
§. 10.
Endlich giebt es Handlungen, bei welchen die Gesetze zwar eine bloße außergerichtliche Vollziehung nicht für hinreichend achten; wo sie aber dennoch den Partheien die Wahl lassen: ob sie dieselbe gerichtlich oder nur vor einem Justizkommissario und Notario vornehmen wollen. Dahin gehören besonders
1) die Verträge derjenigen, welche des Schreibens unkundig, oder daran verhindert, oder der Sprache, in welcher der Kontrakt abgefaßt
(11) Handlungen d. freiw. Gerichtsbarkeit.
werden soll, nicht mächtig sind (A. L. R.Th. I. Tit. V. §. 172-184.).
2) Die Ausstellung von Schuldinstrumenten, aus welchen der exekutivische Prozeß Statt finden soll (Gerichtsordn. Th. I. Tit. XXVIII. §. 2.).
3) Verpachtung von Landgütern, sobald der jährliche Pachtzins die Summe von 200 Thalern übersteigt (A. L. R. Th. I. Tit. XXI. §. 403. u. f.).
4) Ehegelöbnisse, in so fern das Aufgebot mit beider Theile Bewilligung noch nicht erfolgt ist (Th. II. §. 82-94.).
5) Eheberedungen und Verträge, welche vor vollzogener Ehe über das Vermögen der künftigen Eheleute, insonderheit der Frau, dessen Einbringung, Verwaltung und Nießbrauch geschlossen werden (A. L. R. Th. II. Tit. I. §. 82 u. f. §. 440. 441.). Auch wenn in solchen Verträgen über die künftige Erbfolge unter den Eheleuten etwas verabredet wird, werden sie dennoch, in Rücksicht auf die Form, nicht als Erb-, sondern als Eheverträge beurtheilt.
6) Alle Urkunden, welche, auch ohne vorhergegangene Rekognition, Glaubwürdigkeit und Beweiskraft in Gerichten haben sollen (Gerichtsordn. Th. I. Tit. X. §. 127-130.).
§. 11.
In wie fern in allen diesen Fällen (§. 3-10.) die Unterlassung der gerichtlichen oder von einem Notario beglaubigten Vollziehung die Handlung selbst nichtig und unkräftig mache, oder nur eine Verbindlichkeit der Partheien, das Verabsäumte nachzuholen, entstehe, ist in Ansehung eines jeden Geschäfts in den Gesetzen besonders bestimmt. Im zweifelhaften Falle ist keineswegs die gänzliche und absolute Richtigkeit des Geschäfts, sondern nur eine
(12) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.
Verbindlichkeit der Partheien, das Verabsäumte nachzuholen, sobald diese Nachholung noch Statt finden kann, anzunehmen (A. L. R. Th. I. Tit. III. §. 40. 41.).
D. Handlungen, die aus freiem
Willen der Partheien gerichtlich vollzogen werden.
§. 12.
In Ansehung der übrigen Handlungen, bei welchen weder das allgemeine Landrecht, noch die Provinzialgesetze oder Statuten, eine gerichtliche oder andere öffentliche Vollziehung oder Beglaubigung ausdrücklich erfordern, hängt es bloß von dem Gutfinden der Partheien ab, in wie fern sie dieselben bloß außergerichtlich vornehmen, oder sich dabei, mehrerer Gewißheit und Feierlichkeit halber, des richterlichen oder des Amtes eines Justizkommissarii und Notarii bedienen wollen.
Zweiter Titel.
Von dem Verfahren bei den Handlungen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt.
Actus voluntariae
jurisdictionis müssen
§. 1.
Wenn eine Handlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit vor Gerichten gültig vorgenommen werden soll, so wird dazu erfordert
I. daß die Handlung vor versammeltem Gerichte, oder vor einzelnen, dazu ausdrücklich deputirten Gerichtspersonen vollzogen werde;
II. daß das Gericht zur Vornehmung einer solchen Handlung an sich qualificirt, und daß es gehörig besetzt sey.
1) vor versammeltem Gerichte
oder gehörig bestellten Deputirten vorgenommen werden.
§. 2.
Vermöge des erstern Erfordernisses sind einzelne Gerichtspersonen eigenmächtig, ohne ausdrücklichen Auftrag des Gerichts oder seines Vorgesetzten, eine
(13) Verfahren dabei überhaupt.
solche Handlung vorzunehmen, nicht berechtigt; vielmehr hat ein solcher Aktus gar keine gerichtliche Kraft; und derjenige, welcher durch eigenmächtige Uebernehmung desselben, die Partheien zu dem irrigen Wahne: als ob die Handlung gerichtlich vorgenommen sey, verleitet hat, muß ihnen für den dadurch verursachten Schaden gerecht werden.
§. 3.
Die Deputation einzelner Gerichtspersonen geschieht in der Regel nur für einen gewissen bestimmten Fall. Es können aber auch, besonders an größeren Orten, und bei zahlreicher besetzten Gerichten, zu gewissen Arten von Handlungen beständige Deputationen ein für allemal ernannt werden.
Ausnahmen, wo einzelne
Gerichtspersonen auch ohne Auftrag, solche Handlungen gültig vornehmen können.
§. 4.
Von der Regel, daß einzelne Gerichtspersonen, ohne dergleichen allgemeinen oder besondern Auftrag, keine Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gültig vornehmen können, findet hier nur eine Ausnahme in Ansehung solcher Handlungen Statt, die entweder der bloßen Beglaubigung wegen, aus freiem Willen der Partheien, gerichtlich vollzogen werden sollen (Tit. I. §. 12.); oder bei welchen die Gesetze den Partheien die Wahl lassen, dieselben auch vor einem Justizkommissario und Notario zu vollziehen. Wenn zur Vollziehung eines solchen Aktus die Partheien sich bei einzelnen Gerichtspersonen, zu einer Zeit, da das Gericht nicht versammelt ist, und unter Umständen melden, wo die im Verzuge obwaltende Gefahr die Abwartung der nächsten Gerichtssession, oder die Ausbringung eines förmlichen Auftrags an ein Mitglied des Gerichts nicht verstattet; so soll die Handlung selbst bloß von daher, weil die Gerichtsperson, vor welcher sie vollzogen worden, dazu nicht ausdrücklich deputirt gewesen, an ihrer Rechtsgültigkeit nichts verlieren.
(14) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.
§. 5.
Damit jedoch hiervon kein Mißbrauch gemacht, und, unter dem bloßen Vorwande einer im Verzuge obwaltenden Gefahr, von der gesetzlichen Ordnung ohne Noth abgewichen werde; so muß
1) die Gerichtsperson, welche dergleichen Aktum ohne besondern Auftrag besorgt hat, davon dem Gerichte, unter Vorlegung des Protokolls, unverzüglich Anzeige machen.
2) Wenn die Umstände so beschaffen sind, daß eine Wiederholung des Aktus Statt finden kann, und die Partheien, welche denselben vorgenommen haben, sich noch am Orte, oder doch in der Nähe befinden; so muß entweder der Aktus selbst vor versammeltem Gerichte, oder einem dazu ausdrücklich bestellten Deputirten, jedoch ohne Verursachung neuer Kosten für die Partheien, wiederholt, oder wenigstens diesen letzteren das aufgenommene Protokoll solchergestalt zum Anerkenntnisse vorgelegt, und dies Anerkenntniß sodann unter das vorige Protokoll verzeichnet werden.
3) Wenn dergleichen Wiederholung oder Anerkenntniß nach der Natur der Sache, oder wegen Abwesenheit und Entfernung der Partheien, nicht Statt finden kann; so muß das Gericht die angegebenen Gründe und Umstände, welche die vorzügliche Beschleunigung des Aktus nothwendig gemacht, und die Abwartung einer Session oder förmlichen Deputation, verhindert haben, von Amtswegen prüfen, und die Richtigkeit derselben unter das Protokoll, und unter die Ausfertigung des etwa aufgenommenen Dokuments, verzeichnen und attestiren.
4) So oft sich findet, daß eine Gerichtsperson ohne Noth und unter dem bloßen Vorwande einer obwaltenden Gefahr im Verzuge, dergleichen ihr, vermöge ihres Amts, nicht zukommendes Geschäft, ohne den Auftrag des Gerichts abzuwarten, eigenmächtig
(15) Verfahren dabei überhaupt.
vorgenommen habe, soll dieselbe, außer dem §. 2. verordneten Schadenersatze, nach Bewandtniß der Umstände und des sich etwa zugezogenen Verdachts des Eigennutzes, oder gar einer Unrichtigkeit in der Sache selbst, willkührlich, jedoch nachdrücklich, bestraft werden.
§. 6.
Uebrigens folgt aus der Bestimmung des §. 4. von selbst, daß solche Handlungen, welche nach den Vorschriften der Gesetze nothwendig vor Gerichten zu vollziehen sind (Tit. I. §. 3-9.), wohin besonders die Auf- oder Annahme der Testamente gehört, in keinem Falle, selbst nicht bei obwaltender Gefahr im Verzuge, vor einer einzelnen dazu nicht deputirten Gerichtsperson gültiger Weise vorgenommen werden können.
2) Das Gericht muß zu solchen
Handlungen befugt seyn.
§. 7.
Zur Gültigkeit einer Handlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird ferner erfordert, daß das Gericht, vor welchem sie vollzogen werden soll, zu dergleichen Handlungen befugt seyn müsse. In wie fern gewisse Handlungen nur vor dem kompetenten Gerichte der Person, der Sache oder des Geschäfts vollzogen werden können, ist bereits im vorigen Titel bestimmt. Außerdem aber ist jedes gehörig besetzte Gericht auch zu Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit für berechtigt anzusehen; und findet dabei nur in Ansehung derjenigen Gerichte, welche bloß für gewisse Arten der Geschäfte bestellt worden (Fora specialia causae), eine Ausnahme Statt, da vor diesen nur solche Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die ein Geschäft derselben Art unmittelbar zum Gegenstande haben, gültiger Weise vollzogen werden können (A. L. R. Th. II. Tit. XVII. §. 49.).
Anh. §. 417.
Vormundschaftskollegia können Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
welche solche Personen und Sachen, die den Gegenstand ihres
(16) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.
Wirkungskreises ausmachen,
betreffen z. B. Erb- und Schenkungsverträge, Verträge über künftige
Verpflegungsgelder, Entlassung eines minderjährigen Sohnes aus der väterlichen
Gewalt, rechtsgültig vornehmen.
Anh. §. 418. Bei den mobil
gemachten Truppen können von der Zeit ihrer Mobilmachung bis zur Zeit ihrer
Demobilisirung förmliche Testamente der Militärpersonen von einem kommandirten
Kriegsgerichte aufgenommen werden; wobei es übrigens bei den gesetzlichen
Vorschriften von den privilegirten militairischen Testamenten sein Bewenden
behält.
Auch sind die Brigade- und
übrigen Auditeurs der mobil gemachten Truppen befugt, einseitige Handlungen der
freiwilligen Gerichtsbarkeit solcher Militairpersonen, welche zu den gedachten
Truppen gehören, ohne Zuziehung eines zu kommandirenden Offiziers aufzunehmen
und zu beglaubigen.
Von Dorfgerichten und
§. 8.
Dorfgerichte können Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit für sich allein und ohne den Gerichtshalter, in der Regel gültiger Weise nicht vornehmen. Doch findet eine Ausnahme in Ansehung solcher Handlungen Statt, die keine Rechtskenntniß, sondern bloße Beglaubigung erfordern; in so fern nämlich
1) die Dorfgerichte mit einem gehörig vereideten Gerichtsschreiber versehen sind, und
2) bei der Handlung selbst Gefahr im Verzuge dergestalt obwaltet, daß weder die Herbeiholung des Gerichtshalters, noch die Verwendung an ein anderes ordentliches Gericht, abgewartet werden kann.
Doch müssen auch in einem solchen Falle die Dorfgerichte die von ihnen aufgenommene Verhandlung dem Justitiario ohne Zeitverlust vorlegen; welcher wegen der Wiederholung oder Anerkennung des Aktus, oder wenn diese nicht Statt finden, wegen Prüfung und Attestirung der die Gefahr im
(17) Verfahren dabei überhaupt.
Verzuge begründenden Umstände, die Vorschriften §. 4. No. 2. 3. beobachten muß (A. L. R. Th. II. Tit. VII. §. 82-84.).
Ist die Stelle des Justitiarii vakant, so muß die obgedachte Anzeige, von Seiten der Gerichte, dem Gerichtsherrn selbst, oder dem, der dessen Stelle vertritt, geschehen; und dieser muß, bei eigener Vertretung, unverzüglich dafür sorgen, daß allenfalls eine andere vereidete Gerichtsperson zur Besorgung des Vorgeschriebenen requirirt werde.
In wie fern übrigens Verträge gemeiner Landleute, die des Schreibens und Lesens unkundig sind, ingleichen Ehegelöbnisse derselben, und überhaupt Testamente, von Dorfgerichten gültig aufgenommen werden können, ist in den Gesetzen besonders vorgeschrieben (A. L. R. Th. I. Tit. V. §. 173. Tit. XII. §. 93-99. Th. II. Tit. I. §. 83.).
Polizeimagisträten.
§. 9.
Was von Dorfgerichten verordnet ist, gilt auch von den Polizeimagisträten in kleinen Städten, wenn dieselben mit keiner zur Justiz verpflichteten Gerichtsperson versehen sind; oder wenn bei ihnen nur Eine zur Verwaltung des Richteramts bestellte Person vorhanden ist, und in deren Abwesenheit eine Handlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit bloßer Zuziehung des Stadtsekretärs vollzogen werden soll.
3) Die Handlung muß am
gehörigen Orte, und
§. 10.
Der Ort, wo die Handlung vorgenommen wird, und ob es an gewöhnlicher Gerichtsstätte oder in einem Privathause geschieht, macht in Ansehung der Gültigkeit keinen Unterschied. Auch schadet es der Kraft der Handlung an sich nicht, wenn der sie vornehmende Richter aus seinem Gerichtssprengel heraus und in einen fremden übergegangen ist. Doch
(18) Gerichtso(r)dn.. II. Theil. Zweiter Titel.
wird derjenige Richter, welcher ohne Noth und erhebliche Ursachen einen Aktus in einem fremden Gerichtssprengel vorzunehmen sich angemaaßt hat, nach näherer Bestimmung der Gesetze, nicht nur seiner Gebühren verlustig, sondern er hat auch willkührliche fiskalische Strafe verwirkt (A. L. R. Th. I. Tit. XII. §. 73-81. Th. II. Tit. XVII. §. 60.)
Anh. §. 419. Ein Gerichtsherr
kann Geschäfte der willkührlichen Gerichtsbarkeit vor seinem Justitiario an
jedem Orte vollziehen.
4) zur gehörigen Zeit
vorgenommen werden.
§. 11.
Auch die Zeit, wann eine Handlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgenommen worden ist, hat auf die Gültigkeit derselben keinen Einfluß. Doch sollen die Gerichte dergleichen Aktus an Sonn- und Festtagen, besonders während des Gottesdienstes, nicht ohne Noth vornehmen, und wenn es die Umstände gleichwohl erfordern, allen öffentlichen Anstoß oder Störungen mit möglichster Vorsicht vermeiden.
Anh. §. 420. In keinem Falle
soll an einem Sonn- oder Festtage eine gerichtliche Auktion gestattet werden.
5) Das Gericht muß gehörig
besetzt seyn.
§. 12.
Das Gericht, vor welchem eine Handlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgenommen werden soll, muß gehörig besetzt seyn.
§. 13.
Wenn bei größeren, aus mehreren Personen bestehenden Gerichten, eine Handlung an gewöhnlicher Gerichtsstelle, während einer der ordentlichen Versammlungen des Gerichts, vollzogen wird; so kommt es nicht darauf an: ob alle oder nur etliche Mitglieder anwesend sind, und ob der gewöhnliche Dirigent des Gerichts gegenwärtig ist, oder seine Funktion einem Andern übertragen hat. Doch wird auch in
(19) Verfahren dabei überhaupt.
diesem Falle die Anwesenheit von wenigstens zwei Gerichtspersonen erfordert.
§. 14.
Kleinere Gerichte, ingleichen Deputationen, vor welchen Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gültig sollen vollzogen werden können, müssen wenigstens aus Einer richterlichen Person, und einem Aktuario oder vereideten Protokollführer bestehen.
§. 15.
Der Aktuarius kann, auch bei solchen Handlungen, die Stelle des Richters nicht vertreten, noch von dem Richter eigenmächtig substituirt werden.
Doch kann bei kleineren Gerichten, die nur aus Einem Richter und dem Aktuario bestehen, das Landesjustizkollegium der Provinz einem solchen Aktuario, der zur Justiz vollständig qualificirt und gehörig verpflichtet ist, den allgemeinen Auftrag ertheilen, in dringenden Fällen, wenn der Richter durch Krankheit, Abwesenheit und sonst verhindert wird, die Funktion desselben zu übernehmen, und den Aktus auf die unten (§. 18.) näher zu bestimmende Art, mit Zuziehung von Schöppen oder Beisitzern, zu besorgen. Ein solcher Aktuarius muß jedoch in dem aufzunehmenden Protokolle sowohl der Verhinderung des Richters, als des ihn legitimirenden Auftrags, unter Allegirung des Dati, ausdrücklich gedenken und dem Richter von dem Vorgange, sobald es nach gehobenem Hindernisse geschehen kann, Anzeige machen: damit, wenn ja bei den Legalitäten der Handlung noch etwas zu erinnern seyn sollte, der Richter das Erforderliche zu deren Ergänzung in Zeiten verfügen könne.
§. 16.
Die Regel, daß ein Gericht oder eine Deputation, zur gültigen Vollziehung eines Aktus der
(20) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.
freiwilligen Gerichtsbarkeit, wenigstens aus Einem Richter und Aktuario oder Protokollführer bestehen müsse, findet auch in denjenigen Fällen Statt, wo nach §. 4. einzelne Gerichtspersonen einen solchen Aktus, ohne vorhergegangenen Auftrag, übernehmen können.
§. 17.
Dagegen giebt es einige Fälle der Ausnahme, wo entweder eine einzelne Gerichtsperson ohne Zuziehung eines Aktuarii oder Protokollführers die Handlung gültig vornehmen kann, oder wo andere Personen die Stelle des fehlenden Protokollführers vertreten können.
Anh. §. 421. Der Zuziehung
eines Protokollführers bedarf es nur dann, wenn Testamente, freiwillige
Dispositionen, Erbverträge oder solche Ehestiftungen errichtet werden, worin
die künftige Erbfolge bestimmt wird. Bei allen anderen gerichtlichen
Verhandlungen haben die von einer Gerichtsperson allein aufgenommenen, von den
Interessenten oder ihren Stellvertretern unterschriebenen Protokolle volle
Glaubwürdigkeit, und können unter dem Vorwande der unterlassenen Zuziehung
eines Protokollführers nicht angefochten werden.
Was der Richter in den
Fällen, wo es der Zuziehung eines Protokollführers nicht bedarf, zu beobachten
hat, ist §. 68. u. f. des Anhangs zu §. 19. Tit. X. Th. I. umständlich
vorgeschrieben.
Fälle, wp andere Personen die
Stelle des Aktuariii vertreten.
§. 18.
Zu den Ausnahmen der letztern Art, wo nämlich auch andere Personen die Stelle des Protokollführers vertreten können, gehört zuvörderst: wenn die Gerichtsperson, bei Vornehmung des Aktus, zwei vereidete Gerichtsschöppen zugezogen hat, und von diesen das Protokoll mit unterschrieben ist. Wie dergleichen Gerichtsschöppen beschaffen und vereidet seyn müssen, und in wie fern bei dringenden Fällen die Stelle des zweiten Gerichtsschöppen auch durch einen bloßen Zeugen ersetzt werden könne, ist im ersten Theile, Tit. XXV. §. 51-56. verordnet.
(21) Verfahren dabei überhaupt.
§. 19.
Wenn bei Handlungen, die nur einseitig sind, die Parthei, welche sie vornimmt, oder auch der Richter, welcher den Aktus vollzieht, einen gehörig aufgenommenen und verpflichteten Justizkommissarius und Notarius zugezogen hat; so ersetzt die Anwesenheit und Mitunterschrift desselben die Stelle des ermangelnden Protokollführers.
Ein Gleiches findet Statt, wenn die Handlung von zwei oder mehreren Partheien zu vollziehen, und dabei von jeder Seite ein Justizkommissarius und Notarius gegenwärtig ist.
Ist aber nur von der einen Seite ein Justizkommissarius zugegen, so muß entweder ein Protokollführer, oder wenigstens ein vereideter Gerichtsschöppe zugezogen werden.
Bei Testamenten und eigentlichen Erbverträgen können Justizkommissarien und Notarien, als solche, die Stelle des Gerichtsaktuarii oder Protokollführers nicht vertreten.
Fälle, wo es keines Aktuarii
oder Protokollführers bedarf.
§. 20.
Zu den Fällen, wo es weder der Zuziehung eines Protokollführers, noch anderer Personen an seiner Stelle bedarf, sondern auch eine einzelne Gerichtsperson den Aktus gültig vornehmen kann, gehört:
1) wenn der Gegenstand desselben nur Funfzig Thaler oder weniger beträgt;
2) wenn die Partheien, welche den Aktus vornehmen, ausdrücklich erklären, daß sie die Zuziehung eines Protokollführers nicht verlangen.
§. 21.
So wie aber in diesem letztern Falle die Vorschriften des ersten Theils Tit. XXV. §. 57. auch bei Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit beobachtet werden müssen, so findet übrigens diese Ausnahme bei Testamenten, Erbverträgen und anderen
(22) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.
anderen letztwilligen Verordnungen, gar keine Anwendung.
Was der Richter bei einem
solchen Aktus zu beobachten hat:
§. 22.
Bei einer jeden Handlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit müssen von den Gerichten folgende allgemeine Vorschriften beobachtet werden. Zuvörderst muß das Gericht sich überzeugen, daß die Handlung vor ihm gültiger Weise vorgenommen werden könne, und nicht etwa nach ihrer Natur und nach Vorschrift des Ersten Titels, vor ein anderes in Ansehung der Person, der Sache oder des Geschäfts kompetentes Gericht gehöre; in welchem letzteren Falle die Partheien an dieses Gericht sofort verwiesen werden müssen.
1) in Ansehung der Personen,
ihrer Identität,
§. 23.
Hiernächst muß das Gericht sich vergewissern, daß die Partheien, welche die Handlung vornehmen wollen, diejenigen wirklich sind, für die sie sich ausgeben. Wenn daher fremde und im Gerichte von Person nicht hinlänglich bekannte Partheien sich zur Vollziehung eines Aktus melden, so muß der Richter darauf bestehen, daß ihm andere bekannte und unverdächtige Leute gestellt werden, welche die Identität der sich angebenden Partheien aus eigener Kenntniß bezeugen; oder er muß sich auf andere glaubwürdige Art von dieser Identität versichern.
Legitimation,
§. 24.
Wenn die Partheien die Handlung nicht in Person, sondern durch Bevollmächtigte vollziehen wollen, so, so muß der Richter sich die Vollmachten derselben zu den Akten einreichen lassen, und dieselben mit gehöriger Sorgfalt prüfen; auch auf die Vorschriften der Gesetze, in Ansehung der Fälle, wo gerichtliche oder doch besondere Specialvollmachten erfordert werden, gehörige Rücksicht nehmen.
(23) Verfahren dabei überhaupt.
Fähigkeit zu solchen
Handlungen.
§. 25.
Ferner muß der Richter sich genau und sorgfältig erkundigen: ob die Partheien, welche die Handlung vornehmen wollen, die dazu in den Gesetzen vorgeschriebenen Fähigkeiten und Erfordernisse besitzen. Er muß sich daher diese gesetzlichen Vorschriften, sowohl wegen der Willenserklärungen überhaupt, als wegen der Verträge und ihrer verschiedenen Arten, so wie in Ansehung der Testamente und anderer letztwilligen Dispositionen, beständig gegenwärtig erhalten.
§. 26.
Wenn die Parthei, welche die Handlung vornehmen will, dazu nach den Gesetzen des Beitritts, der Autorisation oder der Einwilligung irgend eines Dritten bedarf, so muß der Richter dafür sorgen, daß auch diesem gesetzlichen Erfordernisse ein Genüge geleistet werde.
Wie zu verfahren, wenn bei
diesen persönlichen Erfordernissen ein Anstand sich findet.
§. 27.
Wenn bei dieser Prüfung der persönlichen Fähigkeit und Qualifikation der Partheien zu der von ihnen vorzunehmenden Handlung (§. 23-26) irgend ein Zweifel oder Anstand sich findet, so muß der Richter den Fortgang des Geschäfts so lange aussetzen, bis demselben hinlänglich abgeholfen worden ist. Wenn jedoch die Parthei auf der Fortsetzung der Verhandlungen, wegen einer im Verzuge obwaltenden Gefahr ausdrücklich besteht und sich bestimmt erklärt: wie und binnen welcher Frist sie das Bedenken heben wolle; auch bei Handlungen, zu welchen mehr als eine Person gehört, der andere Theil damit zufrieden zu seyn ausdrücklich äußert; so kann der Richter in der Sache weiter fortfahren, er muß aber den obgewalteten Anstand, so wie die von der Parthei zu dessen Erledigung übernommene Verpflichtung, in dem Protokolle deutlich
(24) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.
und bestimmt bemerken. Die auf dieses Protokoll zu veranlassende Ausfertigung muß in der Regel so lange, bis dem Bedenken wirklich abgeholfen ist, ausgesetzt bleiben. Wenn aber auch hierunter, wegen der besonderen Umstände des Falles, kein Verzug ohne erheblichen Nachtheil der Partheien stattfinden könne; so muß dennoch der obgewaltete Anstand, und was zur Hebung desselben etwa noch geschehen oder beigebracht werden müsse, in der Ausfertigung selbst ausdrücklich angeführt werden.
2) Wegen Prüfung der
Legalität und Zuständigkeit der Handlung selbst.
§. 28.
Außer diesen Prüfungen der persönlichen Fähigkeit der Partheien muß der Richter auch die vorzunehmende Handlung selbst in so weit untersuchen, ob sie nach den Gesetzen erlaubt sey, und an sich rechtsbeständiger Weise vorgenommen werden könne. Denn obgleich den Gerichten nicht zugemutet werden kann, für die Gültigkeit und Rechtsbeständigkeit der von den Partheien geschlossenen Verträge oder sonstigen Willenserklärungen zu haften, sondern sie eigentlich nur für die gehörige Beobachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Form verantwortlich sind; so liegt ihnen dennoch ob, mit möglichster Sorgfalt zu verhüten, daß vor ihnen keine gesetzwidrige oder ungültige Aktus vorgenommen, und das Vertrauen des Publici auf die Legalität und Sicherheit gerichtlicher Handlungen nicht gemißbraucht werde.
§. 29.
Wenn daher der Richter bei der Vollziehung eines solchen Aktus wahrnimmt, daß dadurch über Gegenstände, die einer solchen Verfügung der Partheien nicht unterworfen sind, disponirt; oder daß Verabredungen oder Maaßregeln, die nach den Vorschriften der Gesetze nicht bestehen können, festgesetzt werden wollen: so muß er den Partheien diese ihnen entgegenstehenden Vorschriften bekannt machen, und
(25) Verfahren dabei überhaupt.
sie darnach gehörig bedeuten: übrigens aber mit einem solchen ungültigen Geschäfte sich nicht weiter befassen.
§. 30.
Finden sich Spuren von Unrichtigkeit oder Unlauterkeit in dem Betragen eines oder beider Theile, daß z. B. einer den andern durch falsche Vorspiegelungen, Simulationen, wucherliche Kunstgriffe oder andere unredliche Mittel, zu einem Vertrage oder zu gewissen Bedingungen dabei verleitet habe; oder daß das ganze Geschäft zur Hintergehung oder widerrechtlichen Verkürzung eines Dritten abziele: so müssen die Gerichte die Verwendung ihres Amts zu einem dergleichen gesetzwidrigen Geschäfte schlechterdings versagen; vielmehr den Partheien das Unerlaubte und Strafbare ihres Vorhabens nachdrücklich vorhalten; ihnen die in den Gesetzen gegen solche Betrügereien bestimmten Strafen bekannt oder erinnerlich machen; auch in Fällen, wo die Gesetze schon die Unternehmung eines solchen Unfugs mit Strafen belegen, die erforderliche Untersuchung gegen diejenigen, welche sich eines dergleichen Attentati schuldig gemacht haben, entweder selbst verhängen, oder, wenn dieselbe nicht vor sie gehört, dem kompetenten Richter davon Nachricht geben.
3) Wegen Belehrung und
Certioration der Partheien.
§. 31.
In welchen Fällen eine besondere Belehrung der Partheien über die Natur und rechtlichen Folgen eines Geschäfts schlechterdings nothwendig sey, z. B. bei den Bürgschaften der Frauenspersonen, bei Ertheilung der Certifikate über die Wechselfähigkeit (et)c., ist in den Gesetzen verordnet. Aber auch außer diesen Fällen ist der Richter schuldig, wenn er es besonders mit Partheien zu thun hat, welche der Rechte nicht kundig, oder in Geschäften unerfahren sind, oder bei denen er, während der Verhandlungen selbst,
(26) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.
inne wird, daß sie von dem vorzunehmenden Geschäfte keinen ganz richtigen Begriff, oder von den rechtlichen Folgen desselben keine vollständige Kenntniß haben, solche Partheien auf die Vorschriften der Gesetze, auf die Verpflichtungen, welche sie durch den Aktus übernehmen, und auf die Nachtheile, welche ihnen daraus erwachsen können, aufmerksam zu machen; und auch auf diese Art allen Uebereilungen und allen Uebervortheilungen, zu welchen listige und verschmitzte Partheien ihre minder unterrichteten oder erfahrenen Mitkontrahenten nur allzu oft verleiten, nach Möglichkeit vorzubeugen.
§. 32.
Wenn bei einer solchen Handlung gewissen Einwendungen oder Rechtswohlthaten entsagt werden soll, so muß der Richter von Amtswegen dafür sorgen, daß dem Entsagenden dasjenige, worauf er Verzicht thun will, nach seinem wahren Inhalte und ganzen Umfange bekannt, und er auch davon unterrichtet seyn möge, daß er eine solche gerichtliche Entsagung unter keinerlei Vorwande zurücknehmen könne. Es müssen aber auch, in so fern nicht beide Theile Rechtverständige sind, die Einwendungen und Rechtswohlthaten, denen entsagt wird, nicht bloß mit den juristischen Kunstworten, sondern so ausgedrückt werden, daß man aus der Fassung selbst sieht, es sey den Partheien möglich gewesen, das zu verstehen und richtig zu begreifen, worauf von ihnen Verzicht geleistet worden ist.
§. 33
Inzwischen muß doch auch der Richter, bei Befolgung dieser Vorschriften (§. 31. 32.), den Abweg vermeiden, daß er den Partheien seine Meinungen und Bedenklichkeiten, gegen ihre eigenen, freien und überlegten Entschließungen, nicht aufdringe, noch sie in einem solchen Vorhaben durch theilnehmendes
(27) Verfahren dabei überhaupt.
Zuraten oder Abmahnen irre mache. Sobald er wahrnimmt, daß eine Parthei von dem Geschäfte das sie vornehmen will, dessen Natur und rechtlichen Folgen, einen hinlänglich klaren Begriff habe, und es ihr an der nöthigen Fähigkeit, ihr Vorhaben zu überlegen, nicht gebreche; so muß er dieselbe ihren freien Entschließungen lediglich überlassen, und sich darauf einschränken, die Handlung so vorzunehmen und zu verzeichnen, wie es der Intention der Partheien wirklich gemäß ist.
4) Wegen Ausforschung des
wahren Sinns und der Meinung der Partheien,
§. 34.
Die Hauptpflicht des Richters ist daher, daß er den eigentlichen Sinn und die wahre Meinung der Partheien deutlich und umständlich zu vernehmen suche, und allem Irrthume, Mißverständnissen oder Zweideutigkeiten, mit möglicher Sorgfalt vorbeuge.
§. 35.
Findet es sich, daß die Partheien einander nicht recht verstanden haben, oder über gewisse Haupt- oder Nebenpunkte noch nicht einig sind; so muß der Richter auf eine nähere gegenseitige Herauslassung darüber dringen, und die Partheien über die noch streitigen Umstände zu vereinbaren suchen.
§. 36.
Der Richter muß sich daher, wenn ihm von den Partheien eine Punktation oder ein anderer vorläufiger Aufsatz, nach welchem sie die vorzunehmende Handlung eingerichtet wissen wollen, vorgelegt wird, niemals damit begnügen, das Protokoll und die Ausfertigung nach diesem Aufsatze zu fassen; sondern er muß denselben mit den Partheien Punkt für Punkt durchgehen, sich überzeugen, daß jeder Punkt ihrer wahren Absicht und Meinung wirklich gemäß sey; und wo er irgend Undeutlichkeit, Unbestimmtheit oder Unvollständigkeit wahrnimmt, diesen Mängeln
(28) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.
durch nähere Vernehmung und Vereinbarung der Partheien abzuhelfen bedacht seyn.
besonders solcher, die der
deutschen Sprache nicht mächtig sind.
§. 37.
Wenn einer oder beide Theile, welche die Handlung vornehmen wollen, der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so kommt es darauf an: ob die beiden Gerichtspersonen, von welchen die Handlung aufgenommen wird, die fremde Sprache der Partheien hinlänglich verstehen, und sich darin verständlich ausdrücken können; oder ob es diesen oder auch nur Einem von ihnen, an einer solchen Kenntniß und Fertigkeit ebenfalls ermangele. Erstern Falls kann der Aktus von diesen Gerichtspersonen allein gültig vorgenommen werden. Letztern Falls hingegen, wie auch überhaupt, wenn eine der deutschen Sprache nicht mächtige Parthei es verlangt, muß, außer dem Richter und Protokollführer, auch noch ein vereideter Dollmetscher zugezogen werden. Dieser muß die Anträge der Partheien in der Sprache, deren sie mächtig sind, von ihnen aufnehmen; sie dem Richter in der deutschen Sprache erklären, nach seiner Anweisung die Partheien weiter vernehmen; und solchergestalt die zur gehörigen Vollziehung des Aktus nöthigen Nachrichten und Willenserklärungen herbeischaffen. Wenn alsdann der Richter zur Aufnehmung des Protokolls schreitet, so muß zu gleicher Zeit, da er dasselbe dem Protokollführer deutlich in die Feder diktirt, der Dollmetscher eben dasselbe in der Sprache der Partheien niederschreiben; diese Uebersetzung muß demnächst den Partheien vorgelesen, und von ihnen, mit dem deutschen Protokolle zugleich, unterzeichnet werden. Eben so muß, wenn beide der fremden Sprache hinlänglich mächtige Gerichtspersonen den Aktus ohne Dollmetscher vornehmen, die Verhandlung von dem einen in der deutschen, und zugleich von dem andern in der fremden
(29) Verfahren dabei überhaupt.
Sprache niedergeschrieben; mit der Vorlesung und Unterzeichnung aber es ebenso, wie in dem vorgedachten Falle, gehalten werden.
Anh. §. 422. Siehe §. 75. des
Anhangs zu §. 19. u. s. Tit. X. Th. I.
Testamente und Kodicille der
Wenden dürfen nicht in wendischer, sondern nur in deutscher Sprache
niedergeschrieben werden. Bei der Aufnahme derselben muß jedes Mal, außer dem
wendischen Prediger, ein dieser Sprache mächtiger Schulze oder Gerichtsmann
zugezogen werden, welche beide auf ihren Amtseid zu verweisen sind. Durch diese
wird der Wille des Testators vernommen, dem Richter bloß mündlich übersetzt,
und von Letzterem deutsch niedergeschrieben; die Vorlesung oder Vorhaltung aber
erfolgt durch den Prediger in wendischer Sprache, und es muß, wie alles dies
geschehen, im Protokolle registrirt, auch dieses Protokoll von dem Prediger und
dem zweiten zugezogenen Sprachkundigen mitunterschrieben werden.
§. 38.
Daß bei Aufnehmung der Testamente von Personen, welche der deutschen Sprache nicht kundig sind, zwei Dollmetscher, oder wenigstens ein Dollmetscher und ein Zeuge, zugezogen, und wie überhaupt dabei verfahren werden müsse, ist im Landrechte vorgeschrieben (Theil I. Tit. XII. §. 124-132).
§. 39.
Bei Handlungen unter Lebendigen ist die Zuziehung eines Dollmetschers hinreichend, wenn eine der kontrahirenden Partheien der deutschen Sprache mächtig, oder wenn eine der Gerichtspersonen der fremden Sprache kundig ist; oder wenn der Gegenstand nur hundert Thaler oder weniger beträgt; oder wenn beide der deutschen Sprache unkundige Partheien sich über einen gemeinschaftlichen Dollmetscher vereinigen. Außer diesen Fällen müssen, wenn zwei oder mehrere Partheien nicht Deutsch verstehen, ebenso,
(30) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.
wie bei Testamenten, zwei Dollmetscher, oder doch ein Dollmetscher und ein Zeuge, zugezogen werden.
§. 40.
Bei größeren Gerichten, wo die Fälle, daß Handlungen in einer fremden Sprache aufzunehmen, und Uebersetzungen aus einer solchen Sprache zu veranstalten sind, öfters vorkommen, müssen dazu ordentliche Dollmetscher förmlich bestellt, und ein für allemal vereidet werden. Die Gerichte müssen dazu Subjekte aussuchen, die wegen ihrer Kenntniß der fremden Sprache, so wie in Ansehung ihrer Rechtschaffenheit und untadelhafter Aufführung, in allgemein gutem Rufe, oder mit glaubwürdigen Attesten versehen sind. Diese Subjekte müssen von Männern, deren Sprachkenntniß unbezweifelt ist, ordentlich geprüft; diese Prüfung aber nicht bloß darauf: ob der Kandidat die fremde Sprache nur nothdürftig verstehe und sprechen könne, sondern darauf gerichtet werden: ob seine Kenntniß beider Sprachen dergestalt vollständig und gründlich sey, daß er nicht bloß in alltäglichen Geschäften des gemeinen Lebens, sondern auch in wichtigeren und minder gewöhnlichen Fällen den Sinn der Partheien, oder den Verstand der Dokumente, richtig fassen, und dem Richter ebenso, zuverlässig und bestimmt, erklären und darlegen könne. Dergleichen Dollmetscher müssen von Obergerichten dem Chef der Justiz, von Untergerichten aber dem Landesjustizkollegium der Provinz, mit Beifügung der beigebrachten Atteste und des Examinationsprotokolls, vorgeschlagen, und nach erfolgter Approbation dahin vereidet werden: daß sie die in der fremden Sprache vorgetragenen Angaben, Erklärungen und Antworten der Partheien, ingleichen den Inhalt der in dieser
(31) Verfahren dabei überhaupt.
Sprache abgefaßten Schriften und Urkunden, in die deutsche Sprache; ebenso aber auch die den Partheien vorzulegenden Fragen, Bekanntmachungen und Andeutungen, oder den solchen Partheien zu eröffnenden Inhalt deutscher Schriften und Dokumente, aus der einen in die andere Sprache treu, richtig, vollständig, ohne etwas dazu oder davon zu thun, übersetzen, und mit gewissenhafter Sorgfalt dahin sehen wollen, daß in jedem Falle der wahre Sinn und die eigentliche Meinung der Partheien, oder der wahre Inhalt der zu übersetzenden Schriften dem Richter, so wie die Aeußerungen und Erklärungen des Richters den Partheien, bekannt werden.
§. 41.
Bei Gerichten, wo keine beständige vereidete Dollmetscher angestellt sind, muß der in jedem besonderen Falle zuzuziehende Sprachkundige von dem Richter, mit Beihilfe eines Sachverständigen, geprüft, und mit vorstehendem Eide, nach Beschaffenheit des Falles selbst, belegt werden.
Aufnehmung des Protokolls.
§. 42.
Wenn auf vorstehende Art sowohl in Ansehung der persönlichen Qualität und Fähigkeit der Partheien zur Vollziehung eines solchen Aktus das Erforderliche besorgt und berichtigt, als auch der Wille und die eigentliche Intention derselben mit hinlänglicher Zuverlässigkeit und Vollständigkeit erforscht worden ist, so muß alsdann über die ganze Verhandlung ein richtiges Protokoll aufgenommen werden.
Erfordernisse desselben.
§. 43
Dieses Protokoll muß enthalten: 1) Ort und Zeit, wo und wann der Aktus vorgenommen worden ist.
2) Wer die Partheien, die ihn vorgenommen haben, ihrem Namen, Stande und Charakter nach,
(32) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.
sind; ob das Gericht sie persönlich kenne, oder durch welche Mittel es sich nach Vorschrift §. 23. von der Identität der Personen versichert habe.
3) Wenn die Partheien die Handlung durch einen Bevollmächtigten vornehmen, so muß der Name und die Qualität dieses Bevollmächtigten ebenfalls im Protokolle bemerkt; die von demselben übergebene Vollmacht muß allegirt und dem Protokolle beigefügt; und insofern dabei noch etwas zu erinnern gefunden worden, dieses bemerkt; wenn er aber in zulässigen Fällen die Vollmacht nachzubringen versprochen hat, so muß dieses Angelöbniß im Protokolle ebenfalls gedacht werden.
4) Wenn in Ansehung der Fähigkeit der Partheien, einen solchen Aktus vorzunehmen, ein Bedenken obgewaltet hat; so ist dessen, und wie es gehoben worden, im Protokolle ebenfalls Erwähnung zu thun. Hat das Bedenken nicht sogleich gehoben, und doch auch der Aktus selbst nicht ausgesetzt werden können; so ist die Vorschrift des §. 27. genau zu befolgen.
5) Wenn der Richter nach Anleitung §. 28-31. nöthig gefunden hat, den Partheien über die Natur und Folgen der Handlung, welche sie vornehmen wollen, oder über gewisse dahin einschlagende Dispositionen und Verabredungen, Bedeutung oder Vorhaltung zu thun; so muß dessen, und was etwa dabei vorgekommen ist, im Protokoll ebenfalls Erwähnung geschehen. 6) Vornehmlich aber muß die Verhandlung selbst, mit allen dahin gehörenden Erklärungen, Haupt- und Nebenbestimmungen, Abreden und Bedingungen, umständlich, in klaren und bestimmten Ausdrücken niedergeschrieben; alle Dunkelheit und Zweideutigkeiten müssen sorgfältig vermieden; und
(33) Verfahren dabei überhaupt.
Alles muß, nach der wahren Willensmeinung der Partheien, so deutlich und genau, als es nur immer möglich und nöthig ist, gefaßt werden.
7) Wenn gegen den Kontrakt oder die Disposition gewisse Einwendungen oder Rechtswohlthaten statt finden würden, und denselben von der Parthei entsagt wird; so muß nach Anleitung des §. 32. die geschehene Erklärung und Entsagung, nebst den dabei beobachteten Solennitäten, in so fern dergleichen nach den Gesetzen erforderlich gewesen, ausdrücklich und umständlich zum Protokolle niedergeschrieben werden.
Vorlesung.
§. 44.
Dieß Protokoll muß in gewöhnlichen Fällen, wenn wenigstens eine Gerichtsperson, und außer ihr noch ein Aktuarius oder Protokollführer bei der Verhandlung zugegen sind, der Richter dem Aktuario oder Protokollführer laut in die Feder diktiren; oder wenn nur Gerichtsschöppen oder Beisitzer zugezogen worden sind, es selbst niederschreiben. In beiden Fällen aber muß der Richter das Protokoll den Partheien langsam und deutlich vorlesen und sie befragen: ob sie den Inhalt desselben der eigentlichen Verhandlung und ihrer Willensmeinung gemäß finden. Wird bei dieser Gelegenheit von den Partheien noch etwas erinnert oder nachgetragen; so muß der Richter dergleichen Erinnerung und Zusatz, am Schlusse des Protokolls, mit der Bemerkung, daß diese Erklärung von der Parthei bei Gelegenheit der Vorlesung abgegeben worden sey, beifügen lassen. Durchstreichungen oder Zusätze am Rande des Protokolls müssen in der Regel nicht gemacht werden. Wenn es aber ja die Umstände erfordern, und es nicht eine ganz unbedeutende Kleinigkeit betrifft; so muß die am Rande beizusetzende Registratur eben so,
(34) Grichtsordn. II. Titel. Zweiter Titel.
wie wegen des Protokolls selbst sogleich verordnet werden wird, unterzeichnet werden.
Anh. §. 423. Wenn die
Vorlesung des Protokolls unterlassen, oder, daß solche geschehen, nicht bemerkt
worden ist; so folgt daraus die Ungültigkeit der Verhandlung nicht.
Unterschrift.
§. 45.
Wenn nämlich die Partheien bei dem Inhalte des Protokolls nichts mehr zu erinnern finden, so muß der Richter dasselbe schließen; es den Partheien zur Unterschrift vorlegen, und es sodann mit dem Aktuario oder dem Protokollführer, oder den Beisitzern, ebenfalls unterzeichnen.
§. 46.
Ist die eine oder andere Parthei des Schreibens nicht mächtig, so muß sie an Stelle, wo ihr Name hingehört, Kreuze oder ihr sonstiges gewöhnliches Handzeichen setzen. Der Protokollführer, oder ein Schöppe, muß ihren Namen dabei schreiben, und der Richter muß bei seiner Unterschrift attestiren, daß diese Zeichen von der Parthei, weil sie des Schreibens unkundig sey, statt ihrer Unterschrift beigefügt worden.
§. 47.
Daß in den nach §. 21. zulässigen Fällen, wenn die Handlung, auf ausdrückliches Verlangen der des Schreibens vollkommen kundigen Partheien, nur von einer Gerichtsperson, ohne Zuziehung von Protokollführern oder Gerichtsschöffen, vorgenommen worden ist, dergleichen Partheien das Protokoll selbst lesen, und daß dieses geschehen, bei ihrer Unterschrift eigenhändig attestiren müssen, ist in der am angeführten Orte allegirten Vorschrift enthalten.
§. 48.
Bei Landesjustizkollegien und Obergerichten, ingleichen bei größeren Untergerichten, die ein formirtes
(35) Verfahren dabei überhaupt.
Kollegium ausmachen, und bei welchen Justizkommisarien angesetzt sind, kommen, besonders in Beziehung auf das Hypothekenwesen, mancherlei Aktus vor, die nicht den Abschluss irgend eines neuen Geschäfts betreffen, sondern nur gewisse feierliche Erklärungen, Anerkenntnisse oder Verlautbarungen über einen vorhin schon gehörig errichteten Kontrakt, oder andere dergleichen Handlung enthalten. Wenn solche Vorträge, welche bloß der Form und Feierlichkeit wegen erfolgen, von den Justizkommissarien, in Gegenwart des versammelten Gerichts, dem protokollirenden Referendario laut in die Feder diktirt worden sind; so bedarf es keiner Vorlesung des Protokolls, und auch keiner Unterzeichnung von Seiten der Gerichtsperson oder der Justizkommissarien, sondern es ist genug, wenn dasselbe nur von dem Protokollanten unterschrieben wird.
Ausfertigung.
§. 49.
Auf den Grund des gehörig aufgenommenen Protokolls erfolgt sodann die gerichtliche Ausfertigung. Außer dem Falle, wo Testamente oder andere letztwillige Dispositionen, zum Protokoll aufgenommen werden, und wo, nach den unten folgenden näheren Vorschriften, das Protokoll selbst versiegelt in gerichtliche Verwahrung niedergelegt werden muß, wird die Ausfertigung von dem Richter, sogleich nach geschlossenem und unterzeichnetem Protokolle, verfügt. Doch muß bei Gerichten, die ein Kollegium ausmachen, das aufgenommene Protokoll zuvörderst einem anderen Mitgliede, als dem, der den Aktus vollzogen hat, zum Vortrage im versammelten Kollegio zugestellt werden. Dieser Dezernent muß gehörig prüfen: ob dabei noch irgendetwas zu
(36) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.
erinnern oder nachzuholen sey, und solchenfalls das Erforderliche nach dem Beschlusse des Kollegii verfügen. Findet sich aber weiter nichts zu erinnern, so muß die Ausfertigung von ihm veranlaßt werden.
§. 50.
In wie fern diese Ausfertigung mit Inserirung des Protokolls selbst geschehe, oder in wie fern nur der Inhalt desselben der zu expedirenden Urkunde, mit Beziehung auf das Protokoll, einverleibt werde, desfalls hat es, nach Verschiedenheit der Fälle, bei dem Gerichtsbrauche eines jeden Kollegii oder anderen Gerichts, auch noch ferner sein Bewenden.
Wenn aber auch nicht das ganze Protokoll in extenso eingerückt, sondern nur der Inhalt desselben in eine besondere Ausfertigung gefaßt wird; so muß dennoch bei dieser das Protokoll lediglich zum Grunde gelegt, von den darin enthaltenen Erklärungen, Abreden und Bedingungen in keinem Stücke abgewichen, nichts denselben hinzugetan oder davon weggelassen, wie es die Natur des Geschäfts und die vorhandenen gesetzlichen Vorschriften mit sich bringen.
§. 51.
Bei Abfassung solcher Urkunden und Ausfertigungen müssen die Gerichte und Expedienten sich einer guten deutschen und allgemein verständlichen Schreibart befleißigen; alle, nur Sachverständigen nach ihrem eigentlichen Sinne bekannte Kunstwörter möglichst vermeiden, und sich, statt deren, lieber einer deutlichen und richtigen Umschreibung bedienen, den Terminum technicum aber in einer Parenthese beifügen; sich des verworrenen, dunkeln und weitschweifigen sogenannten Kanzleistils, so wie aller Affektationen, und der Würde einer gerichtlichen Handlung nicht geziemenden Künstelei und Neuerungssucht in der Sprache, gänzlich enthalten;
(37) Verfahren dabei überhaupt.
die Perioden nicht in einander schieben, noch den Zusammenhang durch lange und häufige Parenthesen unterbrechen; keine Pleonasmen und unnütze Wiederholungen, welche nur zu Mißdeutungen und Verdrehungen Anlaß geben können, einfließen lassen; und mit Einem Worte dafür sorgen, daß sowohl die Partheien, als jeder andere, dem daran gelegen ist, das, was eigentlich verhandelt worden, aus der Ausfertigung deutlich, bestimmt und zuverlässig entnehmen können.
§. 52.
Außerdem müssen dergleichen Ausfertigungen mit unnützen, zur Sache nicht gehörenden, oder unverständlichen, in der Folge wohl gar zu Zweifeln und Bedenklichkeiten Anlass gebenden Klauseln, oder mit Renunciationen, die von keiner rechtlichen Wirkung seyn können, z. B. mit Entsagung der Exceptionis doli, vis, metus, usurariae pravitatis, restitutionis in integrum ex capite aetatis etc. etc., nicht überladen werden; sondern es ist bloß die Begebung solcher Einwendungen und Rechtswohlthaten beizufügen, die sonst dem Geschäfte wirklich entgegen gesetzt werden können, deren Entsagung den Rechten nach zulässig, und denen in dem Protokolle wirklich entsagt worden ist.
§. 53.
Dergleichen Ausfertigung muß allemal erst koncipirt, und das Koncept in dem Falle des §. 49 von dem Dezernenten revidirt, auch nach erfolgter Ausreichung des Mundi, darauf: daß, wenn, und an wen diese geschehen sey, bemerkt; sodann aber das Koncept bei den Akten, in der Registratur des Gerichts, nach näherer Vorschrift des Kanzlei- und Registraturreglements, aufbewahrt werden.
§. 54
Das Mundum selbst wird von dem Gerichte
(38) Gerichtsordn. II. Theil. Zweiter Titel.
unterschrieben und besiegelt. Ob die Unterschrift von dem Vorgesetzten allein, oder auch von allen, oder von einigen Mitgliedern des Gerichts geschehe; und ob dabei ein besonderes größeres, oder nur das ordinaire Gerichtssiegel gebraucht werde, desfalls hat es bei der Verfassung eines jeden Kollegii und Gerichts lediglich sein Bewenden.
Dritter Titel.
Von dem Verfahren bei Aufnehmung und Bestätigung der Verträge und anderer Verhandlungen unter Lebendigen.
Anh. §. 424. Bei der
Veräußerung der den Stadtgemeinen zugehörigen Grundstücke ist die Vorschrift
der Städteordnung vom 19ten November 1808. §. 189. zu befolgen.
Anh. §. 425. Wenn Verträge
über Grundstücke geschlossen werden, wobei sich Bergwerke befinden; so muß die
Verhandlung jedes mal auf die Bergwerke ausdrücklich mit gerichtet und die
Kontrahenten müssen wegen der erforderlichen Verlautbarung bei dem Bergamte
gehörig belehrt werden.
Anh. §. 426.
Justizkommissarien oder andere Justizbediente, welche bei Schließung von
Kaufkontrakten oder auch nur Punktationen über Grundstücke und bei der darauf
erfolgenden Naturalübergabe zugezogen werden, müssen bei 10 bis 50 Rtlr. dafür
haften, daß von den Kontrahenten das abgeschlossene Geschäft binnen 14 Tagen
nach erfolgter Naturalübergabe bei der Hypothekenbehörde angezeigt werde.
§. 1.
Verträge werden entweder vor Gerichten geschlossen und aufgenommen, oder sie werden denselben nur zur Bestätigung eingereicht.
1. Aufnehmung der
Verträge.Was dabei zu beobachten ist.
§. 2.
Bei der gerichtlichen Aufnehmung eines Vertrages müssen zuvörderst die allgemeinen Anweisungen
(39) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.
des vorhergehenden Titels genau beobachtet werden.
A. In Ansehung der Person der Kontrahenten, besonders
§. 3.
Wenn besonders der eine oder der andere kontrahirende Theil mit einem Naturfehler behaftet ist, wodurch derselbe zwar zum kontrahiren noch nicht ganz unfähig wird, dennoch aber die Deutlichkeit und Gewißheit in seinen Willenserklärungen zweifelhaft werden könnte; so muß der Richter vorzügliche Mühe anwenden, um nicht nur sich selbst von der wahren Intention einer solchen Parthei vollkommen zu überzeugen, sondern auch zu verhüten, daß die Gültigkeit oder der Sinn des Vertrages nicht etwa in der Folge, unter dem Vorwande dieses Mangels einer deutlichen oder gewissen Willensäußerung, angefochten werden möge.
a) bei Tauben;
§. 4.
Wenn ein Tauber einen Kontrakt schließen will, so muß der Richter die Vorschläge und Erklärungen des andern Kontrahenten, so wie die Fragen, die Er selbst an ihn ergehen zu lassen, und die Bedeutungen, die er ihm zu thun nöthig findet, von Wort zu Wort niederschreiben, und ihm zum Lesen vorlegen; und eben so seine Antworten und Gegenerklärungen wörtlich niederschreiben: also, daß die mündlichen Unterhandlungen und Traktaten, von denen in gewöhnlichen Fällen nur die Resultate zum Protokolle genommen zu werden pflegen, demselben in einem solchen Falle in extenso einverleibt werden müssen. Das Protokoll selbst muß allemal, statt des gewöhnlichen Vorlesens, dem Tauben zum eigenen Durchlesen gegeben, und, daß solches geschehen, von ihm bei seiner Unterschrift ausdrücklich attestirt werden.
b) bei Stummen;
§. 5.
Wenn ein Kontrahent stumm ist, so muß derselbe
(40) Gerichtsordn. II. Theil. Dritter Titel.
seine Vorschläge und Erklärungen, seine Aeußerungen auf die Anträge des andern Theils, und seine Antworten auf die Fragen und Bedeutungen des Richters, eigenhändig in das Protokoll niederschreiben.
§. 6.
Bei Personen, die taub und stumm zugleich sind, muß der Richter die Vorschriften beider vorhergehenden Paragraphen beobachten.
c) bei Taubstummen;
§. 7
Taubstumme ( A. L. R. Th. II. Tit. XVIII. §. 15. 16.), die nicht schreiben und Geschriebenes lesen können, sind in der Regel nicht fähig, Verträge zu schließen, sondern müssen unter Vormundschaft genommen, und ihre Angelegenheiten durch ihre Vormünder besorgt werden. Wenn jedoch in besonderen Fällen behauptet wird, daß ein solcher Mensch, bei übrigens gehörig entwickelten Verstandeskräften, durch die Zeichensprache von dem, was man ihm zu wissen thun will, hinlänglich unterrichtet werden, und ebenso seinen Willen, durch Zeichen, deutlich und verständlich genug äußern könne; der Fall aber so beschaffen ist, daß entweder die vorzunehmende gerichtliche Handlung durch den Vormund allein nicht vollzogen werden kann, sondern die eigene Mitwirkung der Parthei selbst nothwendig erfordert wird; oder wenn bei der Sache dergestalt Gefahr im Verzuge ist, daß auf die förmliche Bevormundung damit nicht gewartet werden kann: so muß der Richter vor allen Dingen, im erstern Falle, den bestellten Vormund dennoch zuziehen; im letztern aber der Parthei, welche noch nicht förmlich bevormundet ist, einen besondern Kurator zu der gegenwärtigen Handlung zuordnen. Sodann muß er wenigstens zwei von denjenigen Personen, die mit einem solchen Menschen täglich oder
(41) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.
doch oft zusammen kommen und Umgang pflegen, bei der vorzunehmenden Handlung aber kein solches eigenes Interesse haben, welches ihre Glaubwürdigkeit zweifelhaft machen könnte, darüber:
ob und woher sie wissen, daß derselbe durch Zeichen hinlänglich verständigt werden, und seinen Willen auf eben die Art mit Deutlichkeit und Gewißheit äußern könne, an Eides Statt, und mit dem Bedeuten, daß sie sich zur eidlichen Bestärkung ihrer Angaben, auf Erfordern, bereit halten müssten, vernehmen; hiernächst den Gemüthszustand einer solchen Parthei überhaupt, und die Richtigkeit der Angaben von ihrer Fähigkeit, Zeichen zu verstehen, und sich durch Zeichen zu erklären, insonderheit, sorgfältig prüfen; sich davon, durch wiederholte Proben, so vollständig als möglich, überzeugen, und die dießfälligen Verhandlungen umständlich zum Protokolle niederschreiben lassen. Sodann muß zur Sache selbst geschritten, und es müssen dabei wenigstens zwei Personen, welche der mit der Parthei zu redenden Zeichensprache mächtig und seiner Zeichen kundig sind, zugezogen werden. Unter diesen Dollmetschern kann auch der Vormund oder Kurator, wenn sonst die übrigen Erfordernisse bei ihm zutreffen, mit begriffen seyn; doch muß überhaupt der Richter die Vorsicht brauchen, daß er sich bald des einen, bald des andern bediene, um der Parthei die Fragen vorzulegen, oder ihre Erklärungen einzuziehen. Am Schlusse des Protokolls muß der Inhalt desselben, so weit er die vorzunehmen gewesene Handlung selbst betrifft, der Parthei durch den Weg der Zeichensprache nochmals vorgehalten, und ihre Genehmigung darüber auf eben die Art eingeholt werden. Das Protokoll aber müssen, außer den gewöhnlichen Unterschriften, auch diejenigen, durch deren Zeugniß der Richter sich von der hinlänglichen Fähigkeit der Parthei versichert, und deren er sich bei dem Aktus als Dollmetscher
(62) Gerichtsordn. II.Theil. Dritter Titel.
nur mit dem Unterschiede, daß gegen die nicht zugezogenen, oder nicht gehörig vorgeladenen Interessenten, der renovirten Urkunde die Kraft und Wirksamkeit des Originals nicht in gleichem Grade, wie gegen die übrigen, beigelegt werden könne; vielmehr Ersteren ihre etwanigen Einwendungen gegen die Richtigkeit und Authentizität des Renovati vorbehalten bleiben. Bei der Renovation selbst wird nach der Vorschrift §. 27. wie bei Anfertigung einer vidimirten Abschrift, welche die Kraft des Originals haben soll, verfahren. Kommen Stellen vor, die, weil die Schriftzüge nicht mehr ganz deutlich sind, von den Interessenten verschieden gelesen werden; so ist diejenige Lesart, welche dem renovirenden Richter mit den noch vorhandenen Schriftzügen am besten übereinzustimmen scheint, in den Kontext aufzunehmen; alle übrige aber müssen, wenn die Partheien sich darüber nicht vereinigen können, in besonderen, am Rande beizufügenden Registraturen ebenfalls angeführt, und dabei bemerkt werden: von welchem der Interessenten eine jede derselben als die richtige behauptet worden sey. Doch müssen dabei weder die Partheien noch das Gericht, auf Erörterungen oder Streitigkeiten über die Erklärung oder Ausdeutung solcher Stellen sich einlassen; da dergleichen nicht zu der Handlung der Renovation, sondern allenfalls zur prozeßmäßigen Instruktion und besonderen Entscheidung im ordentlichen Wege Rechtens gehören. Uebrigens versteht es sich von selbst, daß über den ganzen Aktus ein vollständiges Protokoll aufgenommen werden müsse, welches der Ausfertigung der erneuerten Urkunde in beglaubter Abschrift beigeheftet, oder doch daraus in den Eingang der Ausfertigung das Erforderliche, wegen der Interessenten, mit deren Zuziehung die Renovation geschehen, wegen des dabei beobachteten Verfahrens, und wegen
(63) Verfahren bei Aufnehmung d. Verträge.
der von dem einen oder dem andern Interessenten etwa gemachten Bemerkungen, Vorbehalte oder Protestationen, übernommen wird. Die alte Urkunde selbst muss nicht kassirt werden, sondern zum etwanigen künftigen Gebrauche in gerichtlicher Verwahrung bleiben.
VII. Wechselcertifikate
§. 30.
Wegen der Ausfertigung der Certifikate über die Wechselfähigkeit solcher Personen, die an sich zur Ausstellung von Wechseln nach den Gesetzen nicht qualificirt sind, sind die umständlichen Vorschriften des Landrechts Th. II. Tit. VIII. §. 731.-738., ingleichen §. 746. 747., genau zu beobachten. Zur Erläuterung derselben wird hier noch Folgendes beigefügt:
a) Wenn derjenige, welcher die Wechselfähigkeit sucht, sich darum in einer eigenhändig geschriebenen, oder doch unterschriebenen Vorstellung meldet, und seine Hand im Gerichte hinlänglich bekannt ist; so kann eine solche Anmeldung für hinreichend angenommen werden (§. 732.).
b) Die §. 733-735. vorgeschriebene Untersuchung ist nur dann erforderlich, wenn die auszumittelnden Umstände nicht schon bei dem Gesuche selbst hinlänglich bescheinigt, oder dergestalt notorisch sind, daß über deren Richtigkeit kein vernünftiger Zweifel Statt findet.
c) Da den §. 737. bemerkten Personen eine Certioration geschehen soll, so folgt daraus, daß ihnen das Certifikat niemals auf ein bloß schriftlich, oder durch einen Bevollmächtigten angebrachtes Gesuch ertheilt werden könne. Vielmehr müssen dergleichen Personen allemal vor dem Gerichte oder einem Deputirten desselben, persönlich erscheinen; auch muß die geschehene Certioration in dem Protokolle gehörig bemerkt werden.
(64) Gerichtsordn. II.Theil. Dritter Titel.
d) Da jedoch Fälle vorkommen können, daß eine solche Person, welche das Certifikat verlangt, sich zu der Zeit, wo sie desselben bedürftig ist, eben nicht an ihrem gewöhnlichen Wohnorte aufhält; so kann sie sich in einem solchen Falle auch bei einem andern Gerichte melden und certioriren lassen. Wenn alsdann das darüber aufgenommene Protokoll dem schriftlichen Gesuche um die Ausfertigung des Certifikats in beglaubter Form beigefügt wird, so kann das Erforderniß des §. 737. für erfüllt angenommen werden.
e) Das §. 746. 747. vorgeschriebene Verzeichniß ist nach alphabetischer Ordnung unter folgenden Kolonnen zu führen:
1) Stand, Namen und Charakter des Extrahenten;
2) Datum der Ausfertigung des Certifikats;
3) ob und wenn dasselbe zurückgenommen oder mortificirt worden;
4) Signatur der Akten, worin die zur Sache gehörigen Verhandlungen sich befinden.
Dieß Verzeichniß muß der Richter zwar in genauer und sorgfältiger Verwahrung halten; er kann aber die Inspektion desselben, und Atteste daraus, niemanden, der ein scheinbares Interesse dabei anzuführen hat, versagen.
Vierter Titel.
Von dem Verfahren bei Aufnehmung der Testamente und anderer letztwilliger Verordnungen.
Von Testamenten.
§. 1.
Außer den allgemeinen, bei den Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt zu beobachtenden
(65) Verfahren bei Aufnehm. d. Testamente.
Vorschriften des zweiten Titels, enthält das Landrecht selbst Th. I. Tit. XII. §. 66-241. die umständlichsten Anweisungen: wie bei der Auf- und Abnehmung der Testamente und bei deren Publikation zu verfahren sey; also, daß es wiederholter Verordnungen darüber allhier nicht bedarf.
§. 2.
Nur wegen des Verfahrens bei der Niederlegung und Aufbewahrung der Testamente, welche nach der gesetzlichen Vorschrift, bis zur erfolgenden Publikation, im gerichtlichen Deposito verbleiben müssen, sind folgende nähere Bestimmungen erforderlich.
Von solchen, die mündlich vor versammeltem Gerichte, oder
§. 3.
1) Wenn ein Testator seinen letzten Willen vor versammeltem Gerichte mündlich zum Protokolle erklärt, so wird das gehörig aufgenommene und unterschriebene Protokoll in seiner Gegenwart sogleich versiegelt und überschrieben. Ersteres geschieht mit dem Gerichtssiegel, welchem der Testator sein eigenes oder ein anderes selbst gewähltes Petschaft beidrücken kann. Die Ueberschreibung geschieht mittelst einer kurzen Registratur, in welcher bloß bemerkt wird:
daß hierin die letztwillige Disposition des N. N. enthalten sey, welche derselbe, unter dem Dato der Registratur, vor versammeltem Gerichte zum Protokolle erklärt habe.
Diese Registratur wird, bei Kollegien, von dem Vorgesetzten, bei kleineren Gerichten aber von dem Richter, und in beiden Fällen von dem Aktuario oder sonstigen Protokollführer, welcher das Protokoll aufgenommen hat, unterschrieben.
Außerdem wird eine ebenfalls nur kurze, bei den Akten bleibende Registratur aufgenommen, in welcher bloß bemerkt wird:
(66) Gerichtsordn. II. Theil. Vierter Titel.
daß unter dem Dato derselben der N. N. vor versammeltem Gerichte erschienen sey, und seinen letzten Willen zum Protokolle erklärt habe; daß das hierüber aufgenommene Protokoll in seiner Gegenwart versiegelt und überschrieben, und zur gerichtlichen Verwahrung angenommen worden sey. Dieser Registratur wird die Ueberschrift des eingesiegelten Protokolls wörtlich eingerückt, und zugleich bemerkt: mit welchen, und mit wie viel Siegeln dasselbe versehen worden. Alsdann ergeht eine Verordnung an die Depositarien, das versiegelte Testament in das gerichtliche Depositum anzunehmen und daselbst zu verwahren. Ueber die wirklich geschehene Niederlegung in den Testamentsdepositalkasten wird von den Depositarien ein Protokoll, so wie bei anderen Ablieferungen in das Depositum, aufgenommen, und der Niederleger erhält eine unter dem Gerichtssiegel ertheilte Abschrift dieses Protokolls, als Rekognition über die erfolgte Niederlegung.
vor einer Deputation errichtet werden.
§. 4.
2) Will der Testator seinen letzten Willen vor einer dazu erbetenen gerichtlichen Deputation in einer Privatwohnung zum Protokoll erklären, so muß er die Ernennung einer solchen Deputation, nach Vorschrift des Landrechts a. a. O. §. 68., durch eigenhändig unterschriebene Vorstellung, oder durch zwei Abgeordnete nachsuchen. Die Originalvorstellung, oder das über das Anbringen der Abgeordneten aufgenommene Protokoll, wird mit der darauf von dem Vorgesetzten des Gerichts, wegen Ernennung der Deputation getroffenen Verfügung, dieser Deputation zugestellt.
Die Deputation muß, nach berichtigtem Punkte, die Identität der Person betreffend, es ihr erstes Geschäft seyn lassen, den angegebenen Testator zu
(67) Verfahren bei Aufnehm. d. Testamente.
vernehmen: ob es wirklich seine Absicht sey, ein Testament zu machen, und ob es mit seinem deshalb angebrachten Gesuche seine Richtigkeit habe.
Sodann verfährt die Deputation mit vorschriftsmäßiger Aufnehmung des Protokolls über die letzte Willenserklärung des Testators. Wenn das Protokoll gehörig abgeschlossen und unterschrieben ist, so besorgt sie die Einsiegelung und Ueberschreibung auf die §. 3. angegebene Art, und wird die auf den versiegelten Umschlag zu setzende Registratur von sämmtlichen Mitgliedern der Deputation unterschrieben. Sodann überreicht dieselbe das versiegelte Protokoll dem Gerichte, mittelst einer schriftlichen Anzeige, die eben das enthalten muß, wie die am angeführten Orte beschriebene besondere Registratur. Auf diese Anzeige wird die Verordnung zur Annahme in das gerichtliche Depositum erlassen, und nach deren Erfolg dem Testator der Extrakt des Depositalprotokolls, statt der Rekognition, zugestellt.
Von schriftlichen Testamenten, die dem Gerichte, oder
§. 5.
3) Wenn ein Testator sein selbst angefertigtes Testament dem versammelten Gerichte verschlossen übergeben will, so muß er sich entweder an einem der ordentlichen Sessionstage persönlich melden, oder, wenn die Anmeldung in der Zwischenzeit schriftlich oder mündlich geschieht, zu einem solchen Sessionstage persönlich beschieden werden.
Wenn er sich nun solchergestalt bei versammeltem Gerichte gestellt, so wird mit der Abnehmung des Testaments von ihm, und mit der Aufnahme eines vollständigen Protokolls darüber, in welchem die Beschaffenheit des Testaments, die ihm von dem Testator etwa gegebene Ueberschrift, und die Zahl der Siegel bemerkt seyn muß, nach Vorschrift des Landrechts a. a. O. §. 100-103. verfahren.
(68) Gerichtsordn. II. Theil. Vierter Titel.
Das übergebene Testament wird demnächst von dem Vorgesetzten des Gerichts präsentirt, und nach Vorschrift §. 3. überschrieben. Auf das Protokoll wird die Verordnung wegen der Annahme des Testaments in das gerichtliche Depositum erlassen, und wenn dieses geschehen ist, dem Testator die gewöhnliche Rekognition nach §. 3. zugestellt.
einer Deputation desselben übergeben werden.
§. 6.
4) Wenn der Testator eine gerichtliche Deputation zur Abnahme des von ihm verfertigten und verschlossen zu übergebenden Testaments verlangt, so finden die Vorschriften des §. 4. überall Anwendung, mit der sich von selbst verstehenden Maaßgabe, daß wegen der Vernehmung des Testators nur die Vorschriften des Landrechts a. a. O. §. 100-103. zu beobachten sind; übrigens aber in dem Protokolle selbst eine genaue Beschreibung des übergebenen Testaments, nach Anweisung des vorstehenden §. 5. enthalten seyn muß. Dagegen ist in der schriftlichen Anzeige, womit das aufgenommene Protokoll, nebst dem übergebenen Testamente, dem Gerichte überreicht wird, eine Wiederholung desjenigen, was in dem Protokolle schon stehen muß, nicht erforderlich.
Vom Verbote der Siegelung und Infentur .(!)
§. 7.
Wenn der Testator bei der Aufnahme oder Uebergabe seines Testaments die gerichtliche Siegelung und Inventur seines Nachlasses verbittet, so muß dessen nicht nur, wie sich von selbst versteht, in dem Protokolle gedacht, sondern auch dieser Erklärung in der auf den Umschlag des Testaments zu setzenden Registratur, und in der dem Testator zu ertheilenden Rekognition, ausdrücklich erwähnt werden.
Aufbewahrung der Testamente.
§. 8.
Die gerichtlich aufgenommenen und übergebenen Testamente bleiben, nach Vorschrift der Gesetze, in
(69) Verfahren bei Aufnehm. d. Testamente.
so fern sie nicht von dem Testator selbst zurückgefordert werden, der Regel nach bis zur erfolgenden Publikation, in gerichtlicher Verwahrung.
Dergleichen Testamente müssen also entweder in einem besonders dazu gewidmeten Behältnisse, oder in einer besondern Abtheilung des Depositalkastens aufbewahrt werden; und wegen der äußern Sicherheit sowohl des Behältnisses selbst, als des Orts und Gelasses, in welchem dasselbe steht, sind alle Vorschriften der Depositalordnung, in Ansehung anderer zum gerichtlichen Deposito gehöriger Urkunden, zu beobachten.
Eben so finden, wegen der Annahme, Aufbewahrung und Zurückgabe solcher Testamente, alle Vorschriften der Depositalordnung, bloß mit den aus der Natur der Sache sich von selbst ergebenden Maaßgaben, Anwendung.
Doch müssen die Gerichte über die Testamente ein besonderes Mandatenbuch, und eben so die Depositarien ein besonderes Protokollbuch halten; dergestalt, daß die Testamente mit den andern Depositis nicht vermischt werden.
Anh. §. 428. Wenn dem Testator aus besonderen Gründen daran liegt, die Existenz seines Testaments geheim zu halten; so kann von dem gewöhnlichen Verfahren, wonach der Vortrag wegen des Testaments durch den Siegelzettel, das Expeditionsbuch und Depositalprotokoll gehen muß, in einzelnen Fällen eine Ausnahme gemacht werden. Auch muß der Vorgesetzte des Gerichts die Sache dergestalt einleiten, daß die Handlung nur den Mitgliedern des Kollegii und dem Sekretär, welche zur Aufnahme des Testaments deputirt worden, und sonst keinem Andern, bekannt werden.
Zurückgabe.
§. 9.
Da einem jeden Testator frei steht, seine letztwillige Disposition zu ändern und zurückzunehmen; so soll es damit folgendergestalt gehalten werden.
(70) Gerichtsordn. II. Theil. Vierter Titel.
Das Gesuch um die Zurücknahme kann der Testator persönlich zum Protokolle, oder durch einen mit gewöhnlicher Vollmacht versehenen Mandatarius, oder auch schriftlich anbringen.
Auf das solchergestalt angebrachte Gesuch muß aber ein Termin zur Zurückgabe schriftlich anberaumt, und der Testator vorgeladen werden, in diesem Termine entweder in Person, oder durch einen mit gerichtlicher Specialvollmacht versehenen Mandatarius zu erscheinen; das Testament aus den Händen des Gerichts zurück zu empfangen; und die wegen geschehener Niederlegung erhaltene Rekognition zurück zu geben, oder dieselbe zu amortisiren. Zugleich mit dieser Vorladung muß auch eine Verordnung an die Depositarien erlassen werden, in dem anberaumten Termine das Testament aus der gerichtlichen Verwahrung heraus zu nehmen, und an das Gericht abzuliefern.
Befindet sich der Testator an dem Orte selbst, wo das Gericht seinen Sitz hat; so muß er den Termin in Person abwarten, oder die Rückgabe in seiner Behausung, zu eigenen Händen, durch eine Deputation, nachsuchen. Nur für abwesende Testatoren können Specialbevollmächtigte zugelassen werden.
Wenn nun in dem Termine der Testator gehörig erscheint, so muß ihm das versiegelte Testament zur Erklärung: ob es wirklich dasjenige sey, welches von ihm ehemals niedergelegt worden, vorgezeigt; ihm sodann zurückgegeben, über die ganze Verhandlung ein Protokoll aufgenommen, und selbiges von dem Testator, oder seinem gerichtlichen Specialbevollmächtigten, mit unterschrieben werden.
Da nach diesen Vorschriften zwischen der Rückforderung eines Testaments, und dessen wirklicher Zurückgabe, doch immer einige Zeit verlaufen kann, und nach der Vorschrift des Landrechts Th. I. Tit. XII. §. 569. ein Testament durch die bloße Zurückforderung
(71) Verfahren bei Aufnehm. d. Testamente.
allein noch nicht entkräftet wird; so müssen die Gerichte sich die vorzüglichste Beschleunigung aller dergleichen, die Retradition eines Testaments betreffenden Verfügungen ganz besonders angelegen seyn lassen.
Anh. §. 429. Soll die Zurückgabe eines Testaments durch eine Kreis-Justizkommission erfolgen, so kann derselben das Testament mit der Post übersendet werden.
Publikation.
§. 10.
Die Fälle, in welchen die Publikation eines Testaments, nach notorisch erfolgtem oder gehörig nachgewiesenem Absterben des Testators, auf das Ansuchen eines Interessenten, oder auch von Amtswegen zu verfügen; was für Personen dabei zuzuziehen, und wie bei der Publikation selbst zu verfahren sey, sind in den Gesetzen umständlich vorgeschrieben (A. L. R. a. a. O. §. 209-225.). Es muß also, wenn der Termin zur Publikation eines Testaments anberaumt wird, zugleich den Depositarien die Herausgabe desselben an das Gericht nach der Verordnung §. 9. anbefohlen werden.
Anh. §. 430. Verlangt ein überlebender Ehegatte aus besonderen Gründen, daß ein von ihm und dem Verstorbenen errichtetes wechselseitiges Testament nach geschehener Publikation anderweit wieder bis zu seinem Ableben versiegelt deponirt werde; so kann demselben nach vorher gegangener vorschriftsmäßiger Bekanntmachung an sämmtliche darin benannte Erben und Legatarien gewillfahrt werden.
§. 11.
Auch wegen der, nach erfolgter Publikation, durch den Richter von Amtswegen zu verfügenden Bekanntmachungen, hat es bei den Vorschriften des Landrechts a. a. O. §. 230-239. sein Bewenden.
§. 12.
In Ansehung der bei dem Kammergerichte bisher Statt gefundenen, auf die Lokalität gegründeten
(72) Gerichtsordn. II. Theil. Vierter Titel.
Verfassung, wegen Annahme der
Testamente in die gerichtliche Verwahrung, deren Asservation und Herausgabe,
wird es bei dem Reskripte vom 12. Sept. 1791 vor der Hand noch ferner belassen.
Publikation anderer letztwilliger Verordnungen.
§. 13.
Wenn nach der gesetzlichen Vorschrift des Allgemeinen Landrechts Th. I. Tit. XII. §. 241. eine außergerichtliche Disposition den Gerichten zur Publikation eingereicht wird, so muß derjenige, der dieselbe bisher in Händen gehabt hat, sofort umständlich vernommen werden: wie er zu dieser Gewahrsam gekommen, und was ihm von dem Hergange und den Umständen, welche bei Errichtung der Disposition vorgefallen sind, etwa bekannt sey. Das hierüber aufgenommene Protokoll muß, nach erfolgter Publikation der Verordnung selbst, denjenigen, welche bei der Sache ein Interesse haben, von Amtswegen vorgelegt oder abschriftlich mitgetheilt werden.
Testamentsakten.
§. 14.
Ueber die Verhandlungen wegen eines bei den Gerichten niedergelegten Testaments, müssen für ein jedes besondere Testamentsakten gehalten, und diesen alle Vorstellungen, Protokolle und Verfügungen, welche dieß Testament betreffen, vollständig beigeheftet werden. Zu diesen Akten gehört auch das Originaltestament, nach erfolgter Publikation desselben; und sind daher diese Akten mit vorzüglicher Sorgfalt in dem Archive des Gerichts aufzubewahren.
Von Erbverträgen.
§. 15.
Wegen Aufnehmung, gerichtlicher Niederlegung und Aufbewahrung der Erbverträge finden die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts a. a. O. §. 621-623., übrigens aber die obigen Anweisungen, unter den, aus der Natur eines Vertrags, und der dabei
(73) Verfahren bei Aufnehm. d. Testamente.
Statt findenden Mitwirkung zweier Kontrahenten, von selbst fließenden Maaßgaben, Anwendung. Die bei Verträgen überhaupt den Gerichten im Zweiten und Dritten Titel zur Pflicht gemachten Prüfungen, müssen bei Erbverträgen, wenn zu deren Aufnehmung eine Deputation erbeten worden, nur von dieser angestellt werden; also, daß ein Vortrag darüber im versammelten Gerichte, dergleichen sonst bei anderen Kontrakten in der Regel geschehen muß, bei Erbverträgen nur alsdann Statt findet, wenn es die Kontrahenten ausdrücklich verlangen. Daß übrigens bei Erbverträgen unter Eheleuten, die in einem und eben demselben Instrumente mit dem eigentlichen Ehevertrage errichtet werden, überall nur die Form der letztern zu beobachten sey, ist bereits im Ersten Titel vorgeschrieben.
Anh. §. 431. Wenn die den Vertrag schließenden Eheleute die Geheimhaltung desselben nicht verlangen, sondern solchen zur richterlichen Prüfung und Bestätigung vorlegen; so kann damit wie bei einem andern Vertrage verfahren, und den Paciscenten auf ihr Verlangen eine Ausfertigung ertheilt werden.
Jedoch wird dadurch, daß der Erbvertrag unversiegelt den Gerichten übergeben worden, die Versiegelung und überhaupt die bei den Testamenten vorgeschriebene Form nicht ausgeschlossen.
Fünfter Titel.
Von dem Verfahren bei Siegelungen nnd Inventuren in Sterbefällen.
Pflichten des Richters bei Sterbefällen überhaupt;
§. 1.
Von Erbschaften überhaupt; von dem Anfalle derselben; von Antretung der Erbschaft mit oder ohne den Vorbehalt der Rechtswohlthat des Inventarii; von deren Entsagung; von der dem Erben zur Erklärung hierüber zu Statten kommenden
(74) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
Ueberlegungsfrist; von den rechtlichen Folgen der Erbschaftsantretung mit oder ohne Vorbehalt; von den Rechten und Verbindlichkeiten eines Beneficialerben insonderheit; von seiner Befugniß, auf Eröffnung eines erbschaftlichen Liquidationsprozesses anzutragen; von dem Rechte der Gläubiger, den Erben dazu anzuhalten, wenn derselbe, unter dem Vorwande der besorglichen Unzulänglichkeit des Nachlasses, ihnen die Zahlung ihrer Forderungen vorenthält; so wie von dem gerichtlichen Verfahren bei Erbtheilungen und erbschaftlichen Liquidationsprozessen, sind die nöthigen Vorschriften theils im Allgemeinen Landrechte, theils in der Prozeßordnung enthalten (A. L. R. Th. I. Tit. IX. §. 350. u. f. Prozeßordn. Tit. XLVI. LI. Abschn. II.).
besonders wegen Belehrung der Erben.
§. 2.
Damit nun niemand, aus Unwissenheit der Gesetze, gegen diese Verordnungen in vorkommenden Fällen handeln, und dadurch sich selbst in Schaden und Nachtheil setzen, oder auch zu Verdunkelungen und Verwirrungen der Erbschaftsangelegenheiten Anlaß gegeben werden möge; so müssen die Gerichte, besonders an Orten, wo keine Justizkommissarien bestellt sind, und wenn die Erben unter die Klasse der gemeinen in Geschäften unerfahrenen Leute gehören, denselben diese Vorschriften, besonders die rechtlichen Folgen der mit oder ohne Vorbehalt geschehenen Antretung der Erbschaft, die im letztern Falle nothwendige baldige Anfertigung und Niederlegung des Inventarii, und die Nachtheile, die aus dessen Unterlassung für sie entstehen könnten, bekannt machen und deutlich erklären; auch, wie dieses geschehen, zum Protokolle vermerken.
§. 3.
Was der Richter zu thun habe, wenn die Erben eines Nachlasses unbekannt, ungewiß, oder abwesend
(75) Verfahren bei Sterbefällen.
und weit entfernt sind; ingleichen, wenn sich zu einem solchen Nachlasse gar keine Erben finden, mithin derselbe als erbloses Gut zu betrachten ist, wird ebenfalls in den Gesetzen umständlich vorgeschrieben (A. L. R. Th. I. Tit. IX. §. 465. u. f.).
Es ist also im gegenwärtigen Titel nur noch von dem gerichtlichen Verfahren bei Siegelungen und Inventuren zu handeln.
A. Von Siegelungen. Wenn dieselben von Amtswegen zu verfügen.
§. 4.
Siegelungen werden von dem Richter entweder von Amtswegen, oder auf das Ansuchen eines Interessenten verhängt.Von Amtswegen muß der Richter die Siegelung veranlassen:
1) wenn die vermuthlichen nächsten Intestaterben unbekannt, ungewiß, oder sämmtlich von dem Orte, wo der Erblasser verstorben, abwesend sind;
2) wenn die vermuthlichen nächsten Erben sämmtlich fremde, und nicht Königliche Unterthanen sind;
3) wenn unter den vermuthlichen nächsten Erben Minderjährige, Wahn- oder Blödsinnige, oder gerichtlich erklärte Verschwender sich befinden, und der Verstorbene keinen Ehegatten hinterlassen hat.
§. 5.
Auch in anderen Fällen ist der Richter befugt, die Siegelung von Amtswegen zu veranlassen, wenn besondere Zeit- oder andere Umstände es nothwendig machen, mit vorzüglicher Sorgfalt zu verhindern, daß nichts aus dem Nachlasse weggebracht, vielmehr Alles in dem Stande, worin es sich zur Zeit des Todes befunden hat, erhalten werde.
Anh. §. 432. Baare Gelder, geldwerthe Papiere und Pretiosen sind in der Regel zum gerichtlichen Deposito zu nehmen.
§. 6.
Wenn der Verstorbene ein solcher Königlicher
(76) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
oder anderer öffentlicher Bedienter gewesen, welcher entweder Briefschaften oder Gelder, die zu seinem Amte gehören, in Händen gehabt; so kann, ohne Unterschied: ob der übrige Nachlaß gerichtlich gesiegelt wird oder nicht, dasjenige Kollegium, bei welchem, oder unter welchem der Verstorbene wegen seines Amts gestanden hat, die Versiegelung der Briefschaften und Gelder vornehmen.
§. 7.
In wie fern auch in Fällen, wo die Siegelung von Amtswegen zu verfügen wäre, dieselbe wegen eines von dem Erblasser geschehenen Verbots unterbleiben müsse, ist in den Gesetzen bestimmt (A. L. R. Th. II. Tit. XVIII. §. 372-375.); wobei sich jedoch von selbst versteht, daß auch ein solches Verbot den Richter nicht hindern könne, mit der Siegelung zu verfahren, wenn es die Sicherheit des Staats, oder die Erhaltung der zu dem Amte des Verstorbenen gehörenden Gelder und Briefschaften erfordern.
Auf wessen Instanz sie zu veranlassen.
§. 8.
In Fällen, wo eine Versiegelung von Amtswegen nicht erforderlich ist, kann selbige nur auf den Antrag eines Interessenten, er sey einer der Erben, ein Verwandter, ein Hausgenosse oder auch ein Fremder, verhängt werden. Derjenige, welcher sich darum meldet, muß sein Interesse bei der Sache anzeigen. Wenn inzwischen dieses Interesse nicht ganz offenbar ungegründet und nicht klar ist, daß die Siegelung bloß aus Chikane verlangt werde; so muß der Richter das Gesuch, wenn es kurz nach dem Todesfalle angebracht wird, nicht leicht ablehnen, sondern demselben gemäß verfügen; da in dergleichen Fällen, wo gemeiniglich Gefahr im Verzuge vorwaltet, die Zeit nicht hinreicht, sich auf weitläufige Erörterungen über das Recht und Interesse des Extrahenten,
(77) Verfahren bei Sterbefällen.
oder auf Nachforschungen, ob schon ein Besitzer der Erbschaft vorhanden sey, einzulassen; vielmehr es allemal unbedenklicher ist, mit der Siegelung zu verfahren, als den Nachlaß dem Anlaufe, dem Abbringen und unbefugten Besitzesergreifungen auszusetzen.
§. 9.
Wenn hingegen die Siegelung erst nachgesucht wird, nachdem schon einige Zeit nach dem Ableben des Verstorbenen verstrichen ist, und sich schon jemand als Erbe im Besitze des Nachlasses notorisch befindet; so kann dieselbe nur verhängt werben, wenn der Erbe sich des Durchbringens der Erbschaft verdächtig macht, oder überhaupt für einen solchen zu achten ist, gegen den, oder dessen Vermögen, den Rechten nach, Arrest oder Sicherheitsbestellung gesucht werden kann.
§. 10.
In einem solchen Falle muß derjenige, welcher auf die Siegelung anträgt, sein Interesse, und die bei dem Besitzer der Erbschaft obwaltende Unsicherheit bescheinigen; und es muß sowohl bei der vorläufigen Prüfung eines solchen Gesuchs, als wegen Verhängung der Sperre selbst, des über die Rechtmäßigkeit derselben zu veranlassenden Verfahrens, der Wiederaufhebung der Sperre gegen Kaution, und sonst überall, die Vorschrift des XXIXsten Titels der Prozeßordnung, von Arresten, beobachtet werden.
Besonders auf Instanz der Gläubiger.
§. 11.
Wenn die Forderung eines Erbschaftsgläubigers so beschaffen ist, daß deswegen auf das Vermögen des Erblassers selbst ein Arrest Statt gefunden haben würde; so kann ein solcher Gläubiger auch gegen den Erben auf die Siegelung des Nachlasses, oder eines solchen Theils desselben, als zur
(78) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
Deckung seines Anspruchs erforderlich und hinreichend ist, antragen.
§. 12.
Eben so kann ein Gläubiger des Erben, dessen Forderung zum Arreste qualificirt ist, die Verhänguug desselben in den seinem Schuldner zugefallenen Nachlaß suchen; doch bleibt den Gläubigern des Erblassers die Befugniß, auf die Absonderung des Nachlasses von dem eigenen Vermögen des Erben anzutragen, vorbehalten.
Wenn mehrere Erben sind.
§. 13.
Sind mehrere Erben vorhanden, und die §. 10., 11., 12. angeführten Gründe, die Siegelung nachzusuchen, treten nur gegen einen oder etliche unter ihnen ein; so kommt es darauf an: ob die sämmtlichen Erben sich im gemeinschaftlichen Besitze des noch ungetheilten Nachlasses befinden; oder ob gewisse Theile des Nachlasses von diesem, andere aber von jenem Erben besessen werden.
Im ersten Falle kann die Versiegelung der ganzen Erbschaft gesucht werden; es wäre denn, daß die Miterben dem Extrahenten tüchtige Kaution, wegen alles Weg- oder Durchbringens von Seiten ihres in Anspruch genommenen Mitgenossen, und für alle Folgen davon, bestellten.
Im zweiten Falle ist nur derjenige Theil des Nachlasses unter die Sperre zu nehmen, welcher von demjenigen Erben, gegen den der Antrag gerichtet ist, besessen wird.
Verlangen die andern Miterben die Wiederaufsiegelung, und daß ihnen der Besitz, mit Ausschluß des in Anspruch genommenen Konsorten, überlassen werde; so ist ihnen darunter zwar zu willfahren; sie müssen aber, bei Vermeidung doppelter Erstattung, diesem Erben, ohne Vorwissen
(79) Verfahren bei Sterbefällen.
und Genehmigung des Extrahenten, oder des Gerichts, nichts aus dem Nachlasse verabfolgen.
Welchem Gerichte die Siegelung zukomme.
§. 14.
Die Versiegelung kann in der Regel nur bei demjenigen Gerichte, unter welchem der Erblasser seinen persönlichen Gerichtstand gehabt hat, nachgesucht, und nur von diesem verfügt werden.
§. 15.
Wird also die Siegelung bei einem andern Gerichte nachgesucht, und das kompetente Gericht befindet sich an eben dem Orte; so muß ersteres sich aller Verfügung enthalten, und den Supplikanten an den kompetenten Richter lediglich verweisen.
Wird aber an einem Orte, wo das kompetente Gericht sich nicht aufhält, die Versiegelung des daselbst befindlichen Nachlasses, oder eines Theils davon, bei dem ordentlichen Richter desselben Orts nachgesucht; so muß dieser zwar damit einstweilen verfahren, zugleich aber dem eigentlich kompetenten Richter davon unverzüglich Anzeige machen.
Hat der Verstorbene außer seinem Wohnorte, und außer dem Jurisdiktionsbezirke seines persönlichen Gerichts, Häuser oder Landgüter besessen; so ist das Gericht, unter welchem diese Grundstücke liegen, die Siegelung auf denselben vorzunehmen befugt und schuldig; doch muß auch von ihm dem persönlichen kompetenten Gerichte Anzeige darüber geschehen.
Besonders bei Sterbefällen der Eximirten.
§. 16.
In Provinzen, wo, wegen des beträchtlichen Umfangs der bei Landesjustizkollegien angewiesenen
Jurisdiktionsbezirke, Justizräthe oder andere Commissarii perpetui des Landesjustizkollegii angesetzt sind, muß die Siegelung in denjenigen Fällen, wo sie von Amtswegen Statt findet (§. 4., 5.), von diesen Kommissarien veranlaßt werden; und hat es
(80) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
desfalls bei den für dergleichen Kommissarien besonders ergangenen Reglements und Instruktionen sein Bewenden.
Auch sind in diesen sowohl, als in den übrigen Provinzen, die Magisträte und Gerichte derjenigen Orte, wo das Landesjustizkollegium, oder ein Kommissarius desselben, sich nicht aufhält, bei Sterbefällen eximirter Personen schuldig, zur Abwendung der möglichen Gefahr, die aus dem Verzuge entspringen möchte, zur interimistischen Siegelung der an ihrem Orte befindlichen Verlassenschaft, sobald dieselbe von Amtswegen geschehen muß (§. 4., 5.), auch unersucht zu schreiten; davon aber auch dem Landesjustizkollegio sofort Anzeige zu machen.
Anh. §. 433. Bei Versiegelungen des Vermögens oder Nachlasses eines Regierungsofficianten muß die betreffende Regierung davon benachrichtigt werden, welcher frei steht, an diejenigen Zimmer und Behältnisse, worin Amtsakten zu vermuthen sind, ihre Siegel ebenfalls anlegen zu lassen.
Der Militärpersonen.
§. 17.
Bei dem Absterben solcher Personen, die unter Militärgerichtsbarkeit bis an ihren Tod gestanden haben, muß derjenige Nachlaß, welchen sie bei und um sich gehabt haben, von den Kriegsgerichten versiegelt werden. Wegen des übrigen Nachlasses hingegen kommt die Siegelung demjenigen Civilgerichte zu, unter dessen Jurisdiktion, vermöge des Standes und Ranges der verstorbenen Militärpersonen, ihr Nachlaß aus der durch den Tod aufgehobenen Militärgerichtsbarkeit zurück fällt.
Anh. §. 434. Die Versiegelung des Nachlasses der Militärpersonen gebührt den Civilgerichten, unter welchen der Verstorbene bei seinem Tode gestanden hat.
Anh. §. 435. Die in dem Nachlasse eines Offiziers sich vorfindenden Montirungs- und Equipagestücke sind jedesmal so schleunig als möglich dem Regiments-
(81) Verfahren bei Sterbefällen.
oder Bataillonschef zu überliefern, damit sie der in die Stelle des Verstorbenen eintretende Offizier für die gerichtliche Taxe annehmen könne.
§. 18.
War der Verstorbene im Felde oder auf Kommando, an einem Orte, wo kein Kriegsgericht sich befindet; so liegt dem kommandirenden Offizier ob, für den Nachlaß, welchen er bei und um sich hat, zu sorgen. Ist auch kein kommandirender Offizier vorhanden, so sind die Civilgerichte des Orts zu dieser Obsorge verpflichtet.
Von Siegelungen der Dorfgerichte.
§. 19.
Auch Dorfgerichte müssen, in Abwesenheit des Gerichtshalters, den am Orte befindlichen Nachlaß versiegeln; sie müssen aber davon dem Gerichtshalter, zur weitern Besorgung und Verfügung, schleunigst Anzeige machen.
Der Notarien.
§. 20.
Notarien sind Siegelungen vorzunehmen nicht berechtigt; es wäre denn, daß sie entweder von dem Verstorbenen darum ersucht worden, oder das Gesuch zwar nur von Erben, Gläubigern oder anderen Interessenten angebracht würde, zugleich aber kein Richter sich am Orte oder in der Nähe befände. Alsdann können sie zwar, mit Beobachtung der zu einem Notariatsinstrumente gehörigen Förmlichkeiten, zur Versiegelung schreiten; sie müssen aber auch den Vorfall, mit Einsendung des aufgenommenen Protokolls, dem kompetenten Gerichte sofort anzeigen.
Von Versiegelungen durch inkompetente Behörden.
§. 21.
Wenn von einem nicht kompetenten Gerichte gesiegelt worden ist, ohne daß selbiges eine in den obigen Vorschriften (§. 15. 16.) gegründete Veranlassung gehabt hätte; so kann dasselbe dafür keine Gebühren fordern, und der kompetente Richter ist
(82) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
berechtigt, sobald er den Vorfall in Erfahrung bringt, sein Siegel dem bereits vorhandenen beizudrücken; auch kann er, wenn es demnächst zur Wiederaufsiegelung kommt, das Siegel des inkompetenten Gerichts, ohne dessen Zuziehung, mit dem seinigen zugleich abnehmen.
Ist aber die Siegelung von dem inkompetenten Richter auf den Grund der Vorschriften des §. 15. 16. erfolgt, so hängt es von dem Befinden des kompetenten Gerichts, nach Beschaffenheit der Umstände, ab, es dabei entweder zu belassen, oder sein Siegel beizudrücken. Doch muß in diesem Falle die Abnehmung der Siegel allemal mit Zuziehung desjenigen, der die erste Siegelung verrichtet hat, geschehen.
Eben das findet Statt, wenn der Verstorbene selbst vor seinem Tode auch nur einen Notarius oder einen Freund, auf welchen er Vertrauen setzt, ersucht hat, seinen Nachlaß zu versiegeln.
Wenn gesiegelt werden
müsse.
§. 22.
In Fällen, da die Siegelung von Amtswegen zu verfügen ist, muß der Richter dieselbe sogleich, als er den Sterbefall in Erfahrung bringt, ohne den geringsten Verzug veranlassen. Erfolgt der Tod des Erblassers an eben dem Orte, wo das Gericht sich befindet; so muß die Siegelung noch an demselben Tage, außerdem aber, sobald es nach der Entfernung möglich ist, ins Werk gerichtet werden.
§. 23.
Da aber in weitläufigen Juristiktionsbezirken, und besonders in den Departements der Landesjustizkollegien, die sich ereignenden Sterbefälle, und die dabei eintretenden Umstände, welche eine Versiegelung von Amtswegen nothwendig machen, dem Richter nicht immer sogleich bekannt werden können; so liegt den im Sterbehause gegenwärtigen Verwandten oder Hausgenossen des Verstorbenen, ingleichen
(83) Verfahren bei Sterbefällen.
seinem Hauswirthe, ob, dieserhalb mündliche oder schriftliche Anzeige bei den Gerichten zu thun, wenn sie sich gegen die Erben, oder die Gläubiger des Verstorbenen, außer Verantwortung setzen wollen.
Durch wen?
§. 24.
Zur Versiegelung selbst kann auch nur Eine gehörig vereidete Gerichtsperson, z. B. ein Sekretarius oder Aktuarius, abgeordnet werben; doch muß derselbe bei dem Aktus die im Sterbehause befindlichen Verwandten oder Hausgenossen des Verstorbenen, oder allenfalls den Hauswirth, zuziehen.
Verfahren bei der
Siegelung.
§. 25..
Bei der Siegelung muß in der Verlassenschaft nichts gerührt, noch ein Inventarium darüber aufgenommen werden. Der Siegelnde muß sich vielmehr darauf einschränken, daß er die Gewölbe, Stuben, Kammern, Schreibtische, Schränke, Spinden, Kasten, wie nicht weniger die Boden, Scheuren und Keller, und überhaupt alle Behältnisse, in welchen etwas, so zum Nachlasse gehört, befindlich ist oder vermuthet werden kann, mit dem Gerichtssiegel versiegele.
Nur diejenigen Stuben und Kammern, welche zur Leiche und zum Gebrauche der etwa im Hause bleibenden Verwandten, Freunde und Bedienten nöthig sind, werden offen gelassen; die in selbigen befindlichen Meublen aber, die nicht niet- und nagelfest, oder zum Gebrauche unentbehrlich sind, besonders die in den offen bleibenden Gelassen sich befindenden Schränke, Schreibtische, Kasten, Kommoden und andere dergleichen Behältnisse, werden in ein Zimmer, dessen Thüren verschlossen und versiegelt werden können, gebracht. Ueber die in den offen bleibenden zurückgelassenen Sachen wird ein richtiges Verzeichniß aufgenommen; die Aufsicht
(84) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
darüber jemanden von den gegenwärtigen Personen übertragen, und diesem das Verzeichniß zur Mitunterschrift vorgelegt.
§. 26.
Sachen, die außer der Sperre zu lassen sind.
Von den vorgefundenen Geldern und Vorräthen, an Eßwaaren, Getränken, Viehfutter, Leinenzeug, Betten und was sonst zur täglichen Nothdurft gehört, wird nur so viel, als zum Begräbniß, oder auf eine kurze Zeit zur Unterhaltung des Gesindes und vorräthigen Viehes oder auch zu den nöthigsten Bedürfnissen des etwa gegenwärtigen Erben erforderlich ist, herausgelassen, und jemandem unter den Gegenwärtigen zur Aufsicht und künftigen Berechnung, nach einem darüber aufzunehmenden und von ihm mit zu unterschreibenden Verzeichnisse anvertraut. Auch Sachen, die nicht unter die Sperre genommen werden können, z. B. lebendige Thiere, müssen in ein Verzeichnis gebracht, und die Aufsicht darüber muß irgend einer sichern Person anvertraut werden.
§. 27.
Sachen, die dem Verderben unterworfen sind.
Finden sich in dem Nachlasse Sachen, welche, bei längerer Aufbewahrung, dem Verderben unterworfen sind; so muß der Siegelungskommissarius dieselben zwar ebenfalls vor der Hand unter die Sperre nehmen, zugleich aber dem Gerichte, von welchem er seinen Auftrag hat, ohne den geringsten Zeitverlust, zur schleunigen Verfügung davon Anzeige machen. Ist die Gefahr des Verderbens so dringend, daß wegen der Entfernung von dem auftragenden Gerichte die Verfügung desselben nicht abgewartet werben kann; so muß der Siegelungskommissarius selbst dafür sorgen, daß dergleichen Sachen unverzüglich so vortheilhaft, als es nach den Umständen möglich ist, veräußert, oder auf andere Art untergebracht werden.
(85) Verfahren bei Sterbefällen.
Von der Siegelung auf einem
Landgute,
§. 28.
Ist die Siegelung auf einem Landgute zu verrichten, so muß der Kommissarius, wegen der im Wohnhause befindlichen Sachen, nach obigen Vorschriften verfahren; sich von dem Wirthschaftsbeamten den letzten Monatsschluß vorlegen lassen; den vorhandenen Kassenbestand revidiren; davon nicht mehr, als zur Fortsetzung der Wirthschaft erforderlich ist, zurück lassen; und das Uebrige in einem möglichst sichern Behältnisse, im Wohnhause, unter dem Siegel niederlegen; die Getreidebestände und andere Wirthschaftsvorräthe revidiren, und davon so viel, als zur Wirthschaftsnothdurft auf eine kurze Zeit erforderlich ist, absondern, und dem Beamten zur Verwaltung und Berechnung übergeben; das Uebrige aber in den Behältnissen, worin es sich befindet, gleichergestalt versiegeln; sich das Inventarium über das vorhandene Vieh und Wirthschaftsgeräthe aller Arten vorzeigen lassen, und Abschrift davon nehmen; wenn dergleichen Inventarium nicht vorhanden ist, ein vollständiges Verzeichnis darüber anfertigen; übrigens aber den Beamten, zur Fortsetzung der Wirthschaft, auf den bisherigen Fuß, bis auf weitere Verordnung anweisen.
Hat der Verstorbene die Wirthschaft durch sich selbst, und ohne Zuziehung von Wirthschaftsbedienten, geführt; so muß deren vorläufige Fortsetzung dem zurückgebliebenen Ehegatten, oder einem etwa gegenwärtigen majorennen Kinde, oder in deren Ermangelung einem benachbarten sichern Manne und Einwohner des Orts, allenfalls gegen Zusicherung einer verhältnißmäßigen Belohnung, aufgetragen werden.
Ist das Gut verpachtet, so bedarf es nur der Siegelung der etwa daselbst befindlichen, dem Verstorbenen zugehörigen Sachen; da für Alles, was zur Wirtschaft gehört, der Pächter haften muß.
(86) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
bei Kaufmannshandlungen,
§. 29.
Eine zum Nachlasse gehörende Handlung darf der Richter nicht versiegeln, sondern er muß deren Fortsetzung dem von dem Erblasser angenommenen Disponenten übertragen, und nur diesen, wenn es etwa nicht schon geschehen wäre, zur treuen und ordentlichen Verwaltung verpflichten. Ist kein besonderer Disponent vorhanden, so muß sofort ein Aufseher bestellt und gehörig verpflichtet werden. Einem von dem Erblasser schon bestellten Disponenten wird die Fortsetzung der Handlung völlig auf den bisherigen Fuß überlassen; einem Aufseher hingegen, welchen der Richter von Amts wegen bestellt, wird nur eine gewisse Quantität der vorräthigen Waaren, nach einem darüber aufzunehmenden Verzeichnisse, verabfolgt; das übrige Waarenlager aber mit unter die Sperre genommen.
bei Professionen und
Handwerken,
§. 30.
Hat der Erblasser eine Profession, ein Handwerk, oder sonst ein Gewerbe getrieben; so muß die Fortsetzung desselben durch die Siegelung in der Regel nicht gänzlich gehemmt, vielmehr nur ein Aufseher darüber bestellt; von den vorhandenen Materialien und Geräthschaften so viel, als auf einige Zeit zum fortgesetzten Betriebe erforderlich ist, außer der Sperre gelassen, und auch darüber, nach Vorschrift §. 26., ein Verzeichniß aufgenommen werden.
bei öffentlichen Geldern,
Papieren und Briefschaften.
§. 31.
Geschieht die Versiegelung nur deswegen, weil der Verstorbene, als ein Königlicher oder anderer öffentlicher Bedienter, Gelder oder Briefschaften vermöge seines Amts in seiner Gewahrsam gehabt hat; so darf nur die Kasse, die Schreibstube, der Schrank, oder das sonstige Behältniß, in welchem dergleichen Sachen sich befinden oder zu vermuthen sind, unter die Sperre genommen werden.
(87) Verfahren bei Sterbefällen.
Aufsuchung einer vorhandenen willigen Disposition.
§. 32.
Thut sich bei der Versiegelung eine Anzeige oder Muthmaaßung hervor, daß etwa an einem Orte ein Testament, oder andere letztwillige Verordnung des Erblassers, oder eine Rekognition über ein gerichtlich niedergelegtes Testament vorhanden sey; so muß derjenige, welcher die Siegelung verrichtet, mit Zuziehung der gegenwärtigen Verwandten, Freunde, oder Bedienten des Verstorbenen, an dem Orte, wo es zu seyn vermuthet wird, darnach suchen; und wenn er etwa dergleichen findet, es dem Gerichte zur weitern Verfügung einliefern.
Aufnehmung des Protokolls
über die Siegelung.
§. 33.
Ueber die richtig geschehene Versiegelung muß ein genaues Protokoll, mit Specificirung der Anzahl der Siegel, welche nöthig gewesen, so wie mit Benennung der gegenwärtig gewesenen Personen, gehalten, und mit den nach obigen Vorschriften etwa aufgenommenen Verzeichnissen der außer der Sperre gebliebenen Sachen, zu den Akten gebracht werden. Dieß Protokoll muß der Kommissarius in der Regel sogleich im Sterbehause aufnehmen. Wenn jedoch die Kürze der Zeit, oder die Umstände des Falles dieß nicht gestatten; so muß er sich wenigstens die Data zu diesem Prototolle, z. B. die Namen der gegenwärtig gewesenen Personen, die Zimmer und Behältnisse, welche versiegelt worden, die Zahl der angelegten Siegel, die Arten und Quantitäten der aus der Sperre gelassenen Sachen (et)c., auf der Stelle vorläufig notiren, und daraus das Protokoll selbst noch an eben demselben, oder spätestens am folgenden Tage, zu Hause abfassen. Bei dem Protokolle, welches eigentlich nur eine Anzeige über den vorgenommenen Aktus der Siegelung enthält, ist die Mitunterschrift der dabei zugezogenen Personen nicht nothwendig. Hingegen müssen die Verzeichnisse
(88) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
der außer der Sperre gebliebenen Sachen, von demjenigen, dessen Verwahrung oder Berechnung sie anvertraut worden, unterzeichnet seyn.
Vorsichtsregeln bei der
Anlegung und Bewahrung der Siegel.
§. 34.
Der Kommissarius muß die Siegel dergestalt befestigen, dass sie nicht von selbst abfallen, noch ohne Gewalt abgerissen und wieder aufgeklebt werden können. Auch die Fenster und andere Zugänge, die, außer den Thüren, in die versiegelten Behältnisse, führen könnten, müssen hinlänglich verwahrt; die Schlüssellöcher mit anzusiegelnden Streifen bedeckt, und die Schlüssel besonders eingesiegelt werden. Auch muß der Kommissarius die nöthige Vorsicht brauchen, um nicht Thüren und andere Meublen von Werth durch das Lack zu verderben, und sich statt dessen, bei solchen Behältnissen, dünnen grünen Wachses bedienen.
Bleiben Erben, Verwandte oder Freunde im Sterbehause, oder doch am Orte gegenwärtig; so muß der Kommissarius diesen, sonst aber einer andern dazu tauglichen und schicklichen Person, z. B. dem Hauswirthe, die besondere Aufsicht über die Siegel, und daß sie nicht abgerissen werden, auftragen; auch, wie dieses geschehen, im Protokolle bemerken.
Verfahren in der
Zwischenzeit, bis zur Wiederaufsiegelung.
§. 35.
Die einmal angelegte Siegelung muß in der Regel so lange liegen bleiben, bis nach den unten folgenden Vorschriften die Wiederaufsiegelung und Ausantwortung des Nachlasses, mit oder ohne Inventur, erfolgen kann. In der Zwischenzeit darf sich der Richter keiner Verfügungen über den Nachlaß von Amts wegen anmaaßen; außer was etwa auf die Anzeige des Kommissarii, wegen vorhandener, dem Verderben unterworfener Sachen, nach §. 27., oder wegen anderer unvermeidlicher und dringender
(89) Verfahren bei Sterbefällen.
Umstände, zur Konservation des Nachlasses nothwendig geschehen muß. Dergleichen nothwendige Verfügungen kann auch ein nicht kompetentes Gericht in Fällen, wo dasselbe nach §. 15, 16. die Siegelung verrichtet hat, treffen. Was aber bei Siegelungen, die bloß zur Sicherheit minorenner, oder sonst unter Vormundschaft stehender Erben verhängt worden, in dieser Zwischenzeit von dem vormundschaftlichen Gerichte zu besorgen sey, ist in den Gesetzen bestimmt. (A. L. R. Th. II. Tit. XVIII. §. 363 bis 367).
Von der Wiederaufsiegelung;
wenn und
§. 36.
Die Wiederaufsiegelung findet überhaupt alsdann Statt, wenn die Ursache der angelegten Sperre aus dem Wege geräumt ist. Sie ist also in der Regel sogleich zu verfügen, als die Erben, oder der in den gesetzlich bestimmten Fällen (A. L. R. Th. I. Tit. IX. §. 461. u. f. §. 475. u. f.) bestellte Verlassenschaftskurator, dieselbe nachsuchten.
von wem sie geschehen
müsse.
§. 37.
Die Wiederaufsiegelung kann nur von dem Gerichte, welchem der Verstorbene in Ansehung seiner Person unterworfen gewesen, verfügt werden. Jedes andere Gericht, auch wenn es nach Vorschrift §. 15. 16. zur Anlegung der Siegel an sich berechtigt gewesen, muß dennoch, wegen der Wiederaufsiegelung, die Verfügung des kompetenten persönlichen Gerichts abwarten. In wie fern dabei das andere Gericht, welches etwa zuerst gesiegelt hat, zugezogen werden müsse, ist §. 21. verordnet.
Anh.
§., 436.
Bei
der Entsiegelung des Nachlasses eines Regierungsoffizianten müssen die Akten
und Papiere, so sich darunter befinden, dem zuzuziehenden Abgeordneten der
Regierung ausgehändigt werden. Auch ist in einem solchen Falle die Entsiegelung
vorzüglich zu beschleunigen.
Diese
Vorschrift ist gleichfalls zu beobachten, wenn der Verstorbene zwar an sich ein
Justizbedientcr, aber
(90) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
in
anderer Rücksicht einer Regierung zugleich untergeordnet war, und Geschäfte in
Händen hatte, welche zu ihrem Ressort gehören.
Strafe unbefugter oder zu
frühzeitiger Aufsiegelung.
§. 38.
Wer sich unterfängt, ohne Verfügung des kompetenten Gerichts die aufgedrückten Siegel abzureißen, soll, wenn auch die Verlassenschaft unberührt geblieben wäre, nach Bewandtniß der Umstände, mit 10 bis 50 Rthlr. fiskalischer Geld- oder verhältnismäßiger Gefängnißstrafe belegt werben. Ist die Verlassenschaft sogar berührt und eröffnet worden, so muß er, außer der Strafe, den Erben allen Verlust, den sie durch das Juramentum in litem erhärten können, vergüten. Hat er aus dem Nachlasse etwas entwendet, so finden die Vorschriften der Kriminalgesetze wider ihn Anwendung.
Selbst wenn sämmtliche Erben sich unter einander vereinigen, den gerichtlich versiegelten Nachlaß unter sich ohne gerichtliche Uebergabe oder Aufsiegelung theilen zu wollen; oder wenn ein Erbe gegen den andern die Verlassenschaft erstritten hätte: so sollen nichts desto weniger der- oder diejenigen, die sich unterfangen, die gerichtlichen Siegel eigenmächtig abzunehmen oder abnehmen zu lassen, mit vorgedachter fiskalischer Geld- oder Gefängnißstrafe belegt werden.
Verfahren bei der Wiederaufsiegelung.
§. 39.
Die Wiederaufsiegelung besteht in Abnehmung der aufgedrückten Siegel. Diese müssen daher zuvor: ob sie noch alle unverletzt sind, nach Anleitung des Siegelungsprotokolls, untersucht, und der Befund in dem über die gegenwärtige Handlung aufzunehmenden Protokolle bemerkt werden. Ist von dem Kollegio, welchem der Erblasser in Ansehung seines Amtes unterworfen war, besonders gesiegelt worden; und will dieses, ohne die allgemeine Aufsiegelung abzuwarten, die unter die Sperre genommenen Amtssachen
(91) Verfahren bei Sterbefällen.
heraus nehmen: so muß es der Behörde, von welcher die allgemeine Siegelung veranlaßt worden, davon Nachricht geben; damit dieses seine Siegel, so weit es nöthig, abnehmen, und dieselben, nach erfolgter Separation und Herausgabe der Amtssachen, wiederum aufdrücken könne.
Ausantwortung des
Nachlasses, mit oder ohne Inventur.
§. 40.
An wen der aufgesiegelte Nachlaß verabfolgt werden, und oder ob die Ausantwortung desselben mit oder ohne Inventur erfolgen solle, ist nach Unterschied der Fälle, und nach den darauf gerichteten gesetzlichen Vorschriften zu bestimmen. Allgemein wird hier nur festgesetzt:
a) Daß, wenn der Erbe selbst, oder auch nur Einer unter mehreren Miterben, die gerichtliche Inventur verlangt, dieselbe ohne den geringsten Anstand verfügt werden müsse.
b) Daß, wenn zur Zeit der Wiederaufsiegelung ein Streit über die Erbschaft, es sey zwischen mehreren Erbschaftsprätendenten, oder auch zwischen den Erben und Gläubigern vorwaltet, der Richter die Inventur von Amts wegen veranlassen könne, sobald er pflichtmäßig findet, daß sie nöthig sey, um der Verdunkelung oder Schmälerung des Nachlasses, bis zum Ausgange des Prozesses, vorzubeugen.
§. 41.
Soll kein Inventarium aufgenommen werden, so geschieht die Abnehmung der Siegel auf einmal und zu gleicher Zeit. Das darüber angefertigte Protokoll muß aber von dem, welchem der Nachlaß ausgeantwortet wird, mit unterschrieben werden.
§. 42.
Soll die Inventur zugleich geschehen, so muß die Aufsiegelung dergestalt vorgenommen werden, daß die in den aufzusiegelnden Behältnissen befindlichen Sachen nach und nach aufgeschrieben, und,
(92) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
bis dieses vollständig geschehen, die Behältnisse oder Zimmer, worin sie befindlich sind, wieder versiegelt werden. In diesem Falle kann also die Entsiegelung nicht auf einmal geschehen.
Infentur (!). Durch wen sie
vorzunehmen;
§. 43.
Die Aufnehmung eines gerichtlichen Inventarii muß durch eine dazu abgeordnete vereidete Gerichtsperson, mit Zuziehung eines gehörig verpflichteten Protokollführers, geschehen. Doch können die Gerichte dergleichen Handlung auch einem Justizkommissario und Notario auftragen, welcher dabei die gewöhnlichen Instrumentszeugen zuziehen muß.
Ueber den Nachlaß gemeiner Leute auf dem Lande, so wie in Städten, wo keine eigene Gerichte sind, können die Verzeichnisse durch die Dorfgerichte, oder durch ein Mitglied des Polizeimagistrats, unter Direktion und nach der Anweisung des Gerichtshalters, aufgenommen werden.
Besonders bei
Militärpersonen.
§. 44.
Wenn der Nachlaß, welchen eine Militärperson bei ihrem Absterben um und bei sich gehabt hat, von den Kriegsgerichten nach Vorschrift §. 17. versiegelt worden ist; so gebührt denselben auch die Absonderung der zum Dienste des Verstorbenen gehörenden Stücke; sie müssen aber von diesen ein Verzeichniß dem kompetenten Civilgerichte zustellen, und demselben die Inventur der außerdem vorhandenen Sachen überlassen.
Wer dabei zuzuziehen.
§.45.
Von der vorzunehmenden Inventur muß den bekannten, und in der Nähe des Orts befindlichen Erben oder Miterben Nachricht gegeben werden. Ist es noch nicht bekannt, wer Erbe sey, so geschieht die Benachrichtigung an die nächsten bekannten anwesenden Verwandten. Sind auch diese
(93) Verfahren bei Sterbefällen.
nicht bekannt, so muß ein Verlassenschaftskurator bestellt seyn, welcher also der bevorstehenden Inventur beiwohnen muß. Sind die Erben zu weit entfernt, als daß sie bei der nicht füglich länger auszusetzenden Inventur persönlich erscheinen, oder einen Bevollmächtigten dazu ernennen könnten; so muß ihnen zu dieser Handlung ein Mandatarius ex officio bestellt werden.
§. 46.
Wenn von den vorstehend bezeichneten Interessenten jemand auch schon nach angefangener Inventur sich meldet, so muß derselbe unbedenklich zugelassen werden. Außer diesen aber, und außer den vereideten Taxatoren, muß der Kommissarius keinen fremden Personen die Gegenwart bei der Inventur gestatten.
§. 47.
Verfahren bei der Inventur überhaupt;
Alle an dem Orte, wo der Erblasser gewohnt hat, gestorben ist, oder ein unbewegliches Gut besessen hat, befindliche Mobilien und Effekten, sie mögen Namen haben wie sie wollen, müssen genau, mit Bemerkung des Maaßes, des Gewichts, der Anzahl und Beschaffenheit, auch der von den Taxatoren geschehenen Würdigung, aufgezeichnet werden; ohne daß der Kommissarius sich einer Entscheidung: ob etwa dieses oder jenes zur Erbschaft nicht gehöre, anmaaßen, und es aus diesem Grunde aus dem Inventario weglassen darf; doch muß er die desfalls etwa geschehenen Anzeigen in dem Inventario mit bemerken.
Die Aufzeichnung geschieht übrigens, nach Anweisung §. 42., von Zimmer zu Zimmer, so wie die Mobilien und Effekten in einem jeden derselben sich befinden, und mit Bemerkung ihrer Lage. Aus diesen Lokalverzeichnissen werden hiernächst, in dem Inventario selbst, die Sachen von einerlei Art unter
(94) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
gewisse Titel zusammen geschrieben; die Taxe eines jeden Stücks wird ausgeworfen; und die Summe des Werths nach der Taxe, von jedem Titel, bei dem Abschlusse desselben, zusammen gezogen.
insonderheit bei
Zubehörungen.
§. 48.
Bewegliche Sachen, die als Zubehör zu einer unbeweglichen Sache, oder zu einer Gerechtigkeit gehören, z. B. das Wirthschaftsinventarium eines Grundstücks, die Geräthschaften von Fabriken, Kramladen, Apotheken (et)c., werden besonders verzeichnet, und diese Verzeichnisse dem Hauptinventario beigelegt.
bei Büchern.
§. 49.
Bücher brauchen nicht taxirt zu werden, sondern es ist genug, wenn nur die Titel derselben, mit der Angabe des Formats, der Edition und des Bandes verzeichnet sind. Auch ist es, wenn weitläufige Bibliotheken vorhanden sind, nicht nöthig, den Abschluß des Inventarii so lange, bis der Katalogus geendigt worden, auszusetzen.
bei Häusern, Landgütern und
anderen unbeweglichen Sachen.
§. 50.
Häuser, Landgüter und andere unbewegliche Sachen, werden nur nach ihrem Namen, ihrer Qualität, ihrer Lage und Beschaffenheit, in das Inventarium eingetragen. Erhellet aus den Erwerbungsurkunden ein gewisser Werth, oder ist sonst dergleichen Werth im Hypothekenbuche eingetragen, so wird selbiger ausgeworfen. Konstirt kein solcher Werth, das Gut ist aber verpachtet, so wird nach dem Ertrage des Pachtgeldes der auszuwerfende Werth bestimmt. Ist auch auf diese Art kein Werth auszumitteln, so kann der Kommissarius keinen im Inventario auswerfen; denn die Aufnehmung einer Taxe findet bei Gelegenheit der Inventur niemals Statt, sondern es ist die Sache der Interessenten,
(95) Verfahren bei Sterbefällen.
wenn sie dergleichen in der Folge nöthig finden, das Erforderliche deshalb bei dem Richter nachzusuchen.
Bei Briefschaften und Skripturen;
§.51.
Die vorhandenen Urkunden und Briefschaften muß der Kommissarius mit möglichster Aufmerksamkeit durchgehen, und diejenigen, welche auf den statum activum et passivum des Nachlasses irgend eine Beziehung haben, von den übrigen Papieren absondern.
Letztere müssen, so weit es nöthig ist, sortirt, und ihrer in dem Inventario nur unter gewissen allgemeinen Titeln, z. B. Wirthschafts- oder Hausrechnungen, Familienkorrespondenz, gelehrte Korrespondenz (et)c., gedacht werden.
Dabei muß jedoch der Kommissarius sich hüten, daß er nicht aus übertriebener Aengstlichkeit zu weit gehe, oder gar aus unbescheidener Neugier, unter dem Vorwande der Inventur, von vertrauten Familien- und anderen das Vermögen des Erblassers gar nichts angehenden Korrespondenzen Kenntniß nehmen zu wollen, sich anmaaße. Hat daher der Erblasser in seinen Papieren eine gewisse Ordnung beobachtet, und seine Korrespondenzen in gewisse Pakete oder Fächer, nach Unterschied der Gegenstände oder Subjekte, zusammengelegt; so müssen dergleichen Pakete bei der Inventur undurchsucht bleiben, und im Inventario, obgedachtermaaßen, nur unter allgemeinen Rubriken aufgeführt werden.
Hingegen sind diejenigen Dokumente, welche entweder das Eigenthum, die Gerechtsame, Lasten oder Pflichten der zum Nachlasse gehörigen oder anderer Grundstücke, auf welche dem Verstorbenen ein Anspruch zustand, betreffen; oder woraus Aktivforderungen desselben an Andere, sie seyen von welcher Art sie wollen, hervor gehen, umständlich, mit Bemerkung der Person des Ausstellers, der Zeit und
(96) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
des Orts, auch einer kurzen Angabe ihres wesentlichen Inhalts, im Inventario zu verzeichnen.
Betreffen dergleichen Dokumente Geldforderungen, so muß die verschriebene Summe im Inventario ausgeworfen werben.
Finden sich Umstände, aus welchen zu erhellen scheint, daß eine solche Forderung zweifelhaft oder inexigibel sey; so sind auch diese dabei zu bemerken.
wegen der Schulden.
§. 52.
Die auf dem Nachlasse haftenden Schulden muß der Kommissarius ebenfalls, so viel es sich thun läßt, vollständig verzeichnen. Er muß daher, wenn Immobilien vorhanden sind, sich Hypothekenscheine darüber ertheilen lassen; die darin vermerkten Schulden in das Inventarium eintragen, und die Scheine selbst beilegen. Er muß die eingegebenen Rechnungen, Mahnbriefe, die von dem Verstorbenen selbst geführten Rechnungsbücher und andere schriftliche Nachrichten und Anzeichnungen über die Passivschulden, genau nachsehen; auch von den Erben, Verwandten, Hausgenossen und Domestiken sich dasjenige anzeigen lassen, was ihnen von Schulden und Ansprüchen an die Verlassenschaft bekannt sey. Aus allen diesen Nachrichten muß er ein Verzeichnis der angezeigten, oder sonst sich hervor gethanen Schulden anfertigen; dasselbe in einem besondern Titel dem Inventario anhängen; und mit Absonderung der liquiden Posten von den noch illiquiden oder ungewissen, bei jeder der letzteren die Ursachen anzeigen, warum sie vor der Hand noch als ungewiß zu betrachten sey.
Form des Inventarii.
§. 53.
Alle gerichtliche Inventaria sollen nach dem hier
beigedruckten Formulare angefertigt und abgeschlossen werden.
(97) Verfahren bei Sterbefällen.
Protokoll über die
Inventur.
§. 54.
Der Kommissarius muß über den ganzen Aktus der Inventur ein genaues Protokoll halten, und darin die Personen, die sowohl als Interessenten, als in der Eigenschaft von Taxatoren und Sachverständigen, der Inventur beigewohnt haben; die Verpflichtung der Letzteren, in so fern sie nicht etwa (welches ebenfalls zu bemerken) ein- für allemal vereidet sind; die Ordnung, wie bei der Aufzeichnung verfahren worden; was, wenn die Inventur mehrere Tage gedauert hat, an jedem Tage geschehen sey; die Aussagen und Angaben der Erben, der Hausgenossen und Domestiken, der sich gemeldeten Kreditoren und Anderer, welche über den oder jenen den Aktiv- und Passivzustand des Nachlasses betreffenden Punkt vernommen worden sind, und andere dergleichen zur Sache gehörige Nachrichten, treulich verzeichnen.
Aus diesem Protokolle wird hiernächst das Inventarium selbst formirt, und nebst dem Protokolle dem Gerichte übergeben.
Von mehreren
Specialinventariis.
§. 55.
Wenn der Verstorbene an mehr als Einem Orte Vermögen zurück gelassen hat, z. B. wenn er einen doppelten Wohnsitz hatte, oder wenn er, außer seinem gewöhnlichen Wohnorte, Landgüter besaß, auf welchen ein Theil seiner Mobilien und Effekten, seiner Briefschaften u. s. w. sich befand; so wird dennoch, wenn die ganze Inventur einem und eben demselben Kommissario aufgetragen ist, nur Ein Inventarium errichtet, in welchem die an den verschiedenen Orten aufgenommenen Verzeichnisse, unter den gehörigen Titeln, mit der Bemerkung: an welchem Orte diese Stücke sich befinden, zusammen geschrieben werden. Haben hingegen mehrere Kommissarien
(98) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
ernannt, und also auch mehrere Inventaria aufgenommen werden müssen; so hängt es, nach Beschaffenheit der Umstände, von dem Gutbefinden des Erben, und dem Ermessen des Richters ab: in wie fern es nöthig sey, alle diese besonderen Inventaria in Ein einziges allgemeines Inventarium zusammen zu fassen. Wenn aber auch dies nicht geschehen soll, so muß dennoch, um einen Abschluß des ganzen Nachlasses zu erhalten, in demjenigen Specialinventario, welches die meisten und hauptsächlichsten Vermögensstücke enthält, ein Extrakt aus den übrigen Inventariis, sowohl in Ansehung der das Aktivvermögen betreffenden Titel, als in Ansehung des Titels der Schulden, hinzugefügt; darnach der Abschluß gemacht, und die übrigen Specialinventaria diesem Hauptinventario beigeheftet werden.
Genaue Beobachtung obiger
Vorschriften.
§. 56.
Wenn die Verfertiger des Inventarii obigen Vorschriften
nicht völlig nachgekommen sind, so ist zwar das Inventarium nicht für ganz
ungültig zu achten; ist aber die Unterlassung aus Vorsatz, grobem oder mäßigem
Verschulden geschehen, so müssen sie für den Schaden haften, welcher daraus den
Interessenten entstehen kann. Auch sind diese sowohl, als die Gerichte selbst,
befugt, dergleichen verdächtigen oder sorglosen Kommissarien den
Manifestationseid abzufordern..
(99)
Inventarium
des
Nachlasses
des, den in verstorbenen
N. N.
verfertigt, den
von N. N.
(100) Gerichtsordn. II. Theil. Fünfter Titel.
Inventarium
Tit. I. In unbeweglichen Gütern und liegenden Gründen.
Unter diesen Titel gehören Landgüter, Haus, Hof, Aecker, Mühlen, Gärten, Wiesen, Teiche, Weingärten, Kothe, Pfannen- oder Soolengüter und dergl.
Wobei so viel möglich aus den Briefschaften der Besitztitel mit Anführung der Urkunden anzumerken.
Summa .
Tit. II. An Aktivis und ausstehenden Forderungen.
Summa .
Tit. III. An baarem Gelde.
Hierbei müssen die Münzsorten genau angemerkt, und von jeder Art besondere Noten verzeichnet werden.
Summa .
Tit. IV. An goldenen, silbernen und anderen Medaillen und seltenen Münzen.
Summa .
Tit. V. An Juwelen und Kleinodien.
Summa .
(101) Verfahren bei Sterbefällen.
Tit. VI. An Uhren, Tabatieren und anderen kleinen kostbaren oder künstlichen Stücken.
Summa .
Tit. VII: An Gold- und Silbergeschirr.
Summa .
Tit. VIII. An Porzellan.
Summa
Tit. X. An Gläsern.
Summa .
Tit. XI. An Leinenzeug und Betten.
Summa .
Tit. XII. An Meubles und Hausgeräthe.
Summa .
(182) Gerichtsordn. III.Theil. Vierter Titel.
zur Verschaffung einer soliden, prompten und unparteiischen
Rechtspflege, befördert und erreicht werden kann; wie es einem getreuen und rechtschaffenen
Königl. Rath und Justizbedienten wohl ansteht und gebührt. So wahr (et)c. (et)c.
Anh. §. 447. Der von den
Räthen der Justizkollegien abzuleistende Eid ist nach dem §. 445. des Anhangs
zu §. 43. Titel II. Theil III. vorgeschriebenen Formular einzurichten; nur muß
statt der Worte:
,,Insbesondere gelobe ich Genüge leiste"
gesetzt werden:
,,Insbesondere gelobe ich
meinem Vorgesetzten in Amtssachen, der Subordination gemäß, schuldige Folge zu
leisten."
Vierter Titel.
Von dem Amte der Referendarien und Auskultatoren.
§. 1.
Bestellung der Auskultatoren.
Junge Leute, welche sich der Justiz widmen wollen, müssen
sich, nach absolvirten Studien, bei dem Präsidenten oder Chef eines
Justizkollegii schriftlich melden, beglaubte Zeugnisse ihres Fleißes und
Wohlverhaltens auf Akademien beibringen; und sich zugleich zu der vorschriftsmäßigen
Prüfung erbieten. Dergleichen Zeugnisse müssen nicht bloß von einzelnen
Professoren, oder anderen akademischen Lehrern ausgestellt seyn, sondern der
Studirende muß dergleichen Atteste, vor seinem Abgange von der Akademie, dem
Rektor oder Prorektor derselben vorlegen, und sich von diesem sowohl über
seinen dadurch nachgewiesenen Fleiß, als über sein während des Aufenthalts auf
der Akademie beobachtetes sittliches Betragen, ein pflichtmäßiges Zeugniß unter
dem Siegel der Universität ertheilen lassen.
(183) Amt d. Referendarien u. Auskultatoren.
Anh. §. 448. Jeder
Rechtskandidat, welcher als Auskultator angestellt zu werden wünscht, muß ein
Zeugniß der Universität nicht nur über die §. 1. dieses Titels enthaltenen
Gegenstände, sondern auch darüber beibringen, daß er drei Jahre hindurch auf
Universitäten studirt habe. Wer sich nicht über die Vollendung des dreijährigen
akademischen Kursus vollständig ausweiset, darf ohne ausdrückliche Erlaubniß
des Chefs der Justiz zu der §. 3. dieses Titels verordneten Prüfung gar nicht
zugelassen werden. Wenn jedoch solche Umstände eintreten, die in ganz
besonderen Fällen eine Ausnahme von der Regel begründen könnten; so haben die
Landesjustizkollegia an den Chef der Justiz zu dessen weiterer Entschließung zu
berichten.
Anh. §. 449. Dem Gesuch um
Zulassung zur Prüfung muß ein von dem Kandidaten selbst in lateinischer Sprache
abgefaßtes und von ihm geschriebenes curriculum vitae beiliegen, worin sein
Name, sein Alter, der Ort seiner Herkunft, der Name und Stand seiner Eltern,
und die kurze Geschichte seiner Ausbildung auf Schulen und Universitäten
enthalten ist. Dieses curriculum vitae muß auch den nachherigen Berichten über
die Zulassung zum Referendariat und zur dritten Prüfung beigefügt werden.
§. 2.
Ein solcher Kandidat muß hiernächst von Mitteln und
Unterstützung nicht ganz entblößt seyn, damit er während der zu seiner
Vorbereitung und Prüfung erforderlichen Zeit sich seinen Unterhalt verschaffen,
und die Gelegenheit zu seiner Versorgung abwarten könne.
Prüfung.
§. 3.
Die Prüfung solcher Kandidaten muß der Präsident einem oder
zwei Räthen des Kollegii auftragen. Es darf jedoch dieselbe nur darauf
gerichtet werden: ob der Kandidat gute natürliche Fähigkeiten und eine gesunde
Beurtheilungskraft besitze, und ob er sich in der Theorie der
Rechtsgelehrsamkeit gründliche und zusammenhängende Kenntnisse erworben habe.
Die Examina müssen übrigens nicht allen Räthen, ohne
(184) Gerichtsordn. III.Theil. Vierter Titel.
Unterschied und nach der Reihe, aufgetragen werden; sondern
der Präsident muß dazu ein oder zwei Mitglieder des Kollegii, welche, außer den
nöthigen Kenntnissen, zugleich die zu einem solchen Geschäfte erforderlichen
Naturgaben besitzen, aussuchen, und dieselben dem Großkanzler als beständige
Examinatoren bei dem Kollegio vorschlagen.
Anh. §. 450. Bei der Prüfung
muß besonders darauf gesehen werden, ob der Kandidat die lateinische Sprache
versteht. Findet sich, daß er diese auch dem Geschäftsmanne unentbehrliche
Sprache vernachlässigt habe, so soll ihm das Zeugniß der Brauchbarkeit nicht
ertheilt werden. Auch ist die Prüfung nicht auf das bloße bürgerliche
Privatrecht zu beschränken, sondern auf die Theorie der Rechtswissenschaft
überhaupt zu erstrecken, und besonders zu erforschen, ob der Kandidat von dem
Staats- und Völkerrecht wenigstens so viele Kenntnisse erlangt habe, daß er
sich durch fortgesetztes Studium darin so ausbilden könne, wie es seine
künftige Amtslage und Verhältnisse erfordern.
§. 4.
Leute, welchen es an dem einen oder dem andern der §. 3.
bemerkten Erfordernissen ermangelt, müssen ohne alle Nachsicht oder übel
angebrachtes Mitleiden abgewiesen werden; weil es besser ist, dass sie noch in
Zeiten zu einem andern nützlichen Gewerbe greifen, als daß sie den Kollegien
und dem Staate zur Last fallen, oder am Ende wohl gar sich in Bedienungen
einschleichen, wo sie durch ihre Untüchtigkeit dem gemeinen Wesen schädlich
werden.
§. 5.
Wenn hingegen bei der Prüfung eines Kandidaten sich findet,
daß derselbe seine Zeit auf
Akademien wohl angewendet habe, gründliche theoretische
Kenntnisse besitze, und gute Fähigkeiten und Anlagen zu einem künftigen
brauchbaren Justizbedienten zeige; so kann das Kollegium
seine Ansetzung und Verpflichtung zum Auskultator verfügen; und bedarf es
(185) Amt d. Referendarien u. Auskultatoren.
dazu künftig keiner besondern
Approbation vom Hofe. Doch werden die Präsidenten ernstlich erinnert, bei der
Zulassung solcher Auskultatoren, und bei deren Prüfung, die obigen Vorschriften
pflichtmäßig zu beobachten, und die Kollegia mit untauglichen Subjekten nicht
zu belästigen.
Beschäftigung.
§. 6.
Diesen Auskultatoren muß das Kollegium, und besonders der
Präsident, alle Gelegenheit verschaffen, sich von Betreibung der
Rechtsangelegenheiten praktische Kenntnisse zu erwerben; ihnen Akten von allerhand
Art zum Lesen zustellen lassen; sie anweisen, daß sie sich den Gang der Sachen,
und die Bearbeitung der Geschäfte in der Registratur, bekannt machen; auch sie
zur fleißigen und aufmerksamen Gegenwart bei den mündlichen Vorträgen, und
Ablesung der Relationen im Kollegio anhalten.
§. 7.
Die Vorgesetzten der Kollegien müssen die dabei bestellten
Auskultatoren, in so fern deren eine hinlängliche Anzahl vorhanden ist, unter
die Mitglieder des Kollegii dergestalt vertheilen, daß jedem Rathe einer oder
etliche solcher junger Leute angewiesen werden, deren er sich bei Aufnehmung
der Informations- und Instruktionsprototolle als Protokollführer bedienen kann;
die er aber auch zu den Geschäften anzuführen und auszubilden, sich besonders
angelegen seyn lassen muß.
Auch müssen dergleichen Auskultatoren, wenn sie besonders
schon einige Zeit bei dem Kollegio gestanden haben, zur Vernehmung der
Supplikanten, und Anderer, die bei dem Kollegio etwas mündlich anzubringen
haben, gebraucht werden.
Die Auskultatoren und Referentarien müssen sich bei
Niederschreibung der Protokolle einer guten und leserlichen Hand möglichst
befleißigen, damit nicht
(186) Gerichtsordn. III.Theil. Vierter Titel.
durch ihre Vernachlässigung und Sorglosigkeit die Akten mit
unleserlichen Schreibereien angefüllt, und deren fernere Bearbeitung dadurch
erschwert werde.
§. 8.
Die Auskultatoren müssen unterdessen auch für sich selbst
die Prozeßordnung fleißig studiren, und sich mit den in dem Departement des
Kollegii bestehenden Provinzial- und Statutarischen Rechten näher bekannt
machen.
Prüfung zum Referendariat.
§. 9.
Wenn ein Auskultator bei diesen vorläufigen Hebungen und
Geschäften Beweise von Fähigkeiten, Fleiß und Applikation hat; so müssen ihm
Akten zur Anfertigung einer Proberelation daraus zugestellt; diese Relation
aber von dem zweiten Präsidenten oder Direktor, oder von einem Rathe des
Kollegii eigens censirt, und über den Befund dem Kollegio Vortrag gemacht
werden.
§. 10.
Sodann wird mit dem Kandidaten ein nochmaliges Examen,
besonders aus der Prozeßordnung und den Provinzial- und Statutarischen Rechten
vorgenommen; und hiernächst, wenn er darin bestanden hat, wegen seiner
Ansetzung zum Referendario, mit Beischluß der Proberelation und deren Censur,
ingleichen des über sein Examen aufgenommenen Protokolls an den Chef der Justiz
Bericht abgestattet.
§. 11.
Nach erfolgter Approbation wird derselbe als Referendarius
introducirt, und auf den bei seiner Annehmung zum Auskultator bereits
geleisteten Eid nochmals verwiesen.
§. 12.
Ein wesentliches Erforderniß bei
der Zulassung zum Referendariat ist jedoch ein ordentlicher Lebenswandel
(187) Amt d. Referendarien u. Auskultatoren.
und ein nach den Vorschriften der gesunden Vernunft und des
Christenthums eingerichtetes Betragen. Leute also, welche sich liederlichen
oder niederträchtigen Ausschweifungen ergeben haben, müssen nicht zugelassen
werden, wenn es ihnen auch sonst an der erforderlichen Geschicklichkeit nicht
mangeln sollte; und die Kollegia müssen von dem Charakter und der Aufführung
der bei ihnen sich meldenden Kandidaten sichere Nachricht einzuziehen suchen;
auch was sie dadurch in Erfahrung gebracht haben, jedesmal in ihrem Berichte
anzeigen.
Beschäftigung der
Referendarien.
§. 13.
Diese Referendarien müssen nun fernerhin zu künftigen richterlichen
Bedienungen vorbereitet, und ihnen alle Gelegenheit verschafft werden, in den
verschiedenen, bei dem Kollegio vorkommenden Geschäften praktische Kenntniß und
Erfahrung zu erlangen.
Anh. §. 451. Die Präsidenten
müssen mit Nachdruck darauf halten, daß die Auskultatoren und Referendarien den
Sessionen des Kollegii pünktlich beiwohnen, ihre Geschäfte prompt und gründlich
verrichten, sich einer deutlichen Handschrift befleißigen, das
Sudordinalionsverhältniß strenge beobachten, und einen sittlich guten Lebenswandel
führen.
§. 14.
Es müssen ihnen also nicht nur Akten zum Referiren
zugestellt, und jedesmal, besonders im Anfange, geschickte Korreferenten
beigegeben; sondern sie müssen auch zum Memorialvortrage und Dekretiren, unter
der Kontrolle der Räthe, gehörig angewiesen werden.
§. 15.
Eben so sind sie nach wie vor zur Führung aller Arten von
Protokollen, in den Sessionen selbst, bei mündlichen Anmeldungen der Klagen,
bei Vernehmungen der in Person erscheinenden Supplikanten u. s. w., zu
gebrauchen; insonderheit aber bei wichtigeren
(188) Gerichtsordn. III.Theil. Vierter Titel.
und verwickelteren Instruktionen den dazu deputirten Räthen
als Protokollführer beizugeben; damit sie solchergestalt von der Art, die
Sachen einzuleiten und zu behandeln, mit den Partheien umzugehen, aus den
Erzählungen derselben eine deutliche und vollständige Speciem facti heraus zu
ziehen, und wesentliche, zur Sache gehörige Umstände von unnützen und
irrelevanten abzusondern, einen richtigen Statum controversiae festzusetzen, und
die Beweismittel zweckmäßig aufzunehmen, deutliche und praktische Begriffe
erlangen mögen.
§. 16.
Je nachdem die Referendarien auf diese Art sich mehr
Fertigkeit und Uebung in solchen Geschäften erworben haben, muß das Kollegium
sie allmählig zu wichtigeren Arbeiten zuziehen; sie in Fällen, wo die Partheien
die Zuordnung von Rechtsbeiständen bei dem Kollegio nachsuchen, oder ihnen
dergleichen ex officio beigegeben werden müssen, solchen Partheien als
Assistenten, anfänglich unter Aufsicht, nachher aber auch, bei nicht gar zu
weitläufigen und verwickelten Sachen, allein, anweisen; sie in dergleichen
Sachen zu Instruenten bestellen; sie bei auswärtigen Kommissionen, zuerst unter
Direktion eines andern zuverlässigen und geübten Kommissarii, hiernächst aber, in
Sachen von minderer Wichtigkeit, ebenfalls allein, gebrauchen; bei allen diesen
Verrichtungen aber auf ihr Betragen, ihre Art, sich dabei zu nehmen; ihre
Geschicklichkeit, Applikation und Betriebsamkeit beständig Acht haben.
§. 17.a.
Die Referendarien müssen aber ihre Zeit und Aufmerksamkeit
nicht bloß auf Justizsachen anwenden, sondern sich auch in anderen bei einem
Justizlollegio vorkommenden Arten von Geschäften, z. B. im Vormundschafts- und
Hypothekenwesen, zu üben
(189) Amt d. Referendarien u. Auskultatoren.
bemüht seyn; den Vorträgen in dergleichen Angelegenheiten
ordentlich beiwohnen; Akta, so dahin gehören, fleißig lesen; sich bei
Kommissionen, z. B. bei Rechnungsabnahmen, Erbsonderungen ,(et)c. (et)c. gebrauchen lassen; sich nähere Kenntnisse von
der Verfassung und Administration des Depositi zu erwerben suchen; die
Einrichtung der Registratur, die Führung der Bücher und Repertorien, und die in
den diesfälligen Geschäften zu beobachtende Ordnung und Akkuratesse sich so
viel als möglich praktisch bekannt machen; und, mit Einem Worte, keine
Gelegenheit verabsäumen, wo sie in allen und jeden zum richterlichen Amte
gehörigen Geschäften ihre Begriffe erweitern und berichtigen, und sich immer
mehr Uebung und Fertigkeit darin erwerben können.
§. 17b.
In Provinzen, wo Justiz- und Kammerkollegia an einem Orte
sich befinden, kann solchen Referendarien, die schon eine Zeit lang bei dem
Justizkollegio gearbeitet haben, und sich nunmehr auch in den Geschäften des
Kammerressorts praktische Kenntnisse zu erwerben wünschen, gestattet werden,
ihre Ansehung in eben dieser Qualität, auch bei der Krieges- und Domainenkammer
nachzusuchen. Doch müssen alsdann unter den Vorgesetzten beider Kollegien
Einrichtungen verabredet werden, wonach diesen bei beiden Kollegien angesetzten
Referendarien bei dem einen nur solche Geschäfte, und diese nur zu einer
solchen Zeit aufgetragen werden, daß sie an gehöriger Abwartung der Geschäfte
des andern Kollegii nicht behindert werden mögen.
Allgemeine Pflichten.
§. 18.
Uebrigens müssen die den Justizbedienten überhaupt
vorgeschriebenen Pflichten der Rechtschaffenheit, Akkuratesse, Arbeitsamkeit
und Verschwiegenheit auch von den Referendarien heilig beobachtet werden;
(190) Gerichtsordn. III.Theil. Vierter Titel.
und sie müssen während der Zeit, da sie auf dieser Stufe
stehen, sich einer fortgesetzt regelmäßigen und stillen Aufführung befleißigen;
widrigenfalls, wenn sie sich zum unordentlichen Leben, Schuldenmachen und
andern Excessen hinreißen lassen, oder sonst die von ihnen geschöpfte Hoffnung
ihrer künftigen Brauchbarkeit durch unverbesserlichen Leichtsinn, Trägheit oder
Zerstreuungen vereiteln, die Präsidenten auf die Ausstoßung solcher unwürdiger
und untauglicher Subjekte, sonder Anstand oder Schonung, in Zeiten anzutragen
schuldig sind.
Versorgung der Referendarien
§. 19.
Diejenigen hingegen, welche sich durch Fleiß, Applikation,
Versorgung, Lust zur Arbeit, stilles und ordentliches Betragen auszeichnen,
sollen zu wirklichen Justizbedienungen, nach dem Maaße ihrer Talente und
übrigen Kenntnisse, befördert werden.
1) mit Stellen bei
Landesjustizkollegien.
§. 20.
Diejenigen unter ihnen, welche mit den obgedachten
Qualitäten zugleich einen vorzüglichen Grad von Scharfsinn, praktischer
Beurtheilungskraft, Rechtskenntniß, Deutlichkeit und Präcision des Vortrags
verbinden, sollen bei den Landesjustizkollegien als Assessoren und Räthe
bestellt werden.
Vorbereitung und Prüfung.
§. 21.
Dergleichen Subjekten müssen, wenn sie sich durch Führung
der Protokolle, und durch selbst eigene Abhaltung einiger leichter
Instruktionen, in dieser Arbeit schon einigermaßen geübt haben, drei oder vier
Instruktionen in wichtigen und verwickelten Sachen
aufgetragen; ihnen aber dabei jederzeit ein im Instruktionsgeschäfte vorzüglich
geschickter und geübter Rath zugeordnet werden. Anh.§.
452. Die Zulassung zu den Vorbereitungsarbeiten zum dritten Examen sollen die
Präsidenten nur alsdann verfügen, wenn sie sorgfältig geprüft
(191) Amt d. Referendarien u. Auskultatoren.
haben, ob der zur Probeinstruktion sich meldende Referendarius
auch die §. 19. 20. dieses Titels angezeigten Eigenschaften besitze, ingleichen,
ob er hinlängliche Proben seiner Fertigkeit in mündlichen Vorträgen abgelegt
habe.
Anh.§. 453. Als solche
Sachen, welche sich zur Probeinstruktion eignen, können auch erhebliche
Untersuchungen angesehen werden.
§. 22.
Dieser muß dem Referendario die eigene Führung der
Instruktion zwar überlassen, und ihn dabei nur so weit leiten und dirigiren,
daß die Sache selbst, und die Gerechtsame der Partheien durch etwanige Fehler
derselben nicht leiden mögen; er muß aber den Terminen, wenigstens denjenigen,
in welchen die Aufnehmung der Klage, die Beantwortung derselben, die Regulirung
des Statum causae et controversiae, und die Vernehmung der Zeugen erfolgt,
selbst beiwohnen, und sein Benehmen bei Examinirung der Partheien, bei
Abfassung der Protokolle, bei der Auseinandersetzung der Thatsachen, und bei
der Absonderung der erheblichen von den unerheblichen, genau beobachten.
Anh. §. 454. Die zur Aufsicht
bei den Probeinstruktionen bestellten Räthe haben darauf zu sehen, daß die
Instruktion nicht aus den Manualakten zusammen geschrieben, oder die Einlassung
von den Justizkommissarien zum Protokoll diktirt werde. Das über die
Probeinstruktion zu ertheilende Attest muß auch hierüber die pflichtmäßige
Bescheinigung enthalten.
§. 23.
Dieser Aufseher muß hiernächst über den Grad des Fleißes,
der Akkuratesse und Sorgfalt, des Scharfsinns, der Beurtheilungskraft und
Ueberlegung, welche der Kandidat bei diesen Probearbeiten erwiesen hat, ein
umständliches Attest, seiner Pflicht und seinem geleisteten Amtseide gemäß,
ausstellen.
§. 24.
In der Zwischenzeit muß sich ein solcher Referendarius
(192) Gerichtsordn. III.Theil. Vierter Titel.
nach wie vor im Dekretiren und Referiren fleißig zu üben
fortfahren; und es müssen ihm dabei vorzüglich geschickte und akkurate
Korreferenten zugegeben werden.
§. 25.
Wenn nun das Kollegium pflichtmäßig dafür hält, daß der
Kandidat sich durch alle diese Proben zu dem gesuchten Posten eines Raths
hinlänglich geschickt bewiesen habe; so muß der Präsident ein umständliches
Zeugniß darüber ausstellen, und selbiges nebst dem §. 23. beschriebenen
Atteste, und einigen schon abgethanen und reponirten Akten, worin er als
Instruent gearbeitet hat, an den Chef der Justiz einsenden.
An Orten, wo besondere Pupillenkollegia sind, muß der Kandidat von deren
Vorgesetzten ebenfalls ein Attest seines bei selbigem erwiesenen Fleißes, und
der auch in diesem Fache sich erworbenen praktischen Kenntnisse, beibringen.
§. 26.
Der Kandidat muß sich hiernächst bei dem Chef der Justiz
persönlich melden, und die erforderliche Verordnung wegen seiner Prüfung an die
dazu von Seiner Königlichen Majestät verordnete Immediatkommission nachsuchen.
§. 27.
Diese Kommission muß
1) die von dem Chef der Justiz ihr zugefertigten §. 25.
erwähnten Probeakten einem ihrer Mitglieder zur genauen Censur übergeben; sie
muß
2) dem Kandidaten Acta zu einer doppelten Proberelation
zustellen, und dazu weitläufige, wichtige, auf mehreren Quaestionibus facti et
juris beruhende Sachen ganz eigentlich aussuchen. Der Kandidat muß bei
Ausarbeitung dieser Relationen nicht allein von seiner
(193) Amt d. Referendarien u. Auskultatoren.
gründlichen Rechtskenntniß, sondern auch von seiner Gabe,
eine verwickelte Sache deutlich und richtig auseinander zu setzen, und bei
deren Beurtheilung den rechten Punkt zu treffen, ablegen; zu dem Ende auch das
Verfahren bei der Instruktion in den ihm vorgelegten Akten genau prüfen; die
etwanigen dabei vorgefallenen Mängel gehörig anmerken, und seine Meinung, wie
denselben vorgebeugt, oder die Sache kürzer und doch vollständiger, oder sonst
zweckmäßiger hätte zusammengefaßt werden können, abgeben; übrigens aber eine
schriftliche an Eides Statt ausgestellte Versicherung, daß er diese Proberelationen
selbst ohne fremde Beihülfe verfertigt habe, beifügen. Endlich und
3) muß die Kommission ein strenges Examen in der Theorie der
Rechtsgelehrsamkeit mit dem Kandidaten anstellen, und dabei ihre Fragen
dergestalt einrichten, daß nicht bloß sein Gedächtniß, sondern auch der ihm
beiwohnende Grad von Scharfsinn und Beurtheilungskraft dadurch auf die Probe
gestellt werden.
§. 28.
Von dem Ausfalle dieser Prüfung muß die Kommission treu und
umständlich an den Chef der Justiz berichten, und diesem Berichte sowohl die
Censur über die Probeakten, als auch die Proberelationen und deren Censur
beilegen.
§. 29.
Die Kommission muß diesen Bericht hauptsächlich darauf
richten:
ob der Kandidat bei allen mit ihm angestellten Proben eine
so vorzügliche Geschicklichkeit bewiesen habe, daß er vor Anderen als Rath bei
einem Landesjustizkollegio bestellt zu werden verdiene;
(194) Gerichtsordn. III.Theil. Vierter Titel.
oder
ob er nach dem Maße seiner Fähigkeiten und Kenntnisse nur zu
einer minder wichtigen Justizbedienung qualificirt sey.
§. 30.
Diejenigen Referentarien (!), welche sich solchergestalt zu
Rathsstellen gehörig legitimirt haben, sollen bei erster Gelegenheit versorgt,
allenfalls vorläufig nach §. 62. Tit. III. zu Assessoren bestellt, und ein
jeder von ihnen dahin gewiesen werden, wo seine Dienste, nach Beschaffenheit
der Umstände, dem gemeinen Wesen am nöthigsten und nützlichsten sein können.
§. 31.
Ohne dergleichen Vorbereitung und Prüfung aber soll niemand,
wer es auch sey, ohne Unterschied des Standes, der Geburt und seiner vorhin
etwa schon bekleideten Aemter und Würden, zu einer Rathsstelle bei einem
Landesjustizkollegio gelassen, und jedes Gesuch um Dispensation davon, soll als
ein Beweis und Geständniß der Unfähigkeit angesehen werden.
2) Bei Untergerichten.
§. 32.
Referendarien, die zwar ebenfalls eine gründliche Kenntniß
der Gesetze, und eine gute Fertigkeit in Anwendung der Vorschriften der
Prozeßordnung sich durch mehrjährige Uebung erworben, auch sich durch Fleiß und
Applikation, und durch einen stillen regelmäßigen Lebenswandel ausgezeichnet
haben, denen aber ein geringeres Maß an natürlichen Fähigkeiten zu Theil
geworden ist; oder deren häusliche und Familienumstände es nicht gestatten, daß
sie die Versorgung bei einem Landesjustizkollegio abwarten können, sollen nach
dem Verhältniß ihrer Tüchtigkeit, als Räthe bei minder wichtigen
Justizkollegien, als Justizbeamte, Bürgermeister, Richter, Sindici, Assessoren,
Justitiarien u. s w., bei Magisträten,
(195) Amt d. Referendarien u.Auskultatoren.
Stand- (Stadt-?), Land-, Amts- und Patrimonial- oder anderen
Untergerichten, wo sie unter der Aufsicht höherer Kollegien stehen, und von
denselben dirigirt werden können, ihre Versorgung erhalten.
Anh.§. 455. Den Referendarien kann gestattet werden,
Justitiariate zu übernehmen, in so fern sie dadurch nicht abgehalten werden,
ihren Obliegenheiten als Referendarien zu genügen.
§. 33.
Denn es ist Seiner Königlichen Majestät Allerhöchste und
ernstliche Willensmeinung, daß in höchstdero Landen niemand zu irgend einer Justizbedienung,
sie habe Namen wie sie wolle, und gehöre zu einem Departement, wohin sie wolle,
zugelassen werden soll, welcher sich nicht zuvor bei einem Justizkollegio
praktisch formirt hat, und dabei in Ansehung seiner Talente und Kenntnisse
sowohl, als in Ansehung seiner moralischen Grundsätze und Kondukte, hinlänglich
geprüft worden ist.
§. 34.
Wer das Referendariatsexamen mit Beifall ausgestanden hat,
bedarf wegen seiner Qualifikation zu einer ordinairen Untergerichtsbedienung
keiner nochmaligen Prüfung; sondern es ist hinreichend, wenn er sich über sein
ferneres Wohlverhalten durch ein Zeugniß des Kollegii, bei welchem er bisher
gestanden hat, legitimirt.
Nur zu Stellen bei Mediatregierungen und bei Stadt- und
anderen größeren Gerichten in Haupt- und wichtigern Handlungsstädten, ist eine
dritte Prüfung erforderlich, bei welcher die Vorschriften des §. 27. und 28. zu
beobachten sind. Doch ist es nicht nothwendig, daß diese Prüfung bei der
Immediat-Examinationskommission erfolge, sondern sie kann auch dem
Landesjustizkollegio der Provinz aufgetragen werden.
(196) Gerichtsordn. III.Theil. Vierter Titel.
3) Als Justizkommissarien.
§. 35.
Referendarien, welche sich nicht zu einer richterlichen
Bedienung, sondern zum Justizkommissariat bestimmen, sollen dazu, nach der
unten Tit. VII. näher zu bestimmenden Qualifikation, zugelassen werden.
4) Mit Subalternbedienungen.
§. 36.
Diejenigen endlich, denen es zu wirkliche» richterlichen
Bedienungen, oder zum Justizkommissariat, an natürlichen oder erworbenen
Eigenschaften fehlt, oder deren Umstände es nicht erlauben, eine solche
Versorgung abzuwarten; die jedoch von gutem Verstände, einiger Kenntniß und
Uebung in den Vorschriften der Prozeßordnung, insonderheit aber von Fleiß,
Applikation, Liebe zur Ordnung und rechtschaffener Denkungsart hinlängliche
Proben abgelegt haben, sollen mit Sekretär-, Registrator- und anderen
dergleichen Subalternstellen bei Ober- und Untergerichten versorgt werden.
Verpflichtung.
§. 37.
Die Auskultatoren müssen bei ihrer Annahme folgenden Eid
ableisten:
Ich schwöre (et)c.
(et)c.Nachdem ich bei zu einem
Auskultator bestellt und angenommen worden, daß ich Seiner Königlichen Majestät
von Preußen, meinem allergnädigsten Herrn, getreu, gehorsam und unterthänig
sein wolle.
Ferner schwöre ich, die Protokolle getreu, richtig und
akkurat zu führen; die mir von dem Kollegio und dessen Präsidenten
aufgetragenen Geschäfte willig, fleißig und unverdrossen auszurichten; die mir
zugeschriebenen Akten sorgfältig zu referiren; über alle Vorfallenheiten im
Kollegio, und besonders über die Vota der Räthe, ein gewissenhaftes
Stillschweigen zu beobachten; die Gelegenheit, mich zu einer Justizbedienung zu
qualificiren, nach bestem Vermögen zu nutzen; und
(197) Amt d. Referendarien u. Auskultatoren.
mich überall so zu verhalten, wie es einem fleißigen und
getreuen Auskultator und Referendarius wohl anstehet und gebühret. So wahr (et)c. (et)c.
Anh.§. 456. Der von den
Referendarien und Auskultatoren bei ihrer Annahme zu leistende Eid ist nach dem
im §. 445. des Anhangs zu §. 43. Tit. II. Theil III. vorgeschriebenen Formular
einzurichten. Statt der Worte:
„Insbesondere gelobe ich Genüge leiste"
muß gesetzt werden:
„Insbesondere gelobe ich, die
Protokolle getreu und richtig zu führen; die mir von meinen Vorgesetzten
aufgetragenen Geschäfte willig zu übernehmen, und nach meinen Kräften mit
genauer Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften gewissenhaft zu besorgen,
auch diesen meinen Vorgesetzten in Amtssachen, der Subordination gemäß,
schuldige Folge zu leisten."
Fünfter Titel.
Von den Subalternen bei den Justizkollegien.
§. 1.
Zu den Subalternen der Justizkollegiengehören:
1) Sekretarien;
2) Archivare und Registratoren;
3) Kanzellisten und Kopisten;
4) Kanzelleidiener oder Botenmeister und Boten;
5) Exekutoren.
§. 2.
Die allgemeine Pflicht aller dieser Subalternbedienten ist:
daß sie ihres Amts treu und fleißig wahrnehmen; die Vorschriften der
Prozeßordnung, so weit solche sie angehen und auf ihre Dienstgeschäfte
Beziehung haben, genau beobachten; sich aller
(198) Gerichtsordn. III.Theil. Fünfter Titel.
Begünstigung oder Verkürzung der Partheien, aller
Konkussionen und Abforderung ihnen nicht gebührender, oder den vorgeschriebenen
Satz übersteigender Sporteln, bei schwerer Strafe und Kassation gänzlich
enthalten; übrigens aber wegen der durch ihre Hände gehenden Sachen und
Geschäfte, und über die zu ihrer Kenntniß gelangenden Vota, Beschlüsse und
Verfügungen des Kollegii, ein genaues Stillschweigen beobachten, und besonders
von letzteren niemanden, weder den Partheien selbst, noch Anderen, vor der Zeit
etwas eröffnen oder kommuniciren sollen.
§. 3.
Die jedem von ihnen obliegenden Verrichtungen sind in den
folgenden Abschnitten im Allgemeinen bestimmt; nähere Vorschriften aber, wie
die Registratur-, Expeditions- und Kanzelleiarbeiten betrieben werden, und was
für ein Mechanismus dabei Statt finden solle, sind aus dem angehängten
Registratur- und Kanzelleireglement zu entnehmen.
Alle diese Vorschriften enthalten inzwischen nur die Regel,
deren in der besondern und eigenthümlichen Verfassung einzelner Kollegien und
Gerichte gegründete Ausnahmen durch besondere Instruktionen festgesetzt sind.
Erster Abschnitt.
Von dem Amte der Sekretarien.
Bestellung.
§. 4.
Zu Sekretarien sollen keine andere, als solche Leute
genommen werden, die bei einem Gerichte als Referendarien gestanden, und
daselbst von gerichtlichen Angelegenheiten, insonderheit von dem
ordnungsmäßigen Betriebe der Prozesse, gute Begriffe
(199) Von d. Subaltern. b.d. Justizkollegien.
erlangt, übrigens aber sich durch Fleiß, Akkuratesse und
untadelhafte Konduite ausgezeichnet, auch eine richtige deutliche Schreibart in
ihrer Gewalt haben.
§. 5.
Sie erhalten ihre Bestallung auf den Vorschlag des Kollegii,
von dem Chef der Justiz, und werden bei dem Antritte ihres Amts mit dem zu Ende
dieses Abschnitts vorgeschriebenen Eide verpflichtet.
Obliegenheiten.
§. 6.
Diese Sekretarien können, nach dem Befund des Kollegii und
Präsidenten, zu allerlei Arten von Geschäften, z. B. zu Siegelungen,
Inventuren, Testamentsabnahmen und anderen Kommissionen, desgleichen, in
Ermangelung einer hinlänglichen Anzahl von Referendarien, zu Führung der
Protokolle mit gebraucht werden.
Bei dem Expediren.
§. 7.
Ihre Hauptverrichtung aber ist die schriftliche Ausfertigung
und Extension der von dem Kollegio und dessen Mitgliedern, auf die
eingekommenen Memorialien, oder sonst dekretirten Verordnungen, Befehle und
Resolutionen.
§. 8.
Dabei müssen sie sich nach dem Inhalte des Dekrets genau
achten; nichts davon auslassen oder eigenmächtig hinzuthun; den wahren und
richtigen Sinn der Verordnung bestimmt und deutlich ausdrücken; wenn sie aber
in dem Dekrete selbst eine Dunkelheit, Zweideutigkeit oder Unvollständigkeit
wahrzunehmen glauben, dergleichen Bedenken dem Decernenten geziemend anzeigen,
und nähere Erläuterung von ihm darüber erwarten.
§. 9.
Die Sekretarien müssen sich dabei einer guten, reinen und
deutlichen Schreibart befleißigen, und
(200) Gerichtsordn. III.Theil. Fünfter Titel.
die darüber Th. I. Tit. VII. §. 1. gegebenen Anweisungen
aufmerksam befolgen.
§. 10.
Sie müssen auch die einem jeden zukommenden Titulaturen, und
sonst bei dem Kollegio hergebrachten Kurialien gehörig beobachten, darin
eigenmächtig nichts ändern, und die Adressen so einrichten, daß ein jeder
gleich wissen könne: ob der Befehl ihn oder jemand andern angehe; weshalb der
Vor- und Zuname der Partheien, ingleichen ihr etwaniger Charakter oder
bekleidendes Amt, in diesen Adressen so viel als möglich ausgedrückt werden
müssen.
§. 11.
Besonders müssen die Sekretarien den mit ausländischen
Kollegien hergebrachten Stylum curiae sorgfältig beobachten, damit diese, unter
dem Vorwande eines dabei begangenen Verstoßes, nicht Gelegenheit nehmen, die
Antwort oder Befolgung der Requisition zu versagen.
§. 12.
Auf dem Koncepte der Expedition müssen die Sekretarien
bemerken: ob und was dafür an Gerichtstaxen zu bezahlen sey, und was für ein
Stempelbogen zur Ausfertigung des Mundi genommen werden solle; wobei sie die
Vorschriften der Sportultaxe und des Stempeledikts genau und pflichtmäßig zu beobachten
haben.
§. 13.
Unter dem Dekrete müssen sie bemerken, wann ihnen dasselbe
zur Expedition zugestellt worden ist, und wann sie diese zur Revision des
Decernenten abgegeben haben.
§. 14.
Alle von ihnen gefertigte Expeditionen müssen sie in das,
nach näherer Anweisung der Beilage, zu führende
(201) Von d. Subaltern. b.d. Justizkollegien.
Expeditionsbuch, unter dem Dato, wo eine jede wirklich
koncipirt worden, gehörig eintragen, und den, nach eben dieser Anweisung, aus
dem Expeditionsbuche zu fertigenden Siegelzettel gehörig revidiren und
attestiren.
Kontrasigniren.
§. 15.
Die in der Kanzellei gefertigten Munda der Dekrete müssen
die Sekretarien mit den Koncepten kollationiren, und nach richtigem Befund
gehörig kontrasigniren.
§. 16.
Haltung des Gerichtskalenders.
Die Termine, welche nicht vor einzelnen Mitgliedern und
Deputatis, sondern vor dem versammelten Kollegio anstehen, müssen die
Sekretarien in einen des Endes zu haltenden Gerichtskalenders eintragen. Aus
diesem Gerichtskalender muß an jedem Sessionstage ein Extrakt dem Präsidenten
vorgelegt werden, damit derselbe darauf Acht haben könne, daß die anstehenden
Termine vor sich gehen, und die Sachen nicht liegen bleiben.
Depositalwesen.
§. 17.
Worin die Pflichten und Verrichtungen der Sekretarien bei Depositalwesen
bestehen, ist in der Depositalordnung näher bestimmt.
Aufsicht über die Kanzellei.
§. 18.
Die Sekretarien sind schuldig und berechtigt, auf Ordnung
und Akkuratesse in der Kanzellei zu halten, und die Kanzellisten zu ihren
Pflichten anzuweisen. Wenn sie also Unordnungen oder Unrichtigkeiten dabei
wahrnehmen, müssen sie es dem Präsidenten, zur nähern Untersuchung und Remedur,
sofort anzeigen. Was dabei die Obliegenheit des Protonotarii und
Kanzelleidirektors sei, bestimmt das beigedruckte Reglement.
Allgemeine Pflichten.
§. 19.
Die Sekretarien müssen sich täglich, Sonn- und
(202) Gerichtsordn. III. Theil. Fünfter Titel.
Festtage allein ausgenommen, um Acht Uhr Vormittags auf dem
Kollegienhause und in dem ihnen darin angewiesenen Expeditionszimmer einfinden,
und ihren Verrichtungen obliegen; auch dasjenige, womit sie Vormittags nicht
fertig werden können, den Nachmittag nachholen.
§. 20.
Ohne Erlaubniß des Präsidenten
dürfen sie nicht zurück bleiben, noch weniger sich über Nacht von dem Orte, wo
das Gericht seinen Sitz hat, entfernen, oder gar Reisen unternehmen.
§. 21.
Die Expedition müssen sie möglichst beschleunigen:
dergestalt, daß, der Regel nach, alle bei einer Session dekretirte Sachen noch
an eben dem, oder spätestens am folgenden Tage, zur Revision der Decernenten
gelangen können.
§. 22.
Die Sekretarien müssen sich bei dem Antritte ihres Amtes mit
folgendem Eide verpflichten:
Ich schwöre. (et)c.
(et)c. Nachdem ich bei zum Sekretario
ernannt und angenommen worden, daß ich Sr. Königlichen Majestät von Preußen,
meinem allergnädigsten Herrn, treu, gehorsam und unterthänig seyn wolle. Ferner
schwöre ich, die Pflichten des mir anvertrauten Amtes gewissenhaft zu
beobachten; alle von dem Kollegio und desselben Präsidenten mir aufgetragene
Verrichtungen willig zu übernehmen, und nach bestem Vermögen getreulich zu
besorgen; die Protokolle getreu und richtig zu führen; die Expeditionen der
Dekrete fleißig, akkurat und prompt anzufertigen; die Gebühren und
Stempelgelder nach Vorschrift der Sportultaxe und Stempeledikte richtig
anzusetzen; über die durch meine Hände gehenden, oder sonst zu meiner
(203) Von d. Subaltern. b. d. Justizkollegien.
Kenntniß gelangenden Geheimnisse der Partheien, oder des
Kollegii, ein unverletztes Stillschweigen zu beobachten; die meiner Verwahrung
anvertrauten Schriften, Briefschaften und Urkunden sorgfältig zu verwahren;
mich vor allen genaueren Konnexionen mit den Partheien und Sollicitanten zu
hüten; keine Geschenke noch Gaben von ihnen zu nehmen, noch auch von den
Meinigen nehmen zu lassen; keiner Parthei wider die andere Warnung zu thun,
Nachricht zu geben oder zu rathen; und mich überall so zu verhalten, wie es
einem rechtschaffenen Justizbedienten und getreuen Sekretario wohl anstehet und
gebühret. So wahr
(et)c. (et)c.
Anh. §. 457. Die Sekretarien
werden bei dem Antritte ihres Amts mit dem im §. 456. des Anhangs zum §. 37.
Tit. IV. Theil III. vorgeschriebenen Eide belegt.
Zweiter Abschnitt. Von dem Amte
der Registraturbedienten.
Bestellung
§. 23.
Die Registratoren müssen gute Schulstudia besitzen; mit den
Vorschriften der Gesetze und Prozeßordnung bekannt seyn; in den
Registraturgeschäften als Referendarien, Auskultatoren oder Registraturgehülfen
bereits einige praktische Kenntniß und Uebung erlangt haben; und wegen dieser
Eigenschaften bei dem Antritte ihres Amtes, so weit es nöthig ist, geprüft
werden.
§. 24.
Sie erhalten ihre Bestallung auf den Vorschlag des Kollegii
von dem Chef der Justiz, und müssen sich zu ihrem Amte durch den am Ende dieses
Abschnitts vorgeschriebenen Eid verpflichten.
(204) Gerichtsordn. III. Theil. Fünfter Titel.
Allgemeine
Pflichten.
§. 25.
Sie müssen täglich, Sonn- und Festtage allein ausgenommen,
früh um Acht Uhr in der Registratur erscheinen, und darin, so lange die Session
dauert, außerdem aber bis um Ein Uhr, gegenwärtig bleiben; des Nachmittags um
Drei Uhr sich wieder daselbst einfinden, und die Registratur vor Abends um
Sechs Uhr nicht verlassen.
§. 26.
Sie können also auch keinen Tag ohne Vorwissen und
Genehmigung des Präsidenten zurückbleiben, viel weniger ohne dergleichen Permission
über Nacht von dem Orte des Gerichts abwesend sein.
Bei
den einkommenden Sachen.
§. 27.
Die Vorstellungen, Eingaben und Berichte an das Kollegium
von Personen, die am Orte gegenwärtig sind, müssen in der Registratur abgegeben
werden. Der Registrator muß den Tag, wenn sie eingekommen sind, und, in
Hypothekensachen, auch die Stunde darauf vermerken; und jedes Stück an dem
gehörigen Orte, nach den in der Beilage folgenden näheren Anweisungen,
unverzüglich eintragen.
§. 28.
Sind von der Sache, die eine solche Eingabe betrifft, schon
Akten vorhanden, und ist also schon ein Decernent darin bestellt, so muß der
Registrator die Akten sofort aufsuchen. Ist es aber eine neue Sache, so muß er
sie dem Präsidenten, zur Ernennung eines Decernenten, ungesäumt vorlegen.
§. 29.
Die mit der Post oder sonst versiegelt eingehenden Sachen
werden dem Präsidenten zur Erbrechung und Präsentation zugestellt. Dieser aber
muß sie ohne Aufenthalt dem Registrator einhändigen lassen, und der Registrator
muß damit eben so, wie
(205) Von d. Subaltern. b. d. Justizkollegien.
mit den bei ihm unmittelbar übergebenen Sachen, verfahren.
Bei
deren Vertheilung unter die Decernenten.
§. 30.
Er muß dafür sorgen, daß die zu einer Session gesammelten
Vorträge den Decernenten zu rechter Zeit nach Hause geschafft werden. Er muß
denselben die zu jeder Sache gehörigen Akten beifügen; er muß aber auch bei dem
in der Beilage beschriebenen Tagezettel richtig notiren: was für Akten an die
Decernenten solchergestalt ausgegeben worden sind.
Einsammlung
der dekredirten Stücke §. 31.
Nach geendigter Session muß er die Akten auf dem
Sessionstische zusammen suchen; eine jede wieder an ihren gehörigen Ort
bringen; nach den fehlenden sich erkundigen; und wenn sie bei den Decernenten
zurückgeblieben, oder von den Sekretarien an sich genommen worden sind, fleißig
Acht geben, daß sie zu rechter Zeit wieder in die Registratur abgeliefert
werden.
Bei
den Spruchsachen.
§. 32.
Wenn Prozeßakten zum Spruche geschlossen sind, muß er sie in
das Distributionsbuch sofort eintragen; dieses Buch dem Präsidenten zur
Ernennung des Urtelsfassers vorlegen; und hiernächst die Akten versiegelt an
denselben befördern.
Verwahrung
und Vervollständigung der Akten.
§. 33.
Außer den Mitgliedern des Kollegii und den Sekretarien, muß
der Registrator, ohne ausdrückliche Verordnung des Präsidenten, niemanden Akten
verabfolgen lassen. Auch den erstgenannten Personen muß er sie auf ihr
Verlangen nicht anders, als gegen einen schriftlichen Empfangschein zustellen.
§. 34.
Ueberhaupt muß ein jeder Registrator für alle zu seiner
Registratur gehörige Akten und Pieçen haften, und sich also beständig gefaßt
halten, sie nach den
(206) Gerichtsordn. III. Theil. Fünfter Titel.
Repertorien in guter Ordnung vorzeigen, die fehlenden aber
richtig nachweisen zu können.
§. 35.
Sobald die im Vortrage gewesenen Sachen und die darauf
ergangenen Expeditionen entweder durch den Botenmeister, oder aus der Kanzellei
an ihn abgeliefert worden sind, muß er unverzüglich dafür sorgen, daß jede
Pieçe den Akten, zu welchen sie gehört, beigeheftet werde.
§. 36.
Er muß also dafür stehen, daß keine zur Registratur gehörige
Pieçe verloren gehe, oder ungeheftet liegen bleibe, und dadurch die Akten
unvollständig werden. Wenn er daher bemerkt, daß die eine oder die andere
einmal zur Registratur gekommene, und aus selbiger zum Vortrage, oder sonst
ausgegebene Sache zurück bleibe, und ihm nicht wieder abgeliefert werde; so muß
er sorgfältig Erkundigung anstellen, wo sie geblieben sey; und wenn er sie solchergestalt
nicht entdecken oder zurück erhalten kann, dem Präsidenten davon unverzüglich
Anzeige machen.
Eintheilung
der Registratur.
§. 37.
Der Registrator muß ferner dafür sorgen, daß die
verschiedenen Arten von Registraturen, welche bei einem Landesjustizkollegio
existiren können, von einander gehörig abgesondert; jede in zweckmäßiger
Ordnung gehalten, und über jede vollständige und akkurate Repertoria geführt
werben.
§. 38.
Bei einem Landesjustizkollegio können nachstehende besondere
Arten von Registraturen vorhanden seyn: I. die Prozeßregistratur;
II. die Konkursregistratur;
III. die Kriminalregistratur;
IV. die Generalregistratur;
(207) Von d. Subaltern. b. d. Justizkollegien.
V. die Pupillenregistratur;
VI. die Registratur über das Lehns- und Hypothekenwesen;
VII. die Registratur über andere zum Lehns- und
Hypothekenwesen nicht gehörige Actus voluntariae jurisdictionis;
VIII. die Konsistorialregistratur.
Da jedoch verschiedene Kollegia mit einigen der vorstehend
benannten Geschäfte nichts zu thun haben, sondern dieselben von Anderen
bearbeitet werden; so ergiebt sich von selbst, daß darüber bei solchen
Kollegien auch keine Registraturen zu halten sind.
Prozeßregistratur.
§. 39.
I. Die Prozeßregistratur theilt sich in zwei Sektionen,
nämlich die kurrente und reponirte.
§. 40.
In die kurrente Prozeßregistratur gehören alle bei dem
Kollegio wirklich im Gange befindliche Prozeßakten, welche nach dem
Anfangsbuchstaben von dem Namen des Klägers, in den einem jeden Buchstaben nach
alphabetischer Ordnung angewiesenen Fächern verwahrt werden.
§. 41.
In die reponirte Prozeßregistratur gehören alle abgethane
und beendigte Sachen. Sie werden dahin gebracht, sobald Repositio actorum
dekretirt worden ist; und die Akten werden, zum Unterschiede von den kurrenten,
mit gewissen äußerlichen Merkzeichen, z.B. mit eingehefteten blauen
Nummerzetteln, versehen. Uebrigens werden sie gleichergestalt in besonderen,
nach den Buchstaben, womit der Name des Klägers sich anfängt, eingetheilten
Fächern, in alphabetischer Ordnung registrirt.
Konkursregistratur.
§. 42.
II. Die Konkursregistratur theilt sich ebenfalls in zwei
Sektionen, nämlich in die kurrente und reponirte.
(208) Gerichtsordn. III. Theil. Fünfter Titel.
§. 43.
Da bei einem Konkurs so mancherlei Angelegenheiten von ganz
verschiedener Natur vorkommen, so müssen dieselben in mehrere Akten sorgfältig
von einander abgesondert werden. Es gehören also zu jedem Konkurs gewisse
General- und gewisse Special-Volumina.
General-Volumina müssen formirt werden:
A. Von Konstituirung der Passivmasse, wohin die Verfügungen
wegen Eröffnung des Konkurses, Bestellung des Kurators und Konvokation der
Gläubiger, das Konnotations- und Inrotulationsprotokoll, die Klassifikatoria,
das Protokoll wegen Regulirung der Appellationen u. s. w. gehören.
B. Von Konstituirung der Aktivmasse, worin das Inventarium;
der offene Arrest; die an die Schuldner der Masse ergangenen Inhibitionen; die
Auktionsprotokolle und Berichte; die Anzeigen auf Exhibita, mittelst welcher
die zur Masse gehörigen Gelder in das Depositum offerirt werden; alle die
Administration der Güter, die Handlung und die ausstehenden Aktiva betreffende
Nachrichten, Vorstellungen und Berichte, die Rechnungen des Kurators u. s. w.
enthalten sind.
In wichtigen Konkursen, wo die Aktivmasse aus verschiedenen
Arten des Vermögens, aus mehreren beträchtlichen Grundstücken (et)c. (et)c.
besteht, können mehrere dergleichen General-Volumina angefertigt, und jedem
Objekt, z. B. der Handlung, den Grundstücken, den Aktivis, besondere
Aktenstücke gewidmet werden (Th. I. Tit. L. §. 93.).
C. Von der Subhastation der Immobilien, in
(209) Von d. Subaltern. b. d. Justizkollegien.
so fern dergleichen in der Masse vorhanden sind. Endlich
D. von der Distribution der Masse.
Außer diesen Generalakten müssen auch in Ansehung eines
jeden Liquidanten, dessen Anspruch einer besondern Erörterung und Instruktion
bedurft hat, Specialvolumina formirt, und darin, was einen jeden solchen
Liquidanten besonders angeht, z. B. der Bericht über seine Forderung; das
Instruktionsprotokoll; ein Extrakt des Klassifikationsurtels; der Bericht über
die dagegen von dem Liquidanten selbst, von dem Kurator oder von Mitgläubigern
eingewandte Appelation, das weitere Instruktionsverfahren im Appelatorio u. s.
w. zusammengefaßt werden.
§. 44.
Nach eben diesen Vorschriften, wie im Konkurs, sind auch, je
nachdem die Natur der Sache es mit sich bringt, die in einem
Liquidationsprozesse vorkommenden Pieçen zu ordnen und einzutheilen.
§. 45.
Jedem Konkurs- und jedem Liquidationsprozesse und den dazu
gehörigen General- und Specialakten muß in der Registratur ein besonderes Fach
angewiesen werden.
Kriminalregistratur.
§. 46.
III. Die Kriminalregistratur theilt sich ebenfalls in die
kurrente und reponirte. In beiden müssen die Akten nach alphabetischer Ordnung
gehörig geordnet seyn, und über beide müssen akkurate und vollständige
Repertoria gehalten werden. Die besonderen Vorschriften wegen Einrichtung
derselben gehören zur Kriminalordnung.
Generalregistratur.
§. 47.
IV. Die Generalregistratur enthält alle bei einem Kollegio
vorkommende Geschäfte und daraus
(210) Gerichtsordn. III. Theil. Fünfter Titel.
erwachsende Akten, welche zu keiner der übrigen speciellen
Registraturen gehören.
Darunter sind vornehmlich zu rechnen: 1) Acta generalia,
welche die Verfassung und Einrichtung des Kollegii; die Bestellung der
Mitglieder und Subalternen desselben; die Verfassung und Besetzung der
Untergerichte; das Sportul-, ingleichen das Depositalwesen, die dahin gehörigen
Extrakte, Rechnungen und Berichte; die allgemeinen Verordnungen in
Justizsachen, nach allen den verschiedenen Branchen derselben; die
Publikationen solcher Verordnungen; die darüber von Untergerichten bei dem
Kollegio, oder von diesem bei Hofe geschehenen Anfragen; die bei dem Kollegio
vorgewesenen Justizvisitationen, und andere dergleichen allgemeine, das
Justizwesen im Ganzen, dessen Einrichtung bei dem Kollegio und in dem
Departement desselben überhaupt, betreffende Angelegenheiten enthalten.
Wie viel dergleichen Generalakten formirt werden sollen,
leidet keine allgemeine Vorschrift; sondern ist nach der Anzahl und
Verschiedenheit der bei jedem Kollegio vorkommenden Materien dieser Art, von
dem Registrator, unter der Anweisung des Präsidenten oder Direktors, vernünftig
zu beurtheilen; übrigens aber dahin zu sehen, daß die Anzahl dieser Voluminum
nicht ohne Noth vervielfältigt werde. 2)
Acta generalia über die Korrespondenz mit anderen Kollegien und
Gerichten in- und außerhalb Landes, in solchen Angelegenheiten, worüber in irgend einer andern speciellen Registratur keine besondere
Akten existiren. Dahin gehören z. B. die Requisitionen von fremden Gerichten
wegen Insinuationen, Zeugenabhörungen, Eidesabnahmen (et)c. (et)c. in
Prozessen, welche bei diesem Gerichte schweben; die Ersuchschreiben derselben,
um die Affixion der von ihnen erlassenen Ediktalcitationen und
Subhastationspatente,
(211) Von d. Subaltern. b. d. Justizkollegien.
die Verhandlungen in Privatstreitigkeiten zwischen
beiderseits Jurisdiktionseingesessenen, die nicht zum förmlichen Prozesse
gediehen sind; Intercessionsschreiben, Compulsoriales u. s. w. Für jedes
solches fremdes Kollegium oder Gericht, mit welchem dergleichen Korrespondenz
geführt wird, ist ein besonderes Volumen auszusetzen, und ein akkurates
Verzeichniß darüber zu halten, in welchem die Akten in alphabetischer Ordnung,
nach dem Namen des fremden Iudicii oder Kollegii, specificirt werden. 3) Acta
generalia, die Aufsicht über die Untergerichte, und die gegen selbige geführten
Beschwerden betreffend. Für die wichtigeren Untergerichte, bei welchen
dergleichen Beschwerden oft vorkommen, müssen besondere Volumina bestimmt; bei
kleineren aber können deren mehrere, welche an Einem Orte, oder in einerlei
Kreise oder Distrikte existiren, in Ein Volumen zusammengefaßt werden. Es wird
darüber gleichergestalt ein vollständiges Verzeichniß nach alphabetischer
Ordnung gehalten. 4) Acta generalia von Supplikantensachen, wohin alle einzelne
Gesuche von Partheien in solchen Angelegenheiten gehören, welche weder einen
bei dem Kollegio verhandelten Prozeß oder Konkurs, noch eine Beschwerde über
ein Untergericht, noch andere dergleichen Gegenstände betreffen, welche in
diese oder jene specielle Registratur einschlagen. Dahin sind z. B. zu rechnen,
die Anmeldungsprotokolle von Klagen, bei welchen es nicht zum wirklichen
Prozesse gekommen ist, sondern wo der Kläger die Sache hat liegen lassen, oder
durch ein bloßes Dekret ab- und an ein anderes Forum verwiesen worden; die über
das Kollegium selbst in Fällen, wovon keine Specialakten existiren, bei Hofe
geführten Beschwerden, darauf ergangene Reskripte und abgestattete Berichte u.
s. w. Ueber dergleichen einzelne Pieçen werden
(212) Gerichtsordn. III. Theil. Fünfter Titel.
Generalakten in alphabetischer Ordnung, nach den
Anfangsbuchstaben von den Namen der Supplikanten formirt, und ein vollständiges
Verzeichniß darüber gehalten.
§. 48.
Bei dieser Generalregistratur muß der Registrator mit
vorzüglicher Ordnung und vernünftiger Beurtheilungskraft zu Werke gehen; auch
sich sorgfältig hüten, daß Pieçen, welche zu der einen oder der andern
Specialakte gehören, nicht in die Generalakten, wo sie nicht so geschwind
wieder heraus zu finden sind, verheftet werden.
Andere
Arten der Registraturen.
§. 49.
Anlangend V. die Pupillar-, VI. die Lehns- und Hypotheken-,
VIII. die Konsistorialregistratur; so wird den Registratoren hier nur überhaupt
Ordnung, vernünftige Separation der Sachen, und Haltung richtiger vollständiger
Repertorien darüber, empfohlen. Die specielle Einrichtung dieser Registraturen
wird in der Beilage vorgeschrieben.
§. 50.
Endlich müssen VII. von den zum Lehns- und Hypothekenwesen
nicht gehörigen actibus voluntariae jurisdictionis, ebenfalls besondere Akten
nach den Jahren, in einem oder mehreren Bänden formirt, und darüber richtige
Verzeichnisse gehalten werden.
§. 51.
Vorstehende allgemeine Verordnungen wegen Einrichtung des
Registraturwesens bei den Landesjustizkollegien enthalten die Regel, wonach
durchgehends und im Ganzen verfahren werden muß. Ausnahmen davon und genauere
Bestimmungen, welche nach der besondern Verfassung dieses oder jenes Kollegii
nothwendig sind, oder Anwendung
(213) Von d. Subaltern. b. d. Justizkollegien.
dung finden, werden der einem jeden Kollegio zu ertheilenden
Specialinstruktion vorbehalten.
Einrichtung
der Akten.
§. 52.
Sämmtliche zu jeder Registratur gehörige Akten müssen
ordentlich foliirt, und denselben ein vollständiger Rotulus, oder Verzeichniß
der darin enthaltenen Pieçen, vorgeheftet werden.
Rotulus.
§. 53.
Zu den Prozeßakten wird dieser Rotulus nach der Vorschrift
Th. I. Tit. XII. §. 9. durch den bei der Instruktion das Protokoll führenden
Referendarium angefertigt; muß aber sodann, und wenn die Akten in die
Registratur kommen, von dem Registrator gehörig fortgesetzt werden. Zu den
anderen Akten muß der Registrator für die Anfertigung und Fortführung der
Rotulorum selbst sorgen; wobei ihm jedoch nöthigen Falls Auskultatoren zur
Hülfe gegeben, und diesen solchergestalt zugleich die Gelegenheit, Akten kennen
zu lernen, verschafft werden soll.
Listen.
§. 54.
Außer den zu obgedachten verschiedenen Registraturen
gehörigen Listen und Repertorien muß der Registrator auch
1) den Tagezettel, oder das Journal;
2) das Distributionsbuch,
nach den in der Beilage enthaltenen Vorschriften, führen.
§. 55.
Ein Registrator muß bei dem Antritte seines Amts
nachstehenden Eid ableisten:
Ich schwöre (et)c.
(et)c. nachdem ich bei dem Kollegio zum
Registrator angestellt worden, zuvörderst Sr. Königl. Majestät von Preußen,
meinem allergnädigsten Herrn, getreu und unterthänig zu seyn; dem Kollegio und
dessen Präsidenten die schuldige Folge und Subordination
(214) Gerichtsordn. III. Theil. Fünfter Titel.
zu leisten; mir die Pflichten meines Amtes, nach den in der
Allgemeinen Gerichtsordnung, dem Kanzellei- und Registraturreglement, und den
hiesigen Specialinstruktionen enthaltenen Anweisungen, mit allem Fleiße, Eifer
und Treue angelegen seyn zu lassen; die Registratur in gehöriger Ordnung zu
erhalten; alle einkommende Sachen sofort richtig zu präsentiren und gehörigen
Orts einzutragen; die Listen und Repertorien akkurat und vollständig zu führen;
niemanden außerhalb dem Kollegio, ohne ausdrückliche Verordnung des
Präsidenten, Akten zu verabfolgen, Abschriften daraus zuzustellen, oder
von dem Inhalte derselben etwas zu eröffnen; und mich
durchgehends so zu verhalten, wie es einem getreuen, fleißigen und ordentlichen
Registrator wohl ansteht und gebührt. So wahr (et)c.
Anh. §.458. Die Registratoren
werden bei dem Antritte ihres Amts mit dem im §. 456. des Anhangs zum §. 37.
Titel IV. Theil III. vorgeschriebenen Eide belegt.
Dritter Abschnitt. Von dem Amte
der Kanzellisten.
Bestellung.
§. 56.
Zu Kanzellisten sollen keine andere Subjekte genommen
werden, als welche von ehrlicher Herkunft sind; eine gute Erziehung genossen
haben; eine stille und regelmäßige Konduite beobachten; zugleich aber eine
leserliche, orthographisch richtige, und gut in die Augen fallende Hand
schreiben; auch einen lateinischen Terminum verstehen.
§. 57.
Dergleichen Subjekte werden in vorkommenden Fällen von den
Kollegien geprüft und vorgeschlagen;
(215) Von d. Subaltern. b. d. Justizkollegien.
ihre Bestallung aber erhalten sie von dem Chef der Justiz.
Obliegenheiten.
§. 58.
Sie müssen sich alle Tage um Acht Uhr auf der Kanzellei
einfinden, und die den Vormittag nicht fertig gewordenen Munda den Nachmittag
nachholen.
§. 59.
Ihre Verrichtung ist, daß sie die von dem Kollegio
abgefaßten, und von den Sekretarien expedirten Dekrete, Reskripte,
Resolutionen, Berichte und sonstige Verordnungen, abschreiben und mundiren
müssen.
§. 60.
Diese Munda müssen sie rein, korrekt und ordentlich
schreiben; sie mit den Koncepten fleißig kollationiren; und dafür sorgen, daß
jedem Mundo die dazu gehörigen und darin allegirten Beilagen und Kopeien
richtig beigefügt werden.
§. 61.
Sie müssen sich dabei zwar einer deutlichen, zierlichen und
gut in die Augen fallenden Hand befleißigen, jedennoch aber auch aller
ungebührlichen, aus bloßer Gewinnsucht, zu Häufung der Kopialien, herrührenden
Ausdehnung der Wörter und Buchstaben, gänzlich enthalten. Auf jeder Seite
müssen also wenigstens 24 Zeilen, und in jeder Zeile 12 Sylben enthalten seyn.
§. 62.
Sie müssen Alles in
der Kanzelleistube schreiben, und nichts mit nach Hause nehmen; wenn ihnen aber
solches in besonderen Fällen, wegen vorzüglich dringender Beschleunigung
verstattet wird, so sind ihnen dennoch nicht die ganzen Akten, sondern nur das
Stück oder die Pieçe, welche mundirt oder abgeschrieben werden soll, zu
verabfolgen.
(216) Gerichtsordn. III. Theil. Fünfter Titel.
§. 63.
Sie müssen die Fertigung der Mundorum und Abschriften
fleißig betreiben: dergestalt, daß die an einem Gerichtstage dekretirten
Verordnungen bis zum nächstfolgenden mundirt, und an die Behörde abgegeben seyn
können.
§. 64.
Zu ihrer Legitimation deshalb müssen sie unter das Koncept
des Sekretarii den Tag und die Stunde, wann ihnen selbiges zugestellt, und wann
es von ihnen mundirt und weiter befördert worden ist, jedesmal gehörig
vermerken.
§. 65.
Wenn wegen Menge der Sachen die Kanzellisten mit den Mundis
von einem Gerichtstage zum andern nicht fertig werden können, so muß der
Präsident und das Kollegium dafür sorgen, daß ihnen zur Hülfe gewisse Kopisten
angesetzt, und gehörig vereidet werden.
§. 66.
Wenn zu gewissen Zeiten die ordinairen Kanzelleiverwandten
zur Bestreitung der Arbeit nicht hinreichen, so kann das Kollegium denselben
einige extraordinaire Assistenten zu Hülfe geben. Diese werden zwar ebenfalls
auf Treue, Richtigkeit und Verschwiegenheit verpflichtet; erhalten auch einen
gewissen Antheil an den Schreibgebühren der ordinairen Kanzelleiverwandten,
denen sie assistiren; ihre Funktion aber ist kein eigentliches Amt, und dauert
nur so lange, als die Umstände ihre Beibehaltung nothwendig machen.
§. 67.
Wie die Arbeit unter die Kanzellisten und Kopisten zu
vertheilen, und was für Ordnung sowohl bei dieser Vertheilung, als bei der
Ablieferung der Mundorum zu beobachten sey, wird in der Beilage vorgeschrieben.
(217) Von d. Subaltern. b. d. Justizkollegien.
§. 68.
Die Kanzellisten müssen sich aller familiairen Verbindungen
mit den Partheien und Sollicitanten oder deren Angehörigen enthalten; selbigen
den Inhalt der Dekrete, Berichte und anderer Mundorum, vor deren legaler
Insinuation nicht eröffnen; viel weniger ihnen vor- oder nachher die
Originalien in die Hände geben; niemanden, es sey wer es wolle, Abschriften von
solchen Mundis oder anderen Aktenstücken ohne Vorwissen und Genehmigung des Präsidenten
ertheilen; und überhaupt von den durch ihre Hände gehenden oder sonst zu ihrer
Kenntniß gelangenden Geheimnissen der Partheien oder des Kollegii ein
gewissenhaftes Stillschweigen beobachten.
§. 69.
Kein Kanzellist soll außer den in der Sportultaxe
festgesetzten Gebühren einiges Geschenk, es habe Namen wie es wolle, wenn es
ihm auch aus freien Stücken angeboten würde, nehmen; keiner Parthei dienen,
noch für dieselbe solicitiren; noch in Amtssachen einen Briefwechsel mit ihr
unterhalten; bei Vermeidung der unfehlbaren Kassation und anderweitiger
nachdrücklicher Ahndung.
§. 70.
Die Deposital- und Sportulkassenrendanten, ingleichen die diesen Letzteren gesetzten Kontrolleurs, sind ebenfalls
Mitglieder der Kanzellei. Ihre Amtsverrichtungen und Obliegenheiten aber werden
in den besonderen Deposital- und Sportulkassenordnungen vorgeschrieben.
§. 71.
Die Kanzellisten werden bei ihrer Ansetzung mit folgendem
Eide belegt: Ich schwöre (et)c. (et)c. Nachdem ich bei dem Kollegio zum Kanzellisten angenommen worden,
Sr. Königl. Majestät von
(218) Gerichtsordn. III. Theil. Fünfter Titel.
Preußen :(et)c. (et)c. getreu und unterthänig, dem Kollegio
und dessen Präsidenten aber gehorsam und gewärtig zu seyn; die in der
Gerichtsordnung, dem Allgemeinen und dem hiesigen besondern Kanzelleireglement
vorgeschriebenen Pflichten, nach meinem besten Vermögen, genau zu beobachten;
die mir zugestellten Koncepte fleißig, richtig und ordentlich zu mundiren;
niemanden außerhalb dem Kollegio, von den durch meine Hände gehenden, oder
sonst zu meiner Kenntniß gelangenden Sachen und Geschäften etwas zu offenbaren;
mich mit den ausgesetzten Schreibgebühren zu begnügen, und außer denselben
nicht das Geringste von irgend jemanden, es habe Namen wie es wolle, zu fordern
oder anzunehmen; auch mich durchgehends so zu verhalten, wie es einem
ordentlichen und getreuen Kanzellisten eignet und gebührt. So wahr (et)c. (et)c.
Eben dieser Eid muß auch von den Kopisten bei ihrer
Annehmung geschworen werden.
Anh. §. 459. Die
Kanzellisten, Kanzelleidiener, Votenmeister und Voten, ingleichen die
Landreiter und Exekutoren haben folgenden Diensteid zu leisten: Ich schwöre zu Gott dem Allmächtigen und
Allwissenden einen leiblichen Eid, daß, nachdem ich zum angenommen werten, Seiner Königlichen Majestät
von Preußen, meinem allergnädigsten Herrn, ich treu und gehorsam seyn, die in
Dienstsachen von meinen Vorgesetzten erhaltenen Befehle willig und unweigerlich
befolgen, mich den erhaltenen Anweisungen gemäß betragen, über alle zu meiner
Kenntniß gelangende geheim zu haltende Dienstangelegenheiten ein
unverbrüchliches Stillschweigen beobachten, an Gebühren nicht mehr als die
vorschriftsmäßigen Sätze fordern oder annehmen, auch von gewissenhafter
Verwaltung meines Amtes mich durch Geschenke, Freundschaft, Feindschaft,
Versprechungen oder Drohungen nicht abhalten lassen, sondern vielmehr mich
überall in Ausrichtung meines Dienstes
(219) Von d. Subaltern. b. d. Justizkollegien.
treu, ordentlich, nüchtern
und unverdrossen betragen will. So wahr mir Gott helfe zur ewigen Seligkeit!
Vierter Abschnitt.
Von dem Amte der Kanzelleidiener,
Botenmeister und Boten.
Bestellung.
§. 72.
Die Kanzelleidiener und Botenmeister müssen von ehrlichem
Herkommen, von vorzüglich guter Aufführung und geprüfter Treue seyn. Sie müssen
fertig schreiben und rechnen können, und es müssen dazu vorzüglich Leute, die
in Königlichen Militairdiensten als Unteroffiziere, Korporale, Wachtmeister u.
s. w. gestanden, und als Invaliden Abschied und Versorgungsscheine erhalten
haben, sonst aber noch hinlängliche Kräfte und Munterkeit zu diesem Amte
besitzen, erwählt werden.
§. 73.
Die Kollegia müssen daher bei entstehender Vakanz über die
Auswahl solcher Subjekte, wenn ihnen dergleichen nicht schon selbst bekannt
sind, mit der Behörde korrespondiren; sie durch einen Sekretarius über ihre
Fähigkeiten prüfen lassen; und sodann den tauglichsten darunter dem Chef der
Justiz vorschlagen; als von welchem demselben die erforderliche Bestallung
ausgefertigt wird.
Obliegenheiten.
§. 74.
Die Kanzelleidiener und Botenmeister sind überhaupt
schuldig, alle von dem Kollegio oder dessen Präsidenten in Dienstgeschäften
ihnen ertheilte Befehle und Aufträge willig zu übernehmen, und fleißig und
getreu auszurichten.
(220) Gerichtsordn. III. Theil. Fünfter Titel.
§. 75.
Insonderheit müssen sie bei den Sessionen des Kollegii und
in den Instruktionsterminen die Aufwartung versehen; die etwa geforderten Akten
aus der Registratur herbei holen; die Partheien vorrufen; die vorgetragenen und
dekretirten Sachen an die Sekretarien zur Expedition abliefern; die Akten aber,
und die keiner schriftlichen Ausfertigung noch besondren Insinuation
bedürfenden Pieçen, ungesäumt wieder zur Registratur befördern.
§. 76.
Wenn ein Dekret abgefaßt worden ist, welches zwar keiner
schriftlichen Expedition bedarf, das aber einer Parthei, einem
Justizkommissario oder sonst jemanden zur Nachricht vorgezeigt werden soll, so
müssen sie diese Vorzeigung baldigst besorgen; wie es geschehen, von der
Parthei unter das Dekret vermerken lassen oder selbst vermerken, und sodann
dergleichen Pieçe unverzüglich zur Registratur abliefern.
§. 77.
Die von den Sekretarien gefertigten Expeditionen müssen sie
von selbigen nach der Nummer übernehmen, und zur Re- und Superrevision
befördern; sie sodann in die Kanzellei, ebenfalls nach der Nummer abliefern;
die Munda von den Kanzellisten oder dem Kanzelleiinspektor eben so übernehmen;
sie den Sekretarien zur Revision und Kontrasignirung, alsdann aber der Behörde
zur Vollziehung vorlegen; die Siegelung besorgen, und die gesiegelten Sachen
nach Verschiedenheit derselben und nach der Verfassung eines jeden Kollegii,
entweder an den Sportulrendanten abliefern, oder unter die Boten zur weitern
Abgabe vertheilen.
§. 78.
Bei allen diesen Verrichtungen müssen sie sich,
(221) Von d. Subaltern. b. d. Justizkollegien.
nach näherer Bestimmung des Kanzelleireglements, der
möglichsten Akkuratesse und Sorgfalt befleißigen; sich genau nach der Ordnung
des Siegelzettels achten; wann und an wen jedes Dekret abgegeben worden, auf
dem Koncepte richtig bemerken; und die Koncepte von einem Siegelungstage zum
andern, gleichergestalt nach den Nummern, in die Registratur gehörig abliefern.
§. 79.
Zu ihrem Amte gehört auch die Af- und Refixion der von dem
Kollegio erlassenen, oder von einem andern ihm zugeschickten Ediktalcitationen,
Subhastationspatente und anderer öffentlicher Proklamatum zu besorgen; und
müssen sie sorgfältig dahin sehen, daß dergleichen Proklamata die
vorgeschriebene Zeit hindurch aushängen, folglich den Tag, wann sie
angeschlagen und wann sie wieder abgenommen worden sind, auf den Originalien
derselben pflichtmäßig vermerken.
§. 80.
Die Kanzelleidiener und Botenmeister haben die Aufsicht über
die Boten; müssen die Arbeit unter sie vertheilen, und einen jeden zu seiner
Schuldigkeit anhalten.
§. 81.
Ihnen werden die Schlüssel zu den Sessionszimmern
anvertraut; und sie müssen dafür sorgen, daß diese Zimmer reinlich und sauber
gehalten, auch die darin befindlichen Geräthschaften nicht ruinirt oder
entwendet werden. Wird etwas davon schadhaft, so müssen sie solches dem
Präsidenten anzeigen, und nach dessen Anweisung die Reparatur veranstalten.
§. 82.
Sie müssen alle Tage, die Sonn- und Festtage allein ausgenommen, sowohl Vor- als Nachmittags,